NUMMER 1, NOVEMBER 2007
EIN FAST UNABHÄNGIGES MONATSMAGAZIN
BJØRN DUNKERBECK 35-facher Weltmeister im Windsurfen
WWW.REDBULLETIN.COM
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DIE NUMMER 22.10.2007 17:50:50 Uhr
91 DER TOP 100 UNTERNEHMEN ÖSTERREICHS SETZEN AUF A1.
WIR VERBINDEN, WAS SIE VERBINDET.
MIT DER ERFOLGREICHSTEN KENNZAHL IM BUSINESS. Was die meisten Top Unternehmen Österreichs gemeinsam haben? Neben innovativem Denken, mutigen Entscheidungen und unermüdlichem Einsatz teilen sie sich die Erfolgskennzahl 0664. Auch Red Bull setzt bei mobiler Kommunikation auf A1 und damit auf erfolgreiche Business Verbindungen. Kristallklar und blitzschnell. Weitere Infos erhalten Sie unter www.A1.net/business
Quelle: NEWS Top 1000, NEWS 22B, 31.5.2007
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19.10.2007 17:51:22 12:28:59 Uhr Uhr 22.10.2007
NOVEMBER 2007
BULLHORN
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THE RED BULLETIN
READ BULL: RED BULL GIBT’S JETZT AUCH ZUM LESEN
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In der Nacht, nachdem wir das Jaguar-Formel-1-Team gekauft hatten, zog ich mich auf den Bauernhof zurück. Große Entscheidungen verlangen, dass man sie in klarer Luft einmal sortiert, wenigstens wir bei Red Bull halten das so. Es standen viele Fragen an. Red Bull, ein blutjunges Team in einer vom Ernst der Autoindustrie in Geiselhaft genommenen Umgebung. Die Formel 1, ein alt gewordenes Mädchen in den Fängen von Krawattenträgern. Man erwartete nicht zu Unrecht von uns, dass wir dem Sport dabei helfen, sich wieder auf seine Essenz zu besinnen. Um 2.30 Uhr nachts wurde die Idee für das Red Bulletin geboren. Wenige Monate später, im Mai 2005 beim Grand Prix von Monaco, lief die erste Ausgabe vom Stapel. Wir hatten dafür eine Druckerei in einen Truck montiert, um schnell und unabhängig produzieren zu können. Das Red Bulletin war frech, unkonDietrich Mateschitz ventionell und unterlief alle Erwartungen mit augenzwinkernder, geistreicher Formel-1-Berichterstattung, mit erstklassiger Fotografie und außergewöhnlichem Artwork. Aber schon damals war klar, dass die Formel 1 nur der Anfang sein würde. Red Bull ist in seiner zwanzigjährigen Geschichte zum Content-Provider geworden, zum Veranstalter unzähliger spannender, amüsanter Ereignisse. Red Bull ist in Hollywood genauso zu Hause wie auf den Expeditionen unserer Extremsportler, in der Formel 1 genauso wie in den besten Clubs der Welt, beim Hahnenkammrennen, in der Luft oder auf den Plattentellern unserer DJs – um nur ein paar Highlights zu nennen. In der Welt von Red Bull passieren täglich unglaubliche Geschichten. Im Red Bulletin, dem neuen Monatsmagazin, werden diese Geschichten ab sofort erzählt. Geschichten jeder Ordnung, kurz, quer oder auch ausführlicher als irgendwo sonst: Das Red Bulletin ist ein Magazin, das in seiner Konzeption Neuland beschreitet und in der journalistischen Praxis höchstes Niveau anstrebt. Das sind wir unseren Freunden – der Red Bull Community – schuldig, aber auch uns selbst. Ich möchte mich herzlich bei unseren Vertriebspartnern, acht österreichischen Zeitungshäusern – in alphabetischer Reihenfolge: „Burgenländische Volkszeitung“, „Kleine Zeitung“, „Niederösterreichische Nachrichten“, „Oberösterreichische Nachrichten“, „Die Presse“, „Salzburger Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“, „Vorarlberger Nachrichten“ –, bedanken, die es uns ermöglichen, mit Red Bulletin auch vertriebstechnisch neue Wege zu gehen. Dank ihrer Unterstützung erscheinen wir ab sofort an jedem ersten Dienstag des Monats in einer Auflage von 1,1 Millionen Exemplaren – als Beilage der jeweiligen Zeitung. Alle Leser, die diesen Dienstag verpassen sollten, fi nden ihr Red Bulletin übrigens am Kiosk.
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RED BULLETIN startet 2005 als Magazin für das Fahrerlager der Formel 1 und wird in kürzester Zeit zum Kultobjekt. Nach Produktionen beim Hahnenkammrennen, bei Eishockey- und Fußballspielen (von oben nach unten) wird das Red Bulletin nun zum Monatsmagazin.
GEPA PICTURES
Auf eine neue Facette der Welt von Red Bull freut sich mit Ihnen
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Dietrich Mateschitz
24.10.2007 14:35:23 Uhr
INHALT
THE RED BULLETIN
NOVEMBER 2007
EDITORIAL
MITARBEITER
BULLEVARD
Liebe Leserin, liebe Leser.
ANDIN TEGEN, 33,
studierte Französisch und Ethnologie. Absolventin der Axel-SpringerJournalistenschule. Schreibt für „Neon“, „Annabelle“ und die „Zeit“. Porträt Karina Hollekim, Seite 24
Darüber staunt die Welt in diesem Monat. Seite 6
fotografiert für die Magazine „Vogue“, „Vice“, „Harper’s Bazaar“, „The Face“, „Dazed & Confused“ und „GQ“ und für Modefirmen wie Sisley und Hugo Boss. Das Markenzeichen des US-Fotografen: ein amateurhaft wirkender, direkter Stil. Richardson lebt in New York. Fotos Justin Timberlake, Seite 32
LESER MACHEN PROGRAMM und zeigen ihre Fotos des Monats – aus aller Welt, aus Spaß. Seite 8
BART BLASENGAME, 33, ist DJ und schreibt für das US-Magazin „Details“. Porträt Justin Timberlake, Seite 32
DAS GROSSE RED BULLETIN-QUIZ Welches Tattoo gehört zu welchem Sportler? Seite 10
SIMON KUPER, 38. Der Sportkolumnist der „Financial Times“ ist ein Weltbürger: Geboren in Uganda, südafrikanische Eltern, Jugend in den Niederlanden, Studium in Oxford (Deutsch, Geschichte), wohnt in Paris. Interview Bjørn Dunkerbeck, Seite 38
ISLÄNDISCHE KUNST ist die beste der Welt. Gelogen? Im Hangar-7 hängt die ganze Wahrheit. Seite 10
Das Red Bulletin ist ein fabelhaftes Spiegelbild der Welt von Red Bull, Internationalität inklusive. Das Porträt des Motorrad-Weltmeisters Casey Stoner entstand in dessen australischer Heimat, die Fotos von Justin Timberlake in den USA, die Story über BASE-Jumperin Karina Hollekim in Norwegen, für die Reisestrecke machte sich unser Schweizer Schreiber Sandro Benini auf den Weg nach Rio, und um dem englischen Red Bull Air Race-Piloten Paul Bonhomme auf die Flügel zu schauen, war Autorin Nadja Zele die ganze Saison 2007 mit ihm unterwegs – von Dubai bis Perth. So viel Internationalität kann fast ein wenig anstrengend sein. Als unser in Paris lebender holländischer Autor Simon Kuper nach Gran Canaria kam, um dort das dänische Windsurf-Ass Bjørn Dunkerbeck für unsere Covergeschichte zu interviewen, wurde deutsch geplaudert: Kuper hat Deutsch in Oxford studiert, Dunkerbeck spricht es – wie ein halbes Dutzend andere Sprachen – nahezu perfekt, weil er nicht nur ein Surftalent ist. Kupers abgelieferter Text erreichte uns schließlich im Deutsch-Englisch-Esperanto, als hübscher Höhepunkt babylonischer Sprachverwirrung. DIE REDAKTION
ROBERT BUCHACHER, 64, leitet die Wissenschaftsredaktion des Nachrichtenmagazins „profil“. Die medizinische Basis für Wings for Life, Seite 57
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COVERBILD: MAURICE HAAS
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TERRY RICHARDSON, 42,
DIETMAR KAINRATH ist Illustrator des Red Bulletin und zeichnete auch das Selbstporträt rechts – das, wie er sagt, hundertprozentig stimmt. Denn: „Beim Arbeiten trage ich eine Brille und schufte wie ein Bulle.“ Kainraths Kalenderblatt, Seite 96
MANUEL OBERMAIR bewahrt beim Motocross den Durchblick, auch wenn es nicht danach ausschaut. Seite 6 BEST OF FORMEL 1 2007: Fahrer, Teams, Rennen mit Bulletin-Twist. Seite 8
LESER FRAGEN, und Weltmeister antworten: diesmal Tornado-Segler Hans-Peter Steinacher, der auch noch Doppel-Olympiasieger ist. Seite 9 IM MASSSTAB 1:1 wirkt der Lenker des Mountainbikes von Markus Stöckl normal, aber das Ding ist geeicht für 210,4 km/h. Seite 10
DR. ANKOWITSCH BELEBT GEIST UND KÖRPER: In seiner ersten Kolumne geht’s um die ganz große Leere. Seite 12 SEHR KOMISCH! Kain & Rath sind die Comic-Helden von Kainrath, Vorname: Dietmar. Seite 12 DER FOTOBEWEIS: Amy Winehouse und Quentin Tarantino können auch anders. Seite 13 TRAVIS PASTRANA, Motocross-Ass, verlässt in 4000 Meter Höhe ein Flugzeug – ohne Fallschirm. Seite 14 DR. SCHÄFERS FORMELSAMMLUNG: Diesmal rechnet unser Physiker den Breakdance aus, auf Alpha und Beistrich. Seite 16
ANJE JAGER (3), SEBASTIAN LESTER (2), DIETMAR KAINRATH
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24.10.2007 15:04:36 Uhr
INHALT
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THE RED BULLETIN
HELDEN
DOSSIER
ACTION
Menschen, denen wir Respekt zollen. Seite 19
Ziele, für die es sich lohnt zu kämpfen. Seite 47
Wir machen Lust aufs Mitmachen. Seite 63
CASEY STONER macht die Konkurrenz rasend. Der Australier ist der jüngste Titelträger des MotoGP. Für das Team von KTM/Red Bull errang er einst den ersten Grand-Prix-Sieg.
STEH AUF UND GEH! Rückenmarksverletzungen lähmen, klar. Aber was bedeutet ein Leben im Rollstuhl? Und wie geht das Leben weiter? Antworten von Betroffenen. Seite 48
ICH WAR EIN PUCK. Red BulletinMitarbeiter Markus Huber holte sich beim Training mit dem Farmteam der Red Bulls Salzburg blaue Flecken und fi ndet Eishockey trotzdem toll. Seite 64
FUNDRAISING. Die Stiftung Wings for Life und ihre Methoden, mit guten Ideen gutes Geld zu sammeln. Seite 54
ALLES IST DRIN. Wie aus einer leeren Dose der beste Freund des Menschen werden kann. Wow! Seite 68
WISSENSCHAFT. Wie weit sind die Ärzte in ihrem Bestreben, den Rollstuhl überflüssig zu machen? Seite 57
YES, YOU CAN! Indoor-Klettern für Einsteiger: Die Tipps für Senkrechtstarter kommen von den österreichischen Weltcupsiegern David Lama und Kilian Fischhuber. Seite 70
VON FRIEDEMANN KIRN Seite 20
KARINA HOLLEKIM war bis zu einem Unfall BASE-Jumperin der Weltklasse. Jetzt ist sie am Boden, aber nicht unten. Porträt einer Willensstarken. VON ANDIN TEGEN Seite 24
PAUL BONHOMME ist ein Überfl ieger. Wenn er in die Luft geht, bleibt seinen Fans die Luft weg. VON NADJA ZELE Seite 28
MEDIZIN. Drei Ansätze, Nerven im Rückgrat wieder zusammenwachsen zu lassen. Seite 59
JUSTIN TIMBERLAKE kann Menschen um den Verstand singen. Das reicht ihm nicht. Ein Besuch in seiner Garderobe. VON BART BLASENGAME Seite 32 BJØRN DUNKERBECK ist 35-facher Weltmeister im Windsurfen. Für uns ließ er eine Welle aus und lud zum Abendessen. Das Tischgespräch.
REIZENDES FLECKCHEN ERDE. Wenn Vergnügen und Verbrechen Tür an Tür wohnen, ist man in Rio de Janeiro. Liebeserklärung an eine Stadt, die niemals schlappmacht. Seite 76
VON SIMON KUPER Seite 38
DAY & NIGHT. Der Red BulletinTerminkalender. Seite 84
WIR WAREN HIER. FÜR SIE. Hollywood
Salzburg
Newport Beach
SO FEIERN DIE STARS. Paris, George und Brad und jede Menge Spaß. Seite 88
Toronto
DIE BESTEN CLUBS DER WELT. Diesmal: der CocoonClub, Frankfurt. Seite 90
South Hampton
SO FEIERN WIR. Mit Tina und Gisela, Handy und Kamera und den Bildern, die sie gemacht haben. Seite 92
Las Vegas
Oslo Marlborough
KOCHEN MIT WITZIGMANN. Der normale Hamburger ist so fad wie ein Klischee, die Version von Starkoch Eckart Witzigmann ein Kunstwerk. Zum Nachmachen empfohlen. Seite 74
New York
La Parva London
Paris Rio de Janeiro
Gran Canaria
Verraten Sie uns, wo Sie waren. Auf www.RedBulletin.com
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MITTEN AUF DER STRASSE. Die Red Bulletin-Lesegeschichte. VON MICHAEL KÖHLMEIER Seite 94
KAINRATHS KALENDER. Seite 96 RED BULL VOR 80 JAHREN. Seite 98 IMPRESSUM UND OFFENLEGUNG GEMÄSS § 25 MEDIENGESETZ. Seite 98
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24.10.2007 12:14:08 Uhr
7 GESICHT DES MONATS
KÖNNEN DIESE AUGEN LÜGEN? HE
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Motocross ist ein Freiluftsport. Und das ist auch gut so. Findet zumindest Manuel Obermair, 19, aus Ungenach. Der Juniorenstaatsmeister 2006 mag Schlamm. Schlamm trennt die Buben von den Männern. Buben gehen weinen, Männer hingegen schmeißen ihre Brille weg und ackern U E L OB E R M durch den bodenlosen Gatsch, bis sich kein Rad M AN : AI R R mehr dreht. Oder bis der Zielrichter mit der FahE ET ne wachelt (und man ihn noch sieht). Wenn -M die anderen in den Spurrillen verzweifeln, 13 % RESIGNATION krampfgeplagt vom Kampf gegen das Motorrad, blind, weil sich die Erde auf der Hornhaut verteilt hat, blüht der 15 % BLINZELN junge Ungenacher auf und fährt seine stärksten Rennen. Respekt von uns, und die Flasche Augentropfen geht 2 % KÄRCHERN aufs Haus! RED BULL KNOCK OUT: SCHEVENINGEN/NL, 18. NOVEMBER 2007
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BULLEVARD
THE RED BULLETIN
BEST OF FORMULA
ONE
NOVEMBER 2007
Die Männer hinter den Schlagzeilen der Formel-1-Saison 2007. Übrigens: besten Dank an unsere Kollegen vom Formel-1-Red Bulletin, die uns mit ihrer Expertise halfen. 17. UND LETZTER FORMEL-1-GRAND-PRIX 2007: BRASILIEN, 21. OKTOBER 2007
UNBEDANKTER HELD
NICK HEIDFELD
(D, BMW-Sauber) – keiner schrammte in der heurigen Saison öfter am Podium vorbei als der bärtige Deutsche.
AUFERSTEHUNG DES JAHRES
FRÜHSTART DES JAHRES
CHRISTIJAN ALBERS
(ENG, McLaren-Mercedes) – vom Sieger der Nachwuchsformel GP2 zum Beinahe-Weltmeister in einer Saison, das haben vor Hamilton nicht einmal Ayrton Senna und Michael Schumacher geschafft.
JEDER SCHUSS EIN TREFFER!
GRONINGEN
GA R R I S O N , N . Y.
Aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser: einfach hochladen auf www.RedBulletin.com Die besten Fotos kommen jeden Monat ins Heft!
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Luc Bollen aus Zelem, Belgien: „Den ganzen Vormittag gebuddelt, dann kam der Engel mit der Dose. Zeit für ein Baustellen-Red Bull!“ Groningen, NL, 18. August 2007
Mark aus Garrison, New York: „Dave arbeitet daran, die tragende Struktur seines Hauses Stück für Stück durch Red Bull-Dosen zu ersetzen.“ Garrison, November 2006
WWW.FLICKR.COM (4), CHRISTIAN VERON/RED BULL PHOTOFILES
LEWIS HAMILTON
DEIN FOTO!
(FIN, Ferrari): Der neue Weltmeister tarnte sich im Juli in Finnland mit einem Affenkostüm, um unerkannt auf Sauftour gehen zu können – das bringt ihm auch den Titel „Bestangezogener Fahrer“.
(Spyker) sauste beim Grand Prix von Frankreich nach dem Tankstopp los, bevor seine Mechaniker – diese hatten jede Menge Schutzengel – den Tankschlauch lösen konnten. Albers ist übrigens Holländer …
ROOKIE DES JAHRES
BI L DE R DE S MONAT S
KIMI RAIKKÖNEN
24.10.2007 12:49:10 Uhr
ÜBERHOLMANÖVER DES JAHRES
E DEIN FRAGE!
TAKUMA SATO
(JAP, Super Aguri) überholte beim Grand Prix von Kanada zwei Runden vor Schluss kaltschnäuzig den damaligen Noch-Weltmeister Fernando Alonso (SPA) am Ende der Zielgeraden und holte Rang sechs vor dem Spanier.
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THE RED BULLETIN
Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister: E-Mails an weltmeister-antworten@at.redbulletin.com
MANN DES JAHRES
RON DENNIS
(ENG, Teamchef McLaren-Mercedes) – um ihn (wir sagen nur: 100 Millionen Dollar Spionage-Strafe!), sein Team (Strategie!) und seine Fahrer drehte sich die gesamte Saison.
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TEAM DES JAHRES
BMW-SAUBER
– fast dreimal so viele Punkte geholt wie 2006 und damit auf Platz 2 in der Teamwertung hinter Ferrari. Bayerische Gründlichkeit eben.
WWW.FLICKR.COM (4), CHRISTIAN VERON/RED BULL PHOTOFILES
CAR ACAS
Christian Veron aus Venezuela: „So küssen Männer mit Gefühl. Auf ihrer Maschine sitzend.“ Chris Pfeiffer Show in Caracas, Venezuela, 30. April 2007
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HERI IRAWAN (ILLU), STEVE WILLIS (ILLU), THOMAS BUTLER, FLOHAGENA.COM/RED BULL PHOTOFILES, GETTY IMAGES, GILLES LEVENT/DPPI, SUTTON MOTORSPORT IMAGES (3), YOAN VALAT/APA/EPA,
XPOSUREPHOTOS.COM
LESER FRAGEN, WELTMEISTER ANTWORTEN Max Huber, Salzburg, fragt:
WIE BLEIBT MAN WÄHREND EINER REGATTA TROCKEN? Tornado-Segler Hans-Peter Steinacher, Europameister, Weltmeister und Doppel-Olympiasieger, antwortet: „Wir richten uns bei der Wahl der Kleidung nach der Wassertemperatur. Ist das Wasser wärmer als 16 Grad, verwenden wir einen Neoprenanzug. Da sitzen wir praktisch ständig im Nassen, aber durch die Wärmeausstrahlung des Körpers fühlt es sich darunter warm an. Hat das Wasser unter 16 Grad, verwenden wir Trockenanzüge aus Latex, die beim Hals und an den Armen und Beinen mittels Manschetten wasserdicht abschließen. Darunter tragen wir Funktionsunterwäsche oder Dinge aus Fleecestoff.“
Hans-Peter Steinacher mit seinem Steuermann Roman Hagara
FREMONT, OREGON
WA S H I N GTO N , D . C .
Travos Talbott aus Seattle: „Red Bull-Antrieb, perfekte Aerodynamik, harter Blick. Zum Sieg reichte es trotzdem nicht.“ Seifenkistenrennen in Fremont, 29. 9. 2007
Victor Nguyen-Long aus Washington, D. C.: „Eins, zwei, hoch das Bein! Die stylische Art des Handstands.“ B-Boy Battle in Washington, D. C., 30. September 2007
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BULLEVARD
THE RED BULLETIN
NOVEMBER 2007
MASSSTAB 1:1
NIMM MICH!
GUÐMUNDUR THORODDSEN
SPEEDBIKE-WELTREKORDRENNEN: LA PARVA, CHILE, 15. SEPTEMBER 2007
TATTOO-QUIZ Ein Engel, ein Motto, ein Revolutionär und die Kicker Diego Maradona, David Beckham, Marc Janko. Was gehört zu wem?
1 A
2 B
3 C Isländische Künstler sind die besten der Welt. Natürlich ist das gelogen, aber steckt nicht in jeder Lüge ein Funken Wahrheit? Finden Sie es heraus, im Hangar-7. Dort hängt auch der „Rodeo-Reiter“ von – na, wie hieß er doch noch gleich? ANTWORT: 1–B, 2–C, 3–A
PLEASANT VALLEY
Mike Williams aus Grain Valley, Missouri: „Beim besten Willen – er konnte den Kickstarter nicht finden.“ BMXContest in Pleasant Valley, 29. September 2007
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HÉRNA – MALEREI AUS ISLAND: HANGAR-7, SALZBURG, BIS 11. NOVEMBER 2007
BIELEFELD
Julie Très aus Bielefeld: „Ich traute meinen Augen nicht, als der rote Bulle am Himmel auftauchte. Da fehlte nur noch Nessie.“ Bielefeld, August 2007
ALFREDO ESCOBAR/RED BULL PHOTOFILES,, GEPA PICTURES, GETTY IMAGES (4), KURT GÖDHANS, PRIVAT, GUDMUNDUR THORODDSEN/RED BULL PHOTOFILES
NAMEN, DIE MAN SICH MERKEN MUSS
SALZBURG
Paul Haemers aus Maastricht: „Einsteigen für Fortgeschrittene: Team-Flieger zum Auswärtsspiel.“ Salzburg Airport, 7. August 2007
WWW.FLICKR.COM (3)
An diesem Griff hat sich Markus Stöckl, 33, bei seinem Mountainbike-Speed-Weltrekord festgeklammert: 210,4 km/h auf einer Skipiste in Chile. „Ab 200 km/h war der Winddruck so stark, dass mir der Helm fast die Nase gebrochen hätte.“ Mit einem vollverkleideten Prototyp hält Max 250 km/h für möglich. Zum Stehenbleiben reichte dem Kitzbüheler 100-KiloBären eine serienmäßige Scheibenbremse.
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Vorsprung durch Technik www.audi.at
Ein DTM-Sieg ist ein großes Erlebnis. Wie jede Fahrt in einem Audi.
Herzlichen Glückwunsch allen Audi Fahrern. Audi Sport gewinnt die DTM 2007. Sieger aber sind alle Audi Fahrer. Denn die Technik der Rennstrecke kommt auch in der Serienproduktion zum Einsatz – und umgekehrt. Von den außerordentlichen Leistungen eines Audi kann man sich daher überall überzeugen. Auf der Rennstrecke und auf der Straße.
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THE RED BULLETIN
BULLEVARD
ANKOWITSCHS KOLUMNE BELEBT KÖRPER UND GEIST (1)
NOVEMBER 2007
SEHR KOMISCH
LEEREN LERNEN
Buddhisten sind auch nur Menschen, die Zeit haben. Handtücher können Körper trocknen – und umgekehrt. Noch Fragen? Dann weiter im Text.
Suchen wir nach Menschen, und lenke uns bloß vom die wir vorbehaltlos bewunWesentlichen ab: von dern können, sind wir bei unserem Geist! Wir seien den Mönchen aus Tibet besbesser beraten, wenn wir tens aufgehoben. Über sie uns so lange auf unser kursieren die unglaublichsten Inneres konzentrieren, bis Geschichten. Und ganz sich die Welt auflöst – und nebenbei geben diese Gezwar in nichts. schichten eine klare Antwort Bis wir alles vergessen auf unsere Frage: Wer behaben inklusive der eigenen stimmt über unser Leben? Person. Dann, so die Von Christian Ankowitsch Ist es der Geist, der sich die Vorstellungen dieser Erde untertan macht? Oder tibetanischen Buddhisten, sind wir in allem, was wir tun, von unsewürden wir eins mit jener universalen rem Körper abhängig? Kraft, die alle Steine, Kühe, Menschen So schaffen es die heiligen Männer zum und nassen Handtücher in sich Beispiel, in klirrender Kälte zu überleben vereine. Diese Kraft hebe alle Wider– selbst wenn sie nur ein Unterhemd sprüche der Welt auf und konzentriere sie in einem einzigen Punkt. Wir tragen. Sie können wochenlang könnten auch sagen: Diese Kraft ist bewegungslos dasitzen, ohne zu essen jener Knopf, auf den man drücken und zu trinken – um dann aufzustehen, muss, um das Weltall in Bewegung als hätten sie gerade eine Dreiviertelzu setzen. stunde ferngesehen. Und manche wollen beobachtet haben, wie es Kein Wunder also, dass all jene MenMönchen gelungen ist, nasse Handschen, die sich mit dieser Superkraft verbinden können, die unglaublichsten tücher, in die man sie gehüllt hatte, Dinge zuwege bringen. Zum Beispiel aus eigener Kraft zu trocknen. Und das nasse Handtücher trocknen, die man in nicht einmal einer Stunde! Auf 3000 ihnen um den Leib geschlungen hat. Meter Seehöhe! Die Schwerkraft überwinden und Wie machen die das bloß? Ganz schweben. Hunderte Kilometer wie in einfach, sagen die Mönche – sie seien Trance laufen, ohne einen Moment zu alledem fähig, weil sie eine Technik auszuruhen. beherrschten, die sie als „Meditation“ Sie wollen das auch beherrschen? bezeichnen. Bei dieser weit über Kein Problem: Wenn wir die tibetanitausend Jahre alten geistigen Sammschen Mönche richtig verstanden lungstechnik gehe es darum, die Aufmerksamkeit von der Welt abzuwenhaben, müssen Sie nur ein wenig üben. den; die sei nämlich eine Ansammlung Wir sprechen uns also bald wieder. von Irrtümern und Nebensächlichkeiten So in dreißig Jahren?
Gerhard Palnstorfer aus Salzburg: „So ist Felix Baumgartner über den Ärmelkanal geflogen? Und wo ist sein Gepäck?“ Hangar-7 in Salzburg, 7. Oktober 2007
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K U WA I T
Ahmed Bu Daham aus Kuwait: „Bei Wüstenspaziergängen wirkt Red Bull wie die Batterie für den Duracell-Hasen. Körperwarm, aber stets griffbereit.“ 4. Oktober 2007
COLOMBO
Yusif Bassil aus Dubai: „So charmant wird Red Bull im hektischen Berufsverkehr Colombos verkauft. Drive-byBulling mit vollem Körpereinsatz.“ 3. Oktober 2007
DAVE HOGAN/GETTY IMAGES, ANNE JAGER (ILLU), WWW.FLICKR.COM (3)
SALZBURG
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60 % ZINFANDEL
10 % BLITZLICHT
10 % TINTE
20 % SEX
DER FOTO-BEWEIS
AMY WINEHOUSE TRINKT NICHT IMMER Das Red Bulletin verbannt Missverständnisse aus der Welt des Glamours. Erstens: Frau Winehouse heißt nicht Crystal, sondern Amy und hat zweitens ein vollständiges Gebiss. Drittens beweist dieses Bild, das bei den Music of Black Origin Awards Ende September in London entstand: Über Amys Herz ist nicht „Bullred“ tätowiert, sondern irgendwas, das mit „Blak“ beginnt. Viertens: Frau Winehouse steht nicht auf Trailertrashkult, sondern stützt sich auf einen kultigen Trasher, und der heißt fünftens nicht Tintin Quarantino, sondern Quentin Tarantino. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. MUSIC OF BLACK ORIGIN AWARDS (MOBO): O² ARENA, LONDON, 19. SEPTEMBER 2007
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BULLEVARD
THE RED BULLETIN
NOVEMBER 2007
LUFTPOST
FANG MICH, ICH BIN DER TRAVIS 4000 Meter über Puerto Rico zieht sich Travis Pastrana aus bis auf Socken, Short und Sonnenbrille, schnappt sich eine Dose, zieht die linke Socke noch einmal hoch, vergisst die rechte, grinst kurz über die Schulter, und weg ist er. Einfach aus dem Flieger gehüpft, ganz ohne Fallschirm. Drei Schutzengel rasen ihm nach, die Arme flach angelegt, die Nasen hart im Wind. Irgendwer muss den Tollkühnen ja wieder einfangen, der da im freien Fall spielen gegangen ist, im Idealfall noch in der Luft. Weiß Pastrana, was er tut? Eher ja. Travis lebt Adrenalin. Für den amerikanischen Motocross- und Freestyle-Gott war diese kleine Air Show nur ein weiteres Kapitel im „Mein Leben kennt keine Limits“-Tagebuch. Bisherige Einträge: ein Sprung in den Grand Canyon (mit Bike und Fallschirm), 2006 der weltweit erste Doppel-Backflip mit dem Motorrad (den macht ihm bis heute keiner nach). What’s next, Travis? Egal: Wir halten den Luftraum frei für dich.
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THE RACE OF CHAMPIONS: WEMBLEY-STADION, 16. DEZEMBER 2007
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SAN DIEGO
Kevin Baird aus San Diego: „Keine Sorge, Peter Besenyeis Edge 540 hat nicht Feuer gefangen. Smoke on!“ Red Bull Air Race in San Diego, 22. September 2007
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C ATANIA
Stefano Mortellaro aus Noto, Sizilien: „Den Landepunkt genau anvisieren und auf ein bisschen Hilfe von oben hoffen.“ Red Bull District Ride in Catania, 15. Juli 2007
ROM
Daniela Silvestri aus Rom: „Von welchem Planeten diese Kreatur kommt, ist unbekannt. Führte sie Red Bull hierher?“ Red Bull Flugtag in Rom, 7. Oktober 2007
WILLIAM HALSEY, WWW.FLICKR.COM (3)
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Strapaziert Kรถrper und Geist. play for real
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24.10.2007 12:50:51 Uhr
DR. AXEL SCHÄFERS FORMELSAMMLUNG (I)*
AUSGERECHNET: BREAKDANCE
Anfang der 1970er-Jahre wurde Breakdance in der New Yorker Bronx erfunden. Von Kids, die wohl in mehr Pistolenläufe als in Schulbücher geschaut haben. Unser Redaktionsphysiker Dr. Axel Schäfer enthüllt, wie viel Physik sich hinter ihren leichtfüßigen Tanzbewegungen verbirgt: Beim Handstand Freeze zum Beispiel erstarrt der Breakdancer aus voller Rotation in einem Handstand mit verknoteten Beinen. In Bruchteilen einer Sekunde berechnet der B-boy oder das B-girl den nötigen Drehimpuls, der den Körper in einer stabilen Lage hält, und zwar so: Die Schwerkraft, also das Produkt aus der Masse des Tänzers (m) und der Fallbeschleunigung (g) auf der Erde, bestimmt zusammen mit der Höhe des Schwerpunkts des Breakers über dem Boden (hcm) und dem Kippwinkel des Körpers (αtilt) jenes Kräfteverhältnis, das es im Moment der Figur zu matchen, das heißt: durch eine Richtungsänderung auszugleichen gilt. So weit alles klar? Die aktuelle Winkelgeschwindigkeit (ω) der Rotation und das Trägheitsmoment um die Rotationsachse (z-Achse) werden stets mit berücksichtigt, damit die Kippgeschwindigkeit (dαtilt /dt) so klein wie möglich gehalten wird. Ein Typ wie Trixtah (im Bild) löst diese Rechenaufgabe im Handumdrehen. * Der Physiker Dr. Axel Schäfer, 38, forscht am Institut für Experimentalphysik der Universität Wien.
