0805_DE

Page 1

MAI 2008

EIN FAST UNABHÄNGIGES MONATSMAGAZIN

GLÜCK RAUF! Red Bull Hare Scramble, Erzberg, Steiermark: Das härteste Endurorennen der Welt.

WWW.REDBULLETIN.COM


;`\ XfeJlg\iBfdY`% =\jke\kq# 9i\`kYXe[$@ek\ie\k# DfY`ck\c\]fe`\ le[ BXY\c]\iej\_\e% 8Y jf]fik ^`YkËj Xcc\j Xlj \`e\i ?Xe[1 =\jke\kq " 9i\`kYXe[$@ek\ie\k d`k leY\^i\eqk\d ;fnecfX[mfcld\e Y`j ql / DY`k&j " jlg\i^ ejk`^\j DfY`ck\c\]fe`\i\e `d Y\jk\e E\kq {jk\ii\`Z_j ck% Jkl[`\ KL N`\e " BXY\c]\iej\_\e d`k Y`j ql /- J\e[\ie% 8Y ö *+#0' gif DfeXk% <`e C\Y\e cXe^% 8cc\ @e]fj le[ 8bk`fejY\[`e^le^\e lek\i '/'' ('' ('' le[ nnn%Xfe%Xk

! > ck`^ ] i [`\ ^\jXdk\ M\ikiX^jcXl]q\`k Y\` 9\jk\ccle^ mfe ((%'+%Æ((%'.%'/% <obclj`m\ >\jgi Z_j$# ?\ijk\ccle^j$# Gif[lbkn\Z_j\c$ le[ 8bk`m`\ile^j\ek^\ck\% () DfeXk\ D`e[\jkm\ikiX^j$ <obclj`m\ >\jgi Z_j$# ?\ijk\ccle^j$# Gif[lbkn\Z_j\c$ le[ 8bk`m`\ile^j\ek^\ck\% () DfeXk\ D`e[\jkm\ikiX^j$ [Xl\i% GFKJ# 8;JC le[ XfeKM M\i] ^YXib\`k mfiXlj^\j\kqk% <j ^\ck\e [`\ <9 le[ C9 [\i K\c\bfd 8ljki`X K8 8>% >\jgi Z_j\ek^\ck\ =\jke\kq XY (#*, :\ek&D`elk\% >\jgi Z_j\ek^\ck\ DfY`ck\c\]fe`\ , :\ek&D`elk\ `e Xcc\ E\kq\% 9i\`kYXe[$@ek\ie\k1 ;fnejki\Xd Y`j ql /%(0) bY`k&j le[ Lgjki\Xd Y`j ql .-/ bY`k&j 9\jk \]]fik % Eli `e M\iY`e[le^ d`k Fec`e\$I\Z_ele^% E`Z_k d`k Xe[\i\e 8bk`fe\e mfe K\c\bfd 8ljki`X bfdY`e`\iYXi% 8cc\ Gi\`j\ `ebc% LJk% MfiY\_Xckc`Z_ JXkq$ le[ ;ilZb]\_c\i% JkXe[1 D iq )''/%

002-U2_Inserat_Mobilkom 2 NEU_Superkombi_202x300_RZ.indd 1

22.04.2008 17.04.2008 10:42:52 17:17:48 Uhr Uhr


bullhorn

mai 2008

3

the red bulletin

Betrifft: Vier Elemente in einem Heft Wer über einen ausreichend verwegenen Charakter verfügt, verbringt Teile des Frühjahrs traditionell in einer Art Fegefeuer. Und zwar beim quasi aussichtslosen Versuch, mit Hilfe eines dafür völlig ungeeigneten Hilfsmittels einen Berg zu bezwingen, den Jahrhunderte der Erzgewinnung so geformt haben, dass die bocksteife Sturheit seines steirischen Wesens auch optisch recht gut rüberkommt. Das klingt alles ziemlich ­unwiderstehlich nach … richtig, Red Bulletin-Dossier. Eine zwölfseitige Annäherung an den Mythos Erzberg, die Ihnen je nach Konstitution den kalten Schauer über den Rücken oder das Wasser im Mund zusammen laufen lässt, erwartet Sie in diesem Heft ab Seite 52. Erde in unterschiedlichen Aggregatzuständen – Schotter, Asphalt, Gatsch – beschäftigt Sébastien Loeb. 2003 verlor der Franzose die Rallye-WM um einen Punkt, seither nicht mehr. Loeb – wenig origineller, aber vielsagender Spitzname: „Super-Séb“ – plant offenbar keineswegs, die Anzahl seiner in Serie errungenen WM-Titel bei vier bewenden zu lassen: Nummer fünf zeichnet sich bereits jetzt recht deutlich ab. Ein Porträt des frisch beflügelten Elsässers finden Sie ab Seite 32.

Eine Gigantin ist Gisela Pulido: Die gerade einmal 14-jährige Spanierin ist Kite­surf-Weltmeisterin. Red Bulletin-Redakteur Jan Cremer (im Bild links oben) ließ sich von ihr das Kiten beibringen.

Wasser und Luft zu verbinden gelingt niemandem eleganter und atemberaubender als Gisela Pulido, der gerade einmal 14-jährigen Spanierin, die sich im Vorjahr den Kitesurf-Weltmeistertitel holte. Für ein Gespräch auf Augenhöhe qualifizierte sich der höchstens einen Meter größer gewachsene Red Bulletin-Redakteur Jan Cremer: „Am Brett mit Gigi“, Seite 72.

Bild: Markus kucera; illustrationen: anje jager

Unsere Lesegeschichte Read Bull stammt diesmal vom Wiener Autor ­Georg Biron, er folgt ab Seite 94 unter anderen Michael Köhlmeier, Tim Parks und Peter Hein nach. Nächste (oder Nächster) in der illustren Reihe könnten Sie sein. Denn die besten Kurzgeschichten („kurz“ meint maximal 8000 Anschläge), die uns von Leserinnen und Lesern erreichen, werden ab der kommenden Ausgabe in dieser Reihe veröffentlicht. Zum Ruhm der Veröffentlichung gibt’s auch noch ein Honorar. Ob eine Dose im Text vorkommt oder lediglich beim Beflügeln Ihrer Gedanken behilflich ist, bleibt Ihnen überlassen. Schreiben Sie an readbull@redbulletin.at, wir freuen uns auf Ihre Texte!

003-03_Bullhorn 3

Herzlichst und erzlichst Die Redaktion

Happy 200! Gratulation an die emsigen Kollegen aus dem F1-Fahrerlager: In Bahrain feierte unsere schnelle Schwesterzeitschrift, die bei jedem GP an der Strecke gedruckt wird, ihre 200. Ausgabe.

Parks, Köhlmeier, Hein … und nun Sie! Die Lesestorys des Red Bulletin sollen ihrem Namen gerecht werden – und von Leserinnen und Lesern stammen. Also: Schreiben Sie uns an readbull@redbulletin.at

21.04.2008 16:26:06 Uhr


THE RED BULLETIN

INHALT

MITARBEITER URSULA MACHER UND PETER KROBATH näherten sich Joseph Corre an, eine schöne Aufgabe: Der Londoner ist Sohn von Vivienne Westwood und Malcolm McLaren und macht, wie man am Life Ball sehen wird, ziemlich wilde Unterwäsche. Mit Themen aus den Bereichen Mode und Lifestyle sind Macher und Krobath als redaktionelle Säulen des „Seitenblicke Magazins“ vertraut: Als dessen Textchef zeichnet Krobath – übrigens einer der führenden Film- und Kinojournalisten des Landes – für Formulierungsfeinheiten verantwortlich, Macher – mit einer Vergangenheit als Sportreporterin ausgestattet – gilt als Spezialistin für

004-04-05_Inhalt 4

tiefer gehende, großzügiger angelegte Porträts. Beste Voraussetzungen also für ein im doppelten Sinn hautnahes Porträt, das Sie ab Seite 40 tatsächlich erwartet. WERNER JESSNER hat sich (unterstützt von Uli Corazza) des titelprägenden Dossiers zum Thema Erzberg angenommen. Qualifiziert hat sich der 33-Jährige dafür durch seine erzsteirische Herkunft sowie seine Vertrautheit mit tendenziell unvernünftigen Freizeitbeschäftigungen: Jessner ist Mountainbike-Downhiller der (wie er betont: erweiterten) österreichischen Spitze, Sammler verwegener Automobile sowie unerschrockener Motorradfahrer. Seite 52

MAI 2008

EISENERZ/ERZBERG. Man nennt es das härteste Motorrad-Endurorennen der Welt: Das Red Bull Hare Scramble auf den steirischen Erzberg trennt die Männer von den Supermännern. 1500 versuchen sich zu qualifizieren, nur die besten 500 dürfen starten. Eine Handvoll oder zwei bezwingen den eisernen Giganten tatsächlich. Cyril Despres fragte sich als unbekannter Junge nach Eisenerz durch und wurde RallyeDakar-Superstar. Vorjahressieger Taddy Blazusiak musste sich ein Bike ausborgen, um gewinnen zu können. Chris Pfeiffer legte den Grundstein zu seiner internationalen Karriere in Eisenerz. Der Erzberg wird auch heuer Geschichte machen. Noch ahnt keiner, wie. Seite 52

BILD: BERNHARD SPÖTTEL/RED BULL PHOTOFILES; ILLUSTRATIONEN: ANJE JAGER

4

21.04.2008 16:32:58 Uhr


INHALT

MAI 2008

5

THE RED BULLETIN

HELDEN

DOSSIER

ACTION

Was die Menschen bewegt, die uns im Mai bewegen. Seite 23

Der Erzberg und das härteste Endurorennen der Welt. Seite 52

Schneller, höher, runter, weiter, würziger, verrückter. Seite 65

HUBERT VON GOISERN befährt den Rhein mit Band und neuer CD.

ÜBERN BERG. Überraschende Sieger, erwartbar Gescheiterte und andere Helden des Red Bull Hare Scramble.

BOBBY CAR. Was man mit dem Auto der kleinen Schwester auch anstellen kann.

VON CHRISTIAN SEILER Seite 24

VON RON PERKELINO Seite 66

VON ULI CORAZZA UND WERNER JESSNER Seite 54

ELISABETH OSL ist mit dem Fahrrad Richtung Peking unterwegs. VON WERNER JESSNER Seite 30

DIE STRECKE ist ja geheim. Aber irgendwie dann doch wieder nicht ganz: die Schlüsselstellen im Porträt. Seite 56

SÉBASTIEN LOEB rallyeweltmeistert. VON ROBERT SPERL Seite 32

DIE SAGE VOM ERZ. Zwei Brüder, ein Winzig und eine entscheidende Frage.

JOSEPH CORRE provoziert.

VON MICHAEL KÖHLMEIER Seite 61

FLUGTAG IN WIEN. Wie man sich einen Startplatz auf der Rampe sichert. VON CLEMENS STACHEL Seite 70

KITESURFEN mit Gisela Pulido ist eine Art Walkampf – für den Anfänger. VON JAN CREMER Seite 72

GNOCCHI à la Eckart Witzigmann.

VON URSULA MACHER UND PETER KROBATH Seite 40

VON CHRISTIAN GRÜNWALD Seite 76

JACOBUS ADRIAANSE ist der Neue auf der Bank von Red Bull Salzburg.

EISENERZ. Wie es sich am Fuß eines Berges mit Ecken und Kanten so lebt. Eine Reportage.

VON ROBERT SPERL Seite 44

VON WERNER JESSNER Seite 62

VON MICHAEL STIRNER Seite 78

WIR WAREN HIER. FÜR SIE.

ISLE OF MAN bereisen und berasen.

LESERBRIEFE und KAINRATHS KALENDERBLATT. Ein Must für Fans hintergründigen Humors! Seite 6/7 BULLEVARD. Staunenswertes, häppchenweise einzunehmen. Ab Seite 8 TERMINE im Mai. Seite 86

Salzburg Isle of Man London

Wien Budapest

Paris Strasbourg

Bogotá

Eisenerz Innsbruck

Tarifa

PARTY. Sturm auf Paris: über einen 1. April, den Frankreich länger nicht vergessen wird. Ab Seite 88

Bad Goisern

Abu Dhabi Tieschen

WELT IM CLUB. Wir gehen in den Untergrund: Passage, Wien. Seite 92 READ BULL. Multitalent Georg Biron steigt in den Ring. Seite 94

Red Bulletin live: WWW.REDBULLETIN.COM

SIMPLICISSIMUS. Darüber lacht die Welt. Seite 96 ZEITSPRUNG und IMPRESSUM. Seite 98

005-04-05_Inhalt 5

21.04.2008 16:33:07 Uhr


6

leserbriefe

the red bulletin

mai 2008

Briefe an die Redaktion Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an die Nummer +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder an die Postadresse Heinrich-Collin-Straße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Namen, Adresse und Telefonnummer bzw. E-Mail-Adresse enthalten. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.

In der April-Ausgabe des Red Bulletin ist Euch ein Fehler unterlaufen: Die auf Seite 55 abgebildete Station des Red Bull Air Race ist Porto, nicht Istanbul. Ich war letzten Sommer während des Race in der Stadt und habe schöne Erinnerungen an die Atmosphäre und die Kondensstreifenmuster am blauen Himmel … Franz Nickl, per E-Mail

Sie haben recht, lieber Herr Nickl. In der Endredaktion wurde das Bild getauscht, nicht aber der Bildtext – Gratulation zum Scharfblick des Experten! Einige Anmerkungen zu „Warum die Banane krumm ist“ in der April-Nummer (S. 16/17): 1. Ihre Bewegungsgleichung ist, so wie sie da steht, nicht korrekt. Im zweiten Term auf der rechten Seite muss ½ stehen anstatt 2. 2. Der Wert ⁸⁄₃ bei der Ma­ gnuskraft gilt nur für eine ­laminare Strömung. Die Strömung um einen Fußball ist aber turbulent.

e DEIN frage!

3. Der Luftwiderstandsbeiwert cW und ein analoger Faktor bei der Magnuskraft, ich nenne ihn cL , da man die Magnuskraft auch als „Lift“ deuten kann, hängen stark vom Verhältnis r /v ab, zumindest bei Tennisbällen (wo die Si­ tuation durch den Filz anders sein könnte). 4. Der Wert cW ist nicht konstant. Bei 100 km/h ist cW kleiner als 0,1, bei 50 km/h größer als 0,5. 5. Der Radius des Bananen­ bogens hängt natürlich vom richtigen Wert von cL ab, der Faktor ⅜ kann sich meiner gefühlsmäßigen Schätzung nach durchaus um einen Faktor 2 ändern. Ao. Univ.-Prof. Peter Kaps, Universität Innsbruck, Arbeits­ bereich für Technische Mathematik

Lieber Herr Professor, vielen Dank für Ihren prüfenden Blick. Wir haben Dr. Axel Schäfer um eine Reaktion ge­ beten. – Die Red. 1. Da ist mir tatsächlich ein Tippfehler unterlaufen, bitte um Vergebung.

