The Red Bulletin DE 06/20

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DEUTSCHLAND JUNI  / J ULI 2020, €  2,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

LIFE

100 SEHR PERSÖNLICHE BOTSCHAFTEN, DIE MUT MACHEN

Mit Beiträgen von J U L I A N N AG E L S M A N N NEYMAR JR L I N D S E Y VO N N M A X V E R S TA P P E N BRIAN ENO THOMAS DRESSEN M A R C WA L L E R T R AC H E L AT H E R T O N REWINSIDE ZUNA und 90 weiteren Helden von heute

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THE POWER OF


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OF TEN, THE MO ST I MP ORTANT MOMENTS HAPPEN WHEN WE’RE STAND I NG STIL L .

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E D I TO R I A L

WILLKOMMEN

Wir feiern die Schönheit des Lebens Es liegt in unserer Natur als Menschen, dass wir Probleme nicht nur lösen, sondern imstande sind, sie als motivierendes Element unserer Entwicklung zu nutzen. In Phasen höchster Bedrängnis gelingt es uns seit hunderttausenden Jahren, die Beschränkungen urbiologischer Reaktionsmuster zu überwinden und jenen Freiraum in unseren Köpfen zu schaffen, der uns zwei wesentliche Fähigkeiten eröffnet: Wir können bedrohliche Situationen aus völlig neuen Perspektiven betrachten und daher eine Vielzahl möglicher Maßnahmen erdenken. Diese menschliche Kernqualität ließ uns Hunger, ­Kälte und Krankheiten besiegen. Sie belegt sich in zahllosen Beispielen technischer, ökonomischer, sozialer, künstlerischer oder philosophischer Natur und begründet das Niveau, auf dem wir existieren. Für diese Ausgabe haben wir zahlreiche Video-Calls geführt, den ungewöhnlichsten erlebte sicher Tahira Mirza. Unsere Foto­ redakteurin sprach mit den ­Astronauten auf der inter­nationalen Raumstation ISS. Seite 48

Das Wichtigste an diesem Gruß aus unserer Geschichte ist: Jeder von uns trägt die Fähigkeit in sich, eine Haltung einzunehmen, die diesen Schatz der Menschheit entfaltet. 100 Menschen, die diese Qualität in Vollendung beherrschen, teilen daher in dieser Ausgabe von The Red Bulletin sehr persönliche Erfahrungen. In Bildern, Zitaten, Interviews, Texten und Zeichnungen erzählen sie uns, wie sie es zuwege brachten, in scheinbar ausweglosen Situationen Chancen zu erkennen und diese aktiv zu nutzen. 100 Beiträge von Athleten, Spitzensportlerinnen, Musikerinnen, Literaten, Innovatoren, Tänzern und Fotografinnen aus der ­ganzen Welt fügen sich in diesem Heft zu einem Bild zusammen, das uns ermutigen, ermächtigen und daran erinnern soll, wozu wir als Individuen und als Gemeinschaft fähig sind.

Psychologe Adam Yearsley erklärt, was Homeoffice mit Reisen ins All zu tun hat und wie wir an dieser ­Herausforderung wachsen. Seite 38

SO CHILLEN RENNFAHRER Wie Le-Mans-­ Sieger Sébastien ­Buemi mit seinen Kindern und einem Lego-Porsche richtig entschleunigt. Seite 60

Wir stehen zusammen, wir wachsen über uns hinaus, wir feiern die Schönheit des Lebens. Auch jetzt. Gerade jetzt.

BEN THOUARD (COVER), THE LEGO GROUP

FARGO CIRCLE STUDIO/TOBY LEIGH

ANRUF IM WELTALL

ZU HAUSE DER GRÖSSTE

Die Redaktion

THE RED BULLETIN

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ALPHATAURI.COM


I N H A LT The Power of Life Issue

Die Startnummern unserer 100 Heroes dieser Ausgabe

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68

MICHAEL MULLER, DAN WILTON, MARCUS COOPER/WARNER MUSIC, FORMULA 1, @DIESERBOBBY, GETTY IMAGES, STEPHANIE WOLFF, HADRIEN PICARD/RED BULL CONTENT POOL, ENNO KAPITZA, DANE JACKSON/REDBULL US ATHLETE, PHILIPPE JACOB/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES, WARNER MUSIC, SEBAS ROMERO/RED BULL CONTENT POOL, SHAMIL TANNER, SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL

Lindsey Vonn

1 BEN THOUARD 2 CHRIS SAUNDERS 3 NORMAN KONR AD 4 DAN KR AUSS 5 T YRONE BR ADLE Y 6 JIM KR ANTZ 7 JANE STOCKDALE 8 PETER RIGAUD 9 KRYSTLE WRIGHT 10 MICHAEL MULLER 1 1 ALE X DE MOR A 1 2 CAITLIN HUGHES 1 3 KONSTANTIN RE YER 14 TOMASZ GUDZOWAT Y 1 5 PIP HARE 16 JULIAN NAGELSMANN 17 CORINNA SCHWIEGERSHAUSEN 1 8 FANNY SMITH 19 J. K .  ROWLING 20 DANITSA 21 P. K .  SUBBAN 22 LINDSE Y VONN 2 3 CRISTAL R AMIRE Z 24 ALISA R AMIRE Z 2 5 K ATIE HENDERSON 26 McKENNA PET T Y 2 7 ADAM YE ARSLE Y 28 DAN ATHERTON 29 GEE ATHERTON 30 R ACHEL ATHERTON 31 BILL McKIBBEN 32 SÉBASTIEN THIBAULT

28– 30

Rachel, Dan & Gee Atherton

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Charli XCX

Max Verstappen

50

Zuna

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Julian Nagelsmann

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J. K. Rowling

97 JoJo

65 Ryan Sheckler

Marc Wallert 3 3 DOMINIC THIEM 3 4 CHARLI XCX 3 5 HIL ARY KNIGHT 36 NE YMAR JR 37 ANDREW MORGAN 38 JESSICA MEIR 39 CHRIS CASSIDY 4 0 ED O’BRIEN 41 REWINSIDE 4 2 WILL CL AYE 4 3 THOMAS ULRICH 4 4 ADRIAN MAT TERN 4 5 THOMAS DRESSEN 4 6 MARC WALLERT 47 CYRIL DESPRES 4 8 MIKE HORN 49 GÉR ALDINE FASNACHT 50 ZUNA 51 HIL AREE NELSON 52 SÉBASTIEN BUEMI 5 3 PHILIPP VENETZ 5 4 MICHÈLE IMHASLY 5 5 DOMINIK IMHOF 56 STEPHAN DREESEN 57 PASQUALE ROTELL A 5 8 WOLFGANG Z AC 59 MARCO WALTENSPIEL 60 FELIX SEIFERT 61 MARCO FÜRST 62 MA X MANOW 6 3 TRENT ALE X ANDER-ARNOLD 6 4 RYAN PESSOA 6 5 RYAN SHECKLER 66 Y VON CHOUINARD 67 MAVI PHOENIX 6 8 MA X VERSTAPPEN

EDITORIAL  100 HEROES  THE RED BULLETIN

69 BEN STOKES 70 CEDAR ANDERSON 7 1 JAMES SPITHILL 7 2 DAVID HUNT 7 3 MICHAEL STR ASSER 74 PAROV STEL AR 75 PÉTER GUL ÁSCI 76 MARCEL HALSTENBERG 7 7 NORDI MUKIELE 78 LUK AS KLOSTERMANN 7 9 DAYOT UPAMECANO 80 MARCEL SABITZER 8 1 DIEGO DEMME 82 KONR AD L AIMER 8 3 TIMO WERNER 8 4 YUSSUF POULSEN 8 5 EMIL FORSBERG 86 MAT THIAS WALKNER 87 ANGY EITER 8 8 MIKE McCASTLE 89 TITOUAN BERNICOT 90 K ASTUYA EGUSHI 91 BBOY JUNIOR 92 MARCEL HIRSCHER 93 TOM ÖHLER 94 PINE APPLECITI 95 VL ADIK SCHOL Z 96 BRIAN ENO 97 JOJO 98 MICHAEL KÖHLMEIER 99 IGNA Z SEMMELWEIS 1 00 ANDRE AS BREITFELD

SEITE 3  SEITEN 6– 94

96 Brian Eno

36

Neymar Jr

41

45 Thomas Dreßen

44 Adrian Mattern

48 Mike Horn

IMPRESSUM  MAKES YOU FLY

Rewinside

17 Corinna Schwiegershausen

SEITE 96  SEITE 98  5


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Surf-Fotograf, 34, FRA Der Gewinner von Red Bull Illume 2019 schickt uns ein Bild aus der Südsee als Ausblick auf unbeschwertere Zeiten.

Ben Thouard

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Licht am Ende des Tunnels „Das ist Teahupoo, der berühmte Surfspot vor Tahiti“, sagt Ben Thouard, Spezialist für epische Aufnahmen. „Hier werden 2024 die olympischen Wettbewerbe im Wellenreiten stattfinden. Dann wird alles, was uns jetzt Sorgen macht, nur noch eine vage Er­­in­ne­ rung sein. Für mich ist das Foto ein Symbol dafür, dass wieder schöne Tage vor uns liegen.“ Instagram: @benthouard benthouard.com

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Streetstyle-Fotograf, 36, RSA Emotionen, hoch verdichtet: Die Energie, die in dieser Performance steckt, ist sogar noch auf dem Foto spürbar.

Chris Saunders

Dieser Tanz reißt alle mit „Das ist Manthe Ribane, eine ­Musikerin und Künstlerin aus Südafrika, wie sie auf dem Dach des Taxistandes in der Bree Street in Johannesburg tanzt. Ich arbeite seit Jahren mit ihr ­zusammen. Manthe hat die Gabe, nicht nur die Menschen um sich herum mitzureißen. Wer eine ihrer Performances erlebt, spürt, dass sie sogar ihre Um­gebung mit ihrer Freiheit und ­ihrer positiven Art auflädt.“ Instagram: @chrissaundersphoto chrissaunders.co

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Porträt- und Werbefotograf, 43, GER Der Berliner, berühmt für seine s­ urreale Bildsprache, hat eine alte Aufnahme in einen neuen Kontext gestellt.

Norman Konrad

Hausübung  „Mit meinen Kompositionen ­versuche ich oft, unseren Blick auf die Normalität infrage zu stellen“, sagt Norman Konrad. „Bei dem Foto ging es ursprünglich um Nachbarschaftshilfe. Jetzt hat es für mich eine ganz neue Bedeutung gewonnen: Kannst du nicht raus, um deine Liebsten zu sehen, ist es umso wichtiger, mit ihnen wenigstens im Gespräch zu bleiben.“ Instagram: @norman.konrad normankonrad.de

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Outdoor-Fotograf, 31, USA Für Dan sagt dieses Bild: Selbstvertrauen und Herausforderung bedingen einander. In welcher Reihenfolge? Entscheidest du.

Dan Krauss

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Mein Glaube versetzt Felsen „Ein Jahr lang habe ich gesucht, bis ich in Moses Potter einen Sportler fand, der diesen Felsen klettern konnte“, erzählt Dan Krauss. „Die Route ‚Once Upon a Time‘ auf dieses UFO in den San Jacinto ­Mountains in ­Süd­kalifornien ist extrem schwierig. Für mich erzählt das Bild von der Stärke und dem Selbstvertrauen, das ein einzelner Mensch aus sich heraus entwickeln kann.“ Instagram: @dankrauss dankraussphoto.com

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Action- und Porträt-Fotograf, 39, RSA Der Kapstädter, einst BMX-Freerider, ­erzählt eine berührende persönliche ­Geschichte über die Geburt seiner Tochter.

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Tyrone Bradley

Die Kraft des Lebens „Wenn ich darüber nachdenke, welch positive Kraft in uns­ steckt“, meint Tyrone Bradley, „fällt mir der 24. Dezember 2019 ein, als ­meine Tochter Lyra zur Welt kam. Eigentlich hatten wir eine natürliche Geburt geplant. Aber die Natur entschied anders. Dank der Fortschritte, die wir Menschen auf dem Gebiet der Medizin erzielt haben, geht es meiner Familie heute trotzdem gut. Konkret: dank dem rein weiblichen Team im Bild, das den Notkaiserschnitt durchführte.“ Instagram: @tyrone_bradley tyronebradley.co.za

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Fotograf, 65, USA Der vielfach preisgekrönte Amerikaner setzt den Sieg über die globale Bedrohung ins Bild und vertraut dabei der Kraft des Lebens.

Jim Krantz

Die Natur setzt sich durch „Den Farn aus meinem G ­ arten habe ich mit Epoxidharz über­ gossen, über ein Bild des V ­ irus gelegt und fotografiert“, ­erklärt Krantz das Konzept des Fotos. „Farne sind enorm widerstands­ fähig. Vor meinem Arbeits­ zimmer schlingt sich einer um einen Baumstamm. Täglich ­beobachte ich Leben, das unter härtesten Umständen gedeiht.“ Instagram: @jimkrantzphoto jimkrantz.com

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Reportage-Fotografin, 37, GBR Die Darstellung starker Emotionen ist das Spezialgebiet der Schottin. Hier: Freude und Erlösung im Moment des Triumphs.

Jane Stockdale

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Porträt-Fotograf, 51, AUT Der Augenblick, den der Salzburger hier eingefangen hat, beweist: Ernsthafte Forschung verträgt einen Schuss Humor.

Peter Rigaud

Wir haben gewonnen! Paris, 15. Juli 2018, Finale der Fußball-WM zwischen Frankreich und Kroatien. Der junge Stürmer Kylian Mbappé hat eben das 4:1 für Frankreich geschossen. In der Nähe des Eiffelturms bringt das einen jungen Mann zum Ausflippen, Stockdale drückt auf den Auslöser: „Für mich ein Moment voller Emotion und Energie am Ende eines großen Turniers.“ Instagram: @janestockdale_ janestockdale.co.uk

Klugheit trifft Humor Dieses Bild zeigt den Genetiker Josef Penninger. Der gebürtige Oberösterreicher forscht derzeit mit seinem internationalen Team intensiv an einem Medikament gegen die Krankheit, die gerade die Welt in Atem hält. Peter Rigaud hat ihn 2015 porträtiert. „Vor und in seinem Büro hingen­ überall Bilder von Clowns und ­Affen“, erzählt der Fotograf. „Auch die Interviews, die ich jetzt von ihm lese, zeichnen sich durch wissenschaftliche ­Seriosität und Humor aus. Ich finde sein Auftreten und ­seine Selbstsicherheit in Zeiten wie diesen bemerkenswert.“ Instagram: @rigaudpeter peterrigaud.com THE RED BULLETIN

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Adventure-Fotografin, 33, AUS Die Australierin blüht unter extremen Bedingungen auf: was sie während eines Schneesturms fürs Leben gelernt hat.

Krystle Wright

Was der Blizzard mich lehrte „Dieses Foto entstand während einer BASE-Jump-Expedition auf Baffin Island im äußersten Nordosten Kanadas“, erzählt Wright. „Blizzards zwangen uns tagelang in unsere Zelte. Umso überraschter war ich, als sich ein Inuk mit seinem Hunde­ gespann dem Camp näherte. Ich schaffte es gerade noch, zwei Bilder zu schießen, ehe ihn der Sturm wie­der verschluckte. Was ich von der Zeit im Camp mitnehme? Dass wir außer­ gewöhn­liche Fähigkeiten ent­wickeln, sobald uns die Natur zwingt, all un­se­re Ablenkungen zu vergessen.“ Instagram: @krystlejwright krystlewright.com

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Star-Fotograf, 59, USA Hauptsächlich porträtiert der Kalifornier Hollywoodstars, zum Ausgleich taucht er mit Haien. Hier hilft er einem von ihnen.

Michael Muller

Tun, was getan werden muss Nein, Michael Muller hat keine Angst vor Haien, dazu kennt er sie zu gut. Er wagt sich selbst in die Nähe der großen Weißen, wie man sieht. Der Grund dafür verblüfft ihn bis heute: „Von der rechten Brustflosse hing doch tatsächlich ein großer Plastik­fetzen. Aber das Gute an uns ­Menschen ist: Wir können zur Tat schreiten, wenn es sein muss.“ Mullers Tauchpartner be­ freite das Tier von dessen Anhängsel. Und die Welt war daraufhin ein kleines bisschen besser. Instagram: @michaelmuller7 mullerphoto.com

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Porträt-Fotograf, 38, GBR Für den Londoner, der vor allem Musiker ­ablichtet, ist der Produzent Goldie ein Vorbild in Sachen angewandte Lebensfreude.

Alex de Mora

Genießt den Genuss „Der britische Musiker Goldie ist eigentlich Drum ’n’ Bass-Produzent“, erzählt Alex de Mora, „aber er hat auch eine Nebenrolle im James-Bond-Film ‚Die Welt ist nicht genug‘ gespielt. Außerdem ist er Mitglied des Ritter­ordens ‚Order of the British ­Empire‘. Kurz: Dieser Mann i­ nspiriert mich, das Leben in all seinen ­Facetten zu genießen.“ Instagram: @alexdemora alexdemora.com

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CEO der Fotoagentur Magnum, 40, GBR Sie schickte uns die Bilder von Box-Legende Muhammad Ali, der aus schwierigen Phasen stets gestärkt zurückzukommen pflegte.

Caitlin Hughes

„The Greatest of All Time“: Die Kontaktabzüge des Magnum-Foto­­grafen Thomas Hoepker zeigen Box-Weltmeister Muhammad Ali im Jahr 1966.

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Thomas Hoepkers ikonisches Muhammad-AliPorträt zierte im Mai 2017 zum 70-Jahr-Jubiläum der Fotoagentur Magnum das The Red BulletinCover.

„ Wir nutzen unsere Kraft, um uns neu zu erfinden“

THOMAS HOEPKER

Seit 1947 dokumentieren die Meister-Fotografen der Agentur Magnum das Weltgeschehen. Seit 2019 steht Caitlin Hughes als CEO an ihrer Spitze: ­„Fotografie ist ein wichtiges Werkzeug in Zeiten der Unruhe“, sagt die Waliserin. „Sie dokumentiert Umbrüche und inspiriert Menschen auf der ganzen Welt. Gerade jetzt zählt, dass wir uns gegenseitig helfen. Wir können unsere Kraft nutzen, um uns neu zu e­ rfinden. Genau das taten unsere Gründer, als sie vor mehr als 70 Jahren Magnum ins Leben riefen.“ Instagram: @magnumphotos magnumphotos.com

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Fotograf, 33, AUT Ein magischer Moment: Wer sagt, dass sich nicht auch im bösesten Sturm plötzlich die ganze Schönheit der Natur entfaltet?

Konstantin Reyer

Die Schönheit bricht durch „Kurz nach meinem 30. Geburtstag reiste ich mit meiner Freundin auf die Halbinsel Cape Cod ­südöstlich von Boston“, erzählt Reyer. „An diesem Tag wütete ein schweres Gewitter, als ich in der Ferne den Regenbogen entdeckte. ‚Das gibt es nicht!‘, dachte ich und schoss dieses Bild. Es begleitet mich seither als Zeichen für Optimismus und hängt gerahmt in meinem Studio.“ Instagram: @konstantinreyer konstantinreyer.com

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Meister der Schwarzweißfotografie, 48, POL Für den neunmal mit dem World Press Photo Award ausgezeichneten Polen steht dieses Bild für Ausdauer und Widerstandsfähigkeit.

Tomasz Gudzowaty

Schwerelos auf dem Weg Diese Aufnahme eines ShaolinMönchs in China hat Gudzowaty mit einem Vers aus der Spruchsammlung des chinesischen ­Weisen Laozi betitelt: „Eine tausend Meilen lange Reise beginnt mit einem einzigen Schritt“. Er sagt: „Das Bild symbolisiert für mich die Ausdauer und Wider­ standskraft des Menschen.“ Instagram: @tomaszgudzowaty gudzowaty.com

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Solo-Seglerin, 45, GBR Im November wird sie als erst achte Frau bei der legendären Vendée Globe starten, um allein die Welt zu umsegeln.

Pip Hare

„ Wir unter­schätzen, wozu wir fähig sind“ Pip Hare über Sturzflüge in gigantische Wellentäler und Ausflüge zur Mastspitze – mutterseelenallein auf dem Ozean.

RICHARD LANGDON/OCEAN IMAGES

Text JESSICA HOLLAND

Selbst ist die Frau Pip Hare ist „Einhandseglerin“. Das bedeutet: Sie ist ganz allein auf dem Ozean unter­ wegs. Sie lernte ihre wahren Fähigkeiten kennen, weil sie auf sich selbst gestellt war.


„B

ei einem meiner ersten Ozean-Törns geriet ich zwischen den Kanarischen und den Britischen Inseln in einen entsetzlichen Sturm. Das Schlimmste war, mit dem Boot kopfüber, mit dem Mast voran, die Wellen hinabzustürzen. Und was für Wellen das waren: Wände von zwölf Metern, höher als mein Mast, inmitten eines Sturms von 70 Knoten (rund 130 km/h). Wenn du ganz unten im Wellental ankommst, hält die Welt für einen Augenblick an, es wird windstill und gespenstisch leise. Dann steigst du mit der Welle hoch, und alles donnert und vibriert wie ein Güterzug, der auf dich zurast. Von einer solchen Welle erfasst zu werden fühlt sich an wie ein Zusammenstoß mit einem Elefanten. Du fliegst einfach nur hilf‌los durch die Gegend. Man kann nicht an Deck bleiben, sonst wird man über Bord gespült oder bricht sich alle Knochen. Also verbarrikadierte ich mich während der sechs schlimmsten Stunden unter Deck. Wenn es wellenabwärts ging, knallte ich gegen die Decke,­ und alles, was nicht festgezurrt war, regnete auf mich herunter. Als ein paar Chili-Gläser vom Kühlschrank fielen und zerbrachen, war die ganze Kajüte voller Splitter und Sauce. Den Geruch habe ich noch heute, 20 Jahre später, in der Nase. Als der Sturm endlich abflaute, war von meinem Boot nicht mehr viel übrig. Aber ich hatte überlebt. Anderen hätte diese Erfahrung das Segeln für ­immer verleidet. Ich habe daraus gelernt. Man ahnt normalerweise nicht, welche Willenskraft in einem steckt, wenn man nie in einer solchen Situation war. Ich hatte zwar Angst, aber ich habe weiter

Pip Hare an Bord ihrer Yacht „Superbigou“. Das Boot, mit dem sie Ende 2020 an der Vendée Globe teilnehmen will, wird derzeit gebaut.

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Pip Hares Erkenntnis nach ­Stürmen mit 130-km/h-­Böen und zwölf Meter hohen Wellen

RICHARD LANGDON/OCEAN IMAGES

Den Gewalten trotzen

„ Ich weiß jetzt: in Notsituationen kann ich mich auf mich verlassen.“



Glänzende Seglerin Pip Hare beim Fastnet Race 2019, einer legendären Regatta durch den Ärmelkanal

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ine der Leistungen, auf die ich besonders stolz bin: Ich schaffe es, auf den Mast zu klettern, selbst wenn ich allein segle. Das erste Mal, dass ich das machen musste, habe ich in grauenhafter Erinnerung: Es war bei meinem ersten Einhand­seglerRennen über den Atlantik nach Brasilien. Ich segelte in einem dieser kleinen Geschosse: Sie sind nur knapp sieben Meter lang, haben einen rund zwölf Meter hohen Mast und können Geschwindigkeiten von mehr als 20 Knoten (ca. 37 km/h) erreichen. Kein Satellitentelefon, kein Funkkontakt. Ich war bereits zirka zwei Wochen unterwegs und körperlich ziemlich fertig. Ungefähr in der Mitte des Atlantiks – also an jenem Punkt, wo mögliche Hilfe am weitesten entfernt war – kam ich in einen bösen Sturm, in dem sich ein Teil an der Spitze des Mastes löste. Würde ich das nicht reparieren können, würde ich in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Das bedeutete: Ich musste unter vollen Segeln hinaufklettern. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Mastklettern nur im Hafen trainiert. Eine der größten Gefahren beim Klettern in voller Fahrt ist, dass

„ Mein Herz schlug mir bis zum Hals.“ Pip Hare „packte sich selbst am Kragen“ und kletterte unter vollen Segeln bis zur Spitze des Masts.