RAYDEMSKI.COM/RED BULL PHOTOFILES
BREAKDANCE SPECIAL MIT NOBODY ROCKZ UND 24/7: MUSEUMSQUARTIER-WINTERPROGRAMM, WIEN, 15. NOVEMBER 2007
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Menschen, denen wir Respekt zollen
CASEY STONER Als Vierjähriger zeigte
er der Schwerkraft den Mittelfinger. Jetzt, mit 22, tut er das nicht mehr: Casey ist besser erzogen – und Weltmeister der MotoGP-Klasse. Seite 20
KARINA HOLLEKIM Bis zum Sommer 2006 war die Norwegerin die weltbeste BASE-Jumperin. Dann kam der
Tag, als ihr Fallschirm streikte. Seite 24
PAUL BONHOMME Wenn sein Körper
in engen Kurven so viel wiegt wie sein Flugzeug, ist der Red Bull Air Race-Pilot in seinem Element. Seite 28
JUSTIN TIMBERLAKE Ein Besuch in der Garderobe des „Pope of Pop“. Seite 32
BJØRN DUNKERBECK Der dänische
Windsurfer ist mit 35 Weltmeistertiteln der erfolgreichste Sportler des Universums. Wir machten mit ihm Pause. Seite 38
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CASEY STONER
gibt Gas, wenn andere
Angst haben. Bereits als Vierjähriger trickste er die Schwerkraft aus. Lohn der Furchtlosigkeit: Sieg in der MotoGP. Und das ist erst der Anfang. TEXT FRIEDEMANN KIRN
KURVENSTAR Casey Stoner ist gerade mal 22, sitzt aber schon seit 18 Jahren im Sattel. Vom ersten Sieg mit neun bis zum Start seiner Europa-Karriere mit 14 holte sich der Australier in seiner Heimat 41 Titel im Dirt- und Long-Track sowie 70 Staatsmeisterschaften. 2001 ging er mit einer 125er-Honda bei der Weltmeisterschaft an den Start – und ist seitdem nicht mehr aufzuhalten: 2003 in Valencia erster Sieg in dieser Klasse. Heuer folgte dann die Krönung in der Königsklasse: Sieg bei der Straßen-WM.
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WONDERBOY. Es hätte das Jahr des Valentino Rossi werden sollen. Der siebenfache Motorrad-Weltmeister, 2006 denkbar knapp geschlagen, beherrschte die Vorsaisontests mit lässiger Überlegenheit. Seine Yamaha M1 galt als bestes Motorrad der MotoGPKlasse. Die Wetten, der italienische Weltstar werde auf dem Weg zum achten Titel sämtliche 18 Rennen der Grand-Prix-Saison 2007 gewinnen, standen höher als die auf eine weitere Niederlage. Doch dann wirbelte ein 21-jähriger Australier die Rangordnung der MotoGP-Klasse durcheinander wie ein Tropenunwetter. Casey Stoner, bis dahin nur Insidern bekannt und eher zufällig ins offizielle Ducati-Marlboro-Werksteam gerutscht, weil sein spanischer Vorgänger Sete Gibernau zu viel Geld gefordert hatte, fuhr Rossi beim Saisonauftakt in Qatar in Grund und Boden. Phänomenal der Topspeed seines Motorrads, überlegen der Grip seiner Bridgestone-Reifen, und selbst die Stoner-Fans wunderten sich über die ruhige, fehlerlose Selbstverständlichkeit, mit welcher der frühere Bruchpilot jeden Angriff Rossis parierte. Die Konkurrenz war schockiert. Hofften die Strategen bei Yamaha und Honda zunächst noch auf einen Zufallstreffer, so bestätigte Stoner seine grandiose Form mit acht Siegen, bevor er – ausgerechnet! – in Japan, drei Rennen vor Saisonende, den vorzeitigen Gewinn der Weltmeisterschaft feierte. Ducati beendete damit eine 33 Jahre währende japanische Vorherrschaft in der Motorrad-Königsklasse. Anders als die breite Lobby italienischer und spanischer Sponsoren, die auf Erfolge von Rossi gesetzt hatten, reiben sich nun vor allem die Marlboro-Manager die Hände. Stoner passt nicht nur mit seinem sagenhaften Tempo auf der Rennstrecke, sondern auch mit seinem Lebenslauf zum Werbeslogan von Freiheit und Abenteuer. Aufgewachsen auf dem am dünnsten besiedelten Kontinent, wagte er als Halbwüchsiger den Sprung ins Ungewisse, übersiedelte nach Europa, startete eine Tellerwäscherkarriere als Straßenrennfahrer und katapultierte sich in wenigen Jahren ganz nach oben. Das war der Stoff, aus dem Hollywood-Filme entstehen. Nur kam Stoner nicht als Cowboy auf einem Mustang angeritten, sondern als Kind auf einem brutalen Dirt-Track-Motorrad. Geboren in Southport an der Ostküste Australiens, teilte Stoner schon als
Dreikäsehoch die Zweiradbegeisterung seines Vaters Colin, eines Malers, der sich an den Wochenenden als Hobby-Rennfahrer die Zeit vertrieb. Bereits als Vierjähriger knatterte Casey mit Ehrgeiz und Bravour über Dirt- und Flat-Track-Pisten. Anders als beim Motocross geht’s auf den staubigen Ovals nicht um wilde Sprünge und die Beherrschung schwierigen Terrains, sondern darum, auf losem Untergrund schwungvoll in die Kurve einzubiegen, das Hinterrad ausbrechen zu lassen, fast bis zum Anschlag gegenzulenken und dabei herzhaft Gas zu geben, ähnlich wie beim Speedway. Die Stoners zogen an den Rennwochenenden kreuz und quer durch den fünften Kontinent, zwei-, dreitausend Kilometer im Kombi und Anhänger, um irgendwo in der Provinz gegen irgendjemanden antreten zu können. Casey verblüffte von Anfang an mit seinem Talent. Von seinem ersten Sieg mit neun bis zum Start seiner Europa-Karriere mit 14 gewann er 41 Dirt- und Long-Track- sowie 70 Staatsmeistertitel. Einmal, als Zwölfjähriger, bestritt er an einem einzigen Wochenende in fünf verschiedenen Klassen je sieben Rennen. Von den 35 Läufen gewann er 32 und holte alle fünf australischen Meistertitel, die an jenem Wochenende vergeben wurden. Dirt-Track-Erfolge waren aber nicht das, worauf der kleine Casey scharf war. „Mein Traum war immer, in der Straßen-WM eine 500er zu steuern“, erinnert er sich. Eine 500er wie Wayne Gardner, wegen seines Kämpferherzens „The Woollongong Wild One“ genannt, Weltmeister 1987 und Sieger des ersten Motorrad-Grand-Prix auf australischem Boden. Eine 500er wie Gardners australischer Landsmann und Multi-Weltmeister Mick Doohan, der zwischen 1994 und 1998 fünf Titel en suite einstrich. „Das waren meine Helden, seit ich denken kann“, sagt Stoner. „Ich bin aufgewachsen, während ich mir ihre Rennen angeschaut habe, und sie haben dazu beigetragen, dass ich jetzt bin, was ich bin. Mein Ziel war immer, ebenfalls Weltmeister zu werden.“ Dirt Track lieferte die Basis für die Erfolge bei Gardner, Doohan und Stoner, denn die Pisten waren noch vor Jahren in Australien ebenso verbreitet wie Rugby-Stadien. Wer früh das Driften lernt, die Kontrolle des durchdrehenden Hinterrads und die Reflexe, die es braucht, um die Sturzgrenze zu überlisten, der wird später ein besserer Straßenrennfahrer.
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COLIN STONER
JETZT LACHT ER, ABER BEVOR „ROLLING STONER“ SO HOCH KAM, MUSSTE ER OFT FALLEN. 021-AIO_20-22_Helden_Stoner 21
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HART WIE STONER Nach dem ersten Erfolg in einem WM-Lauf sorgte er 2004 als KTM-Werkspilot für einen wunderbaren Österreichbezug: Beim GP von Malaysia gewann Stoner das erste Rennen für die damals von Red Bull unterstützten Mattighofener. Und dann fuhr er weiter und den Kollegen davon: VizeWM-Titel in der 250erKlasse (2005, Aprilia). Die sturzreiche Saison bei Honda überlebte er 2006 mit dem Spitznamen „Rolling Stoner“. 2007 wechselte Stoner zu Ducati, wo er weniger hin-, dafür mehr auffiel: kein Ausfall in 15 Rennen, acht Siege, der Gewinn des Titels stand bereits im viertletzten Rennen fest. Und mit diesem Sieg schrieb Stoner Geschichte: Es war der erste WM-Titel für einen nichtjapanischen Rennstall seit Phil Read (1974, MV Agusta).
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Wichtig dabei ist, rechtzeitig auf befestigten Untergrund umzusteigen. In Australien hätte Stoner mindestens 16 Jahre alt sein müssen, um eine Straßen-Rennlizenz zu erwerben. In Europa, vor allem in England und Spanien, darf man schon mit 14 antreten. Hatten die Stoners bis dato schon jeden Cent investiert, um Casey den Motorradsport zu ermöglichen, passierte nun für Normalbürger Unbegreifliches: Kaum hatte Casey das nötige Mindestalter erreicht, verkauften Vater Colin und Mutter Bronwyn ihre Farm in Kurri Kurri, tauschten den Komfort der Heimat gegen ein Zigeunerleben in Europa und dachten keinen Moment daran, dass die Mission auch schiefgehen könnte. „Dass es Casey ganz nach oben schaffen würde, wusste ich, seit er vier Jahre alt war“, erinnert sich Colin Stoner. „In dem Alter hat er schon Jungs besiegt, die doppelt so alt und doppelt so groß waren.“ So einfach ist das. In Europa geriet Casey bei verschiedenen Nachwuchsprojekten in die richtigen Hände und setzte an zum rasanten Aufstieg. Nach Gehversuchen in nationalen Meisterschaften folgten 2003 der erste Grand-Prix-Sieg in der 125er-Klasse, 2005 die Vizeweltmeisterschaft bei den 250ern und 2006 der ersehnte Einstieg in die Königsklasse, die MotoGP. Stoners Weg nach oben verlief nicht immer geradlinig. Eine der Anekdoten seiner ersten Auftritte in der MotoGP-Klasse, 2006, beginnt damit, dass der damals 20-Jährige vor dem zweiten Lauf der Saison in Qatar wegen eines defekten Flugzeugs in Wien hängen blieb. Tags darauf klappte eine Umbuchung nur beinahe: Bei der Zwischenlandung in Dubai strandete Stoner wegen einer fehlenden Bordkarte für den Anschlussflug abermals und verbrachte eine ungemütliche Nacht im Flughafen-Terminal. Am frühen Freitagmorgen kaufte er sich ein neues Ticket, traf um 8.30 Uhr in Doha ein und sprang zu seinem wartenden Teamchef Lucio Cecchinello ins Auto. Auf der Fahrt zur Rennstrecke gab es als Frühstück Schokoriegel und Red Bull. Im Fahrerlager schlüpfte Stoner in seine Lederkombi, stülpte sich den Sturzhelm über und glühte, allen schlaflosen Nächten zum Trotz, zum zweiten Trainingsrang. Tags darauf holte er ausgeschlafen seine erste PolePosition in der Königsklasse. Dass Stoner im Rennen
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nur Fünfter wurde und 2006 bei etlichen anderen Gelegenheiten stürzte, hatte weniger mit mangelnder Konstanz und Erfahrung als mit dem Paket Motorrad und Reifen zu tun. Stoners Honda war keine echte Werksmaschine, und auch beim Reifenlieferanten Michelin war der Neuling nur zweite Wahl. 2007 kam die große Wende. Stoner wurde Ducati-Werksfahrer, und plötzlich umgaben ihn Scharen an Motoringenieuren, Elektronikspezialisten, Fahrwerksgurus und Reifenleuten, die ihm jedes Wort von den Lippen ablasen und versuchten, aus jeder kleinen Geste eine Aussage zu destillieren. Stoner schätzt das: „In der Vergangenheit gab es niemanden, der mich ernst genommen hat. Mir wurde gesagt, ich sei zu jung, ich wisse nicht genau, von was ich rede. Jetzt hören mir alle zu, um daraufhin die richtigen Entscheidungen zu treffen.“ Wahrscheinlich ist er auch deshalb in seiner kurzen Zeit als Werksfahrer deutlich reifer und entspannter geworden und hat sich ins Gegenteil jenes risikofreudigen Hitzkopfs verwandelt, der wegen seiner Sturzeskapaden den Spitznamen „Rolling Stoner“ trug. Stoner ist gerade 22 Jahre alt geworden, weiß aber genau, was er will. Dazu gehört, dass er zu Jahresbeginn seine 18-jährige Freundin Adriana heiratete, in einem Alter, in dem die meisten jungen Leute erst einmal ausschwärmen, um die große, weite Welt zu entdecken. Stoner: „Meine Eltern haben früh geheiratet und die von Adriana auch. Ich wollte nur mit Adriana zusammen sein, deshalb war es einfach, diese Entscheidung zu treffen. Mit ihr an meiner Seite bin ich glücklich und entspannt.“ Adriana hat er einst bei seinem Heim-Grand-Prix auf dem australischen Phillip Island kennengelernt: Sie wollte von ihm ein Autogramm auf den Bauch gemalt bekommen. Wer mit 22 schon mehr von der Welt gesehen hat als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben, will, wenn er Urlaub hat, nicht nach Rio, Las Vegas oder London, sondern zurück nach Hause. Dort, im abgelegenen Irgendwo fünf Stunden nördlich von Sydney, wo man eher auf Schlangen trifft denn auf menschliche Zeitgenossen, haben sich die Stoners wieder eine Farm gekauft. Casey kann da ganz er selbst sein, ohne Marlboro-Shirts und PR-Verpflichtungen. „Ich dachte, ich müsse ausschließlich Motorrad fahren“, lächelt Stoner, „doch das Fahrerlagerleben ist ein bisschen anders, als ich mir das als Kind ausgemalt habe.“ Deshalb genießt es Stoner ganz besonders, zu Hause zu sein: „Unsere Farm ist ein herrlicher Flecken Erde. Viel Platz, Frieden und Ruhe, jede Menge Tiere, all die Dinge, die mir gefehlt haben, seit ich nach Europa übersiedelt bin, um Straßenrennen zu fahren.“ Dann reitet er aus, geht angeln, zettelt mit Freunden eine Grillparty an oder dreht eine Runde auf dem Dirt-Track-Bike. Willkommen daheim. 18. UND LETZTER MOTOGP-WM-LAUF: VALENCIA, 4. NOVEMBER 2007
Rolling Stoner beim Grand Prix von China in Shanghai, Mai 2007
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lebte stets für
20 Sekunden: Länger dauerte ein Sprung der weltbesten BASE-Jumperin nicht. Nachdem die Norwegerin im letzten Sommer wie ein Meteorit zur Erde stürzte, ist sie zwar unten – aber nicht am Boden. TEXT ANDIN TEGEN BILD HELMUT WACHTER
DAS ZWEITE LEBEN. Im August 2006 stürzte sich Karina Hollekim zum letzten Mal aus der Luke eines Helikopters. Damals, an einem windstillen Sommertag – blauer Himmel, Wolken wie Wattebälle –, endete Karina Hollekims erstes Leben. Kurz vor ihrem Ziel, dem Genfer See bei Villeneuve, verfing sich eine Steuerschlaufe in ihrem Fallschirm, und sie fiel vom Himmel wie ein Stein. Heute sitzt Karina Hollekim in ihrer Osloer Dachwohnung auf der Couch, das rechte Bein steif vor sich ausgestreckt. Es lässt sich nur noch zu 80 Prozent biegen. Noch immer weiß sie nicht, warum der Sturz sie damals nicht getötet hat. Karina Hollekim ist 31 Jahre alt, 1,80 Meter groß und schmal, die langen flachsblonden Haare fallen der Norwegerin glatt auf die Schultern. Bis zu dem Tag, der ihr Leben veränderte, sprang sie fast ganzjährig von Brücken und Gebäuden ins Nichts, um in letzter Sekunde den Fallschirm zu ziehen und weich zu landen. Ihr Beruf: Freeriderin und BASE-Jumperin. Karina Hollekim ist eine der wenigen weiblichen Extremsportlerinnen und weltweit die einzige Frau, die auf Skiern durch Tiefschnee auf einen Abgrund zufährt und ins Leere springt. Damals verlor sie zum ersten Mal die Kontrolle über ihren Fallschirm. Sie landete nicht wie geplant im Wasser, sondern raste mit 110 Kilometern pro Stunde auf ein Gebüsch zu. Ein Jahr lang verbrachte sie in Krankenhäusern und Rehakliniken. Wer ist dieser Mensch, der freiwillig von Bergen springt und sein Leben riskiert? Karina Hollekim war drei Jahre alt, als ihr Vater zwei Löcher in seinen Rucksack schnitt, sie hineinsetzte und mit ihr auf Berge kletterte. „Sieh nach oben“, sagte er, als sie Angst bekam. Er nahm sie so oft mit, bis sie ihre Höhenangst verlor. Karina Hollekim hat es nie geschafft, lange in einem Büro zu arbeiten – ihr Leben war, wie das des Vaters, immer mit der Natur verbunden. Vier Monate arbeitete sie nach ihrem Informatik-Studium als Programmiererin, dann kündigte sie. „Ich fühle meinen Körper nicht, wenn ich am Schreibtisch sitze“, sagt Karina und zuckt mit den Achseln, als spräche sie von einem unveränderlichen Merkmal.
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DIE SCHMERZEN WAREN SO UNERTRÄGLICH, DASS IHR KÖRPER ANFING ZU ZUCKEN. Was sucht sie? „Freiheit und das Gefühl, ein Teil der Natur zu sein.“ Ihre Entscheidung, von Bergen zu springen, ein immer höheres Risiko einzugehen, liegt nicht nur an der Erziehung des Vaters. Viel mehr noch am Schicksal der Mutter. Karina Hollekim war vier Jahre alt, als ihre Mutter nach einem schweren Autounfall ins Koma fiel. Die zehn Jahre vor dem Unfall waren von da an eine graue Wolke für die Mutter, auch an die Tochter konnte sie sich nicht mehr erinnern. Noch heute lebt die schwer gehirnerkrankte Frau in einem betreuten Wohnheim. Karina Hollekim hat früh Verantwortung für sie tragen müssen: Schaltete den Herd aus, wenn die Mutter es vergaß, sicherte die Tür, damit die Mutter nicht aus dem Haus rannte und sich verlief. „Ich weiß, dass ich mit meinem Extremsport zum Teil auch vor mir selbst weggerannt bin“, sagt sie. Wie auch in diesem Moment blickt sie meistens ernst. Nur manchmal lacht sie lauthals, und es wirkt dann wie ein kleiner Ausbruch. Ein Jahr ist es her, dass sie im Bett eines halogenbeleuchteten Krankenhauses lag, die Augen dunkel unterlaufen, die Wangen eingefallen. Ihr Bein schmerzte so stark, dass die Ärzte ihr Morphium und andere Opiate spritzten. Nach einer Woche litt sie unter Spasmen, weil ihr Körper die Schmerzen nicht mehr verarbeiten konnte. Fast täglich operierten Chirurgen ihr zertrümmertes Bein. „Das Schlimmste war“, sagt Karina Hollekim, „dass die Ärzte glaubten, ich würde nie mehr laufen können.“ Da weinte sie zum ersten Mal.
EISKALTER ENGEL Die Osloerin Karina Hollekim, 31, ist die First Lady des Extremsports: Keine andere Frau auf diesem Planeten rast auf Skiern auf einen Abgrund zu, springt ins Leere, um im letztmöglichen Moment den Fallschirm zu ziehen. Free-Skiing wird diese Mutprobe genannt. Springt Karina allerdings von Gebäuden, Sendemasten, Brücken, Felsen, dann ist das BASE-Jumpen. Und die Kombination aus beiden heißt Ski-BASE. Nach ihrem Unfall vor einem Jahr bereitet sie sich langsam wieder auf dieses schnelle Leben vor.
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IM FREIEN FALL Mit sieben begann Karina Hollekim mit dem Klettern, dann mit Skifahren, Fußball, Skateboarden, Tauchen, Skydiving und
Das erste Leben Hollekim springt vom Jin Mao Tower in Shanghai.
Motocross. Sie studierte Informatik, arbeitete danach aber nur vier Monate als Programmiererin. Kurz darauf begann ihre Karriere als Profi-FreerideSie belegte den ersten Platz beim Extreme Air in Südafrika, den vierten bei den World Tour Finals in Les Arcs, schaffte den Weltrekord im Female BASE. 2006 entstand der preisgekrönte Film „Fatima’s Hand“ von Regisseur Jens Hoffmann. Er filmte darin Hollekims Sprung von einem 1155 Meter hohen Berg in Mali. Vom selben Regisseur entstand 2007 der Dokumentarfilm „20 Seconds of Joy“.
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Ihre Wohnung ist in weißen, beigefarbenen und dunkelbraunen Tönen gehalten, schlicht, ohne viele Accessoires. Eine Vase mit Zweigen steht auf dem Esstisch. Ein blaues Flugzeug, naive Kunst von einer Freundin, füllt eine ganze Wand aus. Die Einrichtung wirkt stilvoll, aber doch wie für jemanden, der auf der Durchreise ist. Selbst jetzt liegen monatelange Reisen durch Südamerika vor ihr. Sie wird dort ihren Dokumentarfilm zeigen. Jens Hoffmann hat sie fünf Jahre lang begleitet und den Film „20 Seconds of Joy“ gedreht. Ein Porträt der Sportlerin, aber auch des Menschen Karina Hollekim von ihrer Karriere bis zum Fall. Der Film ist zurzeit der größte Halt in ihrem zweiten Leben. „Ich weiß noch nicht genau, wer der neue Mensch ist, den ich morgens im Spiegel sehe, aber er liebt das Leben wieder mehr“, sagt sie. In den ersten Monaten im Krankenhaus fiel es ihr schwer, ans Weitermachen zu glauben. Wozu leben, wenn der Körper nicht mehr funktioniert? Sie lernte. Auch wenn es schmerzte, trainierte sie jeden Tag aufs Neue ihre Beinmuskulatur. Vor ein paar Wochen legte sie zum ersten Mal ihre Krücken beiseite. Gegen den Rat der Ärzte versuchte sie allein zu gehen. Immer wieder. Heute humpelt sie ohne Gehhilfen zum nächsten Taxistand. „Was wissen die Ärzte schon darüber, wie stark mein Wille ist!“, sagt sie. Sie weiß noch nicht, wie es sich anfühlt, Alltag zu erleben, Freunde öfter zu sehen, länger in einem Café zu sitzen. Sie weiß noch nicht, was ihr das Freiheitsgefühl ersetzen kann, das sie beim Springen hatte. Aber vor kurzem entdeckte sie eine Eigenschaft an sich, die diese Lücke ein wenig schloss.
WAS WISSEN ÄRZTE SCHON DARÜBER, WIE STARK MEIN WILLE IST! Sie hielt einen Vortrag. Hundert Geschäftsfrauen saßen vor ihr, und sie sprach von ihrem Schicksal. Die Karrierefrauen sollten in diesem Seminar Sinn und Leidenschaft in ihrer Arbeit entdecken und darüber nachdenken, was ihnen wichtig ist im Leben. Karina Hollekim sprach über den Mut, den sie brauchte, um nach dem Unfall wieder an sich selbst zu glauben. „Er ähnelte dem, den man braucht, um einen Berg hinunterzuspringen“, sagte sie. Sie sprach eine Stunde lang. Am Ende dachte sie, die Frauen würden sie für einen Dummkopf halten, jemanden, der selbst schuld an seiner Lage sei. Der aus seinen Fehlern nicht lernt. Sie täuschte sich. Sehr sogar. Am Ende sah sie Ergriffenheit in vielen Gesichtern. Neulich träumte Karina Hollekim zum ersten Mal wieder vom Springen. PREMIERE DES FILMS ÜBER KARINA HOLLEKIM, „20 SECONDS OF JOY“: AM BANFF MOUNTAIN FILM FESTIVAL, 27. 10. BIS 4. 11. 2007
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rin und BASE-Jumperin.
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Ein Becher voller Frucht
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PAUL BONHOMME
kann fliegen
wie ein verrückt gewordener Pfeil – genauer: Der Brite düst durch Kurven, mit 400 km/h, drei Meter über dem Boden. Und denkt dabei an Kolumbus. TEXT NADJA ZELE BILD JÖRG MITTER
SHOWDOWN IN DER LUFT 2001 ging die Red Bull Air Race World Series in die Luft, das härteste Flugzeugrennen, seit es Höhenruder gibt. Piloten, die zu diesem Jet-Set gehören wollen, müssen ihr Rennflugzeug durch einen Pylonen-Parcours steuern, möglichst fehlerfrei, bei einem Tempo von bis zu 400 km/h. An den Rennwochenenden (bisher in Rio, Istanbul, London, San Diego) kommt es nach Training, Qualifikation und Ausscheidungsflügen zum Showdown: Im Finale fliegen die beiden Schnellsten gegeneinander. Und Millionen Menschen am Boden hoffen, dass das „Gegeneinander-Fliegen“ nicht wörtlich gemeint ist.
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BOARDING. „Ladies and gentlemen, this is your captain speaking.“ Im Cockpit der Boeing 747 der British Airways herrscht unaufgeregte Routine. Die Crew bezieht ihre Plätze, letzter Check der Wetterlage, ein Blick auf die ausgedruckten Zeitpläne. Business as usual für Flugkapitän Paul Bonhomme und damit Zeit genug, en passant mit sonorer Stimme seine 400 Gäste zu begrüßen. Die sind weniger cool, das weiß der Engländer: Während ihn nicht einmal ausgewachsene Gewittertürme aus der Ruhe bringen, reicht bei den zappeligen Urlaubern und nervösen Geschäftsleuten in Bonhommes Rücken bereits ein sperriger Koffer, der nicht ins Gepäckfach flutscht, für erhöhten Puls. Bonhomme hingegen bleibt ganz locker, wenn er sechsmal im Monat seinen Jumbo zwischen zwei Erdteilen dirigiert. Den erhöhten Puls hebt er sich fürs Wochenende auf. Dann interessiert ihn nicht, ob die Container mit dem Lunch an Bord sind oder über den Azoren ein grantiger Tiefdruckwirbel sitzt, sondern nur die Stoppuhr. Auch Bonhommes Adjustierung ist am Wochenende einen Hauch weniger elegant: An Stelle von dunkelblauem Anzug, faltenlosem weißem Hemd und wohlriechendem Parfum trägt der 43-Jährige einen rot-weißen Overall und einen Hauch von kühlender Mentholsalbe im Nacken. Nicht zu vergessen Fallschirm und Helm, denn in seiner einmotorigen Propeller-Rennmaschine Edge 540 ist der Red Bull Air Race-Pilot Paul Bonhomme der Erde näher als in der dicken Boeing – und damit auch dem Himmel. Die Befehle am Wochenende erteilen andere. „Number 55, Paul, cleared into the track, smoke on!“ Smoke on: Paul hat grünes Licht für seinen Lauf, einen Slalom, den 20 Meter hohe SpinnakerPylonen vorgeben, die durch eingeblasene Druckluft in Form gehalten werden. Es gilt, einen Kurs von etwa sechs Kilometer Länge möglichst schnell und fehlerfrei zu durchfliegen. Nach Überfliegen der Startlinie beginnt die Stoppuhr zu laufen, nach dem Überfliegen der Ziellinie bleibt sie stehen: Dann weiß Bonhomme, ob er an diesem Wochenende die nächste Runde des Red Bull Air Race erreicht hat. Die Qualifikation – von 13 Startern schaffen es zwölf in das Rennen und acht davon nach einem weiteren Rennen ins Finale, in dem es im K.-o.-System weitergeht – ist für Bonhomme nie
ein Problem. „Er fliegt vom Stil her am saubersten und einfach fehlerfrei“, analysiert Air Race-Kollege Klaus Schrodt aus Deutschland anerkennend. „Paul erinnert mich an einen Delphin in den Wellen, da ist Eleganz dahinter.“ Auch Laura, Bonhommes Freundin, sagt das. Gern würde sie es Paul öfter sagen, doch sie bekommt ihren Helden selten zu Gesicht. Im Schnitt einmal im Monat öffnet sich während der Saison für Bonhomme ein passendes Zeitfenster zwischen Job und Privat. Dann stehen in seiner englischen Heimat Cambridgeshire Mountainbiken und Fußball mit Lauras zwölfjährigem Sohn Charlie, der Paul auch die Rennnummer 55 ausgesucht hat, auf dem Programm. Und Fachsimpeln mit Laura, die praktischerweise in einer ähnlichen Branche arbeitet: Sie kümmert sich um alte Flugzeuge. Das Zigeunerleben entspricht nur begrenzt Bonhommes Geschmack. Wäre er Millionär, dann könnte er es sich erlauben, nur das Red Bull Air Race im Kopf zu haben. Deswegen spielt er auch regelmäßig Lotto, neuerdings via Internet. Als kürzlich ein EMail hereinflatterte – „Herr Bonhomme, wir haben spannende Neuigkeiten für Sie!“ –, sah er einen Moment lang sein ganz persönliches Eldorado. Leider gewann er nur zehn Pfund, weshalb es heißt: bitte weiterhin warten. Auch Air Race-Champion wird man nicht von heute auf morgen. Für Bonhomme ging es aber stets bergauf: 2003 stieg er in die Serie ein, 2005 landete er in der Endwertung auf Platz fünf, 2006 auf Platz vier. Heuer führte er vor dem letzten Rennen der Red Bull Air Race World Series zwei Punkte vor seinem schärfsten Konkurrenten, dem US-Amerikaner Mike Mangold – und egal, wer am Ende die Nase vorne hat: Beide Piloten sind würdige Champions. Mangold ist schon einmal ganz oben gestanden auf dem Treppchen: 2005 war er Weltmeister, obwohl er nicht so nervenstark scheint wie sein britischer Herausforderer. „Mike platzt oft der Kragen“, weiß Bonhomme. „Ich hoffe dann immer, dass ihn das vom Fliegen ablenkt, aber es scheint ihm eher zu helfen. Doch Mike ist ein guter Typ, vielleicht fast so gut wie ich“, lächelt er verschmitzt. Bonhomme wird ein wenig einsilbig, wenn man ihn auf Mangold anspricht. Auch die Kommunikation zwischen den beiden beschränkt sich auf Scherze und
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WÜRDE IHM JETZT EIN PELIKAN VORS COCKPIT FLIEGEN, WÄRE DAS EIN SCHLAG VON 1,5 TONNEN. 029-AIO_28-30_Helden_Bonho 29
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Pylonen-Party Manöver beim Air Race im Monument Valley, 12. Mai 2007
DIE ÜBERFLIEGER Wer in der Red Bull Air Race World Series mitfliegen will, muss ein Weltklassepilot sein, drunter geht es nicht: 13 Tollkühne aus neun Nationen waren heuer startberechtigt, einer ist Österreicher, heißt Hannes Arch und kommt aus Trofaiach in der Steiermark. Hauptkonkurrent des Briten Paul Bonhomme (er führte vor dem letzten Rennen in Perth, Australien, mit zwei Punkten) ist der Amerikaner Mike Mangold. Früher Top Gun bei der U. S. Air Force, fliegt er für American Airlines und hat, wie Bonhomme, in dieser Saison drei Rennen gewonnen.