Die Punkte 2 bis 5 betreffen sämtlich die Tatsache, dass die Gleichung nur für den Fall laminarer Strömung gilt. Auf die Tatsache, dass beim Fußball und vielen anderen Sportarten aber meist turbulente Strö­ mung auftritt, weise ich die Redaktion stets hin. Ein völlig korrekter Disclaimer ist jedoch nicht immer im Interesse einer lockeren und flüssigen Darstel­ lung im Text, für dessen For­ mulierung ich übrigens nicht zuständig bin. 3. Einen „Lift“ bewirkt die Ma­ gnuskraft bei einem Tennisball, der unterschnitten wird (Slice), aber nicht bei einem um eine eher vertikale Achse rotieren­ den Fußball, von dem wir ja ausgehen. 4. Für eine Kugel finde ich ei­ nen Wert von 0,45 für lami­ nare Strömung, für Turbulenz ist der Wert tatsächlich nicht ­konstant. Die oben genannten Angaben halte ich aber für ein Gerücht, da der cW-Wert mit der Turbulenz eher zunehmen müsste. Die Wirbel der turbu­ lenten Strömung verbrauchen ja zusätzliche Energie gegen­ über der laminaren, was den

Luftwiderstand erhöht. Wür­ den diese Werte stimmen, so wäre der Luftwiderstand bei 100 km/h kleiner als bei 50 km/h, da sich v zum Qua­ drat vervierfacht, cW aber auf weniger als ein Fünftel absinkt, während der Rest gleich bleibt. 5. Der Faktor ⅜ kann sich bei Turbulenz wohl ändern, aber die Näherung des Fußballs durch eine (glatte) Kugel halte ich nach wie vor für gut erfüllt. Dr. Axel Schäfer

Ein schöner Aprilscherz in Ihrem Heft Nr. 6! Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer spielen in einem Meisterschaftsspiel für Red Bull Salzburg Fußball! Weiß das auch Giovanni Trapattoni? Der hätte mit den beiden sicher seine Freude … Paul Monitzer, per E-Mail

Leser fragen, weltmeister antworten

Christian Haas aus Rieden in Tirol fragt:

Wo gibt’s die geilsten Bike-Trails? Für mich macht den perfekten Trail aus, dass er einen Flow hat, durchaus schnell sein darf und unbedingt eine tolle Aussicht haben muss. Enge Singletrails im Wald sind natürlich auch super, aber für mich kann es durchaus auch Skipisten runter­ gehen. Ganz besonders mag ich es, wenn die Trails, auf denen ich fahre, eine Ge­ schichte haben. Im Wallis zum Beispiel gibt es Wege, die unsere Vorfahren unter Einsatz ihres

006-06-07_Leserbriefe+Kainrath 6

Lebens für die Bewässerung ihrer Felder angelegt haben. Das Wallis kann ich zum Biken uneingeschränkt empfehlen. Die Klassiker in Kalifornien rund um Santa Barbara sollte man als Biker auch gesehen haben, genau wie Moab in Utah mit seinen glatt geschliffenen Sandstein­ formationen. Marokko ist ein Geheimtipp und landschaftlich ein Traum. Der Atlas und die Wüste sind echte Highlights für mich. Die Rennstrecke des Mégavalanche

in Alpe d’Huez ist durch ihre Vielfalt einzig­ artig, aber im Rennen hast du natürlich ­keine Zeit, darauf zu achten. Der erste Trail, den ich mit dem Moun­ tainbike gefahren bin, war bei mir daheim am Flumserberg. Wenn ich in meinem gan­ zen Leben nur mehr einen einzigen fahren dürfte, würde es dieser Hometrail sein. Auf jede Frage antwortet der passende Weltmeister: E-Mails an weltmeisterantworten@at.redbulletin.com

Bild: www.photomargot.com/Red Bull Photofiles

Der Schweizer René Wildhaber, 31, hat alle wichtigen Downhill-Marathons der Welt gewonnen. Wann immer es geht, erkundet er die Welt auf seinem Mountainbike.

21.04.2008 17:10:14 Uhr


mai 2008

007-06-07_Leserbriefe+Kainrath 7

kainr ath

the red bulletin

7

21.04.2008 17:10:19 Uhr


8

Kommt Orlando geflogen. Orlando Duque, 34, weltbester Cliffdiver, hier bei einem Erkundungsflug Ăźber BogotĂĄ, der Hauptstadt seiner Heimat Kolumbien. Im Juli landet er im Wolfgangsee.

008-08-09_Bullevard_FdM_Turmspringer 8

21.04.2008 16:38:08 Uhr


Foto des Monats

Fliegen für die götter

N?

R WO

Bild: Camilo Rozo/Red Bull Photofiles

AM

S AU

ME

HE

RO �M

Formel-1-Autos brauchen knapp drei Sekunden von null auf hundert. Cliffdiver sind zweieinhalb Sekunden unterwegs. Dann krachen ihre Füße (nicht der Kopf!) mit 90 km/h aufs Wasser, dessen Oberfläche bei diesem Tempo hart wie Beton ist. (Eine Sekunde später sind sie wieder bei null.) Cliffdivern auf ihrer 20 Meter langen, mit Schrauben und Salti garnierten Luftfahrt zuzusehen ist ein ästhetischer Hochgenuss. Cliffdiver zu sein ist brutal wie Formel 1 mit einer Badehose als Monocoque: Wer die Arme beim Eintauchen nicht eng genug an den Körper presst, kegelt sich die Schultern aus oder bricht sich die Schlüsselbeine. Wer mit Vorlage aufs Wasser prallt, dem presst es die Luft aus der Lunge; der Springer wird in der Sekunde bewusstlos und geht unter wie ein Stein. Wer das Kinn ein paar Millimeter vor­ streckt, beißt sich ein Stück Zunge ab. Wer mit Rückenlage eintaucht, der kann, kommt er glimpflich davon, ein paar Tage nicht aufrecht sitzen. Wenn er Pech hat, kann O D UQ U E er nie wieder stehen. Weggespreizte LAN D R O R: Finger knicken wie Streichhölzer. E ET Auch nur leicht geöffnete Beine 15 % Mut bedeuten ein schlimmes 13 % Durcheinander dazwischen. Kreativität Cliffdiving stammt aus Hawaii: Im 18. Jahrhundert sprangen Kämpfer ins 7 % Unvernunft 40 % Athletik Wasser, um die Götter milde zu stimmen. Am Prinzip hat sich seither nicht viel 25 % geändert, freilich sind Werzielwasser tungsrichter an die Stelle der Götter getreten. Am mildesten SE S stimmt sie Orlando Duque, ein TZ ZU EN ER (naturgemäß auf Hawaii wohnhafSICH D IV 100 % CLI FF ter) Kolumbianer, 34, neunfacher Weltmeister. Orlando ist auch Titelverteidiger des senkrechtesten Events des kommenden Sommers: Beim 2. Red Bull Cliffdiving am Wolfgangsee misst er sich mit den sieben anderen besten Klippenspringern der Welt. Mehr dazu in der Juli-Ausgabe des Red Bulletin.

009-08-09_Bullevard_FdM_Turmspringer 9

RED BULL CLIFF DIVING: 18. und 19. Juli 2008,   St. Gilgen/Wolfgangsee, www.whdf.com

21.04.2008 16:38:12 Uhr


10

BULLEVARD

THE RED BULLETIN

FORM ULA UNAS

MONZA CALLING Red Bull und das Magazin „miss“ suchen zehn Formula Unas für den Grand Prix von Italien.

Brave Mädchen kommen in den Himmel. Formula Unas überall hin. Beim Grand Prix von Italien in Monza (11. bis 14. September 2008) haben zehn Österreicherinnen (ab achtzehn) die Chance, die Faszination Formel 1 hautnah mitzuerleben. Beispiele ge-

fällig? Anreise mit der DC-6 der Flying Bulls. All Area Tickets für das komplette Rennwochenende. Smalltalk mit Piloten und Promis im Paddock Club und in der Boxenstraße. Shoppen wie die Stars in der Modemetropole Mailand.

Was Sie dafür brauchen? Interesse für den Motorsport, Selbstvertrauen, Fremdsprachenkenntnisse, gutes Auftreten, Teamgeist. Was Sie dafür tun müssen? Das Bewerbungsformular ausfüllen unter:

WWW.REDBULL.AT/FORMULAUNA BEWERBUNGSSCHLUSS: 25. MAI 2008.

JEDER SCHUSS EIN TREFFER!

SYDNEY

QUEENSLAND

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

BILDER DES MONATS

DEIN FOTO!

Aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser: einfach hochladen auf www.RedBulletin.com Jedes veröffentlichte Foto wird mit einem 30-Euro-Gutschein für den Red Bull Online-Shop belohnt! www.redbullshop.com

010-10-11_Bullevard 10

Seb Ruiz: „… an diesem Sonntagnachmittag beachtete niemand die Skyline von Sydney!“ Red Bull Flugtag, Sydney, 6. April 2008

Lee Haskins: „Es war richtig knapp. Aber irgendwie hab ich den Abgabetermin dann doch geschafft!“ Queensland, 10. Dezember 2007

21.04.2008 17:23:34 Uhr


BULLEVARD

MAI 2008

THE RED BULLETIN

REBEAUD, DIE ZWEITE

¡VIVA MÉXICO!

Mat Rebeaud ist in seiner Familie nach Opa Frédy und Papa Antoine die dritte MotocrossGeneration und hat trotzdem keinen Motorradführerschein. In Mexiko gewann der Schweizer den X-Fighters-Auftakt: zweiter Sieg nach 2006! Rebeauds spanischer Finalgegner Dany Torres war sprachlos: Dem brachte die Arena Plaza de Toros trotz Namensähnlichkeit kein Glück.

ALL AREA TICKET

RED BULL X-FIGHTERS: 14. JUNI 2008, FORT WORTH, USA, WWW.REDBULLXFIGHTERS.COM

BILDER: TOBI BAUER (5), OLIVER GAST, GEPA PICTURES (2), RED BULL PHOTOFILES (2)

Die Formula Unas fliegen mit der DC-6 der Flying Bulls (li.) nach Mailand. Und erleben in Monza die ganze Faszination der Boxenstraße.

STARS HA

UTNA Unas im Smalltalk mit H Formula Lewis Hamilton, Niki Lauda und David Coulthard.

RUNDES OHNE ECKEN UND KANTEN

BALLARTISTIK VOM FEINSTEN Das Runde ins Eckige … so einfach ist das mit dem Fußball heutzutage nicht mehr. Ende Mai bekommt Österreich erstmals eine neue Form von Fußball-Wettkampf zu sehen: die Austrian Open im Red Bull Street Style in Wien. Gefragt ist dabei virtuose Ballbehandlung beim Gaberln, kombiniert mit artistischen Einlagen, rhythmisch vorgetragen (DJ!). Kaum erleichtert wird die Aufgabe der im Battle-Modus antretenden Teilnehmer dadurch, dass der Ball nur beinahe alles berühren darf: Ausgenommen sind nämlich Hand und Boden. Jedermann darf mitmachen, und es zahlt sich aus: Die Besten reisen am Jahresende zum Weltfinale nach São Paulo. RED BULL STREET STYLE AUSTRIAN OPEN: ENDE MAI 2008, WIEN WWW. REDBULLSTREETSTYLE.COM

MELBOURNE

BRISTOL

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

K U WA I T

Farah Al-Sarraf: „Üblicherweise herrschen bei uns die Scheichs … diesmal waren’s die Lords!“ Red Bull Lord of the Street, Souk Sharq, März 2008

011-10-11_Bullevard 11

Adam Dorney: „Wenn’s beim Start mal enger zugeht, gilt das Motto: Red Bull gives you … frontwings!“ Formel-1-Grand-Prix, Melbourne, 16. März 2008

Brian Reynolds: „Bei diesem Manöver holte A. J. Allmendinger alles aus seinem Motor!“ Food City 500 NASCAR Race, Bristol, Tennessee, 16. März 2008

21.04.2008 17:24:01 Uhr


12

BULLEVARD

THE RED BULLETIN

ANKOWITSCHS KOLUMNE BELEBT KÖRPER UND GEIST (7)

MAI 2008

SEHR KOMISCH

WAS MACHEN WIR BLOSS? Selbst wenn es nur um eine so einfache Erledigung wie Radfahren geht: Stets ist eine mächtige Maschinerie des Unbewussten tätig, damit wir Menschen nicht auf die Nase fallen. Von Christian Ankowitsch

BELO HORIZONTE

OBERSTDORF

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

WIEN

ein mächtiges Programm, das in unserem Kopf abläuft: So nehmen wir den Geruch des anderen und die darin enthaltenen Botenstoffe (die Pheromone) wahr. Blitzschnell weiß unser Gehirn, ob es – genetisch gesehen – klug wäre, Kinder mit dieser Person zu haben. Wenn ja, überschwemmt es uns mit dem Gefühl der Zuneigung. Wir werden freilich andere Ursachen angeben als die Kindersache: die blauen Augen, den blitzenden Verstand etc. Womit wir bei den Autos gelandet wären. Auch bei der Entscheidung für einen Neuwagen lassen wir uns oft von unbewussten Signalen leiten. So spielt der Klang, mit dem die Türen ins Schloss fallen, eine ebenso wichtige Rolle wie der Geruch des Wageninneren oder das Motorengeräusch. Daher beschäftigen die Autohersteller auch Fachleute, die sich um nichts anderes als solche geheimen Botschaften kümmern. Wie mächtig sie sind, das musste vor Jahren ein englischer Luxusautohersteller erfahren: Obwohl technisch perfekt, beschwerten sich Käufer darüber, dass ihr neues Auto anders rieche als gewohnt. Bis man nach langem Suchen den Grund fand: Man hatte – unsichtbar für den Käufer – statt Holz nunmehr Plastik verwendet. Daran sollten wir beim nächsten Parfumwechsel denken.

