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Ein fast unabh채ngiges Monatsmagazin / April 2010
Erleben Sie
Print 2.0
Extreme 40
An Bord der h채rtesten Segelserie der Welt
Jane Goodall
Wie Schimpansen unseren Planeten retten
Kapstadt Calling Frische Sounds aus der Hipster-Metropole
NASCAR im Bild Zum Start auf ServusTV: Alles 체ber die tollste US-Motorsportshow
Rajon Rondo Das Superhirn der NBA.
Bullhorn
Willkommen!
Coverbild: Marius Bugge/Vistalux/Rex Features; Bilder: Andy Hall, Biosphoto/Gunther Michel, Philipp Horak
Mut, Kraft und Ausdauer, Ehrgeiz, Begeisterungsfähigkeit, Lust am Risiko und die Freude daran, unkonventionelle Wege zum Erfolg zu suchen: Wer über diese Eigenschaften verfügt, hat gute Chancen, sich als „Hero“ im Red Bulletin wiederzufinden. Naturgemäß herrscht in der Welt von Red Bull kein Mangel an entsprechend herausragenden Persönlichkeiten, aktuell etwa Olympiasieger wie Lindsey Vonn, Shaun White, Aksel Lund Svindal oder Petter Northug, Himmelstürmer wie Felix Baumgartner oder Weltstars wie Sébastien Loeb oder Sebastian Vettel. Für diese Ausgabe des Red Bulletin haben wir eine Persönlichkeit als Interviewpartnerin gewonnen, die alle Eigenschaften der Heldinnen und Helden der Welt von Red Bull auf vorbildlichste Weise verkörpert, freilich in etwas überraschender Erscheinungsform: Die mutige, kräftige, ausdauernde und kampfeslustige Heldin ist zierlich, trägt Rossschwanz und wirkt auf den ersten Blick sogar ein klein wenig großmütterlich. Jane Goodall, die heute 76-jährige Engländerin, ging 1960 nach Afrika. Sie war Sekretärin ohne jede universitäre Ausbildung, als sie begann, sich der Erforschung der Schimpansen zu widmen. Sie ließ sich vom Hohn des akademischen Establishments ebenso wenig beirren wie von mitunter lebensgefährlichen Launen ihrer Forschungsobjekte. Sie gewann Erkenntnisse, die die Welt veränderten … und jetzt in gewisser Weise vielleicht sogar zu deren Rettung beitragen werden. Goodall steckt auch nach einem halben Jahrhundert an der Weltspitze der Wissenschaft noch voller Energie: Nach dem Interview, das Dame Jane Goodall Red Bulletin-Chefredakteur Robert Sperl in London gab, eilte sie zum Flughafen, um den Flieger nach Afrika zu erwischen. „Es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen den Schimpansen und uns“, ab Seite 36. Auch jenseits von Goodalls tansanischem Forschungszentrum Gombe steht Afrika im Mittelpunkt dieses Hefts: Wir machen Sie zu Zeugen der faszinierenden Tradition der Ringer in Senegal (Seite 72) und entführen Sie in die pulsierende Musikszene von Kapstadt in Südafrika. Dort treten Künstler wie Ready D, Markus Wormstorm und Gazelle unter anderem den Beweis an, dass Musik nicht nur Sprachgrenzen, sondern auch politische und soziale Barrieren überwinden kann. „… ich hab Nelson Mandela hinter der Bühne tanzen gesehen“, ab Seite 52. Zum Afrika-Schwerpunkt passt eine kleine Nachricht in eigener Sache: Die vorliegende Ausgabe des Red Bulletin ist die dritte, die in Südafrika erscheint. Sollte sich in einem der nächsten Hefte die eine oder andere polnische Story finden, seien Sie nicht überrascht: Polen ist ab dieser Ausgabe das achte Land auf der Red Bulletin-Weltkarte.
Hello, Africa! Die großartige Jane Goodall im exklusiven Interview, dazu Reportagen über die verrückte Musik szene Kapstadts und die Tradition der Ringkämpfe in Senegal: drei außer gewöhnliche Geschichten in diesem Heft als Tribut an die Vielfalt eines Kontinents.
Dobrej zabawy! Die Redaktion
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Ihr Red Bulletin kann noch mehr, als Sie denken. Movies, Sounds, Animationen Print 2.0 – die zusätzliche Dimension in Ihrem Red Bulletin. In diesem Heft bei folgenden Storys:
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Wie’s geht? Umblättern auf Seite 7 oder gleich ins Internet: de.redbulletin.com/print2.0
Print 2.0
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NEU Happy Day Lychee: Das exotische Geschmackserlebnis. Ohne Farbstoffe und Konservierungsmittel.
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i n h a lt
die welt von red bull im april Ob gescheite Theorien oder extreme Segeltörns, hippe Zukunftsmusik oder uralte Traditionen: Die Richtung stimmt, einfach der Spur folgen.
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Bullevard
08 Kainraths Kalenderblatt 10 Fotos des Monats
18 Red Bull Street Style Was man vor dem großen Finale am 28. April in Kapstadt wissen sollte. 22 Games over Die Stars der Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010. 24 Einst & Jetzt Aus der runzeligen Lederkugel wurde ein raffinierter Uni-Absolvent. Getreten wird der Fußball aber noch immer.
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27 Mark Webber Der australische Formel-1-Star im Ganzkörper-Selbstporträt. 28 Bruce willis Die Welt eines harten Action-Helden. 30 Formelsammlung Aua! Was – physikalisch betrachtet – bei einem Rugby-Tackling alles passiert.
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32 Die zahlen des Monats Die Speedrekorde der Tempojunkies.
Heroes
36 Jane Goodall erforschte jahrzehntelang das Verhalten der Schimpansen. Uns erzählte die große Zoologin, warum sie heute gegen Armut, Überbevölkerung und Auswüchse west lichen Lebensstils zu Felde zieht. 40 Rajon Rondo ist zwar der Kleinste der Boston Celtics, trotzdem aber ein ganz Großer. Weil er den langen Kerlen clever die Bälle serviert. 46 Glenn Curtiss ist der eigentliche Urvater der Fliegerei. Wir erzählen Ihnen, warum. 6
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i n h a lt
Action bilder: andy hall, James Dimmock, corbis, Jonathan Glynn-Smith/Red Bull Photofiles, philipp horak, imago, NHPA/Photoshot; illustrationen: albert exergian
52 Cape Town calling Lokalaugenschein in Südafrikas prickelnder Musikszene. Und warum fünf junge Talente die Zukunft des Landes sind.
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58 The Roaring 40s Eine extreme Rennserie, die Ihre Sicht aufs Segeln für immer verändern könnte. 66 Grosse oper NASCAR ist ehrliches Racing und Pop kultur gleichermaßen. Ein Crashkurs für Aufgeschlossene. 72 Ringen in Senegal Der sehr traditionsreiche Ringkampf ist mitunter sogar populärer als Fußball.
More Body & Mind
80 Gary Hunt, cliff Diver, sprach bei seinem Besuch im Hangar-7 über Jonglieren, Kochkunst und Frauen. 81 Küchengeheimnisse Der südafrikanische Starkoch David Higgs lüftet drei von seinen. 82 Hart am Wind Roman Hagara benennt die wesentlichsten Utensilien fürs Segeln. 84 Red bull X-Fighters Wo die World Tour 2010 Halt machen wird. 86 Volles Programm Das Red Bull TV-Fenster auf ServusTV. 88 Hot spots Was rund um die Welt los ist. 90 Die Macht der Nacht Live aus London, Poreč, Manchester und New York. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt.
the red Bulletin Print 2.0 Movies, Sounds, Animationen in Ihrem Red Bulletin. Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen. 1
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de.redbulletin.com/ print2.0 Im Browserfenster sehen Sie das MagazinCover. Klicken Sie auf „Starten Sie Bull’s Eye!“.
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Webcam zulassen Sie benötigen eine Webcam. Sollte sich ein Auswahlfenster öffnen, klicken Sie auf „Zulassen“.
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Red Bulletin vor die Webcam halten Es erwarten Sie Multimedia-Inhalte wie Movies, Soundfiles oder Animationen.
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K a i n r at h s K a l e n d e r b l at t
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kunde
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de.redbulletin.com/print2.0 Das Video von der Sunset-Session.
Va n co u v e r , K a n a da
Mut zur Lücke Es ist ein paar Jahre her, da kreiste der heute 23-jährige kanadische Skateboarder Ryan DeCenzo im Helikopter über Vancouver. Er war auf der Suche nach spektakulären Spalten zwischen Hausdächern, die manche Skateboarder a nziehen wie das Licht die Motten. Was dem Freeskier unberührte Tiefschneehänge, sind Skatern d iese „Roof Gaps“: Je mehr Platz sie einem lassen für Kunststücke dazwischen, desto aufregender. Dass DeCenzo auf seiner Heli-Reise auch die Werften und den Hafen aus der Vogelperspektive zu sehen bekam, war das Glück des Tüchtigen. Jede Menge unschuldiger Container parkten hier, manche auf schwimmenden Bargen im Wasser, Schulter an Schulter. Der Rest war einfach: Warten auf einen wolkenlosen Sommerabend samt Cinemascope-Sonnenuntergang und dann bloß noch springen, springen, springen.
bild: 2009 Scott Serfas
Bullevard-Pics downloaden: www.redbulletin.com/wallpaper/de
Bullevard Befl端geltes in kleinen Dosen.
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bild: matt domanski
S q uA M I S H, K a n a da
Luftbrücke British Columbia ist die Wiege des modernen Freeridens. Vor gut fünfzehn Jahren haben die ersten Mountainbiker dort begonnen, die stets feuchten Wälder an der Küste nördlich von Vancouver durch Holzleitern befahrbar zu machen. Die Stunts wurden ärger, Fotos und Videos trugen diese ganz neue Art des Freeridens in die Welt. Schon bald kannte man diese Hindernisse nur noch unter dem Namen der Gegend, in der sie erfunden worden waren: North Shore. Kein Bike Park auf der Welt kommt seither mehr ohne Hühnerleiter aus. Vielleicht ist es genau aus diesem Grund in den großen Filmund Fotoproduktionen so still geworden um die North Shores. Umso überraschender kommt Cam McCauls Superman Seatgrab über einen Fluss im kanadischen Urwald. Ist das etwa das Comeback der Mutter aller künstlichen Hindernisse?
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credit
M e r k e r s, D e u t s c h l a n d Foto d e s m o n at s (2)
Höllentraining Headline_02
Sommerliche Temperaturen im Februar, und das in Thüringen, mitten in Deutschland? Klingt unmöglich, ist aber machbar – sofern man Igna ad modipsumsan venisl delit ulput autatinheißt) estie magnim keine Höhlenangst hat (was Syringophobie und auchdolore keine dolortionsed diat nonsequis nullamet nulla alit lorem nit Furcht davor, mitaute achtfeum Metern pro Sekunde in einem engen Förderalis esto eros dolumErdmittelpunkt adio eui bla adiam, sequisit nulput praessit schacht Richtung zu sausen. Die deutschen Beachadip et, quat. Ut in exer sendipi smodole sequisim zzriliqui euiscillavolleyball-Weltmeister Jonas Reckermann (30, links) und Julius ore eum esequis et vulla feugiat. Brinknos (27) ließendunt sich laorperate aus sportlichen Gründen auf dieses Aben Ibhteuer erit ilisi tem zzrilisit lutat. To dolorer at augiam doloborper se ein: Für ein spezielles Training verlegten sie den Beachcourt modolobore dolestrud min utpat, sumsandre ex exercilis nibh ins ehemalige Salzbergwerk Merkers, 420 Meter unter Tag. Undesto setzetten utpatet, qui blan vulputa tionum volorem augiame tueraesed te noch eines drauf, pardon: drunter, indem sie in 850 Meter Tiefe deliteinen ulputStollen atuerozur do Kraftkammer eu feugue minumfunktionierten. henis nostis do coreetuer inim Die Schinderei adiobei enit30 wisi. Grad Celsius und 35 Prozent Luftfeuchtigkeit hatte einen Verortung Hintergedanken: Am 19. April startet die Beachvolleyball World Tour Termin 2010 in Brasília – viel wärmer kann es dort auch nicht sein. Weblink Den Film zum Training von Brink/Reckermann sehen Sie
bild:Ray Demski/Red Bull Photofiles
im Red Bull TV-Fenster auf ServusTV am 17. April, 23 Uhr. Alle Termine und Infos zu den Spielen: www. fivb.com
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K a n a r i s c h e I n s e l n, S pa n i e n
Bei dieser kuriosen Tradition geht es um „weiter“ und „tiefer“ statt um „höher“, sonst wären die Viehhirten der Kanarischen Inseln die Erfinder des Stabhochspringens. Der Hintergedanke des „Salto del Pastor“ (Hirtensprung) genannten Tuns ist ein praktischer: Um ihren S chafen und Ziegen leichter durch unwegsames Gelände folgen zu können, staksten die Hirten mit Hilfe langer Stöcke mit Metallspitze („astias“) über Gräben hinweg und steile Hänge hinab. Eine ähnliche Disziplin kennt man übrigens aus den Niederlanden, das Polsstokverspringen. Doch während es auf den Kanaren trockene Hindernisse zu überwinden gilt, setzen die Holländer mit ihren Pultstöcken über Wasserläufe.
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Bild: Predrag Vučković/Red Bull Photofiles
Stock n’ Stein
Kostenlose Schaltung.
kunde “Jeder kann der Nächste sein.” Ronnie Renner.
Moto X Freestyler und Wings for Life Botschafter.
Als Ursache einer folgenschweren Rückenmarksverletzung führt beiweitem nicht Extremsport die Statistik an, sondern der Straßenverkehr. Mehr als die Hälfte aller Querschnittslähmungen resultiert aus Verkehrsunfällen. Weltweit sind rund 2,7 Millionen Menschen nach einer Rückenmarksverletzung auf den Rollstuhl angewiesen, und im Durchschnitt erhält alle vier Minuten ein Patient die Diagnose: „Querschnittslähmung“. Das Dogma der Unheilbarkeit konnte in Laborversuchen bereits widerlegt werden. Auf diese Erfolge aufbauend, ermöglicht und fördert Wings for Life die Durchführung medizinisch-wissenschaftlicher Forschungsprojekte zur Heilung des verletzten Rückenmarks bis der Durchbruch in der Humanmedizin geschafft ist.
Jede Spende zählt. Wings for Life - Rückenmarksforschung e.V. Bayrische Landesbank München. Kontonummer 11911. Bankleitzahl 700 500 00.
www.wingsforlife.com
b u l l e va r d
Am 11. Juni erfolgt in Südafrika der Anpfiff zur 19. FußballWeltmeisterschaft. Davor treffen die besten FreestyleSoccer-Spieler aufeinander. Deutschlands Vertreter beim Red Bull Street Style-Weltfinale in Kapstadt ist:
Timo LÖhnenbach
Verwandelt Ich bin 22 Jahre alt und habe seit meinem sechsten Lebensjahr im Fußballverein gespielt. Eigentlich immer als Linksaußen bei lokalen Klubs wie dem VfL Rheinbach. Vor zwei Jahren hörte ich auf, da das Freestylen immer mehr Zeit in Anspruch genommen hat. In der Wettkampfvorbereitung trainiere ich bis zu vier Stunden täglich. Begünstigt durch mein Sport studium, kann ich nebenbei auch oft radfahren, laufen oder in den Kraftraum gehen. Vorbildwirkung Im Fußball ist Diego Maradona mein großes Vorbild, er revolutio
nierte mit seinen Dribblings und Tricks das Spiel. Andererseits be wundere ich auch Topsportler wie Lance Armstrong, Muhammad Ali, Roger Federer, Tony Hawk – aber auch den siebenfachen FootbagWeltmeister Vašek Klouda. Sie alle perfektionierten ihren Sport. Und das ist auch mein Ziel. Inspiration Zum Street Style bin ich als Aus tauschschüler in Brasilien gekom men. Später habe ich mir sehr viele Videos im Internet angesehen, wie die Werbespots mit Ronaldinho. Von jeher bewundere ich auch den Artisten, Jongleur und einen der ersten Freestyler, Enrico Rastelli, der bereits Anfang der 1930er Jah re unglaubliche Sachen mit einem Ball angestellt hat. Anforderungsprofil Einen guten Street Styler zeichnen unterschiedliche Fähigkeiten aus: Kreativität, Kontrolle und Style – aber vor allem die Skills am Ball. Ich denke, dass ich ein Allrounder bin. Früher habe ich fast nur an Airmoves gearbeitet. Aber ich habe gelernt, dass das Publikum auch andere spektakuläre „Spe cials“ sehen will. In Südafrika werde ich also ein paar ganz neue, noch ungesehene Tricks präsentieren.
Trickreich Neue Tricks entstehen meist so, dass man die Freestyle-Moves anderer zu variieren und weiter zuentwickeln versucht. Dennoch achte ich natürlich darauf, meinen eigenen Stil zu bewahren. Die Um setzung neuer Street-Style-Ele mente dauert meistens ein paar Tage. Das Schwierigste ist, die Ideen in den Kopf zu bekommen. Reine Kopfsache Ich halte gemeinsam mit Dominik Kaiser den Guinness-Weltrekord im Hin-und-her-Köpfen mit 8 Minu ten und 6 Sekunden. Die richtige Einstellung Die Qualifikation für das Weltfinale in Kapstadt ist ein großer Erfolg für mich. Red Bull Street Style hat mir schon sehr viel im Leben ge geben – Freunde, Reisen und viel, viel Spaß. Red Bull ist in der Szene sehr wichtig und bringt die Leute zusammen. Zwar wird immer pro fessioneller und härter gearbeitet – so soll es ja im Sport auch sein. Dennoch sollte niemals der Spirit vom Freestyle verlorengehen. Timo Löhnenbach mit Street-StyleAction in Red Bulletin Print 2.0. Red Bull Street Style-Weltfinale: 28. April 2010, Kapstadt, Südafrika www.redbullstreetstyle.com
Bilder des Monats
Moment mal!
Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird ein druckfrisches Buch zum erfolgreichen Kinofilm „Mount St. Elias“, der in Österreich über 100.00 Besucher in die Kinosäle lockte, verlost.
Mount Oliver Gewinner aus Heft 03/2010: Helmuth Berger
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Rauf auf den Mount Oliver, einen Blick auf Neuseelands höchsten Berg, den Aoraki, werfen und dann in Ruhe weiterlesen. Katharina Gellner
b u l l e va r d Print 2.0
de.redbulletin.com/print2.0 Das trickreiche Best-Of der Qualifier für das Red Bull Street Style Weltfinale 2010.
bach fliegt
Red Bull Street StyleWeltfinale als Gipfeltreffen der besten Freestyle-Fußballer der Welt, hier das kollektive Einspielen vor dem Finale 2008 in São Paulo.
Leogang
Der Brite Sam Pilgrim sicherte sich bei dem Freestyle-Bike-Event auf dem Schneekurs den Sieg. Marcel Lämmerhirt, White Style 2010
Linz
bilder: Marcel Lämmerhirt/Red Bull Photofiles, ray demski/red bull photofiles (2)
Klassische Musik trifft auf weltmeisterlichen Breakdance.
Marc Swoboda demonstriert, dass Handläufe nicht unbedingt nur zum Festhalten beim Stiegensteigen geeignet sind. Erwin Polanc, Red Bull Upside Down
Passen Johann Sebastian Bachs „Wohl temperiertes Klavier“ und Hip-Hop zusam men? Und ob. Von 13. April bis 1. Mai 2010 treffen in Berlins Neuer Nationalgalerie die vierfachen Breakdance-Weltmeister Flying Steps auf die Fugen und Präludien des Barock-Komponisten. Regisseur und Dirigent Christoph Hagel machte sich in der Vergangenheit einen Namen durch moderne Adaptionen von Mozart-Opern an ungewöhnlichen Orten („Don Gio vanni“ im E-Werk Berlin oder die „Zauber flöte“ im U-Bahnhof). Bei seiner neuesten Produktion „Red Bull Flying Bach“ möchte Hagel zeigen, dass „Bach vitale Musik und Hip-Hop große Kunst ist“. Flying-StepsMitglied und Choreograph Vartan Bassil ist von dem Projekt, das bei den zwölf Aufführungen Stimmungen, Tanzstile und -techniken wie B-Boying, New Style, Soul Lock, House und Urban Dance vereint, überzeugt: „Jetzt haben wir die Chance, unsere Kunst in einem völlig neuen Licht jenseits der Straße zu präsentieren.“ Red Bull Flying Bach: 13. April bis 1. Mai 2010, Neue Nationalgalerie, Berlin Tickets gibt’s auf: redbull.de/redbullflyingbach
Los Angeles Acht von Los Angeles’ besten DJs scratchten im Playhouse Hollywood für ein Ticket beim nationalen Finale. Carlo Cruz, Red Bull Thre3Style
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b u l l e va r d
Berlinale Cart cup
rie se These 3
FuSSball 2020 Wie alle Welt den Fußball verändert: Sechs Thesen zur Zukunft des globalen Sports Nr. 1. These 3: Sieger spielen zu zwölft. Geld schießt keine Tore? Nun ja … Tat sache ist, dass englische und spanische Klubs in der Fußballwelt den Ton angeben. Und sie werden das allen Querschüssen zum Trotz auch in den nächsten Jahren tun. Dafür gibt es handfeste wirtschaft liche Gründe. Die spanische Primera División soll schon vor der Rezession ein Minus von geschätzten vier Milliarden Euro (Eng land: 3,3) gebaut haben. Immer wieder gehen Vereine bankrott – und bleiben doch allgegenwärtig. So lässt es sich herr lich Schulden machen. Am Beispiel Real Madrid: Da ging der größenwahnsinnige Präsident Florentino Pérez, der schon in seiner ersten Ära 600 Millionen Euro ver brannt hatte, wieder mal auf Shopping tour. Um Ronaldo, Kaká und Co um 250 Millionen Euro verpflichten zu können, bekam er einen 150-Millionen-Kredit bei den Großbanken Caja Madrid und Grupo Santander – trotz des bereits jetzt astro nomisch hohen Schuldenstandes von Real werden Banken und Behörden nicht
Lima Modische Kopfbedeckungen gab es bei der ersten Runde des peruanischen Musik-Clashs zu bewundern. Renzo Giraldo, Red Bull I-Battle 20
müde, weitere Millionen in die Königli chen zu pumpen. Beunruhigender mag ein Regierungs plan sein, den privilegierten Steuersatz für ausländische Stars von 24 auf 43 Pro zent anzuheben. Das könnte dafür sor gen, dass viele Toplegionäre abwandern – und zwar bevorzugt nach England. Denn auf der Insel sind astronomisch hohe Gagen kein Problem. Selbst bei ei nem Mittelständler wie Birmingham City, das im Oktober 2009 als bereits zehnter Klub der Premier League in ausländischen Besitz geriet: Hongkong-Investor Carson Yeung dribbelt jetzt mit 94 Prozent mit. Asiatische und US-Wirtschaftskapitäne sind auf der Insel ebenso gerne gesehen wie Ölscheichs. Mansour bin Zayed Al Nahyan, Mitglied der königlichen Familie von Abu Dhabi, spendierte Manchester City 2009 nach der Schuldentilgung ge nerös auch noch 140 Millionen Euro für Spielerkäufe – ein Viertel aller ShoppingRechnungen der Premier-League-Klubs im letzten Jahr.
Anlässlich der 60. Berlinale, der Inter nationalen Filmfestspiele Berlin, tauschten wieder einige Schauspieler, Regisseure und Produzenten ihre ele ganten Abendroben gegen Rennover alls. Red Bull und Film1 luden wie schon in den vergangenen Jahren zu einem Prominenten-Kartrennen nach BerlinMarzahn. Das Starterfeld war einmal mehr hochkarätig – schauspielerisch wie motorsporttechnisch. Nora Tschir ner, die als gebürtige Berlinerin Heim vorteil hatte, Jessica Schwarz, Mark Keller oder Formel-1-Größe David Coulthard (im Bild mit Wilson Gonzalez Ochsenknecht). Der langjährige CartCup-Dominator Tom Schilling versuch te, seinen Titel zu verteidigen – heuer war er allerdings beim Showrun „Mo torsports versus Movie“ ohne Chance und musste sich dem Rennsport-Paar Martin Tomczyk und Christina Surer geschlagen geben. Den Gesamtwett bewerb „Großer Preis von Berlin“ si cherte sich vor rund 600 Zuschauern Beatsteaks-Gitarrist Peter Baumann. Videos und Fotos vom Berlinale Cart Cup gibt es auf www.redbull.de
Singapur Neues Format: Die B-Boys matchten sich nicht Buga Alejandro Caro zeigte bei seinem Heimsieg vor eins zu eins, sondern traten in Zweierteams gegeneinander an. 3000 begeisterten Fans einmal mehr, warum er zur BMXMark Teo, Red Bull Street Battles Dirt-Elite zählt. Camilo Rozo, Red Bull Upside Down
bilder: Rainer Jensen/Red Bull Photofiles; illustration: heri irawan; Text „Fussball 2010“: Andreas Jaros
Die Filmbranche im Motorsportfieber.
RED BULL AIR RACE
WORLD CHAMPIONSHIP EUROSPEEDWAY
LAUSITZ
07.-08. AUGUST kunde
T JETZ
ETS K C I T
E N I L ONBUCHEN WWW.REDBULLAIRRACE.COM
b u l l e va r d
i p m y l l u B s e m Ga 2010 für viele Vancouver 2010 hielt elmetallene Red Bull-Athleten ed bereit. Karriere-Highlights
Lindsey Vonn
Ski Alpin
ng-Gold den „teilten“ Skispru dsey ischen ch rei Unvergessen sind Lin ter ös en ihr t mi der Ritt ang Loitzl Vonns atemberauben Teamkollegen Wolfg n me Da r de old -G Adam r), fle zu Abfahrts Ko as dre und An satiosen s ite Wh n Karl! au n Sh mi und Małysz und Benja der Halfaun Sh g: un neller Siegeslauf in Üb Apropos glichen d der en hr pipe (48,4 von 50 mö wä te iel sp ite Wh e Aksel -NatioPunkten!) ebenso wi Siegerehrung die US i-Tr r-G pe Su ftgitarre Lu r de Lund Svindals f au e nalhymn ugs rth No r tte Pe d , wie er un ul“ umph mit, „meiner Les Pa rt bei ite Wh d Un . unglaublicher Endspu nd später gesta 50-Kiloei zw er ss dem abschließenden da , ch au verriet en. Nor um des meter-Langlaufrenn Tage zuvor im Zentr ch Au t: üb ge r Hymne die rfs thug hatte vorhe Do n olympische als er, r wa t rin sp „im , im Team in echt gespielt hatte PetterPartner von Øystein Jimi-Hendrix-Stil!“. m Finish etensen, nach fulminante PS: Die Red Bull-Athl n. be lie illeneb g da ich Me siegre in der auch familie hätte tz Pla n ne Herzliche Gratulation tio Na r de tern, Gre- wertung an Thomas Morgens t. leg be sechs (die beigor Schlierenzauer
G: Abfahrt B: Super-G
Aksel Lund Svindal Ski Alpin
: Super-G G S: Abfahrt B: Riesenslalom
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ic Adam Małysz
Skispringen
Normalschanze GroSSschanze
Shaun White
Petter Northug
Snowboarden
Langlauf
Halfpipe
Gregor Schlierenzauer
Skispringen
: Team GroSSschanze G B: GroSSschanze B: Normalschanze
Benjamin Karl
Snowboarden
Parallel-Riesenslalom
thomas morgenstern
Skispringen
Team GroSSschanze
Bilder: GEPA Pictures (2), imago sportfotodienst (6), Shutterstock (3)
: Teamsprint G G: 50 km Massenstart S: 4 × 10-km-Staffel B: Sprint klassisch
B u l l e va r d
EINST UND JETZT
Spielmacher
heute ganz in leder! Markenlos, 1941 Dieser Fußball war Hauptdarsteller, als es im Juni 1941 in Berlin um die Deutsche Meisterschaft ging. (Rapid Wien lag in diesem Spiel gegen Schalke bereits 0:3 zurück, doch am Ende hieß es 4:3 für die Wiener; ein Ergebnis, das infolge der damaligen politischen Situation von hoher Symbolkraft war.) Der Ball 24
war ein Kind seiner Zeit: Außen Rindsleder, die zwölf Einzelteile händisch zusammengenäht. Innen eine Latex-Lunge mit Ventil. Wie außen und innen verheiratet wurden? Nun: Das Prozedere ähnelt jenem, ein Schiff in eine Flasche zu bekommen; kein Problem für geschickte Handwerker. Lederbälle veränder-
ten ihre Eigenschaften im Lauf eines Spiels – Regen machte sie schwer wie Steine, was Tormänner hassten – und noch mehr im Lauf ihres Lebens. Der österreichische Spitzname für den Ball, Wuchtl, war dann nicht mehr korrekt: Man hätte ihn in Anlehnung an die Physik besser Unwuchtl nennen sollen.
Text: Robert sperl, paul wilson
Er wird noch immer getreten, und er ist noch immer rund, doch alles Übrige hat sich im Lauf der Jahrzehnte beträchtlich verändert: Aus dem runzeligen Rohling ist ein raffinierter Universitätsabsolvent geworden.
Bilder: Kurt Keinrath; mit besonderem Dank an rapid Wien
zu neuen höhen Adidas Jabulani, 2010 Eine Fußballweltmeisterschaft bringt neben hohen Erwartungen und dem Erwachen nationaler Gefühle jedes Mal, seit 1970, einen neuen Ball von Adidas, dem offiziellen Ausstatter. Der erste hieß Telstar, es folgten unter anderem Tango, Etrusco und zuletzt Teamgeist. Stets hat Adidas versucht, beim Design manche
Faktoren zu verringern (etwa die Unberechen barkeit) und andere zu verbessern (etwa die Sichtbarkeit, gleichermaßen wichtig im Stadion und im TV). Der Jabulani (heißt in der ZuluSprache „feiern“) für die WM in Südafrika 2010 soll auch dank Windkanalversuchen von Wissenschaftlern der englischen Universität
von Loughborough so rund und zuverlässig in seinen Spieleigenschaften wie kein Ball zuvor sein. Seine acht Bestandteile sind aus TPU (Polyurethan) und EVA (Ethylenvinylacetat) gefertigt und auf spezielle Art miteinander verschweißt. Also: keine Kuh weit und breit. Mehr unter www.adidas.com/football
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b u l l e va r d
Der Berliner Techno-Musiker Paul Kalkbrenner klappert derzeit Musikfestivals und Film premieren in aller Welt ab.
