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BIOHACKING FÜR PROFIS

Eiskammer, Filterbrillen, Spezialernährung, Gehirntraining, minutengetakteter

Schlaf, Klavierstunden: wie sich Fußball-Weltstars mit erstaunlichen Methoden schneller, fitter und manchmal sogar ein bisschen unsterblicher machen.

BIOHACKING WIRD STANDARD DER OPTIMIERTE KICKER

Text: Stefan Wagner Illustration: Stuart Patience

Robert Lewandowski ist der offziell beste Fußballer der Welt. Cristiano Ronaldo ist der offziell zweitbeste Fußballer der Welt, was angesichts seiner stabil überirdischen Performance nicht nur er selbst für einen diskussionswürdigen Zustand hält.

Zlatan Ibrahimović rettet das schwedische Nationalteam und mischt nebenbei die italienische Serie A auf.

Lewandowski ist 32 Jahre alt, Ronaldo 36, Ibrahimović 39.

Was ist da los im Weltfußball?

Werden die guten Spieler immer älter? Oder die älteren Spieler immer besser?

Und ist das alles Zufall? Oder der Beginn eines Trends, der den Fußball für immer verändern wird?

Sehr wahrscheinlich ist das alles kein Zufall. Sehr wahrscheinlich werden Fußballer-Karrieren auch an der absoluten Spitze in Zukunft deutlich länger dauern als bisher. Und ganz sicher hat all das mit einem Begriff zu tun, den man in letzter Zeit immer öfter hört: „Biohacking“.

Biohacking fasst, grob gesagt, alles zusammen, was Menschen eigenverantwortlich tun, um ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit, ihre Lebensqualität und Langlebigkeit zu optimieren. Sie schwitzen in der Infrarotsauna, sie meditieren, sie messen ihre Herzratenvariabilität und die Dauer ihres Tiefschlafs, sie schlucken Nahrungsergänzungsmittelkapseln im Dutzend, manche buchen geheimnisvolle Selbstfndungs-Retreats im Amazonasdelta. Stars der stark wachsenden globalen Szene sind die Amerikaner Dave Asprey, Ben Greenfeld oder Tim Ferriss; bekanntester deutscher Biohacker ist Andreas Breitfeld. Er macht in seinem Münchner Labor sogar einige der spannendsten Gadgets und Tools für jedermann zugänglich: von der hyperbaren Sauerstoffkammer bis zum Stirnband, das Gehirnwellen beim Meditieren misst, von Rotlicht-Panels in ausgewählten Nanometer-Bereichen bis zum Inhalationsgerät von „Exclusion Zone“-Wasser. („The Red Bulletin INNOVATOR“ hat Breitfeld in Ausgabe 02/20 ausführlich vorgestellt.)

Nun gibt es die ersten Biohacker unter den Fußball-Profs – und der Erfolg gibt ihnen recht: Neben Lewandowski, Ronaldo und Ibrahimović gehen vor allem Erling Haaland, 20, und Serge Gnabry, 25, neuartige Wege in der Selbstoptimierung.

Bei Gnabry ist daran sein Berater nicht ganz unschuldig: Hannes Winzer, Co-Founder von ROOF, einer der fünf größten Spieleragenturen der Welt, ist privat selbst ein ambitionierter Biohacker.

Robert Lewandowski Erst Kuchen, dann Suppe

Anna Lewandowska, Fitnesstrainerin, hat die Ernährung ihres Mannes umgestellt: keine Kuhmilchprodukte, kein Weizen, kaum Zucker. „Und weil es meiner Verdauung hilft, esse ich zuerst den Nachtisch, dann die Vorspeise, dann die Hauptspeise“, sagt der Weltfußballer. Zuerst Kuchen, dann Suppe? „Ja. Weil Kohlenhydrate schneller verdaut werden als Proteine.“

Was kann der Hobby-Athlet von Robert Lewandowski lernen, Andreas Breitfeld?