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man, an der Sicherungsleine hängend, vom Mast wegschwingt. Beim Zurückpendeln kann man sich den Kopf stoßen oder etwas brechen. Im schlimmsten Fall hängt man dort oben fest, weil es niemanden gibt, der einem helfen kann. Es ist schwierig, sich zu verbieten, an all die Dinge zu denken, die schiefgehen können. Meine Hände zitterten, mein Herz schlug mir bis zum Hals. Dazu kommt, dass man während der Kletterei vom Autopiloten abhängig ist. Wenn dieser Apparat plötzlich den Kurs wechselt oder sonst ein Problem hat, während du oben bist, dann gute Nacht. Andererseits sagte ich mir: ‚Das ist der Sport, den ich mir ausgesucht habe. In dieser Lage bin ich völlig freiwillig.‘ Es ist, wie wenn du dich selbst beim Kragen packst, dich tüchtig schüttelst und dir sagst: ‚Das ist die Person, die du sein willst.‘

A

b der Hälfte des Mastes habe ich mich nur noch mit den Armen hochgezogen, und als ich dann oben war, dachte ich: ‚Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann.‘ Es ist erstaunlich, wozu man fähig ist, wenn man Angst hat. Ich reparierte, was zu reparieren war, und machte mich dann wieder auf den Weg nach unten. Wenn du so etwas geschafft hast, steigt dein Selbstvertrauen ungeheuer: Du hast auf einmal das Gefühl, dass dualles schaffen kannst, was immer auch da kommen möge. Meistens stehen wir uns ja selbst im Weg, weil wir unterschätzen, wozu wir fähig sind. Meistens tendieren wir dazu, vorsichtig zu sein. Und bevor wir ein Risiko eingehen, wollen wir am liebsten ­eine Garantie dafür, dass es auch gelingt. Ganz allein mitten auf dem Ozean musst du ­deine e­ igenen Grenzen überwinden. Klar, es macht Angst, Herausforderungen zu begegnen, denen du dich zuvor nie stellen musstest, die du vielleicht körperlich gar nicht bewältigst. Aber wenn du auf dich allein gestellt bist, hast du keine Wahl. Du musst es durchziehen. Dafür ist das Erfolgs­ erlebnis danach einfach unglaublich.“ THE RED BULLETIN

MAXIME HORLAVILLE

funktioniert. Darum weiß ich jetzt, dass ich mich in Notsituationen auf mich selbst verlassen kann. Was ich noch daraus gelernt habe, ist, dass alles Schlimme irgendwann vorbeigeht. In einem Sturm wie diesem musst du deine Machtlosigkeit akzeptieren. Du kannst nichts weiter tun, als die Segel zu reffen und abzuwarten – es gibt immer etwas auf der anderen Seite.


Neu


„ Verantwortung? Gut! Sie erhöht deine Chancen.“ Diese Lektion lernte ­Julian Nagelsmann bereits in jungen Jahren.


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Fußballtrainer, 32, GER Seit Juli 2019 coacht er FußballBundesligist RB Leipzig. Seine Karriere begann mit einem geplatzten Traum.

Julian Nagelsmann

„ Was mir hilft: Ich treffe mutige Ent­scheidungen“ Verantwortung übernehmen, anpacken – und welches Wort der Spitzentrainer bewusst nicht in den Mund nahm.

GETTY IMAGES, AS SYNDICATION/ULLSTEIN BILD/AGENTUR SVEN SIMON

Interview ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE

the red bulletin: Herr Nagelsmann, im Alter von z­ wanzig Jahren platzte Ihr Traum von einer Karriere als Profi-Fußballer. Wie haben Sie das verarbeitet? julian nagelsmann: Mir hat es immer ­geholfen, mutige und klare Entscheidungen zu treffen. In dieser Zeit habe ich nach mehreren Verletzungen selbstbestimmt einen Schlussstrich gezogen – und nicht etwa g ­ ewartet, bis ein Arzt es für mich tut. Solche Eigeninitiative haben Sie schon früh bewiesen: Als D-Jugendlicher ­fädelten Sie Ihren eigenen Wechsel von Ihrem Dorfklub zum FC Augsburg ein. Bei uns sahen ja nie Scouts von größeren Vereinen zu. Also riefen ein Kumpel und ich in Augsburg an und fragten, ob wir zum ­Probetraining kommen können. Die meinten, dazu müsse man eigentlich eingeladen werden. Wir fuhren trotzdem auf eigene Faust hin – und es hat tatsächlich funktioniert. Coach auf Augenhöhe: Nagelsmann mit Spieler Marcel Sabitzer

Als Nächstes starteten Sie eine Trainerausbildung und wurden mit 28 jüngster Trainer der Fußball-Bundesliga. Haben   31


Nagelsmanns Medizin gegen riskante „Aufschieberitis“

Sie Ihr Leben schon immer so aktiv in die Hand genommen? Mir war früh klar, dass ich die Dinge an­ packen muss, wenn ich etwas erreichen will. Seit meiner Jugend habe ich Stück für Stück mehr Verantwortung für mich übernommen. Sei es, als ich in jungen Jahren allein nach München zog oder als ich beschloss, mein BWL-Studium abzubrechen und Sport zu ­studieren – oder schließlich zuzupacken, als sich die Chance bot, früh BundesligaTrainer zu werden. Sind Ihnen solche Entscheidungen ­wirklich nie schwergefallen? Doch, natürlich. Aber dann hat es mir immer geholfen, mir klarzumachen: Eine Ent­ scheidung ist nichts Endgültiges. Außer ­vielleicht, du hängst gerade in der EigerNordwand und es geht um Leben oder Tod. Aber meistens habe ich die Option, eine ­Entscheidung später neu zu bewerten und neu zu fällen. Wenn ich mich aber aus Angst gar nicht entscheide, zieht sich alles in die Länge und wird selten leichter oder besser.

Früher Leader: Mit 28 trainierte Julian Nagelsmann bereits Bundesligist Hoffenheim.

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Sie entscheiden sich immer wieder ­ gezielt dafür, große Verantwortung zu über­nehmen – nicht nur für sich selbst, ­sondern auch für andere. Was genau reizt Sie daran? Egal was ich tue, ich möchte einen klaren Bezug zum Endergebnis haben. In einer Führungsposition trägst du nicht nur einen Teil zu etwas bei, sondern bist maßgeblich am Ganzen und dessen Erfolg oder Miss­ erfolg beteiligt. Das ist anspruchsvoll, aber auch sehr reizvoll. Darin, Verantwortung zu übernehmen, habe ich schon immer eher eine Chance gesehen als ein Risiko. Außergewöhnlich viel Verantwortung bedeutet auch außergewöhnlich viel Druck. Wie halten Sie den aus? Indem ich mich gut vorbereite und alles gebe, dann habe ich mir nichts vorzuwerfen. Wichtig ist für mich auch, nicht unfehlbar sein zu wollen und auch mal Fehler offen zu­zugeben. Und mir ist immer bewusst: Ich habe zwar einen hohen Erfolgsdruck, aber wenn ich morgen nicht mehr Bun­des­ liga-­Trainer bin, ist mein Leben deshalb kein grund­legend anderes. Schließlich habe ich gelernt, d ­ ass ich immer neue Ziele an­packen kann. Wie gehen Sie als Führungskraft mit Krisen um? Erst mal: analysieren, wie wir da rein­ geraten sind. Und dann: an konkreten Problemen arbeiten, statt sich zu lange mit der Situation zu befassen. Als ich mit 28 in Hoffenheim übernahm, steckten wir im Abstiegskampf. Aber ich nahm dieses Wort nie in den Mund. Stattdessen kon­ zentrierte ich mich darauf, den Spielern Dinge an die Hand zu geben, die sie konkret verbessern können, damit wir da unten rauskommen. Zum Glück hat’s geklappt. Und wenn der Druck doch mal zu groß wird, helfen ein paar Stunden auf dem Mountainbike oder der Motocross-­ Maschine? Beides mache ich extrem gerne, um den Kopf freizukriegen. Wenn du 24 Stunden täglich nur an deinen Job denkst, leidet die Qualität deiner Arbeit darunter. Dir fehlt dann die Leidenschaft, das Feuer. Wenn ich meinen Helm aufhabe, die Geschwindig­ keit spüre, bin ich ganz bei mir, baue ein bisschen Adrenalin auf und komme trotz­ dem danach in die totale Entspannung. Mir Zeit dafür zu nehmen ist mir sehr wichtig.

REUTERS, IMAGO

„ Dir sollte klar sein: Eine Ent­scheidung ist nichts Endgültiges. Du kannst sie stets neu bewerten.“

THE RED BULLETIN


„ Egal was passiert: Ich habe gelernt, dass ich immer neue Ziele anpacken kann.“ THE RED BULLETIN

Nagelsmann im Lösungsmodus: erst die Situation analysieren und dann volle Konzentration auf konkrete Optimierung

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Drachenfliegerin, 48, GER Die fünffache Weltmeisterin litt früher unter Höhenangst. Die Vogel­perspektive hilft ihr auch in anderen Lebenslagen.

Corinna Schwiegershausen

Warum mich dieser Blick stark macht

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SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES

MARC BAUMANN

„Wenn ich beim Drachenfliegen in eine gefährliche Situation ­gerate, lasse ich so wenig Emotionen wie ­möglich zu. Was mir hilft: Fakten ver­arbeiten, einen Plan fassen, ihn ab­arbeiten. Ich habe viele ­Krisen überstanden: In Jordanien hat mich ein Kamel abgeworfen – Hüftbruch. Verletzt in der Wüste lernt man, um Hilfe zu bitten: eine Touristin, die Medizinerin war, später meine Teamärzte. Hoch oben in der Luft fühle ich mich wie ein winziger Schmetterling. ­Diese Stille auszuhalten und nur im Hier und Jetzt zu sein, haben viele verlernt. Dem Fliegen verdanke ich die schönsten Momente meines ­Lebens – und den schlimmsten: Mein Verlobter ist abgestürzt und ­gestorben, kurz bevor ich zu ihm nach Australien ziehen wollte. Aber das ­Leben hat einen Plan B für dich, und man kann damit ­glücklich werden.“

THE RED BULLETIN


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Skicross-Spezialistin, 27, SUI Was macht Fanny Smith, wenn sie zu einer Pause daheim gezwungen ist? Sie präpariert Ski für Freunde.

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Fanny Smith

Bestseller-Autorin, 54, GBR Sie hat 450 Millionen Harry-Potter-Bücher verkauft. Davor lebte sie von der Sozial­ hilfe, erhielt Absagen von zwölf Verlagen.

J. K. Rowling

„ ICH WAR DREI JAHRE LANG KOMPLETT AM BODEN. DARAUS WURDE DAS FUNDAMENT, AUF DEM ICH MEIN LEBEN AUFBAUTE.“ Rowling verkaufte ihr erstes „Harry Potter“Manuskript schließlich an einen Agenten, der nur zustimmte, weil seiner achtjährigen Tochter die Geschichte gefallen hatte.

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Danitsa

COURTESY OF FANNY SMITH, GETTY IMAGES, STELLA KNUCHEL WOLFGANG WIESER J.K. ROWLING ZITAT AUS DEM BUCH „VERY GOOD LIVES: THE FRINGE BENEFITS OF FAILURE AND THE IMPORTANCE OF IMAGINATION“, SPHERE PUBLISHING

Die Arbeit an den Skiern macht Fanny Smith Spaß: Die Kanten werden nachgeschärft, die Laufflächen gewachst.

Funny Fanny macht Freunden Freude Fanny Smith steht in ihrer Garage und hat gute Laune. Sie präpariert Ski. Ein Paar nach dem anderen. ­Zuerst die Bretter ihrer Familie, dann die ihrer Freunde. Mehr als 20 Paar hat sie schon geschafft. Ist das Wetter gut, arbeitet sie im Freien, ist es schlecht, in der Garage. Sobald ein Paar fertig ist, kommt es vor die Tür und kann abgeholt werden. Die 27-jährige Skicrosserin, die im Vorjahr den Gesamtweltcup gewann und diese Saison Platz 2 ­belegte, nutzt die Pause, um ihrem Metier möglichst nah zu bleiben (und natürlich ist ihr Sieger-Service gratis). Fanny Smith hat sogar einen Hoffnungsschimmer aufgetragen – nämlich ein Wachs, das die Laufflächen schützt und das zum Saisonstart sauber abgezogen wird: „Ein Zeichen, dass ich darauf setze, dass dann alles wieder ganz normal ist.“

Sängerin, 25, FRA/SUI Danitsa versprüht im Homeoffice funky Vibes nach Plan (s. u.). Jeden Freitag ein neuer Song auf Instagram: @danitsa_m

MEIN WOCHENPLAN Samstag

Song Auswählen Sonntag

Mit dem Produzenten am Remix ar beiten oder Komponieren

Montag

Proben + moodboar d f ür das musikvideo er stellen

Dienstag

Auf nahme im home studio meines Bruder s + mixing

Mittwoch

mini-musikvideo mit meiner Schwester mit dem iphone f ilmen

Donnerstag

Video Schneiden Freitag

mini-musikvideo-Release

fanny-smith.com THE RED BULLETIN

35


21

Eishockey-Profi, 30, CAN Das Abwehrbollwerk der New Jersey ­Devils gewann 2014 mit dem kanadischen Nationalteam Olympiagold in Sotschi.

P. K. Subban

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Ski-alpin-Allzeitgröße, 35, USA Die Amerikanerin feierte 82 Weltcup­siege, gewann viermal den Gesamtweltcup, sie ist Olympiasiegerin und Weltmeisterin.

Lindsey Vonn

Als das IOC die Verschiebung der Spiele von Tokio auf 2021 bekannt gegeben hatte, meldeten sich Lindsey Vonn und P. K. Subban mit einem Video-Statement voll Zuversicht und Mitgefühl. Zwei Auszüge:

Sommer. Wir f­ reuen uns drauf, die weltbesten Athleten nächstes Jahr anfeuern zu können.“

lindsey: „Der olympische Gedanke ist etwas Einzigartiges,

dieses Ereignis hintrainiert haben. Doch jetzt geht es um Wichtigeres: die Gefährdeten zu schützen, den Kranken zu helfen und denen, die ihre Arbeit ver­loren haben. Sport ist nicht das Wichtigste: Das wird uns jetzt in Erinnerung gerufen.“

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p. k.: „Es ist wahnsinnig hart für alle Athleten, die vier Jahre auf

COURTESY OF LINDSEY VONN

etwas Unglaubliches. Er hat die Kraft, Menschen weltweit zusammenzubringen. Das wird er auch wieder tun. Er wird uns wieder vereinen, leider noch nicht diesen

NORA O’DONNELL

„Der olympische Spirit wird uns wieder vereinen“

THE RED BULLETIN


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Indie-Pop-Band, USA Brillantes Debütalbum „When My Heart Felt ­Volcanic”. So konzentriert sich Frontfrau Cristal Ramirez aufs Wesentliche:

The Aces

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Cristal Ramirez

Lead-Sängerin, 24 Sie gründete ihre erste Band mit ihrer Schwester Alisa als gerade einmal Zehnjährige.

24

Alisa Ramirez

Drummerin, 22 Sie führte Regie im Musikvideo für „ Daydream“, die erste Single des ­kommenden Albums.

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Katie Henderson

Gitarristin, 24 Kam 2008 als Letzte zur Band. Sie ist zugleich auch das Tech- und ­Studio-Ass der Band.

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McKenna Petty

Kannst du’s ändern? Ja? Dann tu’s! Bei ihrem Weg ins Musik-Biz fand Aces-Frontfrau Cristal Ramirez ­Inspiration in einem Rocksong. „Ich war schon immer ein riesiger Fan der Rockband Paramore (Bild rechts) und vor allem von Sängerin Hayley Williams“, sagt sie. „2013 lief ihr Hit ‚Last Hope‘ bei mir in Dauerschleife. Ich stand kurz vor dem Highschool-Abschluss und hatte mir eine Karriere als Musi­ kerin in den Kopf gesetzt, aber ­natürlich waren da Zweifel, ob ich das Richtige mache, ob ich eine Chance habe, das zu schaffen. Doch der Song ,Last Hope‘ gab mir dann den letzten Schubs.

Ich liebe den Refrain: ‚Gotta let it happen, so let it happen‘ – da steckt so viel Power drin. Auch wenn nicht alles perfekt läuft, muss man einfach mal Ruhe bewahren, und die Dinge werden dann schon. Konzentriere dich auf das, was du ändern kannst, und verschwende keine Energie auf den Rest – das ist eine so starke Botschaft. Für mich ist sie zu einer Art Mantra geworden, das mich seit Jahren begleitet und mir Zuversicht in schwierigen Phasen gibt – zum Beispiel, als wir nach Los Angeles zogen und noch ­keinen Plattenvertrag hatten.“

Die US-Rockband Paramore schuf mit „Last Hope“ einen Motivations-Hit für The Aces.

Das neue Aces-Album „Under My Influence“ erscheint am ­ 12. Juni auf Red Bull Records. theacesofficial.com

RED BULL RECORDS

FLORIAN OBKIRCHER

Bassistin, 24 Wie der Rest der Band wuchs auch sie in Utah auf. Cristal nennt McKenna das „Yoga-/Koch-/SocialMedia-Genie“ der Band.

The Aces (von links): Cristal, Katie, Alisa und McKenna

THE RED BULLETIN

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Psychologe, 48, AUS/GBR Er ist Mitentwickler des Red Bull Wingfinder-Tests (wingfinder.com), mit dem du deine beruflichen Stärken analysierst.

Adam Yearsley Plötzlich Homeoffice

BEDEUTUNG „Ich werde etwas daraus lernen.“

Jeder Mensch reagiert anders auf Veränderung. Aber diese Phasen kommen häufig vor.

STIMMUNG

LEUGNUNG „Es wird mich nicht so sehr betreffen.“

SCHOCK „Ich kann nicht glauben, dass das passiert.“

FRUSTRATION „Es ist schwieriger, als ich dachte.“

WIDERSTAND „Ich möchte, dass es vorbei ist“

EXPERIMENTIEREN „Ich werde etwas Neues ausprobieren.“

AKZEPTANZ „Es ist, was es ist.“

the red bulletin: Herr Yearsley, was ist die größte Herausforderung, wenn man wochenlang zu Hause arbeitet? adam yearsley: Interessanter­ weise müssen wir bei monate­ langem Homeoffice ähnliche Pro­ bleme lösen wie Astronauten, die für Langzeit-Raumflüge proben: Wie kommen wir bei der Arbeit allein oder mit wenigen Menschen auf engem Raum zurecht? Sie haben ein 10-Punkte-Homeoffice-Programm entwickelt (s. Fußnote), was raten Sie uns? Zwei der wichtigsten Punkte: einen eigenen, abgetrennten Arbeitsbereich schaffen – auch wenn er noch so klein ist und Sie einen Teil des Zimmers abtrennen. Ebenfalls wichtig: Ziehen Sie sich morgens für die Arbeit um. 38

Warum ist das wichtig? Weil wir Gewohnheitstiere sind. Gewohnheiten triggern Reaktio­ nen in unserem Gehirn. Sie denken anders, wenn Sie Arbeits­ kleidung tragen. Wenn Sie im Pyjama arbeiten, kriegen Sie diese Denkweise nicht hin.

Homeoffice wird generell ­immer wichtiger. Nun haben wir lange geübt. Was können wir aus dieser Zeit mitnehmen? Im besten Fall mehr Vertrauen von den Vorgesetzten. Manager hingegen sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter immer den Nutzen ihrer Aufgaben kennen. Und generell: dass wir uns auf­ merksamer zuhören. Im Video-Chat oder wenn wir uns wieder im Büro treffen? Beides. Ein guter Tipp ist, immer den Menschen vor das Thema zu setzen: Bevor Sie ein Gespräch beginnen, nehmen Sie sich eine Minute Zeit und fragen Sie Ihren Kollegen oder Ihre Kollegin, wie es ihm oder ihr gerade geht. 10 Homeoffice-Strategien: redbulletin.com

THE RED BULLETIN

ANDREAS ROTTENSCHLAGER

Ein Psychologe erklärt, was Arbeit im Homeoffice mit Reisen ins Weltall zu tun hat und wie wir unsere ­Kollegen dank der Krise in Zukunft besser verstehen.

SANDRA SCHARTEL/DIE-PHOTOGRAPHIE

Zu Hause stärker werden

Ich soll mich also anziehen, als würde ich ins Büro gehen, obwohl ich daheim bin? Genau. Und abends, wenn Sie fertig sind, wechseln Sie dafür in Freizeitkleidung. Sie gehen quasi „mental nach Hause“.

FARGO CIRCLE STUDIO/TOBY LEIGH

ZEIT


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Dan Atherton

Downhill-Pionier, 38, GBR Der ältere der beiden AthertonBrüder sucht stets nach ­herausfordernden Trails.

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Gee Atherton

Zweifacher MountainbikeWeltmeister, 35, GBR Der mittlere Atherton versuchte sich auch als Rallye-Pilot.

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Rachel Atherton

Fünffache DownhillWeltmeisterin, 32, GBR Sie ist eine der erfolgreichsten Athletinnen ihres Sports.

DAN WILTON

RUTH MORGAN

Facebook Facebook ist Silber, ist Silber, meine Familie meine Familie ist Gold ist Gold Es ist kein Zufall, dass die drei SuperstarGeschwister der Mountainbike-Szene in Wales nah beieinander leben, demselben Rennteam angehören und gemeinsam eine Bike-Firma gegründet haben. Zu wissen, dass sie stets füreinander da sind, sagt die ­fünf­fache Downhill-Weltmeisterin ­Rachel Atherton, habe ihr und ihren Brüdern Dan THE RED BULLETIN

und Gee geholfen, Herausforderungen zu stemmen. „Klar gibt es Konkurrenz, wenn du mit Geschwistern aufwächst, die den­ selben Sport betreiben. Aber Dan sagte immer: ‚Du kannst die Beste der Welt werden, wenn du genug Zeit und A ­ rbeit investierst.‘ Wichtig ist aber auch eine liebende Familie, gerade wenn du scheiterst. Erst das macht

England’s First ­Family of Mountain­ biking (von vorn im  Uhrzeiger­sinn): Rachel, Dan und Gee Atherton

dich richtig frei. Im Zeit­alter von Social Media ­bedeutet mir diese reale ­Verbindung mehr denn je. Facebook und Instagram? Sind nicht real. Meine ­Familie und mein Team sind die Leute, die sich um mich kümmern. Egal ob ich gewinne oder verliere.“

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Aktivist und Autor, 59, USA Schreibt für „Harper’s“, „Rolling Stone“ u. a. Das Magazin „Foreign Policy” zählt ihn zu den wichtigsten 100 Vordenkern der Welt.

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Bill McKibben

Illustrator, 39, CAN Zeichnet für „Time“, „Wall Street Journal“ oder „The Guardian“. Seine Bilder sind so gesellschaftskritisch wie farbkräftig.