Der DJ sitzt am Flughafen Berlin-Tegel. Den Kopf nach hinten gelehnt, die Sonnenbrille wie einen Schild vorm Gesicht, die Arme verschränkt, die Beine auf seinem Trolley hoch gelagert. Er wartet. So wie jedes Wochen ende, wenn er sich aufmacht, Tänzern in aller Welt ihre Clubnacht zu versüßen. Es ist die erste Szene des Films „Berlin Calling“ (2008), in dem Paul Kalkbrenner die Hauptrolle spielt, den DJ Ickarus. Auch wenn der echte Musiker mit dem Protago-
nisten, der die Höhen und vor allem Tiefen des Berliner Techno-Jetsets durchlebt, nur bedingt Charakterzüge teilt: Die Eröffnungs sequenz am Flughafen kennt Kalkbrenner nur zu gut. Spätestens seit dem Erfolg seines Schauspieldebüts ist er in die erste Liga deutscher Techno-Produzenten aufgestiegen. Vom kleinen Heimstudio auf den roten Teppich der Kinopremieren, von den rauchigen Clubs in die Stadthallen von Hamburg bis Zürich und Headliner-Slots der Sommerfestivals. Dabei hat der Dreiunddreißigjährige sich trotz des Aufstiegs nie verbogen, ist seinem Ziel, organische, melancholische Minimal-House-Hymnen zu schaffen, die sowohl im Club als auch im Kopfhörer funktionieren, stets treu geblieben. Kalkbrenners aktuelle Single „Sky and Sands“, auf der sein Bruder Fritz zum Mikrofon greift, ist ein gefühlvoller, verspielter DancefloorDiamant, der Kalkbrenner stilistisch in die Nähe des New Yorker Elektronik-Musikers Moby rückt, für den er unlängst einen Remix fertiggestellt hat. Als „Techno für Leute von 8 bis 88“ schätzt Kalkbrenner seine Musik selber schmunzelnd ein. „Mittlerweile spiele ich an die 140 Gigs im Jahr. Ich war ja schon vorher viel live unterwegs. Der Unterschied ist allerdings, dass ich mir früher nie sicher sein konnte, ob der Club am Ende voll oder leer sein würde. Das hat sich schon geändert. Zumindest in den Ländern, in denen ,Berlin Calling‘ schon gelaufen ist.“ Nach gefeierten Aufführungen bei Filmfestivals von Los Angeles bis Korea im Herbst ist der Film nun auch in Neuseeland erhältlich. Und Paul Kalkbrenners Tourkalender wächst von Tag zu Tag. Berlin Calling Tour: 16. April 2010, Zenith, München, www.myspace.com/paulkalkbrenner
Briefe an die Redaktion. Glückwunsch und Kompliment zu dieser Zeitschrift. Ich sitze gerade in München und hatte soeben den Genuss, sie lesen zu dürfen. Wie kann ich, als in der Karlsruher Provinz lebender „Neufan“, in den regelmäßigen Lesegenuss des Red Bulletin kommen? Stefan Kraft, per E-Mail Für den Raum Karlsruhe empfehlen wir diesbezüglich den genießerischen Erwerb der „F.A.Z.“: Dieser Tageszeitung wird unser Magazin immer an jenem Samstag, der dem ersten Dienstag jedes Monat vorangeht, beigelegt. Die Redaktion. Ich lese mit Begeisterung Ihr Magazin und freue mich immer, das neue Heft am Monatsanfang in Händen zu halten. Die Berichte sind stets von exzellenter Qualität und sehr interessant. Beim Bericht zu Jon Olsson (2/2010) hat sich jedoch ein kleiner Fehler eingeschlichen: Der abgebildete „kleine“ Lamborghini Olssons hat „nur“ 500 PS und nicht wie beschrieben 560. Die 560-PS-Variante ist der LP 560-4, Olsson fährt aber einen normalen Gallardo. Der Kenner sieht das an feinen Details wie den fehlenden Lufteinlässen vor den Vorderreifen. Leopold Kipp, per E-Mail Sorry – wir bitten hiermit alle Lamborghini-Kenner um Ver gebung. (Und werden in unserer Dienstwagenabteilung ein entsprechendes Upgrade anregen, um in dieser Angelegenheit künftig kompetenter aufzu treten.) Die Redaktion. Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder per Post an Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefonnummer bzw. E‑Mail-Adresse enthalten. Die Redak tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.
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bild: Cinetext; illustration: dietmar kainrath
The Sound of Berlin
b u l l e va r d
Mein Körper und ich
Mark Webber
Ein Mountainbike-Crash beendete beinah seine Karriere, er gönnt sich Chips ohne Gewissensbisse, traut seinem Hals einen Rugby-Einsatz zu und wäre gerne ein wenig wie Felipe Massa: Australiens Red Bull Racing-Star im Full-Body-Selbstporträt. Mas se und Kla sse
Gut vers chr aubt
Im November 2008 krachte ich während meiner jährlichen Pure Tasmania Challenge bei Tempo 40 mit dem Mountainbike in einen Geländewagen. Resultat: offene Fraktur des rechten Schien- und Wadenbeins, gebrochene Schulter. Bei der Operation wurden mir ein Titannagel und einige Schrauben eingesetzt. Es war ziemlich schlimm, aber nicht so schlimm, um auch nur eine Sekunde in Erwägung zu ziehen, den Formel-1-Saisonauftakt im März zu verpassen. Zur Zeit des Unfalls war ich wohl so fit wie nie zuvor – das war wichtig. Ebenso wie das tolle Team, das mir beim Heilungsprozess zur Seite stand. So saß ich bereits vier Wochen später wieder auf dem Fahrrad. Wir forcierten die Heilung mit unterschiedlichen Methoden: Ich machte viel Schwimmtraining, Beingymnastik und Kryotherapie (drei Minuten bei –130 °C in der Kältekammer) und verwendete einen Knochenwachstumsstimulator, der mit elektrischen Impulsen arbeitet. Nach fünf Operationen ist jetzt nur noch der Titannagel im Bein.
text: ruth morgan; bild: David Clerihew
Sieg über das Bewusstsein Mit dem Schmerz nach einer Verletzung, wie ich sie hatte, kann man umzugehen lernen. Aber dein Gehirn testet dich immer wieder aufs Neue. Es gibt Tage, an denen man keine Fortschritte im Heilungsprozess sieht – die sind wirklich hart. Ich bin der Meinung, dass ein verletzter Athlet doppelt so hart arbeiten muss wie ein fitter. Aber sobald ich den Helm aufsetze und ins Auto steige, beeinflusst mich die Verletzung überhaupt nicht mehr. Das ist auch eine Frage der Verantwortung gegenüber meinem Team. Als ich mein erstes Rennen gewann und diese Leute um mich hatte, war es ein unbeschreibliches Gefühl.
Es gibt nichts Schlimmeres, als unvorbereitet in einen Grand Prix zu gehen, denn selbst im allerbesten körper n. Renne dem nach zen Strapa die du lichen Zustand spürst ich Ich hätte gerne ein bisschen mehr Muskelmasse. Da nicht sen, aufpas ich muss , Anm.) m; recht groß bin (1,84 wie zu schwer zu werden für das Auto. Kleinere Piloten meibei g Wichti r. leichte Spur eine es Felipe Massa haben nem fast täglichen Training ist Abwechslung: Ich unteran die nehme mit meinen Hunden lange Läufe, setze mich natürRudermaschine oder gehe Kajak fahren. Und liebe ich mit lich weiterhin das Mountainbiken. Ich denke, dass ig. meinen 33 Jahren effizienter trainiere als mit zwanz
Hals über Kopf Die Formel 1 mit ihren hohen Fliehkräften ist für die Hals- und Schultermuskulatur eine rechte Heraus forderung. Mein Hals ist zudem eine Spur länger als bei anderen Fahrern. Nicht eben ein Vorteil, da die Belastungen so natürlich stärker wirken. Aber meine Nackenmuskulatur ist mittlerweile so gut trainiert, dass ich nicht einmal Bedenken hätte, als Front-RowStürmer bei einem Spiel der Rugby Union aufzulaufen.
SüSS und salzig
Ich wäre gerne ein guter Koch, aber mir fehlt einfach die Geduld. Und erst das Putzen danach … schrecklich. Dafür liebe ich Schokolade und Eiscreme. Im letzten Jahr hatte ich auch sehr oft Appetit auf Chips – nachdem ich ein ganzes Jahrzehnt ohne sie ausgekommen war. Nun ver drücke ich mehrere Packungen pro Woche. Ich gestatte mir das auch. Überkommt mich bei einer kleinen Sünde kurz das schlechte Gewissen, denke ich gleich an meinen 96-jährigen Nachbarn in Australien – die größte Naschkatze, die ich kenne. Und schon sind meine Bedenken weg.
Formel-1-Grand-Prix von China: 18. April 2010 Shanghai International Circuit Die Formel 1 auf www.redbullracing.com
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b u l l e va r d
Meine Welt
Bruce willis
Wer langsam stirbt, lebt länger. Oder wie man vom charmanten Schnüffler zum hartgesottensten Haudegen Hollywoods wird. Auf und ab
Vor nunmehr 16 Jahren erntete Willis hymnische Kritiken für seine Darstellung des nicht ganz sauberen Boxers Butch in Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“. Im selben Jahr drehte er allerdings mit „Color of Night“, in dem er den Psychothera‑ peuten Bill Capa spielt, seinen schlechtesten Film. Während man in „Pulp Fiction“ Willis’ Innerstes zu sehen be‑ kam, erspähte man bei den „Color of Night“-Unterwas‑ ser-Sexszenen den Rest von ihm.
Sich er ist sich er
Geboren wurde Walter Bruce Willis 1955 auf einem Stützpunkt der US‑Armee in Idar-Oberstein, Rheinland-Pfalz. Als er zwei Jahre alt war, übersiedelte seine Familie nach New Jersey. Als Therapie gegen sein Stottern begann er mit der Schauspielerei. Nach dem College verdiente er sich als Privatdetektiv und Security Guard sein Geld. Erfahrungen, die ihm später in „Das Model und der Schnüffler“ und in „Unzerbrechlich“ sehr zu‑ pass kamen.
Fest ist schlecht
Mach mir nicht den Affen!
Bekannt wurde Willis durch die Serie „Das Model und der Schnüffler“, die ab 1985 erfolgreich im US-Fernsehen lief. Die Quoten schrumpften erst, als aus dem spannungsgeladenen, aber offenen Liebesgeplän‑ kel zwischen Willis und Cybil Shepherd gemäß Drehbuch eine feste Beziehung wurde. 1989 kam das Aus der Serie, da stand Willis aber bereits am Start einer erfolgreichen Filmkarriere.
Bei den Verhandlungen für Willis’ Rolle als unfreiwil‑ liger Zeitreisender in „12 Mon‑ keys“ präsentierte Regisseur Terry Gilliam dem Schauspieler eine ganze Liste von Willis-Klischees, die er nicht in seinem Film haben wollte. „Das funktioniert nur, wenn du nicht grinst“, soll Gilliam gesagt haben. „Kannst du überhaupt einen Film ohne dieses Grin‑ sen machen?“ Willis konnte, und es wur‑ de eine seiner besten Darstellungen.
Der Film, mit dem sich Willis als Oberliga- Actionheld etablierte, „Stirb langsam“, war zuvor von fünf anderen harten Jungs abge‑ lehnt worden, u. a. von Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger. Die beiden zeigten aber keine Spur von Neid, als man 1991 zu dritt die Restaurantkette Planet Hollywood gründe‑ te. Heuer im August wird man die drei in Stal‑ lones Actionfilm „The Expendables“ sehen.
Willis war keineswegs der erste HollywoodSuperstar – und wird wohl auch nicht der letzte gewesen sein –, der eine Zweitkarrie re als Musiker versuchte. Allerdings recht erfolgreich: Sein bei Motown erschienenes Debütalbum „The Return of Bruno“ ver‑ kaufte sich stattliche 1,2 Millionen Mal.
In guten wie in schlechten Zeiten
Schauspielerin Demi Moore und Bruce Willis heirateten 1987 in Las Vegas mit Little Richard als Zeremonienmeister. Die beiden galten jahrelang als Hollywoods Vorzeige‑ paar und gaben auch nie Gründe für das überraschende Beziehungs-Aus im Jahr 2000 an. Die Trennung verlief aber derma‑ ßen einvernehmlich, dass sie einander bei ihrer jeweiligen Neuvermählung – Moore ehelichte Ashton Kutcher, Willis nahm Emma Heming zur Frau – die Aufwartung machten.
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Triff niemals deinen Helden
Kriegsgeheul Willis war einer der wenigen Hollywoodstars, die öffentlich für den Irak-Krieg eintraten. Er setzte, ganz Patriot, sogar eine Belohnung von einer Million US-Dollar für die Ergreifung Saddam Husseins aus. Als der gestürzte irakische Diktator schließlich von US-Truppen festgenommen wurde, verhinderte jedoch ein entsprechendes Militärgesetz, das USTruppen die Geldannahme verbietet, eine Ver ringerung des Willis’schen Vermögens.
Eine actionreiche Komödie ist Willis aktueller Film „Cop Out“. Regie führte Kevin Smith, der seit Bruce’ Anfängen als TV-Serienheld ein Fan des Stars ist und entsprechend respektvoll an ihn herantrat. „Aber Bruce sagte: ,Komm raus da. Du bist jetzt er‑ wachsen, und ich bin nicht David‘ (aus „Das Model und der Schnüffler“; Anm.). Dadurch konnten wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Und ich musste nicht dauernd bitten: ,Kannst du dies oder das ma‑ chen, weil mir das in der Serie so gut gefallen hat.‘“ „Cop Out“: ab 15. April 2010 in deutschen Kinos
Text: Wesley Doyle; illustration: lie-ins and tigers
Die glorreichen Drei
Schlager für Anfän ger
kunde
Wir w端nschen Ihnen bessere Unterhaltung.
b u l l e va r d
Formelsammlung
Hauptsache, es tut weh
Ein Rugby-Handbuch ist in Wahrheit ein Physiklehrbuch: Physikalische Größen wie Masse, Geschwindigkeit und Impuls bestimmen den Ausgang des Spiels. Beim Zusammenstoß zweier Spieler wird kinetische Energie in Wärme, Schall und Verformung von Gewebe und Knochen umgewandelt. Läuft Spieler A mit einer Masse mA mit der Geschwindigkeit vA, so ist seine kinetische Energie mA vA²/2. Spieler B hat eine kinetische Energie von mB vB²/2. Der Angriff ist ein unelastischer Stoß. Der Angreifer (Spieler A) läuft auf B zu und umschließt mit seinen Armen Bs Körper. Nach dem Stoß schleifen sie gemeinsam mit der Geschwindigkeit v auf dem Gras, bis die Reibung die Bewegung stoppt. Die Energie, die in die Körperverformung transferiert wird, ist die Differenz zwischen der kinetischen Energie vor dem Stoß und der kinetischen Energie nach dem Stoß: ΔE = mA vA²/2 + mB vB²/2 – (mA + mB )v²/2 Die Geschwindigkeit nach dem Stoß kann mit dem Impulserhaltungssatz berechnet werden. Der Gesamtimpuls vor dem Stoß ist gleich dem Gesamtimpuls nach dem Stoß. Freilich hängt die Energie, die beim Stoß transferiert wird, vom Winkel des Angriffs ab. Prallen die beiden Spieler mit der angenommenen Geschwindigkeit frontal aufeinander, wird ihre gesamte kinetische Energie in die Verformung von Gewebe und Knochen umgesetzt. Das ist schmerzvoll. Bei einem Aufprallwinkel von 45 Grad ist die transferierte Energie 4000 Joule, wenn wir die Geschwindigkeiten der Spieler und deren Masse mit 5 m/s, 8 m/s und 110 kg annehmen. Das entspricht der potentiellen Energie eines Spielers, der von einer Höhe von 3,7 Metern herabspringt. Und was sagt Südafrikas Rugby-Teamkapitän John Smit? „Das beste Tackling ist das überraschende. Man erwischt den Typen am besten irgendwo zwischen Schulter und Taille, grundsätzlich im Brustbereich. Kurz vor dem Tackle senkt man die rechte Schulter – wenn man ihn mit dieser Seite angreifen will – und geht in die Knie, so dass der Körperschwerpunkt schön tief liegt. Wir nennen das den Power Step. Wenn man ihn gepackt hat, richtet man seinen Körper auf, entlang einer Linie durch das rechte Bein und die rechte Körperhälfte in die rechte Schulter. Gutes Tackling tut immer weh. Und ist beste Motivation für deine Kollegen. Das ist ja wichtig: Deine Mitspieler zu pushen ist das Höchste. Und der Schmerz vergeht ja irgendwann. Ich erinnere mich an ein Tackle gegen Mils Muliaina von den neusee ländischen All Blacks. Er sah mich nicht, und ich erwischte ihn ordentlich mit der linken Seite. Sechs Monate danach tat mir meine Schulter immer noch weh.“ * Prof. Thomas Schrefl unterrichtet und forscht an der Fachhochschule St. Pölten, Niederösterreich, und an der Universität Sheffield, Großbritannien. Alle Formeln auf: redbulletin.com/formel/de
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bild: Offside Sports Photography Ltd; illustration: mandy fischer
Für Physiker* ist Rugby ein Duell von Massen, Geschwindigkeiten und Impulsen. Und: Der Schmerz hinter jeder Berührung lässt sich einfach berechnen. Für Spieler ist das Wichtigste beim Rugby, dass der Gegner nie wissen darf, was ihn wann erwartet.
Der Neuseeländer Brad Thorn von den All Blacks erhält hier eine sehr plastische Physik-Nachhilfelektion von John Smit. Man widmet sich dem Thema „unelastischer Stoß“.
B u l l e va r d
Zahlen des Monats
Speedrekorde
Felix Baumgartner wird beim Projekt Red Bull Stratos im freien Fall die Schallmauer durchbrechen. Aber auch in anderen Bereichen reizt Speed-Junkies der Temporausch.
44,72
Die Höchstgeschwindigkeit eines mit Muskelkraft betriebenen Zweirads erreichte der Kanadier Sam Whittingham: Am 18. September 2009 beschleunigte er in Battle Mountain, Nevada (USA), sein Liegerad Varna Diablo III über eine Strecke von 200 Metern auf 133,284 km/h. Absoluter Spitzenreiter auf einem Fahrrad ist (mit Hilfe der Schwerkraft) Eric Barone. Das ehemalige Stunt-Double von Sylvester Stallone und Jean-Claude Van Damme stürzte sich mit seinem Carbonfaser-Spezialrad mit 222 km/h eine Schneepiste in Les Arcs (FRA) hinunter. Mit einem Serien-Mountainbike liegt Red Bull-Athlet Markus Stöckl mit 210,4 km/h in Front.
BOLT
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251,40 Bei den Olympischen Spielen 1992 in Albertville (FRA) war Speed Skiing ein Demonstrations- bewerb, der aber nie die Aufnahme ins olympische Programm schaffte. Den aktuellen Temporekord auf zwei (2,40-Meter-)Brettern erreichte der Italiener Simone Origone am 19. April 2006 in Les Arcs (FRA) mit 251,40 km/h. Am selben Tag brach die Schwedin Sanna Tidstrand mit 242,59 km/h auch den Rekord bei den Frauen.
Der Geschwindigkeitsrekord für bemannte Flugzeuge ist ein wenig älter. Am 3. Oktober 1967 erreichte U.S.-Air-Force-Pilot William J. Knight mit dem raketengetriebenen Experimentalflugzeug North American X-15 einen Speed von 7274 km/h, also Mach 6,72. Die Testmaschinen – auch vom ersten Mann auf dem Mond, Neil Armstrong, pilotiert – waren jedoch alles andere als sparsam: Das XLR99-RM2-Triebwerk verbrauchte in drei Minuten rund 15 Tonnen Raketentreibstoff.
KNIGHT
1227,985 Wäre Andy Green mit seinem Raketenfahrzeug Thrust SSC auf einer Autobahn geblitzt worden, hätte man ihm den Führerschein für immer entzogen: 1997 stellte der britische Militärpilot in der Black-Rock-Wüste von Nevada (USA) mit dem düsengetriebenen Auto mit einem Durchschnittstempo von 1227,985 km/h über eine Meile einen bis heute ungebrochenen Weltrekord für Landfahrzeuge auf. Er durchbrach damit als erster Mensch mit einem Automobil die Schallmauer. Die Beschleunigungszeit des Boliden von 0 auf 1000 km/h dauert 16 Sekunden.
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511,13 GREEN GREEN
Ken Warby ist „The Fastest Man on Water“. Die vom Australier selbst entworfene und gebaute „Spirit of Australia“ besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, Balsaholz und einem Düsentriebwerk eines ausrangierten Militärjets, das Warby bei einer Auktion um 69 Dollar erwarb. Am 8. Oktober 1978 übertraf er auf dem Blowering-DamStausee in New South Wales (AUS) als bislang einziger Mensch die 300-Meilen-Marke und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 511,13 km/h. www.redbullstratos.com
Bilder: Neil Munns/AP Photo, imago sportfotodienst, Nasa photo, U.S. Air Force photo
Es war ein magischer Moment am 16. August 2009 bei der LeichtathletikWM in Berlin. Usain Bolt spielte mit den Zuschauern, den Kameras … und den Gegnern. Der dreifache Olympiasieger von Peking 2008 lief die 100 Meter in 9,58 Sekunden – als erster Mensch unter 9,60 – und erreichte dabei eine fabelhafte Höchstgeschwindigkeit von 44,72 km/h.
133,284
M OTO R S P O RT Z U M L E S E N . AKTU ELL . KO M PETENT. HINTERG RÜ N D I G .
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W W W. S P E E DW E E K . D E
Red Bulletin-Titelheld Rajon Rondo (am Ball) beim NBA All-Star Game im Duell mit Deron Williams.
Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.
bild: Greg Nelson/Sports Illustrated/Getty Images
36 Jane Goodall 40 Rajon Rondo 46 Glenn Curtiss
Heroes
Jane Goodall ging vor fünfzig Jahren als Sekretärin in den tansanischen Urwald und kehrte als weltberühmte Schimpansenforscherin zurück. Text: Robert Sperl, Bild: Emma Hardy
Name Valerie Jane Morris Goodall Geburtsdatum/-ort 3. April 1934, London Lebt in Bournemouth (England), Gombe (Tansania) Ausbildung Sekretärinnen-College, Promotion an der Universität Cambridge 1965 Familie Verwitwet, zweimal verheiratet (ein Sohn aus erster Ehe) Erforschte die Schimpansen im Gombe Stream National Park in Tansania (seit 1960), indem sie mit ihnen zusammenlebte Gründete 1977 das Jane Goodall Institute mit 21 Vertretungen weltweit zum Schutz der Schimpansen und ihrer Lebensräume sowie für innovativen Umweltschutz; Roots & Shoots ist Teil des JGI und zielt auf die Jugend ab (mehr als 500.000 Mitglieder in über 120 Ländern). Auszeichnungen 2003 DBE (Dame of the British Empire), UNFriedensbotschafterin Website www.janegoodall.com
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Ein weißes Reihenhaus in London, mit schmaler Front, im eleganten Stadtteil Notting Hill. Wohl gebaut um die vorletzte Jahrhundertwende, trotzdem alterslos. Die Adresse ist knifflig, die gesuchte Gasse wechselt trotz ihrer Kürze zweimal ihren Namen. Hier liegt die Basis von Dr. Jane Goodall, wenn sie in Europa für die Stiftung unterwegs ist, die ihren Namen trägt. Das Wohnzimmer im Souterrain ist von draußen einsehbar, Goodall sitzt auf einem bambusgrünen Sofa, schmal, entrückt in ein Gespräch. Mit ihrem Pferdeschwanz ist sie sofort als die Schimpansenforscherin erkennbar, die in Gombe, Tansania, von 1960 an die Geheimnisse dieser Affen enträtselte und damit einen Teil des Geheimnisses der Menschheit. Rollkragenpullover und Fleecejacke zeigen: Wer Afrika im Herzen trägt, friert in anderen Weltgegenden. An der Wand erkennt man ein tischgroßes Bild eines Elefantenbullen. Noch ehe man später drinnen fragen kann, löst Hausherrin Mary Lewis das Missverständnis auf. Sie ist Goodalls Assistentin und Vizepräsidentin der Jane-Goodall-Stiftung, hat aber wildtiermäßig einen anderen Geschmack. Unser Gastgeschenk, eine Sachertorte, zaubert ein Strahlen in Goodalls Gesicht. Ein Schimpanse hätte wohl Bananen gebracht. red bulletin: Gombe ist hier in London so weit weg wie der Mond. Vermissen Sie Afrika? jane goodall: Ich trage die Ruhe des Waldes in mir, in meinem Herzen. Ich bin ihm also nahe, auch wenn ich weit weg bin. Einmal stand ich mitten auf einer belebten Straße, ich schloss meine Augen, und der Verkehrslärm verwandelte sich in das Geräusch des Windes, der Bäume und der Wasserfälle. Ihre Schimpansen fehlen Ihnen hier nicht? Nicht per se, ich vermisse das Leben dort. Ich kenne auch gar nicht mehr viele von ihnen. Alle meine alten, richtigen Freunde sind schon gestorben. Wenn Sie auf fünfzig Jahre Schimpansenforschung zurückblicken: Haben Sie alle Ziele erreicht? Es gibt noch immer mehr Fragen als Antworten. Warum etwa wechseln manche Weibchen während ihrer
Pubertät auf Dauer zu Nachbargruppen, während andere nur auf Besuch kommen und dann wieder zu ihrer Gruppe zurückkehren? Wie viel und welche Information kann ein Schimpanse einem anderen übermitteln, der außer Sichtweite ist? Wir haben noch nicht alle existierenden Daten ausgewertet, aber wir sind dran. Und bald sollten wir auch Fragen wie die beantworten können: Wie beeinflussen Persönlichkeit und Fähigkeiten der Mütter das weitere Leben der Kinder? Verändert es sich mit zunehmendem Alter der Mutter und mit ihrem Platz in der sozialen Hierarchie? Wird sie von Kind zu Kind eine bessere Mutter? Gibt es eine Beziehung zwischen Vätern und Kindern? Inzwischen können wir den Vater durch DNA-Tests bestimmen, vorher konnten wir nur raten. Herauszufinden, dass Schimpansen Heilkräuter fressen, wenn sie krank sind, jagen, Werkzeuge herstellen und verwenden: Vor fünfzig Jahren bedeuteten diese Erkenntnisse eine Revolution. Für Ihren Mentor, den kenianischen Paläontologen und Anthropologen Louis Leakey, war das der Be weis, dass sie „menschlich“ sind. Ist die Erkenntnis mit den Werkzeugen die wichtigste Ihrer Arbeit? Zu jener Zeit war das wichtig, speziell für mich, weil es zur Folge hatte, dass wir mehr Geld bekamen: Am Anfang hatten wir nur ein Budget für sechs Monate. Die Sache mit den Werkzeugen hat mich persönlich nicht überrascht, aber sicher viele Wissenschaftler. Für mich war die Langzeitentwicklung der Beziehungen zwischen den Familienangehörigen faszinierender. Und wie jedes Männchen, das es zur Nummer eins im Rudel brachte, dafür eine unterschiedliche Strategie angewendet hat. In Ihrem Camp im Gombe haben Sie sich mit Musik entspannt. Haben Sie je daran gedacht, dass Schimpansen zu Ähnlichem fähig sind? Ich wollte das mit Tieren in Gefangenschaft herausfinden – welche Musik sie lieben und ob sich ihr Geschmack je nach Alter und Herkunft unterscheidet. Die Schimpansen könnten dafür drei Knöpfe zur Auswahl bekommen – Schimpansen lernen leicht, mit
Dr. Jane Goodall: Auch nach fünfzig Jahren Forschung an unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, sind noch viele Fragen offen. Nicht nur die, welche Musik sie schätzen.