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unwichtige Botschaften. Informationen werden keine ausgetauscht, die könnten den Konkurrenten ja auf kluge Gedanken bringen. Das ahnt auch Mangold: „Du kannst im Air Race nicht aufhören zu denken, du musst immer mit etwas Neuem kommen.“ Bonhomme etwa würde gerne berühmten Persönlichkeiten Fragen stellen, um vielleicht von deren Antworten zu profitieren: „Ich hätte gerne von Christoph Kolumbus gewusst, was er sich gedacht hat, als er 1492 ins Ungewisse gestartet ist.“ Die besseren Fragen stellen, sich mehr einfallen lassen: Das macht einen Champion ebenso aus wie Talent, Perfektion und optimales Material. Und Glück, wie Paul und Mike wissen, vor allem in den Head-to-Head Finals. Je nach erreichter Qualifikationszeit ist die Qualität der Gegner auf dem Weg ins Finale hoch oder höher. Bonhomme: „Landest du aufgrund deiner Zeit auf der falschen Seite des Rasters und musst gegen die Amerikaner Mike Mangold und Kirby Chambliss oder den Ungarn Peter Besenyei oder meinen Landsmann und Teamkollegen Steve Jones antreten, also die Besten im Feld, ist das Sch…! Plötzlich hast du einen härteren Job als die Jungs auf dem anderen Ast.“ Da klingt eine Schwäche Bonhommes durch, seine Ungeduld. Seine Stärken hingegen sind Genauigkeit in der Vorbereitung auf ein Rennen und dass Fliegen quasi in seinen Genen liegt. Bonhommes Vater war Linienpilot, seine Mutter eine Zeitlang Flugbegleiterin. Als Zweijähriger saß Paul erstmals in einem Passagierflugzeug – es ging nach Rom –, mit drei durfte er das erste Mal in einem Kleinflugzeug mitfliegen. Bevor Paul mit 17 den Flugschein machen konnte, wurden fleißig Flugzeuge geputzt auf dem White Waltham Airfield in der Nähe seines Geburtsortes Taplow westlich von London. „Ich war eine sogenannte ‚hangar rat‘ und habe mich immer so lange auf dem Flugplatz herumgetrieben, bis mich jemand auf eine Runde mitgenommen hat“, erinnert sich Bonhomme. Sein zweites Hobby, die Musik, gab er hingegen bald wieder auf: „Als ich acht Jahre alt war und mein Bruder Steve neun, trieben wir unseren Trompetenlehrer in den Wahnsinn. In einem Brief an unseren Vater schrieb der:
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‚Lieber Herr Bonhomme, ich habe das Gefühl, dass Sie Ihr Geld verschwenden und ich meine Zeit.‘“ Das Red Bull Air Race hat sich in den letzten Jahren zum weltweiten Spektakel entwickelt. In Rio gab es heuer auf das Rennen einen wahren Ansturm. Eine Million Zuschauer machten das Air Race zur größten Sportveranstaltung der brasilianischen Geschichte. Gründe für diesen Erfolg gibt es einige. Einfacher Modus: Die Rennen werden im K.-o.-System geflogen. Gute Übersicht: Die Maschinen ziehen einen Rauchschweif hinter sich her, womit sie sich trotz des hohen Tempos gut verfolgen lassen. Faszinierende Schauplätze: im Monument Valley vor der Wildwest-Kulisse vieler Hollywood-Streifen, in Budapest über der Donau und unter der Kettenbrücke durch, in Interlaken im Schatten der Berge. Trubel schön und gut, doch Bonhomme hat es lieber ruhiger. Am wohlsten fühlt er sich, wenn es einsam, grün und hügelig ist. Von dort, wo er in England zu Hause ist, sind es zwei Autostunden hinein nach London, das passt gerade. An den mit seinen Erfolgen im Air Race gestiegenen Bekanntheitsgrad kann er sich nicht recht gewöhnen: „Früher ging ich zum Frühstücken und Mittagessen immer in meinen Fliegerklub, mittlerweile habe ich dort keine Ruhe mehr. Schön, dass alle so enthusiastisch sind, aber ich will in meinem Klub einfach nur die Zeitung lesen und essen.“ Auch während des Rennwochenendes verkriecht sich Paul am liebsten im Hangar. Hinter der großen Werkzeugkiste steht ein Notbett, auf dem er es sich bequem macht. Die Schlafbrille übergestreift, macht er ein Nickerchen. Pauls Rezept fürs schnelle Einschlafen: Augen schließen und in die Ferne blicken. Das funktioniert oft, aber nicht immer, vor allem dann nicht, wenn TV-Crews und Journalisten auf der Lauer liegen. Doch auch wenn es bisweilen unangenehm ist: Verscheucht wird niemand. Bonhommes zweiter Vorname ist Gentleman. Was Journalisten in solchen Momenten immer wieder fragen: Ist das Air Race gefährlich? 400 km/h schnelle Flugzeuge, die drei Meter über Grund durch Pylonen-Tore wedeln, die kaum breiter sind als die Spannweite der Flügel: Keiner aus dem Publikum, dem dabei nicht die Luft wegbleibt. Doch was für die Zuschauer Adrenalin pur ist, schmeckt für Bonhomme, Mangold und die anderen Piloten wie Tee mit Milch. Nur vor etwas haben die Piloten Respekt: vor den Vögeln. Bonhomme: „Unsere Flugzeuge sind nicht für Zusammenstöße mit Möwen oder Pelikanen gemacht. Wir haben keine Stoßstange wie beim Auto.“ Bei einer Kollision können sich fünf Kilo Pelikan leicht in ein eineinhalb Tonnen schweres Hindernis verwandeln: Da ist es besser, seinen Lauf abzubrechen, als sein Cockpit mit dem Federvieh zu teilen. RED BULL AIR RACE WORLD SERIES: SAISONSTART IN ABU DHABI, APRIL 2008
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JUSTIN TIMBERLAKE ist müde: Er will nicht mehr der „Pope of Pop“ sein. Und auch
nicht der Ex von Britney Spears. Ja, da legen wir uns doch dazu und fragen: Hä?!
TEXT BART BLASENGAME BILD TERRY RICHARDSON
Kuschelrocker Justin Timberlake vor der Grammy-Verleihung in Los Angeles, Februar 2007
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erade ist das Basketball-Team des Bundesstaats Ohio von den Trainern der NCAA zum besten der USA gewählt worden. Doch das ist nicht der Grund, warum an diesem kalten Abend in Columbus, Ohio, allem Anschein nach sämtliche Studentinnen und Studenten breit wie die Nattern sind. Das ist nicht einfach ein gewöhnlicher Montagabend, einfach Happy Hour in der Distillery auf der High Street. Dass heute Abend mehr als ein Fass aufgemacht wird, hat seinen Grund: FutureSex/ LoveShow ist angesagt. Justin. Scheiß. Timberlake. Hier. An der Ohio State University. Sie sehen aus wie die United Colors of Benetton, die schwarzen Kids, weißen Kids, Gruftis, Outcasts, Schlampen und Arschgeigen, die seit vier Stunden vor der Value City Arena in der Kälte warten, um sich Timberlake zu Füßen respektive zu Turnschuhen zu werfen. All die kleinen Mädchen, in deren Höschen sich zum ersten Mal etwas tat, als sie das jugendfreie Liebesgeflüster der frühen ’N Sync hörten, sind mittlerweile aus dem Schutzalter heraus. Und sie sind total zugedröhnt. Die Titten auf BügelBHs serviert, das Haar mit Schaum, Spray und Lack
J. T. – DER ÜBERIRDISCHE Der Star wurde geboren am 31. Jänner 1981 in Memphis, Tennessee – und wer hat den Stern aufgehen lassen? Mickey Mouse! Denn Anfang der Neunziger durfte Justin Timberlake im US-Fernsehen den „Mickey Mouse Club“ moderieren. Aus dieser Zeit hat sich J. T. seine Piepsstimme bewahrt, die er aber nur beim Sprechen einsetzt. Sobald er auf die Bühne geht (erst als Leadsänger der Boygroup ’N Sync, dann allein), trifft er Töne, denen auch taube Herzen nicht widerstehen
WENN ER DIE WÖRTER ROLLT, UM IHRE BEDEUTUNG HERAUSZUFINDEN, WISSEN SEINE FANS (UND WER IST DAS NICHT!): J. T. IS HAVING A MOMENT. 034-AIO_32-37_Helden_Timbe 34
können. Stichwort Herz: Nachdem er sich von Cameron Diaz entliebte, geht er nur noch mit sogenannten guten Freundinnen aus. Und sollte es jemals wieder ernst werden: Wahrscheinlich ist Justin Timberlake nicht nur der Typ, der abends Blumen mit nach Hause bringt, sondern auch weiß, wo die Vase steht.
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gestylt, in der Faust eine Dose Bud Light, lassen sie an der Absperrung die Hüften kreisen, als sei diese die Tanzstange einer Stripperin. Sie saugen sich mit Alkohol voll und verströmen Sex, während sie sich vordrängeln für die Show von heute Abend. Als später Timberlakes Sexroboter-Waffenruf „Futuresex … Lovesound … Futuresex … Lovesound“ in rascher Folge aus den Lautsprechern dröhnt, ertönt wie zu erwarten ohrenzerreißend hohes Kreischen. Nicht zu erwarten war das raue Baritongeraspel, das sich damit vermischt. Timberlake lässt Typen mit der gleichen tierischen Intensität aufheulen wie deren popverliebte Schwestern. Jungs aus Studentenverbindungen, die Baseballmützen nach hinten gedreht, Schwule mit engstmöglich anliegenden T-Shirts, Hipster mit weißen Gürteln und Irokesenschnitt und ein alternder Kapuzenträger, der ausschaut, als habe er sich von einem Van-Halen-Konzert hierher verirrt. Ihre Plastikbecher voll Bier in die Höhe reckend, brüllen sie unisono des Künstlers Initialen: „Jaaaaayyyy-Teeeeee!“ Wie die Lichter im Stadion ausgehen, wird Timberlake von einer Hebebühne langsam nach oben getragen. Scharf sieht er aus mit dem maßgeschneiderten schiefergrauen Anzug, dem dünnen schwarzen Schlips und den elfenbeinfarbenen Tennisschuhen. Umringt von Back-up-Sängern im Zuhälterlook und in das rote Licht eines schweineteuren rotierenden Scheinwerfers getaucht, greift er sich den Mikrofonständer. Wie sich der drei Stockwerke hohe Vorhang hebt, stößt Justin Timberlake ein einziges hohes „Huu!“ hervor, und 15.000 Menschen rasten aus. „I’m having a moment … I’m having a moment … I’m having a moment.“
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ustin Timberlake sitzt auf einem Ledersofa in einer Garderobe der Value City Arena und beißt in sein Vor-dem-Auftritt-Sandwich mit Erdnussbutter und Traubengelee. (Erdbeergelee ist keines da. Liest denn keiner mehr die Zusatzklauseln zu den Tourneeverträgen?) Er probiert die Formulierung aus, die seit einem Jahr durch die Medien geistert. Tatsächlich hat der 26-Jährige während dieser Zeit im Zentrum der Grammy-Preisverleihung gestanden, sich im Studio-Film „Black Snake Moan“ neben Christina Ricci und Samuel L. Jackson zu behaupten vermocht, sein neu gegründetes Modelabel William Rast in Schwung und das Album „FutureSex/LoveSounds“ an die Spitze der Charts gebracht (unter anderem mit einem viel beachteten Video, in dem er und Scarlett Johansson sich einen Zungen-Zweikampf liefern): All das wird zusammengefasst mit „Justin Timberlake is having a moment“. Er rollt die Wörter
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auf seiner Zunge hin und her im Versuch, ihre Bedeutung herauszufinden. „Ich weiß nicht, was das heißt“, sagt er schließlich, „wirklich nicht“, und zermalmt ein Fritos Flavor Twist. Der Popstar mit dem müden Blick ist einnehmender als der schicke Homeboy, den er der Öffentlichkeit präsentiert. Von nahem ist er jungenhafter, seinen Stoppeln zum Trotz. Seine Stimme ist höher als erwartet, fast die eines Pubertierenden. Er ist wirklich ein Junge aus Tennessee, der sich in 60 Sekunden von einem Muttersöhnchen in einen LovaLova-Man verwandeln kann. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass er, während er sein Sandwich mampft, nicht eben viel von seinem Status als Papst der Popkultur hält. Die Timberlake-Karawane ist heute früh um 5.30 Uhr aus Buffalo, New York, hier eingetroffen. J. T. hat ein Nickerchen gemacht, ein bisschen Radio gehört (besonders gern mag er „This American Life“) und sich Zeit genommen für seine beiden Boxerhunde Buckley und Brennan, bevor es wieder an die Arbeit geht. „Das ist saumäßig anstrengend. Intensiver als alles, was ich bisher gemacht habe“, sagt Timberlake und nippt an einem Softdrink mit Vanillegeschmack, den er sich vom Cateringtisch geschnappt hat, wo alle möglichen Zutaten für Sandwiches, Chips, Softdrinks und ein nicht angeschriebener brauner Schnaps stehen. Auf dem Couchtisch vor ihm liegen eine Auswahl von Antaciden, Aspirin und ein Mittel gegen Blähungen. Nur so für alle Fälle. Seit er elf ist, steht Timberlake auf der Bühne und blinzelt ins Scheinwerferlicht. Aber so etwas hat er noch nie getan: In den nächsten zwei Stunden wird er singen, sich bewegen wie ein Breakdancer auf Beruhigungsmitteln, Keytar (ein Keyboard, das man sich um den Hals hängt) spielen, eine weiße Gitarre zupfen, tun, als vögle er seine Tänzerinnen, sich mit Timbaland (der an „FutureSex“ mitgearbeitet hat) ein Reimduell liefern und ein Glas Tequila kippen, aus Solidarität mit dem durchgeknallten Publikum. Das wird er in den nächsten sechs Wochen noch 21-mal tun. Dann geht’s nach Europa.
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uf der Bühne sexy zu sein ist harte Arbeit. „Auf der letzten Tournee haben wir jede Woche vier Konzerte gegeben, doch da hab ich nicht so viel gesungen“, sagt er. „Die Show war nicht so lang, ich hatte weniger damit zu tun, und ich hatte gesanglich nicht so viel Verantwortung.“ Nächtelang durchs amerikanische Nirgendwo zu fahren mag Timberlake fix und fertig machen und seinen Magen verstimmen, hat aber auch seine Vorteile: Die Leute, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, über sein Sexleben zu berichten, haben
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‚JUSTIFIED‘ SOLLTE EIN R & B-ALBUM SEIN. UND DANN WIRD ES POP-ALBUM DES JAHRES. SCHEISSE.
J. T. – DER POPE DES POP Schon nach der ersten CD von ’N Sync (sie hieß „’N Sync“) schrie das Publikum: Take lieber that! Das war 1997. Bis 2001 brachten die Jungs noch drei CDs heraus, dann löste sich das Quintett auf. Justin wurde Alleinunterhalter, und gleich seine erste CD war ein Wurf: „Justified“ verkaufte sich weltweit sieben Millionen Mal. Fans hat er seitdem auch unter Kollegen: Große und größere Musiker reißen sich darum, mit ihm arbeiten zu dürfen. Ja: J. T. ist momentan der wichtigste Popsänger des Universums.
in letzter Zeit fast so hart gearbeitet wie er; da ist er auf seiner Tournee vergleichsweise gut geschützt. Bis heute verkaufen sich Reportagen über das Ende seiner beinah vierjährigen Beziehung zu Cameron Diaz. Wird Timberlake mit Scarlett Johansson oder Jessica Biel gesichtet, verkünden seine Betreuer hektisch, man sei befreundet, weiter nichts. Tja, und dann ist da noch Britney. Fünf Jahre nachdem sie sich getrennt und ihre Karrieren sich in entgegengesetzte Richtungen entwickelt haben, werden Timberlake und Spears, die US-amerikanische Billigmarktversion von Charles und Diana, von der Öffentlichkeit immer noch aneinandergekettet. Gestern hat sie sich den Kopf rasiert. Morgen geht sie wieder in die Reha. Vergiss Kevin Federline: Die Leute wollen nur wissen, was Justin meint. „Ich habe mir solche Mühe gegeben, ein R&BSänger zu werden“ – auf seinem ersten Soloalbum „Justified“ – „und dann wurde es Popalbum des Jahres. Ich dachte: ‚Scheiße, das habe ich zuallerletzt gewollt‘“, sagt Timberlake und nimmt einen Schluck aus einer neuen Softdrinkdose. „Doch dann sagte ich mir: ‚Die halten mich also alle für einen Popsänger? Scheiß drauf. Ich tue, was ich will.‘“ Doch die Balance zwischen Kindmann und Hipster-Liebling zu halten ist ganz schwierig. Einerseits strahlt Timberlake beim Gedanken an einen Artikel in der „New York Times“, dem zufolge er unerwarteterweise von Punkfans geschätzt wird. Andererseits, sagt er, er sehe nicht ein, weshalb er sich bei Indie-Rockern für seine Zuckerwattenpop-Vergangenheit entschuldigen sollte. Am deutlichsten wird sein innerer Widerstreit, wenn er über die diesjährigen Grammys spricht. Wochen vorher hatte man ihn gebeten, als Star bei
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JUSTIN – @ MTV AWARDS Bei den MTV Awards in München stand J. T. im Mittelpunkt. Der König des Pop war der größte Star der Preisverleihung, die übrigens zum dritten Mal in Deutschland stattfand. Und wie jedes Jahr
„My Grammy Moment“ mitzumachen, einer Castingshow, deren Sieger mit ihm auftreten würde. Bevor die Sache klar ausformuliert war, sagte Timberlake zu. Je klarer wurde, auf welch grässliches Unterfangen er sich eingelassen hatte, desto dringender wollte er aussteigen. Doch er konnte nicht. „Weil ich nun mal der nette Kerl bin, der Dinge, zu denen er sich verpflichtet hat, auch durchzieht“, sagt er mit einem starren Pseudolächeln. „Ich weiß aber nicht, ob ich so was noch einmal mitmache. Ich habe das Gefühl, die Grammys haben mich für ihre Einschaltquoten benutzt. Und so war’s ja auch: Die stiegen um 18 Prozent.“
sind die Awards so etwas wie ein Klassentreffen des Pop, bei dem Freunde und Bekannte zusammen feiern, die seit vielen Jahren zusammenarbei-
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„Jaaaaayyyy-Teeeeee“, der Stil mit Substanz übertrumpft. Und eben damit hat es Timberlake über die ’N-Sync-Ära hinaus geschafft: mit seiner Stimme. Nicht mit der Jackson-Light-Kopfstimme seiner Hits, sondern dem starken, vielseitigen blauäugigen Memphis Soul, der in seinem Bauch brennt. Wie die letzten Töne von „Another Song“ verklingen und an ihrer Stelle „Bitter Sweet Symphony“ von Verve ertönt, verbeugt sich Timberlake, dessen graues T-Shirt schweißgetränkt ist, mit seiner Band und den Tänzern an den vier Ecken der Bühne. Jetzt beginnt der Massenexodus der geilen, glücklichen Betrunkenen: Sie gehen und taumeln aus der Arena, und wer es selbst nicht schafft, der wird getragen. Alle gehen, außer zwei Studenten, die immer wieder nach „Dick in a Box“ schreien. Doch Timberlake nimmt eine kurze Dusche, und dann geht’s ins Hotel für ein paar Stunden Schlaf vor dem Weckruf in aller Herrgottsfrühe.
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L. Jackson und Christina
ährend seine Flotte aufgemotzter Tourneebusse – jeder verfügt über Flachbildschirm-Fernseher, Ledersitze, Liegen und eine gut ausgestattete Bar – durch die Straßen fährt, kann Aufpasser Tiny sich zum ersten Mal entspannen. Unter anderem musste er heute Abend einen Ringkampf abbrechen, bei dem acht Frauen, ein Schwuler und Unmengen Bier im Spiel waren. Doch mit einem sanften Würgegriff und ein paar ausgesuchten Worten kriegte er das hin. „Ich hab noch nie so viele dermaßen besoffene Weiber gesehen“, sagt der Riese und macht es sich auf dem Sofa gemütlich. „Die kippen vielleicht was weg.“ Um halb zwei Uhr früh ist die Lobby des Westin Hotels leer. Dennoch gehen Timberlakes zwei Bodyguards sicherheitshalber durch die Glastür voraus. Sowie die Luft rein ist, kommt Timberlake, Kapuze über den Kopf gezogen, Hände in den Hosentaschen, aus dem Bus und geht langsam auf den Lift zu. Offenbar hat niemand die Frau in den Zwanzigern bemerkt, die sich hinter einer Marmorsäule versteckt hatte. Dann sagt Tiny nur: „Ma’am“, und schüttelt zur Verdeutlichung den Kopf. Sie versucht es mit „Aber ich bin ein Hotel–“. „Ma’am“, wiederholt Tiny, diesmal in strengerem Ton, „nicht. Sie können ja den nächsten nehmen.“ Justin Timberlake scheint in seiner Erschöpfung von dem Geplänkel nichts mitzubekommen. Mit einem höflichen Nicken verschwindet er hinter der schimmernden Lifttür. Hoffentlich erwartet ihn oben etwas Stärkeres als ein Softdrink mit Vanillegeschmack.
Ricci und in „The Love
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und fünf Jahre nach den großen Zeiten des mit Weichzeichner gefilmten Bubblegum-Pops zieht „der Junge, der es am ehesten zu etwas bringen wird“, über die Grammys her. Er hat die Boygroup-Apokalypse überlebt und ist ein Mann geworden. „Dazu, warum ich immer noch da bin, könnte ich Ihnen allerhand Analogien liefern, die sich nach Hippie-Selbsthilfe-Bullshit anhören würden“, sagt er und schmeißt eine Halswehtablette ein: „‚Ich sah eine Gelegenheit und packte sie.‘? So ein Scheiß. Natürlich spielt auch Glück eine Rolle. Doch ich muss mir auch eingestehen dürfen, dass ich etwas kann. Dafür brauche ich mich bei niemandem zu entschuldigen. Ich habe verdammt hart gearbeitet, um es so weit zu bringen.“ Timberlake hat genug geschwatzt. In einer halben Stunde wird er mit seiner Band und den Tänzerinnen und Tänzern gemeinsam beten. Dann muss er auf die Hebebühne, und der Wahnsinn geht los. Außerhalb der schummrigen Ruhe seiner Garderobe herrscht Hektik. Zur Eröffnung hat Pink 45 Minuten lang „Rangehen, Mädels!“ durchdekliniert und rauscht jetzt in einem fuchsiafarbenen Bademantel durch den Gang hinter der Bühne. „Tolles Publikum heute“, ruft sie ihrem Betreuer zu, „ich glaube, die sind alle betrunken.“ Nein, Pink. Die sind sternhagelvoll, und alles im Namen von J. T. Der letzte Song ist der unspektakulärste des Abends, doch für Puristen der klare Höhepunkt: „(Another Song) All Over Again“ – ein sich langsam steigernder „Baby, gib mir noch eine letzte Chance“Tränendrüsendrücker. Keine Soli, keine Kostüme, keine aufreizend kreisenden Hüften, sondern nur
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ten. Das trifft übrigens auch auf MTV und Red Bull zu: Beide Firmen kooperieren schon lange und prägen dadurch nachhaltig die Musikgeschichte. JUSTIN – DER SCHAUSPIELER 2000 setzte sich Timberlake im Film „Longshot“ zum ersten Mal als Schauspieler in Szene. Seit 2006 gehört er endgültig zu den Größen in Hollywood. Im Film „Alpha Dog“ spielte er mit Sharon Stone und Bruce Willis, in „Black Snake Moan“ mit Samuel
Guru“ mit Ben Kingsley, Mike Myers und
Aus dem Englischen von Thomas Bodmer.
Jessica Alba.
Der Text erschien erstmals im April 2007 im US-Magazin „Details“.
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Zum Glück kam es an diesem Abend nicht zum brutalsten Tief seit Erfindung des Wetters. Der 35-fache Weltmeister im Windsurfing wäre aufgesprungen – und hätte die Welle gesucht. So aber wurde es ein sehr, sehr gutes Gespräch.
TEXT SIMON KUPER
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„Jaws“ sind die perfekte Welle. Auf der Welt gibt es vielleicht dreißig Menschen, die sie reiten können.
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D DER PERFEKTE WELLENREITER Niemand, nicht einmal Robby Naish, der zweite Übermensch des Windsurfens, hat so viele Weltmeisterpokale im Schrank stehen wie Bjørn Dunkerbeck: 35 sind es bis heute. Seit er neun Jahre alt ist, surft Dunkerbeck auf Gran Canaria, wo er mit seiner Familie lebt. Für jemanden, der in Dänemark geboren ist, war das wohl eine vernünftige Entscheidung.
ein Auto hält an, und da steht er, so breit wie dein Wagen, eins einundneunzig groß, blond und der beste Windsurfer aller Zeiten. Mit seinen 35 Weltmeistertiteln ist Bjørn Dunkerbeck vielleicht sogar der erfolgreichste Sportler aller Zeiten. Rosa geht die Sonne unter über seinem Reich. Es wäre ein Herbstabend auf den Kanarischen Inseln, wenn es hier Jahreszeiten gäbe. Bjørn geleitet mich in den Bungalow-plus-Restaurant-Komplex, den sein holländischer Vater führt. Bjørns Mutter ist Dänin. Vor dreißig Jahren kamen sie des Surfens wegen auf diese spanischen Inseln vor der westafrikanischen Küste, und seither sind sie da. Drin spricht Bjørn bei holländischem Bier darüber, dass Kolumbus auf diese Inseln kam. Und da Bjørn Bjørn ist, fragt er sich, wie viele Tage Kolumbus wohl von Spanien aus per Segelschiff gebraucht hat. Und plötzlich sitze ich mit der ganzen Familie beim Abendessen: mit Bjørns schwangerer Frau Maria, ihren beiden hübschen Kindern und Bjørns Vater. Die Dunkerbecks essen hier mehrmals wöchentlich, wenn Bjørn nicht gerade auf Fidschi oder vor Hawaii ist, um nach perfekten Surfmöglichkeiten Ausschau zu halten. Mit seiner Frau und den Kindern spricht er spanisch, mit seinem Vater dänisch, mit mir und seinem „Onkel Klaus“, der aus Hamburg geflüchtet ist und seit dreißig Jahren auf den Kanaren Mountainbike zu fahren scheint, spricht er deutsch. Wenn nötig, könnte sich Bjørn auch auf Norwegisch oder Englisch und schlimmstenfalls sogar auf Holländisch oder Schwedisch verständigen. Es ist, als befänden wir uns in einer schwäbischen Dorfkneipe. Wenn man nicht gerade mit 40 Knoten über die Wellen zischt, ist das Leben auf den Kanarischen Inseln tempolos. Hier gehört Bjørn hin: hierhin oder auf irgendeine Welle irgendwo auf der Welt. Er ist kein Großstadttyp. Im Lauf seiner 38 Jahre hat er einen einzigen Abend in New York verbracht. Tagaus, tagein trägt er Shorts und eine Sonnenbrille. Er ist ein Naturmensch, der sich in seinem Körper vollkommen wohl fühlt. Er ist
DER MENSCH IST SÜCHTIG NACH ENDORPHIN UND ADRENALIN. ENDORPHIN HOLE ICH MIR TÄGLICH, ADRENALIN GEHT NICHT JEDEN TAG. 040-AIO_38-44_Helden_Dunke 40
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auch viel netter, als man aufgrund seines neuen Buchs „The Search“ annehmen würde, in dem er als monomanischer Surfer rüberkommt, der mit niemandem außer Übermenschen etwas zu tun haben will. An diesem Abend bringt er seinen Sohn sanft davon ab, die Fische aus dem Aquarium des Restaurants zu fischen, wirft mir den Schlüssel zu einem der Bungalows seines Vaters zu und schaut darauf, dass alle genügend Bier haben. Wer jeden Tag Stunden auf den Wellen oder auf dem Mountainbike verbringt, hat seine Kalorien verdient. Und wie in einer Dorfkneipe habe ich nach einer Stunde das Gefühl, alle immer schon gekannt zu haben. Meine Versuche, mein Essen zu bezahlen, scheitern kläglich. Am nächsten Morgen frühstücken Bjørn und ich auf der Terrasse des Restaurants. Es ist 8.15 Uhr, die Sonne ist gerade erst aufgegangen, aber Bjørn ist schon 45 Minuten Mountainbike gefahren. RED BULLETIN: Du bist mit dem Meer aufgewachsen? BJØRN DUNKERBECK: Meine Eltern haben 1978 am Maspa-
lomas-Strand eine Surfschule aufgemacht, und seitdem bin ich eigentlich am Strand aufgewachsen. Die Jahre sind vergangen, und ich ging hier auf der Insel von der Schule direkt auf den Strand. Vor dem Fernseher bist du selten gesessen?
Hier unten gab es eigentlich kein Fernsehen. Waren deine Eltern in den 70er-Jahren Surfpioniere?
Zwei der Pioniere. Hier auf der Insel gab es fünf oder sechs Windsurfer, wenn überhaupt. Jetzt gibt es tausend. Meine Mutter war zu Beginn, 1979/80, schon Zweite und Dritte bei den Amateurweltmeisterschaften. Mein Vater hat es nie so weit gebracht, aber ein paarmal den spanischen Speed-Windsurfrekord geholt. Er arbeitet auch noch immer im Weltcupkomitee mit und surft drei, vier Tage die Woche, wenn es irgendwie hinhaut. Mit 18, 19 war ich bereits Weltmeister, auf der geraden Linie war er damals aber immer noch ein bisschen schneller. Was reizte dich als Kind am Windsurfen?
Es ist Natursport. Und es hat immer eine andere Kulisse. Du produzierst da viel Endorphin, und der Mensch ist ein Endorphin- und Adrenalinsüchtiger. Ich versuche täglich ein paarmal, meine Endorphine zu aktivieren. Adrenalin geht nicht jeden Tag. Wie unterscheidet sich Adrenalin von Endorphin?
Endorphine sind ein cooles Lebensgefühl: Man hat etwas gemacht, was man gerne macht. Eine Stunde Windsurfen bringt ungefähr so viel Endorphin wie eine Stunde Joggen. Aber mit Windsurfen tankst du mehr Glücksendorphine, weil es mehr Spaß macht. Adrenalin hingegen funktioniert so: Gehst du ganz nah an deine Grenzen – sei es, wenn du beim Windsurfen mit 80 km/h über das Wasser jagst, sei es, dass du eine riesengroße Welle runterfährst –, wird viel Endorphin freigesetzt. Dazu kommt aber noch dieses Am-Limit-Sein, das Eskönnte-schiefgehen-aber-ich-hab-noch-alles-unterKontrolle, und dann, auf einmal, produziert der Körper Adrenalin. Hast du ein paarmal diesen Ad-
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Wer es noch nicht selbst erlebt hat, sieht es hier: Windsurfen macht gl端cklich.
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renalinschub gehabt, bist du ständig auf der Suche: Wie kann ich den kriegen? Ich hole mir mein Adrenalin beim Windsurfen, Wellenreiten, Mountainbiken, Snowboarden. Tauchen ist superangenehm und superspaßig, aber da sind eher Glücksendorphine involviert und kein Adrenalin. So, wie du das beschreibst, denke ich mir: Bjørn hat sein ganzes Leben Urlaub gemacht.
Danke. (Lacht lange.) Ich konnte immer das machen, was ich wollte, zu 80 Prozent. Klar gehörten auch viele Fernseh-, Messe- und Sponsoraktivitäten dazu, aber im großen Ganzen konnte ich immer dort hinfahren zum Windsurfen, wohin ich wollte. Logischerweise habe ich mehr Spaß auf den Kanaren oder in Hawaii, wo’s warm ist. DER POLYGLOTTE STAR Bjørn Dunkerbeck wurde am 16. Juli 1969 als Sohn einer Dänin und eines Niederländers geboren. Er besitzt einen niederländischen Pass, hat aber auch einen Wohnsitz in der Schweiz. Was sich schon aus steuerrechtlichen Gründen lohnt: Dunkerbeck ist neben dem Amerikaner Robby Naish der erste Windsurfer, der mit Werbeauftritten reich werden konnte.
In deiner Biografie ist die Rede vom „Search“ als echtem Windsurfen, der Suche nach unentdeckten Spots in der Welt. Ist das echter als Wettbewerbe?
Freies Windsurfing wie in „The Search“ ist Windsurfing bei Bedingungen und auf Plätzen, wo noch keiner war. Das mache ich schon seit 15 Jahren. Mal als Search-Trip mit Kameras, aber auch ohne, nur mit Freunden. Das ist ein Gefühl von Freiheit und guter Sport: Das ist extrem, radikal, spaßig. Wettkampf hingegen ist ein Match gegen die Besten der Welt. Das ist ein anderer Reiz, das sind nicht nur schöne Naturerlebnisse. Das ist nix zum Cruisen. Zwölf Jahre lang hast du im Weltcup fast alles gewonnen. Am Ende bist du wohl mehr gegen dich selbst gesurft, gegen deine eigenen Grenzen, als gegen die Konkurrenz?