Sébastien Thibault

Die große Chance der Wirklichkeit Vielleicht bringt ein winziger Krankheitserreger die Menschheit endlich dazu, die Wissenschaft ernst zu nehmen. Und vielleicht rettet das unseren Planeten. Text BILL McKIBBEN  Illustrationen SÉBASTIEN THIBAULT

D

ie kleine, stachelige Mikrobe hat etwas von einer außerirdischen Invasion: Sie tauchte­ aus heiterem Himmel auf, wurde inner­ halb kürzester Zeit zu einer fundamentalen ­Be­drohung für den gesamten Planeten. Und weil sie – wie bei Aliens üblich – keinen Unter­ schied macht zwischen sozialen Schichten, Rassen­ oder Staaten, ist sie ein gemeinsamer Feind der ­gesamten Menschheit. Eigentlich wäre eine solche Situation eine ­fantastische Chance für einen globalen Schulter­ schluss. Doch so sahen das leider nicht alle: Der ­eine oder andere politische Führer suchte Schul­ dige in anderen Staaten, und es gab Menschen, die die Pandemie als Vorwand nutzten, um ihren­

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Rassismus auszuleben. Man denke nur an den ­asia­tisch-amerikanischen Arzt, der in Manhattan in ­einen Eisenwarenladen ging, um Schutzmasken für seine Mitarbeiter zu kaufen – und auf dem Park­ platz von drei Schlägern attackiert wurde, weil sie meinten, „die Chinesen“ verbreiteten das Virus. Das andere, das beeindruckende Gesicht des ­Homo sapiens zeigte sich zum Glück viel öfter: Ärz­ tinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger in aller Welt gingen wie selbstverständlich zur Arbeit, auch wenn sie nicht ausreichend geschützt waren. Ebenso wie Kassiererinnen und Kassierer in Supermärkten, Burschen, die dort die Brotregale füllen, Typen auf Motorrädern, die Lebensmittel an Leute liefern, die ihre Wohnung nicht verlassen dürfen. Jeder Einzelne THE RED BULLETIN


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von ihnen wusste vom Risiko, das er eingeht – und dennoch taten sie alle ihre Arbeit. Weil sie wussten, was zu tun war. Weil sie wussten: Es gibt Geschehnisse, auf die man reagieren muss. Punkt. Kein Rumdiskutieren, kein Rauszögern, kein Relativieren. Das ist die große Botschaft dieser Helden im Kampf gegen Covid-19. Es ist eine Botschaft, die uns alle retten könnte. Seit Generationen tun wir so, als würde uns die Realität eine Wahl lassen. Als wären Fakten nur ­unverbindliche Empfehlungen. Obwohl Wissenschaftler immer verzweifelter vor einer drohenden

„ Es gibt Dinge, auf die man reagieren muss. Punkt. Kein Rumdiskutieren, kein Rauszögern.“

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Katastrophe für die Menschheit warnten. Obwohl sie auf einen dramatischen Anstieg der Temperaturen hinwiesen. Und obwohl Satelliten das Abschmelzen des arktischen Eises dokumentierten.

W

ir hörten alles, sahen alles, verstanden alles. Aber wir schauten nicht hin. Die Einzigen, die die Veränderungen ernst nahmen, waren diejenigen, die die Veränderungen in der Natur hautnah mitbekamen. Landwirte, deren Ernte verdorrte. Und Feuerwehrleute, die mit immer gewaltigeren Bränden zu kämpfen hatten. Doch was taten wir, die schweigende Mehrheit? Nichts. Wir ignorierten die Fakten. Wir behandelten­ Wissenschaft wie etwas, was mit sich verhandeln lässt. Wir dachten, die Physik würde uns auf halbem Weg entgegenkommen. Es ist leicht, sich in eine Fantasiewelt zurückzuziehen, wenn man die meiste Zeit auf Facebook und Instagram verbringt. Das Coronavirus schlug die Tür zu dieser heilen Fantasiewelt krachend zu. Mit einem Mal zwang es uns, anzuerkennen, dass Naturwissenschaft ­Realität ist. Ein ­Virus lässt sich nicht bestechen. Es macht keine Kompromisse. Wir mussten die Fakten akzeptieren und unser Verhalten ändern, weil es das bestimmt nicht tun würde. Das Virus zwang uns, unser Leben auf den Kopf zu stellen. Plötzlich hatte jeder von uns etwas von dem Abenteurer, der einen Schlitten durch die Antarktis schleppt oder mit dem Mountainbike einen schmalen Gebirgsgrat entlangradelt: Wir waren exponiert. Wir waren THE RED BULLETIN


„ Das Coronavirus schlug die Tür zu einer heilen Fantasiewelt krachend zu. Mit einem Mal zwang es uns, anzuerkennen, dass Naturwissenschaft Realität ist.“ verantwortlich für das, was wir taten. Wir wurden aus unserer Komfortzone, die doch nur Einbildung war, geworfen. Die reale Welt hatte das Sagen. Die meisten von uns waren auf eine solche Si­tua­­ tion nicht vorbereitet. Wie auch? Aufgewachsen in einer hoch technisierten Welt, in Städten oder Vorstädten, die Natur tief unter vielen Schichten aus Beton und Asphalt versteckt. Plötzlich gibt die Natur die Regeln vor: einen Meter Abstand halten, zehnmal am Tag die Hände waschen, zu Hause bleiben. Wer die Regeln der ­Natur bricht, gefährdet sein Leben.

E

iner der wichtigsten Faktoren der naturwissen­ schaftlichen Realität ist Zeit. Wenn Sie Luft für drei Stunden in Ihrer Taucherflasche haben, sollten Sie besser nach 2 Stunden und 45 Minuten zur Oberfläche zurückkehren. Wenn das Unwetter auf dem Berg für 16 Uhr vorhergesagt ist, sollten Sie es bis 15.30 Uhr zum Parkplatz oder zumindest unter die Baumgrenze geschafft haben. In der abstrakten Welt der Politik jedoch sieht es mitunter so aus, als wäre die Zeit abgeschafft: Man kann ewig dieselbe Debatte führen, von einer Wahl zur nächsten – ohne den geringsten Fortschritt. Die Möglichkeit, alles zu zerreden und aufzu­ schieben, nach faulen Kompromissen zu suchen, ist ein Grund dafür, dass Probleme wie der Klima­ wandel für die politischen Systeme so schwer zu bewältigen sind. Weil sie ganz reale Probleme sind, die ein Handeln erfordern: Tun wir nichts, werden­ sie zwar langsam, aber stetig und unwiderruflich schlimmer. Das Kohlendioxid-Molekül zwingt uns vielleicht nicht zu so schnellen Reaktionen wie das Coronavirus. Aber es lässt sich genauso wenig zu Kompromissen überreden. Physik und Chemie ver­ handeln nicht – sie handeln. Wenn man die Menge x an Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst, steigt die Temperatur um y Grad. Punkt. Das ist berechenbar, messbar, vorhersehbar. Wenn Neigungswinkel und Schneelage passen, wird die Lawine abgehen. Egal

THE RED BULLETIN

ob Ihnen das jetzt passt oder nicht. Sie können sich lediglich aussuchen, ob Sie ihr im Weg stehen. Nehmen wir an, wir hätten die Warnungen der Wissenschaftler vor 30 Jahren ernst genommen, als sie uns in Wahrheit dasselbe sagten wie heute. Nehmen wir an, wir hätten damals gehandelt – nur ein paar kleine Änderungen, und wir hätten heute das Schlimmste der Klimakrise überstanden.­ Damals hätten ein paar Grad Kursänderung ge­ nügt. Aber wir sind stur geradeaus gefahren, und jetzt stehen wir vor riesigen Schwierigkeiten, vor einer massiven, nachhaltigen, grundlegenden Ver­ änderung unseres Lebens. Wir haben die vergangenen 30 Jahre in einer Fantasiewelt gelebt, weil es für uns alle bequemer war, uns nicht zu ändern. Die Coronavirus-Pandemie zeigt uns, wie sich die großen Herausforderungen der Natur bewältigen lassen. Die Länder, die sehr schnell Maßnahmen ­ergriffen haben, die Patienten systematisch getestet und größere Versammlungen rigoros verboten ha­ ben, sind mit einem blauen Auge davongekommen. Die Länder, die durch Zögern viel Zeit verloren ­haben, mussten viel mehr Tote beklagen und haben ihre Wirtschaft nachhaltig beschädigt.

M

an kann der Realität nicht ausweichen. Die Welt ist nicht das, was wir auf den Bildschir­ men unserer Handys sehen. Die Welt ist das, was draußen passiert. Wer schlecht ausgerüstet zu einer ­Expedition aufbricht, wird verdursten oder erfrieren. Wer bei einer Skiabfahrt durch eine steile ­Felsrinne einen falschen Schwung macht, stürzt ab. In der wirklichen Welt gibt es kein Schummeln. Wir sprechen viel über Mut, wenn von Aben­ teurern die Rede ist und von Extremsportlern, die ihre Leistungen draußen in der Realität der Natur erbringen: den Mut, sich seinen Ängsten zu stellen, den Mut, den Schritt ins Ungewisse zu wagen, den Mut, sein Leben zu riskieren. Aber vielleicht besteht der ultimative Mut ein­ fach darin, sich den Tatsachen zu stellen? Nicht zu versuchen, sich selbst zu täuschen, sondern einfach das zu tun, was getan werden muss? Nein, es gibt nichts Gutes an dieser Pandemie, die dieses Jahr zerstört und so viele Menschen ­getötet hat. Dennoch werden die meisten von uns nicht sterben – und was uns nicht umbringt, sollte uns zumindest klüger machen. In diesem Fall ­bedeutet klüger: Wir müssen verstehen, dass uns die Realität keine Wahl lässt. Und Tapferkeit bedeutet, sich mit der Welt, in der man lebt, auseinanderzusetzen. Nicht mit der Welt, in der man gerne leben würde.

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Tennis-Profi, 26, AUT Der laut ATP-Ranking drittbeste Spieler der Welt erlebt die Höhen und Tiefen seines Sports ­schon seit 20 Jahren.

Dominic Thiem

Der Meister der Kurve Wie Tennis-Ass Dominic Thiem mit mentalem Druck umgeht – am Beispiel des AustralianOpen-Finales 2020 gegen Novak Djokovic.

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Handshake nach 3:59 Stunden Fight: Dominic Thiem und AustralianOpen-Sieger Novak Djokovic (re.)

3

5 1 . S a t z

1

2

„Der Verlust des ersten Satzes schmerzt. Gegen einen großen Spieler wie Djokovic noch mehr. Die Satzpause hilft. Durchatmen, analysieren: Es war eng, aber ich bin dran. Und gleich habe ich Rückenwind. ­Äußere Bedin­gungen kann ich nicht ä­ ndern. Aber ich kann solche Kleinig­keiten für mich nutzen, mich an ihnen hoch­ziehen.“

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2. Satz

„Djokovic ist jetzt da, wo ich ihn haben will: Er hadert mit sich, spielt nicht gut. Jetzt muss ich ruhig bleiben, konzentriert spielen und ihn so lange wie möglich in dieser Situation halten. Mehr noch als bei meinen eigenen Fehlern versuche ich mich bei seinen so ruhig wie möglich zu verhalten. Ich will ihn nicht reizen.“

3. Satz

4. Satz

3 „Seit diesem Satz bin ich ‚in the zone‘: keine spürbaren Tiefs, nur Tennis. Ich mag ein Game schlecht spielen, zwei, drei Punkte verhauen – das macht mir alles nichts aus. Ich weiß um meine Stärken, die mich so weit gebracht haben. Fehler sind schnell vergessen. Ich suche nur meine Chance, den nächsten Punkt zu machen.“

5. Satz

4 „Ich stehe schon über drei Stunden auf dem Platz. Es ist sehr einsam hier unten. Zum Glück habe ich meine Box, an die ich mich wenden kann: meinen Coach, meine Familie. Ich sehe vertraute Gesichter, Menschen, die an mich glauben. Ihre Energie pusht mich enorm. Je schlechter es läuft, desto öfter schaue ich rauf. Dann geht’s mir besser.“

danach

5 „Aus, verloren. Und jetzt: pure Leere! ­Siegerehrung, Presse, Verpflichtungen. Nicht angenehm. Fünf Tage lang fühle ich mich grässlich. Doch dann kann ich alles richtig einordnen: Ich habe ­gegen den achtfachen Sieger des Turniers ­unglaublich gespielt. Und das nächste Duell kommt bestimmt …“

THE RED BULLETIN

PHILIPP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES

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CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

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Sängerin, 27, GBR Begann als MySpace-Star, schreibt Welthits ( „ Boom Clap“), lässt sich von Hausarrest so was von nicht einbremsen.

Charli XCX

MARCUS COOPER/WARNER MUSIC, CARLO CRUZ/RED BULL CONTENT POOL, ALEX GRYMANIS/RED BULL CONTENT POOL, GETTY IMAGES(3), RYAN TAYLOR/RED BULL CONTENT POOL, NETFLIX NORA O’DONNELL

„ ICH PRODUZIERE SONGS MIT DINGEN, DIE BEI MIR DAHEIM RUMFLIEGEN. GEIL! LASST UNS EIN KRANKES ALBUM MACHEN!“

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Eishockey-Spielerin, 30, USA Die Stürmerin erfüllte sich im Nationalteam nach Silber 2010 und 2014 im dritten Anlauf, 2018, den Traum von Olympiagold.

Hilary Knight

Netflix macht mich fit Eis­hockey-Profi Hilary Knight findet: Binge Watching und Workout passen gut zusammen. Die Netflix-Reality-­Datingshow „Liebe macht blind“ ist, wenn wir ehrlich sind, alles andere als Bildungsfernsehen. Dennoch wurde sie für viele zum heimlichen TV-Laster Nummer eins. Für die Eishockey-Olympiasiegerin ­Hilary Knight und ihre Nationalteam-Kollegin Hannah Brandt war die Show mit dem ausgeprägten Fremdschäm-Faktor aber auch Anlass, eine Heim-Workout-Challenge zu erfinden, die so geht:

1. Eine Episode von „Liebe macht blind“ wählen.

Charli XCX ließ via Zoom wissen, dass sie ihr angekündigtes Album verschieben und stattdessen ein ganz neues machen wolle. Aufgenommen ausschließlich mit Dingen aus ihrem Haushalt und im Online-Austausch mit Fans: „Ich will euch in den gesamten Prozess einbinden.“ Et voilà: „How I’m Feeling Now“ erscheint am 15. Mai. Weitere Infos unter: twitter.com/charli_xcx

2. Krafttraining: Bei jedem „Ich liebe dich“ machst du zehn Liegestütze oder Sit-ups.

3. Cardiotraining: dazwischen wahlweise Knie­ beugen, Seilspringen oder Hampelmänner.

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Fußball-Profi, 28, BRA Der Superstar von Paris Saint-Germain und der ­„ Seleção“ ist u. a. Olympia- und Champions-LeagueSieger, spanischer und französischer Meister und gilt als einer der besten Stürmer der Welt.

Neymar Jr Inbox: “THE POWER OF LIFE” Issue Re

Thoughts in these times

To

The Red Bulletin

From Neymar da Silva Santos Júnior <neymar@xxxxxxxxxx>

E-Mail von Neymar Jr Wie vertragen sich Ernsthaftigkeit und brasilianische Lebensfreude? Neymar Jr und eine Nachricht aus ­unserer Inbox.

Friday, 10 April, 2020 at 09:57

Olá Se eu pensar só em mim e na minha equipe, o PSG, pergunto a você: Tinha momento mais inadequado para os campeonatos pararem ?? Mas acho que agora é hora da gente cuidar do planeta, de salvar vidas. É hora dos especialistas e governantes tomarem as decisões mais corretas possíveis para salvar o maior número de vidas. Os dirigentes de clubes e federações terão as respostas adequadas para esta questão. Eu vou continuar treinando, todos os dias, esperando o retorno aos gramados porque eu sei que o esporte voltará. O esporte é muito importante na vida de cada ser humano e voltará ainda mais forte, tenho certeza. Eu passei um bom tempo em reclusão, isolamento em razão das lesões que sofri em 2018 e 2019. Foram momentos muito difíceis mas que me deram um aprendizado muito grande relacionado a manter foco, me recompor e recuperar a autoconfiança. Então este momento, individualmente, eu conheço bem e sei exatamente o que fazer para pra manter a cabeça boa. A grande diferença é que agora não e uma questão individual. Essa pandemia parou o mundo e não sabemos quando nem como as coisas ficarão depois que isso tudo passar. Não é só uma questão de “manter o foco”, mas de preocupação com as nossas famílias, com as pessoas que amamos e com o planeta. Vamos ficar em casa, cuidando uns dos outros e esperar esse momento passer São três cães, o Poker, o Flush e o Truco. São meus zagueiros neste período. Hahahahaha Eles moram no Brasil e é muito bom passar esse período com eles, sempre gostei muito de cachorros. E não tem muita técnica pra treinar com eles não, é só jogar à bola e correr q eles vêm todos juntos pra me desarmar... E vou te falar, eles dão trabalho pra mim... hahahahaha Eu que tenho que melhorar pra enfrentá-los. Hahahahahahaha

TOM GUISE

Hallo! Würde ich nur an mich und mein Team, PSG, denken, würde ich fragen: Gab es je einen unpassenderen Zeitpunkt, um eine Meisterschaft zu stoppen? Aber ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, uns um unseren Planeten zu kümmern. Es ist die Zeit für Experten und Regierungen, die möglichst richtigen Entscheidungen zu treffen, um so viele Leben wie möglich zu retten. Der Klub und die Verbands-Offiziellen werden passende Antworten finden. Ich trainiere weiter jeden Tag und warte darauf, auf den Platz zurückzukehren, weil ich weiß, dass der Sport zurückkommen wird. Sport ist wichtig im Leben jedes Menschen, und ich bin mir sicher, dass der Sport noch stärker zurückkommen wird. 2018/19 war ich verletzt, ich verbrachte lange Zeit in Abgeschiedenheit, in Isolation. Das war eine schwierige Zeit für mich. Aber ich lernte, wie man fokussiert bleibt und wie man sein Selbstvertrauen zurückgewinnt. Ich persönlich kenne das, was gerade passiert, also sehr gut. Und ich weiß, was ich tun muss, damit ich den Faden nicht verliere. Der große Unterschied ist, dass es sich diesmal nicht um einen Einzelnen dreht. Es ist nicht meine Pause. Es ist eine Pause der Welt. Diese Pandemie hat die Welt aufgehalten, und wir wissen nicht, wie die Dinge stehen werden, wenn sie vorbei ist. Wir wissen nicht einmal, wann sie vorbei sein wird. Es geht nicht nur darum, „fokussiert zu bleiben“, sondern um die Sorge um unsere Familien, die Menschen, die wir lieben, und den Pla­neten. Bleiben wir daheim, kümmern wir uns um uns, und warten wir, bis alles vorbei ist. Ich habe drei Hunde: Poker, Flush und Truco. Sie sind momentan meine Trainingspartner, hahaha.

Neymar Jr mit seinen neuen Teamkameraden zu Hause nahe Rio de Janeiro

Sie leben in Brasilien, und es ist großartig, Zeit mit ihnen zu verbringen. Ich hab zwar keine Ahnung vom Hundetraining, aber ich laufe mit dem Ball los, und sie stürmen hinter mir her, um ihn mir abzujagen ... Und ich sage euch, ich muss mich ganz schön anstrengen ... hahahaha. Ich muss besser werden, damit ich eine Chance gegen sie habe. Hahahahahaha! Viele Grüße – und passt auf euch auf! Neymar Jr 46

THE RED BULLETIN

COURTESY OF NEYMAR JR., HADRIEN PICARD/RED BULL CONTENT POOL

ÜBERSETZUNG:

Valeu, um abraço, Neymar Jr


„Jetzt ist es an der Zeit, uns um unseren Planeten zu kümmern!“ Neymar Jr setzt auf Experten und Regierungen und darauf, dass wir alle an einem Strang ziehen.


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Die Internationale Raumstation ist eine Art Satellit, bewohnt von drei bis sechs Astronauten. Nach rund sechs Monaten an Bord dürfen sie zur Erde zurück.

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ISS-Crew

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Andrew Morgan

NASA-Flugingenieur, 44, USA Der ehemalige Begleitarzt des Fallschirmsprung-Teams der US Army ist seit 2013 ­Astronaut. Seine jüngste ISS-­ Mission dauerte neun Monate.

Jessica Meir

NASA-Flugingenieurin, 42, USA Absolvierte am 18. Oktober 2019 mit Kollegin Christina Koch den ersten rein weib­ lichen Raumspaziergang der Geschichte.

Chris Cassidy

NASA-Flugingenieur, 50, USA Ex-Angehöriger der US Army und der Navy SEALS. Seit 2004 Astronaut. Er ist derzeit zum zweiten Mal auf der ISS.

-0:45

Jessica Meir (Mitte) mit Kollegen Morgan (li.) und Cassidy beim Red Bulletin-Interview in der ISS. Videos aus der Raumstation gibt es auf dem NASA-Kanal von YouTube.

Sehr weit weg und doch ganz nah Interview TAHIRA MIRZA  Text TOM GUISE

Als sich Jessica Meir im April für den Rückflug von der ISS fertig macht, erwartet sie eine andere Erde als jene, die sie am 25. September 2019 vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan aus verlassen hatte. Das liegt nicht nur an Corona. Wer die Welt zum ersten Mal vom All aus sieht, erlebt eine psycho­ logische Erfahrung namens „Overview-Effekt“. So nennt man die schlagartige Erkenntnis, dass unsere Welt nur eine winzige, zerbrechliche Kugel inmitten unendlicher Leere ist. Ein Ort voller Leben, den nur eine dünne Haut aus Atmosphäre vor dem Nichts rundum schützt. Grenzen, menschliche Konflikte? Bedeutungslos. Andrew Morgan hat zum Zeitpunkt des Interviews mit The Red Bulletin neun Monate auf der ISS hinter sich. Was kann er uns über Isolation 48

sagen? „Mein Fachgebiet“, lacht er. „Das Wichtigste ist ein strikter Tagesablauf. Wir absolvieren sogar Fitnesstraining, Hygiene und Schlaf genau nach Plan. Sehr wichtig ist auch der respektvolle Umgang miteinander – auf der Erde genauso wie hier oben. Wir sehen uns das ganz genau an, wenn die Stimmung mal nicht gut ist.“ Meir: „Alltag bedeutet für uns, auf unterschiedliche Situationen zu reagieren, uns auf sie einzulassen, mit unerwarteten Problemen fertig zu werden. Als Astronaut wird man auf so etwas gezielt vorbereitet. Auch dass man das Positive in jeder Situation sieht. Die aktuelle Weltlage bringt alle möglichen schrecklichen Dinge mit sich, aber ich hoffe, dass sie auch ihre guten Seiten hat. In der Isolation erkennt man, wie wichtig die Beziehung zu unseren Liebsten für uns Menschen ist. Vielleicht können wir uns danach, wenn alles über­ standen ist, daran erinnern, was im Leben wirklich von Bedeutung ist: einander ein bisschen mensch­ licher zu behandeln.“ Alle Videos der ISS- und weiterer Missionen gibt es unter youtube.com/user/NASAtelevision

NASA

Wie steht man Quarantäne durch? Was kann man in der Einsamkeit lernen? Ein Video-Call mit den Astronauten der Internationalen Raumstation.

THE RED BULLETIN


Meir (von Mit-Astronautin Christina Koch fotografiert) beim Außenbordeinsatz für ein Upgrade des ISS-Stromversorgungssystems. Unter ihr: der Pazifik vor der neuseeländischen Küste.

Die 109 Meter lange, 73 Meter breite ISS umkreist die Erde alle 90 Minuten in 350 bis 400 Kilometer Höhe. Dabei erreicht sie ein Tempo von 27.500 km/h und erlebt pro Tag 16 Sonnenauf- und -untergänge. THE RED BULLETIN

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Musik-Legende, 52, GBR Radiohead-Gitarrist, prägt unser Verständnis von Rockmusik. Auch weil er zwischendurch mal in den Wald geht.