Knöpfen umzugehen. Ein Knopf ist Bach, weil Bach pure Musik ist. Einer Rock ’n’ Roll, Jazz, mit afrikanischen Trommeln. Und einer Musik, die auf ihren Rufen basiert. Welche suchen sie sich aus? Ändert sich diese Auswahl je nach Stimmung? Es wäre faszinierend, das herauszufinden. Viele Entdeckungen passierten zufällig. Wie oft hatten Sie das Glück auf Ihrer Seite oder eine vis major? Eine große geistige Kraft hat mich oft bei der Hand genommen – ich frage mich manchmal, ob ich deshalb alles gut überstanden habe. Glück? Nun: Ich war nie am College, weil ich es mir nicht leisten konnte. Als ich nach Afrika ging, hat mich eine Schulfreundin eingeladen. Ich musste mir die Fahrt zusammensparen, mit meiner Arbeit als Kellnerin. In Kenia hörte ich dann von Louis. Er bot mir einen Job als seine Sekretärin an – gab mir die Chance, in Gombe die Schimpansen zu studieren. Man kann sagen, das war Glück. Doch: Ich war bereit für Afrika, bereit für diese Möglichkeit. Konrad Lorenz, der österreichische Zoologe und Nobelpreisträger, sagte: „Ich habe, glaube ich, die Zwischen stufe zwischen Tier und Homo sapiens gefunden. Wir sind es.“ Hat die Welt inzwischen akzeptiert, dass Affen und Menschen denselben Ursprung haben? Im weitesten Sinn ist akzeptiert – außer von den Kreationisten in den USA –, dass wir vor sechs, sieben Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren hatten. Was ginge uns verloren, wenn wir die Schimpansen verlieren würden? Wir würden einen Teil unserer Geschichte verlieren. Je mehr wir über die Biologie der Schimpansen gelernt haben, desto verblüffter waren wir, wie ähnlich sie uns sind. Etwa in der Struktur der DNA, die sich nur um ein Prozent unterscheidet, dem Aufbau des Gehirns und des Bluts – wir können von einem Schimpansen eine Bluttransfusion bekommen. Aber wirklich interessant war, dass ihr Verhalten dem unserem derart ähnelt und dass ihr Verstand nahezu so funktioniert wie unserer. Wir sehen, wie sie Werkzeuge machen, sich küssen und umarmen, einander auf den Rücken klopfen, wie Mütter ihre Jungen aufziehen, die Beziehungen zwischen Geschwistern. Dann der Kampf um die Vorherrschaft in der Gruppe und die Tatsache, dass sie sowohl auf eine primitive Art sogar Kriege führen als auch echte Nächstenliebe zeigen. Ich weiß, dass es keine scharfe Trennlinie gibt zwischen ihnen und uns, wie man immer angenommen hat. Es gibt hauptsächlich einen Unterschied in der Entwicklung. Eine Fertigkeit allerdings, über die Schimpan38
Ich konnte mir den Luxus leisten, im Wald zu sitzen und alles so zu machen, wie ich es wollte. sen nur im Ansatz verfügen, beherrschen wir entscheidend besser, die Sprache. Dieser Unterschied hat, so glaube ich, auch zu dieser explosiven Entwicklung unseres Intellekts geführt. Schimpansen können keine Probleme diskutieren oder Pläne machen für die ferne Zukunft. Was können wir uns von den Schim pansen abschauen? Wir können von ihnen Streitkultur lernen. Nach einem Kampf ist der Unterlegene erst wieder entspannt, wenn man sich ihm nähert und ihn sanft tätschelt. Die Schimpansen sind sehr gut in Sachen Versöhnung. Was ich sicher auch von ihnen gelernt habe, ist die enorme Wichtigkeit der ersten Lebensjahre. Es liegt ein großer Unterschied in der Entwicklung der Jungen, ob die Mutter eine gute Mutter ist, die unterstützt und beschützt, oder eine schlechte Mutter, die mehr oder öfter bestraft. Die wichtigsten Faktoren scheinen aber Zuneigung, Förderung und Unterstützung des Spieltriebs zu sein. Kinderpsychiater und -psychologen weisen zunehmend auf die Wichtigkeit frühkindlicher Erfahrungen hin. Für mich persönlich ist das vermutlich das Wichtigste, was ich gelernt habe – und die Tatsache, dass es keine scharfe Trennlinie zwischen uns und den Schimpansen gibt. Wie schwierig war es in den 1960er Jahren für eine Frau ohne akademische Ausbildung, eine Karriere als Forsche rin zu beginnen – und „echte“ Wissen schaftler davon zu überzeugen, etwas Revolutionäres entdeckt zu haben? Weil ich nicht auf der Universität studiert hatte, war ich sehr unbefangen. Ich war auch nicht besonders überrascht, dass Schimpansen Werkzeuge verwenden. Ich wusste – so wie jeder –, dass sie das in Gefangenschaft tun. Aber es herrschte die Ansicht vor, dass Schimpansen das nur machen, weil sie in Gefangenschaft leben, und sie nur intelligent seien, weil sie in Gefangenschaft gehalten werden. Mir
war es egal, ob ich die Wissenschaftler würde überzeugen können oder nicht, ich war darauf konzentriert, etwas über die Schimpansen herauszufinden. Das war kein Nachteil: Ich musste mich nicht an der Universität behaupten. Ich wollte nicht einmal ein Doktorat machen (damals war dies möglich, ohne regelmäßig an der Universität zu studieren, Anm.), es war Louis Leakey, der sagte, ich sollte es anstreben, damit ich später einfacher Förderungen bekommen könne – und ich bin froh, dass ich meinen Doktor gemacht habe. Das Magazin „National Geographic“ stellte mir damals Geld zur Verfügung, also konnte ich mir den Luxus leisten, im Wald zu sitzen und alles so zu machen, wie ich es wollte. Ich denke, es war eine glückliche Fügung, nicht an der Univer sität gewesen zu sein. Ein bisschen Glück war also dabei … Louis hat mir später gesagt, dass er jemanden gesucht hat, der bis dahin auf keiner Universität gewesen war. Ich war also einfach zur richtigen Zeit am rich tigen Ort. Ich habe Louis nicht gefragt, ob ich die Schimpansen studieren kann, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich hätte voller Freude auch mit Mäusen gearbeitet, solange ich nur hätte im Wald leben dürfen, ganz ernsthaft. Ihre Neugier hat Sie also in die Wälder getrieben, den Schimpansen hinterher. Hatten Sie nie Angst vor ihnen? Manchmal, natürlich. Man wäre dumm, wenn man sich nicht fürchtete, davon kriegt man ja das Adrenalin, das dir in solchen Situationen hilft. Als die Schimpansen die Furcht vor mir verloren, wurden sie ziemlich streitlustig und aggressiv. Sie griffen mich an, und sie sind ja ziemlich groß und sehr viel stärker, und ich hatte keine Ahnung, was sie als Nächstes vorhatten. Alles, was ich tun konnte, war dazusitzen und Löcher zu graben und so zu tun, als ginge mich das alles nichts an, und zu hoffen, dass sie merken, dass ich mich nicht vor ihnen fürchte. Das war eine schlimme Zeit: Sie behandelten mich wie ein Raubtier und versuchten, mich zu vertreiben. Aber als ich blieb und sie bemerkten, dass ich ihnen ja nichts Böses antat, und David Greybeard seinen Auftritt hatte – das war wunderbar … … David Greybeard war der erste Schimpanse, dessen Vertrauen Sie ge winnen konnten. Er war so gelassen, und ich denke, diese Gelassenheit hat auf die anderen Tiere abgefärbt. Louis Leakey hat nicht nur Sie inspiriert, sondern auch die Amerikanerin Dian Fossey und die Kanadierin Biruté Gal dikas, die an Gorillas bzw. Orang-Utans
Bild: CSU Archives/Everett Collection/Rex Features
Heroes
bild: Gunther Michel/Biosphoto
Heroes
forschten. Sie drei wurden ironisch „Leakey’s Angels“ und „Leakey’s Ladies“ genannt. Haben Sie Ihre For schungsergebnisse ausgetauscht? Wir haben miteinander gesprochen, und Dian hat Informationen über die MutterKind-Beziehung bei Gorillas gesammelt – aber es ist nichts dabei herausgekommen. Der Austausch hätte besser sein können, als er war. Es scheint auch echte Missverständ nisse gegeben zu haben. Fossey nannte Zoos „Gefängnisse“, Sie sprachen von ihnen als „unserer größten Hoffnung“. Da wurde ich falsch zitiert. Was ich tatsächlich sagte, war, dass die Schimpansen am besten auf freier Wildbahn in einem Schutzgebiet wie Gombe aufgehoben sind. Doch sehr oft werden sie in der Wildnis gejagt, die Wälder werden abgeholzt, die Tiere müssen deswegen weiterziehen und laufen einer anderen Gruppe von Schimpansen in die Arme, es kommt zu Auseinandersetzungen. Und am anderen Ende der Skala haben wir da die Laborkäfige, eineinhalb mal eineinhalb Meter groß. Aber es gibt auch die modernen Tiergärten mit großen Gehegen, einer vernünftig dimensionierten Anzahl von Tieren, gut ausgebildeten Wärtern, die richtig vernarrt sind in die Schimpansen. Ich weiß: Wäre ich ein Schimpanse, würde ich einen guten Zoo einem Leben in unsicherer freier Wildbahn vorziehen. In den frühen 1990er Jahren hat sich Ihre Aufmerksamkeit von den Schim pansen auf die Menschen verlagert … Ich flog damals über Gombe und stellte fest, dass außerhalb dieses kleinen Parks alle Bäume abgeholzt waren und die Menschen offensichtlich ums Überleben kämpften. Wie konnten wir da auch nur versuchen, die Schimpansen zu retten, wenn es den Menschen so schlecht ging? Deshalb starteten wir das TACARE-Projekt. Wir haben es mittlerweile ausgeweitet auf ein großes Gebiet im Süden, wo die Wälder noch unversehrt waren, insgesamt sind es damit 42 Dörfer. TACARE ist ein Programm, bei dem die Dorfbewohner unserem tansanischen Team mitteilten, was ihnen ihrer Meinung nach am besten helfen würde, ihr L eben zu verbessern. Es kam kein Haufen eingebildeter Weißer, der sagte: „Nun, ihr seid sehr arm, und das tut uns wahnsinnig leid, und wir machen jetzt dies und das für euch.“ Es war vielmehr ein „Was hilft euch am meisten?“. Als Erstes wollten sie Hilfe für die Landwirtschaft, Erziehung und Gesundheit. Schließlich haben wir uns um all die anderen Dinge gekümmert – Baumschulen, das Verhindern von Bodenerosion, sauberes Wasser, Mikrokredite für die
Frauen, Stipendien, damit Mädchen in der Schule bleiben konnten, und vieles mehr. War das der Zeitpunkt, als Sie das JaneGoodall-Institut gegründet haben? Mit dem JGI begannen wir 1977, TACARE startete 1994. Ein ungeheuer wichtiges Jahr für mich war 1986. Damals trafen sich während einer Konferenz in Chicago erstmals alle, die Schimpansenforschung betrieben. Wir diskutierten über Naturschutz, und es wurde mir bewusst, dass in Afrika der Lebensraum der Schimpansen zerstört wurde, sie gejagt wurden und ihre Anzahl dramatisch gesunken war. Wir berieten über die Zustände in der Gefangenschaft und sahen in Versuchslabors heimlich aufgenommene Filme. Es war schockierend. Ich ging als Wissenschaft lerin in diese Konferenz – und kam heraus als Aktivistin. Die Menschen fragten mich: War das nicht eine schwierige Entscheidung für dich? Aber ich hatte keine andere Wahl, es war das, was ich einfach tun musste. Damals hat mich eine Hand geführt, wenn man so sagen will. Sie sagen, dass es nun Ihre Aufgabe ist, den Menschen Hoffnung zu geben? Wir sind umgeben von Verdammnis und Finsternis und nahe am point of no return. Aber ich habe drei Gründe für meine Hoffnung. Erstens: das menschliche Gehirn. Dieses funktioniert ja erstaunlich, wenn man an all die Technologie denkt, die uns helfen könnte, in Harmonie mit der Natur zu leben, wenn wir sie nützen würden. Es gibt zudem tausende Menschen, die bereits kapiert haben, dass wir ein Leben führen müssen, das die Umwelt weniger belastet. Zweitens: die erstaunliche Widerstandsfähigkeit der Natur. Man kann Wälder abholzen und Flüsse vergiften, aber mit der Zeit erholt sich die Natur wieder. Drittens: die gewaltige Begeisterung und Hingabe der Jugend, sobald sie die Probleme erkannt hat und man ihr die Möglichkeit gibt, aktiv zu werden. Des
Nur eine Minute lang Schimpanse sein: Das hätte jahrelange Beobachtungen aufgewogen.
wegen stehe ich so leidenschaftlich hinter unserem Programm Roots & Shoots (Wurzeln und Schösslinge, Anm.), das es derzeit in 120 Ländern gibt, mit rund 15.000 bis 18.000 Gruppen. Insgesamt sind das über 500.000 Teilnehmer aller Altersstufen, vom Kindergartenalter bis zu fertigen Studenten, und auch immer mehr Erwachsene bilden Aktionsgruppen. Welches sind die größten Probleme un seres Planeten, die wir zu lösen haben? Das sind drei, die eng zusammenhängen und nicht für sich allein betrachtet werden dürfen. Zum einen die schiere Anzahl der Menschen auf der Erde. Zum Zweiten die extreme Armut speziell in den Entwicklungsländern – die Menschen zerstören dort in der Folge ihre Umwelt, weil ihnen sonst nichts übrig bleibt. Und drittens der nicht nachhaltige westliche Lebensstil. Welche sind die vielversprechendsten Verbündeten in diesem Kampf: Politi ker? Wissenschaftler? Die Jugend? Die Jugend, aber wir müssen mit allen zusammenarbeiten. Die Wissenschaftler brauchen bessere finanzielle Möglich keiten, um alternative Energien zu erforschen. Manche Politiker sollten die Pro bleme besser verstehen, aber selbst wenn sie es tun: Oft scheitern sie beim Versuch, richtige Entscheidungen zu treffen, weil sie gegen diese übermächtige Wirtschaft und den Eigennutz der Großkonzerne ankämpfen müssen. Eben die Mechanismen, die auf unserem wenig nachhaltigen Lebensstil beruhen und ihn ermöglichen. Ein neuer Film über Sie, „Jane’s Jour ney“, soll im Mai in Cannes seine Pre miere feiern … Es ist eine Spielfilm-Dokumentation, gedreht für das Kino. Ich hörte, Angelina Jolie soll Sie spielen? Nein, sie wird über mich interviewt, und wir sprechen über Flüchtlinge – sie ist ja UN-Flüchtlingsbeauftragte, und Jane Goodalls Roots & Shoots gibt es auch in den Flüchtlingslagern. Ich spiele mich selber. Wie könnte mich auch jemand spielen? Ich lebe noch, habe meine eigene Stimme und meine eigene Leidenschaft. Wollten Sie jemals ein Schimpanse sein, um sie besser zu verstehen? Nicht für alle Ewigkeit, aber wenn ich mich nur für eine Minute in einen hätte verwandeln können, hätte mir das jahrelange Beobachtungen erspart. Es gibt also in einem zweiten Leben noch etwas zu tun, nämlich als Schim panse wiedergeboren zu werden … Ja. Vielleicht war ich aber schon einer. Vor diesem Leben? Vielleicht. Wer weiß das schon. Dr. Jane Goodall im Film: www.janesjourney.net Mehr Informationen unter www.rootsandshoots.org
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Heroes
Rajon Rondo
ist der Kleinste der Boston Celtics. Das kümmert keinen, solange er als Hirn der Mannschaft den langen Kerlen in seinem Team perfekte Bälle serviert. Text: André Voigt
Geburtsdatum/-ort 22. Februar 1986, Louisville, Kentucky, USA Wohnort Boston, Massachusetts Größe, Gewicht 1,85 m, 78 kg Liebstes Hobby Rollschuhfahren Beruf NBA-Profi Position Point Guard Bisherige Klubs College/University of Kentucky (bis 2006), gedraftet 2006 von Phoenix Suns (#21), Draftrechte noch im selben Jahr von Boston Celtics abgelöst Web www.rajonrondo9.com
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Der „Legends Room“ auf der Trainingsanlage der Boston Celtics ist das Allerheiligste des traditionsreichsten Basketballklubs der US-Profiliga NBA: blankpolierte Glasvitrinen mit Pokalen, Devotionalien aus sieben Jahrzehnten, darunter Schuhe des legendären Larry Bird, ein Trikot des elfmaligen Champions Bill Russell. Die Celtics sind Rekordmeister der National Basketball Association, 17 Meisterschaften errang der Klub. Nummer 16 gelang 1986, erst unendlich lange 22 Jahre später durften die Kelten wieder die „Larry O’Brien Trophy“ in die Höhe stemmen. Rajon Rondos Gesicht spiegelt sich in einer der Vitrinen. Er betrachtet ein Foto, das ihn mit dem goldenen Pokal zeigt, der 2008 mehr bedeutete als das Comeback der Celtics auf dem NBA-Thron. Der Pokal in Rondos Händen ist das Zeichen dafür, dass er es ganz nach ganz oben geschafft hat – gegen die Zweifel der Fernsehexperten, der Fans, vielleicht sogar einiger seiner eigenen Mitspieler. Immerhin galt der Bursche aus Kentucky weder an der Universität als Supertalent noch nach seinem Wechsel zu den Profis. Dennoch ist es ausgerechnet Rondo, auf den Celtics-Manager Danny Ainge im Sommer 2007 setzt. Damals riskiert der Bostoner Personalchef alles. Innerhalb weniger Wochen tauscht er sieben Spieler des jungen, talentierten Vorjahreskaders gegen die etablierten Superstars Kevin Garnett und Ray Allen ein. Zusammen mit dem verbleibenden Hochkaräter Paul Pierce sollen sie als „Big Three“ dem so lange erfolglosen Klub endlich wieder die ersehnte „Championship“ bringen. Keiner der Genannten füllt jedoch die wichtigste Position im Basketball aus, die des Point Guard. Der Aufbauspieler ist der verlängerte Arm des Trainers auf dem Parkett, dribbelt den Ball nach vorne, kreiert Würfe für seine Mitspieler. Dieser Anführer beim Run der Celtics auf den ersten Titel nach 22 Jahren Pause, so entscheidet sich Manager Ainge, soll ein Spieler sein, der in der Vorsaison kaum über die Reservistenrolle hinausgekommen war: Rajon Pierre Rondo, 1986 geboren, im Jahr des letzten Titels der Celtics.
Dieser Rondo sitzt am Tag des Garnett-Transfers in seiner Heimatstadt Louisville bei seiner Mutter Amber auf der Couch, als sein Handy klingelt und die Nummer seines Chefs auf dem Display erscheint. „Die Tage zuvor hatte ich im Internet meinen Namen im Zusammenhang mit allerhand Transfergerüchten lesen müssen“, beschreibt der damals Einundzwanzigjährige den Moment, der seine Karriere verändern sollte. „Ich dachte zuerst, Danny würde mir mitteilen, dass ich die Celtics verlassen müsse. Doch er sagte mir, dass Kevin Garnett zu uns kommen wird. Und dass ich der Point Guard der Boston Celtics sein soll.“ Rondo ist sofort klar, was das für ihn bedeutet. „Mit Garnett, Pierce und Allen hatten wir genug Talent, um Meister zu werden. Jeder wusste das. Und jeder erwartete den Titel von uns. Sollten wir scheitern, würde es nicht an diesen drei liegen – sondern an mir.“ Rondo geht sofort in die Halle und trainiert wie besessen. „Ich hatte Druck, natürlich. Aber ich fühlte ihn nicht. Ich war bereit. Ich konnte es kaum erwarten, bis die Saison endlich begann.“ KEINE LIEBE. Rajon Rondo ist sechs, als er sich unsterblich verliebt. An der Seite seines fünf Jahre älteren Bruders entbrennt seine Leidenschaft für einen Sport, den er fortan am liebsten zu jeder Tages- und Nachtzeit betreiben möchte … American Football. „Das war meine erste Liebe, der erste Sport, mit dem ich in Kontakt kam. Ich bewunderte meinen Bruder – und er spielte halt nur Football“, sagt Rondo so emotionslos, als würde er von einer Exfreundin sprechen. „Ich wollte ein Quarterback sein. Irgendwann nahm ich meinen Football überallhin mit.“ Sein Cousin nimmt Rajon erstmals mit zu einem Basketballtraining. Er macht auf Anhieb mehr als gute Figur, dennoch ist das Spiel zwischen den Körben zunächst bloß ein Lückenfüller: „Die Saison schloss direkt an die Footballspielzeit an. Deshalb blieb ich dabei: um das ganze Schuljahr über Sport zu treiben.“ Rondo ist schon als Teenager enorm schnell und wendig. „Meine Eltern waren beide Sprinter. Der
bild: Craig Wetherby/Red Bull Photofiles
Name Rajon Pierre Rondo
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de.redbulletin.com/print2.0 Hausbesuch beim Celtics-Star: So wohnt der beste Point Guard der NBA!
Kurze Rast auf dem Weg nach oben: Die Dienste Rajon Rondos sind seinem Klub Boston Celtics für die nächsten fünf Jahre 55 Millionen Dollar wert.
Superhirn ja, doch Rajon Rondo muss sich nachsagen lassen, einen der h채sslichsten W체rfe der NBA zu haben. Egal: Immerhin versteht es die Nummer 9 der Boston Celtics zu scoren. Mit im Schnitt 14 Punkten pro Spiel liegt er im ersten Drittel der Statistik aller NBA-Guards.
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bilder: imago, picturedesk.com, 2010 NBAE/getty images (2)
Speed liegt bei unserer Familie eben in den Genen.“ Muskelmasse baut sein Körper allerdings kaum auf. Amber Rondo bereitet das Sorgen: Ihr Sohn soll sich nicht in der Knochenmühle American Football auf reiben, zumal er auch im Basketball immer besser wird und ihm dieser Sport die Chance auf ein Universitätsstipendium bietet. Sie redet auf ihren Sohn ein, sich auf Basketball zu konzentrieren. Der Wunsch der Mutter allein hätte wohl nicht genügt, Rajons Football-Ambitionen zu beenden – also hilft der Zufall. Rajons Coach Doug Bibby ist Cousin des NBA-Stars Mike Bibby. Als der mit seinem Kumpel Derek Anderson beim Training vorbeischaut, macht Doug Rajon mit den beiden bekannt. Im folgenden Sommer lernt der Teenager den lockeren Lifestyle der beiden auf dem Boden gebliebenen Millionäre kennen. „Mike und Derek holten mich mit ihren teuren Autos ab, und wir cruisten durch die Stadt. Abends ging es zum Barbecue, oder es wurde Karten gespielt.“ In der zehnten Klasse hörte Rajon mit Football auf. DIE SCHWÄCHE. In keiner anderen Millionen-Sportart sind die Fans so nah am Geschehen wie im Basketball, nirgends liegt die Leistung eines Weltstars so offen. Fans in Reihe eins einer NBA-Partie sitzen kaum einen Meter vom Spielfeldrand entfernt. Sie hören jedes Kommando, schauen den Akteuren in die Augen – bei 41 Heimspielen im Jahr. Wer hier nicht kämpft, egoistisch agiert oder sich mit Trainer oder Mitspielern anlegt, bekommt dies sofort zu spüren. Vor allem in einer Stadt wie Boston, die Basketball lebt. Rajon Rondo betritt anderthalb Stunden vor Spielbeginn das Parkett des TD Garden. Die ersten Fans haben in der 18.624 Zuschauer fassenden Arena Platz genommen. Die Superstars sind in der Kabine, werden getapt, lassen sich dehnen, hören Musik. Auch aus Rondos Ohren hängen die weißen Kabel seiner iPhone-Kopfhörer, doch er ist schon bei der Arbeit. Höchst konzentriert nimmt er einen Sprungwurf nach dem anderen. Mal nach einem Dribbling, mal aus dem Stand. Er streckt seinen Wurfarm durch, klappt das Handgelenk weich ab, streichelt den Ball in der letzten Phase des Wurfs mit seinen Fingerspitzen. So muss ein Wurf aussehen. So sieht Rondos Schuss im Training ohne Gegner aus. Im Spiel verkommt seine Technik zur Satire. Nicht einmal jeder fünfte Dreipunktewurf Rondos findet das Ziel, eine erbärmliche Quote. Deshalb arbeitet er seit Jahren mit Mark Price, einem der sichersten Schützen in der Geschichte der NBA. „Das Problem mit dem Sprungwurf werde ich wahrscheinlich noch meine ganze Karriere über haben. Ich werde aber weiter schießen müssen, wenn ich frei bin“, weiß Rondo. Ihm ist klar, dass es keine schnelle Lösung für sein Handicap gibt. „Ich spiele seit fünfzehn Jahren Basketball, habe mir nun mal diesen Wurf angewöhnt. Da ist es schwierig, in ein paar Monaten eine neue Technik zu erlernen. Ich muss weiter arbeiten.“ SPEED KILLS. Drei Stärken machen Rajon Rondo einzigartig: Spielintelligenz, enormer Speed – und seine Fähigkeit, diese beiden Eigenschaften zu kombinieren. In vollem Sprint schafft es der Aufbauspieler, mit zwei, drei Dribblings das gesamte Feld zu überqueren. 43
Rajon Rondo im Interview
„Wir sollten Meister werden“
Der Boston-Celtics-Star zeigt sich durchaus zuversichtlich, was die laufende Saison betrifft. Jeder Trainer und Mitspieler, der über Sie spricht, redet davon, dass Sie ungeduldig sind … Ich bin zappelig, ja. Es stört mich, wenn meine Mitspieler bestimmte Dinge nicht schnell umsetzen oder mehrfach den gleichen Fehler machen. Mir fällt es halt um einiges leichter, Spielzüge schnell zu verstehen, als anderen. Sind Sie auch mit sich selbst ungeduldig? Ja, ich bin stellenweise frustriert, wenn ich nicht die Leistung abrufe, die ich von mir erwarte, bin selbst mein strengster Kritiker. In meinen ersten beiden NBA-Jahren wurde ich ab und an wirklich wütend, ließ meinen Ärger an mir oder dem Team aus. Heute habe ich das aber gut im Griff. Bei der NBA Draft 2006, wo sich die Teams alljährlich die Rechte an neuen Talenten sichern können, wurden Sie erst an 21. Stelle gezogen. Schwierig zu verstehen? Nein, überhaupt nicht, ich wollte einfach in der Liga spielen. Die All-Star-Game-Premiere: Am VaLeute sagen immer, dass es das lentinstag spielte Rondo erstmals Schwierigste überhaupt ist, es in die im Team der Eastern Conference NBA zu schaffen. Das stimmt nicht! In (das gegen jenes der Western Conder NBA zu bleiben ist viel schwieriger. ference mit 141:139 gewann). Jedes Jahr kommen neue Spieler hinzu, die deinen Platz haben wollen. Ich bin seit vier S aisonen Profi und habe schon eine Menge Jungs kommen und gehen gesehen. Was ist das größte Problem für junge Spieler, die direkt von der Uni zu den Profis stoßen? Konstant zu sein … Wenn du in die NBA kommst, nimmt dich niemand an die Hand, es gibt keinen Babysitter. Du bist vielleicht erst neunzehn, zwanzig Jahre alt, trägst aber trotzdem eine große Verantwortung. Viele Spieler scharen alte Freunde und Familienmitglieder um sich, die den Alltag für sie regeln. Manche engagieren ihren eigenen Koch. Wie ist das bei Ihnen? Ich orientierte mich an den Veteranen in meinem Team. Ich musste lernen, was ich vor einem Spiel esse, wie ich mich richtig aufwärme. Die Saison ist so lang, dass du extrem auf dich achten musst. Die Playoffs 2010 stehen an. Die Celtics kämpften lange mit Verletzungen einiger wichtiger Spieler. Wer wird Meister? In der regulären Saison kann jeder jeden schlagen. Da hängt viel von der Tagesform ab. Geht es aber darum, welches Team eine Best-of-Seven-Serie gewinnt … dann würde ich immer auf uns setzen. Selbst wenn wir nicht alle fit sind, sollten wir Meister werden.
Selbst in der NBA, der Liga der Topathleten, schaffen es nur wenige Verteidiger, ihn am Zug zum Korb zu hindern. „Wenn du auf dem Feld aber immer nur Vollgas gibst, wirst du nicht viel erreichen“, weiß Rondo. „Du musst wissen, wann du deinen Turbo einsetzt. Außerdem spiele ich 37 Minuten pro Spiel. Wenn du da immer ans Limit gehst, bist du nach der ersten Saisonhälfte erschöpft. Zudem hat die reguläre Saison 82 Partien. Da musst du dir deine Energie einteilen.“ Auch komplizierte Taktiken versteht Rondo schon in der Highschool extrem schnell. „Mein Coach ließ mich damals die Videos der Gegner analysieren. Die Ergebnisse trug ich dann dem Team vor.“ Damals wie heute hört er in den Partien, wie die Gegner ihre Spielzüge ansagen. Sofort weiß er Bescheid, wie sich das andere Team bewegen wird, springt in die Passwege, stiehlt das Spielgerät, rast gen Korb und schließt spektakulär per Slam Dunk ab. Im eigenen Angriff dribbelt Rondo aufreizend locker nach vorne. Es scheint, als ließe er es diesen einen Ballbesitz locker angehen. Relaxt sein Verteidiger jedoch für den Bruchteil einer Sekunde, greift Rondo blitzschnell an. Seine einzigartige Kombination aus Intelligenz und Speed lässt Rondo 2009 in eine neue Dimension aufsteigen. Eine Knieverletzung ihres besten Spielers Kevin Garnett beraubt die Celtics aller Titelchancen. Doch Rondo feiert in einer epischen Serie gegen die Chicago Bulls so etwas wie sein Coming-out. Verstand er sich vor der Meisterrunde 2009 als Passgeber, glänzt er gegen die Bulls und deren Aufbau-Superstar Derrick Rose auch als Punktelieferant. Seine Leistung verändert seinen Status in der NBA schlagartig: Seither gilt Rondo als einer der fünf besten Aufbauspieler der Liga. Vorbei seine Zeiten als vermeintlich schwächstes Glied der Celtics-Kette. 2010 steht Rajon Rondo erstmals im NBA-All-StarTeam. Von den Trainern in die Auswahl der Eastern Conference gewählt, tritt er am 14. Februar beim Spiel der 24 besten NBA-Profis in Dallas vor mehr als 100.000 Fans gegen die Mannschaft des Westens an. Ein Ritterschlag, auf den Rondo zu Recht stolz ist – doch sein Blick gilt schon zur Saisonmitte einzig und allein den Playoffs. Denn ein Großteil der Bostoner Hoffnungen, das alternde Starensemble erneut zur Meisterschaft zu hieven, lastet auf Rondo. Die Älteren im Team hoffen, ihre Leistungen bis in die heiße Saisonphase konservieren zu können. Von Rondo wird verlangt, abermals ein neues Level zu erreichen. „Das Spiel ändert sich in den Playoffs“, sagt der neue Hoffnungsträger der Celtics. „Du musst dich noch mehr konzentrieren, noch mehr Energie geben. Ich weiß nicht, wie das geht, aber es geht. Jeder Ballbesitz ist so unglaublich wichtig. Wenn du in den Playoffs in der ersten Minute den Ball verlierst, kann dich das die ganze Saison kosten.“ Rajon Rondo will seine Celtics zurückführen auf den Gipfel der NBA. Er will verantwortlich sein für den Titel. Aus den „Big Three“ sind die „Big Four“ geworden. „Point Guard ist die am besten besetzte Position in der NBA“, sagt er und blickt noch einmal auf das Foto mit dem goldenen Pokal. „Trotzdem denke ich, dass ich der beste Aufbauspieler der Liga bin.“ Red Bulletin Print 2.0: Rajon Rondo backstage erleben! Start der NBA-Playoffs: 17. April 2010; www.nba.com
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bild: 2010 NBAE/getty images
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Pionier
GLENN CURTISS
Den ersten Motorflug schreibt die Geschichte den Gebrüdern Wright zu. Der wahre Urvater der Fliegerei war aber ein tempobesessener Motorradnarr, der ihnen zeitlebens die Show stahl. Text: Paul Fearnley
Geboren 21. Mai 1878, Hammondsport, New York Gestorben 23. Juli 1930 Erster Zeigte Amerikas erste öffentliche Flugvorführung; erwarb Amerikas erste Fluglizenz; erfand das Flugboot und hatte die Idee zu Flugzeugträgern Schnellster Stellte zwei MotorradGeschwindigkeitsweltrekorde auf; gewann in Frankreich das weltweit erste Air Race; seine Flugzeuge gewannen zweimal die Schneider Trophy Weitester Flog 1910 137 Meilen (220 Kilometer) von Albany nach New York; seine NC-4 absolvierte 1919 den ersten Transatlantikflug
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Wessen Foto klebte in Amerikas erstem Pilotenschein? Es muss das von Orville sein oder das von Wilbur … richtig? Falsch. Die Wright-Brüder erhielten die Lizenzen vier und fünf. Nummer eins beantragte Glenn Hammond Curtiss, ausgestellt wurde sie im Juni 1911. Curtiss und die Brüder Wright verband (und trennte) nicht nur der Anspruch, Pioniere der motorisierten Fliegerei zu sein. Sie alle wuchsen auch in frommer Gottesfurcht auf – Curtiss’ Großvater war Methodistenpfarrer, der Vater der Wrights Bischof und Gründer einer stramm konservativen Protestanten-Bruderschaft. Eine weitere Parallele: Wie die Wrights brachte es Curtiss als Fahrradkonstrukteur und Radrennfahrer zu erster lokaler Berühmtheit. Sein Erfindergeist ließ ihn in jedem Schrottplatz ein Rohstofflager sehen: In sein erstes Motorrad baute er im Sommer 1901 als Vergaser eine weggeworfene Konservendose ein. 1903 wurde er mit selbstgebautem Fahrwerk und Motor (einem 1000-ccm-V-Twin) US-Meister und stellte im Rennen einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord auf zwei Rädern auf: 103 km/h. Im Januar 1907 verbesserte er diese Marke auf (inoffizielle) 218 km/h – ausgestreckt auf einem brutalen Vierliter-V8 liegend. Hammondsport in Steuben County, New York, durfte also den schnellsten Mann der Welt zu seinen immerhin 1169 Einwohnern zählen. Thomas Scott Baldwin war Zirkusartist, spezialisiert auf Hochseil- und Fallschirmtricks. Doch er träumte von noch Aufregenderem: Baldwin wollte Amerikas erstes motorisiertes Luftschiff fliegen. Seine Kons truktionsversuche scheiterten jedoch regelmäßig an mangelnder Motorleistung. Bis ein Zuschauer auf einem röhrenden Curtiss-Motorrad anritt. „Das ist der Motor, den wir brauchen!“, rief Baldwin aus. Und behielt recht: Im August 1904 bestritt seine „California Arrow“ ihren Jungfernflug – angetrieben von einem Curtiss-Motor.
