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DER COMPUTER-COACH

Die technischen Hilfmittel fürs Training werden immer smarter: Roboter-Ärzte, virtuelles Elferschießen (mit eingespielten Buhrufen) oder digitale Schienbeinschützer können bald den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen.

COMPUTER ÜBERNEHMEN DAS COACHING TECHNIK-TRAINING

Text: Marc Baumann

Digitaler Personal Trainer Der Robo-Doc

Zu den Dramen des Fußballs gehört: die Reha. Im Jahr 2006 bangte ganz Deutschland, ob Philipp Lahm zur HeimWM gesund sein würde. Oder aktueller: Schafft Robert Lewandowski im Mai trotz Verletzungspause Gerd Müllers Rekord von 40 Ligatoren? Die stillen

Auf dem „ddrobotec“Einsitzer trainieren Sportler ihre Beine mittels feinfühliger Pneumatik (Druckluft).

Helden dieser nervenaufreibenden Wettläufe mit der Zeit: Ärzte und Physiotherapeuten. Selten kennt man ihre Namen – vom legendären Dr.Müller-Wohlfahrt einmal abgesehen. Ein zweiter Name, den man sich merken sollte: „ddrobotec“. So heißt der Robo-Personal-Trainer, der wie eine Beinpresse mit Monitor aussieht.

Feinfühlig achtet die Maschine darauf, verletzte Muskeln nicht zu sehr zu belasten. Bei gesunden Sportlern geht das Gerät an die Grenze, aber nicht darüber. Der Clou: Die Übungen kommen wie Videospiele daher, das bedeutet Spielspaß statt Kraftschinderei.

ddrobotec.com

Beinpresse mit Monitor: Die Übungen sind an die individuellen Leistungsgrenzen angepasst und als kleine Spiele getarnt.

Fliegender Datensammler Dieser Ball denkt mit

Wer sehen möchte, mit welchen Bällen wir in Zukunft spielen werden, der muss ordentlich Chips essen. Den „Smartball“ der Hannoveraner Firma Sport Technology Systems gibt es nämlich erst mal nur in Pringles-Dosen zu gewinnen – während der Fußball-EM. Ende des Jahres soll es den mit Sensoren und künstlicher Intelligenz schlau gemachten Ball für alle im Handel geben. „Der Sport verliert zu viele Jugendliche an Videospiele, darum ist unser Gegner die Spielkonsole“, erklärt der Firmengründer Lennardt Hachmeister.

Er und sein Mitgründer, Ex-Bundesligaprof Fabian Ernst (HSV, Schalke, Bremen), setzen stark auf den Gamifcation-Ansatz – einen lockeren Mix aus Trainingseinheiten und lustigen Challenges. In einem zweiten Schritt soll der Smartball im Vereinsfußball etabliert werden und beispielsweise Amateurmannschaften helfen, ohne großen technischen Aufwand an Leistungsdaten zu kommen. Beim Spielen mit dem Smartball merke man „im Look and Feel“ keine Unterschiede zu handelsüblichen Matchbällen, sagt Hachmeister.

Ob die Smartball-Technologie in die Bälle anderer Marken integriert wird oder das Unternehmen die Bälle selbst herstellt, ist noch nicht entschieden. Jedenfalls kann der Smartball Geschwindigkeit, Effet, Flughöhe und damit die Präzision der Ballberührung ermitteln. Vom Schweizer Trainer Lucien Favre weiß man, dass er seinen Spielern gerne erklärt, wie wichtig es ist, den Ball perfekt zu treffen – es könnte also sein, dass sich der Chips-Konsum im Hause Favre bald dramatisch erhöht.

Bislang musste ein Ball nur gut fliegen, bald liefert er Daten zu Speed, Effet, oder Flughöhe. sporttechnology.systems

360-Grad-Simulator Leinwandabenteuer

Nach verlorenen Spielen liegen Fußballer oft die ganze Nacht wach, weil in ihren Köpfen die entscheidenden Spielszenen in Endlosschleife laufen. Schlafmangel macht sie nicht besser, sehr wohl aber der SoccerBot360.

In dem Gerät lassen sich Spielszenen auf Knopfdruck simulieren. Der Spieler steht in der Trainingshalle auf Kunstrasen, umgeben von Leinwänden, auf die mal Gegner, mal Mitspieler, mal Tore projiziert werden. Der reale Ball muss schnell und präzise zum virtuellen Mitspieler gepasst werden.

Ob im SoccerBot360, in dem RB Leipzig oder die Red Bull Fußball Akademie trainieren, oder in anderen Trainingsstationen wie dem Footbonaut in Dortmund oder dem Skills.Lab des FC Bayern, die Idee ist immer dieselbe: Reaktion, Konzentration und Übersicht verbessern und messen. Das kann recht schweißtreibend werden, wenn etwa im Skills.Lab auf den Leinwänden zehn Mit und Gegenspieler erscheinen und man in Sekunden den frei stehenden Mann in seinem Rücken erkennen soll. Und fürs Training der Nerven gibt es beim virtuellen Elfer buhende Fans vom Tonband.

soccerbot360.de Maßarbeit: Im SoccerBot360 können Spieler im virtuellen Raum unter anderem ihre Passgenauigkeit trainieren.