Ed O’Brien

Ed hat ’ne Meise aus Liebe zur Natur

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MARCEL ANDERS

„1998 war ich ziemlich unglücklich darüber, wie es mit der Band lief. Wir tourten mit ‚OK Computer‘ (dem legendären Radiohead-Album; Anm.), und es wurde einfach zu viel. Ich war erschöpft, depressiv und trank zu viel. Ich konnte mit dem plötzlichen Erfolg und dem Medien­ rummel nicht umgehen. Zu Hause kam ich bei langen Spaziergängen im Grünen wieder runter. In der Natur zu sein war die beste Art, den Kopf freizukriegen und auf neue Gedanken zu kommen. Vögel zu beobachten und sie singen zu hören war ein wichtiger Teil davon. Mein Großvater hatte das geliebt. Ich weiß noch, wie er uns Kindern im Urlaub in Cornwall mit dem Fernglas Vögel gezeigt hat. Er verehrte und bewunderte sie. Damals begriff ich das nicht richtig, aber je älter ich werde, ­desto mehr verstehe ich seine Faszination. ­Einfach in der Natur zu sein, allein mit Bäumen und Vögeln – es gibt kaum etwas Schöneres.

Es ist unglaublich, wie fantastisch sie trotz ihrer geringen Körpergröße singen können. Ihr Stimm­umfang ist umwerfend … geborene Opernsänger. Und sie früh am Morgen zu hören, in diesem überschwänglichen Buhlen um den ­einen Partner, das ist wunderschön. Das hat ­eine so lebensbejahende, heitere Anmutung, die uns Menschen wahnsinnig guttut. Wir merken, dass wir am Leben sind und welche Schönheit diese Welt für uns bereithält. Nichts verkörpert Freiheit so sehr wie Vögel. Wales (wo O’Brien die Musik für sein gerade ­erschienenes Debütalbum „Earth“ schrieb; Anm.) ist ein Vogelparadies. Die Vielfalt ist enorm – Buchfinken, Goldspechte, Wintergoldhähnchen, Eisvögel, Schwalben und jede Menge Arten, die es nirgendwo sonst gibt. Seggenrohrsänger zum Beispiel, die liebe ich besonders. Sie sind extrem seltene, wundervolle Geschöpfe, die fantastisch singen. Sie zu beobachten erfüllt mich einfach mit purem Glück.“

UNIVERSAL MUSIC, NATURE PHOTOGRAPHERS LTD/ALAMY

Radiohead-Gitarrist Ed O’Brien bespielt die größten Bühnen aller Länder. Kraft tankt er im größten Opernhaus der Welt.

Eds Tipp: Birdsong Radio auf rspb.org.uk

THE RED BULLETIN


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Gaming-Streamer, 27, GER Sebastian Meyer alias „ Rewinside“ legt schon mal eine Nachtschicht ein, um ­tausende Fans bei guter Laune zu halten.

Rewinside

„ IM CHAT ERZÄHLEN MEINE FANS, WAS SIE BEWEGT. OFT HABE ICH FÜR SIE BIS VIER UHR MORGENS GESTREAMT.“

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Leichtathlet, 28, USA Er gewann Olympiamedaillen im Weit- und Dreisprung. Jetzt hat er eine Karriere als Musiker gestartet. Kostprobe? Bitte sehr!

Will Claye

„ Hey, hier ist ein Song für euch!“

Leichtathlet Will Claye hat ein Lied für alle Sportler geschrieben, die jetzt auf die Spiele in Tokio warten müssen. It’s like a million scenarios in my cranium 20/20 vision, all I see is packing the stadium Pride in my chest, steam in soul, medal round my neck They gon’ see around the globe Four years straight my eyes been on the prize Medal on my neck, see tears in my momma’s eyes It’s a lesson when dealing with Father Time I know it’s coming, the dream is never denied

LEO ROSAS/RED BULL CONTENT POOL

JOHANNES MITTERER, NORA O’DONNELL

Dreams don’t die, they multiply over time As long as you keep in mind to never settle your grind Some see a six, I flip and see a nine, That’s three more shots in my chamber I get to fire Tap in with the squad ‘n’ tell ’em don’t get complacent Get it how you get it, we trappin’ up out the basement Mamba mentality fuelling the separation The grind beats talent, when talent don’t hit the day shift Tryna build a spaceship, Elon Musk Diamonds grow under pressure, we don’t bust When they hit my line, I’ll be taking it to the sky Ain’t nothing on site that we gon’ leave untouched Dreams don’t die, they just multiply I’m built tough, I can’t stop my grind Auf seinem Kanal twitch.tv/rewinside verfolgen Nutzer, wie Rewinside Games spielt und kommentiert. Im Chat können sie sich untereinander und mit ihm aus­tauschen.

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Für Will Clayes Musik­video ­einfach den QRCode scannen!

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Abenteurer und Fotograf, 52, SUI Führt exklusive Expeditionen für kleine Gruppen an – zum Beispiel zum Nordpol. Lebt in Beatenberg im Kanton Bern.

Thomas Ulrich

So überlebte ich vier Tage auf einer Eisscholle Er trieb mutterseelenallein durch die Arktis und lernte auf die harte Tour, wie man cool bleibt. Ganz oben: Verabschiedung von Begleiterin Christine Kopp am Kap Arktitscheski im Nordpolarmeer – von hier sind es noch genau 990,7 Kilometer zum Nordpol. Oben: In diesem Zelt harrte Thomas Ulrich vier Tage aus, bevor er gerettet wurde. Auf unserem Bild ist das Eis noch heil – später brach es in kleine Schollen auseinander.

Eisscholle fest. Anfangs ist er panisch, dann schau­ kelt ihn das Auf und Ab des Meeres in eine fast ­meditative Ruhe. Er erkennt: „Das Leben ist nicht sicher – aber Veränderungen sind keine Katastro­ phe.“ Als er von einem Helikopter geborgen wird, hat er gelernt, sich – buchstäblich – auf dünnem Eis zu bewegen. „Ich weiß jetzt, wie man in Krisen ruhig bleibt. Umbrüche machen mich seit damals nicht mehr panisch.“  thomasulrich.com

THOMAS ULRICH, ULI WIESMEIER

WOLFGANG WIESER

Der Mann, der sich im Bild unten im knallorangen, wasserdichten Anzug durchs Eismeer kämpft, heißt Thomas Ulrich. Er ist ein Routinier, wenn es um arktische Abenteuer geht. Und einer, der verstanden hat, dass nur aus der Ruhe Kraft erwächst. Genau deshalb ist er noch am Leben. Die Geschichte, die ihn bis heute prägt, führt uns ins Jahr 2006. Thomas Ulrich will im Alleingang die Arktis von Russland nach Kanada durchqueren. Als er aufbricht, hat er eine Woche am Kap Arktitscheski verbracht, einem recht unwirtlichen Ort. „Ich habe die Geduld ver­ loren, ein Fehler.“ Dazu kommt, dass das Eis in dem Jahr dünn ist – an manchen Stellen nur 15 Zenti­ meter. Schon nach wenigen Kilometern wird die Tour zum Desaster. Ein Sturm drückt die Eisdecke gegen das Land. Sie bricht. „Einen Meter neben meinem Zelt klaffte ein Riss, auf der anderen Seite öffnete sich der nächste, dann der dritte, der vierte“, erinnert sich Thomas. Er sitzt vier Tage auf einer

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Kajak-Ass, 24, GER Der Heidelberger bezwingt die wildesten Gewässer. Doch seine härteste Prüfung bestand er, als er 2018 ausgeraubt wurde.

Adrian Mattern

PANTHERMEDIA, DANE JACKSON/REDBULL US ATHLETE , ENNO KAPITZA, GETTY IMAGES (2) MARC BAUMANN, NICLAS SEYDACK

Dieses Kabel war alles, was mir blieb „Für ein Kajak-Abenteuer war ich in Chile unterwegs, als Diebe mein Auto ausräumten: Kameras, Laptop, Smartphone – alles war weg, außer mein Ladekabel. Als Profisportler lebe ich von meinen Videos. Ohne Ausrüstung konnte ich keine mehr produzieren – eine Katastrophe. Aber dann sagte ich mir: Schau, was du schon erreicht hast: aus Heidelberg zum Kajak-Profi. Dieser positive Blick zurück machte mir Mut. Ich hatte früher auf dem Bau und als Türsteher gearbeitet, also machte ich das wieder, bis ich mir neue Sachen kaufen konnte. Wenige Monate später war ich wieder auf dem Wasser.“

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Ski-Profi, 26, GER Nach seinem Sensationssieg auf der Streif kostete ihn ein Sturz die Folgesaison. Am Tiefpunkt erreichte ihn unerwartete Hilfe.

Thomas Dreßen

„ DER ZUSPRUCH MEINER GEGNER GAB MIR KRAFT FÜR DAS COMEBACK.“

Im November 2018 verletzte sich Dreßen in Beaver Creek, Colorado, bei der zweiten Weltcup-Abfahrt schwer und musste die Saison beenden. „Noch im Krankenhaus schrieben mir viele Konkurrenten“, erzählt Dreßen. „Zu lesen, wie sie ähn­liche Situationen bewältigt hatten, gab mir Kraft.“ In der folgenden Saison gewann er drei Weltcup-Abfahrten und beendete die Disziplinenwertung Abfahrt als ­Gesamtzweiter.

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Resilienz-Trainer, 47, GER 2000 wurde Wallert von Terroristen verschleppt, seine Erfahrung setzt er in der Krisenberatung ein.

Marc Wallert

A

Wie dem Göttinger Tatkraft, Hilfs­bereit­ schaft und Humor durch die größte ­Extremsituation seines Lebens halfen – und welche Möglichkeiten er in ihr erkannte. Text PETER PRASCHL

1 Ich nahm die Herausforderung an

Als meine Eltern und ich vor zwanzig Jahren entführt worden sind, war unser erster Gedanke: „Ach, hätten wir doch nicht auf den Nachttauchgang verzichtet, dann wären wir wahrscheinlich immer noch frei.“ So etwas ist eine total verständ­ liche und menschliche Reaktion – aber keine be­ sonders hilfreiche. Wenn man in eine schwierige Lage gerät, ist es wichtig, ihre Existenz zu akzep­ tieren, statt mit ihr zu hadern. Es ist, wie es ist. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen und die Vergangenheit nicht mehr ändern. Aber man kann versuchen, aus der Situation das Beste zu machen, und dafür wird man alle Energie brauchen, die man hat. Man sollte sie nicht vergeuden.

2 Ich bewahrte kühlen Kopf

Angst und Panik sind genauso gefährlich wie übertriebener Optimismus. Man hat dann entweder zu viel oder zu wenig Stress. Angst lähmt. Der Glaube, alles sei nur halb so wild, verführt zu Sorg­ losigkeit – und wenn’s dann doch schlimmer kommt, ist die Enttäuschung umso niederschmetternder. Nach unserer Entführung ist uns gesagt worden,

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STEPHANIE WOLFF, REUTERS

So bewältigte ich 140 Tage in Geiselhaft

m Ostersonntag des Jahres 2000 wurde der damals 27-jährige Marc Wallert zusammen mit seinen Eltern sowie 18 Touristen und Angestellten eines Hotels auf der malaysischen Insel Sipadan entführt und auf eine philip­ pinische Insel verschleppt. 140 Tage lang war er in Dschungelcamps einer islamistischen Terrorgruppe ge­fangen: schlechte Ernährung, katastrophale ­hygienische Zustände, Todesdrohungen, immer wieder Beschuss durch die philippinische Armee. Zwanzig Jahre danach ist Wallert, der als Berater und Führungskraft in internationalen Unternehmen tätig war, Resilienz-Trainer und -Berater – er hilft Menschen und Organisationen, ihre Widerstandskraft zu stärken. Hier erklärt er, wie er die Extremsituation im Dschungel meisterte.


Marc Wallert mit anderen Geiseln (o. li.), bei seiner kranken Mutter (o. re.), sitzend im Lager (u. li.) und nach der Befreiung (u. re.)

dass das alles in zwei, drei Tagen wieder vorbei sein wird – es sind dann 140 Tage geworden, bis ich wieder frei war. Es ist wichtig, sich ganz r­ ealistisch mit den Risiken auseinanderzusetzen, mit denen man es zu tun hat. Man muss sich mental und auch ganz faktisch auf eine lange Zeit des Durchhaltens einstellen, seine Gefühle ebenso einteilen wie zum Beispiel seine Nahrung, sonst kann man in eine fürchterliche Enttäuschungsspirale geraten.

3 Ich dachte mir ein Happy End aus

Wenn Leistungssportler in einen Wettkampf gehen, haben sie sich auch mental vorbereitet: Manche entwerfen innere Bilder, bei denen sie auf dem Siegertreppchen stehen oder ihre eigene Bestmarke übertreffen. Genauso habe ich mich gestärkt: indem ich den glücklichen Ausgang gedanklich vorwegnahm. Während meiner Entführung habe ich mir zum Beispiel immer wieder vorgestellt, wie ich nach meiner Freilassung in Luxemburg, wo ich damals gearbeitet habe, in einem Straßencafé sitzen und mir einen Cappuccino bestellen werde. Das hat meine emotionale Kondition gestärkt.

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„ Mein emotionales Kondi­tionstraining: Ich stellte mir vor, wie ich in meinem Lieblingscafé einen Cappuccino bestelle.“

4 Ich flüchtete in Gedanken

Man wird verrückt, wenn man sich pausenlos mit den Schwierigkeiten beschäftigt, in denen man steckt. Darum ist es hilfreich, sich gedank­liche Auswege zu gönnen. Man kann lesen. Man kann meditieren. Man kann seine spirituellen Seiten pflegen und entwickeln. Auf der Insel, auf der wir gefangen gehalten wurden, haben wir uns abends erzählt, was am jeweiligen Tag gut war. Wir haben uns Essen vorgestellt. Oder einander Geschichten erzählt. Über die Grenzen der Krise hinauszusehen gibt ­einem mehr Kraft, es mit ihr aufzunehmen.

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5 Ich handelte

In Situationen, in denen man zur Passivität und zum Abwarten gezwungen wird, hilft einem nichts mehr, als selbst tätig zu werden, so gut es eben geht. Wir haben uns damals im Dschungel zum Beispiel Dächer gegen die Regengüsse gebaut. Oder aufgeschrieben, was uns widerfahren ist. Sich der Situation zu ergeben macht einen schwächer, als man durch die Umstände ohnehin schon ist. ­Aktivität stärkt.

6 Ich half anderen

7 Ich nahm’s mit Humor

Wenn nichts mehr geht, hilft Galgenhumor. Er löst zwar nicht das Problem, aber die innere ­Anspannung. Ich habe zum Beispiel auf die durchaus ernstzunehmenden Enthauptungsdrohungen unserer Entführer mit dem Spruch „Jetzt bloß nicht den Kopf verlieren“ reagiert. Allerdings sollte man solche Witze nur über sich selbst machen und nicht auf Kosten anderer. Jeder hat seine eigenen Verletzlichkeiten, die man gerade in einer Krise besser nicht überstrapazieren sollte.

„ Wer bin ich? Was will ich in meinem Leben noch tun? Worauf werde ich gerne verzichten?“

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Endlich zurück: Wallert nach dem Ende der Geiselhaft (oben, 2. v. li.); mit seiner Mutter (unten), die vor ihm freikam

8 Ich hielt mich fit

Sport machen, sich bewegen, auf die eigene Ernährung und Körperhygiene achten: lauter Dinge, die immer wichtig sind. In Krisen sind sie noch wichtiger. Nicht nur, weil es die Selbst­achtung stärkt und bei der Bekämpfung von Lagerkoller und Langeweile hilft. Sondern vor allem, weil es einem die Kraft gibt, die man zum Durchstehen der Krise dringend braucht. Wenn wir im Dschungel nicht penibel auf unsere Körperhygiene geachtet hätten, hätten wir ebenso gut sterben können.

9 Ich sah Chancen

Jede Krise ist, so seltsam das klingen mag, auch eine Möglichkeit, sich selbst und sein Leben neu zu justieren. Hinterher einfach wie ein Stehaufmännchen genauso weiterzumachen wie davor bringt einen um diese Chance. Man hat endlich einmal die Zeit, sich jene Fragen zu stellen, für die man im Alltag meistens keine Zeit hat: Wer bin ich? Was will ich in meinem Leben noch tun? Worauf könnte ich in Zukunft, wenn das alles vorbei ist, verzichten? In Krisen kann man gut lernen, das ­Leben wertzuschätzen. REUTERS, PICTUREDESK.COM

Eine schwierige Situation lässt sich allein sicher schlechter durchstehen als gemeinsam mit anderen. Deswegen ist es wichtig, sich gut zu vernetzen, und solange man Telefon und Internet hat, ist das ja einigermaßen machbar. Sich über Erfahrungen austauschen, einander Trost spenden, sich Hilfe anbieten oder einfach nur Spaß miteinander haben: Das macht die Lage besser erträglich. Außerdem gibt es einem eine Aufgabe, wenn man anderen hilft – und in Lagen, die einen zur Passivität verdammen, ist es immens hilfreich, eine Aufgabe zu haben. Ich habe mich während der Entführung vor allem um meine Mutter gekümmert, die gesundheitlich und emotional recht angeschlagen war. Das hat mich weniger belastet als zum Durchhalten motiviert – ich wurde ja gebraucht.

Im März erschien Marc Wallerts Buch „Stark durch Krisen“ im Econ Verlag.

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Rennfahrer, 46, FRA Findet immer einen Weg zum Erfolg. 5-maliger Dakar-Sieger auf dem Motorrad. Mit dem Auto ist’s nur eine Frage der Zeit.

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Cyril Despres

Profi-Abenteurer, 53, RSA Äquator, Amazonas, Arktis, Dakar: Er setzt Projekte um, die sich andere nicht einmal zu denken trauen.

Mike Horn

Ich wusste: Das ist ein Fall für Mike

Halb verhungert auf Arktis-Expedition, eine Woche später in der Wüste Co-Pilot von Cyril Despres. Unmöglich? Nicht für Mike Horn. „Ende Oktober hatte ich noch keinen Beifahrer für die Rallye Dakar, die im Januar in Saudi-Arabien startete“, erzählt Cyril Despres, die französische Dakar-Legende. „Ich wusste: Das ist ein Fall für Mike Horn. Er ist vermutlich der einzige Mensch, der unvorbereitet zu so etwas in der Lage ist.“ Despres lag mit seiner Einschätzung nicht falsch. Horn hatte die Erde auf Höhe des Äquators ohne 58

Motor umrundet, den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung erkundet und sich mehrmals zum Nordpol begeben. Despres erreichte Mike Horn telefonisch auf dem arktischen Eisschild, wo der seit Ende August mit Ski unterwegs war, auf einer Expedition, die wegen Schlechtwetters und starker Eisdrift gerade richtig prickelnd geworden war. Doch Horn sagte sofort zu, seine Expedition abzubrechen und dem langjährigen Freund bei der Rallye Dakar als Beifahrer beizustehen. Eine Woche bevor er in der Wüste eintraf, wurde Horn per Helikopter aus der Arktis geborgen. „Man sah ihm die Strapazen noch an“, erinnert sich Cyril Despres, „er war abgemagert und aufgedunsen. Die Sonne hatte er seit vier Monaten nicht gesehen.“ Allein der Temperaturunterschied von minus 26 auf plus 30 Grad hätte viele andere umgehauen. Doch binnen 48 Stunden hatte sich Horn akklimatisiert. Mehr noch: Despres schwärmt noch heute von der „enormen Energie, die von Mike ausging. Das motivierte mich, ich fuhr noch schneller als sonst.“ Den beiden gelang sogar ein sensationeller Etappensieg, ehe ihr Buggy mit Motorproblemen liegenblieb. Pilot und Co-Pilot wären jedenfalls fit genug gewesen für mehr.

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SEBASTIAN DEVENISH, FLAVIEN DUHAMEL/RED BULL CONTENT POOL, PHILIPPE JACOB/RED BULL MEDIA HOUSE PATRICIA OUDIT

Mike Horn in der Arktis (li.). und in der Wüste (o. li.) an der Seite von Cyril Despres. Temperatur­ unterschied: 56 Grad


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Freeriderin und Wingsuit-Pilotin, 39, SUI Eine Frau fürs Extreme mit extrem viel Geduld: Auf ihren wichtigsten Sieg wartete sie sechs Jahre.

Géraldine Fasnacht

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Rapper, 26, GER/LBN Er flüchtete aus dem Libanon. Heute ist er Teil der erfolgreichen deutschen Rap-Combo KMN Gang.

Zuna

Klingeling! Auf nach Verbier!

@DIESERBOBBY, UNIVERSAL MUSIC, SÉBASTIEN BARITUSSIO, GETTY PREMIUM WOLFGANG WIESER, DAVID MAYER, SIMON SCHREYER

Es konnte ihr nie steil genug sein, schnell gehen musste es sowieso: Schon mit fünfzehn will Géraldine ­Fasnacht am „Verbier Extreme“, dem verrücktesten Snowboard-­ Rennen der Welt, teilnehmen. Doch der Veranstalter winkt ab: zu jung. Géraldine ist enttäuscht, bleibt aber hartnäckig: „Ich habe hart trainiert, bin viele Rennen g ­ efahren und habe die meisten gewonnen.“ Im Herbst 2001, sechs Jahre später, läutet ihr Handy. Man lädt sie nach Verbier ein. ­Géraldine gewinnt. Das ist ihr Start in das Leben als Snowboard-Profi. Warten zu können ist tatsächlich eine Tugend.

50 Cent inspirierte Zuna zu seiner eigenen Karriere.

„ Im Rap steckt die Power, die dich durchhalten lässt“ Im Alter von 15 floh Ghassan Ramlawi, heute bekannt als Zuna, mit seiner Familie aus dem Libanon. Wieder und wieder wurden sie an Grenzen abgewiesen. Ihre Odyssee durch Nordafrika, Frankreich, Belgien und die Schweiz endete schließlich in Dresden, wo die Familie bleiben durfte. Was Zuna auf der Flucht Kraft gegeben hat? „Wann immer ich konnte, hörte ich auf meinen Kopfhörern den Rapper 50 Cent“, erzählt er. „Dass jemand, der von ganz unten kam, solchen Erfolg

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haben konnte, machte mir Mut. Ich konnte es kaum ­erwarten, mein Leben in die Hand zu nehmen wie er.“ Kurz nach der Ankunft in Dresden traf er Granit Musa und Ali Rihilati, später Yassine Baybah. Die vier sind heute als die KMN Gang bekannt – eine der erfolgreichsten Rap-Combos Deutschlands. Drei Songs, die Zuna während seiner Flucht Kraft schenkten: „21 Questions“ – 50 Cent (2003) „ Hate It or Love It“ – The Game, 50 Cent (2005) „Changes“ – 2Pac (1998)

Extremskifahrerin & Bergsteigerin, 47, USA Hilaree Nelson ist derzeit ­Captain des Athleten-Teams der Firma The North Face – obwohl sie an Höhenangst leidet.

Hilaree Nelson

„So besiege ich meine Höhenangst“ „Ich spüre, wenn sich ein Anfall von Höhenangst ankündigt. Das kann in einer steilen, ausgesetzten Bergflanke verdammt gefährlich werden. Was ich dann tue? Ich schaue einfach nicht in den Abgrund, sondern konzentriere mich völlig auf die relevanten ­eineinhalb Meter vor mir. Ich setze mir s­ ozusagen unsichtbare Scheuklappen auf.“ Auf dem Board im Tiefschnee: ­Géraldine Fasnacht unterwegs in Verbier THE RED BULLETIN

2017 fuhr Nelson vom Peak of Evil im indischen Himalaya und 2018 durch das gefürchtete Couloir (eine von Felsen begrenzte, mit Eis oder Schnee gefüllte Rinne) des 8516 Meter hohen Lhotse ab.

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Rennfahrer, 31, SUI Der zweifache Le-Mans-Sieger nutzt die jetzige Zeit intensiv für seine Familie und genießt Boxenstopps mit den Kids.