Bald darauf ließ sich Baldwin in Hammondsport nieder – und wurde seinerseits zu einer Art Motor für Curtiss’ Entwicklung. Der schillernde Showman vermochte zwar nichts an Curtiss’ verstaubtem Auftreten zu ändern, mürrisches Gesicht, schütteren Schnauzbart und schwindenden Haaransatz inklusive. Doch immerhin konnte er ihm die Augen für das kommerzielle Potenzial motorisierter Fliegerei öffnen: 10.000 Dollar bezahlte das U.S. Army Signal Corps 1908 für sein erstes Luftschiff – an Curtiss. Schon im Juni 1907 hatte Baldwin seinem Inge nieur Curtiss zum ersten Mal selbst das Steuer überlassen. Dieser entpuppte sich als Naturtalent, dem die Erfahrung auf zwei Rädern deutlich zugute kam. Vom Speed her war das Luftschiff zwar eine lahme Ente im Vergleich zu seinem V8-Bike. Doch der praktisch denkende Curtiss, ein Leben lang seiner Zeit voraus, sah bereits künftige Geschwindigkeitsrekorde vor sich. Und er war nicht der Einzige, der so dachte. Frankreichs Champagner-Hauptstadt Reims war im August 1909 Austragungsort des ersten internationalen Flugrennens der Geschichte. Auch ein Pilot aus den USA nahm teil: Glenn Hammond Curtiss. Sein aeronautischer Aufstieg war rapide verlaufen. 1907 trat Curtiss auf Geheiß von Telefon-Pionier Alexander Graham Bell der Aerial Experiment Associa tion bei. Anders als bei den geheimniskrämerischen Wrights fand die Arbeit dieser Vereinigung ähnlich tickender Geistesgrößen öffentlich statt. Gelungenes und Missglücktes waren hier Gegenstand allgemeiner Beurteilung, der Bau eines Flugzeugs oberste Auf gabe jedes Mitglieds. Curtiss baute die „June Bug“, einen Pusher-Doppeldecker, und gewann mit ihr am Unabhängigkeitstag 1908 die Scientific American Trophy. Einen Kilometer lang hielt er sich und sein Flugzeug in der Luft. Es war Amerikas erster öffent licher Demonstrationsflug eines Luftfahrzeugs, das schwerer war als Luft. Ein Jahr darauf verteidigte Curtiss die Trophäe durch einen 25-Kilometer-Rundflug mit seiner „Gold
Bild: corbis
Name Glenn Hammond Curtiss
Glenn H. Curtiss eschleunigte sein b Leben vom Radrennfahrer zum Flugpiloten – und erkannte intuitiv die Möglichkeit unbegrenzter Geschwindigkeitsmaximierung in der Fliegerei.
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1878 Geboren in Hammondsport, New York 1898 Heirat mit Lena Neff 1900 Gründung der Hercules-Fahrradschmiede 1903 US-MotorradMeister 1905 Gründung der G. H. Curtiss Manufacturing Company, Inc. 1907 Beitritt zur Aerial Experiment Association; Speed-Weltrekord auf zwei Rädern: 218 km/h 1908 Mitentwicklung des ersten U.S.-ArmyLuftschiffs als Flugingenieur; Gewinn der American Scientific Trophy 1909 Verkauf eines Flugzeugs an die New York Aeronautic Society; Sieg beim Flugrennen in Reims, Frankreich; Start als Flugzeughersteller mit US-Lizenz; Gründung der ersten Flugschule in den USA 1910 Flug von Albany nach New York; Verleihung des American Scientific auf Lebenszeit; erste Funk-Kommunikation während des Fluges 1911 Auslieferung des ersten U.S.-NavyWasserflugzeugs 1912 Erster Flug mit einem Flugboot
Notenpartitur zu Ehren von Curtiss’ Flug von Albany nach New York. 1919 Atlantik-Über querung mit der NC-4 1921/23/26 Bau von Hialeah/Miami Springs/ Opa-locka, Florida 1928 Gründung der Curtiss Aerocar Company 1930 Verstorben in Buffalo, New York
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Sieg: 1909 beim Rennen in Reims war Curtiss’ wendiger Doppeldecker den schnelleren französischen Eindeckern überlegen.
Bug“, die er danach für 5000 Dollar der Aeronautic Society of New York überließ. Zu diesem Zeitpunkt war Curtiss längst wieder aus der AEA ausgetreten. Ein Bewunderer von Bell war er zwar noch immer, doch war ihm auch klar geworden, dass der in Neuschottland in Kanada lebende Schotte keinerlei Interesse an der Gründung einer kommerziellen Fluglinie hatte. Doch dafür brauchte Curtiss Geld. Das beschaffte ihm Augustus Moore Herring – ein leutseliger Dampfplauderer, der von sich behauptete, 1898 den ersten Motorflug der Geschichte absolviert zu haben. Mit ihm gründete Curtiss 1909 die Herring-Curtiss Company. Unglücklicherweise war Herrings Geschäftssinn deutlich weniger stark ausgeprägt als sein Mitteilungsbedürfnis, und so standen beide 1910 vor dem finanziellen Ruin – was Herring so empörte, dass er sein restliches Leben, er starb 1926, mit Prozessen gegen Curtiss zubrachte. Sein Expartner ließ sich hingegen durch den Karriereknick nicht von seinen Zielen abbringen. Curtiss, ein Macher wie aus dem Lehrbuch amerikanischer Selfmademillionäre, sollte der Henry Ford der Fliegerei werden: nicht immer Urheber, aber stets entschlossenster Vollstrecker des Fortschritts. Ganz wie bei Ford, der sich 1904 zehn Wochen lang als das schnellste menschliche Wesen feiern lassen durfte, unterstützte die Geschwindigkeitsjagd seine Popularität. Reims war 1909 Curtiss’ große Chance. Und er sollte sie beim Schopf packen – obwohl die Wrights am Vorabend der Grande Semaine d’Aviation Klage gegen Curtiss einreichten. Es war der Beginn eines Patentstreits, der sich über Jahre ziehen sollte. Jenseits technischer Spitzfindigkeiten ging es für sie hauptsächlich um Schmerzensgeld für die nagende Eifersucht, die sie wegen Curtiss’ wachsenden Ruhms
plagte. Dabei waren sie daran nicht ganz unschuldig. Überzeugt davon, der Konkurrenz um mindestens fünf Jahre voraus zu sein, hatten sie zwei Jahre lang öffentliche Flugvorführungen verweigert und auf lukrative Aufträge gewartet. Erst als sie 1908 endlich mit Demonstrationsflügen begannen – Wilbur in Frankreich, Orville in Amerika –, erhielten sie die öffentliche Anerkennung, die ihnen zustand. Mittlerweile war ihre Technologie freilich nicht mehr auf dem letzten Stand. In Reims standen 1909 daher fünf wenig konkurrenzfähige Wright-Flieger am Start. Zwischen all den grazilen französischen Ein deckern machte zwar auch Curtiss’ V8-Doppeldecker nicht allzu viel her. Doch am Steuer hockte ein zu allem entschlossener Einunddreißigjähriger, der die Einheimischen um jeden Preis um den Sieg bringen wollte. Curtiss verzichtete auf sechs der sieben wohl dotierten Wettrennen und konzentrierte sich auf ein einziges Ziel: die Gordon Bennett Trophy, die am letzten Renntag verliehen wurde. Um das Flugzeug zusammenzubauen und um zu trainieren, blieben ihm zwei Tage, in denen er sich keine Fehler erlauben durfte: Sein einziges Ersatzteil war ein einzelner Propeller. Bei den Trainings zeichnete sich rasch ein klarer Trend ab. Die Eindecker waren im geraden Flug schneller, doch Curtiss’ Doppeldecker reagierte wendiger. Deshalb wechselte die schnellste Rundenzeit ununterbrochen zwischen ihm und dem Franzosen Louis Blériot, der nur einen Monat zuvor als erster Pilot den Ärmelkanal überflogen hatte. Der alles entscheidende Renntag begann sonnig und windstill. Curtiss, ein passionierter Frühaufsteher, ließ seinen 50-PS-Motor schon bei Tagesanbruch warmlaufen und begab sich als Erster auf die Strecke. Er hob in seinem typischen Hauruckstil ab und fand sich wenige Sekunden später in völlig unerwarteten, extremen Turbulenzen wieder. Eigentlich galt es nur noch, unverletzt zurück auf den Boden zu kommen. Umso überraschter war er, als ihm nach einer rumpeligen Landung für den zwanzig Kilometer langen Rundkurs eine persönliche Bestzeit angezeigt wurde. Tapfer entschloss er sich auf der Stelle zum offiziellen Start, umflog die Pylonen im Zentimeterabstand, rang unsichtbare Luftlöcher nieder und erreichte nach 15 Minuten und 50,6 Sekunden das Ziel. Jetzt hieß es warten. Und das eine ganze Weile. Denn Blériot, der Favorit, ging erst um 17.10 Uhr, zwanzig Minuten vor Zielschluss, ins Rennen. Seine erste Runde absolvierte er einen Hauch schneller als Curtiss. Doch dann berührte Blériot einen Pylonen und musste dem Amerikaner den Sieg überlassen. Curtiss war der ultimative Champion. Und die Wrights, deren Flugzeuge zwar die Trophäe inspiriert, im Kampf darum aber keine Rolle gespielt hatten, waren die großen Verlierer des Tages. Ihre Laune sollte sich noch weiter verschlechtern. Im Mai 1910 bekam Curtiss für den ersten Langstreckenflug zwischen amerikanischen Städten – einen 220-Kilometer-Flug von Albany nach New York – 10.000 Dollar Preisgeld, die Scientific American Tro-
bilder: sz photo/picturedesk.com, ullsteinbild/picturedesk.com
Glenn Curtiss in Zahlen:
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phy und einen Platz auf dem Titelblatt der „New York Times“. Die Fliegerei begann profitabel zu werden. Der Newcomer überflügelte die Wrights in jeder Hinsicht. Er finanzierte die ersten Barnstormer: Das waren Stuntmen, die im Flug auf die Tragflächen kletterten. Er eröffnete die ersten Flugschulen. Er trainierte Blanche Scott, Amerikas erste Pilotin. Als die Gerichte den langjährigen Patentstreit im Januar 1914 zugunsten der Wrights entschieden, war Wilbur bereits an Typhus verstorben. Schon im Juli 1911 hatte Curtiss der U.S. Navy das erste Seeflugzeug geliefert, die A1 Triad. Eugene B. Ely hatte zuvor bewiesen, dass Curtiss-Flugzeuge auf Schiffen starten und landen konnten, auch die A1 war gleichermaßen landund seetauglich. Als die USA am 6. April 1917 in den Ersten Weltkrieg eintraten, beschäftigte die ein Jahr zuvor gegründete Curtiss Aeroplane and Motor Com pany 18.000 Angestellte in einer neuen Fabrik in Buffalo, New York, sowie 3000 in Hammondsport. Pro Woche wurden hundert Flugzeuge produziert, mehr als 10.000 sollten es bis zum Ende des Krieges im November 1918 sein. Nach Kriegsende musste Curtiss die Fabrik in Buffalo schließen, trieb aber dafür die Entwicklung von Flugbooten voran. Seiner NC-4 gelang im Mai 1919 auch die erste Atlantik-Überquerung. Der nunmehrige Multimillionär verlegte seine unternehmerischen Ambitionen zwar auf Immobilien-
geschäfte in Florida (und stampfte in der Folge die Gemeinden Hialeah, Miami Springs und Opa-locka aus dem Boden), verlor daneben aber nicht seine Leidenschaft für Speed und Pokale aus den Augen: 1923 und 1925 gewannen seine Flugzeuge die Schneider Trophy. Genauso viel Freude bereitete es ihm, sich in seinem selbstentworfenen, stromlinienförmigen Luxus-Aerocar-Wohnwagen von Miami nach New York City schleppen zu lassen – was stattliche 39 Stunden dauerte. Nichts schien Curtiss stoppen zu können – bis ihn plötzliche Magenschmerzen heimsuchten. Sein Hausarzt Dr. Thew Wright (ausgerechnet!) diagnostizierte eine Blinddarmentzündung. Die notwendige Opera tion verlief erfolgreich, und Curtiss stand bereits kurz vor der Entlassung, als er am 23. Juli 1930 eine Lungenembolie erlitt. Curtiss starb mit nur 52 Jahren – wenige Tage vor einem Gerichtstermin mit den Erben seines ehemaligen Geschäftspartners Herring, deren Geldforderungen er sich damit nachdrücklich entzog. Keiner konnte die Ironie daran so gut nachvollziehen wie Orville Wright: Er hatte nur Monate zuvor Curtiss’ Firma geschluckt und sich am lebenslangen Ziel geglaubt, es dem Erzrivalen so richtig zu zeigen. Der Haken daran: Der siebzig Millionen Dollar schwere Zusammenschluss zur Curtiss-Wright Corporation war im Juni 1929 erfolgt – gerade rechtzeitig zum großen Börsenkrach.
bild: harold a. taylor/everett collection/picturedesk.com
Curtiss ist der Urvater der kommerziellen Fliegerei.
Mehr über zeitgenössische Air Race-Technologie auf: www.redbullairrace.com
Schnell von Begriff: Curtiss’ Pioniergeist trieb ihn zur Eröffnung der ersten Flugschulen: hier die Curtiss School of Aviation auf North Island im Hafen von San Diego.
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bild: j端rgen skarwan
Das Leben dreht sich im Kreis, und zwar gegen den Uhrzeigersinn: NASCAR oder wie sich Amerika einen gelungenen Nachmittag vorstellt.
Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.
SEITE 54 Action_1 60 Action_2 68 Action_3 70 Action_3
Magna con heniam, sim vullam, quatum del dolore ea feum ipis incidunt nullaore te molorem cincipis acilit utat.
Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt. 52 Musik in Kapstadt 58 Extrem Segeln 66 NASCAR-Crashkurs 72 Ringen in Senegal
Cape Action
Town
CallinG Kapstadt, aufregende Metropole und weltoffenste Stadt Südafrikas. Doch auch beinahe zwanzig Jahre nach Ende der Apartheid existieren noch kulturelle Schranken. Aufgebrochen werden diese durch die Musikszene – die ist nirgendwo im Land lebendiger als hier. Das Red Bulletin auf Lokalaugenschein, fünf Kapstädter Musiker im Porträt: Gazelle bringt mit seiner frechen Bloßstellung afrikanischer Diktatoren selbst Karl Lagerfeld zum Staunen. Markus Wormstorm erobert mit seinen afrikanisch geshuffelten Beats sogar Londons Clubs. Crosby trägt die Lebensrealität in den Townships nach draußen – in der Tradition von Ready D, zu dessen Hip-Hop-Tracks auch Nelson Mandela tanzte. Szene-Veteran Roach ist Legende – ebenso wie sein Label African Dope. Die fünf sind die Zukunft des Landes, nicht nur die kulturelle. Text: Florian Obkircher, Bilder: Andy Hall 52
Xander Ferreira (Mitte) und der Kern seiner Band Gazelle am „Rocking the Daisies“Festival. Seine Kostüme entwirft der Multimediakünstler selbst, ebenso die Choreografie für sein sechzehnköpfiges Orchester.
Gazelle begeistert mit Mobutu-Mütze und 16-köpfigem Afro-Ensemble selbst Karl Lagerfeld. Die staubige Straße am CloofWeingut ist an diesem sonnigen Oktobernachmittag stark frequentiert. Typen mit Sonnenbrillen und nacktem Oberkörper drängen zu einer großen Konzertbühne am Ende des Weges. Es ist Festivalsaison in Südafrika, tausende Jugendliche sind dem Ruf des „Rocking the Daisies“-Spek takels gefolgt. Mit einem Mal weicht das Festivalvolk zur Seite. Staub steigt auf, ein grauer Merce-
des bahnt sich den Weg durch die Menge. Drei extravagante Gestalten steigen aus: einer mit goldener Maske vorm Gesicht, der andere in Kapitänskluft. Der Dritte trägt eine weiße Jacke und eine Leopardenfellmütze im Stil von Diktator Mobutu. Sofort sind Xander Ferreira und seine Mitstreiter von Fotografen umzingelt. Ferreira lächelt, Mission erfüllt. Denn wie man Aufmerksamkeit auf sich zieht, das weiß er nur zu gut. Der Achtundzwanzigjährige studierte Kunst in Kapstadt, sein aktuelles Großprojekt heißt „The Status of Greatness“. Neben Installationen und Musik umfasst das Werk ein Buch zum Thema SelbstIkonisierung von Diktatoren, verfasst von Ferreira selbst. „Ich habe darin Strategien afrikanischer Politiker analysiert. Kein Mensch hat beispielsweise je mehr Poster von sich anfertigen lassen als Mobutu. Es waren Millionen. Damit hat er jedes Dorf, jede Stadt von Zaire zukleistern
lassen, was ihm Bekanntheit und Macht eingebracht hat.“ Solche Strategien wendet er nun selbst mit seiner ElectroPop-Band Gazelle an: Letztes Jahr wurde er zur Kunstmesse Art Basel eingeladen. Beim Abschlussfest tauchte er in Diktatorenkluft auf, hatte zwei Bodyguards und einen Koffer voll selbstgedrucktem Geld dabei. Auf den Scheinen: sein eigenes Konterfei. „Nicht nur, dass wir mit diesem Auftritt Karl Lagerfeld die Show gestohlen haben, neben den TV-Stationen wollte dann auch er sich mit uns unter halten“, sagt Ferreira. Doch das Rampenlicht allein ist ihm zu wenig. Ferreira strebt nach dem Gesamtkunstwerk, das stellt er mit seinem „Rocking the Daisies“-Auftritt klar. Mit einem sechzehn köpfigen schwarzen Ensemble entern Gazelle die Bühne. Sängerinnen, Keyboarder, Percussionisten, welche die Electro-Funk-Songs des Debüts „Chic Afrique“ in ein afroorchestrales Werk im Stile von
Paul Simons „Graceland“ verwandeln. Demnächst zieht Ferreira mit seinem Gazelle-Kollegen Nick Matthews nach New York. Rasmus Bähncke, Produzent von Sting und Mary J. Blige, will das neue Album aufnehmen. Die Eroberung der Popwelt ist dann wohl nur noch eine Frage der Zeit, schließlich hat Ferreira eine Anleitung dafür selbst verfasst.
Name Xander Ferreira Style electro funk Erste Schritte Begann seine musikalische Karriere als Reggae-Sänger. Nebenbei arbeitet Ferreira als Mode fotograf. Aktuelles Album GAZelle: Chic Afrique Website www.myspace.com/ yogazelle
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Crosby (re.) mit seinem Zögling Al Ca pone JJ hinter seinem Haus in Gugulethu. Gerade produziert Crosby Capones neues Dancehall-Album, das beim deutschen Label MKZWO erscheint.
Crosby ist in Europas DancehallZirkus eine groSSe Nummer. Dennoch bleibt er seiner Township treu. Der graue Putz des Hauses ist großflächig abgebröckelt, eine morsche Holztür lehnt an der Betonmauer, die den kargen Kleingarten umrundet. Ziegel liegen verstreut herum, auf dem Wellblechdach ein ausrangierter Autoreifen. „1 NY 9 ST“ lautet die Adresse. „NY“, das steht für „Native Yard“, Eingeborenenbezirk, ein namentliches Überbleibsel des Apartheidregimes. Crosby bewohnt dieses Haus seit seiner Geburt. Und 54
kann sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben als hier in Gugulethu, einer südöstlich von Kapstadt gelegenen Township. Auch wenn er mit seiner Musik schon halb Europa bereist hat. PC, Mikrofon, Gitarre, Verstärker, Boxen. Einfaches Equipment, das der Siebenundzwanzigjährige in seinem Zimmer aufgebaut hat. Es ist eng, zwölf Quadratmeter inklusive Bett. Doch Crosby ist zufrieden, gute Musik kann überall gedeihen, wie er sagt. „Ich habe Musik von Geburt an aufgesogen. Meine Großmutter sang in einem Gospelchor, meine Mutter ist eine Sangoma, eine Schamanin, die mit traditioneller Rhythmik arbeitet“, sagt er. „Mein Vater hat mir die Rastafari-Kultur vermittelt. Hier in Gugulethu hat er als DJ sonntags mit seinem eigenen Soundsystem große Straßenpartys organisiert.“ Schon als Kind habe Crosby gern an Knöpfchen gedreht, hat ihm sein Vater erzählt. Professionell begonnen hat er
damit als Teenager mit einfacher Musik-Software, die ihm sein Label African Dope zur Verfügung gestellt hat. Dieses hat ihn 2005 auch erstmals als MC auf Konzerte außerhalb Südafrikas mitgenommen. „Als Musiker in Kapstadt hast du’s nicht leicht. Die Menschen kaufen keine Platten. Hier sagten die Leute zu mir: ‚Hey, das ist ein guter Song.‘ In Europa sagten sie plötzlich: ‚Hey, das ist ein guter Song, wo krieg ich deine CD?‘“ Heute ist Crosby häufig in Europa unterwegs. Von der Schweiz bis Finnland teilt er sich die Bühne mit den Black Eyed Peas und Busta Rhymes, bei der Bob-Marley-Gedenktour war er mit Rita Marley und Gentleman unterwegs. Ein Umzug kommt für den Musiker trotz des Erfolgs nicht in Frage. In seinem Studio produziert er junge Talente, außerdem sieht er sich als Sprachrohr, das die Lebens situation in der Township mit seiner Musik nach draußen trägt. „Die Arbeitslosenrate ist
hier sehr hoch, Gugulethu liegt zwanzig Kilometer außerhalb von Kapstadt. Öffentliche Verkehrsanbindung gibt es kaum. Und da die Bewohner hier keine Arbeitslosenunterstützung erhalten, können sie sich weder ein Auto noch ein Taxi in die Stadt leisten, um sich dort einen Job zu suchen.“ Und das sei nur eines der Probleme, so Crosby, ausgehen würden ihm die Themen sicher nicht.
Name Siyasanga Bolani Style Hip-Hop, Reggae, Dancehall Erste Schritte Nach dem Erfolg bei einer Highschool-Talentshow blieb er der Bühne treu. Aktuelles Album Various – Battle Of Gugulethu Vol. Two Website www.myspace.com/ digianalogmusic
Ready D vor seinem Nissan S13. Drifting ist bei ihm Familiensache. Mit seiner Frau, die das gleiche Modell fährt, bildet er das Team Cape Flat Drift Squad.
Ready D Ist der beste DJ Südafrikas. Selbst Nelson Mandela hat schon zu seinen Beats getanzt. Gelbe Reihenhäuser säumen die Straße, die mit kitschigen Windrädern dekorierten Gärten sind in der Mittagshitze menschenleer. Entferntes Hundegebell, plätschernde Rasensprenger. Plumstead im Süden von Kapstadt – ein Vorort wie aus dem Bilderbuch. Bis ein ohrenbetäubendes Motorheulen die Idylle durchbricht. Ein Sportwagen taucht auf, hinterm Steuer des kunstvoll verzierten Nissan S13 sitzt Ready D, Driftcar-Fahrer.
Und DJ von Prophets of Da City, jener legendären Posse, die Südafrika auf der HipHop-Landkarte verortet hat. Aufgewachsen ist Ready D in der Township Mitchell Plain. Ein Ort, regiert von Gangs und Straßengewalt. „Der Track ‚Rapper’s Delight‘ von der Sugarhill Gang hat mein Leben gerettet“, sagt Ready D. „Statt einer Gang beizutreten, fing ich mit Breakdance an. Wir kreierten unsere eigenen Schritte, integrierten Elemente aus traditionellen Tänzen wie Pantsula und Jambu.“ Styles, die später auch Michael Jackson für seine Dance-Moves aufgreifen sollte. Inspiriert von politischen Rappern wie Public Enemy, gründete Ready D 1988 mit drei Freunden Prophets of Da City. Anstatt US-Kollegen zu kopieren, fanden POC schnell ihre eigene Stimme, sampelten südafrikanische Jazz-Platten, schrieben Tracks in ihrer Muttersprache Afrikaans. Ein politischer Paukenschlag, ein verbaler Tritt in den Unterleib
des Apartheitregimes, das POC 1992 mit einem Radio- und Fernsehbann belegte. „Im Video steckten wir ein Bild des früheren Premierministers und Präsidenten Pieter Botha in den Kühlschrank und rappten ‚Chill out, homeboy‘“, sagt Ready D grinsend. „Manchmal wundere ich mich, dass wir noch leben.“ Doch je massiver die Zensur in der Heimat wurde, desto größer wurde das internationale Interesse. POC wurden von Quincy Jones zum Montreux Jazz Festival in die Schweiz eingeladen, ihre nächste Platte „Age of Truth“ gilt heute als wichtigstes HipHop-Werk Südafrikas. Zur Angelobung Nelson Mandelas 1994 als erster schwarzer Präsident Südafri kas waren POC als Live-Act geladen. Ein wichtiger Moment im Leben von Ready D: „Mandela hat’s gefallen. Aus dem Augenwinkel hab ich ihn hinter der Bühne jiven gesehen.“ Heute lebt der einundvierzigjährige DJ in Plumstead. Er sei ruhiger geworden, sagt
er, aber keineswegs im Ruhestand. Er unterstützt junge Artists, gestaltet eine tägliche Radiosendung auf Good Hope FM. Und driftet, was die Reifen hergeben. „Drifting hat für den Motorsport das geleistet, was Hip-Hop für die Musik getan hat: frischen Wind gebracht. Und noch wichtiger: Leute zusammengeführt, deren Herzen für eine Sache schlagen.“
Name Deon T Daniels Style Hip-Hop Erste Schritte Lernt DJing mit den Plattenspielern eines Freundes und wird prompt südafrikanischer DMC-Meister. Aktuelles Album Brasse Vannie Kaap: Ysterbek Prophets Of Da City: Ghetto Code Website www.myspace.com/ djreadyd1
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Roach im Hauptquartier seines Labels African Dope zwischen Promo-CDs, Postern und Papierstapeln.
Roach Gilt mit seinem Label African Dope als Haupt exporteur südafrikani scher Elek tronikmusik. „Die Charakteristik einer Metropole spiegelt sich in ihrer Musik“, sagt mit Roach einer, der es wissen muss. Schließlich ist der DJ und Musiker Betreiber von Südafrikas wichtigstem Elektronik-Label, Afri can Dope. „Kapstadt ist eine Bass-Stadt, vielleicht, weil sie so weitläufig ist. Jeder Track, der hier aufgenommen wird, hat 10 bis 15 Hertz mehr Bass. Vor kurzem hatten wir eine französische Band zu Gast, die hier ihr Album aufgenommen 56
hat. Ihr Tontechniker war entsetzt, als sie mit den Tapes zu Hause ankamen. Zu viel Bass, hat er gerufen. Die Musik aus Kapstadt hat ein wuchtiges Fundament. Und bringt die Frauen zum Tanzen.“ Mit seinem Partner Fletcher gründete Roach 1997 das DJ-Duo Krushed ’n’ Sorted, das mit seinem Mix aus Breakbeats, Dub und Drum ’n’ Bass schnell zum Headliner der größten Festivals des Landes avancierte. Außerhalb Süd afrikas aber blieb das Interesse verhalten. „Ganz klar“, sagt Roach. „Wen im Rest der Welt interessieren schon zwei südafrikanische DJs, die aus England importierte Platten auflegen? Also beschlossen wir, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Bis dahin gab es keine südafrikanische Dub- oder Breakbeat-Platte. Deshalb haben wir uns Equipment besorgt. Unsere erste Platte heißt ‚Acid Made Me Do It‘, benannt nach der BilligMusiksoftware ‚Acid‘, die wir damals verwendeten.“ Roach
schwört, dass dies der einzige Grund war, das Album so zu taufen. Auch wenn die hypnotischen Dub-’n’-Bass-Epen Spekulationen auf andere Namensgeber erlauben. Lokale Radiostationen lehnten die Platte ab: nicht kommerziell genug. Lob dagegen erntete das Album in der internationalen ElektronikSzene, zuvörderst vom britischen Breakbeat-Label Ninja Tune. Und durch den Auftrag einer Werbefirma kam schließlich Geld ins Haus. „Auf einmal hatten wir 20.000 Rand. Geld, mit dem wir CDs pressen lassen, eine Website aufsetzen und das Label gründen konnten. Die Kapstädter Undergroundszene hatte plötzlich ein Gesicht.“ Zehn Jahre später ist Roach noch immer guter Dinge, trotz der Krise der Musikindustrie. Der Grund: Das kreative Potenzial des Landes sieht Roach noch lange nicht ausgeschöpft. Ganz im Gegenteil. „Letztens war ich in Johannesburg und sah Town-
ship-Punks. Schwarze Punks mit Ketten vom Ohr bis zur Nase, Lederjacken und grünen Irokesen. Die erste südafrikanische Band seit langem, die gerade den Durchbruch in den USA geschafft hat, heißt BLK JKS. Eine schwarze Psyche delic-Rock-Gruppe. Ihre Platte hat jungen Township-Bands Türen geöffnet. Ich bin überzeugt, da kommt noch viel Spannendes nach!“
Name Hilton Roth Style Hip-Hop, Reggae, Dancehall Erste Schritte Das erste Album mischte er 2001 mit Partner Fletcher auf einem gebrauchten Computer mit PC-Boxen ab. Aktuelle Platte Various – Cape Of Good Dope 2 Website www.africandope.co.za
Markus Wormstorm in seinem Reich. Die kuriosen Skulp turen, die der Kapstädter auf lokalen Flohmärkten ersteht, landen nicht nur in seinem Loft, sondern auch in seinen Kurzfilmen.
Markus Wormstorm wird von Londons HipsterCrowd hofiert und lebt in einer Nervenheilanstalt. Sweat.X kommen direkt aus der Zukunft, jubelte das „Vice“Magazin unlängst sinngemäß. Eine Meinung, die die Londoner Stadtzeitung „Time Out“ teilt: „Kapstadts hyperaktiver Electro-Act Sweat.X trifft den Zeitgeist wie niemand sonst.“ Vor zirka fünf Jahren hat Markus Wormstorm mit dem Künstler und Rapper Spoek Mathambo Sweat.X ins Leben gerufen. Aus gegenseitiger Faszination, aus Freundschaft heraus. Doch schon die ersten
Tracks des Duos gelangten via Musikblogs nach Großbritannien, von wo aus ihre Musik die Modepartys und HipsterZirkel Europas eroberte. Die Debütsingle „Ebonyivorytron“ erschien 2007. Und verschränkte Wormstorms geshuffelte, peitschende Kuduro-ElectroBeats mit Mathambos galoppierendem, enigmatischem Sprechgesang. Clubmusik wie Starkstrom, ein Sound, nach dem die Nu-Raver lechzen wie nach der nächsten Pille. Den Hype, den sein Projekt in Europa losgetreten hat, nimmt Markus Wormstorm sehr gelassen. Entspannt liegt er in der Hängematte seines Lofts in Kapstadts grünem Viertel Pinelands, angesprochen auf seinen Erfolg, lächelt er: „Natürlich freut mich das sehr. Aber Sweat.X ist nur eine meiner Baustellen. Momentan arbeite ich mit zwei Freunden als Black Heart Gang intensiv an einer Kurzfilmserie.“ „The Tale of How“, das letzte Werk des Trios, ist ein animierter, surrealistischer Bildersturm.