Wenn du der Erste bist, fährst du immer gegen dich selber. Dann kannst du dich natürlich nicht am Zweiten messen. Und ich war deswegen so oft Erster, weil ich mich schnell auf die Bedingungen einstellen konnte, auch wenn ich das Revier vorher nie gesehen hatte, ob das in Japan war oder in Griechenland, auf Sylt oder in Hawaii. Wieso kannst du das?
Das hab ich mich auch schon oft gefragt. Ein Grund ist, dass ich relativ jung auf das Brett gekommen bin: Ich konnte mich deshalb nur mit Erwachsenen messen. Und die Ostküste von Gran Canaria hat
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sehr viel Wind, und die Bedingungen sind schwierig. Alles, was einfacher war als das, war für mich ein Kindergeburtstag. Bevor ich mit 16 full-time mit den Weltcups angefangen hab, hatte ich schon drei, vier Weltcuprennen bestritten. Das war eigentlich ein Spiel. Halt ein schwieriges Spiel. Ich denke, jeder Sportler, der mehr als ein paar Jahre an der Spitze war, hat das erlebt: ein Michael Schumacher, ein Hermann Maier, die sind da reingewachsen. Die waren Profis, bevor sie es gewusst haben. Bist du mittlerweile auf dem Wasser genauso glücklich wie auf dem Land?
Oft sogar glücklicher! (Lacht.) Wenn ich ein paar Tage nicht auf dem Wasser war, fehlt mir was. Dann fahre ich wieder raus, ob es hier vor der Windsurfschule meines Vaters ist oder in Maui, und: Haaaaaa! (Atmet tief ein.) Oft mache ich hier einen Halt, sechs, sieben Kilometer von der Küste, schaue auf die Insel zurück und denke: „Ahhh, ist das schön.“ (Lacht.) Ich war nur zweimal länger ohne Wasser. Beide Male war ich im Krankenhaus: einmal mit gebrochenem Schlüsselbein, das andere Mal nach einem Harpunenschuss in den Fuß. (Lacht.) Aber zwei Wochen in einer Großstadt? Nee. Was soll ich in einer Stadt machen? Ich bin ein Naturmensch. Tu mir einen Gefallen, Simon, du bist noch jung genug: Belege einen Windsurfkurs, irgendwo, wo es schön ist, und lass dir beibringen, wie es ist. Das schönste Gefühl von Hobbysurfern – ich versuche mich in Hobbysurfer reinzuversetzen – ist: Du gehst raus, kommst ins Gleiten und fährst hin und her, zwischen fliegenden Fischen. Jede Welle ist ein bisschen anders, du kommst nach einer Stunde wieder zurück, der Kopf völlig frei, du hast Glückshormone produziert wie bei wenigen anderen Sportarten, weil du eine Stunde mit Spaß bei der Sache warst. Das ist nicht zu vergleichen mit einem Tennis-Court oder Fußballplatz: Du bist ganz alleine draußen. Du musst dich konzentrieren, denn wenn du dich nicht konzentrierst, liegst du gleich neben deinem Brett. Du kannst nicht an irgendeinen Termin oder ein Telefonat denken. Wenn du das tust, fliegst du schon. Du bist in einer anderen Welt. Aber auf Jaws zu surfen, den 12-Meter-Wellen in Hawaii, das ist ganz anders …
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Angst fühlt man dabei aber schon?
Angst habe ich vor jemandem, der eine Pistole zieht. (Drückt mir seinen Zeigefinger wie einen Pistolenlauf in die Rippen.) Vor Jaws hab ich eher Respekt. Ich hab im Prinzip nur Angst vor Dingen, die ich nicht kontrollieren kann. Du machst auch mit beim Red Bull Storm Chase. Was ist das genau?
Red Bull Storm Chase ist: die schwierigsten, stärksten, größten Wellen finden und dann absurfen. Letztes Jahr in Europa haben 15 Leute mitgemacht. 2008 wollen die Organisatoren das Ganze global ausführen. Red Bull Storm Chase war eine
REINHARDMUELLER.EU/RED BULL PHOTOFILES
DU DARFST DA DRAUSSEN NICHT ANS TELEFON DENKEN ODER AN IRGENDEINEN TERMIN. WENN DU DAS TUST, FLIEGST DU SCHON.
Das ist nichts für jedermann. Nur dreißig TopWindsurfer der Welt können da fahren.
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Weltmeister Dunkerbeck bei seiner schwierigsten Ăœbung: dem Warten auf mächtige Winde
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THE RED BULLETIN
HELDEN
sehr coole Geschichte. Da konnte man sehen, wie radikal Windsurfing ist. Du suchst also neue Herausforderungen, willst nicht immer dieselben Wettkämpfe machen?
Landratten wissen, was
So kann man es sehen. Ich war schon in allen Disziplinen Weltmeister. Die letzten paar Jahre habe ich mich immer mehr in Richtung der Speedrekorde orientiert. Seit vier Jahren mache ich Rekordversuche, und ich habe auch ein paar Rekorde gebrochen. Der wichtigste war wahrscheinlich der über die nautische Meile, über 1852 Meter. Die Bestmarke stand damals auf 33 Knoten, dann bin ich als erster Segler 40 Knoten gefahren auf dieser Strecke, und am Ende stand die Bestleistung auf 41,14 Knoten. Das große Ziel ist allerdings, über eine 500Meter-Messstrecke 50 Knoten zu erreichen, bevor irgendein anderer Segler es schafft.* Aber da müssen die Natur, die Bedingungen vom Wasser her mitspielen. Wenn alles flach ist, kannst du richtig ausfahren. Bei 50 Knoten darfst du nicht vom Gas. Aber man muss sich vorstellen: Vor etwa 15 Jahren wurde die 40-Knoten-Marke auf glattem Wasser in einem Kanal gefahren, in Frankreich. Damals sagte man, dass die 40 Knoten im Meer nie gefahren werden können, unmöglich. Mittlerweile bin ich sie schon im Meer gefahren, sogar über die nautische Meile, nicht über die 500 Meter. Das zeigt, wie gut das Windsurfmaterial über die Jahre geworden ist.
sie da draußen versäu-
Wirst du als Siebzigjähriger noch surfen?
men, begleiten jeden
Ich hoffe. Mein Vater ist 64, der geht noch immer aufs Wasser. Er sagt, es hält ihn jung. Das Meer, das Wasser und die Endorphine – es ist ja bewiesen, dass das jung hält.
HÖLLENRITT Red Bull Storm Chase ist kein Contest, sondern das archaische Duell Mensch gegen Natur: 22 angstfreie Windsurfer und zwei Gaststars warten in neun Ländern auf den Sturm der Stürme. Das größte Atlantiktief seit Beginn der Wetteraufzeichnungen ist im Anmarsch? Nix wie hin! Genau das ist es, genau darum geht es: Wenn andere Menschen ihre Fenster und Türen vernageln, steigt ein Haufen Verwegener in den Neoprenanzug und reitet den Sturm. Und damit die
Windsurfer ein Fotograf und ein Filmteam. Lust auf einen NaturThriller? Hier ist er: www.redbullstormchase. com
STIMMUNGSWECHSEL. Wir sitzen auf den Stufen über dem Pozo Beach, wo Bjørn surfen gelernt hat. Der Strand ist leer an diesem vollkommen sonnigen, windstillen Morgen. Man hört unten die Wellen heranbranden. Wir sitzen inmitten eines Werbespots. Ist Pozo der beste „Spot“ der Welt?
Nee, den allerbesten gibt es nicht, aber Pozo gehört sicher zu den besten. Dazu kommen Ho’okipa, Maui, Lanzarote, die Kapverdischen Inseln, die Westküste Australiens. Das Schöne am Windsurfen ist, dass es nicht einen besten Spot gibt, sondern 20, die Weltklasse sind. Du hast gar nicht genug Zeit, alle abzufahren. Ich habe jetzt gerade drei Rennen bestritten, Namibia, Sylt und England, eins nach dem andern, und ich bin froh, dass ich erst mal hier bin. DAS BUCH ZUM HELDEN
Wo wirst du neue „Secret Spots“ suchen?
„The Search: Erfolgreiche Surfspots und die richtige
Unterhalb vom Äquator gibt es ein paar Inseln – die Namen verrate ich nicht –, wo noch niemand war. Ich hab schon Kontakt zu Leuten dort.
Lebenseinstellung“. Von
Ein spezielles Gefühl, irgendwo der Erste zu sein?
Bjørn Dunkerbeck. Riva
Ein super Gefühl. Das ist nicht mehr so einfach wie vor zehn Jahren, aber immer noch möglich. Ich bin gerne Entdecker. Pozo Izquierdo war vor 25 Jah-
Techniken, die besten
Verlag München, ISBN 978-3-936994-37-7, 25 Euro.
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* Momentan liegt der Weltrekord für das schnellste segelbetriebene Wasserfahrzeug bei 48,7 Knoten (rund 90,2 km/h), aufgestellt vom irischen Windsurfer Finian Maynard am 10. April 2005.
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ren auch unentdeckt. Ein Dorf mit drei Fischerhütten. Dann hat Klaus, der beste Freund meines Vaters, mich immer wieder dorthin mitgenommen, und irgendwann hat meine Mutter gesagt: „Hier organisieren wir ein Weltcuprennen.“ Mittlerweile ist Pozo einer der beliebtesten Weltcups bei den Windsurfprofis, weil es brutal hart ist. Es gab Jahre, da hatten wir während des Slaloms 50 Knoten Wind. Es gibt oft Aggressivität zwischen Hobbysurfern, wenn einer denkt, der andere habe ihm seinen Platz auf den Wellen gestohlen. Hast du selber je erlebt, dass deine Autoreifen auf dem Parkplatz durchstochen wurden?
Nein, aber beim Nebenauto hab ich es schon gesehen. Es gibt, speziell an abgelegenen Plätzen, sehr viel „localism“. Die Leute dort mögen keine Störenfriede. Da musst du jemanden kennen oder einen guten Namen haben. Sonst hast du am ersten Tag einen kaputten Reifen – und am nächsten Tag zwei. Früh in deiner Karriere hast du den Spitznamen „Terminator“ gekriegt. Hat dich das genervt?
„Terminator“ ist entstanden, als ich jahrelang alles gewonnen habe. Ich bin großgewachsen, und wenn ich nicht lache, schau ich schon ernst aus. Und ich denke, Skandinavier haben die Eigenheit, dass sie nicht jedem gleich zeigen, wie sie drauf sind. Ich kann lustig sein und Spaß haben. Ich kann aber auch knallhart rüberkommen – was gut ist. Man ist ja nicht der Latino-Sonnyboy, der jedem gefallen muss in jedem Moment. Man ist Skandinavier. Wie soll man sich an dich als Windsurfer erinnern?
Man soll sagen: „Bjørn war einer, der das Windsurfen geliebt hat. Er hat es gemacht, weil er es gern getan hat.“ Das ist, glaube ich, das Wichtigste. Ist es weniger wichtig, dass du der Beste deiner Zeit warst?
Das bin ich auch gewesen. Aber wichtig ist etwas anderes. Dass ich da und dort einen Pott gewonnen habe, ist mir nicht mehr zu nehmen. Es gibt aber auch welche, die viel gewonnen haben und von einem Tag auf den anderen aufgehört haben und nicht mehr auf das Brett gestiegen sind. Für die war Windsurfen eine Pflichtübung. Der einzige Grund, dass ich die letzten zwei Tage nicht windsurfen war, sind diese zwei Löcher. (Zieht einen Turnschuh aus und zeigt mir seinen durchlöcherten Fuß. Er hat eine Narbe in der Ferse und eine in seinem gekrümmten großen Zeh.) Die Harpune ist hier rein … Aaaaaah!
… und hier ging sie wieder raus. Ich hab schon was erlebt. (Lacht.) Harpunenschuss in den Fuß, und beim Snowboarden hab ich mir ein Schlüsselbein rausgerissen. Deine zwei gröbsten Verletzungen hatten also mit Windsurfen nichts zu tun?
Nee. Klopfen wir für die Zukunft sicherheitshalber auf Holz.
Auf jeden Fall. (Klopft auf das Brett neben seinem Sitz über den Wellen.) BJØRN DUNKERBECKS PREMIERE ALS AUTOR: „THE SEARCH“, ERSCHIENEN IM SEPTEMBER 2007
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TOM HAUKE IM JULI Der 39-Jährige Krankenpfleger und Sportfotograf brach sich beim Mountainbiken das Becken, ein Splitter drang ins Rückgrat. Er ist inkomplett gelähmt.
STEH AUF …
Querschnittlähmungen sind unheilbar – Wings for Life wird das ändern. Kein Wunder.
STILLSTAND
Was es heißt, nicht mehr gehen zu können. Wie Betroffene mit sich und der Welt kämpfen. Dazu: Interview mit den Ex-Rennsportlern Kinigadner. Seite 48.
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ERSTER SCHRITT
Forschung kostet mehr Geld, als normales Sponsoring finden kann. Wings for Life kämpft deshalb mit guten Ideen um gutes Geld. Seite 54
FORTSCHRITT
Die Wissenschaft wird Gelähmte aus dem Rollstuhl holen. Ganz sicher. Nur: wann? Und wie viele unerwartete Hindernisse lauern noch? Seite 57
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Wie aber geht Gehen? Und was machen Gelähmte bis dahin? Szenen aus einem Leben voller Hoffnungen, Hindernisse und, ja: Humor. TEXT WERNER JESSNER BILD NIKOLAUS SIMILACHE
J SCHICKSALS-STATISTIK Pro Jahr kommt es zu 3000 Rückenmarksverletzungen allein in Österreich, 200 davon führen zu bleibenden Lähmungen. Ein Drittel stammt von Erkrankungen, beim Rest sind Unfälle die Ursache: Die Hälfte ereignet sich im Straßenverkehr, ein Viertel sind Stürze und nur neun Prozent Sportunfälle.
edes Jahr kriegen wir zumindest einen von der Maturareise“, sagt Elisabeth Denk, die Leiterin der Physiotherapie am Weißen Hof. „Schwerste Rückenmarksverletzungen, weil das Wasser, in das sie geköpfelt sind, zu flach war.“ Der Weiße Hof bei Klosterneuburg ist neben Tobelbad (Steiermark) und Bad Häring (Tirol) das größte Reha-Zentrum Österreichs. Auf 200 Patienten kommen 350 Bedienstete, die Rahmenbedingungen sind vorbildlich. Wer in Österreich einen wirklich schweren Unfall hat, landet ziemlich wahrscheinlich in einer der drei Kliniken. Die Aufenthaltsdauer dort wird in Monaten gemessen, nicht in Wochen. Der zweite Stock am Weißen Hof ist für Querschnitte reserviert. Martin hatte vor zwei Jahren einen Autounfall, er hatte Glück. Seine Rückenmarksverletzung liegt sehr tief, im Bereich der Lendenwirbelsäule. Er kann mittlerweile mit Krücken stehen und sogar kurze Strecken gehen. „Ich bin ein inkompletter Para, quasi eine Abschürfung“, grinst der Waldviertler, der nach seinem Unfall das Quadfahren entdeckt hat. Inkompletter Para: Klingt wie aus einem Perry-Rhodan-Roman, bezeichnet aber Schwere und Art der Lähmung. Den Läsions-Slang lernt man sehr schnell am Weißen Hof, er unterscheidet regelmäßige von unregelmäßigen Besuchern. Paraplegiker haben zwei gelähmte Gliedmaßen, Tetraplegiker vier. Der Luxus einer Paraplegie beginnt bei einer Verletzung unterhalb von C4, dem vierten Halswirbel. Die Chancen darauf stehen 60:40. Christopher Reeve etwa war nach seinem Reitunfall Tetraplegiker, ein vollständiger Pflegefall. Qualitativ unterscheidet man Querschnitte in komplett und in-
DAS SCHILD WEIST DEN WEG ZUM BEHINDERTEN-WC. DER WEG FÜHRT ÜBER EINE TREPPE. 048-AIO_47-60_Dossier_Wing 48
komplett: Komplette können die betroffenen Körperteile weder spüren noch bewegen, inkomplette haben zumindest teilweise vorhandene Fähigkeiten. Der Deutsche Pit Beirer war Motocross-Vizeweltmeister und ist heute KTM-Sportchef. „Was soll ich mich aufregen mit meiner Luxuslähmung?“, fragt er. „Ich fahre mit dem Auto, kann allein nach Amerika fliegen, habe einen Job, den ich ausfüllen kann: Was will ich mehr?“ Drei Monate nach seinem Crash beim Grand Prix von Bulgarien, bei dem ihm das Rückenmark auf Höhe der Brust durchtrennt wurde, bezog Pit das Büro in Mattighofen. Das ist Rekord. Manche kommen im Kopf nie wieder auf die Beine. Die Suizidrate unter Gelähmten ist in der ersten Zeit nach dem Unfall überdurchschnittlich hoch. Ein großes Bier kostet in der Kantine des Weißen Hofs 2,70 Euro, für manche ein gnädiges Betäuben nach Therapieende am Nachmittag. Im Schnitt dauert es ein halbes Jahr, bis Querschnittgelähmte in der Lage sind, eine Art Alltagsleben zu etablieren. „So einer wie der Pit ist mir noch selten untergekommen“, sagt Heinz Kinigadner, unfreiwilliger Experte in Sachen Querschnittlähmung. Bruder Hans und Sohn Hannes sitzen im Rollstuhl, außerdem zu viele Freunde, die er im Laufe seiner Karriere als Motorsportler und KTM-Teamchef gewonnen hat. „Pit spielt nicht den Starken, er ist es wirklich. Er weiß, dass seine Verletzung ein derartiger Riss ist, dass sich nichts mehr tun wird, wenn nicht ein Wunder geschieht.“ Leb damit und mach das Beste draus. Geweint habe er wegen seiner Lähmung nur zweimal, sagt Pit Beirer. Einmal ganz am Anfang, als der Überlebenskampf in der Intensivstation vorbei war, die Albträume, die Fieberschübe, all die garstigen Reaktionen eines Körpers, der seine Situation verarbeiten muss, in dem chemische Prozesse ablaufen, die noch nicht einmal die Medizin ganz durchschaut (siehe Story Seite 57). Zum zweiten Mal zu Hause, als er auf der Couch lag und verstand, dass er nie wieder so einfach aufs Klo gehen können würde, wenn er einen Drang verspürt. „Das Gehen wird von den Gesunden komplett überbewertet. Wie oft geht man denn schon?“, sagt Pit heute. Nicht gehen können: Das ist der sichtbare Defekt. Er macht Rollstuhlfahrer für Unbeteiligte scheinbar alle gleich. Man hält ihnen eine Tür auf,
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… UND GEH! schaut kurz weg und schämt sich, wenn man unabsichtlich am Behindertenparkplatz geparkt hat. ROLLSTUHL AKZEPTIEREN. Im Rollstuhldepot des Weißen Hofs hängt ein Schild, das den Weg zum Behinderten-WC weist: Er führt über eine Treppe. Rollifahrer sind nicht zimperlich zueinander, ihr Schmäh ist derb. Jammernde vermeintlich Gesündere stehen sowieso auf der Schaufel. „Was die Amputierten im-
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TOM HAUKE IM OKTOBER Das Becken ist verheilt, der Splitter im Rückgrat verkapselt. Er kann seine Beine wieder spüren. Seit Oktober geht Tom Hauke wieder.
mer rumraunzen“, sagt Martin, der „Autounfall“ aus dem Waldviertel. „Phantomschmerzen haben wir auch. Und zusätzlich sind uns die Beine im Weg.“ Der Weg zum Humor ist lang. Entscheidend sei, sagen die Pfleger am Weißen Hof, dass der Patient seine Verletzung akzeptiere. Die nutzlosen Beine, die patscherten Arme, die Inkontinenz, die kleinen Defekte, die man erst im Lauf der Zeit entdeckt. „Die Beine gehören nach wie vor zum Körper, sie können
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EIN MANN, DEN SIE PITBULL NANNTEN Pit Beirer, 35, verunfallte am 8. Juni 2003 beim Motocross-Grand-Prix von Bulgarien in Sevlievo, nur sechs Wochen vor Hannes Kinigadner. Breiers Flammen-Helm stach stets aus dem Pulk heraus, sein Fahrstil war legendär einsatzfreudig. Ebenso bestimmt ging er die Reha an: Drei Monate nach dem Crash begann Breier seinen Job bei KTM. Größter beruflicher Erfolg bisher? „Ich habe den zehnfachen Weltmeister Stefan Everts als Mentor für den Nachwuchs zu KTM geholt.“ Einzige Einschränkung, die er sich im Job aufmeinem Rolli bei Rennen nicht an die Startlinie. Das könnte die Jungs ablenken.“ www.ktm.com
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sich bloß nicht mehr artikulieren. Man muss gut mit ihnen umgehen, sonst rächen sie sich.“ Psychologische Betreuung ist vor allem in der ersten Phase unabdingbar, Entspannung, Privatsphäre, Erklärungen über den Zustand: Auch frisch Gelähmte wissen in der Regel nicht besser Bescheid als der Durchschnittsmensch. Wer beschäftigt sich schon prophylaktisch mit der Möglichkeit einer Lähmung? In der Reha sind alle gleich. Und doch findet man immer einen, der noch schlimmer dran ist, das hilft durch die dunklen Tage. (Der Hammer kommt meist erst bei der Entlassung, aber das ist eine andere Geschichte.) Ein Leben im Rollstuhl kann ein Nicht-Gelähmter nicht simulieren. Natürlich kann man sich einen Tag lang reinsetzen, sich über die Freude von Architekten an Stufen wundern, mit Türen raufen, die sich nicht öffnen lassen, kann rausfallen, weil man Gefälle falsch eingeschätzt hat und die Bedeutung von Gewichtsverlagerung unterschätzt. Über das echte Leben im Rollstuhl sagt das freilich nichts. Bei NichtGelähmten funktionieren alle Muskeln, sie spüren, wenn ihnen kalt ist, haben mehr Möglichkeiten, Ungleichgewicht auszubalancieren, und im Kopf ist immer die Hintertür offen, jederzeit aufstehen zu können und zu sagen: Danke, arge Erfahrung, aber jetzt ist’s genug. Eine Stufe bergauf geschafft zu haben fühlt sich an wie die schwarze, eisige Skipiste. Natür9lich macht einen das stolz, beim ersten Mal. Nur ist
einem halt nicht jeden Tag nach schwarzen Pisten. Das Leben im Rolli ist voll davon, jeden Tag, jede Stunde. Das macht auf Dauer wahnsinnig müde. Und es ist doch nur ein winziger Teil der täglichen Anforderungen. Es ist ein ständiges In-sichReinhören mit anfangs untauglichen Mitteln. Wundsitzen etwa ist ein großes Problem, eine münzgroße offene Stelle am Hintern reicht, um einen Menschen für Wochen außer Gefecht zu setzen. Wer es übersieht, büßt bitter und lang, bis hin zur Operation. „Man hört deshalb viel intensiver in den Körper hinein“, sagt Hannes Kinigadner. „Kleinste Veränderungen, die du als Gesunder kaum wahrnimmst, gewinnen im Rollstuhl gewaltig an Bedeutung.“ Hannes Kinigadner ist seit vier Jahren und vier Monaten querschnittgelähmt, ein inkompletter C5: Er kann seine Arme bewegen, die Hände nur bedingt. Den Moment, als am Nachmittag des 26. Juli 2003 bei einem Benefiz-Motocross-Rennen der Blitz einschlug, schildert er minutiös: „Vor mir ist jemand gekugelt, ich wollte über ihn drüberspringen, hab einen Schlag aufs Hinterrad bekommen, bin nach vorn abgestiegen, konnte mich nicht mehr einrollen und bin am Kopf gelandet. Als ich so dalag, hatte ich das Gefühl, als ob Arme und Beine nach unten in die Erde reinhängen würden. Ich konnte die Arme ein wenig bewegen, da dachte ich mir, so schlimm kann’s schon nicht sein.“ Pause. „Na ja.“
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erlegt: „Ich fahre mit
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HANS STATT GLÜCK Robert Kubicas Monstercrash beim Grand Prix von Kanada wäre ohne HANS (Head and Neck Support) niemals zu überleben gewesen. Zur Illustration der mörderischen
Es folgten sechs Wochen Intensivstation, „genau bis zu meinem 20. Geburtstag. Das war die Zeit, wo der Körper noch einmal Schaden anrichtet. Das heißt ‚spinaler Schock‘. Der Körper entledigt sich nach und nach seiner Funktionen und schädigt sich selber.“ In der Nacht nach dem Unfall konnte Hannes die Hand der Intensivschwester noch drücken. Danach hatte er auch diese Fähigkeit verloren. KOMPLETT/INKOMPLETT. Wer verstünde, warum und mit welchen Mitteln der Körper verhindert, dass Nervenfasern in der Wirbelsäule wieder zusammenwachsen, hätte den Schlüssel zur vollständigen Heilung von Querschnittlähmungen in der Hand. Das ist das Ziel der Forschungen, die von Wings for Life unterstützt werden. Einstweilen ist man darauf angewiesen, den Grad der Lähmung zu minimieren, so weit das eben möglich ist. Heinz Kinigadner: „In meiner aktiven Zeit waren neun von zehn Querschnittlähmungen komplett, nur eine war inkomplett. Heute hat sich das Verhältnis umgekehrt. Ich schreibe das der besseren Erstversorgung zu. Bei einem Verdacht auf Rückenmarksverletzung rührt dich heute keiner mehr an. Viele Menschen hocken im Rollstuhl, weil sie in der Erstversorgung oder im Krankenhaus falsch angefasst wurden.“ Auch das ist eine Funktion von Wings for Life: Mitmenschen mit Querschnittlähmungen vertraut machen. Etwa die Hälfte aller Fälle passiert im Straßenverkehr, nur jeder zehnte ist ein Sportunfall. Die Chance, Ersthelfer zu werden, ist für den ganz normalen Verkehrsteilnehmer deutlich größer als etwa für Streckenposten in vermeintlichen Extremsportarten. Weltweit wird alle vier Minuten die Diagnose „Querschnittlähmung“ gestellt. Insgesamt sitzen heute 2,6 Millionen Menschen im Rollstuhl. Heinz ist mit dem Tempo der Forschung unzufrieden: „Wir sind Sportler, und wir sind Sportlertempo gewohnt.“ RED BULLETIN: Was bremst? Geldprobleme? Zu wenig Personal? Forscher, die sich nicht auf diese eine Problemstellung konzentrieren können?
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Alle drei Faktoren. Jan Schwab, der wissenschaftliche Direktor unserer Stiftung, macht zum Beispiel gerade seinen Abschluss zum Kliniker. Das ist wichtig für uns, denn es gibt so viele Ärzte und Forscher, die nur an ihrem kleinen Projekt arbeiten, aber nicht gesamtheitlich denken. Einerseits sind wir heute sehr weit, etwa im Vergleich zu vor zwanzig Jahren. Andererseits sind wir nirgends: Wir wissen zum Beispiel noch nicht, welche Art von Zellen zur Reparatur ideal sind. Embryonale Stammzellen sind die besten, weil sie alles lernen können – aber völlig unkontrolliert. Außerdem muss man das Immunsystem des Patienten komplett runterfahren, um Abstoßreaktionen zu vermeiden. Man weiß nicht, ob sich Schmerzpotenziale bilden, Tumore, Fehlbildungen – die Lenkung der Stammzellen ist ein riesiges Problem. Darum nimmt man autologische Zellen aus der Nase, Vorläuferzellen aus den Röhrenknochen oder Schwann’sche Zellen aus dem peripheren Nervensystem. Ein Gemisch scheint im Moment am erfolgversprechendsten. Aber das sind Meinungen. Noch ist nix Fundiertes dabei. HEINZ:
Verzögerung: Der weiße Zylinder, auf diesem Bild noch über Kubicas linkem Fuß, fliegt im nächsten Moment an seinem Helm vorbei. Der Kopf kann wegen HANS selbst bei maximaler Verzögerung nicht weiter nach vorn; der Helm wird, wie am linken Bild bei David Coulthard zu sehen, über Bänder und den Schulteraufsatz aus Carbon direkt mit den Sicherheitsgurten verbunden. www.hansdevice.com
RED BULLETIN: Du klingst mittlerweile wie ein Mediziner.
Es ist durchaus so, dass Ärzte, die nicht vom Fach sind, im Gespräch aussteigen, wenn wir loslegen. Als wir zum ersten Mal in die Reha-Klinik ins bayrische Murnau gekommen sind, hat der Arzt gesagt: Oje, schon wieder so eine Familie, die glaubt,
HEINZ:
ICH HATTE DAS GEFÜHL, MEINE ARME UND BEINE WÜRDEN NACH UNTEN IN DIE ERDE HÄNGEN. 24.10.2007 15:28:32 Uhr
DOSSIER
ES WIRD EINMAL Neck Brace, entwickelt vom südafrikanischen Arzt Chris Leatt, soll dem Genickbruch bei Motorradfahrern vorbeugen. Und hat es auch schon: Dakar-Sieger Cyril Despres schwört, ohne Brace ren zu können. Der BraceErfolg bewegt die Szene: Große Firmen wie Alpinestars forschen nun intensiv und werden den Sport noch einmal sicherer machen. In den USA sind es
das Schicksal ändern zu können und der Bub wird wieder gesund. Als wir dort weggegangen sind, gab es eine Partnerschaft mit der PMU in Salzburg, ein eigenes biomechanisches Labor mit Professor, sie sind am medizinischen Trial des Professor Martin Schwab beteiligt – ich würde sagen, an all dem waren wir nicht ganz unschuldig.
vor allem die jungen Supercrosser, die mit Neck Brace fahren und die alten, nackten Gewohnheitstiere plötzlich noch älter aussehen lassen. Die Nackenstütze wird in Europa über KTM und BMW vertrieben. www.leatt-brace.com
TÄGLICHES TRAINING. Aus ihm spricht die Ohnmacht eines Vaters, der vor einer Grenze steht, die noch nie jemand überschritten hat, allen Mitteln zum Trotz: „Durch Didi Mateschitz hatte ich die Möglichkeit, alles zu tun, was man tun könnte. Aber das ist das Perfide: Selbst wenn der Michael Schumacher die Verletzung vom Hannes hätte, würden ihm seine Kontakte, sein Geld, sein Ruhm nichts nützen. Christopher Reeve konnte sich seinen Hintern höchstens mit einer Seidenserviette auswischen lassen, aber das war’s auch schon. Das ist das Deprimierende: Du kennst Gott und die Welt, aber es macht keinen Unterschied. Wenn ich mir den Körper vom Hannes anschau: Pumperlgsund, starke Muskeln und Knochen, nur irgendwo ist auf einem Zentimeter die Leitung unterbrochen. Es ist so bizarr, dass man das nicht reparieren kann. Bei einem Motorrad würdest du das kaputte Trumm austauschen und fertig.“ Beim Menschen stößt man an Grenzen, sobald man mehr will, als bloß das Leben im Rollstuhl mit
DER QUERSCHNITT WAR JA EINE INTERESSANTE ERFAHRUNG. ABER LANGSAM REICHT’S UNS JETZT. 052-AIO_47-60_Dossier_Wing 52
einem Höchstmaß an Würde und Qualität zu bewältigen. Reha-Zentren machen Unfallopfer in erster Linie wieder gesellschaftsfähig und bringen ihnen bei, sich allein zu bewegen. Patienten, die mehr wollen, können sie nichts anbieten. Da steht jeder vor einem weißen Blatt Papier. Kini war nicht gewillt, das zu akzeptieren. „Geht nicht“ gibt’s nicht, und Hannes soll wieder gehen lernen. Genau darum hat Wings for Life auch das Ziel, Menschen aus dem Rollstuhl zu holen, anstatt ihnen das Leben angenehm zu machen: „Wir unterstützen niemanden als Person, das wäre ein Fass ohne Boden. In aller Regel sind die sozialen Systeme in unserer Gesellschaft so tragfähig, dass niemand um seine Existenz bangen muss, wenn er im Rollstuhl sitzt. Für die Zeit nach dem ersten Schock gibt es außerdem andere Stiftungen, mit denen kooperieren wir auch. Wings for Life ist glasklar darauf ausgerichtet, die Menschen aus dem Rollstuhl zu holen. Es war eine Grundsatzentscheidung von uns, nicht Zeit darauf zu verwenden, dem Hannes ein Leben in Selbständigkeit zu ermöglichen, sondern darauf, seinen Körper bestmöglich in Schuss zu halten, um eines Tages aus dem Rollstuhl zu kommen, wenn wir die Möglichkeit dazu haben.“ Der Tagesablauf von Hannes Kinigadner erinnert an jenen eines Spitzensportlers: „Ich trainiere acht Stunden täglich. Aktiv wie passiv, von der Elektrostimulation bis zum Krafttraining, Gehtraining, Physiotherapie, Locomotion (‚Durchbewegen‘ der Gliedmaßen; Anm.), Fußreflexzonenmassage. Dazu kommen einmal in der Woche ein Energetiker und eine Osteopathin, der Hausarzt macht medizinische Hypnose. Für die gesunden Muskeln mache ich nur wenig, der Fokus liegt auf Beinen und Händen. Im ersten Jahr war das Training der Lungenfunktion sehr wichtig. Ich habe mit dem SpiroTiger gearbeitet, ähnlich wie Radrennfahrer. Da atmest du in einen Sack, das trainiert die Zwischenrippenmuskulatur, die du sonst eigentlich nicht erwischst. Als Querschnitt hast du nur Zwerchfell-, aber keine Brustatmung. Dank des Trainings habe ich heute immerhin das Lungenvolumen eines gesunden Nicht-
NIC BOTHMA/APA/EPA, VAN OERS J./KTM
nicht mehr Motorradfah-
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DIE KINIS Seit Hannes Kinigadners Unfall vor vier Jahren sind Vater und Sohn rund um die Uhr beisammen. Heinz hat versprochen, erst dann wieder aufs Motorrad zu steigen, wenn es Hannes auch wieder kann. „Natürlich geht es mir ab“, sagt Heinz, „aber wie soll’s dem Hannes erst gehen?“ Während Hannes trainiert, erledigt der Vater seinen Job mit Telefon und Computer von Uderns im Zillertal aus, bei Auswärtstermi-
Sportlers. Selbst unter Stress habe ich keine Probleme mit Atmung und Kreislauf.“ Vier Jahre Training für ein Ziel, das irgendwo in der Ferne liegt, das braucht einen starken Willen. Hannes schwört, dass er in drei Jahren wieder geht. Und wenn nicht in drei Jahren, dann eben in dreieinhalb: „Jeder Tag, den du im Rollstuhl sitzt, ist einer zu viel. Wer’s nicht glaubt, soll es selber ausprobieren. Mir soll keiner erklären, dass es wurscht ist, ob eine Lösung heute oder in einem halben Jahr gefunden wird. Mit meinem Freund Wolfi Illek, der nach einem Mountainbike-Sturz ähnlich beinander ist wie ich, haben wir den Schmäh laufen, dass der Querschnitt eh eine interessante Erfahrung war. Aber so langsam reicht’s jetzt, sagen wir immer.“ Hannes bestätigt, dass er in seiner ersten Karriere – er war ein passabler Hobby-Crosser und Snowboarder, das, was sein Vater „einen normalen Bua vom Land“ nennt – nie so konsequent trainiert hätte wie heute. „Aber es tut mir gut. Wenn ich ein paar Tage nix tun kann, werde ich richtig unrund.“ RED BULLETIN: Der Bewegungsapparat muss für den Tag X fit
sein, aber wie trainiert man Nerven und Gehirn?