Sébastien Buemi

„Wenn man nicht aus den eigenen vier Wänden kann, ist Lego ein wunderbares Mittel, als Familie ­etwas mit den eigenen Händen zu schaffen“, sagt Buemi. „Man beginnt mit einem Chaos aus Teilen und hält zum Schluss ein funktionierendes Stück Technik in der Hand – die reine Freude. Jules, der ältere meiner beiden Söhne, ist vier; 60

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WERNER JESSNER

mir kommt es vor, als bauten wir 24 Stunden am Tag Lego-Fahrzeuge. Im Moment arbeiten wir an einem Stunt-Bike mit Truck, als Nächstes wartet bereits ein Le-Mans-Porsche, den Jules ausgesucht hat. Drei Tipps von mir: Seid organisiert und vermischt die Bausätze nicht. Zweitens: Achtet darauf, genügend Platz zum Zusammenbau zu haben. Drittens: Bindet die Kinder in die Teilesuche ein. Die kleinen Adleraugen finden manchmal, was wir Erwachsene zehnmal übersehen haben!“

THOMAS STÖCKLI/RED BULL CONTENT POOL, THE LEGO GROUP

„Meine 24 Stunden von Lego-Mans“

Flottes Spielzeug im Maßstab 1:8 – Porsche 911 RSR, bestehend aus 1580 Teilen


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Seit 1968 rettete die Air Zermatt mehr als 50.000 Menschen und setzt dabei auf die Kreativität jedes Teammitglieds.

Air Zermatt

„ Jede Idee ist ein Geschenk“

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Philipp Venetz

Michèle Imhasly

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Dominik Imhof

Stephan Dreesen

Arzt, 44, SUI Seit 2020 ärztlicher Leiter der Air Zermatt: „ Das Mädchen war praktisch unverletzt.“

Rettungssanitäter, 28, SUI Für ihn ist dieser Einsatz unvergesslich: „ Es ist mir kalt über den Rücken gelaufen.“

Transportsanitäterin, 40, SUI Sie leitet das Air Zermatt Training Center und hat den Einsatz d ­ etailliert dokumentiert.

Pilot, 47, SUI Er war mit der Besatzung seines Helikopters bereits kurz nach dem Alarm vor Ort.

TERO REPO, PASCAL GERTSCHEN, CHRISTIAN PFAMMATTER

WOLFGANG WIESER

Die Air Zermatt in einem absolut außergewöhnlichen Einsatz: wie ein kleines Mädchen nach 13 Stunden Kampf gerettet wurde. Der Spalt im Fels auf der Riederalp im Kanton Wallis ist nur 20 Zenti­ meter breit. Doch an diesem Herbst­ tag im Oktober 2017 hat er ein zweijähriges Mädchen verschluckt, das beim Spielen gestolpert ist. Knapp 13 Stunden vergehen, bis es praktisch unverletzt geborgen ­werden kann: „Für alle, die dabei waren, ein unvergessliches Er­ lebnis“, sagt Arzt Philipp Venetz. Tatsächlich wird in diesen 13 Stunden alles versucht, um das Mädchen aus sechs bis sieben ­Meter Tiefe zu bergen. „Wir haben ­jeder Idee eine Chance gegeben“, sagt Pilot Stephan Dreesen. Dazu gehört auch der Vorschlag der erfahrenen Sanitäterin Michèle Imhasly, die Zweijährige von einem gesicherten Kind bergen zu lassen. Der Vorschlag erweist sich als nicht umsetzbar, weil es im Fels enger und enger wird. Am Ende graben die Retter mit Schaufeln, Pickeln und einem Bagger einen Notausgang. Schließlich spalten Spezialisten ­einen letzten Felsen, der sie vom Mädchen trennt. Um zwei Uhr früh ist alles vorbei und die Kleine per Heli auf dem Weg ins Spital in Bern.

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Die Air Zermatt bei einem ihrer spektakulären Einsätze vor der Kulisse des Matterhorns

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Musik-Promoter, 45, USA Seine Firma Insomniac ist seit 2007 für ­einige der größten Electronic-DanceMusic-Events in den USA verantwortlich.

Pasquale Rotella

Die größte Party, die es je gab Wie ausgerechnet eine Phase der Heimquarantäne zum Katalysator für eine Tanzparty mit über 3,6 Millionen Gästen wurde – den ersten virtuellen Rave-A-Thon der Welt. Text LOU BOYD  Fotos WOLFGANG ZAC

Zwei Wochen nach „Beyond Wonderland“ hat der Fotograf Wolfgang Zac diese Bilder bei einem weiteren virtuellen Rave von Insomniac gemacht, direkt vom Bildschirm seines Computers. „Disinfecto (u. re.) war superbeschäftigt“, sagt er. „Er putzte gerade das Display seines Handys, das war der Shot für mich.“

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Zac: „Es ist verrückt, per Internet in die Welt von ­jemand anderem zu springen. Ich kann mich nicht erinnern, wie diese Frau heißt, aber sie hat 50.000 Follower bei Instagram. Ich rief sie via FaceTime an und war sofort bei ihr daheim. Ein gutes Foto von ihr zu bekommen war nicht leicht, weil sie sehr geübt im Posieren war. Ich ­fragte, ob sie ­etwas t­ rinken wolle, da griff sie nach diesem ­großen Glas Weißwein. Das war’s dann.“

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A

m Freitag, dem 20. März, hätte das sehnsüchtig erwartete „Beyond Wonderland“-Festival in Südkalifornien beginnen sollen. Daraus wurde nichts: Einen Tag vorher verhängte Kalifornien den Shutdown. Aber schon tags darauf feierten 3,5 Millionen Partysanen die größte Tanzveranstaltung aller Zeiten – auch wenn keiner von ihnen physisch dabei war. Pasquale Rotella, der Erfinder von Beyond Wonderland, hatte in der Krise die Chance gesehen, etwas ganz Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen: Er machte aus dem Festival den e­ rsten ­virtuellen Rave der Welt. Als Chef der Firma Insomniac hat Rotella schon viele Events veranstaltet, unter anderem das größte Electronic Dance Music Festival der USA, den „Electric Daisy Carnival“. Doch diesmal war die Herausforderung anders gelagert. „Es war keine große oder verrückte Idee, aber wir waren die Ersten, die das in dieser Größenordnung gemacht haben“, erzählt Rotella. „Es war ganz natürlich: ‚Okay, wir müssen die Veranstaltung verschieben und machen stattdessen einen virtuellen Rave-A-Thon.‘ Ich weiß nicht, warum mir das Wort Rave-A-Thon über die Lippen gekommen ist, aber mein Team hat keine Sekunde gezögert. Sie sagten: ‚Klar, wir machen ­einen virtuellen Rave.‘“

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„Casey (o. li.) ist die Freundin von Brian“ (dem Typ mit den herzförmigen Brillen auf S. 67), erinnert sich Zac. „Er tanzte in seiner Wohnung, und plötzlich tauchte sie auf.“ Links: Ducky nach ihrem Set beim Rave-A-Thon

Der virtuelle Beyond Wonderland Rave-A-Thon wurde live auf Twitch und YouTube gestreamt, mit jenen Künstlern, die ursprünglich für das Festival gebucht waren – sie spielten ihre Sets weit von den Tänzern entfernt im Insomniac-Büro. Die Teil­ nehmer schickten Fotos und Videos von daheim „auf der Party“. Langsam begann das Ding Fahrt aufzunehmen: Der Electric Daisy Carnival zieht im Schnitt 400.000 Teilnehmer an; der Rave-A-Thon hatte fast neunmal so viel Z ­ uspruch. Wäre es eine physische Veranstaltung gewesen, hätte die Menge das Londoner Wembley-Stadion 40-mal gefüllt. „Ich habe nicht geglaubt, dass es so groß wird“, sagt Rotella. „Eigentlich war es nur zum Trost für unsere Community gedacht, die schon Tickets für das Festival gekauft hatte, aber es wurde sehr viel mehr. Unser Event war bisher sehr in Kalifornien verwurzelt; umso aufregender war es, diesmal Leute aus China, Korea, Australien und von vielen anderen Orten dieses Planeten dabei zu haben.“ Auf den Bildschirmen waren für Festival-Besucher vertraute Bilder zu sehen. „Die Leute haben sich aufgebrezelt, tanzten mit Totems und schwenkten Knicklichter – es war verrückt“, sagt Rotella ­lachend. Partygänger ließen LED-Hula-Hoop-Reifen um ihre Hüften kreisen und saßen auf den Schultern ihrer Freunde mit den Armen in der Luft. THE RED BULLETIN


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Fotograf, 52, AUT Der in L. A. lebende Zac bezeichnet sich als „ Schöpfer von Schnappschüssen“: „Ich arbeite nur mit einer Kamera mit Blitz.“

Wolfgang Zac

„Ich mochte DJ Devault (li.) sehr“, sagt Zac. „Sein Musikstil ist Underground, dunkel, er klingt anders als die anderen. Ich wollte die ­Musik in meinem Bild abbilden. Ich bat ihn, im Insomniac-Büro herumzugehen. Das Licht war zufällig – der grüne Schimmer in seinem Gesicht kam von einem Exit-Schild. Für mich beschreibt das seine Musik perfekt!“

Meister des Screenshots Wie Wolfgang Zac die Stimmung des virtuellen Raves im Bild festhielt. Wolfgang Zac wurde vom Shutdown in Berlin überrascht, er konnte nicht nach L.  A . zurückfliegen. Claudia, seine Frau und Kreativpartnerin, hatte dann die Idee, die virtuelle Party mittels Screenshots festzu­halten. „Wir dachten: Wie können wir die Isolation besiegen und ­kreativ bleiben?“, sagt Zac. „Und obwohl ich bei der Arbeit (u.) manchmal ein wenig seekrank wurde, war ich doch fasziniert davon, wie intim diese Bilder sind, die aus großer ­Entfernung entstanden.“

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„Gerhard und Uschi sind Österreicher, die in London leben“, erzählt Zac. „Ich machte diese Aufnahmen auf ihrer Terrasse. Ich wunderte mich über ihre Outfits, weil es schon früher Morgen war und ziemlich kalt.“

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„Das Foto von @_sriacha (u.) ist eines meiner Lieb­ lingsbilder. Sie war um­ geben von Bierdosen – eine Art Bier trinkendes Sternenkind. Pasquale Rotella (ganz li.) schoss ich ziemlich am Ende, bei der Afterparty.“

Ein bisschen ungewohnt waren die in Laserlicht getauchten Wohnzimmerwände, Kleinkinder, die verblüfft ihre tanzenden Eltern anstarrten, und schlafende Hunde auf den Sofas im Hintergrund. Kurz: die Freiheit eines Festivals, eingefangen in Millionen von Wohnungen. Für Rotella und sein Team war es eine einzig­ artige Erfahrung: „Zuerst wollten wir die Sache an einem unserer Veranstaltungsorte durchziehen. Aber dann dachten wir: Die Leute kennen diese Orte, dort treffen sie sich normalerweise – wir können es dort nicht machen. Wir zeigen Social Distancing, und jeder muss eine Maske und Handschuhe tragen. So haben wir uns schließlich für unser Büro entschieden.“ Eine Crew von sieben Leuten verwandelte die Rezeption in eine Weltklasse-DJ-Bühne mit Lasern, Animationen und digitalen Effekten. „Wir hatten eine stinknormale Business-Lobby – mit Rave-Flyern auf einem Tisch, einem Fernseher, der unsere Videos zeigte, dazu ein hübsches Wandgemälde –, und plötzlich wurde eine Fantasiewelt daraus. Ich fürchte, wir können nie wieder zu ­unserer ursprünglichen Lobby zurück.“ Pasquale Rotella saß in sicherer Entfernung zu den Decks auf einem thronartigen Sessel, er sah aus wie ein verrückter König, der seine Show genießt. „Dabei haben wir wahnsinnig aufgepasst, dass wir THE RED BULLETIN

nicht die falsche Botschaft aussenden.“ Jeder am Set musste zu anderen zwei Meter Abstand halten, die DJs trugen Masken, und zwischen den Sets tauchte eine geheimnisvolle Gestalt in einem Ganzkörperanzug auf, die die Decks desinfizierte. „Das war nicht irgendwer – das war Disinfecto!“, sagt Rotella. „Die Leute haben von ihm geschwärmt.“ Schilder forderten die Raver zwischendurch auf, „die desinfizierten Hände in die Luft zu strecken“, und Headliner Kill the Noise verwendete ein Sample mit dem Text „stay inside your fucking house“. „Das Letzte, was wir wollten, war, dass die Leute dachten, wir schmeißen eine Party, weil wir das ­alles nicht ernst nehmen.“ Nach dem Erfolg des ersten virtuellen Rave-AThons will Rotella die Online-Party jede Woche steigen lassen. „Wir basteln gerade an verschiedenen Genre-Events, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist.“ Es ist eine alte Geschichte: Angesichts von Schwierigkeiten werden Menschen erfinderisch und passen sich an. Aber es ist schon ein spezieller Moment, wenn ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo alle dazu aufgefordert werden, Abstand zu halten, etwas geschieht, was Millionen Menschen zu einer grenzenlosen globalen Party zusammenbringt. socal.beyondwonderland.com/livestream

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59 – 62

Die vier Athleten vom Red Bull Skydive Team eint die Liebe zur Freiheit, zur Ungebundenheit, zur spontanen Entscheidung. Wie gehen sie mit erzwungener Passivität um?

Red Bull Skydive Team

59 Marco Waltenspiel 35, AUT

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So verfliegt die Zeit Ein paar Minuten

Mehrere Stunden

Tage

„Die Küche putzen, nur um sie nach einem weiteren  Koch­experiment wieder zu putzen.“

„Equipment komplett durchchecken, wandern und dabei neue BASEJump-Startpunkte aus­findig machen.“

„Betriebsdauer einer PlayStation testen.“

Felix Seifert

„Bienen beobachten, dabei den jämmerlichen Zustand der Pflanzen entdecken und sie umtopfen.“ Marco Fürst

„Der Waschmaschine beim Waschen zuschauen, nur um zu sehen, ob sie richtig angeschlossen ist.“

„Neue Coaching-Strategien entwickeln und vorbereiten, um junge Fallschirmspringer weiterzubilden.“ Marco Fürst

„Meditieren.“ Max Manow

29, AUT

Felix Seifert 27, AUT

62 Max Manow 31, GER

Felix Seifert

„Sich eine Glatze rasieren und den Haaren beim Wachsen zusehen.“ Marco Waltenspiel

„An neuen Projekt-Ideen und Choreografien tüfteln.“ alle gemeinsam redbullskydiveteam.com Okay, Jungs: Genug gewartet. Ihr gehört dringend wieder raus!

WOLFGANG LIENBACHER, MICHAEL GROESSINGER/RED BULL CONTENT POOL

WERNER JESSNER

Marco Waltenspiel

Max Manow

Marco Fürst

60

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THE RED BULLETIN


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Fußball-Profi, 21, ENG Der Champions-League-Sieger (FC Liverpool) ist einer der besten Rechtsverteidiger der Welt.

Trent Alexander-Arnold

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Ryan Pessoa

v

Digitalanalog-Dialog TOM GUISE

Die Pause der Premier League und die Absage der eSports-Saison schafft Gelegenheit für Begegnungen von echter und virtueller Welt. Ein interdisziplinärer Star-Chat.

GREG COLEMAN/RED BULL CONTENT POOL, MARK ROE/RED BULL CONTENT POOL

eSports-Pro Ryan Pessoa forderte Premier-­ League-Superstar Trent Alexander-Arnold auf der Streaming-Plattform Twitch zum „FIFA“-Duell. Und stellte dem Shootingstar abseits des Zocker-Freundschaftsspiels auch ein paar Fragen. ryan pessoa: Trent, mal ehrlich: Dein Liverpool-Kollege Alex OxladeChamberlain hat bei „FIFA“ eine höhere „Pace“-Wertung als du. Zu Recht? Wer ist im wirklichen Leben schneller? trent alexander-arnold: Na ich! Aber man muss sagen: Alex war verletzt, das hat ihn Speed gekostet. Mit wem verbringst du deine Zeit in der Isolation? Mit meiner Mutter – und mit meinen zwei Hunden, die halten uns auf Trab. Für mich bedeutet die neue Situation ja nicht so eine große Umstellung: Ich THE RED BULLETIN

eSports-Athlet, 22, GBR War 2018 Nummer eins bei „FIFA“ (Xbox One) und spielt für Manchester Citys eSports-Team.

hocke ohnehin den ganzen Tag daheim vor der Konsole. Für dich als FußballProfi aber ist das sicher anders. Du bist es doch gewohnt, jeden Tag draußen zu sein … So sehr hat sich mein Leben gar nicht verändert. Wenn ich zu Hause bin, chille ich einfach rum. Das ist für mich die beste Erholung vom Training und den Spielen. Und zockst stundenlang „FIFA“? Ich komme auf vier bis fünf Stunden pro Woche. Hauptsächlich spiele ich, wenn ich ­unterwegs bin, ich verbringe ja zwei bis drei Nächte pro Woche in Hotels. Wie gut bist du? Für einen Amateur nicht schlecht. Ich kann gut verteidigen, bin sehr geduldig. Legendär ist deine Corner-Finte beim Champions League-Halbfinale 2019 ­gegen Barcelona. Ihr hattet das Hinspiel 0:3 verloren, im Rückspiel lagt ihr 3:0 voran. Alles stand auf dem Spiel. Und du … komplett lässig! Was ging dir da durch den Kopf? Hahaha, dass ich den Ball schnell abspiele, ­natürlich! Ich sah, dass die Abwehrspieler noch nicht fokussiert waren. Ein winziges Zeitfenster – ich habe es genutzt. Pessoas Spiele: twitch.tv/ryanpessoa_

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Skateboarder, 30, USA Er unterstützt mit seiner Foundation be­ nach­teiligte Kinder und verletzte Sportler.

Was tut ein Skateboard-Profi wie Ryan Sheckler in Zeiten wie diesen? Er baut sein Wohnzimmer zum Skatepark um.

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„Seit der Krise ändert sich mein Trai­ ning im Wochenrhythmus – je nach­ dem, was die Experten gerade gut­ heißen. Zuerst trainierte ich allein im Fitness-Studio, nachdem ich davor alle Geräte desinfiziert hatte, dann machte ich mein Workout daheim, ging in den Skatepark oder zum Sur­ fen ans Meer. Aber damit ist Schluss, seit die Strände gesperrt sind. Ich bin ehrlich: Am Anfang nützte ich die Gelegenheit und skatete über­ all, wo wir Skater sonst vertrieben werden. Ich arbeitete meine ganze Wunschliste ab, von Parkplätzen bis zu leeren Gebäuden. War ja keiner da. Aber jetzt halte ich den Ball wirk­ lich flach und übe mich in Social ­Distancing. Die Leute, die ‚an der Front‘ g ­ egen das Virus kämpfen, ­haben echt meinen vollen Respekt.

Was mir im Moment am meisten Spaß macht: aus meinen Möbeln ­Skate Spots zu machen. Auf Insta­ gram gab es schon eine Push-upChallenge und eine Kickflip-Challenge, warum soll es da nicht auch eine ­Skaten-im-Wohnzimmer-Challenge geben? Unlängst bin ich über meinen Couchtisch geshreddet. Dafür sieht er eigentlich noch recht gut aus. Oder ­sagen wir: den Umständen entspre­ chend. Ich glaube, ich werde da noch ein paar ähnliche Ideen umsetzen. Für die ‚Skate for a Cause‘-Tour, die vergangenes Jahr ihr zehntes ­Jubiläum feierte, habe ich ebenfalls schon massenhaft Ideen. Jetzt, mit dieser Pandemie, gibt es ja mehr hilfs­ bedürftige Menschen denn je.“

THE RED BULLETIN

SABAS ROMERO/RED BULL CONTENT POOL(2), COURTESY OF RYAN SHECKLER

Freie Fahrt für Mister Sheckler

JEN SEE

Ryan Sheckler


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Kletter-Pionier und Unternehmer, 81, USA Chouinard schmiedete ab 1957 erste Felshaken und gründete 1973 die OutdoorMarke Patagonia. Er klettert nach wie vor.

MAŠA STANIC, IMAGO/AURORA FOTOS SEBASTIAN FASTHUBER YVON CHOUINARD ZITAT AUS DEM BUCH „SOME STORIES: LESSONS FROM THE EDGE OF BUSINESS AND SPORT”, PATAGONIA PUBLISHING

Yvon Chouinard

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Musiker, 24, AUT Mavi Phoenix hat sich zunächst als ­Rapperin einen Namen gemacht. Seit Herbst 2019 lebt er als Trans-Mann.

Mavi Phoenix

„ Es besteht eigentlich kein Unterschied zwischen einem Pessimisten, der sagt: ‚Es ist hoffnungslos, man kann sowieso nichts machen‘, und einem Optimisten, der sagt: ‚Man braucht gar nichts zu unter­nehmen, es wird schon alles von selber gut.‘ Auf beide Arten passiert nichts. Die beste Haltung ist, selbst aktiv zu werden.“ Firmengründer Yvon Chouinard als junger Mann an seinem „Little Giant“Schmiedehammer in Yosemite, Kalifornien. Die hier produzierten Felshaken verkaufte er später aus dem Kofferraum seines Autos.

Das gab mir den Mut zum ersten Schritt „Ich hätte ein Mann werden sollen, das weiß ich schon lang. Aber immer war da der Gedanke: Ich bin eine Frau, da kann man nichts machen. Den Entschluss, als Mann zu leben, habe ich beim Aufnehmen meines Albums gefasst. In dieser Phase ging alles drunter und drüber – und ich war voll kreativ. Mein Umfeld hatte keine Ahnung. Geholfen haben mir YouTube-Videos von Trans-Männern. Dass die ganz normal, gesund, glücklich wirken, hat mir viele Ängste genommen. Wie es weitergehen soll, muss ich mir gut überlegen. Eine Hormonbehandlung verändert das Aussehen und die Stimme. Dann geht es ans Eingemachte. Aber ich bin froh, den ersten Schritt getan zu haben.“ Das lang erwartete Debütalbum von Mavi Phoenix heißt „Boys Toys“ und ist auf LLT Records erschienen.

THE RED BULLETIN

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Formel-1-Pilot, 22, NED Der Star von Aston Martin Red Bull Racing und die Fähigkeit, sich von geänderten Umständen nicht unterkriegen zu lassen.

Max Verstappen Freitag, 13. März, 13.00 Uhr

Hektische Planung

Keiner stoppt Max Grand Prix von Australien abgesagt? Max V ­ erstappen wechselte blitzartig ins eSports-Cockpit und schrieb Geschichte – vor mehr als 500.000 Zuschauern.

cox: Wir brauchten mindestens zehn Piloten. Wir hatten den Portugiesen António Félix da Costa, den Führenden der Formel-E-WM, und den Holländer Rudy van Buren (2017 Sieger der ersten Saison von „World’s Fastest Gamer“, Anm.). Er war Feuer und Flamme und fragte: „Gibt’s einen Startplatz für Max?“ verstappen: Ein Freund fragte mich, ob ich mitmachen wolle. Das war echt in letzter Minute. cox: Wir brauchten keine Verhandlungen mit seinem Management. Max hat sich selbst angeboten. Die Frage war nur: Schafft er es rechtzeitig von Australien heim? verstappen: Ich musste noch ­einen Flug zurück nach Monaco kriegen. Es war arschknapp.

Text TOM GUISE

Samstag, 14. März, 14.50 Uhr

Schwieriger Umstieg Max Verstappen hatte sich so gefreut, dass es endlich losginge mit der Formel-1-Saison. Doch dann die Enttäuschung: Nur einen Tag vor dem Qualifying wurde der Große Preis von Australien in Melbourne abgesagt. Es würde wohl nichts werden mit dem Rennfahren. Auf der anderen Seite der Weltkugel, in England, sah einer das ganz ­anders. Darren Cox, ein E-Motorsport-Organisator, erkannte seine Chance. Der Plan war, innerhalb von drei Tagen ein hochkarätiges eSports-Rennen aus dem Boden zu stampfen. Und es gibt kaum einen hochkarätigeren Namen als Verstappen. „Ich hatte immer einen Renn-Simulator daheim“, verrät der Aston Martin Red Bull RacingStar, „aber als ich in die Formel 1 kam, habe ich damit aufgehört. Erst vor einem Jahr habe ich wieder angefangen.“ Und so kam Max doch noch zu seinem Rennen.