Wie „Corpse Bride“ von Tim Burton mit monströsen Figuren à la Hieronymus Bosch in den Hauptrollen. Der Soundtrack: eine gespenstische vierminütige Oper aus Wormstorms Feder. Der Kurzfilm wurde auf Festivals von Norwich bis San Francisco gezeigt und gewann achtzehn Preise. Die Inspiration für ihre Arbeit entspringt Wormstorms eigenen vier Wänden. Denn das Haus, in dem er lebt, ist eine aufgelassene Nervenheilanstalt und wirkt wie ein Kuriositätenkabinett – Resultat seines Flohmarkt-Faibles. Afrikanische Skulpturen, vergilbte Porträts, Kolonialkitsch. Stehlampen aus ausgestopften Gazellenbeinen beleuchten den Raum, auf einer Truhe aus Kolonialtagen thront eine antike Schreibmaschine. Derzeit arbeitet der Siebenundzwanzigjährige in Kapstadts Red Bull Studios an der Musik für den nächsten BlackHeart-Gang-Film. Parallel dazu nimmt er in Johannesburg das Sweat.X-Detübalbum auf. „Mit
einem Kinder-Gospelchor“, fügt er grinsend hinzu. Spätestens nach Erscheinen des Albums wird ihn sein Manager erneut bitten, nach Berlin zu übersiedeln. Weil es die Promotion erleichtern würde. Doch Wormstorm weiß die Antwort schon jetzt: „Um nichts in der Welt. Ich bin ein waschechter Bure, ich fühl mich nirgends so wohl wie hier in Kapstadt.“
Name Markus Smit Style House, Electro, Experimental Erste Schritte Erste Band mit 15, benannt nach der Klassenstreberin. Kreuzte Elektronik-Noise mit Gitarre und Schlagzeug. Aktuelle Platte Sweat.X: I’m That Alley Website www.myspace.com/ markuswormstorm Mehr Infos und News zu den Künstlern: redbullstudioscapetown.wordpress.com
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The Roaring 40s Man nehme die besten Segler und die schnellsten Boote der Welt, erfinde ein kämpferisches Wettkampfformat und verdichte diese explosive Mischung durch die Enge eines Hafenbeckens: Willkommen bei einer Rennserie, die Ihre Sicht des Segelns für immer verändern könnte. Text: Andreas Tzortzis, Bilder: Jonathan Glynn-Smith
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Credit
Print 2.0
de.redbulletin.com/print2.0 Roman Hagara über die Faszination Extreme Sailing (und dessen Gefahren).
action
Hier wird gearbeitet: Roman Hagara, Hans-Peter Steinacher, Gabriele Olivo und David Vera bei einer knapp 60 km/h schnellen Trainingsfahrt vor der K端ste des Sultanats Oman.
D Action
er Windmesser zeigt 23 Knoten an, rund 42 km/h. Weiße Schaumkronen klatschen an die omanische Küste, aufgeregt schnarrt der Live-Kommentar des Rennens aus krachenden Lautsprechern. Red Bull Extreme 40 führt das Feld an, schneidet leicht und entschlossen durchs Wasser, gerade einmal zehn Meter vom Wellenbrecher entfernt, der als VIP-Tribüne dient. Offizielle des Sultanats verfolgen von hier aus das rasante Rennen, in wehende weiße Kanduras gehüllt, die Gesichter hinter Designer-Sonnenbrillen verborgen. Nur die Gastarbeiterkinder, die auf den Felsen herumklettern, tragen kurze Hosen und T-Shirts. Doch auch sie halten gebannt inne, um zuzusehen. Die Boote jagen mehr als 30 Knoten schnell an der Küste vorbei, so nahe, dass Skipper Roman Hagara und seine drei köpfige Crew an Bord der Red Bull trotz des heulenden Fahrtwinds die beiden LiveKommentatoren verstehen könnten – hätten sie in dieser entscheidenden Phase die Zeit dafür. Noch eine Wendeboje und ein Amwindkurs (Kreuzkurs) gegen den Wind, und Red Bull wird das dritte Rennen des Tages gewonnen haben. Damit dürfte dem Team beim letzten Stopp der Extreme Sailing Series in Asien der Gesamtsieg wohl nicht mehr zu nehmen sein. In einem der aufblasbaren Schlauchboote, die, mit mächtigen Außenbord motoren bestückt, rund um den Rennkurs patrouillieren, sitzt Andrew Macpherson, zugleich Coach und Wechselspieler des Teams Red Bull. Er verfolgt das Geschehen durch ein Paar Oakleys unter einer tief ins Gesicht gezogenen Kappe. „Nettes Tempo“, sagt der Australier trocken. „Aber holt jetzt besser das Segel ein …“ Als ob sie ihn gehört hätten: Die Crew mitglieder David Vera und Gabriele Olivo, postiert auf dem schwarzen, streng gespannten Meshtrampolin zwischen den Rümpfen des Katamarans, beginnen den Spinnaker einzuholen, Hagara setzt 60
zur Wende an, doch plötzlich gerät das Boot in Schräglage. Der österreichische Doppel-Olympiasieger blickt beunruhigt auf. Ein Teil des Spinnakers, groß wie zwei Leintücher, ist noch nicht eingeholt, flattert zuerst, schlägt dann wild um sich. Der Sturm beißt sich nicht nur in zwei, sondern in drei Segeln fest. Mit unheimlicher Kraft drückt er den Bug unter Wasser, schon ragt das Heck hoch in die Luft. Das 1000-Kilogramm-Boot beginnt langsam, aber unaufhaltbar zu kippen. Vera baumelt vom Mesh, stürzt, als das Boot schlussendlich kentert, ins Wasser. Olivo versucht verzweifelt, am Mast das Gleichgewicht zu halten. Taktiker HansPeter Steinacher, mit Hagara Goldmedail lengewinner und seit dreizehn Jahren an dessen Seite, krallt sich am Mesh fest. Und Hagara selbst versucht, am Schiffsrumpf Halt zu finden, ehe ihn eine Welle abwirft und er abstürzt, sieben Meter tief. Sein linker Arm kracht gegen das Steuerruder, sein Knöchel knallt gegen den Schiffsrumpf, dann taucht Hagara im Wasser ab. Blitzschnell sind sechs Schlauchboote zur Stelle, um zu helfen. Die Menge an Land hält den Atem an. Die jungen Omaner, die bisher am Strand zur House-Musik des mobilen DJ-Trucks Fußball gespielt haben, unterbrechen ihr Match, starren hinaus aufs Meer. Sie mögen keine Segel-Experten sein, aber sie erkennen Action, wenn sie sie sehen.
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pannung, packende Zweikämpfe, atemberaubender Speed und ein Crash der Favoriten: Es ist kein guter Tag für Roman Hagara und sein Team, aber ein guter Tag für die aufstrebende Rennserie der Extreme 40s. Immerhin soll sie der breiten Masse eine als versnobt verschriene Sportart schmackhaft machen. Und sie tut das konsequent. Alles ist hier darauf aus gelegt, den Zuschauern eine gute Show zu bieten: zwei Live-Sprecher, spritzige 15-Minuten-Rennen, untypisch bunte Hauptsegel. Ein oder zwei kenternde Boote – die Serie brachte es in ihrer erst vierjährigen Geschichte bereits auf zehn – verbreiten bei den Zuschauern denselben wohligen Kitzel wie Eishockey-Bodychecks oder NASCAR-Blechsalat: Dosiert eingesetzt, sind sie spektakuläre Würze des Wettkampfs. Zurück am Jachthafen, eine Autostunde westlich von Maskat, erwartet die geprügelte Red Bull Crew ein aufgekratzter Dan Koene. Er ist einer der Erfinder der Extreme-40-Klasse. „Hey, genau darum geht’s doch“, ruft er, während seine orangen Leinenhosen in der noch immer steifen Brise flattern, „ihr müsst das positiv sehen: Ihr habt eine tolle Show geboten!“
Renndramatik in Griffweite: Die Extreme 40s kämpfen nicht weit draußen auf dem Meer um den Sieg, sondern in der Enge des Hafenbeckens. An Bord des Katamarans muss jeder Handgriff exakt sitzen.
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Action
Das 1000-KilogrammBoot beginnt langsam, aber unaufhaltsam zu kippen … Die Reaktion auf diese Schmerzlinderung fällt gedämpft aus. Hagara ist auf dem Weg ins Hospital. Und Steinacher, Olivo, Vera und Macpherson sehen es eher so, dass sie nun einen Mast reparieren müssen und ein Cut am Rumpf, das eines der Rettungsboote hinterlassen hat. Fünf Jahre ist es her, dass der forsche Niederländer Koene und seine Partner Mitch Booth und Herbert Dercksen gemeinsam mit dem Segler und Designer Yves Loday den ersten Extreme 40 gebaut haben – mit Hilfe einer Tiefziehform, wie sie zum Formen eines F1-Chassis verwendet wird. Die Idee dahinter war nicht weniger als die Idee einer neuen Rennklasse: Katamarane sollten es sein, doppelt so groß wie die herkömmlichen Tornados. Direkt aus der Fabrik wurden sechs Boote an den Start des Volvo Ocean Race 2005 geliefert. „Wir hatten einen großartigen ersten Tag“, schwärmt Koene. Er meint damit, „dass wir gleich beim Start einen gewaltigen Crash erlebten und ein Boot innerhalb von Sekunden sank. Die Leute haben’s geliebt!“ Tatsächlich kehrt der Sport im Extreme Sailing zu seinen Wurzeln zurück. Die Rennen – sechs bis acht pro Tag – dauern nicht länger als 15 Minuten und werden küstennahe auf einfachen Kursen ausgetragen. Die Katamarane, namengebende 40 Fuß (rund zwölf Meter) lang, sind reinrassige Karbonfaser-Speedmaschinen, wendig in engen Kursen und robust genug, um hart rangenommen zu werden. Bei Windgeschwindigkeiten von 28 Knoten lassen sie sich auf bis zu 40 Knoten beschleunigen, über 70 km/h. Seit ihrem Launch in Europa im Jahr 2006 zog die Rennserie zehntausende Zuschauer an. Zur alljährlich stattfindenden Kieler Woche erschienen im Vorjahr an drei Renntagen 80.000 Fans, zum Saisonfinale in Almería, Spanien, fast ebenso viele. Wenn die Serie ab 27. Mai erneut in fünf Ländern Station macht, könnten diese Zahlen noch übertroffen werden. Parallelen zur Formel 1 drängen sich auf, obwohl sie Renndirektor Mark Turner relativiert. „Im Vergleich zum Motorsport sind wir noch eine kleine Nummer“, sagt Turner, Geschäftsführer von OC Events, das die Serie ausrichtet. „Aber ein paar Ähnlichkeiten gibt es zweifellos. Der fixe Kurs, die Crashes, die Fahrzeuge, mit denen schneller gefahren wird als normaler62
a cWenn t i oeinnBild den
unvergleichlichen Reiz des Extreme Sailing beschreibt, dann dieses: Roman Hagara (Red Bull) und Paul CampbellJames (The Wave) bei der Wahl einer relativ 足deckungsgleichen Linie.
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Im Uhrzeigersinn von links oben: Hans-Peter Steinacher und die Athletik im Extreme Sailing; Roman Hagara liefert sich ein Duell mit der Britin Shirley Robertson; Hagara mit einem Souvenir … und dem Auslöser desselben.
action weise üblich … Wir wollen aber vor allem Entertainment bieten. Damit unterscheiden wir uns vom übrigen Segelsport. Wir sehen unsere Mission darin, mit Segelwettkämpfen Leute zu unterhalten.“ Dazu trägt auch ein Extra bei, für das Ecclestone und Co viel Geld zahlen würden: Jedes Boot bietet Platz für einen Passagier, für ein fünftes Crewmitglied. Mit Helm und Schwimmweste ausgestattet, besteht seine Hauptaufgabe darin, der Crew nicht im Weg zu stehen. Hagara mag die Idee eines Passagiers: „Beim olympischen Segeln erwartet uns immer nur eine Handvoll Fans im Hafen. Eine willkommene Abwechslung, einmal Leute mit auf dem Boot zu haben.“ Vielleicht sollte man präzisieren: Hagara mag die Idee … grundsätzlich. In der Praxis des Rennens stellt sich das nicht immer angenehm dar. Als fünfter Mann musst du genauso konzentriert sein wie der Rest der Crew – und fast so beweglich. Die Stimmung an Bord eines Rennboots in voller Fahrt ist angespannt, hektisch. Jeder muss alles gleichzeitig im Blick haben, die anderen Boote, die Takelage. Das Wertvollste, was der fünfte Mann zu alldem beitragen kann, ist sein Körpergewicht – damit kann er das Boot ausbalancieren, wenn es mit einem hoch über dem Wasser fliegenden Rumpf auf dem anderen gegen den Wind kreuzt oder wenn die Extreme 40s nach den Wendebojen auf Vorwindkurs segeln. Inmitten des Trubels von Segelsetzen und Dichtholen, das Olivo, Vera und Steinacher in Atem hält, verliert auch der sonst so stille Hagara seine Zurückhaltung – vorzugsweise gegenüber dem fünften Mann. „Number five – baaaack!!!“, brüllt er in heiserem Englisch mit deutlich österreichischer Färbung und dann nur geringfügig leiser, jedoch ein wenig schärfer: „So you don’t know what back is?“ Speed war schon Hagaras Obsession, als er mit vierzehn am Neusiedlersee mit dem Segeln begann. Konnte er auf der Hinfahrt vom ersten Aussichtspunkt aus am See Schaumkronen hohen Wellengangs erkennen, ließ er einen Freudenschrei los. Und gab ein Alarmsignal Sturmwarnung, legten Hagara und seine Freunde in ihren 16-Fuß-Hobie-Katamaranen ab, während alle anderen Segler auf schnellstem Weg zurück in den Hafen steuerten. „Der Katamaran bietet dir die auf regendste Art des Segelns“, sagt Hagara, heute 43. „Als ich auf Einrumpfboote umstieg, schien es mir, als ob ich nicht vom Fleck käme. Im Katamaran hat man keine Zeit vorauszuplanen, jede Entscheidung muss blitzschnell getroffen werden.“ 1997 traf er Hans-Peter Steinacher, damals 29, einen talentierten Athleten,
der sich seine ersten Sporen als Skirennläufer verdient hatte, ehe er zum Wasser gewechselt war. Ihre sportliche Partnerschaft sollte zwei Olympia-Goldmedaillen in der Tornado-Klasse zur Folge haben, eine in Sydney, eine in Athen. Steinachers Kraft und Geschicklichkeit verbanden sich perfekt mit Hagaras Zähigkeit und seiner Virtuosität am Ruder. Nach dreizehn gemeinsamen Jahren müs sen die beiden nicht reden, um miteinander zu kommunizieren. Dieses Zusammenspiel ist an Bord, wo Entscheidungen erstens permanent, zweitens schnell und drittens niemals falsch getroffen werden müssen, Gold wert. Bugmann Vera und Trimmer Olivo, beides Veteranen mit mehreren America’sCup-Teilnahmen, unterstützen die Österreicher. Am Boot herrscht entsprechend babylonische Sprachverwirrung: Deutsch und Spanisch werden mit gelegentlichen Befehlen auf Englisch ergänzt.
Und jetzt: Europa! Am 27. Mai startet die vierte Extreme Sailing Series Europe vor Sète in Frankreichs Süden. Um viele Rennen innerhalb kurzer Zeit an verschiedenen Orten möglich zu machen, sind die Katamarane so konstruiert, dass sie in einem Standard-Container transportiert werden können.
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Sète, France 27.–30. Mai Cowes, England 31. Juli – 5. August Kiel, Deutschland 26.–29. August Trapani, Italien 23.–26. September Almería, Spanien 9.–12. Oktober
ed Bull ist Rookie in der Serie, in Oman stößt außerdem Olivo neu zum Team, er hat die Rennen in Singapur und Hongkong versäumt. Trotzdem wirkt die Choreographie am fest gespannten Trampolin gut eingespielt – so gut, dass die Red Bulls nach drei Tagen Oman in Führung liegen. Vor den beiden von Oman gesponserten Booten, die vor ihrem Heimpublikum allzu gerne gewinnen würden. Der vorletzte Renntag beginnt träge. Unter dem unerschütterlichen Sonnenschein bewegt kein Lüftchen die bunten Flaggen, die am Al Hail Beach aufgefädelt sind, wo ein Beach-Football-Turnier und ein Breakdance-Event zusätzliche Zuschauer anlocken sollen. Ausländische Arbeiter in Blaumännern pendeln mit Bussen zur Großbaustelle The Wave, dem noch nicht ganz fertiggestellten Pracht-
bau, der heute als Rennbüro dient. Bohrer und Kreissägen bilden die Geräuschkulisse für die Segler, die am Jachthafen in aller Ruhe Leinen aufwickeln und Segelplanen auspacken. Im Lauf des Morgens legt der Wind aber rasch zu – und zwar heftig. Zu Rennbeginn ruft Renndirektor Gilles Chiorri die Flotte sogar auf, die Hauptsegel zu reffen, um die Segelfläche zu verringern. Die Windstärke liegt über 20 Knoten, und die Offiziellen haben für heute den fünften Mann gestrichen. Sogar die Crew trägt zum ersten Mal Schwimmwesten. Das Rennen ist schnell und turbulent. Die Rümpfe schießen durch das raue Wasser, die Boote wenden nur wenige Meter voneinander entfernt. Nach einem letzten Platz im ersten Rennen haben Hagara und seine Crew zwei Siege eingefahren, das vierte Rennen haben sie wieder auf dem letzten Platz beendet. Am Boot ist die Spannung mit Händen greifbar. „Da gibt heute keiner auch nur einen Millimeter nach“, kommentiert Macpherson trocken und steuert sein Boot an den äußeren Rand des Kurses. Über Funk hört er den Countdown zum Start eines Rennens, das Red Bull nicht beenden wird.
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n einem rustikalen, aber doch sterilen Operationssaal des Khoula Hospital 45 Minuten von The Wave entfernt widmen sich zwei Ärzte der klaffenden Wunde unter Hagaras Handgelenk. 14 Stiche. Das Gesicht des Österreichers ist kalkweiß, als er mit unsicheren Schritten aus der Notfallaufnahme geht. Seine Hand hängt schlaff in einer Schlinge. „Die Verhältnisse waren okay“, sagt er auf der Rückfahrt im Auto, „ich war es, der einen Fehler gemacht hat.“ Als die Wirkung des Schmerzmittels nachlässt, verzieht Hagara das Gesicht. Es wirkt nicht gerade erhellend auf seine Stimmung, dass das Kentern dem Team die Chance auf den Sieg beim letzten Stopp der Asientour ruiniert hat. „Natürlich haben wir vor dem Rennen gesagt, dass wir die Serie nur zum Training fahren, um uns an die Boote zu gewöhnen“, sagt er. „Aber am Ende ist keiner zum Vergnügen hier. Jeder, der hier am Start steht, ist hier, um zu gewinnen.“ Ende Mai, wenn die Extreme Sailing Series in Europa beginnt, wird Red Bull erneut antreten. Und wenn es nach Roman Hagara geht, muss die Serie nicht ganz so spektakulär verlaufen wie die asiatische. Ab sofort im Print-2.0-Angebot des Red Bulletin: Extreme-Sailing-Action mit Roman Hagara Am 1. Mai um 23.15 Uhr: die Highlights der AsienSerie auf ServusTV. Alle Infos über die neue Rennserie: www.redbullextremesailing.com
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GroSSe
Oper Die NASCAR-Serie ist Bühne für die Popkultur des amerikanischen Rennsports. Ein Crashkurs für Aufgeschlossene. Text: Herbert Völker, Bilder: Jürgen Skarwan
Das Gebrodel der 43-Auto-Meute geht schon bei den Einführungs runden unter die Haut. Das Pace Car kippt zur Seite, der dunkle Roar der schweren V8-Maschinen wird mit giftigen Obertönen verschärft, greift voll ans Zwerchfell, Tempo 300 wird durch die Dichte der Arena und die schiere Masse des Autopulks noch viel bedrohlicher, hunderttausend sind aufgesprungen, werfen die Arme in die Luft, schreien Dinge wie „Go, Tony, go!“ und sind so unglaublich entzückt. Die Amerikaner haben den Tick, alles in die Kleinteile der Statistik zu zerlegen. So wissen wir, dass sich bei einem Rennen in Talladega die Rekordzahl von 11.428 Überholvorgängen abgespielt hat. Das heißt, es wuselt ununterbrochen, immer greift irgendjemand an, an allen Ecken und Enden des Feldes, mittendrin und an der Spitze. Der fortgeschrittene Race Fan wird sowieso nicht in die Anfän gerfalle tappen, diesen Sport uncool zu finden, nur weil diese 43 Autos viereinhalb Stunden gegen den Uhrzeiger im Oval fahren, zu 80 Prozent Vollgas mit 850 PS, den Rest leicht gelupft. Die dennoch delikate Physik erklärt sich aus dem brutalen Speed und den Überraschungen der Steilwand. Das ist ehrliches Racing, genauso auch Pop. Im sonntäglichen Tremolo der Nation kommt eine Dichte an Emotionen raus, wie wir sie sonst nirgendwo im Motorsport kennen, jedenfalls nicht im Kollektiv. So ist NASCAR ein exotisches Phänomen, das niemanden kaltlässt, der sich die Neugier fürs amerikanische Wesen bewahrt hat. Racing auf der letzten Rille, das sowieso, meist auch mit einer guten Dramaturgie: Gegen Ende kracht’s dann noch einmal ordentlich, und es wird so aberwitzig kirre, wenn einer mit 320 von der Wand in eine Lücke stößt, die vielleicht da ist oder auch nicht. Das ist volle Lotte mit Rambazamba, ganz Amerika sieht’s im TV und wir in Europa hoffentlich bald auch. Stock Car sagt keiner mehr Der Begriff Stock Car, also Serienwagen, ist in diesem Umfeld völlig verschwunden und im Namen der Sportbehörde (NASCAR = National Association for Stock Car Auto Racing) aufgegangen. Die Regeln des Verbands haben längst den ganzen Sport überwuchert und ein eigenes Gewächshaus geschaffen. Wir reden von NASCAR-Autos und NASCAR-Rennen, immer hin wird die schlichte Herkunft von der Straße nicht verleugnet. 66
Ein amerikanischer Nachmittag Fallschirmspringer, Army und Hymne, das köstliche Gebrüll von 43 Geräten mit seitengestangelten V8-Motoren und 900 PS Stoßstange an Stoßstange, dazu die anheimelnde Gesellschaft seiner 150.000 engsten Freunde: Stand on it!
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Egal was druntersteckt, äußerlich müssen die Autos einem Chevrolet, einem Ford Fusion, einem Dodge oder Toyota Camry ähnlich sehen, ohne dass jetzt einer um einen Zentimeter kürzer, länger oder höher sein dürfte als der andere. Gleiche Schnauzenform, gleicher Heckabriss bei allen. Phantasievolles Paintwork nach Sponsorenwünschen sorgt für die eigentliche Unterscheidung der Autos, beherzter Umgang mit der Grafik der Start nummer hilft der Vielfalt. Die Ordensbruderschaft NASCAR ist hinter American Football der zweitgrößte Publikumssport der Nation, die Saison läuft von Februar bis November, von Florida bis New Hampshire, von Kalifornien bis New York. Allein der Jahresumsatz der Fanartikel wird auf zwei Milliarden Dollar geschätzt. NASCAR ist Mainstream-Amerika. Das Unternehmen ist in dritter Generation im Besitz der FranceFamilie und wird ziemlich autoritär geführt. Gegen die Ordensregeln der Bruderschaft erscheint Bernie Ecclestones Formel-1Apparat wie eine lose Interessengemeinschaft frei laufender Intellektueller. Am ehesten sind noch die finanziellen Dimensionen der beiden Blöcke vergleichbar. NASCAR beschwört Familiensinn, gutes Benehmen, properes Auftreten, wenn wir nun mal von den Campgrounds in Talladega oder Darlington absehen. Alles, was sich vorne abspielt, muss in die Benimmregeln der Familie passen, und wenn ein Querkopf wie Tony Stewart einmal seinem Ärger Luft macht, wird er sich am nächsten Tag öffentlich entschuldigen. Man klebt ja auch zweihundert Tage im Jahr aufeinander, das kann nur gutgehen, wenn laufend die good vibrations beschworen werden, der Stolz to be part of something so great. An Nächstenhilfe ist man schon aus der langen Tradition heraus gewöhnt, ein klirrendes Klima wie in der Formel 1 kann sich keiner vorstellen. Müpfigkeiten oder gar Streiks (wie im Baseball, trotz Jahresgagen bis vierzig Millionen Dollar) sind undenkbar, die normalen Dissonanzen der Community werden über hunderttausend Blogs abreagiert, aber bitte keine Four-Letter-Words. Es gibt ein „role model“ in Person des nun 72-jährigen Richard Petty, topfit, mit blitzenden Keramikzähnen, genannt The King: Immer tough, immer integer, siegreich über Jahrzehnte, wusste immer, wie man sich aufführt, sehr erdig amerikanisch, bekam als erster Motorsportler The Medal of Freedom … was uns auch zum Nahe verhältnis von NASCAR und Militär führt: NASCAR is a great platform to show the country. Da sponsert die Army ein Auto, um der Air Force Paroli zu bieten, und bei den Startzeremonien sind Vertreter aller Waffengattungen dabei, inklusive Coast Guard und Navy. Hier greift das Pathos voll an, die Fahnen, die Paraden, Salut und Salve, sechs F-18 Hornets donnern über die Arena, die Hymne und Handaufsherz. Dann kommt der Pfarrer, segnet das Rennen „und unsere Landsleute, die auf der ganzen Welt die Freiheit Amerikas verteidigen“. Was man also andeuten könnte: Bei einer Wahlabstimmung im NASCAR-Volk würde ich eher auf die Republikaner setzen.
Ausländer willkommen, bitte langsam NASCAR kommt aus der Tiefe amerikanischer Redneck-Tradition, aus den Alkoholschmuggelfahrten und wie man die Cops austrickste. Auch bei modernem Auftritt, ganz clean, können neue Namen, neue Gesichter, neue Technik nur ganz langsam ein sickern. Langsam, aber immerhin. Drei Beispiele: Bis vor drei Jahren waren nur amerikanische Hersteller zugelassen, so teilten sich GM, Ford und Chrysler das Bereitstellen der Silhouetten und der Motorblöcke. Nach langen Jahren des Antichambrierens ist ab 2007 auch Toyota zugelassen, mittlerweile voll akzeptiert und auch (wechselnd) erfolgreich. Zweitens: Nichtamerikanische Fahrer sind die große Ausnah me, und sie haben es wirklich nicht leicht. Als Juan Pablo Montoya vor vier Jahren von der Formel 1 in die Nudeltöpfe kam, wurde er ausgepfiffen. Er zahlte sein Lehrgeld, wurde immer schneller, vor allem aber schmückte er mit seinem Latino-Charisma das amerikanische Regelwerk, so dass man ihn mittlerweile nicht missen möchte. Drittens: Der Einstieg von Red Bull Racing als zweifacher TeamEigner (im Gegensatz zur Formel 1 besteht hier jedes „Team“ nur aus einem einzigen Auto mit eigener Logistik, eigenem Transporter, eigener Box, eigener Boxencrew). Das musste vor vier Jahren quer durch die diversen Lobbys durchgefochten werden, eine mühsame Sache. Heute sind die Teams #82 (Scott Speed) und #83 (Brian Vickers) ein Brückenkopf für Nichtamerikaner, denen Amerika wichtig ist, abgesehen davon sind die Piloten ja sowieso aus Kalifornien und North Carolina. Red Bull Racing ist voll in der Community verankert, Brian Vickers hat es im Vorjahr in den „Chase“ (das Finale der Top 12) geschafft.
„Role Model“ in Person: Der 72‑jährige Richard Petty, topfit, mit blitzenden Keramikzähnen, genannt The King.
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Die Primzahlen der Gemeinde Vorweg eine Besonderheit: Es werden zwei Serien parallel gefahren, nach dem jeweiligen Sponsor benannt. Die erste Liga heißt Sprint Cup (nicht wie Kurzstrecke, sondern wie ein Mobilfunk betreiber, früher war das der legendäre „Winston Cup“), die zweite Serie heißt Nationwide (eine Versicherung). Üblicherweise wird das Nationwide-Rennen am Samstag, der Sprint Cup am Sonntag gefahren. Etliche Spitzenfahrer nehmen an beiden Serien teil, das wäre so, wie wenn Lewis Hamilton neben F1 auch bei GP2 starten würde. So vermixen sich auch die Zahlen, im Zweifelsfall reden wir vom Sprint Cup. 36 Rennen pro Jahr auf 22 verschiedenen Strecken, 14 Tracks davon werden zweimal angelaufen. 43 Starter pro Rennen, unabänderlich. Zumeist herrscht draußen ein Gedränge von etwa fünf weiteren Fahrern, sie haben in der Qualifikation ihre Chance. 600 Menschen werden von einem Top-Rennstall wie Hendrick beschäftigt (mit einem früheren Spitzen-F1-Team vergleichbar, die Formel 1 hat zuletzt abgebaut). 155.000 Zuschauer an einem durchschnittlichen Rennsonntag. 40 Millionen Zuschauer US-weit bei einer TV-Übertragung. 75 Millionen Menschen lassen sich als „Basis-Fans“ von NASCAR identifizieren.
Ein Fest f체r a die c tganze i o nFamilie Der NASCAR-Fan zelebriert ein Wochenende unter Freunden, die besten Pl채tze sind schon zu Wochenmitte reserviert. Auf der Strecke wird in aller Freundschaft mit offenen Visieren gek채mpft, immerhin sieht man sich schon n채chstes Wochenende wieder. Bei aller sportlichen Ernsthaftigkeit darf der ShowAspekt freilich nicht zu kurz kommen.
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Zehn Milliarden Dollar ist der sehr frei geschätzte Jahresumsatz (mag sein das Doppelte der F1). Das Sponsorenaufkommen ist wesentlich höher als in der Formel 1: NASCAR-Fans leben viel intensiver im Rhythmus ihres Sports und sind im Markt präziser zu erfassen als die verstreute, vielschichtige F1-Gemeinde. Merchandising spielt eine große Rolle. Die Angst vor der Einspritzung Was uns Europäer am meisten verblüfft, ist der Stand der Technik, der dem der 1960er Jahre entspricht: hohes Fahrzeuggewicht (1530 kg), 5,9-Liter-V8-Stoßstangen-Motoren mit Vergasern, Vierganggetriebe, Stahlbremsen, Totalverzicht auf Elektronik und Titan, Keramik, Verbundstoffe (ausgenommen für den Fahrersitz). Ein NASCAR-Mensch würde das so erklären: „Wir wollen pures Racing ohne Firlefanz, mit einem ganz engen Reglement, in dem sich jede Art von Manipulation (chea ting) aufdecken lässt. Die Stärke der Motoren führt sowieso an den absoluten Grenzbereich und damit zur bestmöglichen Show für die Fans.“ Das schlitzohrige „cheating“ ist quasi eine Erbsünde der Stock Cars aus den frühen, hinterwäld lerischen Rennen. Ein freies Reglement mit modernen Werkstoffen und Elektronik würde den Teufel wieder hineinschlüpfen lassen, eine Kostenexplosion verursachen und zu einem technologischen Freisinn führen, der einfach nicht Sache der NASCAR ist. Am ehesten wird noch eine Diskussion über Benzineinspritzung zugelassen (Rumor besagt, dass eine Marke des VW-Konzerns eventuell in NASCAR einsteigen könnte, dann aber sicher nicht auf Vergaser-Ebene). Mal sehen, jedenfalls käme mit der Benzineinspritzung ein elektronisches Element, und damit würde schon das erste kleine Teufelchen im Motorraum nisten. Aber würde dadurch das Racing-Erlebnis besser werden?, fragen die Fans. Raffinierte Luftleiteinrichtungen sind nach wie vor verboten, flacher Unterboden und Diffusor sowieso. Etwa ein Fünftel der Unterbodenfläche bleibt als Gestaltungsraum zur Führung von Kühlluft und Auspuff, immerhin. Die im Vorjahr eingeführten Heckflügel (genormt) wurden schon diesen März wieder durch die zuvor bewährten Spoiler (ebenfalls genormt) abgelöst, hauptsächlich auf Wunsch der Fans, die sich mit der Flügel-Mode nie anfreunden konnten. Es lassen sich auch technische Gründe pro und contra anführen, stundenlange Diskussionen um des Kaisers Bart. Es wird sich nicht viel ändern, sagen die relaxten Jungs. Was die Normen betrifft: Es gibt einen einzigen Satz von Schablonen, dem alle Autos entsprechen müssen – in Höhe und Breite sowieso, aber auch im Lauf der Flanken bis zur letzten Blechfalte. Es gibt aber trotzdem kein vorgefertigtes Blechkleid, jedes Team kann innerhalb von Millimeter-Toleranzen Kreativität aus dem Windkanal beziehen. Trotz der Mode der frühen Jahre: Was Dampf und Speed betrifft, liegen F1 und NASCAR ziemlich gleichauf (knapp 900 PS, 340 km/h). Beim schnellsten Rundendurchschnitt ist NASCAR klar voran: 315 km/h im Oval (gegenüber 249 km/h in der Formel 1, gefahren 1993 von Damon Hill in Monza).