Du musst permanent „feuern“. Jede Bewegung, jede Berührung schickt einen Impuls Richtung Hirn. Hannes ist motorisch komplett, aber sensorisch inkomplett gelähmt: Das Oberflächengefühl HEINZ:
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ist intakt, Temperatur spürt er nicht. Das heißt, dass es eine funktionierende Leitung gibt. Irgendwas geht da durch. Dieses permanente Feuern, ständige Setzen von Reizen hilft, einer Degeneration unterhalb der Verletzungsstelle vorzubeugen. Sollten sich jetzt, in dieser Sekunde, zwei Nerven treffen, die eben vier Jahre lang gebraucht haben, um nachzuwachsen oder eine Synapse zu bilden, dann ist es gut, wenn jemand daheim ist. Das macht die Therapie so wichtig. Gerade heute hat uns Professor Kern vom Wilhelminenspital in Wien erklärt, dass Sportler, wenn ihre Muskeln wachsen, auch neue Nerven bilden.
nen ist Hannes dabei, wann immer es geht. Und es geht viel: Im Sommer waren die Kinis in den USA, Ibiza ist eh fast zu Hause, und zur korrekten Gestaltung eines Wochenendes gehört der Besuch einer Rennstrecke irgendwo auf der Welt. Da gibt es bei Vater und Sohn keine zwei Meinungen. www.kini.at
RED BULLETIN: Hast du Verbesserungen feststellen können? HANNES: Ja,
doch. Es geht mir generell besser, aber es dauert halt alles so lang. Punktuell gibt es ganz konkrete Verbesserungen: Seit einiger Zeit spüre ich in einer Region des linken Oberschenkels wieder Berührungen. Auch der Trizeps ist stärker geworden: Am Anfang hat es geheißen, es ist gar nichts da, wir brauchen ihn gar nicht zu trainieren. Inzwischen kann ich die Arme schon fast halten. Wenn du im Rollstuhl hockst, ist der Trizeps ein immens wichtiger Muskel, weil du dich damit aufsetzen und zurechtrücken kannst. RED BULLETIN: Verbessert sich die Feinmotorik? HANNES: Schwer zu sagen. Normal benutzen kann ich die Hände jedenfalls noch nicht. Die rechte ist meine
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DOSSIER WINGS FOR LIFE
MIT CHARME UND WITZ GEGEN DAS SCHICKSAL Hannes Kinigadners Unfall war der Grund für seinen Vater Heinz, gemeinsam mit Dietrich Mateschitz die Stiftung Wings for Life zu gründen: „Didi war nach dem Unfall vom Hannes als Erster im Spital, noch vor mir.“ Red Bull hilft der Stiftung auf die Füße und übernimmt die Overhead-Kosten, damit tatsächlich jeder gespendete Euro Projekten zugute kommt. Kini: „Die Vorstellung, Red Bull würde Millionen in Wings for Life stecken, stimmt nicht. Sie geben uns nur die Werkzeuge in die Hand. Ohne Red Bull gäbe es heute vielleicht eine Heinz-Kinigadner-Stiftung, aber die hätte nicht die Kraft, echte Koryphäen ins Boot zu holen und weltweite Aufmerksamkeit für das Thema zu erregen. Es wäre auch nicht richtig, nur Millionen in einen Topf zu werfen. Was, wenn der Didi einmal nimmer ist? Dann haben wir gar nix. Wings for Life muss gesund und langsam wachsen, um auf Dauer lebensfähig zu sein. Natürlich haben wir viele Schnittpunkte mit Red Bull, weil wir uns in der Red Bull-Welt bewegen. Es ist ein riesiger Denkfehler, zu glauben, dass hinter Wings for Life die Red Bull-Millionen stehen und daher
die 2,50 Euro, die ein Privater spendet, nichts wert sind. Ganz im Gegenteil.“ Wings for Life legt ManagementTools auf die Wissenschaft um: Dokumentation, Qualitätssicherung, Marketing. Vor allem in Charme und Witz des Fundraising unterscheidet man sich massiv von anderen Stiftungen. Von der Ikarus Night (Dinieren im Hangar-7) über Faces for Charity (das eigene Foto gegen eine Spende am F1-Auto), Battle of Kings für Sportler aller Arten bis zu Internet-Auktionen (more to come) oder schlicht dem Raustragen der Botschaft: Die VW Touareg der Rallye Paris–Dakar ziehen ebenso mit dem Wings-for-LifeLogo durch die Welt wie der fl iegende Zirkus des Red Bull Air Race, ab nächstem Jahr werden alle Startnummern der MX-WM den Schriftzug tragen. Und das ist erst der Anfang. Immer wieder sind es Inputs von Kini und seinem Team, die Unfallfolgen lindern helfen. Die Entwicklung des Neck Brace lässt sich direkt auf Heinz und Wings for Life zurückführen. Vergleicht man die Investitionssummen – etwa eine Milliarde Dollar für die Zulassung eines neuen Medikaments, ein paar Millionen, die Wings for Life bislang in Projekte investieren konnte –, muss man ja direkt auf einen Zufallstreffer hoffen, oder, Kini? „Im Vergleich ist
DAS LOGO IN DIE WELT RAUSTRAGEN Wo Red Bull draufsteht, ist Wings for Life dabei. Die Infrastruktur einer Weltmarke dient als Trägerrakete für die Stiftung.
SOZIALES ENGAGEMENT Neben Wings for Life unterstützt Red Bull die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Salzburg, eine kleine, aber gerade deshalb sehr schlagkräftige Eliteuni: 42 Studenten pro Jahr finden dort Bedingungen vor, die auf Massenunis nicht denkbar sind. Die MentorStiftung hingegen, vom schwedischen Königshaus initiiert, hat Suchtprävention zur Aufgabe. Auch hier engagiert sich Red Bull und gibt der Gesellschaft etwas zurück: Corporate Social Responsibility nennt man das.
FACES FOR CHARITY Gegen eine Spende von mindestens zehn Euro für Wings for Life führte David Coulthard die gemailten Lieblingsfotos in Silverstone aus.
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WINGSFORLIFE.COM Fakten, Stand der Forschung, Studien, Medienberichte, Videos, Botschafter etc. Spendenkonto: 100234138, BLZ 19530.
das wenig Geld, ja. Rückenmarksverletzungen sind für Pharmafi rmen und Biotech-Unternehmen nicht attraktiv genug. Darum sind private Stiftungen der aussichtsreichste Weg, Rückenmarksverletzungen heilbar zu machen. Es gibt deutlich besser fi nanzierte Stiftungen als unsere, die mehr Forscher beschäftigen, deren Projekte aber bei weitem nicht unsere Qualität haben. Wir arbeiten mit Medizinern aus Harvard, aus Cambridge, Yale, von der Berliner Charité – unser Advisory Board besteht aus weltweit anerkannten Kapazundern.“ Der Dachverband der Rückenmarksforschung ICCP hat Wings for Life als erstes deutschsprachiges Mitglied mit Stimmrecht aufgenommen.
IKARUS NIGHT Höhepunkt eines kulinarischen Jahres mit 12 Starköchen aus aller Welt.
FLOHAGENA.COM/RED BULL PHOTOFILES, GEPA PICTURES/RED BULL PHOTOFILES, RED BULL PHOTOFILES (2)
250 Gäste zahlen 777 Euro für 12 unvergessliche Gänge. Das Geld geht an Wings for Life.
BATTLE OF KINGS Heinz Kinigadner lässt die besten Sportler aus unterschiedlichsten Disziplinen gegeneinander antreten, und die Spielregeln bestimmt er. Im Bild: Pit Beirer.
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Funktionshand: Bei Halswirbelverletzungen lässt man die Sehnen absichtlich verkürzen, so kann man durch Bewegungen aus dem Handgelenk greifen. Vom Prinzip funktioniert das wie eine Rohrzange. HEINZ: Auch interessant: Viele Bewegungen sind zwar auf der Festplatte gespeichert, aber aufgrund des Unfalls nicht mehr abrufbar. So erklärt man sich viele sogenannte Wunderheilungen, wo Menschen plötzlich Dinge können, die sie infolge ihrer Verletzung eigentlich nicht mehr können dürften. Nach sechs Wochen Gips weißt du auch nicht mehr, wie du die Hand bewegen kannst. Du lernst es aber recht schnell, weil du ja die zweite als Vorbild hast. RISIKO OPERATION. Der große Durchbruch ist im Moment noch nicht zu sehen. Etwa zwei Prozent aller Lähmungen verschwinden komplett. Thomas, 39, Fotograf, ist so ein Fall. Nach einem MountainbikeUnfall, bei dem er sich das Becken dreifach gebrochen hatte, steckte ein Splitter im Rückenmark. Nach zwei Monaten kehrte das Gefühl langsam in die Beine zurück, eines Tages grüßte ihn in der Früh eine stramme Erektion. Heute, weitere zwei Monate später, kann er kleine Strecken bereits auf Krücken zurücklegen. Die Muskulatur ist noch schwach, die Hautsensibilität eingeschränkt; Kratzer, im Vergleich. Der Körper hat den bösen Splitter in den zwei Monaten verkapselt; an der Engstelle konnten sich genug Nerven durchzwängen, um Thomas wieder auf die Beine zu bringen. Diesen Vorgang künstlich zu provozieren ist im Moment noch nicht empfehlenswert. Hannes: „Das Risiko ist zu groß. Der spanische Motocrosser Oscar Lanza, ein Freund von uns, hatte eine sehr tiefe, inkomplette Lähmung. Er konnte sich aufrichten, mit Krücken gehen. Nur von den Knien abwärts hat er nichts gespürt, und er hatte keinen funktionierenden Gesäßmuskel, dadurch keinen Seitenhalt. Er hatte volle Sexualität, konnte die Blase kontrollieren. Dann ließ er sich bei einem vermeintlichen Spezialisten in Portugal die Verletzungsstelle säubern: Es wurden keine Zellen eingesetzt, man hat nur die Verletzungsstelle ausgeputzt. Er hat alles, was er konnte, verloren.“ HEINZ: Wir haben danach Spezialisten zur Begutachtung runtergeschickt, und die Ergebnisse waren ernüchternd. Oscar war der beste Patient, den sie je behandelt haben, der Rest waren viel schwerere Fälle gewesen. Wenn alles kaputt ist – was willst du da noch kaputtmachen? Solche Scharlatane und Pseudo-Forscher gibt es sonder Zahl. Das sehen wir auch als Aufgabe von Wings for Life: eine Bewertung der einzelnen Therapien, gestützt auf solide Wissenschaft. Für einen kompletten Querschnitt ist jede Veränderung positiv. Wie viel davon ist Placebo, wie lang hält die Einbildung an? Es gibt Patienten, die in China zur Behandlung waren, danach durch die TVStudios getingelt sind und von ihrer Besserung gesprochen haben, und als wir sie nach einem Jahr wieder untersucht haben, waren sie exakt auf dem gleichen Niveau wie vor der Behandlung.
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DOSSIER
gleich Querschnitt. Je
Unfall ganz offensichtlich viel intensiver geworden. Viele Zwanzigjährige würden die permanente Nähe des eigenen Vaters nur schlecht aushalten.
(protestierend): Ich hab überhaupt nicht 90 Kilo! Auch außerhalb der Familie haben sich Männer in der Pflege besser bewährt. Es gibt in meiner Situation oft unangenehme Dinge, wo der Vater als Freund geeigneter ist. HEINZ: Extrem schlimm ist, wenn junge Männer allein gelassen werden. Wir haben in der Reha Menschen erlebt wie unseren letzten Zimmernachbarn: 16 Jahre alt, ins seichte Wasser gesprungen, ein C4, also noch blöder dran als Hannes. Seine Eltern, beide Ärzte, haben gleich gesagt, dass sie ihn nicht mehr mit heimnehmen, weil ihre Kollegen, Oberpsychologen wahrscheinlich, prophezeit haben, dass das die Familie zerstören würde. Sechs Monate nach der Entlassung hat sich der Bub in die Schweiz bringen lassen zur betreuten Sterbehilfe. Mit 16 oder 17 Jahren! Genau das war jene Art von Eltern, mit der wir in der Reha Probleme hatten: Sie haben uns vorgeworfen, wir würden in den Buben unrealistische Hoffnungen wecken.
nach Höhe der Läsion
HANNES: Kein Problem. Ich hab eh einen jungen Vater.
RED BULLETIN: Motocross und Rollstuhl ist eine Assoziation,
haben Patienten unter-
Durch meine Position bei KTM bin ich in der glücklichen Lage, mir die Arbeit und die Zeit frei einteilen zu können, aber grundsätzlich glaube ich schon, dass jeder Vater in meiner Situation das tun würde, was ich tue. In unserem Fall kommt dazu, dass wir dasselbe Hobby haben, und das ist eben Motocross. Schon deshalb machen wir sehr viel gemeinsam, ungeachtet des Unfalls. Jeder Halswirbelverletzte hat einen, der ihn betreut. Ohne Hilfe bist du in so einer Situation nicht lebensfähig. HANNES: Wäre ich schon. HEINZ: Es wäre schwer.
die euch als Motorsportlern nicht recht sein kann, zumal nur ein kleiner Prozentsatz von Lähmungen tatsächlich aus Extremsportarten kommt. Hat es auch Vorteile, Kinigadner zu heißen und Motocrosser gewesen zu sein?
Ja. Wir kommen gerade vom Ehepaar Milan und Meta Dimitrijevic, die waren einst die Leibärzte von Tito, haben jetzt ein Institut in Houston und haben unter anderem der Fürstin Schwarzenberg aus dem Rollstuhl geholfen. Sie arbeiten viel mit Elektrostimulation, heute haben wir das Programm adaptiert. Dr. D. hat es geschafft, über Stromimpulse unterhalb des Verletzungsniveaus Muskeln anzusteuern. Der nächste Schritt ist, dass das mit aufgeklebten Elektroden funktioniert. Ich könnte mit einem Controller ähnlich dem einer PlayStation meine Beine steuern. Das wäre eine schöne Ergänzung des Trainings. Man könnte vielleicht Gangmuster programmieren oder mich ohne Hilfe stehen lassen. Außerdem wäre es für die Psyche gut. HANNES:
Halswirbelsäule (C1 – C5) Brustwirbelsäule (T1 – T12) Lendenwirbelsäule (L1 – L5) Kreuz- und Steißbein (S1 – S5)
RED BULLETIN: Eure Vater-Sohn-Beziehung ist durch den WER KANN WIE VIEL? Querschnitt ist nicht
schiedliche Fähigkeiten. Die Halswirbelsäule (C1 bis C8) ist für Vitalfunktionen zuständig, außerdem für Nacken- und Handgelenksbewegungen. Die Steuerung der Finger beginnt unterhalb von C5. Die Brustwirbelsäule (T1 bis T12) besorgt die Rumpfstabilität. Sexualfunktion und Hüftbewegung liegen in der Lendenwirbelsäule (L1 bis L5). Verletzungen darunter (S1 bis S5) betreffen Knie- und Fußbewegung sowie perfiderweise die Blasenfunktion.
HEINZ:
RED BULLETIN: Welche Rolle spielt Mutter Waltraud? In der Öffentlichkeit taucht immer nur ihr zwei auf, eventuell noch Hannes’ Schwester Isabell.
Sie ist voll dabei. Nachvollziehbar, dass sie zu keinem Rennen mehr geht, und da sind eben die Fotografen und Journalisten. Waltraud hat Kurse zur Fußreflexzonenmassage gemacht, arbeitet mit Kräutern, der Hannes kriegt jeden Tag Tees aus dem eigenen Garten. Natürlich ist es für eine Mutter extrem schwer, mit der Problematik umzugehen. Aber es gibt ganz pragmatische Gründe, warum das ein Vater-Job ist: Hannes hat 90 Kilo, da ist ein Mädel überfordert. HEINZ:
JETZT WERDEN DIE LEUTE SAGEN, DIE TROTTEL REDEN SCHON WIEDER ÜBERS MOTORRADFAHREN. 056-AIO_47-60_Dossier_Wing 56
HANNES
HEINZ: Wenn die Leute sagen: Zuerst Motocross fahren und dann jammern, weil was passiert ist – wenn wir nicht die wären, die jammern und unzufrieden sind, wer dann? Die man vorher nicht gehört hat, hört man auch nach dem Unfall nicht. Jeder Millimeter, den wir vorwärtskommen, hilft allen Betroffenen. Natürlich hilft er in erster Linie dem Hannes, natürlich war der Hannes der Initiator, natürlich ist unser Antrieb zutiefst egoistisch. Ich bin nicht so verlogen, zu sagen, ich hätte plötzlich meine soziale Ader entdeckt. Aber wenn wir eine Therapie gegen Querschnittlähmung finden, werden alle was davon haben. Ohne den Unfall vom Hannes würde ich wahrscheinlich noch immer deppert Motorradl fahren. Jetzt ist das Ziel, den Hannes aus dem Rollstuhl zu holen, und es ist das stärkste Ziel, das ich je hatte. RED BULLETIN: Könntest du das überhaupt noch: deppert Motorrad fahren? HEINZ: Ich weiß nicht. Ich bin jetzt seit vier Jahren und vier Monaten nicht mehr gefahren. Ich konnte am Bike immer einen Schalter umlegen. Keine Ahnung, ob ich den noch finde. Rennfahrer bin ich mittlerweile sicher keiner mehr. HANNES: Aber zum Endurofahren sollte es schon noch reichen. Und einfachere Tables beim Motocross würdest du garantiert noch springen können. HEINZ: Glaubst echt? Jetzt werden die Leute sagen, die Trottel reden schon wieder übers Motorradfahren. Aber ein Bergsteiger geht auch wieder in die Berge, wenn er einmal runtergekugelt ist. Die Liebe zum Motorrad war für mich immer die stärkste Triebfeder. Gemeinsam mit dem Hannes von Kanada bis Feuerland runterfahren, von Paris nach Peking, das ist das Ziel.
MANFRED KLIMEK, MARTIN UDOVICIC (ILLU)
RED BULLETIN: Hast du noch Erinnerungen ans Gehen?
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DR. FEELGOOD Jan Schwab, 38, arbeitet an der Berliner Charité, ist wissenschaftlicher Direktor von Wings for Life, und mit 52 Publikationen in den vergangenen sechs Jahren gilt er als große Nummer auf dem Gebiet der Neuro-Regeneration. Kini hat Schwab beim Motorradfahren kennengelernt, ihm taugt sein frischer Zugang: „Jan ist einer von uns. Und ein toller Mediziner obendrein.“
K.O. FÜR NOGO
Wissenschafter haben in Tierversuchen einen Hemmstoff entdeckt, der durchtrennte Nervenfasern im Rückenmark nicht mehr zusammenwachsen lässt. Es gibt Hoffnung, dass sich diese Blockade auch beim Menschen ausschalten lässt.
S
ie tragen zufällig denselben Familiennamen, sind aber nicht miteinander verwandt. Martin Schwab, ein Schweizer, ist einer der Pioniere des Fachs. Sein Schüler Jan Schwab, ein Deutscher, baut gerade an der Berliner Charité eine spezielle Forschungsgruppe mit Schwerpunkt Querschnittlähmung auf. Heute bestehe, sagen die zwei Neurowissenschafter, „tatsächliche“ oder „berechtigte“ Hoffnung, dass die Medizin querschnittgelähmten Menschen werde helfen können. Jan Schwab ist Präsident der Stiftung Wings for Life (www.wingsforlife.com), die weltweit innovative Forschungs-
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TEXT ROBERT BUCHACHER
projekte im Bereich Querschnittlähmung unterstützt. Selbst jahrelang an den Rollstuhl gefesselte Personen sollen dann imstande sein, sich ohne fremde Hilfe zu erheben, um mit wiederbelebten Beinen von neuem stehen und gehen zu lernen. Sollte das tatsächlich gelingen, wäre ein medizinisches Dogma gebrochen: nämlich jenes, das besagt, dass eine Querschnittlähmung ein irreparabler Zustand sei, weil einmal durchtrennte Nervenbahnen im Rückenmark nicht mehr nachwachsen könnten und daher die Signalübertragung vom Gehirn in die unteren Körperregionen für immer unterbrochen sei.
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VON RATTEN LERNEN Martin Schwab, 58, ist ein hochdekorierter Zoologe und Neurowissenschafter aus Basel, und er schaffte, was noch kein Mensch vor ihm schaffte: Nervenfasern im Rückgrat von Ratten wieder zusammenwachsen zu lassen. Derzeit forscht Schwab an der Herstellung von Antikörpern gegen das von ihm entdeckte Nogo-Protein. Ein Team von der schweizerischen Universität Fribourg überträgt Schwabs Erkenntnisse bereits auf Affen.
Es ist nicht noch nicht allzu lange her, da wurde ein ähnliches medizinisches Dogma widerlegt – nämlich jenes, dass einmal abgestorbene Nervenzellen im Gehirn für immer verloren seien, weil Nervenzellen nicht nachwachsen könnten. Mittlerweile weiß man, dass das Gehirn sehr wohl aus Vorläuferzellen neue Nervenzellen und neue Verbindungen zwischen Nervenzellen, sogenannte Synapsen, bilden kann. Wenn aber im Denkapparat eine Nervenfaser beschädigt und damit eine „Datenautobahn“ unterbrochen ist, dann ist eine Wiederherstellung des Datenflusses dort derzeit so gut wie ausgeschlossen. STROMKABEL. Die Frage, die sich viele Wissenschafter stellen, ist allerdings: Warum ist das nur im zentralen, nicht aber im peripheren Nervensystem so? Warum können Chirurgen eine abgetrennte Hand wieder annähen und die getrennten Nervenverbindungen wieder so herstellen, dass die Hand ihre Funktionen zurückerlangt? Warum können sie – wie im Fall des Rohrbombenopfers Theo Kelz – zwei Spenderhände annähen, und die Funktionen kommen wenigstens teilweise wieder zurück? Was ist der Unterschied zwischen peripheren Nervenfasern und den zentralen Nervenfasern des Gehirns und des Rückenmarks?
WARUM WACHSEN NERVEN NICHT IM ZENTRALEN, SEHR WOHL ABER IM PERIPHEREN NERVENSYSTEM NACH?
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Immerhin ist auch das Aussprossen von abgetrennten peripheren Nervenfasern keine ausgemachte Sache. Es kommt auf den Grad der Verletzung an. Wenn der Nerv komplett abgetrennt und das Narbengewebe, das sich dort gebildet hat, sehr dicht ist, dann sind auch periphere Nervenfasern nicht in der Lage, wieder eine Verbindung herzustellen. Es ist deshalb eine besonders schwierige Aufgabe der Mikrochirurgie, bei einer abgetrennten Hand oder einer Spenderhand die feinen Nervenfasern zusammenzuflicken. Aus zahlreichen Tierversuchen und aus der klinischen Praxis ist aber bekannt, dass periphere Nervenfasern wieder aussprossen und in eine abgetrennt gewesene Nervenfaser einwachsen können. Eine Nervenfaser hat eine ähnliche Struktur wie ein Stromkabel. Das Leitmedium im Inneren, in dem die Signalübertragung stattfindet, ist außen mit einer Isolierschicht, den sogenannten Myelinscheiden, überzogen. Ist der Nerv etwa durch eine Quetschung arg ramponiert und sind demzufolge die Myelinscheiden stark beschädigt oder kaum noch vorhanden, dann bleibt zumeist eine filzartige Struktur zurück. Eine ordnungsgemäß „angeflanschte“ Nervenfaser wächst durch diese alte Nervenfaserstruktur ein und bildet so wieder eine intakte Verbindung. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass solche peripheren Nervenfasern mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Millimeter pro Tag wachsen und dass sie imstande sind, selbst relativ große Lücken von einem Zentimeter und mehr zu überbrücken. Warum aber soll das im zentralen Nervensystem unmöglich sein? Diese Frage stellte sich der spanische Neurologe Santiago Ramón y Cajal (1852 – 1934) schon vor hundert Jahren. Weil er nicht glauben wollte, dass die Nervenbahnen im Rückenmark so absolut keine Fähigkeit auszuwachsen besitzen sollten, schlossen er und sein Mitarbeiter Jorge Francisco Tello experimentell einen peripheren Nerv operativ ans Gehirn an, um zu sehen, was dann passiert. Und siehe da, die Nervenfasern des Gehirns begannen an dieser Stelle auszusprossen und wuchsen in den angeschlossenen peripheren Nerv ein. 1906 erhielt Cajal zusammen mit Camillo Gogli den Medizin-Nobelpreis für seine Arbeiten über die Physiologie des Gehirns und des zentralen Nervensystems. Nach Cajals Experiment erhob sich jedoch erst recht die Frage, warum einerseits periphere Nervenfasern aussprossen und Verbindungen zu anderen peripheren Nervenfasern herstellen können. Und warum andererseits Nervenfasern des Rückenmarks zwar in eine periphere Nervenfaser einwachsen können, aber diese Fähigkeit nicht entwickeln, wenn es darum geht, eine Verbindung zu einer anderen Nervenfaser des Rückenmarks herzustellen. Diese Frage blieb bis in die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ungeklärt. Dann konnte zunächst der heute an der McGill University in Montreal tätige Neurowissenschafter
HELMUT WACHTER
DOSSIER
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59 BEWEGENDE STUDIEN
WIE GEHT’S? SO: REPARATUR DER ISOLIERUNG
ANREGUNG DER NERVENENDEN
Nervenzellen, deren Isolationsschicht verletzt ist, sind nicht mehr funktionstüchtig. Um die verlorengegangenen Funktionen wiederzuerlangen, werden zum Aufbau einer neuen Isolationsschicht spezielle, sogenannte „Schwann’sche Zellen“ injiziert.
Die Verletzungsstelle ist für Nervenfasern undurchlässig. Eine Injektion von stammzellähnlichen Zellen, die aus dem Patientenblut gewonnen werden, soll das Auswachsen von Nervenfasern an der Verletzungsstelle ermöglichen. Um auch wieder auf der anderen Seite herauszuwachsen (Überbrückung der beschädigten Stelle), wird unterhalb der Verletzungsstelle ein Wachstumsfaktor verabreicht. Ziel ist, die ursprünglichen Zielregionen wieder zu erreichen und die beeinträchtigten Fähigkeiten wieder aufzubauen.
Injektion in das Rückenmark Injektion in das verletzte Rückenmark zur Anregung des Nervenfaserwachstums
„nackte“, nicht umhüllte Nevenfasern
Verletzung
Nervenfasern sind wieder umhüllt
Umfeld angereichert mit Nervenwachstumsfaktoren zur Anregung der Nervenfasern
AUSSCHALTUNG DER AUSWACHSBREMSEN
ILLUSTRATION: SASCHA BIERL
Semaphorine bewirken Wachstumsstopp
Albert Aguayo Cajals Versuch reproduzieren. Mitte der 80er-Jahre stellte dann Martin Schwab, Neurowissenschafter an der Universität Zürich, aufgrund von Zellkulturbefunden die Hypothese auf, dass abgetrennte Nervenfasern des Rückenmarks sehr wohl dazu in der Lage seien, wieder auszuwachsen, dass es aber Hemmstoffe geben könnte, die das Aussprossen und damit die Regeneration verletzter Nervenbahnen verhindern. Diese Idee war völlig neu. Bereits im Jahr 1988 hatte Schwab seine Forschungen so weit vorangetrieben, dass er den ersten biochemischen Beweis für seine These vorlegen konnte: Er hatte ein Protein entdeckt, das für die aussprossende Nervenfaser wie ein Stoppschild fungiert. Dieses Protein nannte er später Nogo A. Zugleich mit der biochemischen Charakterisierung von Nogo A produzierte Schwab in Kaninchen
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Auswachsen der Nervenfaser
Die Ausschaltung von zwei neuen Auswachsbremsen für Nervenfasern, die als Protein im verletzten Umfeld vorkommen, könnte zu einem erneuten Auswachsen der Nervenzellen führen. Dieses Verfahren könnte ein Ansatz für neue Therapieformen und zukünftige Behandlungsstrategien sein.
und Mäusen Antikörper, welche die Funktion des „Stoppschilds“ blockieren konnten. Im Jahr 1990 injizierte er die Antikörper Laborratten, denen er zuvor experimentell eine Rückenmarksverletzung zugefügt hatte. „Und dabei haben wir gesehen, dass die Nervenfasern innerhalb von zwei, drei Wochen über eine Distanz von mehr als einem Zentimeter nach unten wachsen in den unteren Teil des Rückenmarks“, erzählt Schwab. Damit hatte der Forscher einen Meilenstein der Medizin geschafft. Er hatte etwas bewiesen, was lange Zeit als unbeweisbar, weil unmöglich gegolten hatte. Das Dogma von den niemals auswachsenden Nervenfasern im Rückenmark war gebrochen. Allerdings sind in diesem Experiment die Verletzung und die einsetzende Reparatur des verletzten Rückenmarks zeitgleich geschehen. In der Realität
ICCP Forschende Stiftungen haben sich in der International Campaign for Cures of Spinal Cord Injury Paralysis (ICCP) vernetzt. Das verbessert die Kommunikation, verhindert Redundanzen in der Forschung und schafft einheitliche Standards für die Qualität klinischer Studien.