„Kuchen vor der Suppe essen? Ist kein Muss. Kann aber sinnvoll sein, sagt der deutsche BiohackingExperte. Unter zwei Bedingungen. Erstens: Du verbrennst Kalorien wie ein Spitzensportler. Zweitens: Du hast gerade trainiert. Denn dann sind die Glykogenspeicher in Leber und Muskeln leer. Die saugen jede Art von Kohlenhydraten auf, also auch kurzkettige wie Zucker, da kann man also auch mal irgendeinen Süßigkeiten-Schrott einwerfen. Und danach in Ruhe höherwertiges Protein und gutes Fett. Achtung: CouchAthleten futtern sich mit der Kombi aus Zucker und Fetten eine Wampe an, egal in welcher Reihenfolge.“

Torte für den Torjäger: Robert Lewandowski, 32, isst sein Dessert vor Suppe und Hauptspeise. Das erhöht sein Wohlbefinden.

Winzer sieht Biohacking im ProfFußball „als die beste Möglichkeit, diese ‚marginal gains‘ zu erreichen, nach denen alle suchen, diese ein, zwei Prozent Verbesserung, die dann letztlich den entscheidenden Unterschied ausmachen, diesen einen gewonnenen Zweikampf in der Verlängerung, diesen einen schnelleren Schritt vor dem Siegestor. Also die Details, die dann die extra Siege bringen und die extra Titel.“

Winzer holt sich von Breitfeld in dessen Münchner Lab Inspirationen, er selbst testet auch die experimentelleren Geräte. „Meinen Spielern empfehle ich aber nur, was in ihr Leben passt, womit sie sich wohlfühlen. Man soll und kann da nichts übers Knie brechen. Fußball ist im Denken und in seinen Strukturen eine traditionelle, konservative Sportart, die mit Innovationen, sagen wir’s so, nicht gerne überfordert wird.“

Auf Dauer sieht Winzer die Methoden des Biohacking im Spitzenfußball aber als unaufhaltsam. „Das ist in manchen Bereichen – wie zum Beispiel der Regeneration – ein No-Brainer. Die Daten sind eindeutig, die Forschungslage ist eindeutig, die Ergebnisse sind eindeutig. Dass ein Prof zum Beispiel am Abend seine Augen vor Blaulicht schützt, um besser schlafen zu können, wird in ein paar Jahren nicht mehr eigenartig sein, sondern selbstverständlich.“

Erling Haaland Ein Mann sieht orange

Leistungsoptimierung beginnt beim Schlaf, das spricht sich bei immer mehr Spitzensportlern herum. Erling Haaland verwendet als einer der ersten Profi-Fußballer eine sogenannte BlueblockerBrille mit orange eingefärbten Gläsern, die die Augen abends vor dem Blaulicht-Frequenzbereich (Handy-Screen, Monitor, TV-Gerät, LED-Beleuchtung …) schützen. Denn dieses Blaulicht hemmt die Bildung des Ein- und Durchschlafhormons Melatonin – und ohne ausreichend Melatonin keine gute Regeneration.

Erling Haaland, 20, trägt am Abend eine Brille mit orangen Gläsern gegen Blaulicht, um besser schlafen zu können.

Was kann der Hobby-Athlet von Erling Haaland lernen, Andreas Breitfeld?

„Blueblocker-Brillen sind ein extrem wirksamer AnfängerBiohack. Funktioniert garantiert – bei jungen Menschen besser als bei älteren, weil die natürliche MelatoninProduktion ab etwa Mitte vierzig nachlässt. Die besten Ergebnisse bringen orange gefärbte Brillen zwei bis drei Stunden vor dem Zubettgehen, die man in der letzten Stunde gegen rot gefärbte wechselt. Es gibt große Qualitätsunterschiede, wir haben einmal das Angebot professionell durchgetestet. Goldstandard sind die Marken TrueDark, Innovative Eyewear, Ra Optics und BLUblox.“

Zlatan Ibrahimović Ice, Zlatan

Der ewig junge Altstar vertraut der Kältetherapie im Wim-Hof-Style, wie er selbst am 30. Dezember auf Instagram postet: Da warf er sich, nur mit Badehose bekleidet, in den frisch gefallenen Schnee seines Mailänder Gartens. Wie viele andere (etwa Cristiano Ronaldo oder der englische Klub Leicester City) vertraut er auch den magischen Kräften einer Cryokammer. Das ist eine Art Negativ-Heimsauna, bis zu minus 82 Grad kalt. Rund drei Minuten pro Tag verbringt man in diesem begehbaren Tiefkühlraum, die Kälte versetzt den Körper in einen Schock, die Blutgefäße verengen sich, um sich später wieder zu weiten und den Körper mit Blut voller entzündungshemmender Stoffe zu fluten.