ILLUSTRATIONEN: ANJE JAGER, DIETMAR KAINRATH

Wer belogen werden will, braucht nur jemanden zu fragen, welches Auto er gut findet. Und schon wird er lauter Gründe hören, die falsch sind. „Die tolle Straßenlage“, wird man uns sagen oder „der geringe Spritverbrauch“. Natürlich sind Autoliebhaber nicht prinzipiell Lügner und ihre Gründe auch ein bisschen wahr. Die wirklichen Ursachen für ihre Vorlieben freilich liegen ganz woanders. Und sie sind deutlich weniger vernünftig, als man annehmen möchte. Wie es dazu kommt? Um das beantworten zu können, müssen wir uns kurz mit einer Eigenart unseres Gehirns beschäftigen. Wie die Hirnforschung herausgefunden hat, bekommen wir nicht alles mit, was in unserem Kopf so vor sich geht. So können wir uns zum Beispiel auf ein Fahrrad setzen und einfach losradeln, ohne einen Gedanken dran zu verschwenden. Unser Körper hält das Gleichgewicht, wir bremsen vor einer roten Ampel – und so weiter. Das alles funktioniert vollkommen unbewusst, weil unser Gehirn das Routineprogramm „Fahrradfahren“ abspult (schließlich haben wir es jahrelang geübt). Genauso geht das mit unzähligen anderen Dingen. Etwa wenn wir einen Partner fürs Leben suchen. Bereits in den ersten Sekunden einer Begegnung können wir sagen, ob uns jemand sympathisch ist oder nicht. Schuld an dieser Intuition ist

Chris Poole: „Offenbar kommt auch ein (fast) originaler Amadeus nicht ohne Extraschub Energie zwischendurch aus!“ Stephansplatz, 30. März 2008

012-12-13_Bullevard_Anko+1_1 12

Leca Novo: „Die Rushhour in Belo Horizonte verlangt nach unkonventionellen Arten der Fortbewegung.“ Red Bull X-Fighters, Belo Horizonte, 8. März 2008

Marcus Wendel: „Am 22. März war die Bergfahrt für Schalentiere in Oberstdorf unwiderstehlich vergünstigt – das mussten wir ausnützen!“ Oberstdorf, März 2008

21.04.2008 17:28:49 Uhr


13

BULLEVARD

BILDER: FRANZ PAMMER/GEPA PICTURES, RED BULL PHOTOFILES

MAI 2008

MASSSTAB 1:1

EIN HIRN FÜR ALLE

SANTA C ATERINA

einheitliche ECU für alle Teams vor, sie stammt übrigens von einer McLaren-Tochterfirma. Die Teams dürfen sie nach eigenen Maßstäben konfigurieren, allerdings nach strengen Kriterien der FIA. Wo die Konstrukteure die ECU platzieren, bleibt ihnen überlassen. Im RB4 liegt sie auf der rechten Seite, knapp auf Fahrerhöhe. GRAND PRIX DER TÜRKEI: 11. MAI 2008, ISTANBUL

BERLIN

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

BUDAPEST

Dieses unscheinbare Kastl ist die ECU eines Formel-1-Autos. ECU steht für Electronic Control Unit, ist also das Gehirn des Boliden. Hier laufen alle Kabelbäume aus dem gesamten Auto zusammen. Einerseits werden die Daten der verschiedenen Sensoren hier gespeichert, andererseits sorgt erst die ECU dafür, dass das System überhaupt rennt. Das Reglement schreibt eine

Nemeth Ioan: „Den ungarischen Nationalfeiertag feiern wir immer mit Besenyei Peter!“ Red Bull Air Race, Budapest, 20. August 2007

013-12-13_Bullevard_Anko+1_1 13

Bruno Mancinelle: „Im Hintergrund ein erloschener Vulkan, im Vordergrund eine höchst aktive Halfpipe!“ Santa Caterina, Brasilien, 27. Jänner 2008

Peter Müller: „Gaudeamus igitur! ‚The Wall Street Journal‘, ‚Le Monde‘ und The Red Bulletin.“ Freie Universität Berlin, 28. März 2008

21.04.2008 17:29:20 Uhr


14

THE RED BULLETIN

OAHU

MAI 2008

C ARTAGENA

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

CAR ACAS

BULLEVARD

Julio Savelli: „Sonne, Strand und Palmen. Das sind optimale Voraussetzungen für eine heiße Partie Beachvolleyball.“ Caracas, März 2008

014-14-15_Bullevard_Foto_Air Race 14

Joe Philipson: „Ich esse nichts ahnend meinen Hotdog, als über mir ein Fallschirmspringer aus einem Helikopter hechtet.“ Red Bull Air Show, Oahu, Dezember 2007

Adi Horvath: „Um eine Fotoausstellung in Kolumbien richtig genießen zu können, bedarf es natürlich eisgekühlten Red Bulls.“ Cartagena, April 2008

21.04.2008 16:35:38 Uhr


MAI 2008

BULLEVARD

15

THE RED BULLETIN

RED BULL AIR RACE

HAUSAUFGABEN, BITTE! Red Bull Air Race World Series, neue Saison: Beim ersten Rennen in Abu Dhabi zeigte sich, wer über den Winter seine Hausaufgaben besonders gewissenhaft erledigt hatte. Das eindrucksvollste „Sehr gut“ gab’s für den Steirer Hannes Arch: Um satte zwölf Kilo abgespeckt (bzw. abgemuskelt), raste er auf Platz zwei – erster Stockerlplatz in seiner Red Bull Air Race-Karriere. Überlegener Sieger: Vizeweltmeister Paul Bonhomme. Über den Winter hatte der Brite sich (auf dem Mountainbike) sowie seine neue Edge (im Hangar, Bild oben) einem strengen Fitnessprogramm unterzogen: engere Lufteinlässe, neue Triebwerksverkleidung … und eine Reihe weiterer Tüfteleien, die Bonhomme strikt geheim hält. In Abu Dhabi nur auf Lauerpositionen: Doppelweltmeister Mike Mangold (nach Semifinal-Niederlage gegen Arch Dritter), Co-Favorit Peter Besenyei (als bester Extra-Pilot im Edge-dominierten Feld Vierter), 2006er-Champ Kirby Chambliss (Fünfter). RED BULL AIR RACE WORLD SERIES: NÄCHSTE RENNEN IN DETROIT/USA 31. MAI/1. JUNI, STOCKHOLM 5./6. JULI WWW.REDBULLAIRRACE.COM

NIZAGAM SAD

BILDER: DANIEL GRUND, MARKUS KUCERA (2)

VON RECHTS NACH LINKS

HEFT ZUM DOWNLOAD AUF WWW.REDBULLAIRRACE.COM

M I LWAU K E E

INDIANAPOLIS

BILDER: WWW.REDBULLETIN.COM (3)

STEIERMARK

Einen kleinen Beitrag zum großen Erfolg des Events in den Emiraten (400.000 Zuseher gegenüber bereits eindrucksvollen 250.000 im Vorjahr) durfte das Red Bulletin liefern: mit einem – in Wien produzierten – Programmheft in makellosestem Arabisch.

Peter Pimeshofer: „Mein Bild ist zwar kein Warhol. Trotzdem hätte ich es gerne zugunsten von Wings for Life versteigert.“ Steiermark, März 2008

015-14-15_Bullevard_Foto_Air Race 15

Magrolino: „Sollten Fußgängern nach der Einnahme von Red Bull wirklich Flügel wachsen, wären Zebrastreifen in Zukunft obsolet.“ Milwaukee, März 2008

Tim Bolt: „Schwierig, einen Starter von 1909 aufzutreiben.“ Wiedereröffnung Indianapolis-Zweiradkurs nach 100 Jahren durch Nicky Hayden, USA, 8. April 2008

21.04.2008 16:36:21 Uhr


16

BULLEVARD

THE RED BULLETIN

BESTER SURFER ALLER ZEITEN?

GRÖSSTER ERFOLG?

Shane Dorian.

DAS SCHÖNSTE AM SURFPROFI-DASEIN?

MAI 2008

Drei Weltmeistertitel.

WETTBEWERB ODER FREI SURFEN?

Riff.

IST DEIN BRUDER BRUCE EIN FREUND ODER EIN RIVALE?

Frei surfen in einem Wettbewerb.

Um die Welt zu reisen und die besten Spots surfen zu können.

BEACHBREAK ODER RIFFBREAK?

Freund.

BIER ODER CHAMPAGNER?

WIE VIELE POKALE STEHEN IN DEINEM REGAL? Mehr als einer.

Red Bull on the rocks.

LIEBLINGSAUTO? Toyota Tundra.

LIEBLINGSSURFSPOT?

LIEBLINGSESSEN?

Pine Trees.

DEINE BESTE WELLE? Ich genieße jeden Run. Das ist das Schöne am Surfen, keine Welle ist wie die andere.

Was den hawaiianischen Surf-Guru abseits der Welle beschäftigt. Und was man auslassen sollte, wenn man ihn daheim besucht.

WENN ES KEINE WELLEN GIBT …

SCHON MAL JEMANDEN UM EIN AUTOGRAMM GEFRAGT?

Golf, Tennis, Snowboarden.

Marc Occhilupo, als ich sieben war.

iPod.

SURFEN MIT DEINEM VATER? Schon ein paar Jahre her.

In ein paar Jahren.

Ich gebe Wax auf die Spitze meines Fußes.

ABERGLÄUBISCH?

DVD, BUCH ODER PLAYSTATION?

HAWAII: SURFSPOT ODER HEIMAT?

DVD.

Home, sweet home.

LIEBLINGSBUCH?

LIEBLINGSFILM?

Die Autobiografie von Lance Armstrong.

„Filthy Habits“.

ANAHEIM

SCHLAFSACK ODER LUXUSHOTEL? Luxushotel.

DEINE EIGENEN VIER WÄNDE? Wenn du keine Stauballergie hast, schau einfach vorbei.

SYDNEY

BILDER: REDBULLETIN.COM (3)

TOKIO

„Ben & Jerry’s“-Erdnussbutter.

Sehr! An einem Freitag, dem Dreizehnten, gehe ich nicht aus dem Haus.

KINDER?

RITUAL, BEVOR DU INS WASSER GEHST?

DEIN STÄNDIGER BEGLEITER AUF SURFTRIPS?

WAS HAST DU IMMER IM KÜHLSCHRANK?

MEINE WELT

BILDER: RED BULL PHOTOFILES (3), WWW.SHUTTERSTOCK.COM (7), TOYOTA; ILLUSTRATION: ALMUT BECVAR

Sushi.

Shuji Watanabe: „Sayonara, Fixika-san. Japans begnadetster Street-Biker verrät sein Erfolgsgeheimnis.“ Bicycle Film Festival, Tokio, 15. Dezember 2007

016-16-17_Bullevard 16

Eddie Donaldson: „Das ist Paul Arthur, wir nennen ihn P. A. – er ist ein Riesenfan der Red Bull Music Academy!“ Supercross, Anaheim Stadium, 5. Jänner 2008

Charles Miller: „Dieser Mini wurde offensichtlich ein bisschen falsch geparkt. Aber den Zuschauern hat’s gefallen!“ Red Bull Flugtag, Sydney, 6. April 2008

21.04.2008 16:36:48 Uhr


GOTTES WERK UND ROBERTS BEITRAG

B RO

E RT OWE N S

28 % PLATTENVERKÄUFE

11 % VATERSCHAFTSKLAGEN

22 % STEHVERMÖGEN S AU WOR

26 % TREUE FANS 13 % TINNITUS

TZ SE

EN

017-16-17_Bullevard 17

SIC

H1 00 %

STAR Z USA

MM

Kennen Sie Robert Owens? Sie sollten. Und zwar aus vier Gründen. 1. R. O. ist Erfinder. Mitte der Achtziger legte er mit Fingers Inc. den Grundstein zu einem Genre, das die Clubs revolutionierte: House Music. 2. Der US-Sänger mit souligem Timbre verstummte am Zenit seines Erfolgs und eröffnete 1993 in London einen christlichen Buchladen. 3. Auf dringlichen Fanwunsch kehrte Owens zurück. Zunächst mit dem atemberaubenden Chartbreaker „Walk a Mile in My Shoes“. Und dieser Tage mit dem Album „Night-Time Stories“. Lapidares Urteil des renommierten „i-D Magazine“: „If God could sing, he would sound like Robert Owens.“ 4. Die nächste Messe mit Robert naht! Und zwar bei der Red Bull Music Academy Session am 24. Mai beim Spring Festival Graz. SPRING FESTIVAL GRAZ: 21. BIS 25. MAI 2008, WWW.MYSPACE.COM/ROBERTJOWENS

? EN

BILD: SARA MAGGIONI

: ER ET

HE

RO �M

FRÜHLINGSSTIMME

21.04.2008 16:36:55 Uhr


18

018-18-19_Bullevard_Formel 18

21.04.2008 17:12:15 Uhr


Dr. Schäfers Formelsammlung (VII)*

der weite weg nach oben Sergej Bubkas Weltrekord im Stabhochsprung ist 14 Jahre alt. Seine 6,14 Meter gelten als eingefroren bis in alle Ewigkeit. Auch Roland Schwarzl, Österreichs bester Zehnkämpfer mit einer Bestleistung von 5,20 Metern, gehört zu den Bewunderern des ukrainischen Olympiasiegers von 1988. Während Schwarzl an seiner Sprungtechnik feilt, erklärt uns Dr. Schäfer, warum Bubkas Rekord dem Optimum der Disziplin so nahe kommt. Stabhochsprung ist die anspruchsvollste Disziplin der Leichtathletik, eine exakt abgestimmte Bewegungsfolge, die dem Sportler alles abverlangt. Im Anlaufsprint sammelt der Athlet eine möglichst große Menge kinetischer Energie (E kin), die von der Geschwindigkeit (v) sowie seiner Masse (M) und derjenigen des Stabes (m) abhängt. Nach dem Einstich wird E kin auf den bis zu 5,20 Meter langen Glasfiberstab übertragen und – indem sich dieser biegt – in Verformungsenergie (Eform) umgewandelt. Je stärker die Auslenkung (d) der Biegung, desto mehr Energie ist im Stab für den Weg nach oben „gespeichert“ ( = Elastizitätsmodul des Stabes). Nach dem Absprung schwingt der zwei Meter große Schwarzl sein gestrecktes Sprungbein wie ein Pendel nach vorne, um die vertikale Bewegung zu unterstützen. Dann bringt er sich in eine fast senkrechte Position mit den Füßen nach oben und stößt sich vom entspannt aufgerichteten Stab ab. Ist sein Schwerpunkt an der End­höhe angelangt, bleibt nur potentielle Energie (Epot) übrig. Verlaufen Sprung und Energieumwandlung nahezu perfekt, so ist Epot fast gleich Ekin. (Durch das Hochziehen am Stab erzeugt er noch etwas zusätzliche Epot, die nicht von der in Eform umgewandelten E kin stammt. Das ist in den Formeln noch nicht berücksichtigt und bringt weitere Zentimeter.) Wenn wir in erster Näherung die Masse des Stabes vernachlässigen und nur die des Athleten berücksichtigen, können wir schließlich behaupten: Ein Springer, der mit 9,9 m/s unterwegs ist (so schnell war nur Bubka) und dessen Körperschwerpunkt beim Anlauf etwa bei einem Meter Höhe liegt (wie bei Bubka), katapultiert sich allein mit Ekin auf sechs Meter Höhe. Besitzt der Sportler dazu noch überragendes turnerisches Geschick (wie nur Bubka), gelingt es ihm, seinen Körper über die Latte zu „klappen“, obwohl sein Schwerpunkt ein Stück darunter durchgeht. Das letzte Wort hat die Fallbeschleunigung (g).

bild: Philipp horak; Illustration: mandy fischer

* Dr. Axel Schäfer, 39, forscht an der Fakultät für Physik der Universität Wien.  Mehrkampf-Meeting in Götzis, Möslestadion, Vorarlberg   31. MAI/1. JUNI 2008, www.meeting-goetzis.at

019-18-19_Bullevard_Formel 19

21.04.2008 17:12:19 Uhr


20

REKORDE

THE RED BULLETIN

MAI 2008

3, 2, 1 … 358.403,13!