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DOSSIER vergehen aber oft Stunden, Tage, vielleicht sogar Wochen, ehe mit Reparaturmaßnahmen begonnen werden kann. In dieser Zeit kann sich der Gewebeschaden mitunter weiter verschlimmern. Außerdem ist bekannt, dass die Verletzung das Immunsystem schwächt, wodurch die Gefahr von Infektionen wächst. Schwab schätzt das „Zeitfenster“, in dem einsetzende Heilungsversuche eine hohe Chance auf Erfolg haben, bei einer Ratte auf eine Woche, beim Menschen auf zwei bis drei Wochen.
SPINALER SCHOCK In den ersten Tagen nach dem Unfall schwillt das Rückenmark bis auf das Eineinhalbfache seiner normalen Dicke an – im Rückenmarkskanal kann es sich aber nicht ausbreiten und quetscht sich selbst. Das hat einerseits den Verlust von Leitfähigkeit intakter Nervenfasern zur Folge, andererseits verstärkt es die Narbenbildung im Rückenmark. Ein pharmakologischer Wirkstoff mit Nervenschutzfunktion ist EPO, in seiner Hauptrolle als Bösewicht in der DopingBerichterstattung bekannt. In diesem Fall könnte EPO hingegen helfen.
SELBST ORGANISIERENDES SYSTEM. Inzwischen wissen die Forscher, dass es neben dem Nogo A offenbar noch andere Hemmstoffe gibt, die das Aussprossen der Nervenfasern im Zentralnervensystem verhindern. Aber im Tierversuch zeigt sich, dass es unter den „Stoppschildern“ eine Hierarchie gibt, dass Nogo A in diesem Geschehen die Haupt- und andere Hemmstoffe nur eine Neben- oder Statistenrolle spielen. Daher konzentrieren sich derzeit alle Tierversuche und erste klinische Studien am Menschen auf dieses Nogo A. In Tierversuchen an querschnittgelähmten Mäusen, Ratten und Affen sind schon äußerst bemerkenswerte Dinge gezeigt worden: Solange der Hemmstoff Nogo A in Funktion ist, beginnen jene Nervenfaserenden, die noch mit Nervenzellen im Gehirn in Verbindung stehen, zwar auszusprossen – aber dieser Vorgang endet nach etwa einer Woche wieder vor den „Stoppschildern“ von Nogo A und Co. Zumeist noch bevor das Wachstum eine Länge von einem Millimeter erreicht hat. Sobald aber die Funktion von Nogo A biochemisch blockiert wird, beginnen die vom Gehirn nach unten führenden Nervenfasern unaufhörlich auszusprossen „wie bei einem Baum, dem man einen Ast abschneidet und wo der Aststumpf neue Knospen bildet“, sagt Martin Schwab. Die frisch sprießenden „Zweige“ der Nervenfasern suchen nun eine Verbindung zu dem darunterliegenden neuralen System im gelähmten Körperteil. Allerdings sind die alten, lahmgelegten Nervenfasern für immer verloren. Doch rundherum existieren noch genügend intakte Nervenzellen, Schaltzellen, Hüllzellen, zu denen die neu aussprossenden
SOBALD DIE FUNKTION VON NOGO A BLOCKIERT WIRD, BEGINNEN DIE NERVEN AUSZUSPROSSEN.
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Nervenfasern Verbindung suchen wie in einem sich selbst organisierenden System. Und mit der Zeit zeigt sich, dass wieder Leben in die eben noch gelähmten Körperteile kommt. Wie bei einem Baby sind die ersten Bewegungen, welche die Versuchstiere ausführen, eckig und ungelenk. Aber mit der Zeit können sie diese Bewegungen immer besser kontrollieren. Offenbar werden in diesem Prozess des sich selbst neu organisierenden Systems die neuralen Verschaltungen immer dichter, sodass sich die Forschungen der Wissenschafter um Martin Schwab in den vergangenen Jahren auf Verhaltensexperimente und auf die Frage konzentrieren konnten: Kommen die durch die Verletzung lahmgelegten Funktionen wieder zurück? Und tatsächlich war das bei vielen Funktionen der Fall. Vom einfachen Laufen, Laufen über Leitern und Gitter, Schwimmen bis zu Greiffunktionen und Klettern am Seil kam die Bewegungsfähigkeit wieder zurück. Das bedeutet, dass die nachgewachsenen Nervenfasern sich wieder in Schaltkreise integrieren, die noch im Rückenmark vorhanden sind, und dazu neue Schaltkreise bilden, indem sie die Bewegungen wieder neu einlernen. Inzwischen konnten diese Versuche in fünf oder sechs anderen Labors reproduziert werden. BEHÖRDLICHE ZULASSUNG. Nachdem sich das schon seit längerem verfolgte Konzept „Ausschaltung der Stoppschilder“ in Tierversuchen eindrucksvoll als richtig herausgestellt hatte, gingen die Wissenschafter daran, es zusammen mit Basler Forschern des Pharmakonzerns Novartis erstmals auch am Menschen zu testen. Eine Phase-I-Studie, bei der Antikörper gegen das Nogo A an Versuchspersonen in verschiedenen europäischen Zentren auf ihre Sicherheit getestet wurden, ist nun bald mit Erfolg abgeschlossen. Laut Martin Schwab zeigte die eingesetzte biochemische Substanz bei den Versuchspersonen keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen – auch nicht bei höherer Dosis. Jetzt wird eine Phase-II-Studie vorbereitet, bei der die Wirksamkeit des Konzepts bewiesen werden soll. Dann folgt eine europaweite Multi-ZentrenPhase-III-Studie, um die erforderliche Datengrundlage für eine behördliche Zulassung der Antikörpertherapie zu schaffen. Martin Schwab ist vom Gelingen deshalb überzeugt, „weil das eine solide Basis hat“. Sein Schüler Jan Schwab, ein Neurologe, der außer in Zürich in Tübingen, in Paris und an der Harvard University geforscht hat und seine Arbeiten nunmehr an der Berliner Charité fortsetzt, meint, das Antikörper-Konzept sei „schon mehr als eine Zukunftsvision“. Doch trotz berechtigter Hoffnung rät der Wissenschafter noch zur Vorsicht: „Es kann gut sein, dass wir da immer nur um ein Häusereck weiter herumschauen. Aber jetzt sind wir in der Lage, diese wirksamen Werkzeuge einzusetzen und dann weiter zu schauen.“
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FRESH TALENT WANTED! Wir suchen Gesichter f端r die neuen Fernsehprojekte von Red Bull. Moderatoren, Redakteure, Producer...Talente vor und hinter der Kamera. Bewirb dich bis zum 07.01.2008 unter WWW.FRESHTALENTWANTED.COM
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ACTION Bei so viel Ballgefühl traut sich das Meer nicht an Land. Luftaufnahme an der Copacabana
Was wir Ihnen in diesem Monat ans Herz legen
PM IMAGES
KALT ERWISCHT
Bulletin-Mitarbeiter Markus Huber trainierte mit dem Farmteam der Red Bulls. Wie er heil vom Eis kam, kann er zum Glück selbst schildern. Seite 64
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VOLL GUT, LEER GUT
Wie es leere Dosen beim Wettbewerb „The Art of Can“ bis ins Museum schaffen. Da wollen Sie auch hin? Sie haben es in der Hand. Seite 68
HÖHENMENSCHEN Das Dach ist
dein Limit: 150 Kletterhallen laden österreichweit ein zur Spurensuche in der Senkrechten. Seite 70
HMMM!BURGER Koch-Ass
Eckart Witzigmann nimmt der Nationalspeise der Amerikaner ihren Schrecken. Genuss auf Rezept. Seite 74
RUNTER NACH RIO Und rauf mit dem Puls: Brasiliens Metropole balanciert mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen touristischem Klischee und echtem Erlebnis. Seite 76
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HĂ–LLENDAY ON ICE
Wir schickten unseren Reporter in ein Training mit den Red Bulls. Das Lustige daran: Der Mann hat noch nie Eishockey gespielt. TEXT MARKUS HUBER BILD STEFAN OLAH
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ch bin ein Depp, so viel steht fest. Wäre ich keiner, wäre ich jetzt nicht hier. Ziemlich viele Menschen hatten mir erklärt, dass meine Idee eine Schnapsidee ist. Einer von ihnen war Guido Stapelfeldt, und nachdem der Mann Pressesprecher der Red Bulls ist, hätte ich ihm glauben sollen. Habe ich aber nicht, und jetzt weiß ich: Ich bin ein Depp. Einer, der nicht Eishockey spielen kann, hatte Guido gesagt, der hat beim Training einer Eishockey-Mannschaft nichts verloren. Er hat es plastisch erklärt. „NHL-Spieler“, „Check“, „Bande“, „Bandscheibe“. Jetzt verstehe ich, was Guido gemeint hat, aber jetzt ist es zu spät. Ich stehe auf dem Eis, Schlittschuhe an den Füßen, einen Schläger in der Hand. Ich habe Angst. Trotz meiner Ausrüstung, trotz der Schienbein- und Ellbogenschützer, trotz des Brustpanzers, des Helms und des Tiefschutzes. Angst. Angst, mit einem Trainingspartner zusammenzukrachen, Angst, hinzufallen, vor allem Angst, mich total lächerlich zu machen. Denn es gibt ein Problem: Ich kann nicht eislaufen. Okay, ich kann eislaufen: Ich kann beschleunigen, ich kann rückwärts fahren, und wenn ich bremsen will, bleibe ich stehen, meistens, ohne hinzufallen. Für den Publikumslauf am Eislaufplatz reicht es. Für das, was mich in den nächsten 90 Minuten erwartet, ist es läppisch. Oder sollte man sagen: gemeingefährlich?
VOLLGAS RÜCKWÄRTS. 25 Menschen stehen mit mir auf dem Eis, 22 Spieler und drei Trainer. Wir laufen uns ein, drehen Runden, und das ist noch ein bisschen wie beim Publikumslauf. Die anderen sind schneller als ich, sie überholen mich nach Belieben, aber noch mache ich mir keine Sorgen. Publikumslauf: Hey, das kann ich, vor allem wenn ich mich bei Bedarf auf meinem Schläger abstützen kann. Plötzlich bläst der Trainer in seine Trillerpfeife, rund um mich wechseln alle auf Rückwärts-Modus. Ich drehe mich auch, und zum ersten Mal hat der Schläger in meiner Hand einen Sinn, auch wenn kein Puck an ihm klebt. Meine Trainingspartner rund um mich laufen wild durcheinander und schneiden sich gegenseitig. Sie passen sich den Puck zu. Ich halte mich raus, habe mit
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ICH HABE SCHLITTSCHUHE, ICH HABE EINEN SCHLÄGER, UND ICH HABE ANGST. mir selbst genug zu tun. Ich konzentriere mich auf meine Beine, auf das Eis, horche auf die Trillerpfeife. Immer schneller kommen die Pfiffe. Nach fünf Minuten schwitze ich wie in einer Sauna, und das liegt am Helm. Er soll meinen Kopf schützen, doch jetzt ist er eine ziemliche Plage. Er fängt die Dämpfe auf, die aus meinem Trikot über meinen Hals und meine Stirn nach oben steigen, dann lässt er sie kondensieren und schickt sie als Schweißtropfen über das Visier nach unten. Es fühlt sich an wie in einer Dusche, und wie unter der Dusche beschlägt auch die Scheibe. Komisch eigentlich, dass bei einem offenen Helm das Visier beschlagen kann, und während
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ACTION
Attack, Shoot, Press. Für mich ergibt das alles keinen Sinn. Wir stellen uns in langen Reihen auf beiden Seiten der Mittellinie auf. Keine Ahnung, was jetzt passiert, was ich jetzt machen soll. Ich sehe nur, dass es die Herren ziemlich ernst meinen. Ich drücke mich an die Bande, möchte eigentlich nur zuschauen, da fällt mir auf, dass so ein Eishockey-Feld schrecklich klein ist. Viel kleiner, als es von außerhalb der Plexiglasscheibe ausschaut. Es gibt kaum einen Platz, an dem man sich verstecken könnte, und dabei würde ich diesen Platz jetzt dringend suchen. 22 Menschen wirbeln übers Eis, sie schieben sich den Puck zu, und die ärmsten Schweine sind die beiden Torleute, die alle paar Sekunden eine Scheibe auf den Körper geknallt kriegen. Die zweitärmsten Schweine. Denn das ärmste Schwein bin: ich. Zweimal versuche ich, mich von der Bande aus auf in Richtung Tor zu machen, doch ich erwische nie einen Puck. Strategiewechsel. Den altersweisen Typen mit Übersicht markieren. Beim Forechecking den freien und deswegen garantiert nicht anspielbaren Mann im eigenen Verteidigungsdrittel geben, der sich im Idealfall hinter dem eigenen Auf der Bank war meine Welt noch in Ordnung Tor aufhält, als wirkDoch dann schickte mich der Trainer aufs Eis, und ich weiß nicht, warum, aber lich eiserne Reserve irgendwie war ich für die Bullen ein rotes Tuch – immerhin ein zwei Meter großes sozusagen. Doch auch rotes Tuch. Was soll’s, dachte ich mir: Keine Angst, die wollen nur spielen. das ist ein Fehler. Beim Eishockey kannst du dich nicht raushalich darüber nachdenke, stolpere ich ten, kannst das Spiel nicht an dir vorbeiauch schon. Völlig ohne Feindeinwirkung krache ich auf meinen Rücken. laufen lassen. Dann – zack, zack! – dreht die Szene, und drei Stürmer kommen Alle schauen mich an. Keiner lacht, das auf den zuvor noch absolut freien und macht die Sache nur schlimmer. deswegen garantiert nicht anspielbaren Mann im eigenen Verteidigungsdrittel ATTACK, SHOOT, PRESS. Das Warm-up ist zu. Im Gegensatz zu mir haben sie ihren vorbei. Wir schlittern zur Mittellinie, Körper, jede ihrer Bewegungen total im auf einen Pfiff knien sich alle hin. Auch Griff. Und sie sind verdammt schnell. ich plumpse auf den Boden. Zumindest Angst. das ist eine Übung, die ich wirklich beIch merke, dass ich keinerlei Chance herrsche. Kurzfristig schöpfe ich Hoffauf irgendwas habe. Wo immer ich mich nung. Ich rechne damit, dass der Trainer verstecke, binnen Sekunden taucht eiHütchen aufs Eis zaubern wird, um die ner dieser Kleiderschränke auf. Ist er wir dann herumkurven sollen. Doch er zückt ein Clipboard, erklärt etwas. nett, fährt er mich nicht über den HauIrgendetwas. Ich verstehe nur ein paar fen. Wenn er nicht nett ist, darf ich tesder Schlüsselwörter. Pass, Defense, ten, ob der Brustschützer noch hält. Und
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darf spüren, wie es sich anfühlt, an die Bande gedrückt zu werden. Pfiff. Trinkpause. Man kann auch sagen: Rettung. AUFERSTEHUNG. Ich bin erledigt. Gerade noch schaffe ich es, mich durch die Tür zu stehlen und mich auf die Kabinenbank zu setzen. Ich bin durchnässt, ob von innen oder von außen, weiß ich nicht. In 30 Minuten am Eis habe ich nichts Sinnvolles getan. Habe keinen Puck gesehen. Mich nirgendwo hinbewegt, wo es einen Sinn gehabt hätte. Ich bin ein paarmal an die Bande geflogen und habe mich geistig bei der Arzneimittelforschung für die Entwicklung von Voltaren bedankt. Und ja, ich habe mich lächerlich gemacht. „Everything okay?“, ruft einer, dem ich vorher nicht aus dem Weg gegangen bin. „Still alive!“, rufe ich zurück. Mehr schaffe ich nicht. Ich versuche, mich einigermaßen zu regenerieren. Zehn, vielleicht fünfzehn Minuten schaue ich beim Training zu, sehe immer wieder neue Varianten des Angriffs- und Verteidigungsspiels, die der Trainer einstudieren lässt. Ich sehe alle Pucks, die ich vorher nicht einmal ansatzweise erwischt habe, übers Eis fliegen. Ich traue mich nicht einmal, eine der Getränkeflaschen zu nehmen, die für die Spieler aufgestellt wurden. Es wäre Blasphemie, wenn ich ihnen ihr Gesöff wegtrinken würde. Ich ärgere mich. Über mich. Und auch über das mitleidige Grinsen, das ich manchmal über die Bande einfange. So möchte ich nicht gedemütigt werden. Also ziehe ich mich nochmals an. Richte mir die Schienbeinschützer, setze den Helm auf und schlüpfe in die Handschuhe. Energisch hüpfe ich noch einmal aufs Eis. Schnappe mir einen Puck, der gleich bei der Bande liegt, und starte los. Ein paar vorsichtige Schritte, dann immer schneller. Laufe Richtung Tor. Der Puck klebt an meinem Schläger, es fühlt sich gut an. Dann, das Tor. Genau wie ich es zuerst gesehen habe, lege ich mir den Puck auf die Seite und dresche drauf. Okay, er ist nicht besonders scharf, er fliegt auch nicht. Aber er kullert zumindest in die richtige Richtung. Und dann ist er drin. Ein verdammt gutes Gefühl. Und nein, es macht mir nichts aus, dass der Tormann längst vom Eis gegangen war. EC RED BULL SALZBURG – VIENNA CAPITALS: SALZBURGER EISARENA, 18. NOVEMBER 2007, 18 UHR
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ALLES IST DRIN
gut
. Denn mit ein paar Werkzeugen
und Geschick
, einer ordentlichen Portion Freizeit
reden Dosen kein Blech mehr, sondern sagen: Glückwunsch,
Mensch! Da siehst du mal, was in dir steckt! 1.
2.
Trinken
Auch Leergut ist voll
THE ART OF CAN: CHICAGO, 9. BIS 18. NOVEMBER 2007
3.
Sammeln
Basteln
RING FREI Ein Siegermodell der Ausstellung „The Art of Can“. Kopieren ohne Anfertigen eines Bauplans ist sinnlos. Rechnen Sie mit frustrierenden Aha-Erlebnissen („Aha, so geht’s also nicht …“) besonders bei der Beingestaltung. je nach Geschicklichkeit jede Menge Leergebinde (mindestens neun Dosen), Aluröhrchen, Schmuckband, Verpackungsmaterial (als Boden), Silberlack diverse Zangen, Schere, Ahle, Bohrer, Klebstoff zirka zwei Tage sehr hoch (TU-Abschluss?)
STANNIOLLO 1 Zuerst die benötigten vier bis sechs Dosen leeren, dann kraftvoll loslegen. Bauplan ratsam (die NASA hilft gerne unter www.nasa.gov/ mission_pages/shuttle/vehicle/index.html).
LAUF, KATZE, LAUF! Dieser Gepard fällt bereits in die Klasse „Kunsthandwerk“. KönnerInnen mit Schneiderausbildung brauchen eine Woche, Dilettanten mindestens sechs Monate ohne Bewährung …
TOWNLEY PATON/RED BULL PHOTOFILES (8)
Füllmaterial für den Körper, mindestens acht Dosen, Geduld, zwei Glasaugen (Ex-Teddybär) Klebstoff, Metallklammern, Schere drei Tage mittel bis hoch
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SCHELLACKS GESUCHT Kleines Mitbringsel für Menschen, die sich noch an die gute alte Zeit erinnern können. Kleine Warnung phon uns: bitte das Gerät nicht an den Stromkreis anschließen!
PUZZLE MIT BAUCH Noch etwas aus der Schwierigkeitsklasse 1: Verlangt werden exzeptionelles räumliches Vorstellungsvermögen und höchste Fingerfertigkeit mit der Blechschere. Mit Verschnitt rechnen!
TIN LIZZIE Das Urenkerl von Henry Ford, diesmal nicht in dessen Lieblingsfarbe Schwarz. Eindeutig für fortgeschrittene Bastler mit ausreichend Stehvermögen.
SHOE4YOU Sommermodell im Stil von Gaultier (der hatte übrigens auch nie eine Ausbildung zum Designer). Bei der Gestaltung der Sohle empfiehlt sich die Kannibalisierung eines nicht mehr benötigten Paars alter Turnschuhe. zehn bis zwölf Leergebinde (je nach Verschnitt), ein Paar weiße Schuhbänder, Klebstoff, Schusterzwirn, gelbe und weiße Plastikabfälle (Tapezierer!) Schere, Ahle, Nadel zirka vier Stunden hoch
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PUTZIGER PANDA
eine Knopfschachtel, je 40 goldene und silberne Kronenkorken (wohl bekomm’s!), ein Meter Kupferdraht, fünf Meter Telefondraht (bunt), ein Spaghettisieb (Durchmesser zirka 25 Zentimeter) Flachzange, Schere, Nagel, Hammer, Arbeitsplatte zirka fünf Stunden hoch
Der kleine Bär verlangt gewisse Fertigkeiten beim Nähen und Kneten von Blech. Kleiner Tipp, um ein rundes Köpfchen zustande zu bringen: einen Golfball als Form verwenden!
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HOCH SOLLST
DU LEBEN
YES
N!
A YOU C
Die Alpen können bleiben, wo sie wollen: In Österreich gibt es 150 Kletterhallen. Wer es einmal bis zum Dach geschafft hat, lässt für dieses Gefühl jeden Achttausender stehen. TEXT SIMON SCHREYER
L
eiden Sie unter Höhenangst? Wenn ja: Halb so schlimm. Auch der Experte ist nicht immer schwindelfrei. Sie müssen auf der mit den bunten Klötzchen und Leisten gespickten Wand, die sich da vor Ihnen auftürmt, ja nicht gleich bis unter das Hallendach klettern. Doch Gipfelsiege bringen ein angenehmes Gefühl von Souveränität. Und Klettern bringt noch weitere Benefits in Ihren Alltag, wenn Sie dranbleiben: Geschmeidigkeit, mentale Belastbarkeit in Stresssituationen und Balance – körperlich und geistig. Also: Auf geht’s! Als Erstes die Schuhe anziehen, ohne Socken. Kein angenehmes Gefühl, weil Kletterpatschen mit ihren griffigen Sohlen und Ristkanten ein bis zwei Nummern zu klein sein müssen. Nur dann geben sie besten Halt in der Wand. Dermaßen ins Schuhwerk eingeschnürt, staksen Sie etwas steif zur Wand hin. Die ist in den Indoor-Kletterhallen etwa 15 Meter hoch. Ehrfürchtig gleitet der Blick an der türkis markierten Route – für die Anfänger – empor. Vorher heißt es aufwärmen. Zwei Profi-Gämsen zeigen vor, wie’s geht: Kilian Fischhuber, 2007 Gesamtweltmeister im
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BILD UDO TITZ
INDOOR-KLETTERN
Bouldern, und David Lama, heuriger Weltcupsieger im Bouldern und 2006 im Vorstieg, mit seinen 17 Jahren eines der vielversprechendsten Talente der Klettergeschichte. Den Rücken strecken, die Arme und Schultern kreisen, Unterarme durchbeugen, Finger spreizen und zur Faust ballen. Ein paar Minuten reichen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, die Muskeln warm zu machen und das Risiko von Zerrungen zu verringern. Spätestens morgen werden Sie merken: Klettern ist ein ganzheitlicher Sport! Womit wir uns wieder der Wand zuwenden. Ihre Steilheit wird üblicherweise durch die internationale UIAA-Skala definiert, die von 1 bis 11 reicht, mit Plus/ Minus-Abstufungen zur Feinabstimmung. Man kapiert schnell: Es gibt unterschiedliche Varianten der Senkrechten, die sich über die Rauheit, die Größe der Griffe und die Abstände dazwischen definieren. Reden wir bei 1 vom gemütlichen Bergaufgehen unter Zuhilfenahme der Hände, kommt man bei 4er-Routen schon ins Schwitzen. Wer jetzt fragend die Augenbrauen hebt: 11+, als Gipfel der Genüsse, bezeichnet eine überhängende Wand, in der sich normalerweise nur Fledermäuse zu Hause fühlen. Als Beginner wählt man eine Route zwischen 2+ und 3–: die türkise Variante, Sie erinnern sich.
Nervenkitzel ●●●● ● Gefährlichkeit ●● ●●● Fitnessfaktor ●●● ●●
Klettern ist ein Partnersport. Der eine steigt, der andere sichert. Diese Zweisamkeit ist spannend: Man kann sich matchen – wer schafft es höher hinauf? – und übt Verantwortung, schließlich hat man das Leben des Partners in der Hand. Verlässliches Sichern ist gerade in den Anfängertagen extrem wichtig: Nur wer den Kopf frei hat vom Gedanken „Wird mich mein Partner retten, wenn ich falle?“, orientiert sich unbeschwert nach oben. Ein bisschen Fachchinesisch gilt es natürlich auch zu erlernen. Zum Beispiel „Einachtern“: Das Seil wird zirka 40 Zentimeter vom Ende entfernt mit einem Achterknoten versehen, dann von unten nach oben durch das Gurtzeug des Kletterers geführt und noch einmal durch alle Kurven des ersten Achters nachgeschoben. Der Sichernde fi xiert den gegenläufigen Teil des Seils mittels Halbmastschlinge im Ka rabiner an seinem Gurt oder als Alter native im ATC (siehe Sicherungsgerät) und „gibt“ dem Kletterer nach und nach Seil, während dieser in die Wand einsteigt. Im Falle des Falles wird der Seillauf durch den Zug des Eigengewichts blockiert – was eine ma-
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Das Dach als Limit Freies Training mit Weltmeister Kilian Fischhuber in der Kletterhalle Innsbruck
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„ALLES, WAS ZÄHLT, IST DER NÄCHSTE GRIFF!“ ZUR WAND SPRECHEN Begriffssicher sollte man im Fels schon sein, denn, klarer Fall: Das richtige Wort zur rechten Zeit kann Knochen schützen. BOULDERN (Von engl. boulder = Felsblock). Klettern ohne Seil und Gurt in Absprunghöhe über einer weichen Matte (Crashpad). Es geht dabei um möglichst elegantes Meistern technischer Probleme. FREECLIMBING Bereits im 19. Jahrhundert in der Sächsischen Schweiz ausgeübt. Später aus dem Outdoor-Spirit der 60er-Jahre wiedererstandene Form des Kletterns, bei der ausschließlich Fels und Körper zur gesicherten, vertikalen Bewegung verwendet werden. Klettern ohne Sicherung als die höchste Kunst heißt „Free Solo“. KLETTERSCHEIN Der Oesterreichische, Deutsche und Südtiroler Alpenverein bieten regelmäßig Kurse (auch Indoor) zum Erlangen eines Kletterscheins an. Unterrichtet und geprüft werden dafür unter anderem die Sicherungsmethoden und der Partnercheck. SCHWINDELFREIHEIT Ist erlernbar. Höhenangst ist eine natürliche Reaktion des Organismus und kein Problem, solange sie sich nicht zu panischer Lähmung auswächst. Tipp: Längere Blicke in die Tiefe vermeiden
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und sich nur auf die nächsten Meter konzentrieren. TOP-ROPE Häufigste Sicherungsart in der Halle. Das Seil verläuft vom Sichernden die Wand hinauf und durch eine Umlenkung (Kette, Karabiner) wieder hinunter zum Kletterer. Vorteile: Aufgrund der Seillänge wird man bei einem Sturz sanft aufgefangen und kann jederzeit wieder abgelassen werden. SICHERUNGSARTEN Gibt es gleich mehrere (siehe Foto). Gesichert ist man in jedem Fall durch ein extrem widerstandsfähiges Kunststoffseil. Dieses ist über einen Schraubkarabiner mit dem Gurtzeug, in dem man sitzt, verbunden. Vertrauen Sie dem Equipment – es hält. VOR-/NACHSTIEG Beim Vorstieg wird man durch den Partner vom Einstiegspunkt aus gesichert und hängt das Seil beim Klettern mit Expressschlingen zur Zwischensicherung ein. Beim Nachstieg im freien Fels folgt man dem Partner, der das Seil von oben aus einem Zwischenstand sichert.
Bouldern nennt der Fachmann (und sind wir das nicht gleich alle?) das elegante Meistern technischer Probleme. Kilian Fischhuber ist in dieser Disziplin seit Jahren auf der Höhe.
ximale Bremswirkung bei minimalem Kraftaufwand erzeugt. Ehe man losklettert, heißt es, sich die Route vom Boden aus einzuprägen und sie im Geiste zu durchsteigen. Dann der Griff in den Magnesia-Sack am Gürtel: Das weiße Talkumpuder bindet den Handschweiß und verleiht eine nahezu geckohafte Griffsicherheit. Nun sucht man sich einen bequemen Griff, setzt mit dem Fuß auf einen geeigneten „Tritt“ nach und steigt empor, bis man den nächsten Griff in Reichweite hat. Prompt holen einen in unserem Fall Fischhuber und Lama auf den Boden zurück. War etwas falsch? Aha: Nie mit Ellbögen, Knien oder gar Zähnen Halt suchen. Das Becken immer nahe an der Wand lassen. Nur nach hinten lehnen, wenn man den weiteren Verlauf der Grifffolge betrachten will. Achtung auf die Körperspannung: den Körperschwerpunkt so effektiv wie möglich zwischen den Extremitäten verlagern. Das heißt kräftesparend klettern:
Geschicklichkeit statt Kraftmeierei, Beinarbeit statt Klimmzug. Danke für die Tipps – zweiter Anlauf. Klettert man im Vorstieg, hängt der Kletterer das Seil alle paar Meter mit einer Expressschlinge (siehe KletterTalk) in eine Sicherungsöse an der Wand ein. Fällt man, dann nur die zwei, drei Meter unter die letzte Zwischensicherung. Da in der Halle meist Top-Rope geklettert wird, erspart man sich das Mitführen der „Exen“. Zwischendurch immer wieder den freien Arm schütteln, damit die Muskeln des Unterarms und des Handballens nicht verkrampfen. Muskel für Muskel, Meter um Meter. Irgendwann gibt es dann keine Meter mehr vor einem, und man ist oben. Das Abseilen ist ein adrenalingesättigter Augenblick und überhaupt der Hauptspaß beim Klettern. Doch kaum steht man wieder auf festem Boden, will man erneut nach oben. Mit Sicherheit. IFSC-KLETTERWELTCUP: ZLATO POLJE, KRANJ, SLOWENIEN, 17. UND 18. NOVEMBER 2007
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SPORT OBEN, PREIS UNTEN
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FINGER, FERTIG
SITZGURT Sieht mit seinen 300 Gramm wenig vertrauenerweckend aus, hält im Fall des Falles aber das x-fache des Körpergewichts. Investieren Sie etwa 80 Euro in Ihre Sicherheit!
Im Vergleich zum Skifahren ist Klettern ein kostengünstiges Vergnügen: Mit zirka 300 Euro ist man auf der Höhe.
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In der Halle ist eine Vielfalt an Felsformen der Natur nachempfunden. Drei typische Griffe:
SEIL Gibt es (wie auch das restliche Equipment) in jeder Kletterhalle zum Ausleihen. Bei häufigem Besuch lohnt sich ein Ankauf um zirka 100 Euro.
MAGNESIA-BEUTEL Kostet zwischen 20 und 40 Euro, das Puder an sich („Chalk“) ein paar Cent pro Block. Erhöht die Griffigkeit der Hände durch die Bindung von Handschweiß.
Nur zwei Zentimeter Höhle bieten sehr guten Halt.
KLEIDUNG Was immer angenehm und leicht auf der Haut liegt – und Bewegungsfreiheit gewährt.
SCHUHE Hohe Haftreibung und weiche Sohlen sorgen für Halt und geschmeidigen Auftritt. Mindestens eine Nummer kleiner kaufen. Kostenpunkt: rund 70 Euro. Hier finden alle Fingerglieder guten Griff. Ein sicheres Gefühl.