Seid ihr alle da? Das Zusammenströmen der Gleichgesinnten in überwältigender Menge wird nicht als Verkehrschaos, sondern als Teil des Vorspiels inszeniert. Die Motorhomes gehen Tage vorher in Stellung, die Jungs ziehen ihre Fahnen hoch, baggern Feuerholz und legen die ersten geselchten Schwaden über die Landschaft (die Amerikaner haben zu Essensgeruch eine eigene Einstellung). Das Gemeinschaftserlebnis gewinnt durch den Arena-Effekt, ungleich dichter als auf europäischen Rennstrecken. Egal ob klassischer Nudeltopf oder kolossaler Superspeedway (Daytona, Talladega), da können sich hunderttausend oder auch zweihunderttausend Leute ganz gut leiden. Einser-Regel: Have a good time. Die Liebe zur Merchandise ist viel höher entwickelt als in Europa: Etwa jeder zweite Besucher rennt mit einem T-Shirt oder Sweater herum, der ihn als Anhänger von Soundso ausweist. Klarer Trend: Je weiter der Stern von Dale Earnhardt jr. sinkt, umso stärker kommt Jimmie Johnson auf Brüste, Bäuche und Rücken. Konstanter Dauerbrenner im Spitzenfeld ist Jeff Gordon. An Wochenenden, an denen Danica Patrick startet, machen ihre MerchandiseKioske so viel Umsatz wie Dale, Jimmie und Jeff zusammen. Von wegen Nudeltopf 20 der 22 NASCAR-Strecken sind das, was die Amerikaner als „Speedway“ bezeichnen: Ovale in sehr unterschiedlicher Länge (von knapp einem bis über vier Kilometer) und ganz unterschiedlicher Überhöhung der Kurven (von 12 bis 36 Grad). Unsereins sieht da nur zwei Geraden und zwei lange Steilkurven. Falsch, es sind eben doch vier Kurven, und sie sind nirgendwo gleich. In Talladega, zum Beispiel, wird überhaupt nicht gebremst (beim Qualifying werden gar die Bremskolben mit Draht zurückgebunden, um auch den letzten Hauch von Reibung zu vermeiden), aber in der kleinen Arena von Martinsville sind die Stahlbremsen das Um und Auf. Wer nicht vorsorglich damit umgeht, kann zur Halbzeit heimfahren. Geschaltet (Viergang!) wird nur auf den Straßenkursen Sonoma und Watkins Glen, ansonst bleibt der Vierer eingespannt, außer beim Pit Stop oder beim Re-Start im zweiten Gang nach einer Gelbphase. Wichtigster Mann jedes Teams ist der Crew Chief, der die Boxenstrategie führt. Was im europäischen Rennsport halbwegs vorhersehbar und auszurechnen ist, überpurzelt sich bei NASCAR, weil es irgendwo gekracht hat, der Dreck weggeräumt werden muss und die gelbe Fahne rauskommt. Blitzschnelle Entscheidung: Tanken?, zwei Reifen?, vier Reifen? Jeder Pit Stop, vom TV wunderbar zu erfassen, spielt sich in der Choreografie von jeweils sieben Männern ab, die „over the wall“, also die Boxenmauer, springen dürfen. Es sind gut bezahlte Athleten, die das ganze Jahr über für diesen Kraftakt und die Blitzartigkeit der präzisen Handgriffe trainieren. Der „jack man“ (mit Wagenheber), der Vorderreifenträger („carrier“) und der Vorderreifenwechsler („changer“) springen als Erste, dann die Hinterreifenspezialisten, der Mann mit dem Kanister („gas man“) und der „catch man“, der den überlaufenden Sprit auffängt.
Was uns Europäer am meisten verblüfft, ist der Stand der Technik, der dem der 1960er Jahre entspricht.
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Zehn Top Guns (von etwa 50 Verdächtigen) Juan Pablo Montoya 34 Jahre. Startnummer 42, Chevrolet, Earnhardt Ganassi Racing. Super Lernphase seit NASCARDebüt vor vier Jahren, polarisiert die Community, gewinnt aber immer mehr Terrain an Popularität. Purer Speed ist sowieso kein Thema bei Montoya. Immer gut für erfrischende Sager und beinharte Checks, seine Emotionen sind ihm manchmal im Weg, gut so. Tony Stewart 38 Jahre. Startnummer 14, Chevrolet, Stewart-Haas Racing. Einer der wenigen bulligen Typen, körperlich und überhaupt. Traut sich am ehesten aus der Deckung, um Klartext zu reden, wenn nötig. Zieht natürlich Gegner an, hat aber den größeren Teil der Gemeinde hinter sich. Erfolgreicher Unternehmer, baut eine Zukunft als Team-Eigner auf.
bild: getty images
Kyle Busch 24 Jahre. Startnummer 18, Toyota, Gibbs Racing. Deutlich jüngerer Bruder des eta blierten Top-Runners Kurt. Kyle hat sich in der Rolle des „bad guy“ bestens eingerichtet, macht kecke Sprüche und steile Rempler, wird vor dem Start traditionell aus gepfiffen, das gehört zum Rollenspiel. Gewann die vorjährige Nationwide-Serie. Scott Speed 27 Jahre. Startnummer 82, Toyota, Red Bull Racing. Scott hat aus seinem Umstieg vom F1-Toro Rosso-Team in die amerikanische Szene das weitaus Beste gemacht. Wurde im Vorjahr noch als Rookie geführt, hat aber schon zu den Etablierten aufgeschlossen. Ein Faible für coole Mode, Scott kommt auch insgesamt recht cool rüber. Großes Potenzial. Brian Vickers
Jimmie Johnson
Jimmie Johnson 34 Jahre. Startnummer 48, Chevrolet, Team Hendrick. Sprint-Cup-Gesamtsieger der jüngsten vier Jahre, überragende Figur der Szene. Seine Dominanz könnte fad werden. Für die historische Größe ist das Profil noch zu unscharf. Jeff Gordon 38 Jahre. Startnummer 24, Chevrolet, Team Hendrick. Dauerbrenner über fast zwei Jahrzehnte. Allein Preisgelder von insgesamt 90 Millionen Dollar. Wirkt trotz aller Smartheit authentisch, USweit populär, konstant, keine Macken. Insgesamt wohl der angesehenste Botschafter seines Sports. Dale Earnhardt jr. 35 Jahre. Startnummer 88, Chevrolet, Team Hendrick. Hatte als Sohn des legendären, in Daytona zu Tode gestürzten Vaters den uneingeschränkten Goodwill des Publikums, wurde trotz Sinkflug auch zum siebten Mal en suite von den Fans zum „most popular driver“ gekürt. Fragezeichen nach langer Formkrise. Mark Martin 51 Jahre. Startnummer 5, Chevrolet, Team Hendrick. Verblüfft ganz Amerika durch phantastische Resultate und fast schon beunruhigende Alters-Fitness. Gesamtzweiter im Sprint Cup des Vorjahrs, jetzt auch wieder vorn dabei. Imponiert den Leuten, für eine historische Dimension fehlt ihm doch Charisma. Joey Logano 19 Jahre. Startnummer 20, Toyota, Gibbs Racing. Spitzname „Sliced Bread“, weil die Amerikaner geschnittenes Brot für die größte Erfindung der Evolution halten. Enormes Talent, „Rookie of the Year“ des Vorjahrs. Easy. Schlaksiger, langer Kerl. Hat eine offensichtlich tolle Zukunft vor sich. Brian Vickers 26 Jahre. Startnummer 83, Toyota, Red Bull Racing. Gilt als der „intellektuelle Typ“ in der Community, ist trotzdem einer der schnellsten Qualifyer des ganzen Feldes. Wesentlicher Mann für die Aufbauarbeit des Teams, schaffte im Vorjahr die Qualifikation für das Cup-Finale, „The Chase“. Kommt auch insgesamt recht cool rüber. Großes Potenzial.
Währenddessen sind die Jungs von der rechten zur linken Seite geturnt und schmeißen die alten Reifen über die Mauer. Alles, was mehr als 13,5 Sekunden dauert, ist ein Ärgernis. 12,5 Sekunden gelten als Maß der Dinge. Sinnspruch zu diesem 7-Mann-Ballett: You are only as good as your worst guy. Spotting, Drafting & Bumping Jeder Fahrer hat einen „Spotter“ (Aufklärer), mit dem er dauernd in Funkverbindung ist. Also stehen 43 Männer mit Feldstechern auf dem höchsten Dach der Arena und geben laufend den Straßenzustandsbericht, es schaut nach einer Freiluft-Telefon zentrale aus. Der Fahrer nimmt von der Umwelt nur einen kleinen Ausschnitt wahr, inmitten von drei Dutzend Kollegen, bei Tempo 300. Er hat einen kleinen Rückspiegel links außen und ein Spiegelband oben im Cockpit. Nach rechts hinten herrscht weitgehend Blindheit. Der Aufklärer sucht laufend das ganze Oval nach Irritationen ab, meldet sie samt Gebrauchsanweisung, runtertauchen, „clear down“, hochklettern, „clear up“, oder einfach mittendurch – „stand on it!“. Außerdem kommentiert er laufend das Umfeld seines Piloten – wer angreift, wo sich ein Loch auftut, welche Fahrbahnhöhe am verlockendsten aussieht. Der Spotter bequatscht seinen Fahrer zwar nicht dauernd, aber doch sehr viel öfter, als unsereins das beim beschleunigten Autofahren im Gehörgang haben möchte. Entscheidend werden diese Einflüsterungen beim „Drafting“, dem Windschattenfahren. Das ist verlässlicher Sog, aerodynamisch auf dem Stand von vor vierzig Jahren, bevor im Rest der Welt die fiesen Unterboden kamen. Ehrliches Racing also, die Mutter aller Zweikämpfe, hier gewürzt durch Steilkurven und die schiere Masse des Rudels, mit der ewigen Verlockung des bump drafting. Wenn wir das mit „Rempelei aus dem Windschatten“ übersetzen, entspricht es der Eleganz des Vorgangs. Es passiert in einer sehr ausgereizten Phase der Fahrdynamik, mitunter sogar in der Kurve, da flattert die Physik schon auf der letzten Zacke – ein kleiner Sidekick mag genügen, um das gegnerische Auto zum Kreiseln zu bringen. Es gibt keine Regeln für Erlaubt oder Verboten, alles bleibt dem Augenmaß zwischen cleverem Manöver und Chaos-Aktion überlassen. Keine rote Karte. Mutwillige Bösewichte werden nach dem Rennen allerdings von den Offiziellen an die Brust genommen und von den Fans zur Schnecke gemacht. Wer dauernd Chaos baut, ist bald draußen – und eher verpönt sind emotionelle Revanchefouls, Montoya weiß das mittlerweile. Die grundsätzliche Lockerheit beim Bumping ist deshalb möglich, weil praktisch alle Unfälle glimpflich ausgehen. Die Außenwand der Strecke hat eine Knautschzone, die Käfige der Autos sind aus armdicken Stahlrohren, und beim Schutz von Hals und Nacken war NASCAR sogar der Formel 1 voraus (System „HANS“ – Head and Neck Support). So können also mehrmals pro Rennen die Fetzen fliegen, zwei oder drei Wagen werden mitgerissen, einer knallt oben an die Mauer, kreiselt runter, kriegt noch schmatz eins in die Breitseite vom Hintermann, einer überschlägt sich, kugelt ins Infield, wirft alles von sich, galoppierende Räder und Karosserieteile im Aufwind, es raucht wie kurz vorm Explodieren, es brennt aber nie, wie eben die ganze Sicherheitstechnik bei NASCAR ihren Job macht. So bleibt Bumping ein gern gesehenes Spektakel, Medien und Fans ereifern sich über Bösewichte und Lichtgestalten, und im Blog kocht die Suppe mindestens eine Woche lang – bis zur köstlichen Erregung des Next Race Day. Sprint Cup Series: 10. April 2010, Phoenix, Arizona, Subway Fresh Fit 600 News, Termine und Videos gibt’s auf: redbullracingusa.com Alles über Nascar auf ServusTV: www.servustv.com
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Ringen
In Senegal
Viele Male älter als die Dorfältesten: Die Ringkämpfe, wie sie in der westafrikanischen Region von Gambia und Senegal bestritten werden, existieren seit dem Anbeginn der Zeit. Und viele Male härter als das Leben in Savanne und Busch: Der Kampf Mann gegen Mann erlaubt alles, was den Siegern die Gunst des Publikums zufliegen lässt. Fotos: Philipp Horak
DER URSPRUNG
Philipp Horak fotografierte diese Reportage während der Dreharbeiten zu dem Film „7915 km“ von Nikolaus Geyrhalter/NGF, welche er fotografisch begleitete. Textmitarbeit: Paul Faye
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Der Ringkampf, genannt Laamb oder auf französisch „lutte africaine“, ist in der gesamten Region Westafrika ein National sport. Mancherorts übertrifft er in seiner Beliebtheit sogar den Fußball. Laut münd licher senegalesischer Überlieferung gibt es ihn seit den Ururururgroßvätern; auf eine Jahreszahl legt sich niemand fest. Die Kämpfe der Vorzeit fanden bei Dorf festen statt, nach der Regenzeit und der Ernte, verbrämt mit einem Rahmenpro gramm aus Tanz, dem Auftritt von Musi kanten und einem Festmahl. Die Kämpfer repräsentierten ihr Dorf oder ihre Familie, und Siege brachten Ruhm und Ehre. Als lutte africaine immer populärer wurde, zogen die Kämpfer von den Dorfplätzen in die Stadien. Nun wird mehrfach im Jahr gekämpft, und aus den Naturalien für den Sieger wurde ein Preisgeld. Mittler weile wird die Kunst des Ringkampfes auch in Schulen weitergegeben.
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Das Schauspiel Das Imposanteste beim Laamb ist weniger der Kampf an sich; der ist häufig allzu rasch vorbei. Es sind vielmehr die Rituale davor. Vor ihrem Kampf marschieren die Ath leten hintereinander in das Stadion, bejubelt von mitgereisten Fans. Hinter jedem Athleten steht ein zahlreiches Team von Beratern mit überwiegend spirituellem Hinter grund, etwa die Marabuts. Diese sind weise Männer, eine Art Wunder heiler und Medizinmänner, die von den Menschen zu allen wichtigen Lebensentscheidungen befragt werden. Vor dem Kampf besprühen sich die Kontrahenten mit magischem Wasser, beschwören mit Liedern allerhand Zauber und führen beein druckende Tänze auf. Überall an ihrem Körper tragen sie sogenannte „Grigris“, Glücksbringer aller Art: Ketten aus Metall, Arm- und Fuß bänder aus Federn, Lederbänder mit angehängten Säckchen. Letztere sind mit geheimnisvollen Kräuter mischungen und allerlei anderen Zutaten gefüllt. Diese Glücksbringer wurden von den Marabuts vorberei tet und sind für die Kämpfer unver zichtbar. Nach Niederlagen wird oft weniger die eigene Unzulänglichkeit beklagt als die überlegene Zauber kraft des gegnerischen Marabuts ins Treffen geführt.
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Die Regeln Noch zu den Vorbereitungsritualen gehört es, dass sich die Kämpfer vor dem Kampf gegenseitig anschreien. Ähnlich Bedrohliches kennt man auch vom Wrestling oder Boxen. Im Kampf gibt es grundsätzlich keine einschränkenden Regeln. Wie der Gegner zu Boden gebracht wird, ist egal. Auch Faustschläge ins Ge sicht sind erlaubt. Es gibt meistens drei Ringrichter, die den Kampf be obachten und Sieger und Verlierer ermitteln. Der eigentliche Kampf ist aufgrund dieser „harten“ Regeln meist kurz. Er endet, sobald der Kopf, das Gesäß oder der Rücken eines Kämpfers den Boden berühren. Um die Eindeutigkeit der Entscheidung entbrennen nicht selten heftige Dis kussionen, die an Intensität dem Kampf bedrohlich nahekommen. Steht der Sieger fest, stürzt sich das Publikum in die Arena und feiert mit ihm seinen Sieg. Er wird von der jubelnden Menge durch das Stadion getragen, während der Verlierer übli cherweise schleunigst aus der Arena verschwindet.
Der Kampf kennt keine Regeln. Wie der Gegner zu Boden gebracht wird, ist egal.
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Erfolgreiche Kämpfer sind Helden. Sie werden von Jung und Alt angehimmelt wie Popstars. Die Helden Die nur mit einem um die Hüften gewickelten Tuch oder wahlweise einer kurzen Sporthose bekleideten Kämpfer beeindrucken durch ihre muskulösen Körper. Sie erinnern an griechisch-römische Statuen oder an die Gladiatoren des Altertums, und sie scheinen sich jede Sekunde ihrer beinah übermenschlichen An mutung bewusst zu sein. Erfolgreiche Athleten sind in den westafrikanischen Staaten wahre Helden. Sie werden häufig zu Werbe ikonen und von der gesamten Bevöl kerung angehimmelt wie US-ameri kanische Popstars. Ringen wird von
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allen Altersgruppen und Männern wie Frauen mit großer und authentischer Begeisterung verfolgt. Ein Vergleich etwa mit dem japanischen Sumoringen scheint durchaus erlaubt. Gehen Kämpfer am Ende ihrer akti ven Zeit gewissermaßen in Pension, werden sie interessanterweise häufig Marabuts und bleiben damit als Berater einer neuen Generation von Ringern in engem Kontakt mit dem Sport. Die tra ditionelle Folklore ist ein solch eminen ter Bestandteil des Ringkampfes, dass ehemalige Laamb-Kämpfer nach ihrer Karriere als Experten für Wunder im Alltag angesehen werden.
bild: Predrag Vučković/Red Bull Photofiles
Red Bull X-Fighters, das steht für atemberaubenden FreestyleMotocross und faszinierende Locations. Wie zum Beispiel die gewaltige Battersea Power Station in London.
More Body&Mind Belebendes für Körper und Geist.
80 Cliff Diver Gary Hunt im Hangar-7 81 Köche und ihre Geheimnisse 82 Segel-Ausrüstung 84 Red Bull X-Fighters-Saison 2010 86 Red Bull TV-Fenster 88 Tag & Nacht 98 Kolumne
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Hangar-7-Interview
Gary Hunt Lassen Sie sich nicht hinters Licht führen: Dieser ruhige, schüchterne Kerl wird mit Adrenalin betrieben. Gary Hunt springt aus schwindelerregenden Höhen in die Tiefe – außer er diniert gerade im Hangar-7. Gary Hunt erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Er ist einerseits einer der bes ten Cliff Diver der Welt – was bedeutet, dass er in seinem Brotberuf aus Höhen von bis zu 27,5 Metern ins Wasser springt. Andererseits lernt er – als Engländer! – fleißig Französisch, jongliert mit Bällen und studiert Kriminologie.
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2009 landete Gary Hunt im Endklassement der Red Bull Cliff Diving World Series auf Platz zwei – denkbar knapp hinter Superstar Orlando Duque. 2010 folgt die Attacke: mit Jonglierbällen und en français.
Kleidung, habe ich echt Angst, dass ich ausrutschen und runterstürzen könnte. Aber sobald ich die Speedos anhabe, ist die Unsicherheit wie weggeblasen. Verrückt, nicht? Es reicht also, dass Sie Badehosen tragen, um sich zu beruhigen? Da gibt es schon noch andere Dinge. Letztes Jahr habe ich in Metz in Frank reich bei einer Sprungshow mitgemacht, gemeinsam mit zwei Amerikanern, die unglaublich gut im Jonglieren waren. Sie haben sich sogar ein paar Euro dazu verdient, indem sie zwischendurch auf der Straße mit ihrer Show aufgetreten sind. Ich war ein blutiger Anfänger, aber sie haben mir schnell ein paar Tricks bei gebracht. Als ich danach meine Jonglier bälle zu den Competitions mitgenommen habe, bin ich draufgekommen, dass es nichts Besseres gibt, um die Wartezeit zu überbrücken. Du kannst mit diesen Din
gern perfekt abschalten – viel, viel besser, als dazusitzen und drüber nachzudenken, was alles schieflaufen könnte. Sie bearbeiten hier im Hangar-7 gerade eine Schweinshaxe – wie schmeckt’s? Super. Die Sauce béarnaise dazu ist Klas se. Ich habe zwar keine Ahnung, welcher Körperteil vom Schwein das hier ist … Das Knie, soweit ich weiß. Klingt vernünftig. Aber wie auch immer: Schmeckt super. Wie sieht’s denn mit Ihren kulinarischen Fähigkeiten aus? Ich kann nicht behaupten, dass ich ein guter Koch wäre. Aber ich habe trotzdem damit begonnen, in der Küche herumzu experimentieren. Vor kurzem habe ich mich erstmals an einem Sonntagsmenü versucht. Brathuhn, Bratkartoffeln, Pasti naken, Yorkshire-Pudding, das volle Pro gramm. Am Ende ist es dann ein bisschen hektisch geworden, und außerdem hatte
Text: Ruth Morgan; bilder: helge kirchberger (3)
red bulletin: Nur noch wenige Wochen bis zum Start der Red Bull Cliff Diving World Series 2010. 2009 waren Sie ziemlich knapp an Orlando Duque dran … Wie geht’s dieses Jahr aus? gary hunt: Die Ausgangssituation ist anders als in den letzten Jahren, vor allem im Kopf. Es ist das erste Jahr, in das ich mit dem Gedanken gehe, dass ich das Ding gewinnen könnte. Letztes Jahr war Orlando am Ende einfach etwas konstan ter … Es wäre ein Traum, die World Tour ausgerechnet beim Saisonfinale in Hawaii für mich zu entscheiden, dem Geburtsort unseres Sports. Haben Sie neue Tricks im Repertoire? Ich möchte gerne manche Sprünge mit Anlauf probieren. Vom Zehnmeterturm machen’s die Springer ja auch so, damit kriegst du mehr Power in deine Drehun gen. So möchte ich gerne zu dem Vier fachsalto mit eineinhalb Drehungen vom letzten Jahr noch eine Drehung hinzu fügen. Beim ersten Training wird man sehen, ob ich die Kante des Absprung bretts genau treffe … oder einen YouTubeKlassiker produziere. Wie sieht’s denn mit der Angst aus? Kommt drauf an, ob ich meine Badehose trage. Äh …? Wenn ich vor dem Bewerb auf die Platt form raufklettere, in meiner normalen
bilder: craig kolesky (3)
more body & mind
ich die Fülle vergessen. Ein Anfänger fehler eben. Achten Sie drauf, was Sie essen? Wenn man als Arbeitskleidung gerade mal eine Badehose hat, sollte man in dieser Hinsicht wohl recht diszipliniert sein. Ich war immer dünn. Ich kann mehr oder weniger essen, was ich will, und nehme nichts zu. Vor ein paar Jahren wollte ich unbedingt Muskelmasse zulegen, habe diese Eiweißshakes und solches Zeug in mich reingeschüttet, aber es hat sich nichts geändert. Seither esse ich einfach, worauf ich gerade Lust habe. Wie reagieren die Mädchen denn, wenn die Rede auf den Beruf kommt und Sie dann „Ich bin Cliff Diver“ sagen? Ach, es geht einem wenigstens der Ge sprächsstoff nicht aus. Die wenigsten wis sen, was das ist, ein Cliff Diver. Und wenn ich’s ihnen dann erklärt habe, beginnen die Fragen meistens erst. Sie verstehen sich gut mit Frauen? Nicht so, wie Sie jetzt vielleicht meinen. (Grinst.) Ich würde sagen, ich verstehe Frauen gut, das schon. Was damit zu tun hat, dass ich mit meiner Mum und zwei älteren Schwestern aufgewachsen bin. Ob ich wollte oder nicht … ich musste eine Menge dieser kitschigen Frauenfilme an sehen, „Pretty Woman“, „Dirty Dancing“, „The Sound of Music“, den ganzen Käse. Und der Einfluss der Frauen ist sogar noch weiter gegangen: Ich war beim Stepptanz, beim Ballett, habe Gymnastik gemacht. Mir war das alles lange Zeit ziemlich peinlich, aber ich muss ehrlich sein und sagen: Ohne all das wäre ich heute ein schlechterer Cliff Diver. Was bringt die Zukunft? Ich möchte auch künftig dazu beitragen, dass sich der Sport immer weiterentwi ckelt. Ich möchte neue Ideen hineinbrin gen, neue Tricks probieren, immer schwierigere Sprünge zeigen können. Und abseits des Sports? Puh, keine Ahnung. An der Uni habe ich zunächst Mathematik studiert, dann habe ich zu Sportwissenschaften gewechselt, weil ich Sport liebe. Dann bin ich aber draufgekommen, dass ich’s nicht liebe, theoretische Dinge über Sport zu lesen. Also habe ich mit Kriminologie begonnen. Das fasziniert mich – aber null Ahnung, was ich später einmal damit anstelle. Zu letzt hab ich damit begonnen, Französisch zu lernen, weil ich als einziger Springer auf der Tour nur eine Sprache spreche. Wie man sieht: Ich lasse die Dinge mehr oder weniger auf mich zukommen und schaue dann, was ich damit anfange. Und bisher hat das ganz gut geklappt. Alle Infos zur Red Bull Cliff Diving Series 2010 auf: www.redbullcliffdiving.com
Langusten fischen und gleich am Strand grillen – eine südafrikanische Tradition. Spitzenkoch David Higgs hat sie Hangar-7-Chef Roland Trettl gerne vorgeführt.
Geschmackssache: Die Geheimnisse der Spitzenköche
Der Meister vom Grill Drei Fragen an Chefkoch David Higgs vom preisgekrönten Restaurant „Rust en Vrede“ in Stellenbosch, Südafrika – und drei interessante Antworten. Was darf niemals fehlen? „Salz!“, sagt der Mann, der es geschafft hat, das Restaurant Rust en Vrede des gleichnamigen Weinguts im südafrikani schen Stellenbosch innerhalb kürzester Zeit zu einem der besten des Landes zu kochen. Higgs’ Kochstil kann man durch aus als klassisch bezeichnen, mit Basis in der französischen Küche – einfach, mo dern, aber nicht allzu technisch. Natürlich hat er sich auch mit den Methoden der Molekularküche auseinandergesetzt, aber diese interessieren den Meisterkoch ein fach nicht. Mehr interessiert ihn die unge wöhnliche Kombination von Produkten.
Languste mit Schweinebauch zum Bei spiel. Und dann wäre da noch sein Faible, wie bereits erwähnt, für Salz. Seit zehn Jahren arbeitet er mit den verschiedensten Salzen, von Vulkan- über Maldon- bis zu geräuchertem Salz. Und er nutzt jede Mög lichkeit, um neues Salz zu entdecken und als Geschmacksträger auszuprobieren. Was mag er gar nicht? „Tomatensuppe!“ – die mag er weder von der Konsistenz noch von der Temperatur her. Tomaten hingegen mag er sehr, und sie sind auch eine wichtige Ingredienz für Higgs’ Küchenstil. Das wichtigste Gerät in seiner Küche? „Der Holzkohlengrill“, sagt Higgs, weil er so typisch südafrikanisch sei. Jede freie Minute nutzen die Südafrikaner zum Grillen, darum sind der Geruch und Ge schmack von Holzkohle für Higgs immer mit Kindheitserinnerungen verbunden. David Higgs ist im April 2010 Gastkoch im Restaurant Ikarus im Hangar-7, www.hangar-7.com
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Get the Gear
Roman Hagaras Segelkameraden Der zweifache Olympiasieger macht nun in der Extreme Sailing Series der Konkurrenz das Leben schwer (wie die Seiten 58 bis 65 andeuten). Hier das Equipment, das Hagaras Leben erleichtert. Camaro Classic Lifesaver www.camaro.at
Roman Hagara
„Wir hatten immer spezielle Rettungs westen von Camaro mit besonders viel Bewegungsfreiheit. Jetzt brauchen wir welche mit größerem Luftvolumen. Aber wiederum nicht zu viel, denn du musst immer noch tauchen können – zum Beispiel, wenn du im Wasser unter ein Segel geraten bist oder wenn du ei nem anderen Boot ausweichen musst.“
Omega Seamaster Racing Chronometer www.omegawatches.com
Oakley Custom Jawbone www.oakley.com
Sail Racing 120 L Bag Carbon www.sailracing.com
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bilder: Mark Teo/Red Bull Photofiles (1), Will Thom/Red Bull Photofiles (8), Webasto
„Meine Uhren waren eigentlich immer von Omega, weil die als einer von weni gen Herstellern Uhren gebaut haben, die an die speziellen Bedürfnisse von Seglern angepasst sind.“
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Sail Racing 50 KTS Orca Jacket www.sailracing.com „Wir verbringen doch einige Zeit auf dem Katamaran und haben ziemlich hart zu arbei ten. Das heißt, wir brauchen atmungsaktive Kleidung, die uns auch genug Bewegungs freiheit lässt – wie diese Jacke aus Gore-Tex.“
Leatherman Wave www.leatherman.com „Meinen Leatherman hab ich immer dabei. Und er hat mir schon das eine oder andere Mal wirklich gute Dienste geleistet … wenn du gekentert und unter dem Hauptsegel oder dem Trampolin gefangen bist, gibt es nichts Beruhigenderes, als ein gutes Messer bei der Hand zu haben.“
Sail Racing X-Loader Messenger Med Blue www.sailracing.com
Sail Racing 50 KTS Laptop Bag Carbon www.sailracing.com
Schlüsselanhänger für Webasto-Standheizung www.webasto.com „Wir trainieren oft stundenlang bei Kälte und Regen. Da will man sich an Land rasch aufwärmen. Mit diesem praktischen Ding kann ich meine Auto-Standheizung noch vom Wasser aus einschalten.“
Roman Hagara, bestens ausgerüstet: www.extremesailingseries.com
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FMX de luxe Die Red Bull X-Fighters World Tour startet am 16. April. Neue Rider, frische Talente und geniale Locations lassen ExtremsportGourmets mit der Zunge schnalzen.
Live auf ServusTV (17. April, 4.30 Uhr, Wiederholung am 18. April, 7.50 Uhr). Alle Infos zur Tour: redbullxfighters.com
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Red Bull X-Fighters World Tour 2010: Die Stopps 1 Mexico City, Mexico, 16. April 2 Gizeh, Ägypten, 14. Mai 3 Moskau, Russland, 26. Juni 4 Madrid, Spanien, 22./23. Juli 5 London, Großbritannien, 14. August 6 Rom, Italien, 1. Oktober
bilder: balazsgardi.com/Red Bull Photofiles, Jörg Mitter/Red Bull Photofiles
Alle gegen den „Destroyer“: Die welt besten Freestyle-Moto crosser jagen den Vorjahressieger Nate Adams.