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Donnerstag, 12. März, 11.30 Uhr

Eine ehrgeizige Idee darren cox: Ich wachte auf, sah die News und wusste: Am Sonntag wird’s kein Rennen geben. max verstappen: Als sich Mc­ Laren wegen eines Corona-Falls zurückzog, sah ich schon schwarz. Im Lauf des Nachmittags stiegen auch alle anderen Teams aus. cox: Ich schloss mich mit meinem Team kurz und fasste einen Plan. Wir standen noch ohne Kommentatoren da, ohne S ­ tudio, ohne Fahrer. Wir wussten auch nicht, mit welchen Autos wir welche Strecken fahren wollten. Aber eines war fix: Wir ­gehen in 72 Stunden live. verstappen: Ich teilte mir gerade meine neu gewonnene Freizeit ein. Zwischen den Rennen habe ich fixe Trainingseinheiten am Red Bull-Simulator, daheim ver­ wende ich meinen eigenen. Er ist nicht so hochwertig wie der des Teams, aber für Racing Games reicht er: ein maßgeschneiderter Sitz mit extrasteifem Rahmen, ein Bodnar-SimSteering-Motor, ein Precision-Sim-Engineering-Lenk­ rad, Heusinkveld- und SimtechPedale und vier Monitore.

cox: Was die beste Sim-RacingSoftware ist, darüber herrscht ein Glaubenskrieg: iRacing oder rFactor. Wir entschieden uns für rFactor, weil auch Formel-1-Teams sie schon eingesetzt hatten. verstappen: Da ich von iRacing komme, musste ich umlernen. Kostet Zeit, die ich nicht hatte. cox: Als Nächstes musste ein Format her. Wir entschieden uns für 15-­minütige Qualifyings und ein 20-minütiges Finale. verstappen: Damit es fürs Publi­ kum attraktiver wird, sollten mehr klassische Rennfahrer dabei sein. Einige meiner Gegner kannte ich aus der Formel 1, der Formel 3 und vom Gokart-Fahren. cox: Ein paar von ihnen hatten aber null Erfahrung mit rFactor. Das war ein Problem, denn du kannst nicht einfach einschalten und loslegen. Darum stellten wir einen siebenköpfigen Help Desk zur Verfügung, der das System erklärte. verstappen: In jedem der drei Qualifyings kamen die acht Schnellsten ins Finale. Die SimPiloten waren so stark, dass man sie getrennt von uns antreten ließ. cox: Unsere Angst war: Lassen wir Sim-Racer und echte Piloten sofort THE RED BULLETIN


cox: Wir reduzierten die Kollisions­ schäden auf 50 Prozent, damit nicht gleich das ganze Feld nach ­einer Runde schon in die Box muss.

Sonntag, 15. März, 13.03 Uhr

Das Rennen beginnt cox: 72 Stunden nach dem ersten Anruf schaltete die Ampel auf Grün. verstappen: Ich gewann meinen Lauf, hauptsächlich gegen andere reale Fahrer. Aber die echten Gegner waren in der anderen Gruppe. (Max stand im 24-MannFinale auf Startplatz neun; Anm.) cox: Nach zehn Minuten hatten wir 52.000 Viewer – mehr als jeder andere Stream zu dem Zeitpunkt. Ich habe gelesen, dass wir sogar mehr Zuseher hatten als ein echtes F1Rennen auf Sky Sports. Insgesamt schauten über 500.000 Leute zu.

Sonntag, 15. März, 14.47 Uhr

VERSTAPPEN.NL, RED BULL RACING/GETTY IMAGES

Das Finale

gegeneinander fahren, schaffen es die realen Stars vielleicht nicht einmal durch die Qualifikation.

Sonntag, 15. März, 11.00 Uhr

Vom Flieger ins Cockpit cox: Der Kurs war der Nürburgring. Das Auto ein F1-Modell von 2012, für viele Piloten schwer zu fahren. verstappen: Ich kannte das Auto nicht, und die Umgewöhnung war superschwer. Da kannst du in der Realität noch so ein guter Fahrer sein, im Simulator bist du nicht auf Anhieb schnell. THE RED BULLETIN

Verstappen am heißen Stuhl: Dass ihm die Profi-Gamer den Auspuff zeigten,­ wurmt ihn noch jetzt.

„ Unter den realen Fahrern ist Max wahrscheinlich der beste.“ Darren Cox

verstappen: Gleich in Runde eins flog ich von der Strecke und war Letzter. Mein Rennen war quasi vorbei, aber ich gab nicht auf. Ich überholte so viele, wie ich konnte. (Er kam als Elfter ins Ziel, Rudy van Buren wurde Dritter; Anm.) cox: Unter den realen Fahrern ist Max wahrscheinlich der beste. Aber er verbringt nicht 12 Stunden am Tag mit Sim-Racing. Rudy lebt praktisch in rFactor. Würde sich Max voll darauf konzentrieren, könnte er innerhalb von ein paar Wochen ganz vorne mitfahren. verstappen: Sim-Racing macht Spaß, aber echtes Rennfahren gefällt mir besser. Vielleicht bringe ich ja künftig beides in meinem Zeitplan unter. cox: Binnen 72 Stunden hatten wir es geschafft, dass sich Leute in Holland ums Rennen und andere in England mit ihren Laptops um die Übertragung kümmern. Wir brachten 46 Fahrer aus aller Welt dazu, sich einzuloggen. Hätte mir drei Tage vorher einer erzählt, dass es ein Racing Game in die Top 20 auf You­ Tube oder Twitch schaffen könnte, hätte ich ihn für verrückt erklärt.   73


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Cricket-Profi, 28, GBR Der legendäre Vize-Kapitän des englischen Nationalteams nutzt die Zwangspause zur Entwicklung frischer Talente.

„Es gibt zu jeder Zeit Dinge, die wichtiger sind als Sport“, sagt Englands Cricket-Held Ben Stokes über den bevorstehenden Sommer, den er – wie viele – anders verbringen wird als den vorigen. Stokes sicherte sich im Juli 2019 einen Platz in den Cricket-Annalen, als er sein Team nach einer dramatischen Verlängerung gegen Neuseeland erstmals (!) zum WM-Titel führte. Im Cricket-Jargon 74

ist er ein All-rounder, ein Spieler, der mehrere Positionen einnehmen kann; nun lernt Stokes auch im Alltag andere Rollen: „Ich bin Sport­ lehrer für meine Kinder und fahre die Formel-1-Saison im Simulator. Da wurde ich Letzter.“ Auch das neue Hobby des Allrounders hat nichts mit Cricket zu tun: „Ich will alles über Aktien lernen. Die Geschichte hat gezeigt, dass es nach ­jedem Crash wieder bergauf geht.“

THE RED BULLETIN

GREG COLEMAN/RED BULL CONTENT POOL

Käpt’n Ben schlägt die Börsenglocke

TOM GUISE

Ben Stokes


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Hobby-Imker, 40, AUS Keine Kohle? Kein Problem. ­Einfallsreichtum, Zusammenhalt und Ausdauer zählen viel mehr.

Cedar Anderson

Mr. Bien

FLOW

RACHAEL SIGEE

Wie ein australischer Bastler die moderne Bienenzucht auf den Kopf stellte.

„Was ist der gefährlichste Gedanke der Welt?“, fragt Cedar Anderson. Und gibt gleich die Antwort: „Zu glauben, dass sich jemand anderer darum kümmern wird.“ Der Austra­lier löst Probleme lieber selbst. Mit acht baute er sich ein Gokart für den Schulweg. Sein aktuelles Auto rüstete er auf den Betrieb mit recyceltem Pflanzenöl um – für die Tage, an denen er nicht seinen selbst gebauten E-Motorgleitschirm nutzt. „In meiner Familie gab es keinen Fernseher“, erklärt Anderson. „Man ging in die Werkstatt und bastelte was.“ In der Nachbarschaft lebte man naturnah, nachhaltig und sparsam. „Wir waren ziemlich arm. Aber das glichen wir mit Einfallsreichtum aus“, sagt er. „Jeder war gefordert, gute Ideen in die Gemeinschaft einzubringen.“ Eine der besten kam ihm beim Imkern: Musste das Honigschleudern wirklich so eine Patzerei sein, bei der unter Umständen auch Bienen zerquetscht werden? Nach zehn Imker-Jahren an der Seite seines Vaters fand er eine bessere Lösung: das Flow Hive. In diesem Bienenstock befestigen die Bienen ihre Waben an einem patentierten Kunststoffrahmen. Sind die vertikal angeordneten Waben mit Honig gefüllt, kann der Rahmen von außen gesplittet und der Honig per Zapfhahn entnommen werden. Stress beim Bienenvolk? Null. Die Erfindung stellte Andersons Leben auf den Kopf. Eine Crowdfunding-Kampa­gne generierte binnen zweier Stunden eine Mil­ lion Dollar. Heute, fünf Jahre später, brummen 75.000 Flow Hives in 130 Ländern, und ­tausende Menschen haben mit dem Imkern begonnen. „Das ist gut für uns alle“, so ­Anderson, „denn jedes Bienenvolk kann pro Tag 50 Millionen Blüten bestäuben.“ An seiner Bescheidenheit hat der Erfolg nichts geändert. „Viele von uns haben tolle Ideen“, meint Anderson, „aber nur wenige setzen sie konsequent um. Man braucht dafür Ausdauer und ein wenig Starrsinn. Ich habe beides. Aufgeben ist nicht mein Ding.“

Das Flow Hive besteht aus nachhaltig angebautem Zedern- und Araukarienholz und lebensmittelechtem Kunststoff. Rechts: Bienenkönig Anderson mit Untertanen THE RED BULLETIN

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Segler, 40, AUS Mit 30 holte er als jüngster Skipper der America’s-Cup-Geschichte den Sieg beim prestigeträchtigsten Segelrennen der Welt.

James Spithill

Echte Champions profitieren von Rück­ schlägen. Wie das funktioniert, erklärt America’s-Cup-Sieger Jimmy Spithill. „Eines der wichtigsten und wertvollsten Dinge, die uns der Sport lehrt, ist der Umgang mit schweren Rückschlägen“, sagt Spithill. „Der America’s Cup ist da am ehrlichsten. Es gibt keinen zweiten Platz, kein Podium. Du gewinnst oder du verlierst. Alles andere als der Sieg ist ein Misserfolg. Das erzeugt enormen Druck. Druck aufs Team, Druck auf die Technik, das Design, die Konstruktion. Alles, was du tust, muss bis an die äußerste Grenze des Mach­ baren gehen. Wenn du keine Rückschläge erlebst, bist du wahrscheinlich nicht weit genug gegangen.

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lunarossachallenge.com

THE RED BULLETIN

BRETT HEMMINGS/RED BULL CONTENT POOL, LUNA ROSSA/CARLO BORLENGHI

„ Jetzt besonders wichtig: offen und ehrlich sein“

Der America’s Cup ist gnadenlos, genau des­ wegen ist er ja so faszinierend. Du erkennst den wahren Charakter eines Menschen nicht, wenn a ­ lles glattläuft; erst in schwierigen Zeiten siehst du, aus welchem Holz jemand geschnitzt ist. Du siehst, wer ehrlich sein kann, zu sich selbst und zu anderen – und wer wegen ebendieser Ehrlichkeit aus Nieder­ lagen gestärkt hervorgeht. Das macht einen Leader aus: Für ihn ist jeder Rückschlag eine Lektion. Ich habe diese Erfahrung bei jeder meiner America’s-Cup-Kampagnen gemacht. 2013 in San Francisco, als wir mit dem Oracle Team USA nach 1:8-Rückstand noch 9:8 gewannen. Oder während der aktuellen Kampagne im Team Luna Rossa: Kon­ struktionsfehler führten zu einem Mastbruch, das Boot wurde beschädigt. In beiden Fällen haben uns die harten Rückschläge als Team zusammen­ geschweißt. Wir haben gelernt, sind stärker ge­ worden. Champions profitieren von harten Zeiten. Im Moment macht der gesamte Planet harte ­Zeiten durch. Das Beste, was wir tun können, ist, vom Sport zu lernen: offen und ehrlich zu sein, ­zusammenzustehen als globales Team. Dann gehen wir stärker und klüger aus der Prüfung hervor.“

RUTH MORGAN

Spithills Luna-Rossa-Team vor der Küste von Marina di Capitana. Dem Training im rauen Wasser vor Sardinien fällt der Mast des ­Einrumpf-Foilers zum Opfer – glücklicherweise ohne Schaden für die Besatzung.


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Gaming-Streamer, 35, USA Wie aus dem Reha-Patienten David Hunt die Gaming-Legende „GrandPOOBear“ wurde.

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David Hunt

Extremradfahrer, 37, AUT Durchquerte 2018 Amerika in Weltrekord­ zeit (Doku: redbull.com/ice2ice) und leitet Workouts in Wien und auf Instagram.

Michael Strasser

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DJ und Produzent, 45, AUT Auch der Electroswing-Pionier eroberte 2018 Amerika: Sein Song „The Sun“ ­erklomm Platz 1 der US-Electronic-Charts.

Parov Stelar

Achtung, fertig ...

CAMERON BAIRD, JAN KOHLRUSCH, CRAIG KOLESKY, SAMUEL RENNER

JEN SEE, CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

… los! Der Meister verrät: So baust du deine Online-Community auf. Nach einer SnowboardVerletzung brauchte David „GrandPOOBear“ Hunt eine Alternative für seinen Lieblingssport. Er kämpfte mit den langen Stunden, die er während der Reha daheim verbringen musste – bis ihn eines Tages ein Freund dazu einlud, ihm mittels Online-Stream beim Spielen des EgoShooters „Halo“ zuzu­ sehen. Hunt war erst skeptisch, dann begeistert.

Steh zu deinem Hobby „Online Freunde zu finden ist ganz einfach. Es spielt keine Rolle, ob du dich für Games interessierst, ‚Harry Potter‘-Analysen oder für pornografische One-Direction-Fantasy­ geschichten. Irgendwo auf der Welt gibt es immer fünfzig Leutchen, die im Internet deine Leidenschaft teilen.“ Finde Gleichgesinnte „Angenommen, du stehst auf ‚Fortnite‘. Jetzt musst du nur auf Twitch in diese Kategorie gehen und abchecken, wen du cool findest. Frag dich, mit wem du gern im echten Leben THE RED BULLETIN

abhängen würdest. Finde heraus, mit wem er sich sonst austauscht. Ich habe selbst die meisten meiner Lieblings-Streamer über meine Freunde gefunden.“

Starte deinen Stream „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Am Anfang ist es echt schwierig, parallel ein Game zu spielen und mit 2000 Leuten zu kommunizieren. Vergiss nicht: Als Gamer musst du selbst Teil der Community sein. Tauch ein, hab Spaß. Und denk daran: Die ersten zehn Viewer zu bekommen ist am schwierigsten.“ Bleib du selbst „Bilde dir ja nicht ein, dass du den Zuschauern etwas vorspielen musst. Es ist immer besser, seine eigene Nische zu finden – man kann es sowieso nicht jedem recht machen. Im Inter­net geht es nicht besonders nett und ra­tio­ nal zu. Darum mach einfach dein ganz persön­ liches Ding. Die Chance steht gut, dass andere Spaß d ­ aran haben, wenn du Spaß hast.“

Der inter-stelare Bike-Messenger Michael Strasser fuhr mit dem Rad 22.642 Kilometer von Alaska nach Patagonien – in 84 Tagen und 11 Stunden. Was ihn selbst bei 100-km/h-Böen in Peru durchhalten ließ? Ein Messenger-Buddy der besonderen Art.

Lieber Michael, hier spricht der Marcus. Du kennst mich wahrscheinlich besser als Parov Stelar. Wie ich höre, liegen wirklich spannende und aufregende Zeiten vor dir. Und zuerst ein­ mal mein tiefster Respekt. Ich finde es groß­ artig, dass es immer wieder Menschen gibt, die anderen Menschen zeigen, was alles möglich ist.

Es erinnert mich sehr an meine Anfänge in der Musik. Da haben mir eigentlich alle Leute immer erzählt, was alles nicht geht im Musik-Business. Aber ich denke, du bist genauso ein Kämpfer. Und das, was man wirklich will, das kann man erreichen. In diesem Sinne wünsche ich dir für dein Vorhaben, für dein Abenteuer alles Gute! Und wenn dich meine Musik noch den einen oder anderen Kilometer tragen kann, freue ich mich ­natürlich umso mehr. Toi, toi, toi!

Danke, Marcus! Diese Worte geben mir nun schon seit elf Ländern Kraft. Grüße aus Peru!

Und ja, allein „Mambo Rap“ in Dauerschleife hat mich 2000 Kilometer getragen.

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75 – 85

Fußball-Mannschaft, GER Wie schaffen die Leipziger Aufholjagden? Sie ziehen Energie aus Emotionen – wie diese Elf im Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund.

RB Leipzig

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THE RED BULLETIN


75 Péter Gulácsi

30, HUN, Torwart

81 Diego Demme

28, GER, Mittelfeld

76

77

Marcel Halstenberg

28, GER, Verteidiger

82 Konrad Laimer

78

Nordi Mukiele

22, FRA, Verteidiger

83

22, AUT, Mittelfeld

Lukas Klostermann

23, GER, Verteidiger

84

Timo Werner

24, GER, Stürmer

Yussuf Poulsen

25, DEN, Stürmer

79 Dayot Upamecano

21, FRA, Verteidiger

80 Marcel Sabitzer

26, AUT, Mittelfeld

85 Emil Forsberg

28, SWE, Stürmer

Entscheidende Zweikämpfe: RB-Stürmer Yussuf Poulsen springt höher als Dortmunds Dan-Axel Zagadou.

„ Hier geht noch was!”

IMAGO IMAGES, RB LEIPZIG (11)

JOHANNES MITTERER

Mit hängenden Köpfen in die Kabine, mit neuen Emotionen wieder raus. Torwart Péter Gulácsi, 30, erklärt, wie sein Team Aufholjagden startet.

THE RED BULLETIN

„Wir lagen in Dortmund 0:2 und 1:3 zurück, in ­Mönchengladbach 0:2, doch diese Saison haben wir uns einige Male aus ziemlich aussichtsloser Lage befreit. Klar ist man niedergeschlagen, wenn man nach schlechter erster Hälfte zurückliegt. Dann kommt es darauf an, über Emotionen Energie auf­ zuladen. Auch über die Emotionen einer etwas laut­ stärkeren Ansprache unseres Trainers (siehe Seite 30). Wir tragen die neue Energie auf den Platz. Dann sind besonders Führungsspieler wie Marcel Sabitzer oder Konrad Laimer gefragt. Oft sind sie es, die mit kleinen Aktionen, einer Geste, e­ inem Zweikampf, Zeichen setzen, die allen signalisieren: Hier geht noch was. Wenn dann das erste Tor fällt, sind wir kaum aufzuhalten. So haben wir gegen beide Teams noch den Ausgleich geschafft.“   79


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Rallye-Dakar-Sieger 2018, 33, AUT Der Ausnahme-Biker achtet auf unscheinbare Details. Denn die entscheiden über Sieg und Niederlage.

Matthias Walkner

Das Zen der kleinen Dinge „Vollgas über Dünen springen? Sieht gefährlich aus, aber das trainieren wir. Viel riskanter ist, im Kopf schlampig zu werden, zum Beispiel die Hände nicht zu waschen, Streckenanweisungen im Roadbook zu übersehen und sich zu verfahren, im Biwak mit offenem Mund zu duschen und kontaminiertes Wasser zu schlucken. Das wirft dich und deinen Körper aus der Bahn. Es sind die kleinen, unscheinbaren Dinge, die das große Ganze scheitern lassen – oder dir beim Gelingen helfen.“

Angy Eiter

„ Wenn mein Körper anruft, dann heb ich ab!“ „Am Anfang meiner Laufbahn war die Ernährungswissenschaft noch nicht wirklich Teil des Trainings. Es hieß, dass man umso besser klettert, je leichter man ist. Und ich wollte unbedingt erfolgreich sein. Also aß ich immer weniger: ­zuerst die Hälfte, dann fast gar nichts mehr. Ich war in die Magersucht gerutscht. Als mein Trainer das mitbekam, schimpfte er und verbot mir sogar das Klettern, bis ich wieder normal esse. Diese Reaktion war unverständlich für mich: Da hatte man mir immer schlanke Vorbilder vor Augen gehalten, und jetzt sollte ich

Angy 2015 in Griechenland: Diese Route taufte sie „Gloom of Triumph“, Schwermut des Triumphs.

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futtern. Der Punkt, an dem sich dieser Knoten für mich gelöst hat, war die Erkenntnis, dass ich durch Hungern nicht besser beim Klettern wurde: Ich baute nicht die nötige Muskelmasse auf, um schwere Kletterzüge bewältigen zu können. Ich war psychisch nicht mehr belastbar und konnte mich nicht so gut ­konzentrieren. Als ich dann wieder ein bisschen zunahm und merkte, dass ich stärker wurde, wuchs auch mein Selbstwertgefühl. Zum Glück hatte mein Umfeld so früh auf mein Abnehmen reagiert. Meine Botschaft ist: Pass auf! Hör auf die Signale deines Körpers! Das ist wie ein Telefonanruf von deinem Körper. Wenn es läutet, heb ab!“ THE RED BULLETIN

PHILIPP CARL RIEDL/RED BULL CONTENT POOL, KFOTO-KOCO MONCADA/KTM, BERNHARD HÖRTNAGL/ASP/RED BULL CONTENT POOL, LUKA FONDA/RED BULL CONTENT POOL WERNER JESSNER, SIMON SCHREYER

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Kletterin, 34, AUT Die erste Frau, die Schwierigkeitsgrad 9b meisterte. Davor schloss sie die vermutlich wichtigste Freundschaft ihres Lebens.


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Ausdauersportler und Navy-SEALs-Trainer, 32, USA Weltrekordhalter für Klimmzüge an einem Tag (es waren 5804), absolviert mit einem 15-Kilo-Rucksack. Für uns kreierte er ein Workout mit emotionalem Mehrwert.

Mike McCastle

Stark? Bin ich am besten für andere :)

CAMERON BAIRD, GETTY PREMIUM

WERNER JESSNER

Auch der Strongman trainiert daheim. Sein Trick für die Extraportion Power: Er absolviert jede Übung für einen bestimmten Menschen.