SEILSCHAFTEN MÜSSEN SEIN
HEISSE EISEN
Sichern ist für jeden Profi Routine und sollte nicht im Schlaf beherrscht werden, sondern immer in hellwachem Zustand.
Jedes dieser vier Sicherungsgeräte kontrolliert den Seillauf. ATC HMS-Karabiner
Abseilachter
Expressschlinge
Mit Chalk kommt man auch über diese Kuppe: Spider-Man-Style. 1 Der Kletterer fixiert das Seil mit einer Doppelacht am Gurt …
2 … der sichernde Partner zieht das Seil durch den ATC …
KLETTERHALLEN IN ÖSTERREICH
Linz
Weinburg
Wien
Salzburg Innsbruck
Dornbirn
Imst
Steinbrunn Graz Kitzbühel Klagenfurt
3 … und hängt es mittels Schraubkarabiner an sein eigenes Gurtzeug …
4 … Magnesia auf die Handflächen verteilen …
IN ÖSTERREICH GIBT ES MEHR ALS 150 KLETTERHALLEN (hier eine Selektion, Kletterfläche in m²). Tageskarten für Erwachsene kosten zehn bis zwölf Euro, Jahreskarten zwischen 300 und 450 Euro. Für das Bouldern zahlt man meist die Hälfte. Der Besitz eines Kletterscheins ist keine Voraussetzung zur Hallenbenützung, Alpenvereinsmitglieder können mit einer 20-prozentigen Ermäßigung rechnen. Kletterhalle Dornbirn (2.000 m²) www.k1-dornbirn.at Kletterhalle Imst (915 m²) www.kletterhalle.com
5 … das Seil wird in die erste Zwischensicherung gehängt …
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6 … und der Sichernde hält es stets straff auf Zug.
Tivoli-Kletterzentrum Innsbruck (1.150 m²) www.kletterzentrum-tivoli.at
Sportkletterarena Klagenfurt (620 m²) www.alpenverein-klu.at City Adventure Center Graz (1.680 m²) www.c-a-c.at
Kletterkitz Kitzbühel (850 m²) www.kletterkitz.at
TKZ Weinburg/NÖ (10.000 m²) www.tkzweinburg.eu
Kletterhalle Salzburg (1.250 m²) www.kletterhalle-salzburg.at
Kletterhalle Wien-Donaustadt (1.800 m²) www.kletterhallewien.at
Kletterhalle Linz (2.400 m²) www.kletterhallelinz.at
Viva MehrSportCenter Steinbrunn/Bgld. (250 m²) www.vivasport.at
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ACTION
THE RED BULLETIN
EINFACH. VERBESSERT. Jeden Monat macht hier Starkoch und „Ikarus“Patron Eckart Witzigmann aus Allerweltsgerichten ein Ereignis – diesmal: der Hamburger. Wer keine Zeit hat für das NASCAR-Finale in Miami, sollte sich schnell damit trösten.
TEXT CHRISTIAN GRÜNWALD BILDER MANFRED KLIMEK
Die Zutaten für 4 Personen: 800 g Hochrippe vom Rind 4 Burgerbrötchen 40 g weiche Butter 3 EL Öl zum Braten 4 EL Mayonnaise 2 TL Kren (aus dem Glas) 8 knackige Salatblätter (Eissalat) 2 große Tomaten 1 mittelgroße rote Zwiebel 1 mittelgroße weiße Zwiebel 2 Gewürzgurken Senf, Ketchup Salz, Pfeffer
Das Rezept 1. Mayonnaise und Kren verrühren. Tomaten waschen und in Scheiben schneiden. Zwiebeln schälen und in dünne Ringe schneiden. Salatblätter waschen und trocken tupfen. Gewürzgurken in Scheiben schneiden. 2. Fleisch in grobe Stücke schneiden. Knorpel, Sehnen und gelbes Fett wegschneiden. Das zugeputzte Fleisch durch den Fleischwolf drehen (mittlere Scheibe), Fleisch locker zu runden Laibchen à 200 g formen. Dabei nicht zu stark drücken oder kneten! 3. Öl in Pfanne erhitzen. Fleisch einlegen, auf jeder Seite etwa vier Minuten braten. Das Fleisch sollte dann im
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Kern noch schön rot, also nicht völlig durchgebraten sein. Fleisch erst nach dem Braten salzen und pfeffern. 4. Hamburgerbrötchen halbieren und beide Hälften auf der Innenseite mit der weichen Butter bestreichen. In einer beschichteten Pfanne auf der Butterseite goldgelb braten. 5. Die unteren Hälften der Burgerbrötchen mit der Mayonnaise-KrenMischung bestreichen. Darauf jeweils ein Salatblatt, Tomaten- und Gurkenscheiben und beide Sorten Zwiebelringe verteilen. Fleisch darauf platzieren und abermals mit den vorbereiteten Zutaten belegen. Die oberen Brothälften mit Senf und Ketchup einstreichen und den Burger damit fertigstellen.
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Man nehme Witzigmann die Artefakte der Industrie. Ein Burger kann auch Gourmet-Appeal haben. Es geht um den perfekten Fleischgeschmack. Hochrippe (mit weißem Fett) liefert das Fleisch für Witzigmanns optimalen Burger, abgelegen und schön fettmarmoriert. Das zugeputzte Fleisch (auch feine Silberhäutchen abziehen) durch den Fleischwolf drehen (mittlere Scheibe) oder fein hacken. Das Geheimnis des perfekten Burgers ist die optimale Konsistenz der Fleischmasse. Nicht zu fest drücken und kneten: Witzigmann füllt das Fleisch in passende Ausstechringe und drückt es mit einer Gabel maßvoll fest in Form. Jetzt in einer Pfanne (empfehlenswert ist eine Grillpfanne, sorgt mit ihren Rillen für eine hübsche Optik) Öl erhitzen, Burger einlegen und auf jeder Seite etwa vier Minuten braten. Das Fleisch sollte im Kern noch schön rot, also nicht völlig durchgebraten sein. Fleisch erst nach dem Kurzbraten salzen und pfeffern. Wichtig: Beim Braten regelmäßig etwas Bratenfett mit einem Löffel über das Fleisch gießen. Das sorgt für Rundumhitze, die jedes Steak dankbar mit besserem Geschmack quittiert. Das Brot ist beim Burger entscheidend. Witzigmanns kompetente Helfer haben für das Foto das Burgerbrot, die „Buns“, selbst gebacken und mit Sesam bestreut. Wer diesen Aufwand scheut, greift zum Fertigprodukt aus dem Supermarkt. Warum die Hamburgerbrötchen innen goldgelb geröstet werden? Ohne diesen Vorgang saugt das Brot beim Zusammensetzen des Burgers alle Flüssigkeit auf und wird rasch matschig. Was gibt’s dazu? Ketchup, Senf und Mayo als zusätzliche Würze sind obligat. Pommes nur, wenn selbst gemacht. Dafür möglichst mehlige Kartoffeln schälen, in Stäbchen schneiden und kurz blanchieren. Abkühlen lassen, abtrocknen und für wenige Minuten in 130 °C heißes Öl legen. Sobald sie hellgelb sind, herausnehmen, nochmals auf einem Sieb abtropfen lassen. Die abgekühlten Pommes im nun auf 180 °C erhitzten Öl final goldgelb backen. Grobes Meersalz und Salz vermischen und die Pommes frites damit bestreuen. VERGESSEN SIE
NASCAR-SAISONFINALE: FORD 400, HOMESTEAD-MIAMI SPEEDWAY, 18. NOVEMBER 2007
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Wohl bekomm’s: Burger à la Witzigmann
Witzigmanns Empfehlung:
„GEFÄLLT IHNEN DAS SUPERMARKT-BROT NICHT, GREIFEN SIE ZU WEISSBROTSCHEIBEN VOM BÄCKER IHRES VERTRAUENS. ERGIBT ZWAR EINE ANDERE OPTIK, ABER DEN BESSEREN GESCHMACK.“
Zunächst muss das Fleisch vom Fett befreit werden.
Dann geht es mit der Hochrippe ab in den Fleischwolf.
Die ideale Beilage: selbst gemachte Pommes aus möglichst mehligen Kartoffeln.
Für die perfekte Form wird die Masse in einen Ausstechring gefüllt.
Hamburgerbrötchen halbieren und beide Hälften auf der Innenseite mit Butter bestreichen.
Eckart Witzigmann, 66, wurde aufgrund seiner außergewöhnlichen Karriere als Küchenchef zum „Koch des Jahrhunderts“ gewählt. MARTIN UDOVICIC
Er verantwortet das kulinarische Programm des Restaurants „Ikarus“ im Hangar-7 in Salzburg.
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Die Brötchen auf der gebutterten Innenseite goldgelb braten.
Die Rillen einer Grillpfanne sorgen beim Braten für die richtige Optik.
Ketchup, Zwiebel, Senf, Salat, Tomate – fertig ist der Burger!
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VERBRECHEN & 076-AIO_76-83_Action_Rio 76
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Rio de Janeiro ist Zuckerhut. Aber auch Stahlhelm. Viel Fleisch beim Karneval. Aber auch nacktes Entsetzen. Samba. Aber auch Totentanz. Kurz: Rio ist Grande. Also die Stadt, bei der sich der Besucher fragt: Was will man weniger? TEXT SANDRO BENINI
& LEIDENSCHAFT 077-AIO_76-83_Action_Rio 77
DAVID ALAN HARVEY/MAGNUM
Favela Queens: Blick 端ber das dicht besiedelte Rio
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EGAL, WAS PASSIERT: RIO HEBT STÄNDIG OPTIMISTISCH DEN DAUMEN.
DIE NUMMER ZWEI Rio de Janeiro (übersetzt: Fluss des Januars) ist mit etwa 11,7 Millionen Einwohnern (im Großraum) die zweitgrößte Stadt Brasiliens hinter São Paulo. Von 1763 bis 1960 war Rio die Hauptstadt des Landes, seit damals ist es Brasília. Rio ist auch industriell-wirtschaftlich gesehen die Nummer zwei des Landes, in Sachen Fremdenverkehr hingegen die Nummer eins: Die Mehrzahl der jährlich fünf Millionen Touristen besuchen Rio (besonders zur Zeit des Karnevals), erst dann folgen die Gebiete des Amazonas.
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io de Janeiro, Ort überwältigender Reize und längst ins kollektive Touristenbewusstsein eingegangener Schönheiten. „Cidade maravilhosa“, wunderbare Stadt, wird Rio von seinen sechs Millionen Bewohnern auch genannt, und tatsächlich: Die geschwungene Bucht mit der tropischen Vegetation und den vorgelagerten Inselchen ist zauberhaft, das Künstlerviertel Santa Teresa verwinkelt und voll versteckter Hinterhöfe, lauschiger Gärtchen und farbig gekachelter Fassaden. Im Stadtteil Copacabana weht vom Meer her ein munteres Lüftchen, am Strand von Ipanema gehen die Girls mit Hüftschwung und in knappem Bikini – genauso, wie es der weltbekannte Bossa-NovaSong „The Girl from Ipanema“ vor mehr als 40 Jahren schon heraufbeschwor. Und ja, die Bewohner von Rio sind freundlich, fröhlich und sinnlich. Sie lachen, flirten und tänzeln, zeigen gebräunte Haut, heben bei jeder Gelegenheit mit energischem Optimismus den Daumen. All dies kann aber auch anstrengend werden, weil man sich irgendwann vorkommt wie in einem Disneyland dauerbeschwingter Exotik. Weil einen das Gefühl beschleicht, die Realität habe sich angestrengt, durch die Erschaffung dieser Stadt noch das abgetakeltste Klischee aus dem schwülstigsten Reisebüroprospekt triumphieren zu lassen. Und weil einem nicht richtig in den Kopf will, dass die Leute im Ort mit einer der weltweit höchsten Verbrechensraten alle so gut drauf sind. Höchste Zeit also für einen Abstecher ins andere Rio de Janeiro, für einen Besuch der auf den Hügeln gelegenen Zonen, welche die Stadt von oben herab in einem Würgegriff aus Gewalt und Kriminalität halten: Die Favela Rocinha ist das größte Elendsviertel Südamerikas – eine Ansammlung von Zementbaracken und roten Backsteinbehausungen, ein Labyrinth aus steilen, unasphaltierten Gässchen, ein staubig-verschlungenes, unbehelligt von Baubewilligungen vor sich hin wucherndes Chaos. Offiziell leben rund 60.000 Menschen in Rocinha, laut inoffiziellen Schätzun-
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gen sind es mehr als dreimal so viel. Kein Angehöriger der brasilianischen Mittel- oder Oberschicht würde sich je hierher getrauen, doch die Abenteuerlust von Ausländern hat selbst dieses Armenghetto zu einer touristischen Attraktion gemacht. Man nimmt deshalb an einer organisierten FavelaTour teil, setzt sich mit anderen Urlaubern in einen Minibus und lauscht den Ausführungen der Fremdenführerin Marina. Sie ist schmal und hochgewachsen, die Tonlage ihrer Stimme wandert von wohlwollender Belehrung zu gesellschaftskritischer Empörung und wieder zurück. An einer der Zufahrtsstraßen zur Favela steht die American School, monatliche Gebühr für die aus Diplomatenund Unternehmerfamilien stammenden Schüler: 1500 Euro. „Der Mindestlohn in Brasilien beträgt 140 Euro“, sagt Marina. Von einer der nach Rocinha führenden Serpentinen sind nicht nur der Corcovado mit der Christusstatue und der Zuckerhut zu sehen, sondern auch die auf den gegenüberliegenden Hügeln gebauten Villen der Reichen – darunter jene des legendären, inzwischen 81-jährigen Schönheitschirurgen Ivo Pitanguy, der einst Sophia Loren und Liz Taylor unter dem Messer hatte. „Stellt euch vor, dieses Nebeneinander von extremem Reichtum und bitterster Armut“, mahnt Marina. FAVELA-TOURS. Dann geht es hinein in Rios zivilisatorische Gegenwelt. Deren Ränder bewachen Halbwüchsige, welche die Favela-Bosse durch das Abschießen von Leuchtraketen warnen, wenn Polizei anrückt. Die ausländischen Armutsbesichtiger werden geduldet, solange sie keine Gangmitglieder fotografieren. Auf den Straßen überall gelblicher Staub, Kinder in abgerissenen T-Shirts, Frauen und Männer in Shorts und Strandlatschen, streunende Hunde. Die zahlreichen jungen Burschen auf Motorrädern arbeiten zugleich als Taxifahrer und Drogenkuriere, erzählt Marina, aber eigentlich seien die meisten Bewohner der Favela ganz freundlich. Der Bus stoppt für einen kurzen gemeinsamen Spaziergang. Ein paar Schritte abseits der Gruppe in eines der wenige Meter breiten Nebengässchen, die dreiund vierstöckigen Häuser lassen den Himmel zu einem schmalen Streifen werden. Der eigene Orientierungssinn ist katastrophal wie immer, Verzweigungen und Winkel, links abbiegen, dann rechts, der Weg wird noch schmaler, ein Mädchen streckt den Arm aus einem Fenster und öffnet fordernd die Hand. Schnell weiter, zurück zur Gruppe, also bei der nächsten Quergasse nach rechts. Oder doch nicht? Auf einem kleinen Platz stehen vier junge Männer, schwarz, millimeterkurze Haare. Ihre Blicke fragen mit erstauntem Misstrauen nach der Zutrittsberechtigung. Gar nicht freundlich. Aufkommende Panik, im Hinterkopf herumschwirrende Gedanken- und Informationsfetzen. Die linke Gesäßtasche enthält umgerechnet 150 Euro, die rechte eine Bankomat- und eine Kredit-
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karte. Ideale Voraussetzungen, um sich als unverkennbarer Gringo im größten Elendsviertel Südamerikas zu verirren. An Wänden und Haustüren ist die Buchstabenfolge ADA aufgesprayt, „Amigos dos Amigos“, „Freunde der Freunde“. So nennt sich die Drogen- und Kriminellengang, welche gegenwärtig über Rocinha herrscht. Hin und wieder fällt die Militärpolizei in das Viertel ein, um einen trügerischen Sieg in einem Krieg zu erringen, der längst verloren ist. Die Mordrate in Rio liegt bei 60 Fällen auf 100.000 Einwohner, mehr als in Kabul oder im Gazastreifen. Die meisten Toten sind Opfer der in den Favelas tobenden Bandenkämpfe. Doch das Drogengeld verhilft Rocinha auch zu einer überraschenden Infrastruktur aus Lebensmittelläden, Restaurants, Internetcafés und Radiostationen. Die Bewohner der Elendssiedlungen könnten sich sicher fühlen, sagt Marina, denn auf Kleinkriminalität in ihrem Hoheitsrevier reagierten die Favelabosse allergisch. Ein beruhigender Satz, aber gilt er auch für von zunehmender Nervosität heimgesuchte Eindringlinge? Noch ehe die Frage beantwortet ist, fährt ein Motorradtaxi durch die Gasse. Zum Ausgang, bitte. Aufsteigen und hoffen, dass die Fahrt nicht in einem Hinterhof endet. Nach zehn Minuten eine am Viertel vorbeiführende Ausfallstraße. Absteigen, bezahlen und aufatmen.
ACTION
RIOH! Wer sich je gefragt hat, Christus wohl ist, kann in Rio aufhören mit dem Fragen: Christus ist 30 Meter hoch und wiegt 1145 Tonnen; ER steht oben auf dem Corcovado und ist mit der Bergbahn bequem zu erreichen. Bis 1921, dem 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens, hätte der Christus aus Stahl fertig sein sollen, Finanzierungsprobleme verzögerten den Bau aber um zehn Jahre. Seit 1975 gilt das Monumento Cristo Wallfahrtsort – die größte Skulptur ihrer Art ist sie nicht: Im bolivianischen Cochabamba steht seit 1994 eine 38 Meter hohe Christusstatue.
NACHTS WIRD DER STRAND ZUM REVIER DER BETTLER UND STRASSENRÄUBER. 079-AIO_76-83_Action_Rio 79
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architektonischer Eleganz im Stil der französischen Riviera, nachts wird das Gebäude hell erleuchtet. Dahinter Wohnblöcke, Büro- und Hochhäuser, eng aneinandergebaut, aber stets von einer Meeresbrise umweht. Auf den Straßen mischen sich Metropolenhektik und Badeort-Atmosphäre zu einem einzigartigen Groove der Unbekümmertheit. Eine Bank in Shorts und mit nacktem Oberkörper betreten – na und? Wenige hundert Meter landeinwärts Hügel und Favelas.
wie groß und schwer
Redentor als katholischer
COPACABANA. Abends zur Bewältigung des Schocks ein Streifzug durch Lapa. Der ehemals verkommene Stadtteil ist heute eine Hochburg des Samba: herausgeputzte Gebäude im Kolonialstil, eine beeindruckende Dichte von Musikkneipen, auf den Straßen ein Gedränge wie am Silvesterabend, Tanz, Geschrei, Gelächter. Brasilien, wie man es sich vorstellt. Dann weiter nach Copacabana, an die Avenida Atlântica, die sich mehrspurig den berühmtesten Strand der Welt entlangzieht. Tagsüber herrscht auf seiner Promenade Gegenverkehr: Touristen, Jogger, Hundespaziergänger, manchmal schlendert der Schriftsteller Paulo Coelho („Der Alchimist“) das Meer entlang, der in Copacabana eine Wohnung besitzt. Nach Einbruch der Dunkelheit sind Strand und Avenida Atlântica Jagdrevier für Bettler und Straßenräuber, Betreten auf eigene Gefahr. Das berühmte Hotel Copacabana Palace prunkt mit weißer, stuckverzierter Fassade und
THE RED BULLETIN
BEGLEITUNG GESUCHT? Wer in Copacabana als männlicher Ausländer nach weiblicher Begleitung sucht und bereit ist, dafür zu bezahlen, braucht nur ein aufforderndes Grinsen aufzusetzen. Die Tische der Straßenlokale sind mit Paaren für eine Nacht besetzt. Und: In welchem anderen Land der Welt wird der Akt des Sich-Prostituierens mit einem Ausdruck wie „fazer programa“ (ein Programm machen) auf die Ebene harmlosester Normalität heruntergeholt? Und wo sonst hält der Volksmund Weisheiten bereit wie „Dinheiro na mão, calcinha no chão“, frei übersetzbar mit „Erst kommt das Geld, dann fällt der Slip“? Hinter Topfpflanzen aufgereiht, steht an den Rändern des Lokals eine Gruppe junger Frauen, von denen noch keine einen Ausländer gefunden hat. Sie starren auf den Trubel, als wären sie im Zoo. Ein paar Meter weiter öffnet der hohe Tempel des brasilianischen Aufriss- und Abschlepp-Business seine Pforten: die „Discoteca Help“, eine weit über Rio hinaus bekannte, seit zwei Jahrzehnten bestehende Institution. Für die Schönen der Nacht ist das Help eine Arbeitsstätte, für Touristen ein Abenteuerspielplatz, für verkrachte Existenzen eine Notfallstation zur Wiederbelebung des Egos. Hier suchen vom Irak-Krieg beurlaubte US-Soldaten Trost und Linderung, ihre Reisekosten bezahlt die amerikanische Regierung aus der Kasse des sogenannten „Rest & Recuperation Leave“-Programms. Als der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder in Rio an einem EU-Lateinamerikagipfel teilnahm, trieben sich seine Leibwächter und die Besatzungsmitglieder der Kanzlermaschine bis zum Morgengrauen im Help herum – danach rasten sie mit ihrem Mercedes in eine der Strandpalmen. Ein Pilot kam ums Leben und Schröder deshalb zu spät zu einer wichtigen Sitzung. Von innen scheint das Lokal eine ganz normale Disco: große runde Tanzfläche, Stroboskopblitze, Videoclips auf Megabildschirmen. Das Übliche, bloß dass die Frauen begehrlicher schauen als die Männer. Um vier Uhr früh bricht unter den noch unbegleiteten Prostituierten fiebriger Aktivismus aus. 40 Minuten später steht eine von ihnen alleine an der Strandpromenade, Morgendämmerung, Meeresrauschen. Aller Glamour, alle erotisch aufgeladene Energie sind weg, auf ihrem Gesicht haben sich Enttäuschung und Müdigkeit breitgemacht. Einen Moment lang wird die Mühsal spürbar, die Rio
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Polizisten 端ben f端r den Ernstfall, und der ist eigentlich immer: Rio ist eine Stadt im permanenten B端rgerkrieg, pro Jahr gibt es mehr Tote als im Gazastreifen.
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24.10.2007 14:07:23 Uhr
DEN SCHÖNSTEN AUSBLICK AUF DIE STADT HABEN DIE ARMEN. 081-AIO_76-83_Action_Rio 81
PIETER HUGO/FABRICA/CONTRASTO/LAIF, CHRISTOPHER PILLITZ/GETTY IMAGES (2), ANTÔNIO SCORZA/AFP/GETTY IMAGES
Das ganze Leben ist in Brasilien ein Spiel: Aber eine Verlängerung gibt es auch hier nicht.
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THE RED BULLETIN
hinter seiner Fassade aus fröhlicher Vitalität zumindest den ärmeren Bewohnern tagtäglich aufzwingt. Dann winkt die junge Frau ein Taxi heran. Rio de Janeiro ist eine Stadt voller Widersprüche. Sie ist Brasiliens Aushängeschild und gilt bei der eigenen Bevölkerung als wahre Hauptstadt des Landes, doch sind Banken und Industrie längst nach São Paulo abgewandert. Die schönste Aussicht auf Bucht, Meer und Strand haben nicht die Reichen, sondern die Armen von ihren Hügeln. Kaum eine andere Stadt der Welt ist derart ungekünstelt erotisch und zugleich so rückhaltlos auf die Vermarktung von Sex und körperlicher Perfektion fi xiert. Keine andere Stadt hat so viele gutgelaunte Einwohner und bebt gleichzeitig vor einer Gewaltbereitschaft, die sich immer wieder in grässlichen Massakern Bahn bricht. Das Schauspiel namens Rio de Janeiro wird vor atemberaubender Naturkulisse gegeben, es ist Drama, Idylle, Zote und Oper, alles in einem. Und manchmal Komödie: Bei einer der letzten Bürgermeisterwahlen erhielt ein stadtbekannter Affe aus dem Zoo die drittmeisten Stimmen. Nach seinem Tod schuf man zu seinem Gedenken eine überlebensgroße Statue. Rio ist nicht nur schön, sinnlich und gefährlich. Es ist auch witzig.
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COPACABANA: WO DIE KLISCHEES SAMBA TANZEN.
DER KLEINE FÜHRER
RIO DE JANEIRO der zweiten und dritten Reihe der Copa-
Den Preisbewussten bringen Air France
Hotels auch Zimmer für unter 40 Euro.
(via Paris), Iberia (via Madrid) oder KLM
www.copacabanapalace.com.br
(via Amsterdam) für rund 800 Euro nach
www.othonhotels.com
Maracanã
Gafieira Estudantina
Esquilos Lapa
Autódromo
Rio – billiger geht’s nicht. Wer ausgerechnet Weihnachten unterm Zuckerhut
WO ESSEN?
verbringen will, zahlt das Doppelte. Ob
Das Restaurant Os Esquilos, eine idylli-
die 18-tägige Transatlantik-Kreuzfahrt
sche alte Kaffeefazenda (nur tagsüber
von MS Cruise um 1400 Euro eine Alter-
offen), liegt hoch oben in der Floresta
native ist?
da Tijuca. Die Fahrt hinauf in die Berge, durch das weltweit größte innerstädti-
WO WOHNEN?
sche Waldgebiet, belohnt mit sensationel-
Das Copacabana Palace (Avenida Atlân-
lem Panoramablick auf die Stadt.
tica 1702), altehrwürdiges Flaggschiff
Estrada Barão d’Escragnolle
unter Rios Strandhotels, bietet das Flair
www.osesquilos.com.br
der 1920er-Jahre in Suiten ab 500 € pro
Nakombi heißt der neueste Japaner Rios,
Nacht. Wer aber zu oft „The Shining“ ge-
in dem man feinste traditionelle Küche in
sehen hat und um denselben Preis lieber
stylischer Architektur mit aufklappbarem
fünf Nächte an der Copacabana ver-
Dach genießt.
bringt, reserviert zum Beispiel im 4-Ster-
Rua Maria Angélica 183/185
ne-Hotel Leme Othon Palace (Avenida
www.nakombi.com.br
Atlântica 656) an der Nordspitze des
Vielleicht der wichtigste Boxenstopp aller
Strandes. Und wer seine Reais lieber für
Stadtspaziergänger: die Cafeteriakette
interessantere Dinge als 24-Stunden-
Cafeína mit ihren Filialen in Copaca-
Zimmerservice ausgeben will, findet in
bana, Ipanema und Leblon. Hier gibt es
082-AIO_76-83_Action_Rio 82
o og af
Rio Sul Nakombi
t Bo
Leme Othon
Cafeína Lagoa
Ipanema
Posto 9
a an ab ac p Co Copacabana Palace
Help
DAVID ALAN HARVEY/MAGNUM, HUDSON PONTES/AGÊNCIA O GLOBO, ZUBIN SHROFF/GETTY IMAGES, BERNHARD SPÖTTEL/RED BULL PHOTOFILES
WIE HIN?
Cidade do Samba
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ACTION
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Gebäck in allen Varianten, und das auf gemütlichen Kaffeehaussitzen. www.cafeinabistro.com.br
WO FEIERN? Gafieira Estudantina. Traditioneller Tanzpalast im Zentrum mit LiveSchnappschuss von Ipanema
Cidade do Samba. Mit der riesigen Sambaschulen Rios seit zwei Jahren ihr
WO IST DER STRAND AM SCHÖNSTEN?
gemeinsames Zentrum. Für viele
Wer sich rechtzeitig ein Platzerl beim
Cariocas (Einwohner Rios; Anm.) schon
Posto 9 am Strand von Ipanema sichert,
jetzt ein heiliger Ort mit Megapartys in
dem raubt zur Belohnung der Sonnen-
der Vorkarnevalszeit.
untergang den Atem. Kitschmotive sind
Rua da Gamboa
Pflicht.
„Stadt des Sambas“ haben die großen
Dieser Herr nimmt gottergebene Österreicher auf den Arm: Cristo Redentor Lapa. Unter den strahlend weißen Bögen
WO SHOPPEN?
des alten Aquädukts von Lapa hat sich in
Grundsätzlich: Ganz Ipanema ist eine
den letzten Jahren die heißeste Ausgeh-
einzige Geschäftsstraße. Alles auf einem
zone Rios entwickelt: viele Lokale mit
Platz hingegen bietet das Rio Sul
Live-Musik, Konzerten, gutem Essen und
Shopping Center in Botafogo.
viel Bier. Pflicht.
www.riosul.com.brbr
Neben den Bögen von Lapa liegt der Circo Voador, ein Kulturzentrum mit üppigem
SPORT, PASSIV
Konzert- und Veranstaltungskalender.
Maracanã. Das legendäre Fußball-
www.circovoador.com.br
stadion, spirituelle Heimat der Selecão.
Disco Help. Der bekannteste Treffpunkt
Autódromo Nelson Piquet. Einst
in Rios Nachtleben (sprich: Helpi) öffnet
Schauplatz der F1, wird die Rennstrecke
um 23 Uhr und schließt um fünf Uhr.
heute für nationale Bewerbe genutzt.
Dazwischen eine der größten Discos Südamerikas und nicht ganz jugendfrei.
WOHIN IN DER UMGEBUNG?
Avenida Atlântica/Copacabana
Paratí. Kolonialstadt aus dem 17. Jahr-
www.discoteca-help.com
hundert auf halbem Weg nach São Paulo. Fjordartige Buchten, weiße Strände, vorgelagerte Inseln. Geheimtipp für Taucher. Búzios. Halbinsel 170 km nördlich von Rio, seit den 1960ern beliebtester Ferienort von Brasiliens Hautevolee. www.buziosonline.com.br Die beste Information über Brasilien
Eines Tages wird das alles dir gehören.
083-AIO_76-83_Action_Rio 83
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CAMPEONATO BRASILEIRO DE STOCK CAR
ausgezeichneten Kaffee, Süßspeisen und
Orchester. Praça Tiradentes 79/81
THE RED BULLETIN
findet man unter www.brasilien.de
RIO GRANDE
Dumpf grollende V8-Motoren, 5,7 Liter Hubraum, klassische Vergaser, archaische Stößelstangen steuern Ventile. In der NASCAR-Rennserie wurde die Technologie bewusst auf dem Stand der 1960er-Jahre eingefroren. Das macht die Rennen spannend. Unter Karosserie-Silhouetten aus Kunststoff haust bis heute pure Mechanik US-amerikanischer Traditionsmarken wie Chrysler, Chevrolet oder Ford. 2007 taucht mit Lexus erstmals ein nichtamerikanischer Konkurrent auf den legendären Rundkursen von Daytona, Indy oder Talladega auf. Das Reglement ist ein Mythos. Es wurde nie publiziert, immer ausschließlich Fahrern und Teams zur Verfügung gestellt. Nur so viel: Motortechnisch tragen die Boliden ein enges Korsett. Fahrtechnisch ist hingegen verdammt viel erlaubt. Auch einen halben Kontinent weiter südlich ist dieser Spirit nationale Ehrensache: Stock Car Brasil hat Volksfestcharakter. Bis 2004 dominierte Chevrolet die Szene. 2005 stieg Mitsubishi ein. 2007 machen sich Volkswagen Bora, Peugeot 307 Sedan, Mitsubishi Lancer und Chevrolet Astra den Nextel Cup aus (offiziell „Campeonato Brasileiro de Stock Car“). In den seriennahen Karosserien röhren getunte Zweiventil-V8-Maschinen, 450 PS stark. 38 Fahrer kämpfen in einer Mischung aus Punkte- und K.-o.-System. Nur wer nach der achten Runde der Meisterschaft unter den ersten zehn liegt, kommt in die Play-offs. Und nur die fahren um den Titel. Gnade ist auf brasilianischen Stock-CarTracks ein Fremdwort, auf der Strecke und auch daneben. Schnell gucken, sonst ist er weg: Red Bull-Pilot Orsi In dieser aufgeheizten Atmosphäre fuhr Red Bull-Pilot Hoover Orsi mit seinem VW Jetta am 23. September in Brasília seinen ersten Sieg ein. Vor mehr als 46.000 Zusehern brachte der 29-Jährige seinen VW als Erster über die Ziellinie – trotz eines ramponierten Hecks, das ihm der ehemalige Formel-3000Pilot und nunmehrige Chevrolet-Crack Ricardo Maurício bei einer Attacke in der Mitte des Rennens zugefügt hatte. Orsi steht in der Gesamtwertung nun auf Platz zehn, Teamkollege Daniel Serra ist Siebenter. Ob sie in dieser heiß umkämpften Serie noch echte Titelchancen haben, sehen wir beim vorletzten Rennen der Saison: am 18. November in Rio. Alle, die einen längeren Urlaub in Brasilien planen, können auch noch beim Finale am 9. Dezember in São Paulo/Interlagos dabei sein. CAMPEONATO BRASILEIRO DE STOCK CAR: AUTÓDROMO INTERNACIONAL NELSON PIQUET/JACAREPAGUÁ, RIO DE JANEIRO, 18. NOVEMBER 2007
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PART Y
THE RED BULLETIN
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DAYLIFE Die Termine im November
10./11. 11. Slalom in Levi. Wie hießen die Sieger 2006?