Eine karitative Bestleistung: Die „Wings for Life“-Benefizauktion auf eBay hob ordentlich ab. Red Bull-Athleten, -Künstler und -Freunde trennten sich von wertvollen Einzelstücken oder stellten sich selbst in den Dienst der guten Sache (die Elf von Red Bull Salzburg etwa vermietete sich selbst für ein Freundschaftsspiel). Von 13. bis 30. März wurden die 55 Artikel auf eBay versteigert. Neben einem Grand-Prixerprobten Formel-1-Boliden zählte auch das Dakar-Siegerbike von Cyril Despres zu den Top-Sellern. Dem deutschen Hotelier Bardo Isenmann war die KTM 31.050 Euro wert. Isenmann: „Cyril stammt wie ich aus einer Gastronomiefamilie. Und ich bin wie er auf einer KTM Rallyes gefahren – wenngleich vor rund 15 Jahren und nicht ganz so wichtige wie er.“ Das Motorrad ist beim neuen Besitzer in besten Händen: „Sie wird einen Ehrenplatz in meinem Hotel bekommen – und bei besonderen Anlässen ausgefahren.“

Neues Zuhause. Cyril Despres (3. v. li.) übergibt seine KTM ihrem neuen Besitzer, Bardo Isenmann (2. v. li.). Heinz Kinigadner und Sohn Hannes (5. und 6. v. li.) freuen sich über 31.050 Euro für Wings for Life.

WWW.WINGSFORLIFE.COM

8050,– Vielleicht hat sich um diesen Betrag ein Fußballvereinsobmann ein ganz besonderes Geschenk zum Klubjubiläum gegönnt. Wir werden aufmerksam beobachten, in welchem maximal 150 Kilometer von der Mozartstadt entfernten Ort der Mannschaftsbus der Salzburger Red Bulls demnächst vorfahren wird, um ein Freundschaftsspiel zu bestreiten.

Diese punktlandungsrunde Summe erzielte der signierte Sprunganzug vom österreichischen Extremsportler und BASE-Jumper Felix Baumgartner.. Sein neuer deutscher Besitzer wird hoffentlich nicht am eigenen Leib die Funktionstüchtigkeit des Anzugs testen, den Baumgartner bei seinem allerersten BASE-Jump von der Drachenwand am Salzburger Mondsee trug.

020-20_Bullevard_Rekorde 20

2510,–

Auch Künstler bringen ihre Gedanken über den Sport zu Leinwand. Der österreichische Maler Christian Ludwig Attersee kreierte für die Skirennen von Kitzbühel 2006 das Motiv „Skifahrer mit Hahnenkamm“. Dieses Bild wird in Zukunft jedenfalls in Kanada und möglicherweise über dem Kamin einer einsamen Berghütte hängen.

210.050,–

1510,–

Mit dem schmucken Lackanzug von MountainbikeSpeed-Weltrekordler Markus Stöckl wird sein spanischer Käufer überall gute Figur machen: hauteng, eher offensives Hochglanzrot. Lediglich der ebenfalls mitersteigerte sehr aerodynamische Helm könnte bei modebewussten Betrachtern auf geringeres Verständnis stoßen.

1410,–

Top-Seller der Auktion war wie erwartet der Formel-1-Bolide von David Coulthard, der beim GP von Silverstone 2007 zum Einsatz kam. Das Besondere an dem Wagen war seine Lackierung, die aus 21.000 einzelnen Fotos bestand. Um eine Spende von zehn Euro an Wings for Life konnte man sein Bild hochladen und so Teil der einzigartigen Aktion werden.

2510,–– Skisprung-Gesamtweltcupsieger Thomas Morgenstern war der Dominator der vergangenen Saison. Der von ihm zur Verfügung gestellte und signierte Helm begleitete ihn bei unzähligen Flügen weit über den K-Punkt hinaus.

1800,– Das Red Bull Event Car muss sich auf eine längere Reise einstellen. Denn der Zuschlag für eine Red Bull-Party samt mobilem Soundsystem und akustisch passendem DJ ging nach Spanien. Auch für ausreichend gut gekühltes Red Bull wird mit Sicherheit gesorgt sein.

1111,53

Nach diesem schneereichen Winter scheint dieser Betrag für Eispickel und Helm des Schweizer Eiskletterers Urs Odermatt gut investiert. Im Sommer eignen sie sich hervorragend, um Gartenarbeiten überaus sicher zu erledigen oder um Eiswürfel für einen kühlen Drink herzustellen.

Der wilde Sturz von Hermann Maier bei der Olympischen Abfahrt in Nagano 1998 hätte auch anders ausgehen können. können So war es dem Salzburger ein ebenso großes wie naheliegendes Anliegen, selbst für die Kampagne „Wings for Life“ zu werben, wie man derzeit österreichweit auf Plakatwänden sieht. Bei der eBay-Versteigerung kam ein Paar seiner HEAD-Rennski unter den Hammer.

320,96

Nicht gerade ein Geschenk, der Rundflug mit der Douglas DC-6B der Flying Bulls von Salzburg nach – wahlweise – Florenz, Zürich, Berlin oder Verona, den ein belgischer Mitbieter ersteigerte. Maximal 32 Passagiere (was Auch der siebenfache Formel-1den Preis ja wieder relatiWeltmeister Michael Schumacher viert) genießen aber dafür leistete einen Beitrag zu der den besonderen Charme eBay-Auktion und stellte einen jener Maschine, mit der benutzten und signierten Helm einst das jugoslawische zur Verfügung, der einen Abneh- Staatsoberhaupt Tito mer in Kanada fand. durchaus luxuriös reiste.

25.250,– 25.250,

3787,–

BILDER: GEPA PICTURES/RED BULL PHOTOFILES (2), RED BULL PHOTOFILES/WINGS FOR LIFE, RED BULL PHOTOFILES

2000,– 2000,

Für diesen Betrag bleibt der stylische Formel-1-Overall des italienischen Ex-ToroRosso-Fahrers Vitantonio Liuzzi in Österreich. (Hoffentlich trägt der Meistbietende Konfektionsgröße Small.) Das gute Stück ist feuerfest und damit auch für den Werkstatteinsatz geeignet – freilich nur theoretisch.

21.04.2008 16:37:34 Uhr


Die erfrischendste Art,

Cranberry

zu genieĂ&#x;en.

Erfrischend neu, erfrischend spritzig, erfrischend fruchtig.

InsCranberry_RedBulletin.indd 1 021-21_Inserat_Rauch 21

16.04.2008 10:55:25 Uhr 21.04.2008 16:38:24 Uhr


IHRE FAMILIE WÄCHST. UNSERE AUCH: DER NEUE RENAULT CLIO GRANDTOUR.

www.renault.at

JETZT IN DIE CLIO FAMILIE EINSTEIGEN: AB € 49,–/MONAT, 1 JAHR VOLLKASKO INKL.!

Berechnungsgrundlage für Renault Finance Leasing inkl. gesetzlicher Vertrags- und Bearbeitungsgebühren. Fixzinsgarantie für die gesamte Laufzeit. Rechenbeispiel für Renault Clio Authentique 1.2 16V 75 PS 3-Türer mit 24 Monaten Laufzeit, 20.000 Gesamt-kmLeistung, € 3.435,– Eigenmittel, € 7.662,– Schlusszahlung und € 12.273,– Gesamtbelastung. Alle Beträge verstehen sich als Bruttobeträge. Das Angebot beinhaltet bereits eine Händlerbeteiligung. 1 Jahr Vollkasko inkl. nur in Verbindung mit einem Leasingvertrag und in Kombination mit einer Haftpflichtversicherung von Renault Finance. Freibleibendes Angebot von Renault Finance, gültig bis 31. 08. 2008. Nur für Privatkunden. Gesamtverbrauch 4,4–8,4 l/100 km. CO2-Emission 117–199 g/km. Symbolfotos.

ClioGT_Anz NEU_202x300abf_intl_K1 1 022-22_Inserat_Renault 22

14.04.2008 21.04.2008 11:35:13 16:38:31 Uhr Uhr


Elisabeth Osl tritt auf. Und zwar aller Voraussicht nach in diesem Sommer olympisch.

Helden

bild: rutger pauw/red bull photofiles

Wer uns diesen Monat bewegt.

hubert von goisern

verbringt den Sommer am Wasser, an Bord frische Musik. Was den Rhein von der Donau unterscheidet und wie eine ganze Band komponiert: Seite 24

Elisabeth Osl ist Tirolerin und mit ihrem Mountainbike schnurgerade Richtung Peking unterwegs, hat Spaß dabei und fürchtet sich auch ein bissl: Seite 30

023-23_Helden_Inhalt 23

Sébastien Loeb

hat das Verlieren verlernt. Was ihn zum besten Mann hinterm Rallye-Lenkrad macht: Seite 32

joseph Corre kommt Damen, körperlich gesehen,

näher als jeder andere Mann der Welt. Was das mit dem Life Ball zu tun hat und wie Gery Keszlers Fotoalbum aussieht: Seite 40

Jacobus Adriaanse

ist neu bei Red Bull Salzburg. Woher er kommt, wie er denkt, was ein Christbaum ist: Seite 44

21.04.2008 16:38:44 Uhr


024-24-29_Helden_Goisern 24

21.04.2008 16:39:12 Uhr


Helden

the red bulletin

25

Hubert von goisern kümmert sich um die Elemente, derzeit vor

allem: das Wasser. Im vergangenen Sommer fuhr er die Donau hinunter, ab Juni folgt der Rhein. Dazwischen Feuer, Erde und Luft: „S’Nix“, das elementare, neue Album. Text christian seiler Bild Manfred Klimek

A

ber diesmal machte es Hubert von Goisern anders, ganz anders. Er bestellte zuerst die Band ins Studio, und dann begann die Arbeit am neuen Album. Ein neues Album, das ist in der Lebensgeschichte des Musikers Ansporn und Belohnung, Bürde und Bestrafung zugleich. Gewiss, das ist die Möglichkeit, neue Klänge auszuprobieren, frische Geschichten zu erzählen. Aber was für Klänge, welche Geschichten? Wie findet die Melodie, die im Kopf noch so unerhört geklungen hat, ihr Instrument? Wo verstecken sich die wartenden Worte? Hubert von Goisern hat schon viel ausprobiert. Die Liste seiner Lieder ist lang. Manche Melodien hat er beim Zusammenräumen im Salzburgischen gefunden, es entstanden Alben mit traditioneller, feiner Volksmusik von daheim. Manche brachte er aus der Welt mit nach Hause, aus Afrika, aus Tibet, und verheiratete sie mit dem Sound der Harmonika, mit dem herzprallen Gefühl, aus dem sein Jodeln gestrickt ist. Dann das Elektrogewitter. Hubert hat bewiesen, dass ihm die wilde Rockmusik so selbstverständlich ist wie die strenge Folklore, das rann in Hitparadenerfolgen und Hymnen zusammen. So

025-24-29_Helden_Goisern 25

21.04.2008 16:39:15 Uhr


26

the red bulletin

Name

Helden

wurde der Goiserer zur Leitfigur der österreichi­ schen Musik. Doch nun sollte es um etwas Neues gehen. Eine Handvoll Leute, Tür auf, Regler öffnen. Lass uns Musik machen.

Hubert Achleitner Künstlername Hubert von Goisern Geburtsdatum 17. November 1952 Geburtsort Bad Goisern Wohnort Salzburg Ausbildung Blasmusik in der örtlichen Kapelle, klassische Gitarre in Salzburg, Musik in ­Toronto, Elektroakustik und experimentelle Musik in Wien Karriere Erste Konzerte mit den Alpinkatzen Mitte der 1980er Jahre. Durchbruch 1992 mit dem Album „Aufgeigen stått niederschiassen“ und der Single „Koa Hiatamadl“. In Folge große, ausverkaufte Konzerttourneen. Zahlreiche Veröffentlichungen (siehe S. 50). Web www.hubertvongoisern.com

Es sollte um das Verstehen von Sprachen gehen, um das Suchen von Verborgenheiten, aber auch von Verbündeten. Es sollte darum gehen, in möglichst vielen Donauhäfen anzulegen und Konzerte zu spie­ len für Menschen, die für neue Klänge ein Ohr haben würden. Wo immer das Schiff lag, sollten Musiker zusteigen und mitspielen. Neue Klänge, neue Takte, ein neues Verständnis. Das war die Vision. Am 22. Juni 2007 startete die „Linztour“ in Wien. Von dort ging es zuerst nach Melk, Passau und Regensburg, dann stromabwärts. Der „Wallsee“Verband – das gedrungene, mit Containern und ei­ ner ausgewachsenen Bühne bepackte Konzertschiff, ein Wohnschiff und das Schubschiff – stampfte an Wien vorbei in die Slowakei, nach Ungarn, südost­ wärts nach Serbien, nach Rumänien, die ukrainische Station Ismail, nach Sulina. 23 Konzerte, unzählige Erlebnisse. 300 Zuschauer in Vukovar, 7000 in Is­ mail, 10.000 beim Abschlusskonzert in Linz. anstrengendes glück. Hubert von Goisern mag seine Donau-Tournee nicht verklären. Sie lieferte starke Bilder. Sie lieferte starke Gefühle. Sie machte ihn glücklich, aber wer sagt, dass es nicht anstren­ gend sein kann, glücklich zu sein? „Je weiter wir von zu Hause weg waren, desto besser wurde es“, sagt Goisern, während er im Bulls’ Corner, dem Res­taurant des Fußballstadions von Red Bull Salzburg, einen Menüsalat verzehrt, und damit meint er zum Beispiel, dass es auf den ersten Strom­ kilometern gar nicht so nett war, dass sich die Begeis­ terung nicht von allein auf die zusteigenden Musiker übertragen wollte; dass die Band an vielen Stellen die spezifische Kraft von Straßenmusikern entwi­ ckeln musste: so fesselnd musizieren, dass flüchtige Zuschauer sich von Song zu Song entschieden, noch immer nicht zu gehen, bis zur letzten Zugabe. Chaotisch sei es gewesen, sagt Goisern, anar­ chisch: wunderbar. Wenn er sein Verhältnis zur Donau in ein Wort

bilder: jürgen skarwan

www.linztour.com

bis zur mündung. Im letzten Sommer war eine Rei­ se zu Ende gegangen, eine Reise, die Hubert von Goisern angetreten hatte, um zu kontrollieren, wo­ hin das Wasser hinter seinem kleinen, hoch über Bad Goisern gelegenen Haus fließt, in das er manchmal einen Apfelbutzen schmeißt. Dieser Bach wiederum fließt in die Traun, die findet ihren Weg durch den Traunsee, mündet bei Linz in die Donau, die Donau fließt ins Schwarze Meer. Wie aber heißt der Ort, wo die Donau eine neue Gestalt annimmt, am mythischen Kilometer null? Vielleicht hätte Hubert diese Preisfrage vor vier, fünf Jahren noch nicht beantworten können, ohne heimlich im Atlas nachzublättern. Das hat er jetzt nicht mehr nötig. Am 3. August 2007 vertäuten die Matrosen der „Linztour“ das Bühnenschiff „Wallsee“ am Pier von Sulina, und Hubert und seine Freunde holten die Instrumente aus dem Koffer, stimmten die Saiten und legten los, spielten ihr Zuhause-istsehr-weit-weg-Konzert. Das Konzert in Sulina war der Fernpunkt der „Linztour“, die höchste geographische Amplitude eines wagemutigen Experiments. Auf einer Reise durch Afrika, als er mit dem Schiff verschiedene Küstenorte am Tanganjikasee ansteuerte, hatte sich Goisern das sehnsuchtsvolle Gefühl eingefangen, ein Schiff sei, wenn man es nur richtig anschaue, eine mobile Bühne, die zum Publi­ kum kommen könne, nicht umgekehrt. Dieses Gefühl bewahrte er, zurück in Österreich, auf. Dann fand er in einem Donauhafen zwischen Linz und Pöchlarn die „Wallsee“, und dann stand die Idee, ein Schiff in eine Bühne zu verwandeln, auf und begann zu gehen.

mai 2008

Konzertschiff. Die „Wallsee“ war im vergangenen Sommer mehr als zwei M ­ onate Heimat und Bühne für Goisern und seine Band. Auf dem Schiff ist eine High-Tech-Bühnenausstattung montiert, so dass die Konzerte zu ihren Besuchern kommen können, nicht umgekehrt. Deutlich sichtbar der Graffitibulle an der Seite des Schiffs, der die Richtung angibt.