Dank Virtual Reality können die Träger der Brille ein Fußballspiel erleben, ohne sich echten Zweikämpfen aussetzen zu müssen.

Virtueller Fußballplatz Gedankenspiele

Fragt man die Trainer der Red Bull Akademie in SalzburgLiefering, welche technische Entwicklung sie spannend fnden, hört man zwei Wörter: Virtual Reality. Bald wird es möglich sein, Spielsituationen inklusive Gegner, Fans und Wetter fotorealistisch nachzuspielen.

Bis dahin gibt es schon mal Rezzil: Mit einer Datenbrille und DatenSchienbeinschonern (!) kann man einen virtuellen Rasenplatz betreten und diverse Übungen anwählen: Ballannahme mit anschließendem Präzisionspass etwa, Volleyschüsse aufs Tor und sogar Kopfbälle zum virtuellen Mitspieler. Samt Ballgeräusch. Wer mag, kann sich in der Trainerperspektive Spielszenen aus der Sicht aller Spieler anschauen.

Dass beim VRTraining der echte Ball fehlt, kann sogar ein Vorteil sein, wenn Spieler nach Verletzungen ohne Schussbelastung erst mal wieder die Bewegungsabläufe üben wollen.

Big-Data-Analysesystem Kick, Trick & Track

Das im Shirt fixierte TrackingModul kommuniziert mit Sendern am Spielfeldrand – 100-mal pro Sekunde!

Als Verteidiger gegen Kingsley Coman zu spielen gehört zu den Höchststrafen im Weltfußball. Der Bayern-Star ist enorm schnell. Was kann man dem entgegenstellen? Zum Beispiel die Tracking- und Analysetechnik von Kinexon Sports. „Wir wissen, dass ein Außenverteidiger gegen Coman in zehn bis zwölf Spielsituationen kommen wird, wo er fast aus dem Stand 22 bis 23 km/h schnell sprinten muss“, erklärt Maximilian Schmidt, Mitgründer der Firma Kinexon Sports.

Mit seinen Daten kann der Abwehrspieler diese Duelle trainieren, Comans Laufwege durchspielen und Sprinttempi vergleichen. Schmidts Unternehmen hat mehrere Trainingsplätze in der Red Bull Fußball Akademie mit sogenannter LPSTechnologie ausgestattet, weil sich Kinexon nicht mehr auf die etwas ungenauen GPS-Satellitendaten verlässt, sondern am Spielfeldrand eigene Sender installiert, die sich bis zu 100-mal pro Sekunde mit den Trackern der Spieler austauschen.

Aus den gewonnenen Daten lassen sich nicht mehr nur wie früher Laufgeschwindigkeit und -distanz erfassen, sondern die exakte Position jedes Spielers – damit wird seine Bewegung in Abwehr- oder Angriffsketten ausgewertet.

Dass Kinexon mittlerweile auch den Ball trackt, macht den erhobenen Datenberg noch höher – und komplizierter. Aus den Trackingdaten versuchen die Vereine die entscheidenden Parameter gemäß der eigenen Spielphilosophie herauszulesen. „Big Data“ ist an Sporthochschulen und in Trainerlehrgängen daher schon Teil der Ausbildung.

Und auch Profs entdecken den Wert ihrer Trackingdaten: Um an Schwächen zu arbeiten oder – wie Manchester-CityStar Kevin De Bruyne – valide Daten als gute Argumente bei der nächsten Vertragsverhandlung zu haben.

kinexon.de

Mundstück-Assistent Schutz fürs Köpfchen

Spätestens seit Deutschlands Christoph Kramer im WM-Finale 2014 den Schiedsrichter nach einem Zusammenprall gefragt hat, ob dies hier das WM-Finale sei, sind Gehirnerschütterungen im Fußball ein großes Thema – zu oft gibt es harte Luftzweikämpfe, zu gefährlich sind die Spätfolgen von Kopfverletzungen.

Das Mundstück wird wie von Boxern über der oberen Zahnreihe getragen und misst Erschütterungen.

Die Firma SWA lässt deshalb aktuell ihren neuen Hightech-Mundschutz Protecht bei der U23 des FC Liverpool, den

U18-Frauen von Manchester City und – um ganz sicherzugehen – auch noch beim englischen Rugby-Team Leicester

Tigers testen. Das individuell angepasste Mundstück misst die Intensität aller Erschütterungen bei Kopfbällen oder Zweikämpfen, die Messung erfolgt dabei am Oberkiefer, der direkt mit dem Schädelknochen verwachsen ist.

Das Teil sendet Daten in Echtzeit an das medizinische Team am Spielfeldrand, das dann Entscheidungen trifft. Damit wäre Christoph Kramer wohl nicht erst 15 Minuten nach dem Zusammenstoß vom Feld genommen worden.

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