„ WENN ES HART WIRD, DENKE ICH AN JEMANDEN, FÜR DEN ICH DIE STRAPAZEN AUF MICH NEHME.“

THE RED BULLETIN

Triceps Extension

Suitcase Hammer Curls

Back Extension

Was du brauchst: Leintuch, Türrahmen Wie es geht: Einen Knoten ans Ende des Leintuchs machen, in der Tür einklemmen. Leintuch über Kopf greifen. Auf die Zehen­ spitzen gehen, die Fersen berühren das Türblatt. Nun beide Arme hinter dem Kopf abwinkeln und wieder strecken. Wichtig: Der Rücken bleibt gerade. Was es bringt: trainiert Trizeps, Schultergürtel und Körperspannung Wiederholungen: 15 bis 20, mehrere Sets An wen ich dabei denke: An Freiwillige, die LKWs mit Hilfsgütern entladen

Was du brauchst: Handtuch, Koffer mit Ge­ wicht (ca. 15 bis 25 Kilo) Wie es geht: Handtuch durch den Koffergriff fädeln, die ­Tuchenden von unten fassen. Mit geradem Rücken beide Arme bis auf Brusthöhe anheben und wieder vollständig absenken. Was es bringt: kräftigt Schultergürtel und Arme, formt den Bizeps Wiederholungen: 15 bis 20, mehrere Sets. Wer will, steigert das Gewicht von Set zu Set. An wen ich dabei denke: An Helfer, die raus­ müssen, während wir das Privileg haben, drinnen fitter zu werden

Was du brauchst: Lehnstuhl, Kissen Wie es geht: Das Kissen auf die Lehne des Stuhls legen. Hüfte auf die Kante, Füße an der Wand abstützen. Arme vor der Brust ver­ schränken. Langsam nach vor beugen, bis der Oberkörper um 45 Grad geneigt ist, wieder auf­ richten, dabei Gesäß an­ spannen. Dabei immer ruhig weiteratmen! Was es bringt: stärkt den unteren Rücken Wiederholungen: mindestens 15, 2 bis 3 Sets An wen ich dabei denke: An meine Mutter, die bis zum Umfallen im Krankenhaus arbeitet   81


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Taucher und Surfer, 21, FRA Der Französisch-Polynesier repariert Korallenriffe und versprüht Zuversicht, die Tausende inspiriert.

Titouan Bernicot

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Game-Entwickler, 55, JPN Weil er von seinen Kids getrennt war, erfand er ein Nintendo-Game – und landete einen Welt-Bestseller.

Katsuya Eguchi

Auf meiner Familien-Insel scheint die Sonne

„Es ist einfach“, sagt Titouan Bernicot, „wenn wir nichts tun, wird nichts passieren. Und dann werden die Riffe sterben.“ Obwohl er erst 21 Jahre alt ist, weiß kaum ­jemand besser als er, was so ein Verlust für die Welt ­bedeuten würde. Als Südsee-Franzose von der Insel Mo’orea ist Bernicot nämlich mit ihnen aufgewachsen. Er weiß, dass Korallen ein Viertel aller Meeresbewohner beheimaten, dass sie die Küsten vor zu hohen Wellen schützen und dass sie die Lungen der Ozeane sind: Wie Bäume wandeln sie Kohlendioxid in Sauerstoff um. Doch die Riffe haben Stress: Infolge der Erderwärmung er­höhte Wassertemperaturen, Luftverschmutzung und Überfischung setzen ihnen derart zu, dass wir in den letzten 40 Jahren fast die Hälfte von ihnen verloren ­haben. Und die Korallenbleiche nimmt in letzter Zeit derart sprunghaft zu, dass Forscher warnen: Wenn das so weitergeht, sind die Korallen­riffe bis zum Jahr 2050 tot. Bernicot will das nicht zulassen: Der begeisterte Taucher und Surfer hat 2016 das Projekt „Coral Gardeners“ ins Leben gerufen. Er sammelt dafür Geld (für 25 Euro kann man eine Koralle „adoptieren“) und ­versucht, Korallen­riffe durch Gärtnern unter Wasser zu ­reparieren. „Ich bin zuversichtlich“, sagt er, „dass wir es schaffen können. Wenn die Welt von morgen ­ihren ökologischen Fußabdruck drastisch verkleinert, bleibt noch Hoffnung für die Riffe.“

animal-crossing.com

TOM GUISE, PATRICIA OUDIT

Klar schaffen wir das

be­suchen, die ebenfalls virtuell an ihrer Traumwelt basteln. „Animal Crossing“ entwickelte sich im Frühjahr zum Hit für jene, die Familie und Freunde in der richtigen Welt nicht besuchen konnten. Statt allein zu Hause verbrachten Spieler ihre Zeit gemeinsam in der virtuellen Inselwelt. Schon der erste „Animal Crossing“-Teil entstand 2001 als Reaktion auf soziale Distanz, als Spieleentwickler Katsuya Eguchi wegen seines Jobs von Tokio ins 500 Kilo­ meter entfernte Kyoto ziehen musste. „Meine Kinder spielten nach der Schule. Ich spielte spätabends weiter. Wir erlebten gemeinsam virtuelle Abenteuer, obwohl wir im echten Leben getrennt waren.“ Eguchis Game ist heute ein Weltbestseller – gegen das Alleinsein.

coralgardeners.org Screenshots aus „Animal Crossing: New Horizons“: Es geht um „Familie und Freundschaft“, sagt Entwickler Eguchi.

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THE RED BULLETIN

NINTENDO, BEN ONO

Unterwasserpionier: Titouan Bernicot pflegt Korallen.

Die Nachricht schockte am 27. März die G ­ aming-Welt: Die Nintendo Switch (eine HybridKonsole, die „handheld“ oder mit externem Bildschirm gespielt wird) ist ausverkauft. Eine Woche zuvor hatte Nintendo den neuen Teil seines Echtzeit-Simulationsspiels „Animal Crossing: New Horizons“ veröffentlicht, gemeinsam mit einer limitierten Sonderauflage der Switch. Diese war bald nur mehr auf eBay erhältlich – zum doppelten Preis. Schuld am weltweiten Kon­ solen-Engpass war also auch das neue Game. In „Animal Crossing: New Horizons“ schlüpft der Spieler in einen Avatar, der auf einer kunterbunten Insel mit sprechenden Tieren zusammenlebt. Er pflückt Früchte, angelt, dekoriert sein Haus und kann – das ist der springende Punkt – die Inseln anderer Spieler


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Breakdancer, 39, FRA / COD (Dem. Rep. Kongo) Junior Bosila Banya konnte als Kind kaum laufen. Heute zählt er zu den besten B-Boys der Welt.

TYRONE BRADLEY/RED BULL CONTENT POOL, LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL

FLORIAN OBKIRCHER

BBoy Junior

Wie ein B-Boy seine Superkraft entdeckte Breakdancer BBoy Junior litt an den Folgen einer Kinderlähmung. Und erfand einen Tanzstil, der seine Stärken fördert.

„Als ich drei Jahre alt war, infizierte ich mich mit Polio. Mit sieben merkte ich, dass ich nicht so schnell laufen konnte wie andere Kinder, weil ich humpelte. Da wurde mir bewusst, dass ich anders war als sie. Trotzdem gab ich nicht auf. Ich lernte Sportarten wie Tischtennis und Boxen, bei denen ich mich auf engem Raum ­bewegen konnte. Spielten wir Fußball, stand ich im Tor. Immer, wenn mir Leute das Gefühl gaben, dass ich etwas nicht konnte, arbeitete THE RED BULLETIN

ich extrahart, um ihnen das Gegenteil zu be­ weisen. Tanzen, so stellte sich heraus, war da­ für das beste Beispiel. Ich liebte Michael Jack­ son und studierte wie besessen seine V ­ ideos. Konnte ich eine seiner Bewegungen nicht nach­ machen, ersetzte ich sie durch meine eigenen, die ich mir aus Kampfkunst- und Turn-Elemen­ ten zusammenbastelte. Oft balancierte ich ­dafür auf meinen Händen. Mit zwölf sah ich zum ersten Mal Street Dancer im Fernsehen. Verblüfft stellte ich fest, dass ihre Bewegungen wie meine aussahen: Ich hatte Breakdance ­trainiert, bevor ich überhaupt wusste, dass Breakdance existiert. Mir war sofort klar: Das ist mein Ding! Bald war ich nicht mehr der ­Junge mit Behinderung. Ich war der Junge mit den verrückten Moves. Was mir in schwierigen Zeiten immer geholfen hat: Ich versuche, dar­ an zu denken, was ich habe und was ich will, statt daran, was ich nicht habe und vermisse.“ Instagram: @bboyjuniorofficiel

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Ski-Legende, 31, AUT Trat 2019 nach acht Weltcup-Gesamtsiegen, zweimal Olympia-Gold und sieben WM-Titeln zurück.

bei mir aktuell darum geht, dass es weniger wird statt mehr.

Marcel Hirscher

Und funktioniert das? Anfangs war es ein Horror – enorm schwierig, weil man als Profisportler glaubt, man muss das Maximum aus jedem einzelnen Tag heraus­ holen. Im Alltag von heute hat diese Herangehensweise keine Daseinsberechtigung mehr. Denn sie wird auf Dauer ziemlich anstrengend. Anstrengend für wen? Vor allem für Menschen, mit denen ich im Alltag zu tun habe. Dienstleister, Handwerker, Arbeiter, Leute, die einfach ihren Job machen. Im Umgang mit ihnen habe ich sehr bald bemerkt, eigentlich sind nicht die komisch, sondern ich bin schräg drauf. Die haben ein Arbeitstempo gefunden, das sie ein Leben lang durchhalten müssen, ich musste mein Tempo als Spitzensportler nur zehn Jahre lang halten. Ein gesamtes Arbeitsleben im Laufschritt ist nicht gesund, das hält niemand aus. Das war für mich ein Lernprozess, zu sehen, dass es nicht zielführend ist, Leistungssport eins zu eins auf den Alltag umzulegen. Außer, man will alles zerreißen und irgendwo der oder die Beste werden.

„ Nicht die sind komisch, ich bin schräg drauf“ Jahr eins nach einer atemlosen Erfolgs­karriere: eine innere Vollbremsung. Marcel Hirscher über To-do-Listen und Geduld als Lebensaufgabe. Interview DANIEL WINKLER  Foto FELIX KRÜGER

the red bulletin: Es war die Nr.-1-Frage an dich als Sportler und wenig beliebt bei dir, in Zeiten wie diesen scheint sie aber angebrachter denn je: Wie geht es dir? marcel hirscher: Gut. Alle gesund. Also sehr gut. Dieser Tage sind Struktur, Pläne und To-do-Listen sehr angesagt. Bei dir auch? 84

Nicht mehr so. Als Profisportler war ich die menschgewordene To-doListe. Es war notwendig, systematisch Punkt für Punkt vorzugehen, um schlussendlich zum gewünschten Resultat zu kommen. Heute bin ich megafroh, dass es genau um diese Sachen nicht mehr geht. Es hat zehn Jahre lang genauso funk­ tioniert – das ist gar keine Frage –, aber ich muss nicht mehr, weil es

Du willst also das System Hirscher alltagstauglich machen? Da bin ich mittendrin in diesem Prozess. Vielleicht sogar erst am Anfang. Was ich ein Leben lang eintrainiert habe, wird wohl noch eine Zeitlang brauchen, bis es umgestellt ist. Das ist auch eine Form von Training, nur gebe ich mir diesmal etwas mehr Zeit dafür. Es ist Mittag, ich habe seit halb acht Uhr in der Früh im Garten gearbeitet, und ich bemerke, es ist ein wunderbarer Tag. Dann denke ich mir, es muss nicht heute alles fertig werden. Früher galt immer das Motto „Lieber heute als morgen“: Wir machen noch zwei Fahrten, weil wer weiß, was morgen ist. Den Schuh probieren wir noch heute, weil wer weiß, was morgen ist. Das war richtig im Sport, ist aber kaum alltagstauglich. Das muss ich noch lernen. Muss man denn die Kerze wirklich an beiden Enden anzünden, um erfolgreich zu sein? Das war zumindest mein Zugang. Lieber zwei, drei Jahre noch ganz THE RED BULLETIN


„ Als Profi­sportler war ich die mensch­gewordene To-do-Liste.“ 2018 in Pyeongchang konnte Hirscher Olympia-Gold erfolgreich abhaken.

GETTY IMAGES

vorne dabei sein als jahrelang ­irgendwo bequem im Mittelfeld. Es war wohl mein dritter oder vierter Weltcup-Gesamtsieg, da sind wir vor dem Saisonfinale von 21 Tagen 18 Tage lang im Rennmodus auf der Piste gewesen. Die drei freien Tage dazwischen waren Reisetage. Ob ich nach dem Weltcup-Finale umge­fallen bin, war eigentlich wurscht. Also hast du nach deinem Rücktritt 2019 eine Art innere Vollbremsung hingelegt? War das ein Schock?

(Lacht.) Ich kann jeden Rentner verstehen, dem viel fehlt, vor allem Struktur und Inhalt. Wenn man diese wieder aufgebaut und für sich gefunden hat, dann ist es ein Genuss. Ich war sehr froh, dass ich im vergangenen Winter das Skitourengehen für mich entdeckt habe. Abends packe ich schon alles zusammen für den nächsten Tag, dann wache ich in der Früh nervös auf und freue mich, weil ich weiß, heute geht’s rauf in die Berge. Das Schönste am Skitourengehen ist, dass du deine Spur im Aufstieg und in der Abfahrt noch individueller gestalten kannst als im Sommer. Das war ein Turnaround: Ich habe gemerkt, das mache ich mit Leidenschaft, Faszination, Begeisterung. Zurück zu den Wurzeln, zu dem Buben, der auf einer Hütte auf 1500 Meter Höhe aufwuchs? Das ist die Ruhe meiner Kindheit, die Stille, an die ich mich dann gerne zurückerinnere. Die Natur genießen zu dürfen ist ein Privileg. Zu meiner stressigsten Zeit habe ich einmal über hundert Telefonate an einem Tag geführt. Ich habe da irgendwie zufällig nachgezählt und bin erschrocken. Es waren keine langen Gespräche, es ging um Dinge, die mich während einer Skisaison beschäftigt haben. Logistik, wer holt das, wer bringt jenes. Plötzlich gibt es nun Tage in meinem Leben,

wo mich niemand anruft. So cool und praktisch ein Handy ist, heute weiß ich, was für ein Geschenk es ist, wenn es einmal zwei Tage lang nicht klingelt. Am Anfang geht dir vielleicht was ab, aber eigentlich fehlt gar nix. Das war für mich im ersten Jahr nach dem Leistungssport der signifikante Unterschied. Seit Oktober 2018 bist du Vater. Was lernt Marcel Hirscher von seinem Sohn? Geduld ist sicherlich eine Lebensaufgabe, wenn man Kinder hat. Ich habe schon nach seiner Geburt gesagt, dass das wahre Abenteuer jetzt erst beginnt, und genauso ist es für mich. Bis hierher war alles nett, aber jetzt ist es richtig spannend für mich. Jetzt zählt es! Was zählt? Die Erkenntnis, dass jeder Tag Entwicklung bedeutet. Gleich bleiben ist langweilig. Was würdest du aus der heutigen Sicht dem Marcel von damals ­sagen, diesem getriebenen Racer? (Denkt lange nach.) Will man gleich erfolgreich sein, oder darf man ein paar Weltcup-Gesamtsiege weniger haben? Ich habe schon oft gespürt, jetzt wäre es gut, eine Pause einzulegen, runterzugehen vom Gas. Aber hätte ich dann acht Mal den Gesamtweltcup gewonnen?

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Trial-Bike-Profi, 36, AT Der Fahrstil des mehrfachen Welt-­ meisters hat so manches Bike in die Knie gezwungen – doch nie für lange Zeit.

SCHLAUCH

Löffel zum Reifenwechseln Um den Schlauch zu tauschen, muss der störrische Reifen runter. So gelingt das ganz einfach.

Tom Öhler

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Die Küche ist meine Fahrrad -Werkstatt

Rad hinlegen und den Reifen in die Mitte drücken. Zwei L­ öffelenden mit einer Handbreit Abstand z­ wischen Felge und Gummi stecken.

Die Kette ist rostig, die Räder eiern, die Reifen verlieren Luft? So machst du dein Bike in der Küche fit – mit Dingen, die dort ohnehin vorrätig sind.

2 Beide Löffel gleichzeitig nach unten drücken. In der Regel springt da der ­Reifen schon von der Felge. Wenn nicht: Abstand vergrößern.

KETTE

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Kerzen gegen Rost

Das Rad hochkant stellen und den Reifen ringsum nach unten drücken. Jetzt kann der defekte Schlauch raus.

Paraffin hilft gegen eine quietschende Kette und sorgt für flutschende Gänge.

SPEICHEN

1 Mit einem Lappen die Kette schrubben, um Dreck und Öl zu lösen.

Buttermesser gegen Eiern Ein verbogenes Laufrad zu zentrieren ist weniger aufwendig, als man meint.

1 Reifen und das dar­ unterliegende Felgen­ band demontieren (funktioniert meist mit bloßen Fingern).

2 2

3 Spannung der Speichen an ­unmarkierten Stellen erhöhen: dazu die Schrauben mit einem Buttermesser anziehen.

3 Kerzen enthalten Paraffin, das ein Bestandteil vieler Schmiermittel ist. Die lose im Rahmen hängende Kette mehrmals durch einen Topf mit zuvor am Herd geschmolzenem Wachs ziehen.

4 Nach dem Einsetzen des Hinterrads über­ flüssiges Wachs gründ­ lich mit einem Lappen ­abwischen. Fertig!

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„ WENN ES SEIN MUSS, FINDEST DU IN DER KÜCHE ALLES, UM WIEDER MOBIL ZU WERDEN.“ THE RED BULLETIN

WERNER JESSNER

SASCHA BIERL

Stift so an den Rahmen kleben, dass er die Felge knapp berührt. Durch Drehen sieht man, wo die Felge näher zum Stift muss.

ARMIN WALCHER/RED BULL CONTENT POOL

Das Hinterrad muss raus. Dazu Bike auf den Kopf stellen und Schnellspanner öffnen, indem er nach hinten geklappt wird.


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Rapperin und Songschreiberin, 27, USA Die als Brittany Dickinson in Newark, New Jersey, geborene Künstlerin ist für ihre positiven Lyrics berühmt.

pineappleCITI

Mein Plan-B-Triumph Aber bald erkannte ich ­da­rin die Chance, mein ­Talent zu schärfen, während meine eigene Karriere auf Eis lag. Eine meiner ersten ,Kundinnen‘ war R ’n’ B-Star ­Kelly Rowland. Ich sang ihr neues Lied, als sie ins Studio kam. Sie meinte: ,Klingt toll. Du solltest öfter singen.‘ Dass jemand wie Kelly das sagte, veränderte meine Perspektive. Auf meiner neuen Single ,Recognize‘ hört man das Selbstvertrauen, das sie mir schenkte. In den meisten Tragödien schlummert die Chance auf einen Triumph. Was als Plan B startete, half meiner Karriere.“ redbullrecords.com

THOMAS FALCONE/RED BULL RECORDS

FLORIAN OBKIRCHER

„Vor vier Jahren gab ich meinen Job als Lehrerin auf, um mich der Musik zu widmen. Ich brachte mein erstes Album heraus, meine Single ,Rose Colored‘ ging viral, mein Leben spielte verrückt. Dann krachte ich mit dem Auto gegen einen Baum. Als ich im Krankenhaus erwachte, wusste ich sofort, dass sich mein Alltag komplett ändern würde. Ich konnte nicht mehr ­gehen (zwei Jahre lang; Anm.), also auch nicht mehr wie früher auftreten. Ich war völlig am Boden. Als mir mein Label vorschlug, Songs für andere Künstler zu schreiben, fühlte sich das wie ein Rückschritt an.

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Skateboarder, 31, GER Der Bielefelder ist für spektakuläre Videos bekannt. Bevor er durchstartete, musste er die Folgen einer Fehldiagnose besiegen.

Schön abgehoben: Als Street Skater hat sich Vladik Scholz mit seinem eleganten Style einen Namen gemacht.

„ Ich beschloss, im Kleinen das Positive zu sehen. Plötzlich ging alles wieder los.“ Leben am Existenzminimum statt Kickflips. Hier erzählt Vladik Scholz von seinem größten Stunt. 88

„Mit 23 riss ich mir im linken Fußgelenk ein Band, was normal problemlos heilt. Doch der Arzt hatte einen Knorpelschaden übersehen, das Gelenk entzündete sich, und ich war auf unbestimmte Zeit verletzt. Mein damaliger Sponsor sprang ab, ich lebte von 300 Euro im Monat. Aber wenn du am Boden bist, aktiviert der Körper manchmal die größten Antriebskräfte. Nach Wochen merkte ich, wie sich etwas in mir gegen den Frust r­ egte. Ich beschloss, im Kleinen das Positive zu ­sehen. Treppenlaufen mit Krücken? Gutes Training! Ich schrieb mich an der Uni ein, las Bücher. Ein Jahr und drei Operationen später startete ich neu. Mit dem letzten Videomaterial, das ich noch hatte, konnte ich Red Bull als Partner gewinnen. Plötzlich ging ich auf Reisen, drehte Videos. Alles ging wieder los.“ THE RED BULLETIN

LORENZ HOLDER/RED BULL CONTENT POOL, JONATHAN MEHRING/RED BULL CONTENT POOL

MARC DECKERT

Vladik Scholz


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Musikgenie, 71, GBR Roxy-Music-Mitgründer, David Bowies Muse, Coldplay- und U2-Produzent: wie Eintönigkeit unsere Kreativität beflügelt.

Brian Eno

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Sängerin, 29, USA Mit 13 hatte sie ihren ersten Nummer-1-Hit. Nach einem Streit mit der Plattenfirma durfte sie zehn Jahre nichts veröffentlichen.

JoJo

„ Was ich von Fröschen gelernt habe“

SHAMIL TANNA, SOME WONDERFUL OLD THINGS/ALAMY, WARNER MUSIC

FLORIAN OBKIRCHER

1975 veröffentlichte Musik-Visionär Brian Eno gemeinsam mit dem Künstler Peter Schmidt „Oblique Strategies“: eine Box mit 113 Karten, die helfen sollte, krea­tive Blockaden zu überwinden. Keine Geringeren als David Bowie, R.E.M. und Coldplay haben sich dieser Methode bedient, um ihr kreatives Potenzial auszuschöpfen. Auf einer der Karten steht etwa: „Wiederholung ist eine Form der Veränderung.“ „Wiederholungen machen dein Gehirn erfinderisch“, sagt Brian Eno. „1959 ­ver­öffentlichte der Kybernetiker Warren McCulloch ­gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern den Aufsatz ‚Was das Froschauge dem Froschgehirn erzählt‘. Ihre Erkenntnis: Das Froschauge bewegt sich nicht, es steht absolut still. Der Frosch sitzt da und schaut ins Nichts, aber ­sobald eine Fliege in sein Blickfeld kommt, ist sie das Einzige, was er sieht. Genau das ist das Prinzip der ­veränderten Wahrnehmung in der Wiederholung. Der Fokus richtet sich auf Details, die man sonst nicht ­bemerkt hätte. Wenn sich das Leben also wie eine ständige Wiederholung anfühlt, ist das kein Grund zu verzweifeln. Wiederholung ist nützlich. Menschen, die m ­ editieren und Mantras vortragen, haben das ­bereits tausende Jahre vor mir entdeckt.“

David Bowie bediente sich in den Siebzigern der „Oblique Strategies“Karten, um ­seinen Hit „Heroes“ zu schreiben.

JoJo, mit vollem Namen Joanna Noëlle Levesque: „Wichtig ist, ­immer nur nach vorn zu schauen.“

„ Ich konzentriere mich ganz auf die Dinge, die ich kontrollieren kann“ „Zehn Jahre lang gehörte mir meine eigene Stimme nicht. Wie übersteht man so was? Na ja, einfach ist das nicht. Du bemerkst, wie sehr du Menschen um dich brauchst, die an dich glauben – gerade dann, wenn du nicht mehr weiterweißt. Ich konzentrierte mich auf die Dinge, die ich kontrollieren konnte, und machte einen Schritt nach dem anderen im Bewusstsein, dass das Leben ein langer Lauf ist. Es ist wie auf dem Laufband: zwei Minuten Vollgas, dann zwei Minuten langsamer, da kannst du dich erholen und sammelst Kraft für den nächsten Sprint.“ Das neue Album von JoJo heißt „Good to Know“ und erscheint jetzt auf ihrem eigenen Label Clover Music; iamjojoofficial.com

THE RED BULLETIN

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Schriftsteller, 70, AUT Der Österreicher ist seit Jahrzehnten ein Fixstern am Literaturhimmel. Gerühmt wird er vor allem für seine Erzählkunst.