026-24-29_Helden_Goisern 26

21.04.2008 16:39:21 Uhr


übersetzen müsste? – Er nimmt einen kraftvollen, zischenden Anlauf auf nur einem Konsonanten: „Ssssuper!“ Nun ist nach der Tournee auch vor der Tournee. Die „Linztour“ geht in diesem Sommer weiter. Sie wird von Linz aus die Donau stromaufwärts führen, dem Main-Donau-Kanal folgend Richtung Norden nach Bamberg, den Main entlang von Würzburg nach Mainz, schließlich den Rhein hinunter über Köln bis nach Rotterdam. Teil zwei ist eine Expedition ins Bekannte, darin unterscheidet sich die zweite Etappe der „Linztour“ von der ersten. Doch ist jedes Land, so gut man es auch kennen mag, vom Fluss aus gesehen, ein anderes Land. Mit dieser tröstlichen und verführerischen Perspektive wird sich Hubert von Goisern im Sommer auf den Weg machen. Das Neue Album. In der Zwischenzeit nahm das neue Album Gestalt an. Es entstand in nur vier Monaten. Nicht nur die Geschwindigkeit, die ganze Entstehungsgeschichte ist außergewöhnlich. Es gab, als sich die Truppe in Goiserns Salzburger Studio traf, kein Material. Keine Songs, keine Texte. Dafür gab es eine Geschichte: die Geschichte der gemeinsamen Flussfahrt, der 23 gespielten Konzer-

027-24-29_Helden_Goisern 27

te, der Stunden auf der Bühne, der Tage auf dem Schiff. Als die Arbeit beginnen sollte, sagte Goisern seinen Kollegen: Wir werden ein Album machen, das von uns allen ist. Alle werden alles komponieren. Jeder wird als Komponist gewürdigt. Die bessere Idee gewinnt. Fangen wir an. Oft reichte ein Rhythmus, energisch vom Schlagzeug eingepeitscht; eine Bassfigur; die Schweine­ gitarre. Goisern ließ seine Besatzung gewähren. Er verbot ihnen nur, zu oft von Dur-Tonarten hinüber

Elementarteilchen. Goisern am Bug seines Schiffs. Nach der Reise gen Südosten wird in ­diesem Sommer eine ­Reise nach Nordwesten folgen. Eine erneute ­Herausforderung, weil: Die Welt, vom Schiff aus gesehen, ist eine ­andere Welt.

ES GAB, ALS SICH DIE BAND IM STUDIO TRAF, KEIN MATERIAL. KEINE SONGS. KEINE TEXTE. 21.04.2008 16:39:27 Uhr


28

the red bulletin

Helden

mai 2008

diskographie Die Alben Hubert von Goiserns: Dokumente seines Schaffens in 20 Jahren. Derweil Endlich eine Best of: Rückblick von den Alpinkatzen bis Trad. Sony/BMG, 2006

Ausland Live-Mitschnitte von der „Trad II“-Tournee. Lawine/SonyBMG, 2005

‚S’NIX‘ IST IM GEGENTEIL EIN GANZ-SCHÖN-VIEL AN STIMMUNGen, KRACHERN UND POINTEN.

nach Moll zu wechseln, Dur ist, sagt Hubert, zwingender. So ist eine kräftige, aufgeladene CD entstanden, auf der Goisern seine üblichen Markierungen weit zurückstellt. Seine Ziehharmonika ist nur dann und wann im Einsatz, und gejodelt wird noch weniger. Stattdessen tauchen entschlossene Bläser auf und die merkwürdigen Sounds der Gadulka, einer dreisaitigen Urgeige, gespielt von der berückenden Roma-Künstlerin Darinka Tsekova. Das Album heißt irritierenderweise „S’Nix“, salz­ burgerisch für „Das Nichts“. Doch was eine Medi­ ta­tion versprechen könnte, ist im Gegenteil ein Ganz-schön-viel an Beobachtungen, Stimmungen, Krachern und Pointen. „S’Nix“ ist kein folkloristisches Album, es ist ein Popalbum, ein selbstbewusstes, an aufmerksame Zu­ hörer gerichtetes Stück Popmusik, kein Berieselungsprogramm. Die Lieder umkreisen die ewigen Themen von Pop und Poesie, stellen einfache und schwierige Fragen, oft sind es im Salzburger Dialekt hinschraffierte Impressionen, die ohne explizite Botschaft ans Herz rühren, dann wieder erscheint ein Song als musikalisches Monumentalgemälde samt Klängen aus allen Teilen der Welt inklusive Balkan. Goisern, der inzwischen den Salat besiegt hat, mag nicht verhehlen, wie zufrieden er ist. Wie erleichtert, dass die unkonventionelle Vorgehensweise beim Aufnehmen sich als fruchtbar erwiesen hat. „Es haben sich alle darauf eingelassen“, sagt er. „Es haben alle als Chance gesehen.“ Tatsache ist, dass Hubert von Goisern Gefallen an der Unberechenbarkeit seiner Projekte findet – wenigstens wenn sie gut ausgegangen sind. Die Donau­ fahrt. Die Arbeit an „S’Nix“. „Stimmt“, sagt er, und ein sarkastisches Lächeln wandert von den Augen zu den Mundwinkeln. „Das erste Gefühl, sobald’s vorbei ist, ist immer: Gott sei Dank.“ Und dann? „Dann kommt der Stolz. Der Stolz, wie gut sich alles ausgegangen ist.“ ♉  HUBERT VON GOISERNS NEUES ALBUM „S’NIX“ ERSCHEINT   AM 23. MAI 2008

028-24-29_Helden_Goisern 28

Trad Zwei Handvoll alpiner Lieblings­ lieder, ruhig und schlicht intoniert. Lawine/Virgin, 2001

Fön Schwermütig-schönes Album zur politischen Fallwindwetterlage. Lawine/BMG, 2000

Inexil Zusammenspiel mit tibetischen Musikern, aufgenommen „im Exil“. BMG Ariola, 1998

Gombe HvGs Afrika-Erfahrung und Pause von den Alpinkatzen-Strapazen. BMG Ariola, 1998

Schlafes Bruder Mächtige, atmosphärische Filmmusik mit Norbert J. Schneider. BMG Ariola, 1995

Wie die Zeit vergeht … live Mit allem, was dazugehört. BMG Ariola, 1995

Omunduntn So essenziell HvG wie Kren und Speck für den Stammtischsitzer. BMG Ariola, 1994 Aufgeigen stått niederschiassen Der Durchbruch – auch für die Alpine Zabine. BMG Ariola, 1992

Alpine Lawine HvGs Erstling zusammen mit Wolfgang Staribacher. Columbia, 1988

bilder: Manfred Klimek, jürgen Skarwan

Wassermusik. Als die Band ins Studio ging, um neue Songs zu schreiben, hatte sie keine Notizen: dafür die gemeinsame Erfahrung von 23 Konzerten am ­Donauufer. Große und kleine Konzerte, begeisternde Erlebnisse vor ­einem unbekannten, spannenden Publikum. Aus dieser Stimmung wuchsen die Songs praktisch heraus.

Iwasig Heiter, energisch und unterwegs von Black and Blue ans Licht. Lawine/Virgin, 2002

21.04.2008 16:39:46 Uhr


mai 2008

Helden

the red bulletin

29

Fußballfreund. Hubert von Goisern im Stadion von Red Bull Salzburg. Für die Bullen schrieb er die Klub­ hymne. Auf seinem Album taucht eine legendäre Ra­ dioübertragung auf.

schönen Refrain daran erin­ nert, wie gut er jodeln kann. Schöne, sentimentale Ballade, die sich sogar einen Ausflug in die Gstanzlwelt leistet, leisten kann. Der Weltuntergang als Metapher, als Drohung, aber auch als Versprechen. Goisern, wie man ihn gern hat und kennt.

die cd

goisern reloaded Lang erwartet, überraschend laut und vielfältig: Auf dem neuen Album „S’Nix“ offenbart Hubert von Goisern unbekannte Seiten, Sounds und Klänge. Wenn ein Goisern-Album „S’Nix“ heißt, könnte man ohne weiteres falsche Schlüsse ziehen. Man könnte glauben, der Goiserer kümmere sich auf sanfte Weise um sein Innenleben, um religiöse Themen, um Schwingungen aus dem Fernen Osten oder das Schweigen des Salzbergs. Das Gegenteil ist wahr. Goisern hat nichts anderes getan, als nach langer Zeit des kreativen Abschweifens (Live-, Filmmusik-, Konzeptalben) wieder ein veritables Goisern-Album auf den Markt zu bringen. Die Machart freilich war außergewöhnlich. Goisern lud die Band der Donau-Tournee (Severin Trogbacher, David Lackner, Helmut Schartlmüller, Alex Pohn, Marlene und Elisabeth Schuen, Maria Moling, Darinka Tsekova, Bernd Bechtloff, Arnulf Lindner und Laura Fuchs) in sein Salzburger Studio. Dann wurde die Tür zugemacht und gespielt. Das Ergebnis: ein außergewöhnlich lebendiges Album, abwechslungsreich und niemals auf einen einzigen Stil, ein einziges Thema festgelegt. Klar, Goisern hatte ein paar Versatzstücke mit­ gebracht, die sich zu Liedern entwickeln sollten, die Tonbänder einer legendären Fußball-WM-Radioübertragung oder die Hymne für den Fußballklub Red Bull Salzburg, die er geschrieben hatte. Daraus entstanden höchst unterschiedliche Songs, höchst unterschiedliche Instrumentierungen, höchst unterschiedliche Stimmungen, so dass es dem Album am besten gerecht wird, Song für Song zu beschreiben.

029-24-29_Helden_Goisern 29

1. Showtime Lang hält sich Goisern nicht auf, bis er zur Sache kommt: eine unaufhaltsame Schweine­ gitarre gibt den Ton an, und ein Heavy-Metal-Sänger – Goisern! – schreit sich in den Song hinein, sprechsingend, reimend, den frechen Chor übertönend. Wild ist der Rock ’n’ Roll, und Goisern tritt den Beweis an, dass er nicht nur mit dem Jodeln, sondern auch mit dem Rock ’n’ Roll per du ist. 2. Rotz und Wasser Montage einer historischen Fußballübertragung, und nein, es ist nicht Edi Finger sen. aus Córdoba. Es ist Heribert Mei­ sel, der bekannte Sportjourna­ list, der für das österreichische Radio das legendäre WM-Vier­ telfinale 1954 Schweiz gegen Österreich überträgt. Das Er­ gebnis lautete bekanntlich 7:5 für Österreich, und Goisern un­ terlegt die neuralgischen Pas­ sagen mit Rhythmus und dem Klang seiner Harmonika. Schö­ ne ­Erinnerung an eine Zeit, als ­Österreichs Radioreporter noch über brasilianisches Tem­ perament verfügten. 3. Weltuntergang Der erste konventionelle Pop­ song des Albums. Goisern als Crooner, der sich nach dem

4. Auseinandertreiben Wenn sich die Trennung ab­ zeichnet. Wenn das Vertrauen schwindet. Wenn aber noch immer Hoffnung da ist, dass es vielleicht mit uns beiden wei­ tergehen könnte: herzlicher, funkiger Blues, der an seinen Rändern in die österreichische Countrymusik ausfranst. Goi­ serns Stimme stark, nah und präsent. Seine abgedämpfte Trompete, ein wunderbares Irrlicht. 5. Die Liab Endlich ein Liebeslied. Über der Gitarre elektronisches Zir­ pen, das sich in Konkurrenz zur Melodie stellt und diese davor bewahrt, zu süß zu werden. Goisern meditiert über das ewige Thema: „Die liab, die liab, sie gibt koa ruah / Und je­ den tag will s’ mehr / Und weil’s uns gar so guat tuat / Darum kann i’ mi a nit wehr’n.“ 6. Haut & Haar Ein Schäuferl nachgelegt: Das ist Goiserns Hymne für die Lei­ denschaft. Ein entschlossener Rocksong, der den Sieg des Begehrens über die Vernunft orchestriert. Schnell muss es gehen, heut Nacht. Ungeduldig ist er, der Sänger. Kraftvolle, muskulöse Nummer. 7. Leben Das Bekenntnis zum Hier und Jetzt, und wieder gibt der Rock ’n’ Roll das Tempo vor. Hinter schweren Gitarren medi­ tiert Goisern über den Sinn des Lebens: „Es g’hört uns eh nix und des Nix is umsonst / Drum is’ des / Ganze Leben für uns a die größte Kunst.“ 8. Herschaun Der vielfältigste Titel des Al­ bums. Ein entschlossen rap­ pender Goisern kippt ins ­Jodeln und wird von Balkan­

geigen aufgefangen. Könnte als Resümee der Donaufahrt gehört werden oder aber als was es angelegt ist: als Sam­ melbecken reichlich vieler mu­ sikalischer Motive über dem moralischen Imperativ des Dichters: hinschaun, her­ schaun, zuschaun. Auf keinen Fall jedoch, wie Goisern an­ merkt: blöd schaun. 9. Sieger Vom Pathos und der Wucht der Red Bull-Salzburg-Stadionhym­ ne gleitet Goisern in ein wun­ derschönes, besinnliches Melo­ dram: Die Freude am Gewinnen trifft den Schmerz des Verlie­ rens. Eindrucksvolles akusti­ sches Breitwandkino. 10. Siagst as Plötzlich die ätherische Stim­ me von Xavier Naidoo, die die­ sen Titel vom Boden hebt und im Duett eine luftige Ergän­ zung zu Goiserns Bariton ab­ gibt. Der funktioniert die Worte seines Salzburger Dialekts auch im gemäßigten Tempo zu interessanten Rhythmusinstru­ menten um: So hebt „Siagst as“ ab und segelt davon, Schmachtfetzen höherer ­Ordnung, extralange Spezial­ anfertigung für fernwehkranke Träumer. 11. Regen „Wia des wasser is, so bin i / I treib und treib nur so dahin“: so kommt eine märchenhafte Ballade früh auf den Punkt. Schönes, besinnliches Lied, kammermusikalisch instru­ mentiert, und Goisern zeigt, wie ein Salzburger Erzähler Ge­ schichten verpackt, während seine Band vorführt, wie viel­ schichtig Intimität daherkom­ men kann. 12. Hermann Der nicht sehr entschlossen versteckte „Hidden Track“ die­ ses Albums. Goiserns leise Trompete übernimmt das Kom­ mando über den Ausklang ei­ nes vielfältigen, hörintensiven Albums. Nachdenkliches Tem­ po, blaue Akkorde. Was sonst. So ähnlich könnte „S’Nix“ klin­ gen, aber dann rufen die Sire­ nen nach Hermann, und das große Rätsel bleibt ungelöst.