Was kann der Hobby-Athlet von Zlatan Ibrahimovic´ lernen, Andreas Breitfeld?

„Kälte ist genial. Ich rate jedem, sich mit Kälte zu beschäftigen, ein super Einstieg ist Josephine Worsecks Buch ‚Die Heilkraft der Kälte‘. Wesentlich für den Sportler ist das Timing. Vereinfacht gesagt: Wer Muskeln aufbauen will, sollte nicht direkt nach dem Training in die Kälte. Wer schneller regenerieren will, schon. Eine kalte Dusche am Morgen, mindestens drei Minuten, bringt unglaubliche GesundheitsBenefits auf vielen Ebenen. Für den Einsteiger kann es auch weniger sein oder auch Kalt-warm-Wechselduschen. Ausprobieren, durchbeißen – wirkt Wunder!“

Zlatan Ibrahimović, 39, schwört zur Regeneration auf eine sogenannte Cryokammer, also einen begehbaren Tiefkühlraum.

Serge Gnabry Klavier spielt Fußball

Gnabry arbeitet intensiv mit dem NeuroathletikCoach Lars Lienhard. Die Trainings mögen eigenartig aussehen – er schüttelt den Kopf, absolviert spezielle Finger-, Hand- und Augenübungen –, aber sie wirken: Die innovative Disziplin der Neuroathletik verbessert Koordination, Raumgefühl und Geschicklichkeit. Gnabry achtet auf die Qualität seines Schlafs, lässt sich durch Biografien erfolgreicher Persönlichkeiten inspirieren und nimmt Klavierstunden. Berater Hannes Winzer: „Serge war früher verletzungsanfällig. Heute macht er 40, 50 Spiele pro Saison, fällt ganz selten aus. Das passiert ja nicht einfach so, das ist ja kein Zufall. Serge ist enorm fleißig. Er hat gelernt, seinen Körper als Tempel zu sehen.“ Und was hat Klavierspielen damit zu tun? Winzer: „Klavierspielen zu lernen verbessert das Rhythmusgefühl, bedeutet, Synapsen neu zu verknüpfen und neu anzusteuern. Und das macht Serge zu einem besseren Fußballer.“

Was kann der Hobby-Athlet von Serge Gnabry lernen, Andreas Breitfeld?

„Hannes Winzer führt seine Spieler wirklich gut ans Biohacking heran. Ich mag die Idee mit den Klavierstunden: Musizieren unterstützt die Verknüpfung verschiedener Hirnareale, wir reden da von einer Verbesserung von Balance und Links-rechtsKoordination, von einem Ausgleich von starkem und schwachem Fuß. Man kann sagen: Klavierspielen ist eine anspruchsvolle Art von Neuroathletik-Training.“

Serge Gnabry, 25, verbessert seine Balance und LinksrechtsKoordination durch Klavierspielen.

Cristiano Ronaldo Der Mann, der sechsmal schläft

Legendär ist Cristiano Ronaldos Schlafrhythmus vor großen Spielen: Er hält sechs neunzigminütige Nickerchen, verteilt über 24 Stunden (bei jedem Nickerchen muss es ein frischer Pyjama sein). Und er isst an diesen Tagen sechs Mahlzeiten: Frühstück, zwei Mittagessen, ein Snack und zwei Abendessen. Klarerweise verzichtet der Perfektionist auch nicht auf die Vorteile der Kältetherapie. Ronaldo ließ sich um 45.000 Euro eine Cryokammer nach Hause liefern.

Was kann der Hobby-Athlet von Cristiano Ronaldo lernen, Andreas Breitfeld?

„Polyphasischer Schlaf funktioniert wunderbar. Das ist gut erforscht, da gibt es keinen Zweifel. Der Nachteil: Kein Mensch schafft das. Sechsmal täglich punktgenau abtauchen, das lässt sich weder mit einem halbwegs normalen Berufs noch mit einem erträglichen Familienleben vereinbaren. Aber sieben bis acht Stunden ordentlicher Nachtschlaf reichen normalerweise aus. Am besten schläft es sich übrigens, wenn das Schlafzimmer komplett dunkel und kühl ist.“

BIOHACKER ANDREAS BREITFELD QR-Code scannen und sein Labor entdecken

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