Lorbeeren welken schnell. Dass sich Nate „The Destroyer“ Adams letzten Herbst in einer restlos ausverkauften Arena vor der Londoner Battersea Station den Gesamtsieg der Red Bull X-Fighters World Tour gesichert hat, interessiert spätestens am 16. April 2010 demons trativ keinen seiner Gegner mehr. Die spektakulärste Freestyle-Moto cross-Serie der Welt sucht ihren neuen Champion. Im Gegensatz zu früher, als die Red Bull X-Fighters World Tour ein Invitational war, sind heuer die besten sechs Rider des Vorjahres automatisch qualifiziert, während sich die nächsten sechs aus dem aktuellen World Tour Ranking („Open Category Riders“) um vier Startplätze balgen. Die beiden letzten Slots werden per Wildcard vergeben. Nate Adams (USA), Robbie Maddison (AUS), Eigo Sato (JAP), Dany Torres (ESP) und Levi Sherwood (NZL) sind bei den Red Bull X-Fighters in Mexiko gesetzt. Herausgefordert werden sie von den Open-Category-Ridern Johan Nungaray (MEX), Blake „Bilko“ Williams (AUS), Andre Villa (NOR), Jim McNeil (USA), Adam Jones (USA), Charles Pages (FRA), Libor Podmol (CZE), Cameron Sinclair (AUS) und Eigo-Sato-Schüler Taka Higashino (JAP). Nicht weniger spektakulär die neuen Tour-Stopps: Gizeh mit den Pyramiden im Hintergrund, der Rote Platz in Moskau und zum Abschluss die Ewige Stadt Rom. Die Website, www.redbullxfighters.com, trägt der Aufwertung der Serie mit bislang ungekannter Informationstiefe Rechnung. Selbstverständlich lässt sich ServusTV die Chance auf eine Live-Übertragung nicht entgehen; als Experte konnte kein Geringerer als Busty Wolter (GER) gewonnen werden.
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Must haves! 1 BMW S 1000 RR – GEBAUT FÜR DEN RACEtRACK … … und den Weg dorthin! Bekannt von der Superbike-WM, ist nun endlich auch die Straßenversion auf dem Markt. Das Vier zylinder-Superbike, kompakt und wendig wie eine 600er, sehr gut zu kontrollieren dank Race-ABS und Traktionskontrolle und mit einer Leistung von 142 kW (193 PS) das zurzeit stärkste Superbike der Welt.
www.bmw-motorrad.at
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2 Der Manner SCHNITT-O-MAT … … für den rosa Süßwarenklassiker aus Wien! 16 rosa Packungen der beliebten Manner Original Neapolitaner Schnitte finden im Manner Schnitt-o-Maten Platz. Ideal für Bars, Clubs, Restaurants, aber auch ein echter Blickfang für zu Hause. Die Manner Original Neapolitaner Schnitte ist ein österreichisches Kultprodukt und zudem der beliebteste Süßwarenartikel Österreichs. Der Manner Schnitt-o-mat ist im Onlineshop unter www.manner.com erhältlich.
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3 SIGG – SWISS QUALITY SINCE 1908 SIGG macht dein Wasser zum TrendAccessoire für unterwegs – egal ob beim Outdoor-Sport, beim City-Shopping oder im Büro. Immer passend gestylt dank der großen Auswahl an Designs und Farben von SIGG. www.sigg.com
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4 RS800CX PTE – die limitierte Edition von Polar Das Sondermodell von Polar wird noch exklusiver: In streng limitierter Auflage ist jedes Modell durch die Lasergravur ein Unikat. Die gewohnte Qualität bietet Polar, Pionier im Bereich Herzfrequenzmessung, in der Funktionalität. Der RS800CX PTE ist das kompletteste Trainingssystem für Multisportler. Ab Mai 2010 im Handel.
www.polar-austria.at 5 BlackBerry Storm 2 Mit dem neuen BlackBerry Storm 2 werden die Vorzüge eines großen Displays mit der schnellen Texteingabe einer Tastatur vereint. Sowohl Multimedia-Fans als auch Kommunikationsprofis sind durch die umfassenden Features wie HSDPA, WLAN, GPS, 3.2-MP-Kamera mit Video, MP3-Player und Stereo-Bluetooth bestens für den Einsatz im Großstadtdschungel vorbereitet.
http://de.blackberry.com/devices/ blackberrystorm 6 cremesso cremesso ist der neue Fixstern der 19-BarTop-Espresso-Systeme und kommt direkt aus der Schweiz. Red Dot Award urteilt: „Best of the Best“, eMedia: „Testsieger unter allen Kapselsystemen“. cremesso macht Sie zum „Barista“ in jeder Lebenslage. Und das Beste: Kapseln (28 Cent/Stk.) und Maschinen (149 bzw. 199 Euro) sind österreichweit erhältlich. www.cremesso.at
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Volles Programm
Red Bull TV: Jede Menge Action auf Ihrem Bildschirm. So sind Sie im Bild
1. Via Kabel (die Liste aller Kabelnetze in Österreich, Deutschland und der Schweiz finden Sie unter www.servustv.com). 2. Via digitale Antenne (DVB-T): Um ServusTV in Ihre Programmliste aufzu nehmen, müssen Sie lediglich den Sendersuchlauf starten. 3. Direkt und unverschlüsselt via Satellit (DVB-S). Zum Empfang benötigen Sie nur eine digitale Satellitenanlage mit ent sprechendem Empfänger. Zusätzlich zur Verbreitung in der gängigen Standard auflösung können Sie ServusTV auch im hochauflösenden HD-Standard empfangen. Dazu benötigen Sie einen HD-tauglichen Satellitenempfänger sowie ein HD-fähiges Fernsehgerät. Um ServusTV/ServusTV HD auf Ihrem Satellitenempfänger zu installieren, haben Sie drei Möglichkeiten: 1. Automatisches Update. Viele Satellitenempfänger erkennen neue Sender selbst tätig und aktualisieren Ihre Programmliste entsprechend. 2. Sendersuchlauf. Verfügt Ihr digitaler Satellitenempfänger über die Möglichkeit eines Sendersuchlaufs, werden automatisch alle neuen Sender in die Programmliste aufgenommen. 3. Manuelle Suche. Die dafür notwendigen Empfangsdaten lauten: für ServusTV Sat Satellit Astra 19,2 Grad Ost; Frequenz 12.663 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22.000, FEC 5/6 bzw. für ServusTV HD Satellit Astra 19,2 Grad Ost, Frequenz 11.303 GHz, Polarisierung horizontal, Symbolrate 22000, FEC 2/3, Modulation 8PSK, Übertragungsart DVB-S2. Alle Infos dazu unter: www.servustv.com/empfangen.html
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The Film Festival in your living room Kultige Kletter filme im Doppelpack
Sonntag, 18. April King Lines um 22.00 Uhr The Sharp End um 23.00 Uhr
Bouldern und Klettern auf den anspruchsvollsten Boulderlinien der Welt. Der Kultfilm „King Lines“ begleitet Chris Sharma auf seiner Suche nach der ultimativen Herausforderung, die ihn u. a. in zerklüftete Boulderfelder in Südamerika führt sowie in die sonnenverbrannten Sandsteinwände des Mittelmeers. Im Anschluss daran zeigt „The Sharp End“ Extremsportler wie Dean Potter, die in steilen Wänden nicht nur physisch, sondern auch psychisch an ihre Grenzen gehen.
New World Disorder Samstag, 10. April, 00.00 Uhr „Never Enough“ und immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen: spektakuläre Bike-Action u. a. mit den Athertons. Samstag 10. April
Sonntag 11. April
22.35 Young Guns Rising Serie: Die jungen Wilden auf den MotoGP-Circuits der Großen; Episode 4
22.00 The Film Festival in Your Living Room Roadsworth – Crossing the Line: Streetart-Künstler Roadsworth und seine rebellischen Botschaften
23.05 Highlights Freeride World Tour Verbier 2010 23.35 Highlights Red BullCrashed Ice Québec 2010
22.55 The Film Festival in Your Living Room Raging Bulls 23.25 Talking Music: The Session Live-Session New Zealand, The Midnights 23.55 Talking Music: The Lecture Steely & Clevie
00.00 Adventure Circus New World Disorder – Never Enough 01.15 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show 01.45 Nightflight Muffathalle, München 04.55 Cliptomaniacs (WH) 05.25 Highlights Freeride World Tour Verbier 2010 (WH) 05.55 Highlights Red Bull Crashed Ice Quebec 2010 (WH) 06.25 Young Guns Rising (WH) 06.55 Adventure Circus New World Disorder – Never Enough (WH)
00.45 Talking Music: The Session (WH) 01.15 Talking Music: The Lecture Morgan Geist 02.05 Talking Music: The Session (WH) 02.35 Talking Music: The Lecture (WH) 03.25 Talking Music: The Session (WH) 03.55 Talking Music: The Lecture (WH) 04.45 Talking Music: The Session (WH) 05.15 The Film Festival in Your Living Room Raging Bulls (WH) 05.45 The Film Festival in Your Living Room (WH)
Bilder: Corey Rich, Red Bull Photofiles (2)
Das Red Bull TV-Fenster auf ServusTV ist auf drei Arten zu empfangen:
Die Felix Baumgartner Story Sonntag, 25. April, 22.00 Uhr. Was passiert, wenn man im Jahr der ersten Mondlandung geboren wird? Man träumt vom Fliegen. Aus dem All. Mit 16 durfte der Salzburger erstmals Fallschirm springen, heuer, mit 41, wird er mit einen Sprung aus der Stratosphäre als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen. Dazwischen lagen Weltrekorde und aufsehen erregende Aktionen, die den Mann ohne Nerven an die Grenzen des Mach baren brachten. Seine Geschichte erzählt der berühmteste BASE-Jumper der Welt überwiegend selbst, unterstützt von Wegbegleitern und seiner Mutter.
Best of Red Bull Music Academy Samstag, 17. April, 23.25 Uhr London, Februar 2010: Vier Wochen versetzten junge Talente musikverwöhnte Briten in Staunen – wir zeigen die Highlights. Samstag 17. April
Sonntag 18. April
Bilder: Daniel Grund, Red Bull Photofiles (4)
22.15 Young Guns Rising 22.00 The Film Festival Serie: Die jungen Wilden auf in Your Living Room den MotoGP-Circuits der King Lines Großen; Episode 5 23.00 The Film Festival 22.45 Volvo Ocean Race in Your Living Room The Sharp End: Klettern 22.55 Highlights ohne Seil, aber mit Nerven Red Bull Höllentraining aus Stahl 2010: Hot & Salty 23.55 Talking Music: 23.25 Highlights The Session Live-Session Best of Red Bull Music New Zealand, The Thomas Academy London 2010 Oliver Band 23.50 Volvo Ocean Race 00.25 Talking Music: The Lecture 00.00 Adventure Circus Wally Badarou Herakleia: Kletterer sind immer auf der Suche nach 01.20 Talking Music: der perfekten Location. In The Session (WH) einem kleinen türkischen Dorf wurden sie fündig. 01.50 Talking Music: The Lecture 01.10 Cliptomaniacs Mizell Brothers Entertainment-Show
Young Guns Rising – Serie Samstag, 24. April, 22.20 Uhr Wer wird es schaffen? Ehrgeizige Nachwuchstalente des MotoGP kämpfen um den Aufstieg in die Klasse der Großen. Samstag 24. April
Sonntag 25. April
22.20 Young Guns Rising 22.00 The Film Festival Serie: Die jungen Wilden auf in Your Living Room Felix Baumgartner Story den MotoGP-Circuits der Großen; Episode 6 23.00 The Film Festival in Your Living Room 22.50 Best of Highlights Felix Baumgartner – Red Bull Soundclash Turning Torso Australien 23.30 Talking Music: The Session Live Session New Zealand, Collapsing Cities 23.40 Inspired Bicycles 23.50 Volvo Ocean Race
00.00 Talking Music: The Lecture Architecture in Helsinki
00.00 Adventure Circus This is Australia: Der fünfte Kontinent ist die Heimat der erfolgreichsten DownhillMountainbiker. Jetzt versucht eine neue Generation die Idole zu übertrumpfen.
00.55 Talking Music: The Session (WH) 01.25 Talking Music: The Lecture Erlend Øye 02.20 Talking Music: The Session (WH)
01.40 Nightflight Der Mad Club in Lausanne
02.40 Talking Music: The Session (WH)
01.10 Cliptomaniacs Entertainment-Show
02.50 Talking Music: The Lecture (WH)
04.45 Cliptomaniacs (WH)
03.05 Talking Music: The Lecture Wally Badarou (WH)
01.40 Nightflight Kitz ’n’ Glamour, Kitzbühel
03.40 Talking Music: The Session (WH)
05.10 Volvo Ocean Race 05.20 Adventure Circus Herakleia (WH) 06.30 Red Bull Air Race Live aus Perth, Australien
03.55 Talking Music: The Lecture Mizell Brothers (WH) 04.45 The Film Festival in Your Living Room King Lines (WH) 05.40 The Film Festival in Your Living Room The Sharp End (WH)
04.50 Cliptomaniacs (WH) 04.10 Talking Music: The Lecture (WH) 05.15 Best of Highlights
Parks Bonifay Documentary Sonntag, 2. Mai, ab 23.30 Uhr Ein Leben für den Wassersport! Parks Bonifay – vom Kinderstar in Floridas Wasserparks zum Star der Wakeboard-Profis. Samstag 1. Mai 22.30 Young Guns Rising Serie: Die jungen Wilden auf den MotoGP-Circuits der Großen; Episode 7
Sonntag 2. Mai 22.00 The Film Festival in Your Living Room Archy: Built for Speed, Born to Ride
23.00 Highlights 23.30 The Film Festival WCT Surfing, Australia 2010 in Your Living Room Parks Bonifay Documentary 23.15 Highlights Red Bull Streetstyle Legend 00.45 Talking Music: The Session 23.30 Highlights Live-Session New Zealand, Extreme Sailing Series Kidz in Space Asia 2010 01.15 Talking Music: 00.00 Adventure Circus The Lecture Lock n Load: Wilde Action ohne Rücksicht auf Verlus- Buraka Som Sistema te! Travis Pastrana geht an die Grenzen verschiedenster Motorsportarten.
01.00 Cliptomaniacs (WH) 01.30 Nightflight Special Winter Music Conference, Miami 04.40 Cliptomaniacs (WH) 05.05 Highlights WCT Surfing, Australia 2010 (WH)
02.05 Talking Music: The Session (WH) 02.30 Talking Music: The Lecture Alice Russell 03.20 Talking Music: The Session (WH)
03.45 Talking Music: 05.20 Best of Highlights The Lecture RB Streetstyle Legend (WH) Buraka Som Sistema (WH)
Red Bull Soundclash (WH)
05.00 Volvo Ocean Race
06.05 Young Guns Rising (WH)
05.10 The Film Festival in Your Living Room Turning Torso (WH)
05.35 Highlights Extreme 04.40 The Film Festival Sailing Series Asia 2010 (WH) in Your Living Room 06.00 Young Guns Rising Parks Bonifay Documentary (WH) (WH)
05.40 The Film Festival in Your Living Room Felix Baumgartner Story (WH)
06.30 Cliptomaniacs (WH) 05.50 The Film Festival in Your Living Room Archy: Built for Speed, 06.55 Adventure Circus Born to Ride (WH) Lock n Load (WH)
06.30 Volvo Ocean Race (WH) 06.40 Adventure Circus This is Australia (WH)
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more body & mind Philadelphia Phillies – Washington Nationals 12. 4. 2010
hot SPOTS
Erstes Heimspiel für Jimmy Rollins und seine Phillies, die 2009 an der Baseball-World-Series teilnahmen. Citizens Bank Park, Philadelphia, USA
Die besten Events des Monats rund um die Welt.
Masters of Dirt 8. – 11. 4. 2010 Einige der besten FreestyleMotocrosser und -Biker bieten eine spektakuläre Show und werden bis an die Decke der Halle jumpen. Citywest Convention Centre, Dublin, Irland
Red Bull NordiX 9./10. 4. 2010 Skicross trifft Skilanglauf mit direkten Duellen auf einem Kurs, der mit Wellen, Sprüngen und Steilkurven gespickt ist. Mit dabei: Goldmedaillen-Gewinner Petter Northug (NOR). Davos, Schweiz
Vienna Air King 2010 10. 4. 2010 100.000 Besucher zählte man im Vorjahr bei Österreichs größtem Bikefestival. Höhepunkt: der internationale Dirt-JumpContest. Rathausplatz, Wien, Österreich
FIM World Enduro Championship 10./11. 4. 2010 Die Enduro-Biker starten ihre Saison in Andalusien. Als WMTitelverteidiger geht der Finne Mika Ahola ins Rennen. Valverde del Camino, Spanien
Bilder: Red Bull Photofiles (4)
FIM Motocross World Championship 11. 4. 2010 Der zweite Stopp der WM für die Klassen MX1 und MX2 findet an Italiens Ostküste statt. Mantova, Italien
Boston Celtics – Milwaukee Bucks 14. 4. 2010 Für Rajon Rondo und seine Boston Celtics steht das 82. und letzte Spiel der Regular Season auf dem Programm. Boston, USA
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Red Bull Ragnarok 15. – 18. 4. 2010 Internationale Top-Snowkiter wie Guillaume Chastagnol treten auf der größten Hochebene Europas gegeneinander an. Die sechs Finalisten sind mehr als drei Stunden in der Luft – schiere Knochenarbeit. Haugastøl, Norwegen
Red Bull Air Race 17. 4. 2010 Nach dem bereits traditionellen Saisonauftakt am Persischen Golf geht es für die Piloten am Swan River in Perth weiter. Beim letzten Rennen vor zwei Jahren siegte der Brite Paul Bonhomme. Perth, Australien
Red Bull City Wake 17. 4. 2010 Die Cable Wakeboarder Adam Errington und Brian Grubb erkunden Stromschnellen und Wasserfälle bei der US-Hauptstadt. Washington, D. C., USA
NASCAR Sprint Cup Series 18. 4. 2010 Das Samsung Mobile 500 führt über 334 Runden und 501 Meilen (806 km). Im letzten Jahr war Jeff Gordon, der in der Gesamtwertung schließlich Dritter werden sollte, nicht zu schlagen. Texas Motor Speedway, USA
Formel-1-Grand-Prix von China 18. 4. 2010 Im Vorjahr startete Sebastian Vettel aus der Pole-Position, und am Ende gab es einen Doppelsieg des Deutschen und seines australischen Teamkollegen Mark Webber zu feiern. Shanghai International Circuit, China
Red Bull X-Fighters 16. 4. 2010 Der damals erst siebzehnjährige Levi Sherwood überraschte im Vorjahr mit seinem Sieg die 43.000 begeisterten Fans. Mexico City, Mexiko
more body & mind WRC Rally of Turkey 16. – 18. 4. 2010 Die Türkei-Rallye kehrt nach einem Jahr Pause auf den Rennkalender zurück. Antalya–Kemer, Türkei
DTM Hockenheim 25. 4. 2010
Desert Cup Outback 18. – 28. 4. 2010 Extremläufer Christian Schiester und die Teilnehmer aus 35 Ländern erwarten auf der 250 Kilometer langen Strecke in Aus tralien extreme Trockenheit, unwegsame Canyons und Temperaturen bis zu 40 Grad. Kimberley-Wüste, Australien
Red Bull Harbour Cross 19. – 21. 4. 2010 Die FMXer Nick Franklin und Levi Sherwood wagen am WesternViaduct-Pier einen 45‑MeterSprung über das Wasser und zwischen zwei Masten einer Superjacht. Auckland, Neuseeland
FIVB Beachvolleyball Tour 19. – 25. 4. 2010 Raus aus den Hallen, rein in den Sand. Die Beachvolleyballer eröffnen ihre Saison. Brasília, Brasilien
FIBO 22. – 25. 4. 2010 Bei der internationalen Messe für Fitness, Wellness und Gesund heit informiert sich die Branche über die neuesten Geheimwaffen für ein gesundes Leben. Am Wochenende können das auch Privatbesucher machen. Messegelände Essen, Deutschland
ASP World Tour 23. 4. – 2. 5. 2010 Der dritte Tourstopp führt die männliche Surfelite in den Süden Brasiliens. Santa Catarina, Brasilien
Red Bull BMX Park Tour – Makkah 22./23. 4. 2010 Senad Grosic versucht mit seinen Shows, die BMX-Community im arabischen Raum zu vergrößern. Mekka, Saudi-Arabien
FC Red Bull Salzburg – SK Rapid Wien 24. 4. 2010 Beim Spitzenspiel der 32. Runde der tipp3-Bundesliga duellieren sich Meister und Vizemeister. Red Bull Arena, Salzburg, Österreich
Das erste Rennen der Deutschen Tourenwagen Masters: Mattias Ekström und Martin Tomczyk eröffnen die Jagd auf Titel verteidiger Timo Scheider. Hockenheim, Deutschland
Red Bull Street Style World Final 26. – 28. 4. 2010 Die Crème de la Crème der Ballartisten wurde bei den nationalen Finalturnieren ermittelt. Jetzt wird der Weltmeister gekürt. Kapstadt, Südafrika
O’Neill Cold Water Classic 26. 4. – 4. 5. 2010 Hartgesottene Surfer wie Sam Lamiroy stellen sich im Norden Schottlands hohen Wellen bei niedrigen Wassertemperaturen. Inverness, Großbritannien
5. Kini Fullgastag 1. 5. 2010 Die österreichische MotocrossFamilie Kinigadner lädt zur vielfältigen Motorsportausstellung. Kini Shop, Uderns, Österreich
Red Bull Camp Hester 1. 5. 2010 Devin Hester von den Chicago Bears ist NFL-Rekordhalter für die meisten Return-Touchdowns. Im Rahmen dieses Camps gibt er Kindern Einblicke in seinen Sport. Chicago, USA
Dirtopia 1. – 3. 5. 2010 Über 500 Rookies und Pros matchen sich bei Bewerben wie Cross Country, Gravity Downhill, Freeride, Dirt Jumping, Polo, Trials oder Widowmaker. Greyton, Kapstadt, Südafrika
Ryan Doyle in Slovakia 1. – 14. 5. 2010 Free Runner Ryan Doyle lädt zum Workshop, und die besten slowakischen Free Runner können sich eine Wildcard für das Red Bull Art of Motion-Finale in Wien sichern. Pressburg, Slowakei
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more body & mind DJ Premier Er prägte die Hip-Hop-Kultur maßgeblich und produziert heute Platten mit Jay-Z oder Christina Aguilera. Uns hat er auch verraten, warum er gerne The Smiths hört (S. 96). New York, USA
die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden. Snowbombing 2010 6. – 10. 4. 2010 Eine Woche lang ticken die Uhren im Tiroler Zillertal nach Greenwich Mean Time, wenn tausende junge Briten ihr Spring Break feiern. Ohne Après-SkiPeinlichkeiten, aber mit Acts wie Fatboy Slim, Skream, Greg Wilson oder De La Soul. Mayrhofen, Österreich
Bilder: DJ Premier, Al Pereira/WireImage/Getty, Red Bull Music Academy London
Kode9 8. 4. 2010 Wenn Steve Goodman nicht gerade als Dozent an der Universität East London Vorträge über sonische Kriegsführung hält, bereist er als Kode9 die Welt im Auftrag von Dubstep. Einem Elektronik-Genre, das mit seinen tiefen, knurrenden Bässen einiges mit akustischen Waffen gemein hat. 16 Tons Club, Moskau, Russland
Hudson Mohawke 8. 4. 2010 Neben seinem Buddy Flying Lotus wird Hudson Mohawke als jüngster Visionär elektronischer Musik gehandelt. Seine holpernden Hip-Hop-Tunes klingen so roh wie verspielt. Und so phantastisch, dass ihn das legendäre Label Warp sofort unter die Fittiche genommen hat. The Social, Paris, Frankreich
Caspa 9. 4. 2010 Er nennt sich nach dem Drogenopfer in Larry Clarks Skandalfilm „Kids“, ist laut eigener Aussage stets auf Schlägereien aus
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und bekennender Hooligan. Auf der Straße sollte man dem Briten also besser nicht begegnen, im Club allerdings unbedingt. Seine Dubstep-DJ-Sets verströmen die raue Energie von Lava: heiß und dickflüssig. Redrum, Helsinki, Finnland
Axel O Boman 9. 4. 2010 Axel ist das schwedische Wort für Schulter. Eigentlich würde Rumpa (auf deutsch: Hintern) aber besser zu dem Stockholmer passen. Schließlich ist es genau dieser Körperteil, den Boman mit seinen DJ-Sets in Bewegung setzt. So auch das Gesäß von DJ Koze, der Bomans zwinkernden Deephouse auf seiner Plattenschmiede Pampa veröffentlicht. Purple Drank, Göteborg, Schweden
The Mountain Goats 9. 4. 2010 Mit ihrem neuen Album „The Life of the World to Come“ schlagen US-Songwriter John Darnielle und seine Ziegen das Buch der Bücher auf. „Psalms 40:2“ und „Genesis 3:23“ lauten zwei der Songtitel. Ihrem charmant melancholischen Indie-Sound bleibt die Band jedoch treu, von Catholic-RockAnwandlungen zum Glück keine Spur. San Francisco Bath House, Wellington, Neuseeland
Red Bull Music Academy 2010 Vier Wochen lang sorgten die Teilnehmer für frische Sounds und lange Partynächte. Wir waren live dabei und pflegen jetzt unsere Augenringe (S. 92). London, Großbritannien
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Deerhoof 20.4. 2010 Der Weg von experimentellen Noise-Attacken zu beschwingtem Twee-Pop, von soliden Indie-Riffs zu psychedelischen Klangexpressionen macht die Band zum verschrobensten Quartett der Rock-Sphäre. Powie˛kszenie, Warschau, Polen
Red Bull Soundclash 16. 4. 2010 Mit Coverversionen, eigenen Songs und Jams versuchen zwei Bands, den Red Bull Soundclash für sich zu entscheiden. Den Ringrichter macht das Publikum. SaSaZu, Prag, Tschechien
DJ Food 16. 4. 2010
Meet in Town Festival 11. 4. 2010 Das Auditorium Parco della Musica in Rom sieht aus wie eine Mischung aus der Oper von Sydney und dem Todesstern aus „Star Wars“. Nicht minder futuristisch sind die ElektronikActs des Festivals: Junior Boys, Plaid, Daedelus, Metro Area, Soap&Skin, The Very Best oder Jimmy Edgar. Auditorium, Rom, Italien
Modeselektor 9. 4. 2010 Niemand verkörpert den Sound von Berlin derzeit so meisterlich wie dieses Duo. Technogeschult und dennoch offen für neue Strömungen wie Wonky. Witzig und trotzdem ernsthaft, wenn es darum geht, die Boxentürme zum Einsturz zu bringen. ABC, Glasgow, Großbritannien
MotoGP in Qatar 11. 4. 2010 Nach einer erfolgreichen Pre miere 2008 musste im Vorjahr das Nachtrennen wegen heftiger Regenfälle auf den nächsten Tag verschoben werden. Heuer erfolgt ein neuer Versuch. Losail International Circuit, Qatar
Erol Alkan 15. 4. 2010 Byblos Kroaten wissen einfach, wie man ordentlich feiert. Vor allem an lauen Abenden unter freiem Himmel. Eine Szenekennerin ist in die heiße Clubatmosphäre eingetaucht (S. 94). Porecˇ, Kroatien
Er hat durch die Verquickung von Kylie Minogue mit New Order den Mash-up-Boom ausgelöst und Bands wie Klaxons in seinem Londoner Trash-Club groß gemacht. Heute flirtet er mit Space-Disco-Sounds, und auch diese stehen ihm vorzüglich! The Parish, Austin, USA
Auch DJs wollen gefüttert werden, das hat Strictly Kev schon früh verstanden. Für sie produzierte er Anfang der Neunziger gemeinsam mit Mitgliedern von Coldcut und Cinematic Orchestra die legendäre Vinyl-Serie „Jazz Brakes“, auf der er alte Jazz-Platten sampelte und mit Hip-HopBeats zu neuem Glanz verhalf. La Coupole, Biel, Schweiz
Maximilian Skiba 16. 4. 2010 Anfang des Jahrtausends ging’s der alten Dame Disco schlecht. In den Clubs war Minimal-House gefragt, niemand interessierte sich für Drama am Dancefloor. Bis Jungs wie Maximilian Skiba Flohmärkte nach alten Schätzen durchsuchten und diese einer Frischzellenkur namens Nu-Disco unterzogen. Danke! 1500 m², Warschau, Polen
Jori Hulkkonen 16. 4. 2010 Wenn das Trommelfell und die Netzhaut ein Tänzchen wagen: Beim Wiener Sound:Frame Festival stehen DJ und VideoJockey gleichberechtigt auf der Bühne. Am Red Bull Music Academy Floor ergänzt der belgische Visualist Legoman die Techno-Veteranen Jori Hulkkonen und Patrick Pulsinger. Ottakringer Brauerei, Wien, Österreich
Coachella Festival 16. – 18. 4. 2010 Das Coachella ist selbst für hartgesottene Fans keine Kinderjause. Tagsüber schnellt das Thermometer in der kalifornischen Wüste auf 38 °C, in der Nacht wird’s frostig kalt. Macht den 25.000 Fans aber nichts aus, solang das Line-up mit LCD Soundsystem, MGMT, Pavement, The XX oder 2 Many DJs prominent besetzt ist. Empire Polo Field, Indio, Kalifornien, USA
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Betriebsausflug für die Rollerskate-Posse „Soul Skate“: In Detroit schmeißt Moodymann regelmäßig Rollschuh partys. Die besten Tänzer seiner Truppe hat er nach London mitgebracht.