21.04.2008 16:39:50 Uhr


30

the red bulletin

helden

Mai 2008

Elisabeth OSL

könnte im Sommer

zum ersten Mal mit ihrem Mountainbike nach China fahren. Sie fürchtet sich ein wenig davor. Die Wahrheit ist: Die anderen haben Grund, sie zu fürchten. Text Werner Jessner Bild rutger pauw

Name Elisabeth Osl Geboren 21. November 1985, Kirchberg in Tirol Beruf Heeressportlerin GröSSe/Gewicht 165 cm/46 kg Team Ghost International Erfolge Platz 2 U23-EM 2007, Platz 3 U23-WM 2007, Platz 7 XC-Weltcup-­ Gesamtwertung 2007, Junioren-Vizeweltmeis­ terin 2002, dreifache ­Österreichische XC‑Staatsmeisterin Web www.bikeacademy.at

030-30-31_Helden_Osl 30

von kindesbeinen an. Die WM-Strecke in Kaprun ist nicht nur rutschig vom Regen, sie ist eigentlich unfahrbar. Zwei kichernde Gören stehen oben in der Einfahrt, die eine hält das Bike der anderen, damit diese in die Pedale einklicken kann, dann geht’s los. Eine Rutschpartie mit nur geringer Chance, dass oben am Ende da sein wird, wo oben sein soll. Die zwei wissen das, und trotzdem probieren sie es. Ein Quieken, die Reifen rutschen im Schlamm dieser fiesen Schrägfahrt, und ab geht die Post. Zwei kichernde Gören stehen im Hang, Maria oben, Lisi unten. Die eine dreckig, die andere noch sau­ber. Mountainbiken macht ihnen Spaß, sogar Training unter diesen Bedingungen. Nach diesem Wochenende wird die untere Junioren-Vizeweltmeis­ terin sein. Das ist jetzt sechs Jahre her. „Das Besondere an der Lisi“, sagt ihr langjähriger Trainer Kurt Exenberger, „ist ihre Disziplin und Zielstrebigkeit. Sie tut sich leicht damit, sich nicht ablenken zu lassen.“ Lisi hat fünf Geschwister, obige (um ein Jahr ältere) Schwester Maria fährt selbst Mountainbike-Rennen auf internationalem Niveau. Lisi Hager, 24-Stunden-Weltmeisterin und Chefredakteurin der „Mountainbike Revue“, verblüffen vor allem die innigen Familienbande der Osls in Kirchberg: „Lisi teilt sich das Zimmer noch immer mit einer Schwester, und für sie ist das voll okay.“ Nur beim Trainieren will Lisi Osl allein sein: „Wenn ich früher mit Maria gemeinsam trainiert habe, hat jede so hingehalten, dass ich oft hinter einer Kurve rasten musste, sobald ich außer Sicht war.“ Überraschter Blick bei Schwester Maria: „Du auch?! Hab ich auch gemacht, wenn ich vorn war!“ Erst heuer, nach fast zehn Jahren gemeinsamen Rennfahrens, haben sich die Schwestern getrennt: Lisi fährt im Team von Ghost International, Maria bei den Sunshine Racers. Ungewohnt, fuhren die Osls doch seit ihren frühen Bergrennen in Tirol im Trikot von „Toni’s Proshop“, wo sie regelmäßig viel Ältere versägten. So wurde ihr heutiger Trainer Exenberger auf sie aufmerksam. „Aber dass vor allem Lisi international ein Riesentalent ist, war damals nicht abzusehen.“ Ehemalige Weggefährtinnen wie die Staatsmeisterin von 2002, Birgit Braumann, kapierten bald, dass mit den Osls eine neue Generation im Begriff war, das Zepter zu übernehmen: „Die Lisi fuhr noch bei den Juniorinnen und hatte kaum erkennbare Schwächen. Außerdem ist sie immer gut aufgelegt. Ich mag sie.“

Das sagen fast alle über sie: Ich mag sie. „Ich lach halt gern“, sagt Lisi. „Auch wenn ich am Start stehe und nervös bin, lächle ich. Warum sollte ich auch grantig sein? Manche bringt das richtiggehend aus dem Konzept.“ Früher hatte sie einen Mentaltrainer, heute braucht sie das nicht mehr. Ihre Konzentrationsfähigkeit und der Überblick im Rennen werden als herausragend beschrieben, ihr Gewicht von nur 46 Kilo hilft ihr bergauf, und aus dem wilden Hühnchen von einst ist eine technisch exzellente Abfah­ rerin geworden. Braumann, heute Downhillerin und punkto Fahrvermögen eine Instanz, findet, dass Lisi „bergab wahrscheinlich so schnell ist wie ich“. Trainer Exenberger: „Wir haben intensiv Fahrtechnik trainiert. Ich habe Lisi erklärt, dass du ohne perfektes fahrerisches Können in der Weltspitze nix verloren hast.“ Heute kann sie sogar Einrad fahren. Der Großteil des Trainingsaufwands passiert frei­ lich im Ausdauerbereich, am Ergometer und am Rennrad. In der Saisonvorbereitung hat eine Trainingswoche unfassbare 28 Stunden. Ihre gute Konstitution hilft ihr dabei, das zu überstehen: „Ich bin so gut wie nie krank.“ Der Trainer kann sich nicht einmal an einen Schnupfen in den letzten zwei Jahren erinnern. Und das Beste: „Im Red Bull-Trainingszentrum in Thalgau kann ich viel genauer trainieren und mehr Tests machen als bisher. Die medizinische Betreuung ist perfekt. Früher mussten wir einen Test hier und ein Blutbild dort machen lassen, der Hausarzt hat den Sportmediziner ersetzt.“ Das große Ziel heißt natürlich Olympische Spiele in Peking, für welche die aktuell Weltranglistensechste als High Potential gilt. Vorher muss sie sich ironischerweise noch in Österreich dafür qualifizieren, die diesbezüglichen Normen des Radsport-Verbandes sind extrem hart. „Ich hoffe, dass ich es schaffe“, nickt Lisi, und das wird der Heeressportlerin wohl tatsächlich gelingen. Trotzdem muss man so einen ersten Formhöhepunkt weit vor dem eigentlichen Saisonziel setzen, um sich den Psychostress einer Last-MinuteEntscheidung zu sparen. Vor China ist ihr ein bissl mulmig: „So ein großes Land, und ich kann nix lesen.“ Den Trainer beschäftigen mittlerweile ganz andere Dinge: „Das Rennen findet in einem Park mitten in Peking statt, wo die Feinstaubbelastung so hoch ist, dass wir überlegen, mit Atemmasken zu fahren.“ ♉  Mountainbike Worldcup: 1. Juni 2008, Vallnord, ANdorra   www.uci.ch

21.04.2008 16:40:13 Uhr


Sogar wenn ich am Start stehe und nervÜs bin, lächle ich. Warum sollte ich auch grantig sein?

High Potential. Lisi Osl geht mit der Kraft von 28-Stunden-Wochen in die Olympia-Saison.

031-30-31_Helden_Osl 31

21.04.2008 16:40:21 Uhr


SĂŠbastien Loeb ist der Michael Schumacher

abseits von Leitschienen und Kiesbetten. Der kleine

Unterschied: Der Franzose denkt noch nicht ans AufhĂśren. Text robert sperl Bild mcklein

032-32-39_Helden_Loeb 32

21.04.2008 16:41:40 Uhr


33

Keiner fährt und fliegt präziser: In jeder Kurve holt sich Loeb Zentimeter, im Ziel ist er dann vorn.

Argentinien-Rallye 2008. Der erste Einsatz von RallyeWeltmeister Sébastien Loeb im Red Bull Citroën C4 WRC endete standesgemäß auf Platz eins.

033-32-39_Helden_Loeb 33

21.04.2008 16:41:42 Uhr


Verschnaufpause. Wenige, aber wichtige Minuten, in denen sich Loeb auf die n채chste Sonderpr체fung vorbereitet.

034-32-39_Helden_Loeb 34

21.04.2008 16:41:48 Uhr


MAI 2008

ALS LOEB EINMAL AUF ZWEI RÄDERN INS ZIEL GEHOLPERT KAM, WURDE DAS REGLEMENT GEÄNDERT: VIER SIND PFLICHT.

BILDER: FRANÇOIS BAUDIN/DPPI, McKLEIN

F

olgsam rollt Sébastien Loeb an den Straßenrand, bremst, hält das Auto an. Jetzt heißt es höflich sein, und Loeb kann wahnsinnig unschuldig schauen, wenn es verlangt wird. Ein bisschen wie Alain Delon in „Le Samouraï“, nur dass Loeb keine Schusswaffe im Handschuhfach hat. Der mexikanische Streifenpolizist stürmt an das offene Fenster des Citroën Xsara WRC heran, salutiert aufgeregt und beginnt ohne Verzögerung, mit Händen und Füßen Fragen zu stellen. Loeb spricht nicht Spanisch, aber es ist offensichtlich, was der Inspector will: Es ist selbst in einem großzügigen Land wie Mexiko nicht üblich, dass dreirädrige PKW durch die Straßen sausen und – weil, wie im Fall von Loebs Wagen, rechts hinten Reifen und Felge fehlen – mit der knarzenden Bremsscheibe einen Kometenschweif aus Funken und Metallgestank nach sich ziehen. Auch dass aus dem fahrerseitigen Fenster ein Mann hängt, ähnlich dem Vorschoter in einem Tornado-Segelboot, ist für den Polizisten neu, obwohl der „Vorschoter“ die Situation wenigstens in passablem Spanisch erklären kann: „Wir haben uns in der letzten Sonderprüfung ein Rad ruiniert und müssen schnell zum nächsten Servicepunkt, muy rápido, comprende? Und damit wir den Wagen einigermaßen in der Balance halten können, bin ich …“ „Aber Sie sind eine Gefahr für alle anderen Automobilisten!“ Der Polizist kriegt einen roten Kopf: Sogar in Mexiko gilt eine Straßenverkehrsordnung, wenn sie auch recht frei interpretiert wird. Umso mehr in diesem Moment: Die Menge der Gaffer wächst, die Autorität des Polizisten steht auf dem Spiel. Der Segler, Daniel Elena, lässt nicht locker: „Sargento, wir hatten so eine Situation schon letztes Jahr in Europa, bei der Rallye Türkei. Dort war das auch kein Problem – wir konnten beinahe normal bis zum Servicepunkt rollen und die Rallye sogar gewinnen. Wenn Sie uns weiterfahren lassen, haben wir vielleicht auch hier noch eine Chance auf den Sieg!“ Dem Polizisten ist die Sache nicht geheuer. Er zückt sein Fotohandy, schießt ein Bild vom geschundenen Citroën, drückt TRANSMITIR und macht damit das dreirädrige Rallyeauto zum Problem seines Vorgesetzten, der weit weg in einer Provinzstadt sitzt. Der löst die Sache in Windeseile so, wie man sich das als Rallye-Weltmeister erwartet: Loeb/Elena werden mit einer Polizeieskorte zum nächsten Citroën-Service begleitet, mit Tatütata und Blaulicht. Für den Sieg ist der Zeitverlust zu hoch, aber im Jahr darauf, 2006, und auch 2007 und 2008 gewin-

035-32-39_Helden_Loeb 35

HELDEN

35

THE RED BULLETIN

nen Loeb/Elena die Rallye Mexiko. Dreirädrige Rallyewagen wird es aber künftig nicht mehr geben. Kurz nachdem Loeb/Elena 2006 bei der AkropolisRallye auf nur zwei Rädern Richtung Service gerobbt waren – Loeb: „Das war wirklich abenteuerlich“ –, untersagte das Reglement derartige Extravaganzen. EINE ART SCHUMI. Will man den Franzosen Sébastien Loeb einem breiten Nicht-Rallye-Publikum vorstellen, kann man das mit „Seit 2004 Weltmeister, den ersten WM-Titel 2003 nur um einen Punkt verpasst, mit 39 Erfolgen innerhalb von nur fünfeinhalb Jahren erfolgreichster Rallyefahrer der Welt“. Besser wirkt die Hilfskonstruktion: „Sébastien Loeb ist der Michael Schumacher des Rallyesports.“ Dem schmeichelt das, obwohl: „Ich muss noch ein wenig arbeiten, um so viele Titel zu gewinnen wie Michael.“ (Nämlich sieben.) Das sollte unschwierig sein, denn vom Ehrgeiz her ähnelt Loeb Schumi: Dominanz löst keine Motivationsprobleme aus. Loeb: „Ich liebe Gewinnen viel zu sehr, als dass ich nicht mehr motiviert bin – und auch das Verlieren. Heuer will ich Titel Nummer fünf holen. So viele hat noch kein Rallyefahrer erreicht!“ Vielleicht wird Loeb dann auch in seiner Schweizer Wahlheimat ein Hero sein. Noch kann er dort unerkannt für seine Babytochter Valentine Windeln einkaufen. Am Supermarktparkplatz wird man ihn vielleicht nur daran erkennen, dass er flüssiger einparkt. Das ist das Los aller Rallyefahrer: Sie sind garantiert die komplettesten Autofahrer, haben mehr Mumm als Formel-1-Piloten (oder was, schätzen Sie,

NAME Sébastien Loeb GEBURTSDATUM/-ORT Haguenau, Frankreich 26. Februar 1974 WOHNORT In der Nähe von Lausanne, Schweiz AUSBILDUNG Elektriker, Rallye-Profi FAMILIENSTAND Verheiratet mit Séverine, eine Tochter, Valentine SPORTLICHE ERFOLGE Vier Rallye-WM-Titel (2004 bis 2007), Platz 2 bei den 24 Stunden von Le Mans 2006 WEB www.sebastienloeb.com

LOEBS DIENSTWAGEN FÜR 2008 Der Citroën-C4-Allradler, ein unverkäuflicher Werkswagen. Stehlen ist zwecklos: Ohne die richtige Software macht der millionenteure Motor keinen Muckser. Motor. 2-Liter-4-ZylinderTurbomotor mit 315 PS.