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Michael Köhlmeier

Chirurg und Geburtshelfer, †, AUT/HUN Geboren 1818 im heutigen Budapest, studierte und arbeitete er später in Wien, wo er neue Hygienevorschriften einführte.

Ignaz Semmelweis

Ignaz Semmelweis – der Retter der Mütter Eine Geschichte, basierend auf wahren Begebenheiten, über einen Arzt, der mehr Mut bewies als der Rest der Welt. Text MICHAEL KÖHLMEIER  Illustration BENE ROHLMANN

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Menschen, die ich auf meiner Amerikareise getroffen habe. Das war im Jahr 1996 gewesen, Jeff war schon an die siebzig Jahre alt, Rita knapp jünger. Beide sprachen nur wenige Worte Deutsch, die hatten sie sich, wie sie sagten, „aufbewahrt in Erinnerung an unsere Vorfahren“, die um die Jahr­hundertwende aus Deutschland nach North Dakota ausgewandert waren. Aus Coburg in Franken­waren diese aus­ gewandert, und da hatten wir auch schon etwas Gemeinsames, denn aus Coburg stammte auch meine Mutter. Das genügte: Jeff und Rita luden mich zum Abendessen ein. Ihre Wohnung lag über der Apotheke. Später kam ihr Sohn dazu, ebenfalls Pharmazeut, und gemeinsam erzählten sie mir die Geschichte ihrer Familie. Und diese Geschichte, als wäre er der Gründer derselben, hatte mit Ignaz Semmelweis zu tun, dem zu Ehren sie ihre Apotheke benannt hatten.

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or nicht ganz hundertfünfzig Jahren nämlich hatte Dr. Semmelweis einer gewissen Charlotte Könner das Leben gerettet. Charlotte Könner war die Ururgroßmutter von Jeff Conner gewesen. Sie hatte in Wien gelebt, war damals eine Frau von dreißig Jahren, ein Dienstmädchen bei reichen Leuten, u ­ nverheiratet, und dann war sie schwanger ge­worden. Ledige Schwangere waren nicht anders als heute keine Seltenheit, in den feineren Kreisen sprach man nicht darüber, bei einem Dienst­mädchen kümmerte sich keiner darum. Im Fall der Charlotte kam pikanterweise dazu, dass sie von ­ihrem Cousin schwanger war, der im gleichen Haus als Gärtner ­arbeitete und oben unter dem Dach sein Zimmer ­hatte, gleich neben ihrem. Die Herrschaften wollten Charlotte, als es so weit war, in die Gebärklinik von Professor Klein bringen, ­einem Freund des HausTHE RED BULLETIN

HEIKE BOGENBERGER, PICTUREDESK.COM

I

n Bismarck, der Hauptstadt des US-Bundesstaates North Dakota, fand ich eine Apotheke, sie war untergebracht in einem unscheinbaren Plattenbau mit aufgeklebten Klinkern, angebaut an einen Supermarkt, nicht weit von der Corpus Christi Catholic Church. Über dem Eingang stand in roten Großbuchstaben: SEMMELWEIS PHARMACY. Ich wollte mich für meine Reise mit Aspirin und Kohle­ tabletten versorgen, öffnete die Tür – und meinte, mit dem Übertreten der Schwelle die Welt gewechselt zu haben. Als wäre ich in Wien gelandet oder in einer verschlafenen deutschen Kleinstadt. So würde ein Regisseur eine Apotheke ausstatten für einen Film, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert spielte. Der Boden war mit Fliesen in Schachbrettform belegt, der Tür g ­ egenüber zog sich eine breite Theke aus Kirschholz über die Länge des Raumes, ihre Ecken markierten geschnitzte Äskulapköpfe. Die Tischplatte war aus trüb geschliffenem Glas. In die Wände an drei Seiten des Raumes waren bis in eine Höhe von vier Metern schmale Regale eingelassen, ebenfalls aus rötlichem Kirschholz, an jedem ein zierliches Schildchen. Zwei Leitern hingen in Schienen. Überall standen Töpfe aus dunkelbraunem Glas, sorgsam mit weißen Lettern beschriftet, steinerne Mörser, alle möglichen Tiegel in verschiedenen Größen, Apothekerwaagen und anderes Gerät aus Messing. Besonders aber fiel mir das steinerne ­Becken auf, das rechts neben dem Eingang stand und aus dessen Mitte eine Wasserfontäne einen halben Meter in die Höhe hüpfte. Ich war so überrascht von dem, was ich sah, dass ich „Du meine Güte, das gibt’s doch nicht!“ ausrief. Woraufhin der Herr hinter der Theke ebenfalls ausrief: „Sie sprechen ja Deutsch!“ So lernte ich das Ehepaar Jeff und Rita Conner kennen, zwei Pharmazeuten und die freundlichsten


„ Im Spital von Professor Klein, so hieß es, wüte seit neuestem ein Teufel.“

herrn. Dieses Spital war in Wien berüchtigt, auch ein unbedarftes Dienstmädchen, das kaum lesen und schreiben konnte, hatte davon schon erfahren. Dort, so hieß es, wüte seit neuestem ein Teufel, fünfzehn von hundert Wöchnerinnen nehme er mit und ihre Kinder dazu, das sei sein Pfand. Charlotte flehte den Hausherrn an, er solle doch erlauben, dass sie oben in ihrem Dachzimmer entbinden dürfe, in der Not allein, wenn nicht erlaubt werde, dass eine Hebamme das Haus betrete. Charlotte habe sich vor ihre Dienstherrin auf den Boden geworfen, habe ge­ weint und gebeichtet, dass sie verbotenerweise einen Liebhaber zu sich gelassen habe und dass sie als Strafe jede Woche einen Tag unbezahlt arbeiten wolle. „Schicken Sie mich nicht zu dem Teufel!“, weinte sie. Und auch Hermann, ihr Cousin, flehte, er kniete  sich vor seinen Herrn nieder, bat, er möge seine Cousine verschonen. Nur er und Charlotte, jammerte er, seien aus ihrer Familie noch übrig, er habe seiner Tante an ihrem Totenbett versprochen, er werde auf sie aufpassen. Wie auch Charlotte verschwieg er, dass er jener Liebhaber war. Er fürchtete, dann werde sich der Herr auf gar keinen Fall umstimmen lassen. Es nützte nichts. Dienstherr und Hausherrin blieben konsequent. Es müsse neben allem anderen auch ein Exempel gegen den Aberglauben statuiert werden. THE RED BULLETIN

So wurde Charlotte Könner in die berüchtigte Gebärklinik gebracht. Und dort lernte sie den jungen Dr. Semmelweis kennen, und er rettete ihr Leben. Ignaz Semmelweis war erst Anfang dreißig. Im Unterschied zu seinen Kollegen, die es für nicht allzu aufregend hielten, dass in Professor Kleins ­Klinik fünfzehn Prozent der Frauen am Kindbett­fieber star­ ben, bewegte ihn das Schicksal dieser Frauen sehr. Die meisten kamen aus der Unterschicht, w ­ aren hilf­ los und eingeschüchtert, keine empörte sich, niemand stand ihnen bei. Es war eine düstere Zeit. Die Frei­ heiten, die von den 1848er-Revolutionären verkündet worden waren, hatte das Metternich’sche System hinweggefegt. Die Gesellschaft begegnete allem Neu­ en – und zwar auf allen Gebieten – mit Skepsis und drastischer Ablehnung. Dr. Semmelweis interessierte sich nicht für Politik, aber er wollte und konnte nicht hinnehmen, dass Mütter starben, ohne dass sich auch nur einer der Ärzte fragte, warum das in solcher Auf­ fälligkeit in diesem Spital geschah.

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n diesem Krankenhaus wurden junge Ärzte seit ­einiger Zeit in Anatomie ausgebildet, und zwar nicht an Puppen aus Leder oder an aus Wachs nach­ gebauten Körpern wie an den Universitäten, sondern an Leichen. Professor Klein brüstete sich damit, dass   91


bei ihm die Wissenschaft der Anatomie in einer Weise betrieben werde wie sonst nirgendwo in der Mon­ archie. Dr. Semmelweis sah sich die Statistiken an und stellte fest, dass die Sterblichkeit der Wöchne­ rinnen in der Zeit vor der neuen anatomischen Aus­ bildung wesentlich geringer gewesen war. Die Exis­ tenz von Bakterien und Viren war noch nicht bekannt. Dr. Semmelweis stellte also keine theoretischen Über­ legungen an, er wollte lediglich empirisch unter­ suchen, ob ein Zusammenhang zwischen der Arbeit an Leichen und der Sterblichkeit der Wöchnerinnen bestehe. Er schlug vor, dass sich die Ärzte, wenn sie aus der Pathologie kamen, die Hände waschen, bevor sie den Frauen bei der Entbindung halfen. Er wurde ausgelacht. Und angefeindet. Die Herren Ärzte woll­ ten sich nicht vom Jüngsten aus ihrem Kreis etwas vorschreiben lassen. Aber er gab nicht auf. Im Gegen­ teil. Er forderte nun sogar, dass die Hände nicht ein­ fach mit Seife gewaschen, sondern mit Chlorkalk des­ infiziert werden sollten. Schließlich willigte Professor Klein ein und erlaubte das Experiment. Begrenzt auf ­einen Monat. Dann würden sich die Flausen des jungen Kollegen erledigt haben. Der Erfolg war sensationell. Die Todeszahlen in der Gebärklinik ­sanken umgehend gegen null.

V

oll Stolz erzählten mir Jeff Conner und seine Frau Rita, dass dieser Erfolg auch und nicht nur zu einem kleinen Teil der Ururgroßmutter zu verdanken sei. In den Tagen, als Charlotte in die ­Klinik gebracht wurde, sei Dr. Semmelweis nämlich im Begriff gewesen, seinen Kampf gegen die Ignoranz seiner Kollegen aufzugeben. Er habe Charlotte später erzählt, gerade an dem Tag, als sie ihm vorgestellt worden sei, habe er sich entschlossen, die Klinik zu verlassen und nach Ungarn, woher er stammte, zurückzukehren. Er sei durch den Saal gegangen, in dem die Frauen lagen, ein letztes Mal, wie er dachte, da habe sie, Charlotte, ihn am Kittel festgehalten und nicht losgelassen. „Bitte, lieber Herr Doktor“, hatte sie gefleht, ­ „bitte, helfen Sie mir gegen den Teufel! Ich habe große Sünde auf mich geladen, und ich will nicht sterben, bevor ich gebüßt habe, und büßen kann ich doch nur, indem ich aus meinem Kind einen guten Menschen mache.“ Dr. Semmelweis setzte sich an ihr Bett, und sie beichtete ihm, dass sie Blutschande mit ihrem Cousin

„ Semmelweis schlug vor, dass sich die Ärzte, wenn sie aus der Pathologie kamen, die Hände waschen. Er wurde ausgelacht.“ 92

getrieben habe, aber dass sie und Hermann heiraten wollten, dass sie ihn so sehr liebe und er sie auch und dass Hermann bereits den Pfarrer gebeten habe, ein Wort für sie beide einzulegen, dass sie heiraten dürfen, beim Adel sei das ja auch möglich. So innig habe sie den Arzt gebeten, ihr zu helfen, er sei ihr Engel, habe sie gesagt, immer und immer, dass bald auch Dr. Semmelweis die Tränen aus den Augen ge­ sprungen seien. Und da habe er sich aufgerafft und alle Kraft und Autorität zusammen­genommen, diese eine Frau wenigstens sollte ge­rettet werden, und habe seinen Chef, nein, nicht gebeten, sondern be­ fohlen habe er ihm, zu tun, was getan werden müsse, nämlich: Hände waschen! Charlotte Könner habe überlebt und einen Sohn zur Welt gebracht, und sie habe Dr. Semmelweis ver­ sprochen, sie werde ihren Sohn Ignaz nennen, nach seinem Retter, und sie werde arbeiten und sparen und auch Hermann, der Vater, werde arbeiten und sparen, damit Ignaz studieren könne und Arzt werde. „Zum Arzt hat es dann doch nicht gereicht“, ­sagte Jeff und lachte, „aber Apotheker ist er ge­worden, der Ignaz. Und was ist ein Apotheker a ­ nderes als ein kleiner Arzt.“ Ignaz Könner studierte in Wien Pharmazie, er heiratete, seine Frau brachte vier Kinder zur Welt. Der älteste Sohn, Ignaz wie sein Vater, wurde wie dieser Pharmazeut, zog nach Coburg in Franken und eröffnete dort eine Apotheke. Dessen Ältester wieder­ um, auch er ein Ignaz, wanderte am Ende des Jahr­ hunderts nach Amerika aus. Der Staat North Dakota warb um deutsche Einwanderer; um sie anzulocken, war die Hauptstadt Edwinton in Bismarck umbenannt worden. In der neuen Heimat änderte Ignaz III. seinen Familienname von Könner in Conner. „Das ist unsere Geschichte“, sagte Jeff. „Ich bin zwar kein Ignaz, aber ein Apotheker. Vor ein paar Jahren haben wir unsere Apotheke umbauen lassen.“ „Was sehr viel Geld gekostet hat“, ergänzte Rita. „Wir haben“, sagte Jeff, „unseren Laden exakt nach alten Fotos der Coburger Apotheke umbauen lassen, und so sind wir heute – ähnlich wie die Benediktiner­ abtei in Richardson – eine Sehens­würdigkeit in ganz North Dakota.“ Und Rita sagte: „Genauso wie in der Coburger Apotheke steht neben dem Eingang der SemmelweisBrunnen. Zu Ehren des Dr. Semmelweis, der das ­Leben der Charlotte Könner gerettet hat.“ „Und das Leben so vieler anderer Mütter“, sagte Jeff. Und dann stellten mir die beiden ihren Sohn vor, der mit seiner Familie in der Nachbarschaft wohnte: „Ignaz Conner.“ „Der ist wieder ein Ignaz“, sagte Jeff.

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ls die Corona-Pandemie ausbrach, mailte ich nach Bismarck, North Dakota: „Lieber Ignaz Conner, erinnern Sie sich noch an mich?“ Und bekam Antwort: „Ja, ich erinnere mich, ich ­erinnere mich gut. Meine Eltern sind schon vor über zehn Jahren gestorben. Sie haben oft von Ihrem Be­ such erzählt. Ich wünsche mir, dass wir in dieser Zeit alle fest aneinander denken.“ Ich schrieb zurück: „Das wünsche ich mir auch.“ THE RED BULLETIN


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Schlaf verbessert unser Immunsystem, macht uns widerstandsfähiger gegen Stress, repariert Zellen, heilt Wunden und verarbeitet das, was wir tagsüber gelernt haben, zu Wissen. Mir ist mein Schlaf heilig. Basics, um deinen Schlaf zu ver­bessern: ein stockdunkles, kühles Schlafzim­ mer. Und dreht verdammt noch mal nachts das WLAN ab! Elektrosmog ist ein echter Stressor.

Morgens kein Handy

Die ersten dreißig Minuten meines Tages bleiben ­analog. Kein Handy, kein Computer, keine ­Nachrichten. Nur Licht und Luft und Kälte des Morgens, ein großes Glas gefiltertes Wasser, in den Himmel schauen, die Elemente spüren. Lass dein Kopfkrokodil morgens länger schlafen, und es wird den ganzen Tag entspannter sein.

Kuscheln

„Stress dreht den entwicklungsgeschichtlich ­ältesten Teil unseres Gehirns in den roten Bereich: das 500 Millionen Jahre alte Reptiliengehirn. Das heißt nicht umsonst so, denn im Reptiliengehirn sind wir nicht klug oder kreativ. Dort geht es nur ums nackte Überleben, um Atmung, Herzschlag, Verdauung, Hunger, Reproduktion – und Angst. Das Reptiliengehirn ist nicht sehr smart, aber in Ausnahmesituationen spielt es sich da oben als Boss auf. Das ist ja grundsätzlich auch gar nicht verkehrt. Heutzutage ist es aber wichtig, dass wir das kleine Krokodil im Kopf auch wirksam ruhigstellen können. Und dadurch besser denken, tiefer schlafen, uns schneller regenerieren und Krankheitserreger jeder Art zackiger in den Griff kriegen. Wenn man ein paar Hacks befolgt, ist das nicht mal Hexenwerk.“

Nichts bringt mehr Struktur in meine Gedanken als tägliche Meditation. Die Zeit während der Meditation nütze ich, um mich mit Rotlicht zu bestrahlen. Ich verwende professionelle Geräte (derzeit von theflexbeam.com), aber schon eine simple Infrarotlampe aktiviert deine Zellen und boostet dein Energielevel.

Wasser: gefiltert & angereichert

Wasser trinken – natürlich gefiltert – ist Pflicht, 0,3 Liter pro 10 Kilo Körpergewicht. Ich trinke zudem vormittags mit molekularem Wasserstoff ­angereichertes Wasser. Hilft dem Körper, entzünd­ liche Prozesse im Zaum zu halten. Aquacentrum in München ist ein kompetenter Hersteller.

Raus ins Freie!

Frische Luft ist immer besser als verbrauchte, ­natürliches Licht immer besser als künstliches.

Atme mit der Nase

Der Mund ist zum Sprechen, Essen und Küssen da – aber zum Atmen gibt es die Nase. Die ­Nasenatmung macht dein Leben besser, achte mal bewusst darauf! breitfeld-biohacking.com

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THE RED BULLETIN

STEFAN WAGNER

Ausnahmesituationen machen uns 500 Millionen Jahre jünger, sagt Deutschlands bedeutendster Biohacker, und 500 Millionen Jahre fremd­ gesteuerter. Das muss aber nicht sein.

Meditation & Rotlicht

ANDREAS BREITFELD

Stress? Hack ich weg!

Rot sieht Mann: Biohacker Breitfeld, infrarot bestrahlt

Noch eine Möglichkeit, morgens Stress abzu­ bauen: ein Oxytocinbad nehmen. Oxytocin ist das sogenannte Kuschelhormon, ein Gegenspieler zu den Stresshormonen. Wohnst du mit deiner Familie zusammen, beginn den Tag mit Streichel­ einheiten (das geht auch mit deiner Katze). ­Weder Familie noch Haustier greifbar? Besorg dir eine Echobell. Das Ding wirkt wirklich.


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Impressum

GLOBAL TEAM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Auf dem Cover unserer USAusgabe: ein Superheld mit wahren Big-WaveKräften, geschaffen vom ­kanadischen Illustrator Sébastien Thibault (siehe Seite 98 sowie auf den Seiten 40 bis 43). Mehr Storys abseits des Alltäglichen gibt’s auf: redbulletin.com

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Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Andreas Rottenschlager Creative Director Erik Turek Art Directors Kasimir Reimann (stv. CD), Miles English, Tara Thompson Head of Photography Eva Kerschbaum Deputy Head of Photography Marion Batty Photo Director Rudi Übelhör Textchefs Jakob Hübner, Andreas Wollinger Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina de ­Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Susie Forman, Ellen Haas, Tahira Mirza Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Melissa Stutz B2B-Marketing & -Kommunikation Katrin Sigl (Ltg.), Agnes Hager, Alexandra Ita, Teresa Kronreif, Stefan Portenkirchner Executive Creative Director Markus Kietreiber Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger (Ltg.), Elisabeth Staber (Ltg.), Mathias Blaha, Raffael Fritz, Thomas Hammerschmied, Marlene H ­ interleitner, Valentina Pierer, Mariella Reithoffer, Verena Schörkhuber, Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier, Julia Schinzel, Florian Solly Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung Veronika Felder Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Sandra Maiko Krutz, Nenad Isailović, Josef Mühlbacher MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Alexander Peham, Yvonne Tremmel Assistant to General Management Patricia Höreth Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Nicole Glaser (Vertrieb), V ­ ictoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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1 PROFISOUND

2  AFRO SPICES

3  STAY CONNECTED

4 ALLROUND-TALENT

5 ULTRARUNNING

6  IM DOPPELPACK

Zu Hause, bei der Arbeit oder auf Reisen – die neue Premium-Kopfhörer-Serie JBL CLUB bringt das pure Sound-Vergnügen. Das Spitzenmodell JBL CLUB One überzeugt mit modernster Audiotechnologie, edlem Design und einer Vielzahl an Funktionen. Die Graphen-­ Membranen und das adaptive Noise-Cancelling sorgen für begeisternde Klangqualität. jbl.com

Die neue AlpinerX Alive kombiniert Schweizer Uhrmacherkunst mit einem digitalen AMOLED-Touch-­ Display und Connected-Technologie. Sie verbindet alle wichtigen Funktionen im Bereich Sport und ­Gesundheit. Herzfrequenzmesser von Philips Technology, Hydrations- und GPS-Tracker machen die Uhr zum perfekten Partner im Alltag. alpinawatches.com

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Pikant-würzig, feurig-scharf oder doch lieber fruchtig? Die neuen AFRO Spices bringen einen Hauch von Afrika in heimische Küchen. Die Auswahl zwölf er­ lesener Gewürzmischungen garantieren kulinarische Abwechslung und erfreuen die Geschmacksnerven auf besondere Art und Weise. Zu kaufen gibt es die Mischungen in einer 12er-Holzbox oder einzeln. afrospices.at

Der Jackal von La Sportiva ist ein Mountainrunning-­ Schuh für Off-road-Läufe auf ultralangen, aber auch mittleren Distanzen. Vor allem durch die optimale Dämpfung, die durch die frontale Einlage erhöht wird, überzeugt der Schuh. Die hintere Einlage trägt zur Stabilisierung bei, während die Infinitoo™-Technologie eine maximale Energierückgabe ermöglicht. lasportiva.com

Der flache Edelstahlchronograph EQB-1000XD von CASIO EDIFICE ist ein Multitalent. Die Connected-­ Uhr verfügt über einen Smartphone-Link, über den diverse Zeitzonen, ein Phone Finder und Features wie zum Beispiel Stoppuhr abgerufen werden können. Solarbetrieben punktet sie in Sachen Nachhaltigkeit und liegt zudem bequem am Handgelenk. edifice-watches.eu

Den klangstarken BOOMSTER Go von Teufel gibt es ab sofort im Stereo-Set. Beide Boxen lassen sich ganz einfach koppeln. Die Bluetooth-Speaker sind in den fünf Farbvarianten Night Black, Sand White, Space Blue, Ivy Green und Coral Red erhältlich. ­Besonders praktisch: Die Boxen sind wasserdicht, und das gummierte Gehäuse schützt vor Stößen. teufel.de

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SÉBASTIEN THIBAULT

M A K ES YO U F LY

Wir sind Helden

ANDREAS WOLLINGER

„Wenn das Leben dir Zitronen gibt, dann mach Limonade draus“, zitiert der Schöpfer dieser Zeichnung, der kanadische Cartoonist Sebastien Thibault, 39, einen alten Sinnspruch. „Also dachte ich: Wenn eine riesige Welle uns bedroht, dann machen wir einfach ein Superhelden-Cape daraus.“ sebastienthibault.com

Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 14. Juli 2020.

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3 TIPPS VON JEDEM GAST FÜR DEINEN ALLTAG

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Photo: R. Schedl

#GETDUKED BEAST-MODUS AKTIVIERT 2020 KTM 1290 SUPER DUKE R Das NAKED-Regelwerk wurde neu geschrieben. Die neue KTM 1290 SUPER DUKE R ist jetzt schlanker, brutaler und furchteinflößender als jemals zuvor. Mit einem brandneuen Fahrwerk in Verbindung mit perfektioniertem Federungssetup, dem führenden 1301cm3 LC8 V-Twin mit brutalem Vorwärtsschub, hemmungsloser Beschleunigung und einem fortschrittlichen Elektronikpaket ist das neue BEAST bereit es mit der Welt aufzunehmen.

Please make no attempt to imitate the illustrated riding scenes, always wear protective clothing and observe the applicable provisions of the road traffic regulations! The illustrated vehicles may vary in selected details from the production models and some illustrations feature optional equipment available at additional cost.


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