London Red Bull Music academy Greenroom
A Hard Day’s Night
Londons beste Soundsysteme standen sich beim bassgewaltigen Vierkampf im Roundhouse gegenüber. Warp Records und Ninja Tune spielten vor der Royal Albert Hall Pingpong mit 3-D-Sounds. Teri Gender Benders aktionistische Bluesrock-Show mit Achselhaar-Einlage trieb sogar den Hipstern vom „Vice“-Magazin die Schamesröte ins Gesicht. Der erste Abschnitt der Red Bull Music Academy hat selbst im partyverwöhnten London für Gesprächsstoff gesorgt. Dreißig junge Musiker aus aller Welt haben die Clubs der Stadt gemeinsam mit Helden ihrer Zunft wie Henrik Schwarz oder James Pants nach täglichen Studiosessions nachts wachgerüttelt. Nach zwei Wochen hat sich die reisende Musikschule einer Frischzellenkur unterzogen und dreißig neue Teilnehmer zur zweiten Runde geladen. Die Euphorie wurde neu entfacht. Zumindest bei fast allen … Sebastian Szary massiert sich seinen Unterschenkel, runzelt die Stirn. „Ein fürchterliches Wochenende“, sagt der Berliner. Mit 92
seinem Electro-Dubstep-Projekt Modeselektor hatte er in Sizilien gespielt und musste danach wegen eines Pilotenstreiks beim Umsteigen in Paris die 1000-KilometerStrecke nach Berlin selbst hinterm Steuer eines Mietwagens bewältigen. „Hat fast 48 Stunden gedauert“, sagt er, und man spürt förmlich, wie ihn sein Gasfuß schmerzt. Nur 24 Stunden nach dieser Tour de Force steht der Red Bull Music AcademyLecturer vor einem Club im Londoner Viertel Shoreditch, die Menschenschlange hinter ihm wächst von Minute zu Minute – und das an einem Dienstag! Alle wollen sehen, wie er und sein Modeselektor-Kollege Gernot Bronsert den Keller des Book Club mit einer Ladung raviger Dubstep-Bomben erschüttern. Zunächst durchdringt ein bohrender, lauter Synth-Sound den Raum. Plötzlich kurze Stille. Dann dröhnt eine Drum-Salve los, flankiert von scharfen Bass-Sounds, die die Atmosphäre im Club schlagartig elektrifizieren. Die beiden Performer springen wie
Gummibälle auf und ab, klatschen, feuern das Publikum an. Nach dem Konzert auf seine Schmerzen angesprochen, wirkt Szary fast verblüfft. „Genau! Die hab ich ja völlig vergessen“, sagt er und grinst zufrieden. Auch die Mittwochnacht beschert London ein akustisches Wunder: Skream, Lokalmatador und Miterfinder des Dubstep-Genres, kündigt im CAMP-Club einen Seitensprung an. Anstelle seiner düsteren Bass-Hymnen will er heute seiner heimlichen Liebe Disco frönen. „Ich habe die gute Seite von Disco bei der Red Bull Music Academy 2006 kennengelernt“, sagt der Londoner nach seinem DJ-Set mit Klassikern wie „Let No Man Put Asunder“ von The First Choice, Skreams Lieblings-Disco-Track. „Und das meistgesampelte Stück im Jungle“, wie er ergänzt. Disco sorgt auch tags darauf für den guten Ton, als die Renaissance Rooms ihre Tore für eine unvergessliche Nacht öffnen. „Bitte vorher die Schuhe ausziehen“, steht auf dem Schild einer Rollschuhdisco, vor der
text: Stuart Codling; fotos: Thomas Butler
Die Red Bull Music Academy entfaltet ihre Magie in Soundstudios und auf der InterviewCouch gleichermaßen. Aber auch in Londons Clubs, wo Mode selektor, Skream, Moodymann und ein Typ im Turtles-Kostüm für wenig Schlaf sorgten. Ein nächtlicher Streifzug.
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Camo 17. 4. 2010 Vom besten Skateboarder Österreichs zum Drum ’n’ Bass-Export Nummer 1: Über Talentmangel kann sich Reini Rietsch nicht beklagen. Als er der Slides und Grinds müde wurde, wechselte er zum Drumcomputer und veröffentlicht seine Tracks seither als Camo & Krooked bei Londons besten Drum ’n’ Bass-Labels. Jungle Juice, Paris, Frankreich
Afro Picks @ 16th South African Music Awards 17. 4. 2010 Disco statt Dubstep: Skream geht fremd.
Moodymann lässt Platten kreisen.
Lee Kasumba, die gesalbte Mutter des Hip-Hop. So wird die Radiound TV-Moderatorin von ihren Fans in Südafrika genannt. Und tatsächlich, es gibt wohl kaum jemanden, der in der afrikanischen Musikszene so vernetzt ist wie sie. Um jungen Acts eine Chance zu bieten, veranstaltet sie mit ihrem Kollegen DJ Kenzhero die Konzertreihe „Afro Picks“. Sun City, Südafrika
Appleblim & Will Saul 17. 4. 2010 Tonnenschwere Bässe, leichtfüßige Percussions und verhallte Samples aus Nahost sind die Grundelemente seines Sounds. Diese stopft der Brite in ein Paket mit Dubstep- und Techno-Beats und schickt den Bas(s)tard in die Welt hinaus. Als Absender schreibt er den Namen seines Labels auf die Schachtel: Apple Pips. Panorama Bar, Berlin, Deutschland
Die heilende Wirkung der Musik: Modeselektor nehmen den Book Club auseinander, danach geht’s Sebastian Szarys (re.) Unterschenkel besser.
sich hunderte Tänzer anstellen. Nur um das klarzustellen: Es geht hier um Rollschuhe, nicht Rollerblades. High Tops mit Schnürsenkeln, vier Rollen, zwei nebeneinander. Nur einer hat heute eine gute Ausrede, seine Sneakers anzulassen: Moodyman, der DJ der Nacht. „Habt ihr eine gute Zeit?“, fragt die Detroiter House-Legende. „Lasst uns den anderen mal zeigen, wie man richtig rollt“ – und legt mit einer gefühlvollen Scheibe, die das New York der siebziger Jahre beschwört, los. Der perfekte Soundtrack für eine Nacht des Glücks, des Schwindels und einiger blauer Flecken. Solche Sportverletzungen zählen aber als Entschuldigungen nicht, wenn an den folgenden zwei Abenden das Roundhouse in Camden von der Red Bull Music Academy gekapert wird. Zusammen mit dem Sónar Festival präsentiert man einen Vorgeschmack darauf, was den Elektronik-Jetset im Juni unter dem katalanischen Mond erwarten wird. Während MF Doom, Four Tet
und Laurent Garnier dem ausgemusterten Lokschuppen einen Starkstromschlag versetzen, präsentiert die Red Bull Music Academy-Meute im kleinen Kellerclub großes Tennis: Der mexikanische Indie-Posterboy Juan Son streift sich ein Turtles-Kostüm über und pimpt sein Outfit mit Eulen-Makeup und einem weißen Flügelhaarkranz auf. Hudson Mohawke streut Synthie-Sternenstaub auf seine humpelnden Beats. Und der kanadische Youngster Lunice animiert die Crowd mit energetisch verschwurbeltem Hip-Hop und einem Bühnentanz, der ihn wohl demnächst zum neuen YouTube-Star machen wird – davon sind wir überzeugt. Genauso wie davon, dass die Red Bull Music Academy Londons Clubszene einen Monat lang permanente Augenringe beschert hat. Doch was kann man sich als Party-Aficionado auch mehr wünschen? Alle DJ-Sets und Live-Gigs der Red Bull Music Academy 2010 in London gibt’s auf: www.redbullmusicacademyradio.com
Ramadanman 17. 4. 2010 Zwischen Helden wie Skream oder Kode9 ist Ramadanman der Youngster im Londoner Institut für Tiefer-Bass-Forschung. Seine Dubstep-Hymnen öffnen die Tür zwischen Deep-House und Drum ’n’ Bass, jeder seiner Sounds sitzt wie ein Schlag in der Magengrube. Kavka, Antwerpen, Belgien
Henrik Schwarz 17. 4. 2010 Sein Entwurf von House Music liegt genealogisch sehr nahe an Jazz und frühen Formen des Funk, das belegen seine beseelten Tracks wie „Leave My Head Alone Brain“ genauso wie seine DJ-Compilations, auf denen Moondog-Stücke fließend in Drexciya-Epen übergehen. Libertine Supersport, Brüssel, Belgien
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Zinc 17. 4. 2010 Dem Drum ’n’ Bass hat Zinc abgeschworen, sein neues Ding heißt Crack House. Wobei sich der Londoner diesen Genre-Begriff selbst ausgedacht hat, der für dreckige Electro-Beats mit Sprechgesang steht. Siehe „Wile Out“, Zincs neuen Hit mit Ms Dynamite am Mikrofon. Unit, Tokio, Japan
World’s Best Clubs
Biblische Momente Für Erlebnisse der außergewöhnlichen Party-Art gibt es an der nördlichen Adria nur einen Ort: das „Byblos“ in Poreč.
Byblos PoreČ
Night of the Jumps 17./18. 4. 2010 Die Motorsport-Fans erwartet ein FMX-Action-Feuerwerk mit einem hochkarätigen Teilnehmerfeld. Eini ge der weltbesten Biker kämpfen um den Sieg in den Disziplinen Hochsprung, Whipcontest und Freestyle. Stadthalle Graz, Österreich
Bonobo 23. 4. 2010
Dimlite 23. 4. 2010 Dimitri Grimms Großvater war Komponist, sein Vater Multiinstrumentalist. Auch der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Als Dimlite entwirft der Schweizer psychedelische Soundwelten zwischen Zwitscher-Elektronik und stolpernden Hip-Hop-Beats. Homework Festival, Bologna, Italien
Horse Meat Disco 23. 4. 2010 Seit dem Release ihrer Mix-Compilation ist das DJ-Kollektiv so heiß wie frischer Pferdeleberkäse. Und das nicht nur in ihrer Heimatstadt London, wo sie trotz ihres Erfolges jeden Sonntagabend im Eagle Club mit Disco-Perlen von Gino Soccio bis Fern Kinney versüßen. Otto, Istanbul, Türkei
Bang Face Weekender 23. – 25. 4. 2010 Das Klassentreffen der britischen Rave-Gemeinde: ein Wochenende Tanzvergnügen unter der Schirmherrschaft des Smileys. Zwischen Techno und Jungle finden heuer auch Electronica-Legende Luke Vibert, Matthew Herbert und der Detroiter House-Meister Moodymann Platz. Camber Sands, Großbritannien
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Wenn große Namen an der kroatischen Küste auflegen, dann nur im Byblos.
Was passiert, wenn man zu viel Medica – ein fescher Name für einen kroatischen Schnaps – erwischt? Szenekennerin Iva Jagoda stöberte in ihrem Tagebuch und fand Notizen über eine benebelte Nacht an einem mystischen Ort namens Byblos. „Es war vor zwei Jahren, genauer gesagt im vorletzten Sommer. Ich beschloss, mit meinen Freunden aus Zagreb übers Wochenende irgendwohin zu fahren. Nach Porecˇ ans Meer vielleicht? Ja, super, Martin Solveig soll doch dort in einem Club auflegen. Ein cooler, schicker Platz, so sagten sie mir. Fein, ich wollte sowieso den Alltag hinter mir lassen. Na dann, sagten meine Freunde, dann probier doch gleich einmal einen Schluck Medica. Warum nicht?, dachte ich, Kontrollverlust, eine meiner größten Ängste, stand gerade ganz unten auf meiner Prioritätenliste. Ein oder zwei Schluck Alkohol würden mich schon nicht umwerfen, brauchten mich meine Freunde nicht lange zu überzeugen. Und so war’s dann auch. Zuerst der Schnaps, dann ab auf die Tanzfläche, und die Welt begann sich um mich zu drehen. Solveig hatte schon ein paar Tage zuvor für aufgeheizte Stimmung in einem Club in Italien gesorgt, und wir fanden seinen Abstecher nach Kroatien super. Kommt nicht so oft vor, dass sich große Namen zu uns verirren. Wenn doch, dann muss der Club wirklich groß und cool sein. Die Menschen drängten sich auf mehreren Dancefloors, alle wollten Solveig sehen – und hören. Als die Show open air unter Palmen weiterging,
war die Stimmung vollends aufgeheizt. Ich war euphorisiert. Ist das der Medica?, fragte ich. Nein, sagte meine Freundin, das ist Byblos, und hier brummt es jede Nacht so. Und dann erinnere ich mich gerade noch, dass ich die Toilette suchte. Sonst noch? Nun ja, es war ekstatisch, es war mystisch, und es war das Byblos in Porecˇ. Man sagte mir, dass es einen riesigen Pool in der Mitte des Clubs gibt. Ich weiß nur noch, dass er tief genug für mich war. Ich hatte den ersten Alkohol meines Lebens getrunken und dazu Martin Solveig live am Plattenspieler erlebt. Und ich bereue nichts …“ Byblos, Zelena Laguna b.b., 52440 Porecˇ, Tel. +385 91 1133221, www.byblos.hr
Bilder: Byblos
Die Musik des britischen Elektro nikers ist gar nicht so affig, wie der Name vermuten lässt. Mit dem legendären Ninja-Tune-Label im Rücken brutzelt er in seinem Computer Synths, Samples, Gitarren und Drums. Eine „Downbeat“-Mahlzeit, die Sängerin Andreya Triana live mit ihren souligen Vocals garniert. Mezzanine, San Francisco, USA
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Ich bin in Manchester geboren. Und deshalb dementsprechend sauer, wenn Leute uns als Cheshire-Band (Doves wurden in Wilmslow gegründet, einem Vorort von Manchester, Anm.) bezeichnen. Bitte, ganz ehrlich, we’re fuckin’ Manc! Noch vor den Doves haben wir als DanceBand namens Sub Sub angefangen, mit 19
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Bilder: Camera Press/Andy Cotterill, Getty images
Manchesters Indie-Veteranen Doves haben letzte Woche ihr Best-of-Album veröffentlicht. Sänger Jimi Goodwin erzählt, dass es nicht nur die Denkmäler der Stadt waren, die seine Band geprägt haben.
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Jahren unsere erste Single „Space Face“ veröffentlicht. Und landeten dadurch gleich auf der permanenten Gästeliste des Hacienda-Clubs – mehr, als wir uns damals erträumt hätten. Deshalb dachten wir uns verblüfft: Ziel abgehakt, alles erreicht! Wir spielten zu dieser Zeit noch immer unsere klassischen Rock-Instrumente, in den frühen Neunzigern allerdings zeichnete sich ein neuer Trend in Manchester ab: Plötzlich war der DJ König. Deshalb zogen wir los, klapperten die Secondhand-Plattenläden der Stadt ab. Von Spin Inn (1) über Vinyl Exchange (2) bis hin zu Eastern Bloc (3), das Martin Price von der Band 808 State betrieb. Aber alle schönen Hobbys gehen irgendwann zu Ende, so auch mein Wühlen in staubigen Plattenkisten. Vinyl kaufe ich zwar immer noch, heute allerdings online. Dennoch: Manchester war und vor allem ist sehr wichtig für unsere Musik. Als ich neun war, habe ich mir The Clash und die Ramones mit meinem Vater live im Apollo (4) angeschaut – und träumte davon, selbst einmal auf dieser Bühne zu stehen. Als wir 2002 dann selber zwei Nächte hintereinander mit unserem Album „The Last Broadcast“ in dem Laden spielten, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Nebenan gibt’s übrigens eine phantastische Bar namens Apsley Cottage (5), ein perfekter Ort, um sich vor den Shows noch ein Bier zu genehmigen.
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Jimi Goodwin (li.) kann mit seinen Doves auf zwölf Jahre Band geschichte zurückblicken und liebäugelt mit einem Neustart.
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1 The Spin Inn, Smithfield Buildings, 44 Tib Street 2 Vinyl Exchange, 18 Oldham Street, Oldham Rd. 3 Eastern Bloc, Central Buildings 4 Manchester Apollo, Ardwick Green 5 The Apsley Cottage Inn, Apsley Grove 6 The Briton’s Protection, 50 Great Bridgewater St.
1 The Spin Inn 2 Vinyl Exchange In der Doves-Bandgeschichte ebenso wich Bloc tig3 ist Eastern das Briton’s Protection (6) vis-à-vis der früheren Hacienda. Unser damaliges Haupt 4 Manchester Apollo quartier. Dort haben wir unzählige ausschweifende, betrunkene Nächte mit Rob Gretton 5 The Apsley Cottage verbracht. Dem Typen, der die Hacienda mitgegründet und Rob’s Records betrieben hat, 6Label, The Briton's das das unsere Sub-Sub-PlattenProtec ver öffentlichte. Ein großartiges viktorianisches Pub, das sich bis heute kaum verändert hat. Solche Orte, die persönliche Erinnerungen wie Denkmäler konservieren, sind extrem wertvoll. Auch unser Song „Northenden“ fängt die Situation in der Gegend (ein Vorort südlich des Mersey-Flusses, Anm.) sehr treffend ein, geprägt von der Hassliebe zu ihr. Den Text zu dem Stück hab ich damals während eines Spaziergangs in den Mary Louise Gardens in Didsbury geschrieben. Dieser Tage erscheint unser Best-ofAlbum, auf dem außerdem viele solcher Momente und Erinnerungen zu finden sind. Sich die Platte durchzuhören fühlt sich für mich wie das Blättern im Fotoalbum an. Verpflichtet fühlen wir uns der Vergangenheit aber nicht. Ganz im Gegenteil, nach über zwölf Jahren Doves würde der Band ein Neustart nicht schlecht stehen. Geschadet hat uns ein solcher noch nie. Die neue Doves-Platte „The Best of Doves: The Places Between“ erscheint am 5. April. Tourdaten, Live-Dates und Videos gibt’s auf www.doves.net
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Häufig sampelt Premier alte Funk- und Soul-Platten für seine Tracks. Und obwohl Premier vor allem für seine Arbeiten als Produzent bekannt ist, versteht er sich selbst in erster Linie als DJ.
Interview
Premier League DJ Premier hat die Hip-Hop- Kultur zwei Dekaden lang geprägt wie kaum ein anderer. Und sieht dennoch keinen Widerspruch darin, sowohl Jay-Z als auch The Smiths zu mögen. „Hier spricht DJ Premier. Du kannst mich Premo nennen. Oder P-P-P-Premier“, sagt eine tiefe, körnige Stimme mit Brooklyner Akzent am anderen Ende der Leitung. Die transatlantische Telefonverbindung ist schlecht, macht Premiers Stimme noch kratziger als sonst. Während des Gesprächs 96
bricht sie dreimal ab. Doch die Hip-HopLegende zeigt Geduld: Jedes Mal hebt er von neuem ab, ist gut gelaunt und findet stets gleich zurück ins Gespräch. DJ Premier alias Christopher E. Martin hat East-Coast-Hip-Hop in den neunziger Jahren revolutioniert. Für Genre-Klassiker wie Notorious B.I.G.s „Ready to Die“, Jay-Zs „Reasonable Doubt“, Nas’ „Illmatic“ sowie seine Platten mit Gang Starr hat er die Beats gebastelt. Seine verwaschen-souligen Samples sowie die unverwechselbaren Drumsounds definieren das „Golden Age“ des Hip-Hop. Das Geheimnis seines Erfolgs? Er ist an die Wurzeln seiner Kultur zurückgekehrt, hat die Originale von Disco bis Soul aufgesogen, wie er im Interview verrät. RED BULLETIN: Du hast so viele legen
däre Beats produziert, welcher gefällt dir selbst am besten? DJ PREMIER: Meine Beats sind meine Kinder. Ich habe da keinen Liebling, zu den meisten empfinde ich noch immer eine starke emotio nale Bindung. Aber einer meiner gelungensten ist wohl „Next Time“ vom Gang-StarrAlbum „Moment of Truth“. Zu der Zeit, als
ich den Track gebastelt habe, starb mein Buchhalter, einer meiner besten Freunde. Guru (Premiers Gang-Starr-Partner, Anm.) wusste um meine Trauer und fand dafür sehr passende Worte in seinen Lyrics. Ein anderes persönliches Highlight ist „Mass Appeal“, das ich eigentlich als Parodie geplant und nur produziert hatte, um zu zeigen, wie seicht ein Song sein muss, um ins Radio zu kommen – der aber gleichzeitig einer meiner größten Erfolge war. Du bist schon so lange dabei. Was macht die Magie von Hip-Hop aus, die dich immer noch hinter die Turntables lockt? Hip-Hop ist eine Kultur, nichts für nebenbei. Natürlich macht Hip-Hop Spaß, aber du solltest kein Schindluder damit treiben. Es gibt so viele Leute, die so tun, als würden sie dazugehören, als würden sie die Kultur verstehen. Dabei verstehen sie gar nichts. Von wem sprechen wir da konkret? Da gibt’s so viele, ich könnte dir eine ganze Liste schicken! Diesen Monat werde ich 44 (am 21. März; Anm.), ich bin mit den originalen Soul- und Funk-Platten aufgewachsen. Scratchen und Cutten, das gab’s damals noch nicht. Aber als ich mit zirka elf Jahren
bild: Steve Grayson/WireImage
DJ Premier new york
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Drums Of Death 24. 4. 2010
Premier gilt als gefragtester Hip-Hop-Produzent der Westküste: Sein Curriculum Vitae schmücken Namen wie Jay-Z, Jeru the Damaja, KRS-One, Christina Aguilera, Afu-Ra und Nas.
Mit seinem Voodoo-Make-up und den rauen House-Tracks wirken die Live-Shows des Briten so, als würde Heath Ledger als Joker eine Warehouse-Party in Chicago rocken. Razzmatazz, Barcelona, Spanien
Tokimonsta 24. 4. 2010 Ihre Hip-Hop-Beats sind so knusprig wie frischer Toast. Die fiepsigen Synth-Sounds der Kalifornierin dagegen klingen, als hätte der Toaster einen Kurzschluss. Besser könnte kein Frühstück klingen, das finden auch Flying Lotus und die BBCGrande-Dame Mary Anne Hobbs. Graveyard Tavern, Atlanta, USA
Le Butcherettes 24. 4. 2010
bilder: Janette Beckman/Getty Images, Timothy Saccenti
1988 lernte Premier den Rapper Guru kennen. Sie zogen nach Brooklyn und gründeten das legendäre Hip-Hop-Duo Gang Starr.
einen DJ gesehen habe, der seine Platten bearbeitet hat, wusste ich sofort, diese neue Musik, die hat etwas. Bleiben wir bei den Anfängen von Hip-Hop. Hat die frühe Street-Culture deine Musik direkt beeinflusst? Definitiv. Früher war ich oft mit meinem Großvater am Times Square, um mir die B‑Boys aus Harlem anzuschauen. Zu der Zeit gab’s dort noch Pornokinos sowie Kinos, in denen billige Karatefilme gezeigt wurden. Es waren übrigens diese Kinos, in denen die Wu-Tang-Clan-Mitglieder ihre Liebe zu KungFu entdeckt haben. Aber all das sind heute nur noch Erinnerungen, weil Bürgermeister Giuliani das Gesicht des Platzes verändert hat, um mehr Platz für die Touristen zu schaffen. Es ist okay, aber eigentlich hat er damit einen wichtigen Teil des Stadtbildes einfach weggefegt. Mit meiner Musik versuche ich die Erinnerung an diesen echten, rauen Teil aufrechtzuerhalten. Dennoch arbeitest du mit MainstreamKünstlern wie Christina Aguilera oder Kanye West. Schadet der Mainstream eigentlich dem wahren Hip-Hop? Zuallererst: Wenn du dir Kanyes Arbeit
genau ansiehst, wirst du sehen, dass er sich sehr darum bemüht hat, alte Samples zurück in den Hip-Hop zu bringen, die Rückkehr zu den Wurzeln wieder cool zu machen. Und das, obwohl er eher die Mainstream-Schiene fährt. Auch wenn er zuletzt auf ElectroSounds gesetzt hat, damit ist er durch. Du wirst dich wundern, wenn du sein neues Album hörst. Aber versteh mich nicht falsch, der Synthesizer hat schon immer eine wichtige Rolle im Hip-Hop gespielt. Die Cold Crush Brothers beispielsweise haben bereits 1983 eine Punk-Rock-Rap-Platte rausgebracht, die auf Synths basierte. Und genau darum ging es, Scheuklappen gab’s damals nicht. Wir hörten Punk Rock, New Wave, die Psychedelic Furs oder Siouxsie & The Banshees. Wir hörten auch The Smiths … Moment. Die sensible, intellektuelle Gitarren-Band The Smiths? Ich mag ihre Songs. „William, It Was Really Nothing“, „I Want the One I Can’t Have“. Einer ihrer besten ist „What Difference Does It Make?“, genialer Song! So etwas von dem Mann zu hören, der B.I.G.s „Ten Crack Commandments“ produziert hat, verwundert ein wenig … Ich verlange von Musik Authentizität. Wenn es mal notwendig ist, über Gewalt zu rappen, dann ist das okay. Dennoch versuche ich, die Jugend mit meiner Musik zu bilden. Schließlich werden sie später den Ton angeben. Und ich möchte mir nicht vorwerfen müssen, ihnen nicht gesagt zu haben, was die wichtigen Dinge im Leben sind, wie ernst die ganze Sache ist … Die Verbindung bricht erneut ab, doch jetzt ruft Premier nicht zurück. Nicht schlimm: Es ist alles gesagt. DJ Premiers Radioshow „Live From HeadQCourterz“ läuft jeden Freitag zwischen 22 und 24 Uhr auf www.xmradio.com
In spätestens einem Jahr ist Red Bull Music Academy-Teilnehmerin Teri Gender Bender ein Star – da sind sich Omar Rodríguez-López, der das Debütalbum ihrer Band Le Butcherettes produzierte, und Jack White, der mit dem Duo auf Tour war, einig. Foro Sol, Mexico City, Mexiko
The Fast Forwards 27. 4. 2010 Schweden mit Britpop-Frisuren, die rauem Garagen-Rock frönen. Wer da an Mando Diao oder The Hives denkt, liegt nicht falsch. Die New comer The Fast Forwards wandeln in den Fußstapfen ihrer Landsleute und machen dabei gute Figur. Blue Shell, Köln, Deutschland
Fatima 29. 4. 2010 Die junge Londonerin ist eine der großen Entdeckungen aus Tony Nwachukwus Talentschmiede, der CDR-Nacht im Londoner PlasticPeople-Club. Mit Shafiq Husayn vom Detroiter Hip-Hip-Outfit SA-RA hat die Sängerin den Soul-Diamanten „Lil’ Girl“ aufgenommen, mit Hudson Mohawke, Benji B und Floating Points steht sie regelmäßig auf der Bühne. Was für ein Karrierestart! Hoxton Bar & Grill, London, Großbritannien
Vampire Weekend 29. 4. 2010 Weiße New Yorker College-Popper mit Ralph-Lauren-Polos, die mit Afro-Sounds hantieren. Klingt unsympathisch, ist es aber nicht. Ungezwungen wirft das Indie-Quartett sein Referenznetz aus und amalgamiert die Beute mit Post-PunkGitarren und zackigen Drums. Bruce Mason Centre, Auckland, Neuseeland
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Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist
Erfolg bremst
Wer neue Siege anstrebt, sollte bereits erreichte geflissentlich aus seinem Bewusstsein verbannen. Ich habe das Gefühl, dass sich diese sen sationelle Neuigkeit noch nicht flächen deckend herumgesprochen hat: Wir sind dem großen Menschheitstraum, Zeitreisen unternehmen zu können, einen Schritt näher gekommen; zwar nur einen kleinen, aber immerhin! Das ist ein wenig erklä rungsbedürftig. Daher muss ich ein wenig ausholen. Als Gegenleistung erwartet Sie am Ende dieser Kolumne ein sehr nütz licher Tipp (selber ausprobiert) und eine Pointe (selbst ausgedacht). Also: Mal angenommen, jemand bittet uns, daran zu denken, was wir morgen zum Frühstück essen werden – und an schließend mit der Hand in die Richtung unseres zukünftigen Marmeladenbrots zu deuten. Wohin werden wir zeigen? Richtig: nach vorne! Und wenn nun der selbe Jemand uns auffordert, daran zu denken, wie wir vergangenes Jahr einmal das Fitnesscenter besucht haben – wohin werden wir in diesem Falle deuten? Hin ter unseren Rücken, ebenfalls richtig. Dass wir solcherart deuten und zeigen, ist kein Wunder. Wir Menschen haben nämlich die Gewohnheit entwickelt, uns die Zeit wie eine Linie vorzustellen. Und auf dieser Linie bewegen wir uns hin und her, wenn wir gedanklich durch die Zeit reisen. Wer also in die Vergangenheit will, der dreht sich gleichsam um und geht auf dieser Linie zurück; und wer Zukünftiges
Menschen stellen sich die Zeit gerne als eine Linie vor: Wer in die Vergangenheit will, dreht sich um, wer Zukünftiges anpeilt, bewegt sich nach vorn. anpeilt, bewegt sich geradeaus nach vorn. Diese Fähigkeit unterscheidet uns Menschen übrigens von allen anderen Lebewesen: Weil wir gedankliche Zeit reisen unternehmen können, vermögen wir unser Handeln zu bewerten und (gegebenenfalls) zu korrigieren. Also am nächsten Morgen doch lieber Müsli zu essen und kein Marmeladenbrot, weil wir seit vergangenem November das Fitness center nicht mehr von innen gesehen haben und es mit dem Projekt, ein biss chen abzunehmen, sonst nie etwas wird. Und noch etwas ermöglicht uns diese Fähigkeit: Wir finden Filmtitel verlo ckend, die „Zurück in die Zukunft“ lau ten, weil sie so schön widersprüchlich sind: zurück in die Zukunft reisen? Muss lustig sein, der Film (und ist es auch, aber das nur nebenbei).
Jetzt zur sensationellen Entdeckung, die uns beim Versuch, in die Zukunft zu reisen, ein wenig voranbringen wird. Psychologen der schottischen Universität Aberdeen fanden Anfang des Jahres näm lich heraus, dass wir Menschen auch kör perlich reagieren, wenn wir an die Zukunft oder die Vergangenheit denken. Dazu befestigten sie zwanzig Personen einen Bewegungssensor über dem linken Knie und legten ihnen Augenbinden an (damit sie noch stärker auf ihre Vorstellungskraft reagieren). Anschließend baten die Wissen schaftler ihre Zeitreisenden, sich erst mal vorzustellen, wie ihr Alltag vor vier Jahren ausgesehen habe, wie heute aussehe und wie er wohl in vier Jahren aussehen wer de. Das Resultat: Dachten die zwanzig an Vergangenes, bewegten sie sich ganze zwei Millimeter nach hinten, stellten sie sich ihre Zukunft vor, machten sie einen drei Millimeter großen Schritt nach vorne. Jaaaa, mir ist durchaus bewusst, dass das nicht allzu große Sprünge sind. Aber es sind Sprünge. Ein Anfang ist also ge macht. Und es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die Schritte größer werden und wir auch noch das ganze Raum-ZeitKontinuum in den Griff bekommen. Weil das noch dauern wird, hier mein Tipp, wie Sie die Erkenntnisse der schottischen Wissenschaftler schon heute nutzen können: Denken Sie beim nächsten Wett kampf keinesfalls an vergangene Erfolge! Die Vergangenheit liegt hinter uns. Und denken wir fortwährend an sie, bremsen wir uns unbewusst. Viel besser, Sie stel len sich Ihr Frühstück am nächsten Tag vor: Alles Zukünftige zieht Sie gleichsam vorwärts. Ganz zu schweigen von der Aussicht, drei Marmeladenbrote essen zu dürfen. Betreiben Sie nicht heute, in eben diesem Moment, so brav Sport? Eben! Christian Ankowitsch, 50, ist ein öster reichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Nadja Žele Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Christoph Rietner Grafik Claudia Drechsler, Miles English, Judit Fortelny, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg, Catherine Shaw Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Mitarbeiter Paul Faye, Paul Fearnley, Andreas Jaros, Ruth Morgan, Andreas Tzortzis, André Voigt, Herbert Völker Illustratoren Mandy Fischer, Heri Irawan, Lie-Ins and Tigers Augmented Reality Martin Herz, www.imagination.at Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Interna tionale Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler Projektmanagement Jan Cremer, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Gruner + Jahr AG & Co KG, G + J Media Sales, Am Baumwall 11, D-20459 Hamburg, Heiko Hager (Anzeigenleiter), Henrike Kahl (Anzeigenverkauf) Telefon +49 40 3703-2538 Fax +49 40 370317-2538 E-Mail kahl.henrike@guj.de Office Management Martina Bozecsky, Sabrina Pichl Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktions büro London 14 Soho Square, W1D 3QG, UK Telefon +44 20 7434-8600 Fax +44 20 7434-8650 Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. Das Red Bulletin liegt auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei. In Großbritannien: The Independent. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. In Polen: Gazeta Wyborcza. In Südafrika: Cape Argus, Cape Times, Daily News, Pretoria News, The Star. In Neuseeland: The New Zealand Herald. Gesamtauflage 3,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com
Die nächste Ausgabe des Red Bulletin erscheint ab 1. Mai 2010.
illustration: albert exergian
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