Startnummer. Seit drei Jahren die Nummer 1.

Federbein. X-fach verstellbar und das Geheimnis hinter der Straßenlage.

Getriebe. Sechs Gänge, ohne Kuppeln schaltbar.

Bremsscheibe. Von 100 auf 0 schneller als von 0 auf 100.

Thermofolie. Hält die Temperatur im Innenraum halbwegs erträglich (bringt bis zu fünf Grad).

Differenziale. Seit 2006 keine elektronische Steuerung mehr.

Aerodynamik. Der Windkanal bringt Stabilität bei Topspeed.

21.04.2008 16:41:55 Uhr


36

HELDEN

THE RED BULLETIN

EIN SALTO IN EHREN In die Fußball-Champions-League hat der Salto des Torschützen längst Einzug gehalten, auch in der Leichtathletik ist der Salto der Sieger zu finden. Sébastien Loeb hat diese Freudenbezeigung in den Rallye-Sport transponiert. Übrigens ein Leichtes für einen ehemaligen Turner wie ihn.

ist komfortabler im Fall eines Abgangs in einer zu flott gefahrenen Kurve: ein Kiesbett einer F1-Retortenstrecke oder eine Schlucht in den französischen Seealpen, wenn die Rallye Monte Carlo angesagt ist?) und sind dennoch unerkannt. Mit Anonymität hat Loeb wenigstens keine Probleme. Er stammt aus der Region Elsass nahe Strasbourg. Seine Eltern sind beide Lehrer. Wichtiger ist, dass Loebs Vater ein ausgezeichneter Turner war. Auch der zarte Séb hatte Talent: Viermal wurde er elsässischer Meister, belegte einmal in der französischen Meisterschaft Rang 5. Mit sechzehn gab Sébastien seinem Leben eine neue Richtung: Mopedrennen statt Turnen, eine Elektrikerausbildung statt der Schule lieferte Kleingeld für Reifen und Benzin. Mittlerweile gibt es ja kaum einen Rennfahrer, dessen Biografie nicht den Satz „Begann seine Karriere mit drei Jahren im Gokart“ enthält. Bei Loeb ging es nach den Mopeds hingegen zäh weiter, aus Geldmangel. Immerhin: Die Richtung wies bergauf. Loeb beteiligte sich an Nachwuchsbewerben des französischen Motorsportverbandes, fand Mäzene, die ihn ein wenig unterstützten. Dann 1997 die Rallye-Premiere, mit 23. Loeb hatte Talent: Sieg im ersten Bewerb, dann zwei weitere Klassensiege. Im gleichen Jahr nannte die Fachzeitschrift „Echappement“ Loeb bereits die größte Nachwuchshoffnung des Landes. 1998 folgten Rennen der Citroën Saxo Kit Car Trophy – bereits mit seinem monegassischen Beifahrer Daniel Elena – und ein Platz im Hoffnungsteam des Motorsportverbandes FFSA. 1999 brachte ihm das drei Starts bei WM-Läufen ein, die mit zwei Klassensiegen endeten. Schon damals war Loeb ein CitroënMann durch und durch, auch wenn er 2000 kurz mit einem Renault Mégane (französische Meisterschaft) und einem Toyota Corolla (Rallye-WM) fremdging. Der Schritt zum Profi verlief fließend, und 2001 gelang der Durchbruch: Sieg mit einem Citroën Saxo in der 1600er-WM der FIA (fünf Einzelsiege), Platz eins in der französischen Rallye-Meisterschaft (sechs Siege) und – gut aufgewärmt – ein zweiter Platz in der WM bei der Rallye San Remo. Auf Sieger Gilles Panizzi verliert er nur 11,4 Sekunden, bleibt aber bescheiden: „Citroën-Sportchef Guy Fréquelin

LOEBS WM-BILANZ

MAI 2008

hat mir eine Chance gegeben. Ich sollte zeigen, ob ich mich auch mit einem stärkeren Auto wohl fühle, und ich habe versucht, mein Bestes zu geben.“ Loeb wusste, dass er seine Chancen schnell nutzen musste: „Ich hatte nicht viel Zeit, alle Stufen zu durchlaufen, weil ich nicht mehr so jung war.“ ALLEMAGNE MON AMOUR. Was dann kommt, ist ein Feuerwerk an fahrerischer Qualität, wie man es sonst

Schweden 2004.

Sardinien 2005.

Von Sébastien Loebs erstem Start in der Rallye-WM 1999 bis zu seinem 39. Laufsieg vergingen nur knapp neun Jahre. 1997 fuhr Loeb seine erste Rallye, die Florival, und siegte in der Klasse bis 1300 ccm. Nach einigen Jahren in Nachwuchsklassen debütierte er 1999 auf Citroën Saxo in der WM (Rallye Catalunya). Bei weiteren WM-Rennen (San Remo, Korsika) holte er Klassensiege. 2001 verpasste er in San Remo den ersten WM-Sieg um 11,4 Sekunden. Seit damals fuhr er nur für Citroën. 2002 gewann Loeb in Deutschland seinen ersten WM-Lauf. 2003 wurde er WM-Gesamtzweiter (einen Punkt hinter Petter Solberg), von 2004 an gewann er jeweils die Gesamtwertung. Seine 39 Gesamtsiege (auf allen Belägen erreicht!) sind Weltrekord. Siege 3 WM gesamt: Platz 2

2003

Asphaltfahrbahn Schnee-/Eisfahrbahn Schotterfahrbahn * Stand bei Redaktionsschluss

036-32-39_Helden_Loeb 36

2002

Siege 1 WM gesamt: Platz 10 Rallye Deutschland

Rallye Monte Carlo Rallye Deutschland Rallye San Remo

Katalonien 2006.

2005

Siege 10 WM gesamt: Platz 1

2004

Siege 6 WM gesamt: Platz 1 Rallye Monte Carlo Rallye Schweden Rallye Zypern Rallye Türkei Rallye Deutschland Rallye Australien

Rallye Monte Carlo Rallye Neuseeland Rallye Sardinien Rallye Zypern Rallye Türkei Rallye Griechenland Rallye Argentinien Rallye Deutschland Rallye Korsika Rallye Katalonien

2006

Siege 8 WM gesamt: Platz 1 Rallye Mexiko Rallye Katalonien Rallye Korsika Rallye Argentinien Rallye Sardinien Rallye Deutschland Rallye Japan Rallye Zypern

21.04.2008 18:00:12 Uhr


HELDEN

MAI 2008

THE RED BULLETIN

37

Le Mans 2006, Platz 2 für Loeb. Raten Sie, mit welcher Spielkonsole sich der Franzose auf das 24-Stunden-Rennen vorbereitet hat. Unser Tipp: ein Blick aufs Auto.

nur von finnischen und schwedischen Vollgastieren kennt. Vom ersten Rennen 2002 an ist Loeb auf dem Radar der Fans und Szene-Gurus. Die Monte 2002 gewann er nur deshalb nicht, weil er eine Zeitstrafe (wegen Reifenwechsel) ausfasste. Auf der Straße war er schneller als Sieger Tommi Mäkinen. Im Herbst holte er die Sektdusche nach: Sieg bei der Deutschland-Rallye, die er seither jedes Jahr gewonnen hat – eine in der Rallye-Szene einzigartige Serie.

BILDER: IMAGO, AP PHOTO/KATSUMI KASAHARA, McKLEIN, PICTUREDESK/EPA

Deutschland 2007.

30. März 2008: Schampus in Argentinien

2007

Siege 8 WM gesamt: Platz 1 Rallye Monte Carlo Rallye Portugal Rallye Mexiko Rallye Argentinien Rallye Deutschland Rallye Katalonien Rallye Korsika Rallye Irland

037-32-39_Helden_Loeb 37

2008

Siege 3 WM gesamt: Platz 1* Rallye Monte Carlo Rallye Mexiko Rallye Argentinien

2003 wird Loeb in der WM-Wertung Zweiter hinter Petter Solberg, dann ist Schluss mit lustig: Seit 2004 wird auf diesbezüglichen Ehrentafeln nur mehr der Name Loeb eingemeißelt, mit wechselnden Jahreszahlen. Er dominiert nach Belieben: 2006 bricht er sich im Herbst beim Mountainbiken den rechten Arm, hat aber einen derartigen Vorsprung, dass er nicht mehr eingeholt werden kann. Wer in seinem ureigensten Metier so unangefochten ist, kann zur Entspannung ein bisschen in anderen Motorsportgefilden wildern. 2005 und 2006 etwa startet Loeb für das französische Pescarolo-Team bei den 24 Stunden von Le Mans. Im ersten Jahr fällt Loeb – mangels Trainingsmöglichkeiten lernt er den Kurs auf einer PlayStation auswendig – noch aus, doch 2006 wird er mit seinem Team Zweiter (es gewinnt ein Audi). Schön die Geste von Teamchef Henri Pescarolo: Er überlässt seinem Quereinsteiger das prestigereiche Überfahren der Ziellinie. Letzten Winter, genau am 5. Dezember, kam dann das Christkind schon etwas früher: Da durfte Loeb in Le Castellet den Renault-Formel-1-Boliden von Heikki Kovalainen bewegen (und der Finne bekam dafür den Citroën von Loeb zum Probieren). „Das hat richtig Spaß gemacht“, erinnert sich Loeb. „Davon habe ich immer geträumt.“ Lust auf einen

DYNAMIK UND SPIRIT Bereits bisher war Red Bull in der Rallye-WM vertreten, etwa durch den österreichischen Junior Andreas Aigner. Dass man sich jetzt noch stärker dazu bekennt, findet Sébastien Loeb großartig: „Zum einen für Citroën, weil von der Zusammenarbeit beide Marken profitieren. Zum anderen, weil eine dynamische Marke wie Red Bull wunderbar zum Rallye-Spirit passt und vielleicht andere Partner zum Einstieg motiviert.“

21.04.2008 18:00:19 Uhr


the red bulletin

Wechsel? „ Nein, dafür bin ich zu alt. Und dann gibt es mit Sébastien Bourdais ja ohnehin einen Franzosen in der Formel 1 – noch dazu einen Red BullAthleten!“ FAMILIE Citroën. Was Loeb neben der fahrerischen Qualität stark macht, ist die langjährige Zusammen­ arbeit mit Citroën: „Man hat mir am Anfang eine Chance gegeben, und wir sind zusammen aufgewachsen. Ich weiß, wie sie arbeiten und denken. Ich bin zufrieden mit dem Team und dem Auto.“ In Frankreich gibt es ein Sprichwort, das Loeb in diesem Zusammenhang passend findet: Du weißt, was du hast, aber du weißt nie, was du kriegen wirst. Dazu kommt, dass Loebs wichtigster Mentor Guy Fréquelin ist, 1981 Rallye-Vizeweltmeister und bis Ende 2007 Sportdirektor des Citro­ën-Rallyeteams. Fréquelin hatte auf alle Fragen Loebs eine Antwort, obwohl der bullige Franzose – Spitzname Grizzly – ein Überbleibsel aus der Rallye-Steinzeit ist. Als er mit Beifahrer Jean Todt (genau, dem FerrariSchlitzohr) unterwegs war, wurden die Sonderprüfungszeiten noch in Sekunden zerhackt und nicht in Zehntel. Es gab noch keine Servolenkungen und keine halbautomatischen Schaltungen, und die Fahrer krochen nach langen Prüfungen zerschlagen und hohlwangig aus ihren Überrollbügelhöhlen, oft mit blutigen Handflächen. Die Elektronik beschränkte sich damals auf Strom für Licht und Zündung, und wenn an den Servicepunkten repariert wurde, war der Mann mit dem Vorschlaghammer ebenso wichtig wie heute der Cheftechniker mit dem Laptop. Das Missing Link in die große Rallye-Vergangenheit war Fréquelin für Loeb aber nie. Loeb ist auch nicht traurig, den Wahnsinn der Gruppe-B-Monster verpasst zu haben, als Autos vom Schlag eines Audi quattro S1 über 500 PS entfesselten: „Ich fahre zu meiner Zeit, und das war eine andere Zeit. Punkt.“ Auch Helden wie Waldegaard, Röhrl oder Kankkunen sieht er emotionslos: „Ich habe bewundert, was sie erreicht haben, aber ich war nie ein richtiger Fan von irgendwem.“ Obwohl ein Stig Blomqvist, Weltmeister 1984, hätte als Vorbild schon getaugt: Der Schwede war bei der Österreichischen Alpenfahrt 1973 auch auf drei Rädern unterwegs, auf einer Verbindungsetappe über den Semmering. ♉  Rally D’Italia Sardegna (6. Lauf WRC): 16. bis 18. Mai,   www.wrc.com

Akropolis-Rallye 2006. Sieht schlecht aus, doch Loeb wurde Zweiter.

038-32-39_Helden_Loeb 38

helden

mai 2008

inside of a champion

was macht Sébastien loeb so gut? Der Wiener Rallyefahrer Manfred Stohl, zwei Jahre CitroënMarkenkollege des vierfachen Weltmeisters, über die Stärken des Franzosen.

Sébastien Loeb ist der aktuell beste Autofahrer der Welt und meiner Meinung nach der beste Rallyefahrer aller Zeiten. Ich kann das auch beweisen: Keiner hat mehr Rallyes gewonnen als er, nur Mäkinen und Kankkunen haben gleich viele WMTitel. Er hatte Legenden wie Colin McRae und Carlos Sainz als Teamkollegen und hat beide von Anfang an dominiert, ganz wie er es gebraucht hat. Sainz war damals ­immerhin der nach Siegen erfolgreichste Rallyefahrer der Geschich­ te, über Colin McRae muss man ohnehin keine Worte verlieren. ­Sébastien ist in einem privat eingesetzten Citroën Xsara 2006 gegen die Werksteams Weltmeister geworden, obwohl er wegen eines ­gebrochenen Arms um drei Rennen weniger gefahren ist als alle anderen, wobei „privat“ vielleicht nicht so privat war, wie wenn sich einer von Euch ein Rallyeauto mieten würde. Citroën ist Loebs Familie: Hier ist er groß geworden, hier arbeiten alle für ihn. Man hat sein Talent bei einer Sichtung erkannt, und er hat das komplette Programm durchlaufen. Er war sich nicht zu schade, auf schwachen Autos zu lernen, im Gegensatz zu vielen Youngsters, die sich ohne Allrad und Turbo ja gar nicht ins Auto setzen. Die Leistungsdichte bei französischen Asphaltrallyes in den kleinen Klassen ist unvorstellbar hoch, höchstens noch vergleichbar mit den finnischen Rallyes auf Schotter. Bloß dass es auf Asphalt mehr auf Präzision ankommt und weniger auf Mut. Diese Frontantriebsschule hilft ihm heute. Ein Fronttriebler ist schwieriger schnell zu fahren als ein Hecktriebler oder Allradler. Ich bin in der

Sportkollegen. Manfred Stohl (li.), Loeb.