18. 11. Heißkaltes Duell: Salzburgs Eisbullen empfangen die Capitals.
17./18. 11. Weltcup in Griffweite von Lead-Expertin Angie Eiter.
23. 11. Dubais Hobby-Aerobaten testen wieder ihre Flugmaschinen.
084-AIO_84-87_DayNite 84
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PART Y
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10./11. 11. 2007
RED BULL GARAGE SESSION
Aufgepasst: Skate-Workshop mit Red Bull-Athleten. Kinodom-Hangar, Minsk, Belarus
9. – 18. 11. 2007
RED BULL THE ART OF CAN 15./16. 11. Aucklands Skaterszene beweist ihre Skills am Indoor-Parcours.
Kunstwerke aus der Dose, die aktuelle Ausstellung. River East Art Center, Chicago, USA
10./11. 11. 2007
FIS-WELTCUP, SLALOM DAMEN UND HERREN
Bussi: letzter gemeinsamer Termin für Marlies und Benni. Levi, Finnland
10./11. 11. 2007
WWA WAKE PARK FINAL
Großer Sport: Wakeboarding am gepimpten Skilift. Deerfield Beach, Florida, USA
11. 11. 2007
CLÁSICO DE CANTUÑA Downhill-Mountainbiking in historischem Setting. Quito, Ecuador
13. 11. 2007
RED BULL REACCIÓN FINALE 18. 11. Soccerfans stecken die Köpfe zusammen – MLS Cup Final!
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Bühne frei für die lateinamerikanische Fußballfreestyle-Meisterschaft. Teatro El Nacional, Buenos Aires, Argentinien
14. 11. 2007
RED BULL MUSIC ACADEMY „MASTER CLASS“
Mit den Gästen Libero Iaizo und Juan Carlos Hechendia. Barra Bar, Caracas, Venezuela
15./16. 11. 2007
RED BULL ONE TRUCK WONDERS Skill-Skaten in der Halle – etwas für Feinstmotoriker. Auckland, Neuseeland
16./17. 11. 2007
FIL-RODEL-WELTCUP
Saisonauftakt der Eispratzler. Lake Placid, USA
17. 11. 2007
RED BULL ACCESS ALL AREAS
Sonst ganz streng verboten: Skaten am Armeegelände. Cuartel de las Fuerzas Especiales del Ejército, Lima, Peru
17./18. 11. 2007
IFSC CLIMBING WORLDCUP (LEAD)
Gesichert: der letzte Weltcupbewerb des Jahres. Sporthalle Zlato Polje, Kranj, Slowenien
18. 11. 2007
EC RED BULL SALZBURG – VIENNA CAPITALS
Auf ein Neues: zweiter Saisonclash der Titelfavoriten. Eisarena Salzburg, Österreich
18. 11. 2007
RED BULL KNOCK OUT Reifenspuren im Sand: Nur einer von 500 Motocrossern bleibt am Ende übrig. Strand von Scheveningen, Niederlande
18. 11. 2007
MAJOR LEAGUE SOCCER CUP FINAL
Hoppauf, Red Bull! Das Endspiel der US-Fußball-Liga. Robert F. Kennedy Stadium, Washington, D. C., USA
18. 11. 2007
COPA NEXTEL STOCK CAR: RIO DE JANEIRO
Die brasilianische Stock-CarSerie in der vorletzten Runde. Autódromo Nelson Piquet, Rio de Janeiro, Brasilien
18. 11. 2007
NASCAR NEXTEL CUP: MIAMI
Wieder ein Jahr um: die USStock-Cars im Saisonfinale. Homestead-Miami Speedway, Miami, Florida, USA
23. 11. 2007
2. RED BULL FLUGTAG DUBAI Keine Angst: Auch am Golf darf die Rampe nicht höher sein als sechs Meter. Dubai Creek Park, Vereinigte Arabische Emirate
23. – 25. 11. 2007
RED BULL PICNIC TOUR Wie lieb: eine Landpartie im Landrover für die besten Hobbyskater des Landes. Santiago de Chile (Finale)
Wo sonst: Zum Jahresende treffen sich die besten Wellenreiterinnen in Hawaii. Sunset Beach, Oahu, Hawaii, USA
24. 11. 2007
RED BULL SALZBURG – AUSTRIA KÄRNTEN Das einzige NovemberHeimspiel der Trapisten. Bullen Arena, Salzburg, Österreich
4. 12. 2007
RED BULL BASE JUMP: TREN A LAS NUBES 18. 11. Die Stock Car Brasil geht in Rio ins vorletzte Saisonrennen.
Wir präsentieren: Nicolás Lopez und die höchstgelegene Eisenbahnbrücke der Welt. Salta, Argentinien
8. 12. 2007
RED BULL LAST MAN STANDING Drei, zwei, eins, aus: die Tagesrunde des härtesten Enduro-Rennens der Welt. Red River Motorcycle Trails, Bulcher, Texas, USA
4. 12. Ich zieh Leine! Nicolás Lopez plant den Sprung von einer Anden-Eisenbahnbrücke – in 4000 Meter Seehöhe.
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OSCAR BARRERA/RED BULL PHOTOFILES, LUCA BASSANI/WWW.STOCKCAR.COM.BR, ADAM CUKROWSKI/RED BULL PHOTOFILES, HANS SIMONLEHNER/GEPA PICTURES (2), SAM VIDIC/RED BULL PHOTOFILES
23. 11. – 6. 12. 2007
ASP WOMEN’S WORLD TOUR
24.10.2007 14:20:13 Uhr
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THE RED BULLETIN
PART Y
NOVEMBER 2007
NIGHTLIFE Die Partys im November
29. 11. Der Höhepunkt der Fanta4-Tour (20 Termine in 25 Tagen!) steigt am Berliner Flughafen Tempelhof.
30. 11. Morgensterns Betthupferl, Saisonstart in nordischer Nacht.
12. 11. Salzburger Party-Highlight: Red Bull macht Montagabend blau.
9. 11. Carrera-Bahn für Große oder das zweite Red Bull Head 2 Head in Beirut.
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24.10.2007 14:20:28 Uhr
9. 11. 2007
RED BULL THE ART OF CAN: PUBLIC OPENING
Prost: Ausstellungseröffnung mit Chicagos Kunstszene. River East Art Center, Chicago, USA
9.11. 2007
RED BULL HEAD 2 HEAD Auf die Plätze: „Death Proof“ gibt’s auch als Sport! Downtown Starco, Beirut, Libanon
10. 11. 2007
LIFE IN LOOPS
„Megacities“-Neuschnitt mit Sofa-Surfers-Soundtrack. ELF, Amsterdam, Niederlande
12.11.2007
BLUE ELEMENTS PARTY Jährliches Get Together aller Freunde von Red Bull in spektakulärer Location. Panzerhalle, Salzburg, Österreich
13. 11. 2007
RED BULL REACCIÓNAFTER-PARTY 13. 11. Oh Justin! Der leichtfüßigste Gentleman schmeichelt Sydney.
Die dritte Halbzeit ist für die Freestyle-Kicker garantiert die anstrengendste. Buenos Aires, Argentinien
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THE RED BULLETIN
13. 11. 2007
JUSTIN TIMBERLAKE: FUTURESEX/ LOVESHOW TOUR
Bei uns im Heft und auf der Bühne: der besttanzende Sänger/bestsingende Tänzer. Acer Arena, Sydney, Australien
14. 11. 2007
FALL OUT BOY: THE YOUNG WILD THINGS TOUR
Chicagos erste AlternativePunkrock-Band strahlt weiter. Madison Square Garden, New York City, USA
16. 11. 2007
H-BLOCKX CLUBTOUR
Die Bombast-Hardrocker auf intimer Europatournee. A38, Budapest, Ungarn
17. 11. 2007
ROCK IM GLASHAUS: SOUPSHOP
Schwitzen im Winter mit dem lautesten Ska Punk. Admont, Österreich
17. 11. 2007
WINTER SINGLE SESSION LAUNCH PARTY
Hasta la pista: Spaniens größte Indoor-Schneearena wird von Shreddern gerockt. SnowZone, Madrid, Spanien
17. 11. 2007
PAUL VAN DYK
Techno großer Gesten in der wildesten Partystadt der Levante. BIEL, Beirut, Libanon
17. 11. 2007
VIBE SESSION MIT RIDO MC
Stürmisches studentisches Arschwackeln an der Via Po. Xò Café, Turin, Italien
19. 11. 2007
BEATSTEAKS
Punkrock in der Bankenstadt. Jahrhunderthalle, Frankfurt/Main, Deutschland
23. – 25. 11. 2007
GOIÂNIA NOISE FESTIVAL: SEPULTURA
Come together: 42 NoiseRock-Bands und die brasilianischen Altmeister. Goiânia, Brasilien
24. 11. 2007
JUDGE JULES
Radio Ones Hardhouse-DJ in Birminghams luftigstem Club. AIR, Birmingham, UK
29. 11. 2007
DIE FANTASTISCHEN VIER: FORNIKA FÜR ALLE TOUR
Vom Flugfeld in die vierte Dimension: warm anziehen! Flughafen Tempelhof, Hangar 2, Berlin, Deutschland
30. 11. 2007
FIS SKISPRUNG-WELTCUP: TEAMBEWERB
Get your Glühwein: nächtlicher Saisonauftakt für Schlierenzauer und Co. Kuusamo, Finnland
30. 11. 2007
CARL COX
Techno-Schwergewicht auf Dauerwelttournee. Peppermint Club, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate
30. 11. 2007
PLAYFM PRESENTS DJ BONE
Zum Abschauen: So klappern die Knochen in Detroit. Club Camera, Wien, Österreich
14. 11. Newcomer mit langer Halbwertszeit: Fall Out Boy im Garden.
1. 12. 2007
FIS WELTCUPSKISPRINGEN: EINZELBEWERB
Nachtflug, die Zweite: diesmal unter Nordlichtern. Kuusamo, Finnland
8. 12. 2007
RED BULL LAST MAN STANDING
Die Nachtrunde des härtesten Enduro-Rennens der Welt. Red River Motorcycle Trails, Bulcher, Texas, USA
13. 11. Nach dem Spiel ist erst mal Party: Die Reacción-Kicker feiern.
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DAVID BERGMANN/CORBIS, WWW.BLUEELEMENTS.COM, JORGE FERRARI/RED BULL PHOTOFILES, GERMAN GALLEGOS/RED BULL PHOTOFILES, ANDREAS LANDER/WWW.PICTUREDESK.COM, KLAUS TECHT/WWW.PICTUREDESK.COM, FRANK TRAPPER/CORBIS
PART Y
NOVEMBER 2007
24.10.2007 14:20:38 Uhr
SO FEIERN STARS
PART Y
New York, London, Paris, Las Vegas, South Hampton, Toronto, Marlborough, Newport Beach, Hollywood
Danke, sähr schön!
George Clooney und Brad Pitt (li.) in New York. Nikki Grahame (o.) in London. Teri Hatcher (u.) in Hollywood.
Talk to my hand! (Prominente im Stummerlsprache-Modus)
Tommy Lee (ganz li.) in South Hampton. Usher (li.), Tommy Lee und Criss Angel (u.) in Las Vegas. Paris Hilton und Darren Lynn Bousman (re.) in Toronto.
Abgeblitzt (1). 088-AIO_88-93_Party 88
24.10.2007 14:21:48 Uhr
Lim fü
(Sa
Limo-Climbing f端r Fortgeschrittene (Saubere Beinarbeit zwischen London und Newport Beach)
Katie Price (li.) in London, Naomi Campbell (o.) in London, Pete Doherty mit Verlobter Irina Lazareanu (u.) in Marlborough. Kate Moss und Courtney Love (li. u.) in London, Iggy Pop (re. u.) auch.
Gesch端tzte Arten (Im November: The white-nosed reindeers)
Peaches Geldof (o.) von vorne und von hinten in London, Britney Spears (re.) in Newport Beach, Karl Lagerfeld und Vahina Giocante (u.) in Paris.
DAVE ALLOCA/WWW.PICTUREDESK.COM, DAVID HARTLEY/WWW.PICTUREDESK.COM, WWW.PICTUREDESK.COM/REX FEATURES, VIENNAREPORT (13)
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PART Y
Abgeblitzt (2).
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24.10.2007 14:22:09 Uhr
DIE BESTEN CLUBS DER WELT Im November: CocoonClub/Frankfurt
DER CLUB Das ist Sven Väth. Sie nennen ihn „Godfather of Techno“. Das Cocoon ist sein Club. Freitags legt er auf. Samstags übernimmt Toni Rios die Turntables.
LUCILA BRISTOW, ALEXANDER DEY, ANDREAS GLÄNZEL, AXEL GROSS, E. RAAB, HOLGER UHLMANN
DIE CROWD UND DER KOCH Das sind zwei Techno-Maiden in einem Techno-Séparée (unten). Diese Séparées heißen hier „Cocoons“. Nebenan (li.) kocht der Salzburger Mario Lohninger ein 3-Hauben-Ding. Das serviert er in den CocoonClub-Restaurants „Micro“ (ganz li.) und „Silk“ (li. u.).
DITA UND DIE WEISSEN LAKEN IM „SILK“ Das ist Dita. Von Teese. In Rot. Daneben sehen wir das „Silk“: rumliegen auf weißen Laken. Und essen. Das Silk ist ein Bettrestaurant. Und durch den VIP-Bereich schwimmen virtuelle Wesen.
FRANKFURT/MAIN DEUTSCHLAND
FÜNF GUTE GRÜNDE FÜR EINE NACHT IM COCOON CLUB. 1. Die freitägliche Techno-Predigt von Sven Väth. 2. Die austro-asiatische Crash-Cuisine von Mario Lohninger. 3. Die Augen der virtuellen Lebensform im „Silk“. 4. Das CocoonClubClo. 5. Sabine, Sarah, Sophie, Sandra und Samanta. COCOONCLUB IM U.F.O.-GEBÄUDE, CARL-BENZ-STRASSE 21, FRANKFURT/MAIN, WWW.COCOONCLUB.NET
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RED BULL GIBT’S JETZT AUCH ZUM LESEN: RED BULLETIN. Jeden Monat neu!
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SO FEIERN WIR
THE RED BULLETIN
DEIN FOTO!
PART Y
Party gelungen? Fotos an www.RedBulletin.com
M & M’s
Tiger & Dragon
Fall Out Festival in Auckland, Neuseeland (ganz o. und li.), Block Party in Jönköping, Schweden (re. o.), VICE Party im Fluc in Wien (re.). Tausend Dank an VICE für die Fotos.
Rock & Roll Craig Cocaine in Montreal (li.), VICE Jubiläumsparty in Mailand (o.). Und noch einmal die Sause im Fluc in Wien (re.).
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24.10.2007 14:22:47 Uhr
Kimi kann kommen!
F1-Abschluss in São Paulo (li. o.), Dessousbi-du in Mailand (o.). Bread & Butter in Barcelona (ganz re. o.) und ein Kuss in Antwerpen (li.). Dear Diary Party in New York City (re. und re. u.).
Liebe & Leidenschaft
Stilsicher in Berlin mit dem Label STIL IN BERLIN. Wir präsentieren hier vier ausgewählte Kreationen im knitterfreien „before party“-Zustand.
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GEPA PICTURES, STIL IN BERLIN (4), WWW.VICELAND.AT (14)
Rock & Hemd
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THE RED BULLETIN
READ BULL
NOVEMBER 2007
Mitten auf der Straße Erzählung von Michael Köhlmeier
einer anderen, keine drei Kilometer entfernt, die Hochzeit ch hatte Pia aus den Augen versprochen hatte, wenn sie mit ihm ins Bett gehe, ob ich verloren. Ich habe auch nie mich daran noch erinnere, nein, wahrscheinlich nicht. Nein, mehr an sie gedacht. Als der natürlich nicht. Aber an die Pia erinnere ich mich doch? große Streit mit ihren Eltern Ja, natürlich, um Himmels willen. Sie rechneten nach und war, lebte ich nicht hier. Die Nachbarn haben mir später rechneten mir vor, die Pia müsse, als meine Eltern in Nacht davon erzählt. Da habe ich sie und Nebel weggezogen seien, müsse die Pia, ja, erst zehn verteidigt. Meine Güte, das war Jahre alt gewesen sein oder elf oder zwölf. Zwölf, sagte ich. ein Reflex. Wenn alle über die schöne Pia herfallen, muss es Und fragte: Was heißt in Nacht und Nebel? Man habe meine jemanden geben, der sagt: Ich kann sie verstehen, ich mag Eltern gut verstehen können, sagte die Frau Nachbarin, jetzt sie, immer noch, und werde sie immer mögen, ihr wollt sie war sie sechzig, und ich fand, sie sah jünger aus als vor nur hässlich machen, weil ihr selber hässlich seid. Das hatte dreißig Jahren, als ich mit meinen Eltern von hier weguns Ärger eingebracht. Meine Frau sagte, ich hätte ihr vorher gezogen war. ein wenig von unseren Nachbarn erzählen sollen, dann wäre Ich bin auf den Tag gleich alt wie Pia. Seit unserem sie wahrscheinlich nicht hierher gezogen. Ich hatte keinen Eintritt in die Schule waren wir ein Paar. Ich habe mich ihr Job gehabt, nur einen Beruf, aber der war eine Berufung. versprochen. Sie hatte geantwortet: Ich gehöre immer dir. Das Haus befand sich in einem mittelmäßig schlechten Wir haben heimlich geheiratet. Das war nach der Hochzeit Zustand, war billig, und der Besitzer ließ sich von meiner meines Onkels gewesen. (Gerhard hieß er, war AutoelektriBerufung blenden. Er könne sich, sagte er, einen Schriftstelker und starb vor einem Jahr an einem verschwiegenen ler in einer Neubauwohnung, blitzblank und hundertprozenKrebs.) Ich erzählte Pia von dem Prozedere des Heiratens, und wir stellten eine komplette Feier nach, spielten alle tig funktionstüchtig, nicht vorstellen. Ich konnte, meine notwendigen Personen, Braut und Bräutigam, Zeugen, Frau auch. Er ging mit der Miete tatsächlich noch ein Stück Pfarrer, Blumenmädchen, und tauschten Ringe. Und dann: herunter, was dann fast geschenkt war. Er sagte, das tue er Scheidung mit zwölf. Beidseitig unfreiwillig. Ein Brief von nicht nur, weil ich Schriftsteller sei, sondern vor allem, weil ihr. Ein Brief von mir. Dann haben wir einander vergessen. ich als Kind in derselben Straße gewohnt hätte und weil meiDem großen Streit mit ihren Eltern gingen – so wird ne Eltern so feine Leute gewesen seien und er es so sehr erzählt (Sagenschatz unserer Straße) – Frisuren, Kleider, bedauert habe, dass wir weggezogen seien, was er aber auch Tätowierungen, Typen mit schlechten Zähnen und irgendwie verstanden habe – und so weiter. Keine eine kleine Marihuanaplantage im Gewächshaus Wahl hatten wir gehabt, keine. hinten im Garten voraus. Pias Vater war der Sanfte, In den ersten Tagen also, wir hatten noch nicht READ BULL, DIE ihre Mutter die Brecheiserne. Der Sanfte mit einmal begonnen, die Kartons auszupacken (aber LESEGESCHICHTE ständigem Liebesblick auf seine einzige Tochter. unsere Katze war bereits davongelaufen), kamen IM RED BULLETIN. Die Brecheiserne, die alles richtig macht (wirklich die Nachbarn mit einem Kuchen und einer Flasche Jeden Monat schreibt Wein (wie bei Rotkäppchen), und noch keiner hatte richtig macht, nicht nur meint, sie mache alles ein namhafter Autor einen Schwips, da erzählten sie auch schon, wie das richtig) und nie lacht. Der unvorstellbare Höheeine Kurzgeschichte für gewesen war mit Pia. Das sei der große Schock in punkt: Mutter und Tochter, ineinander verkrallt, das Red Bulletin. Das der Straße gewesen, im Grunde ein größerer Schock liegend, mitten auf der Straße. Der Vater weint Thema ist frei, und als damals die plötzliche Abreise meiner Eltern und und ruft nach Hilfe, weil er sich nicht traut, seine manchmal ist irgendwo sogar ein noch größerer Schock als der Selbstmord Lieben anzufassen, Angst vor Schlägen, als wären in der Geschichte sogar des Südtirolers, der sich hier eingeheiratet und dann die beiden voll Strom, tausend Volt zwischen eine Dose versteckt.
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NOVEMBER 2007
READ BULL
SASCHA BIERL (3), ANJE JAGER
Hornhaut und Haar. Am Ende war sein Gesicht zerkratzt. Von den eigenen Nägeln. „Warum mitten auf der Straße?“, fragte ich. Meine Frau tippte mit ihrem Zeigefinger gegen meinen Handrücken. Sie wollte es nicht so genau wissen. Nämlich weil auch sie Sympathie für Pia entwickelt hatte, und das allein aus der Erzählung unserer Nachbarin. Wie sollte eine junge Frau hier anders leben können, als sich an Frisuren, Kleidern, Tätowierungen, Typen mit schlechten Zähnen und ausgiebig Kiffen aufrecht zu halten? Den Kuchen legte sie zurück, und den Wein rührte sie nicht mehr an. Die Nachbarin beantwortete meine Frage, indem sie einen Mundwinkel zu einer schäbigen Fratze verzog. Sollte heißen: Schäbig sind die. Einfach schäbig. Deshalb mitten auf der Straße. So etwas tun nur Schäbige. Und schäbig wird man irgendwie. Aber nicht alle sind schäbig von Geburt. So weit habe Pia ihre Mutter getrieben, sagte sie. „Und weiter?“ Dann zog Pia aus. Niemand hat jemals mehr etwas von ihr gehört. „Wir müssen ja nicht ewig hier bleiben“, hat meine Frau gesagt, als die Nachbarin gegangen war. In ihren Augen stand: Keine zwei Tage möchte ich hier bleiben. Nicht gemalt möchte ich hier hängen. Lieber tot als hier. Und fegte den Rest des Kuchens ins Klo.
ls wir dann bereits fünfzehn Jahre hier lebten, starb Pias Vater. Am Tag davor war er vom Fahrrad gefallen. Mitten auf der Straße. Die Nachbarn haben ihn aufgehoben und ins Haus gebracht. Es sei ihm nur schwindlig, sagte er. Er starb in der Nacht. Wollte auf die Toilette und fiel hin. Wir sind hinübergegangen, haben geklingelt und der brecheisernen Frau unser Beileid ausgesprochen. Sie führte uns ins Haus, bot uns Kekse und Likör an. Wir saßen im Wohnzimmer, die Tür zum Schlafzimmer stand offen. Ob wir ihn noch einmal sehen wollen, fragte sie. Er liege im Bett. Er sehe aus, als schlafe er. So sah er nicht aus. Das Gesicht war grau wie Zement, an den Seiten blau, zum Hals hinunter schwarz. Am Abend war ich in der Küche und schnitt Paprika für ein Letscho. Da klopfte es ans Fenster. Pia stand draußen, ich sah ihr schönes Gesicht durch die Scheibe, sie lachte. Und warf mir Handküsse zu. Dann saßen meine Frau, Pia und ich zusammen und aßen. Die beiden konnten sich gut leiden. Maria sagte: „Du kannst gern heut Nacht bei uns schlafen.“ Pia sagte: „Ich habe mir immer gewünscht, dass du eine gute Frau bekommst, eine gute wirkliche Frau, ich war ja auch deine Frau, aber nicht deine wirkliche.“
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Maria und ich sollten noch einmal hinüber, sollten die Brecheiserne fragen, ob sie etwas brauche, sollten sie an der Tür in ein Gespräch verwickeln, Geschichten erzählen, irgendetwas, ich solle mir etwas ausdenken, das sei ja schließlich mein Beruf. Währenddessen werde Pia hinten durchs Fenster ins Schlafzimmer einsteigen. Sie wolle ihn sehen, noch einmal, und seine Narben im Gesicht.
ie Brecheiserne hört schlecht. Ob wir denn nicht noch einen Likör wollen? Nein, nein, nein. Oder ein Glas Wein, sie habe aber nur noch einen weißen, der stehe schon seit fast einem halben Jahr im Kühlschrank. Nein, nein, nein. Wir unterhielten uns unter der Laterne in der offenen Haustür. Und dann sah ich hinter der Brecheisernen, oben auf der Treppe, Pia. Sie zeigte den aufgestellten Daumen. Das hieß, wir konnten mit unserer Konversation aufhören. Einen Augenblick glaubte ich, den Heiligen spielen zu müssen, der Segen auf die Erde bringt, der das Zerbrochene kittet, der die Wunden schließt und die Versöhnung organisiert. Und ich sah Maria an, dass sie einen ähnlichen Augenblick durchmachte. Bis spät in die Nacht hinein saß ich mit meinen beiden Frauen in der Küche. Ob wir wirklich hier in der Straße wohnen bleiben wollen, fragte Pia. Inzwischen schon, sagte Maria.
ZUR PERSON Michael Köhlmeier, 58, ist einer der profiliertesten Autoren Österreichs. Der Vorarlberger schreibt Hörspiele, Kabarettprogramme, Theaterstücke und Liedtexte. Bekannt wurde er durch die Nachdichtung biblischer Geschichten und antiker Sagen. Sein aktueller Roman „Abendland“, die Lebensbeichte des Mathematikers, Weltbürgers und Dandys Carl Jacob Candoris, war für den Deutschen Buchpreis 2007 nominiert.
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KAINR ATH
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ZEITSPRUNG
NOVEMBER 2007
KAUM ZU GLAUBEN,
CORBIS/HULTON-DEUTSCH COLLECTION
aber vor achtzig Jahren verlieh niemand Flügel. Also ließ sich der Berliner Paul Leinert wie eine Kanonenkugel in die Luft schießen. Herzlichen Glückwunsch nachträglich.
Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Christian Seiler, Robert Sperl, Boro Petric (stv.) Art-Direktion Erik Turek Fotodirektion Manfred Klimek Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Alexander Macheck Redaktion Ulrich Corazza, Simon Schreyer, Clemens Stachel, Nadja Zele Grafik Barbara Krimm (stv. AD), Claudia Drechsler, Mandy Fischer, Simone Fischer, Sebastian Tschugmell, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kučera, Valerie Rosenburg, Fritz Schuster Autor Christian Ankowitsch Mitarbeiter dieser Ausgabe Sandro Benini, Bart Blasengame, Robert Buchacher, Christian Grünwald, Markus Huber, Friedemann Kirn, Michael Köhlmeier, Simon Kuper, Andin Tegen Creative EIN FAST UNABHÄNGIGES MONATSMAGAZIN Consultant Markus Nowak Illustratoren Sascha Bierl, Anje Jager, Dietmar Kainrath, Sebastian Lester, Martin Udovicic Übersetzer Thomas Bodmer Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Nenad Isailovic Produktion Michael Bergmeister, Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg, Odysseus, A-2325 Himberg (Umschlag) Vertrieb Morawa Pressevertrieb Ges.m.b.H., A-1140 Wien Geschäftsführung Bernd Fisa, Christian Seiler, Rudolf Theierl Marketing Thomas Kern, Martina Kurtz Projektmanagement Jürgen Eckstein, Sandra Sieder Leitung RedBulletin.com Boro Petric Portalmanagement Daniela Kubak Contentmanagement Jan Cremer Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Sales Online Karl Tatscher Office Management Katharina Reinisch Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221 800 Fax +43 1 90221 993 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Web www.RedBulletin.com Erscheinungsweise Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen: Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten Gesamtauflage 1,1 Millionen Leserbriefe richten Sie bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com Abo-Infos unter abo@at.redbulletin.com Offenlegung nach § 25 Abs. 4 Mediengesetz: Medieninhaber: Red Bulletin GmbH mit Sitz in Fuschl am See; Unternehmensgegenstand: Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Zeitschriften, Magazinen, Büchern und anderen Periodika, insbesondere unter der Bezeichnung „Red Bulletin“; Geschäftsführer: Rudolf Theierl. Die Red Bulletin GmbH steht im Alleineigentum der Red Bull Media House GmbH mit Sitz in Wals-Siezenheim. Unternehmensgegenstand der Red Bull Media House GmbH: Medienwesen, Beteiligungen; Geschäftsführer: Dietrich Mateschitz, Andreas Gall. Die Red Bull Media House GmbH steht im Alleineigentum der Red Bull GmbH mit Sitz in Fuschl am See. Unternehmensgegenstand der Red Bull GmbH: Verwertung der Marke „Red Bull“; Geschäftsführer: Dietrich Mateschitz. An der Red Bull GmbH sind Chalerm Yoovidhya, Bangkok, und die Distribution & Marketing GmbH, Thalgau, mit jeweils 49 % beteiligt. Die Red Bull Media House GmbH ist an folgenden anderen Medienunternehmen beteiligt: Red Bull TV GmbH mit Sitz in Wals-Siezenheim; Betriebsgegenstand der Red Bull TV GmbH: Medienwesen; Salzburg TV Fernsehgesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wals-Siezenheim. Betriebsgegenstand der Salzburg TV Fernsehgesellschaft m.b.H.: Betrieb des Senders Salzburg TV. Grundlegende Richtung (Blattlinie): Berichterstattung über Aktivitäten und Lifestyle von Red Bull.
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Foto: Redeye
KONZENTRIERTE KRAFT TRIFFT INNERE RUHE.
KTM Group Partner
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Dein Kopf sagt: Nur 186 kg durch neue Rahmenkonstruktion, 100 Nm bei 7.000 U/min, von 0 auf 100 km/h in 3 Sekunden, neue Maske mit Windschild und Multifunktionsinstrument, größerer Tank. Dein Bauch sagt immer nur: Mehr, mehr, mehr!!! Wir sagen: Wer „Ready to Race“ ist, muss die KTM Super Duke erleben. Bei ihrem offiziellen KTM-Händler.
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THE RED BULLETIN
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EIN FAST UNABHÄNGIGES MON
WELTSPORTLER
Bjørn Dunkerbeck reitet Wellen wie kein Zweiter. Was macht den Dänen so besonders? Das Psychogramm. Seite 38
TEUFELSKERL
Wie Justin Timberlake 10.000 kreischende Mädchen zur Ruhe sang. Ein Konzertbericht. Seite 32
HIMMEL & HÖLLE
Rio de Janeiro ist die bezauberndste Stadt der Welt. Und die grausamste. Eine Grenzerfahrung. Seite 76
ÜBERIRDISCH
Die Party-Termine des Monats, ein Eishockey-Training mit den
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Red Bulls und zwischendurch das
NEUES AUS DER WELT VON RED BULL
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13.04.2007 0:10:50 Uhr
Hamburger-Rezept von Österreichs berühmtestem Koch.
NUMMER 1 NOVEMBER 2007 EURO 3,–
WWW.REDBULLETIN.COM 22.10.2007 17:51:04 Uhr