Super 1600 gegen ihn gefahren, er im Citroën Saxo, ich im Fiat Punto. Damals war er schnell, aber nicht unschlagbar. In Finnland und England war ich bis zu meinen Ausfällen vor ihm. Er hat allerdings schon damals wenig Fehler gemacht. Loebs Glück war, dass seine Mentoren in ihm jemanden gesehen haben, der Rechnungen begleichen kann, die französische Industrie und die französische „Rallyemafia“ haben sich voll auf ihn konzentriert und ihm dadurch das Selbstvertrauen gegeben, das es braucht, um wirklich, wirklich gut zu werden. Das ist der Unterschied zwischen ihm und vielen Talenten da draußen (die man irgendwann fallen lässt, weil den Menschen rundum die Geduld ausgeht): Du bist ein Supertalent, Teil einer Familie, die sich um dich kümmert und dich von der Konkurrenz abschottet, dann

Sébastien loeb kennt sein auto besser als du dein wohnzimmer. kommt der Erfolg, das steigert das Selbstvertrauen, das macht die anderen nervös, die machen Fehler, und irgendwann hast du dem Nimbus des Unbesiegbaren. Das System Loeb ist so eingespielt, dass es selbst die Pensionierung seines Ziehvaters Guy Fréquelin unbeschadet überstanden hat. Sébastien unterlaufen schon auch Fehler. Der größte Unterschied

bilder: imago, mcklein

38

21.04.2008 16:42:35 Uhr


MAI 2008

dabei ist, wie er sie macht. Wir sind bei Citroën viele Tests gemeinsam gefahren, er am Steuer, ich daneben. Ihm passiert es genauso, dass plötzlich das halbe Heck in der Wiese ist und er sich rauszaubern muss. Jeder Fahrer, auch ich, braucht jetzt drei, vier Kurven, bis er wieder am Limit ist. Loeb nicht. Bei dem passt schon die nächste Kurve wieder hundertprozentig. Es gibt nichts, was du so gut kennst wie Loeb sein Auto, nicht einmal dein eigenes Wohnzimmer. Was man als Rallyefahrer von ihm lernen kann und auch wieder nicht, ist seine Linie: Keiner fährt so präzise wie er. Er holt sich in jeder Kurve Zentimeter. Über die 350 Kilometer einer Rallye summiert sich das. So präzise kannst du nur fahren, wenn du das absolute Vertrauen in dich und das Material hast. Du musst den Reifen spüren, das Chassis, du musst antizipieren und die Informationen, die du kriegst, zu einem harmonischen Ganzen ver-

BILDER: McKLEIN (3), IMAGO (5), GRAZIA NERI/GETTY IMAGES, ALEJANDRO PAGNI/AFP/GETTY IMAGES

SÉBASTIEN IST DER BESTE RALLYEFAHRER ALLER ZEITEN. KEINER HAT MEHR GEWONNEN ALS ER. arbeiten. Loeb fährt prinzipiell zu schnell in die Kurven hinein, kriegt dann ein grausliches Untersteuern und überlebt trotzdem. Nicht von ungefähr ist der Citroën ein brettlhartes Rennauto, sehr ähnlich den Super-1600-Autos, mit denen Loeb groß geworden ist. Die Ingenieure bei Citroën Sport, die Autos entwickeln, sind keine hochgejazzten Superstars, da gibt es keine großen Namen. Citroën Sport geht auf die Unis und holt sich die besten Leute. Die sind jung, hungrig, unverbildet, billig, haben keine Allüren und kämpfen für ihr Land. Dabei sind sie in der Regel supernett. Sébastien Loeb passt da genau hinein: Der ist auch keine kapriziöse Diva, ganz und gar nicht. Mich hat er immer

039-32-39_Helden_Loeb 39

HELDEN nach meinem Setup gefragt, obwohl er selber eine ganz präzise Idee hatte, was er vom Auto wollte. Diese Arbeitsweise zeichnet die Franzosen aus: Zuerst wird das Programm der Techniker abgearbeitet, Punkt für Punkt, dann können die Fahrer ihre Ideen einbringen. Kein Team hat mehr Daten als Citroën, auf jedem Untergrund, unter allen Umständen: die perfekte Basis für Speed und Vertrauen. Loeb ist auf ganz selbstverständliche Art Teil dieser jungen Partie, die da vor sich hin werkelt, nicht die Primadonna, die er als vierfacher Weltmeister ja durchaus sein könnte. Ich kann mich nur an eine Szene erinnern, wo er den Technikern auf drastische Art demonstriert hat, dass sie am Holzweg sind: Es ging um die Entwicklung der Launch Control, einer Startautomatik, wo du als Fahrer nur den Handbremshebel loslassen musstest, und das Auto ist ganz smooth losgetigert. So weit der Plan. Irgendwo war ein Hund drin, und das Auto hat Sachen gemacht, die es nicht machen sollte. Séb ist dann rückwärts aus dem Service gerollt, hat direkt vor dem Zelt mit den Technikern die Launch Control aktiviert, das Auto hat prompt, wie von Loeb prophezeit, gebockt und die Jungs derart eingestaubt, dass wirklich jedem klar war, dass das Zeug nicht funktioniert. Was mir vor allem taugt, ist dieser offene Zugang, dass er über den Tellerrand schaut. In seiner Jugend war Loeb ein hochklassiger Bodenturner, jetzt ist er Rallyefahrer, und wenn du ihn gaudihalber in ein F1-Auto setzt, wie es Renault im Vorjahr gemacht hat, ist er auch da bei der Musik dabei. Mich erinnert er dabei an Jean-Michel Bayle, der Motocrosser war, dann in den USA die Supercross-Szene aufgemischt hat, in die Straßen-WM gewechselt ist, nebenbei EnduranceRennen gewonnen hat, um jetzt Tourenwagen und Rallyes zu fahren. Vergleichen kann man das mit einem Skispringer, der in Kitzbühel startet und die Alpinen birnt, um danach eine Karriere als Tennisprofi anzugehen. Hab ich schon gesagt, dass ich Frankreich mag? Mir stellt sich die Frage, was

39

THE RED BULLETIN

Loeb noch erreichen will. Solang er auf Citroën in der WM unterwegs ist, sehe ich keinen, der ihm wirklich gefährlich werden könnte, weder Mikko Hirvonen noch Jari-Matti Latvala. In gewisser Hinsicht ist Sébastien in einem ähnlichen Luxus-Dilemma wie einst Michael Schumacher: Wie oft will ich noch Weltmeister werden? Als Ausgleich hat er immerhin das 24-StundenRennen von Le Mans, wo er aber auch schon am Stockerl war. Ich würde gern mit Loeb tauschen. Anlegen möchte ich mich mit ihm nicht.

SEIN FREUND GUY Ex-Citroën-Rennleiter Guy Fréquelin gab Sébastien Loeb so manchen Tipp, doch auch von Konkurrenz und Teamkollegen hat Seb viel gelernt.

Colin McRae

Teamkollege 2003 Wusste, wie man auf Schotter schnell ist, und hat es dem damaligen Asphalt-Ass Loeb erklärt.

Carlos Sainz

Teamkollege 2003/04 Tauschte sich mit Loeb bei der Autoabstimmung kameradschaftlich aus: „Ich glaube, das war einzigartig.“

Marcus Grönholm Mikko Hirvonen Ex-Konkurrent „Ein großer Rivale. Ich habe Rennen gegen ihn immer genossen.“ Daraus folgt: Konkurrenz ist gut für die Form.

Konkurrent (Ford) Erfahrener Pilot, der laut Loeb für Überraschungen gut ist; jedoch eher auf Schotter.

Petter Solberg

Letzter WM vor Loeb Lag 2003 am Ende einen Punkt vor Loeb. Seither heißt Loebs Strategie: Vorsprung hübsch hoch halten.

Dani Sordo

Teamkollege 2008 Verdammt stark auf Asphalt und damit für Loeb ein exzellenter Gradmesser etwa in Korsika.

Routinierter Jubel: 39 WM-Siege machen’s möglich …

Chris Atkinson

Konkurrent (Subaru) Leute wie ihn nennt man „Dark Horse“: etwas unscheinbar, aber Stammgast auf dem Podium.

Jari-Matti Latvala Konkurrent (Ford) Loeb: „Großes Potenzial und sehr schnell.“ Nützte 2008 Loebs Ausfall in Schweden zum Sieg.

21.04.2008 16:43:01 Uhr


40

the red bulletin

helden

mai 2008

Joseph Corre

zieht den Life Ball

2008 aus. Mit seinem Reizwäsche-Label „Agent Provocateur“. Ein Mann, der vom Punk zum Sex kam – und dafür fast zum Ritter geschlagen wurde. Text Peter krobath, ursula macher

Name Joseph Ferdinand Corre Eltern Vivienne Westwood und Malcolm McLaren Spitzname „Prince of Punk“ GeburtsDatum 30. November 1967 Geschwister Halbbruder Ben ­Westwood, Fotograf; Spezialgebiet: Erotik Wohnort London Beruf Dessous-Designer Berufung Sänger der Gruppe Dirty Stop Out Website www.agentprovocateur. com

040-40-43_Helden_Corre 40

Unterwäsche ist auch nicht alles. „Erotik muss im Kopf anfangen. Bei der Intelligenz“, weiß Joseph Ferdinand Corre. „Ich ziehe mich selbst gern schön an, und das mag ich bei Frauen auch. Wie sie sich geben, zu ihrem ganz eigenen Stil stehen, das finde ich sexy. Aber der Kopf ist das Wichtigste – nicht die Lippen, nicht die Augen, nicht der Busen.“ Seltsame Worte für einen phantasievollen Freigeist, der seinen Lebensunterhalt mit frech-frivolen Feinheiten verdient. Aber schließlich ist der Mann nicht nur ein x-beliebiger Dessous-Designer. Joseph Corre (den Ferdinand lassen wir bis auf weiteres bleiben) ist der beste Dessous-Designer dieser Welt. Sein Label „Agent Provocateur“ ist nicht mehr aus dem modernen Leben wegzudenken. Werte Dame: Sie wissen das wahrscheinlich eh schon längst. Werter Herr: Falls Sie das noch nicht wissen, fragen Sie doch einfach Ihre Frau. Oder Sie erkundigen sich bei Gwen Stefani, Christina Aguilera, Victoria Beckham, Madonna oder Kate Moss. Die tragen Corres Teile nämlich auch. Und stehen sogar dazu. Agent Provocateur. Das sind mittlerweile 38 Luxus-Lingerie-Läden zwischen Las Vegas, Vancouver und Moskau. Oslo, Stuttgart und Zürich. Dubai, Hongkong, London und Wien. Ausweichen unmöglich. Ausziehen erwünscht. „Es geht um Qualität“, so Corres Erfolgsgeheimnis. „Ich lasse lieber weniger als mehr produzieren. Weil ich nur das verkaufen kann, was ich selbst auch mag. So gesehen bin ich ein schlechter Verkäufer. Ein echt schlechter Verkäufer.“ Understatement ist eben auch ein Statement. Besonders in Großbritannien. Angefangen hat alles am Wühltisch. Neben ganz normalen britischen Hausfrauen. In einem ganz gewöhnlichen Kaufhaus. Mit einem relativ harmlosen Wunsch. Joseph Corre, frisch verliebt, wollte Unterwäsche für seine Freundin kaufen: „Das war schwer. Alles war schwarz oder weiß, rote Wäsche gab’s maximal zu Weihnachten. Außerdem hatte ich keine Lust, mich am Wühltisch mit lauter aufgeregten Hausfrauen um Höschen und BHs zu raufen.“ Also ab in einen ganz normalen britischen Sexshop. Neben ganz normalen britischen Sexshop-Kunden. Noch schlimmer. „Ich wollte schauen, was sie haben. Da gab es ein Produkt, das hieß ‚Lager-Flavoured Nipple Drops‘. Ich dachte: Mein Gott!!! Ist das wirklich das Niveau der britischen Sexualität? Dass am Freitagabend der Mann heimkommt und zu seiner Frau sagt: ,Schau,

was ich dir Schönes mitgebracht habe! Tropfen aus dem Sexshop! Die kannst du dir auf die Brustwarzen träufeln, dann schmeckt das nach Bier.‘ In dem Moment war mir klar: Es muss was getan werden.“ Kann natürlich auch sein, dass ihm dieser Gedanke schon viel früher gekommen ist. – London 1975. In 430 King’s Road betreiben Vivienne Westwood und Malcolm McLaren ein Geschäft, das „Gummiklei­ dung für das Büro“ anbietet. Es gibt lackschwarze Stöckelschuhe zu kaufen, finster-fröhliche Fetischmode und Zubehör für schlagfertige Spielchen aller Art. Im Schaufenster sind Lederharnische und TShirts mit pornografischen Graffiti zu sehen. Darüber prangt der Name des Unternehmens, unübersehbar in dezentem Schweinchenrosa: SEX. Vivienne Westwood, eine ehemalige Lehrerin, die sich als Modeschöpferin versucht, gibt dem Punk das Design. Malcolm McLaren, ihr Lebensgefährte, der sich mit allerlei geris­senen Ideen über Wasser hält und sich irgendwie auch als Musik-Impresario versteht, findet direkt vor ihrem Shop das passende Gesicht dazu: Vivienne zieht Johnny Rotten an, Malcolm stellt ihm eine Band zusammen. Der Rest der Geschichte ist ein Schrei, den man in der Popmusik noch heute nicht überhören kann: Sex Pistols!!! Papa und Mama machen auf Punk. Ihr gemeinsamer Sohn Joseph ist damals acht Jahre alt. Statt seine Zeit auf dem Spielplatz zu vertrödeln, landet er nach der Schule im elterlichen Laden. Zumeist von begeisterten Freunden begleitet, sofern deren Eltern nichts dagegen hatten. Seine hatten freilich nichts dagegen. Die Kindheit war wild, aber: „Ich habe mich in diesem Ambiente sehr wohl gefühlt“, erzählt Corre heute. „Und wenn ich etwas von meiner Mutter gelernt habe, dann das, wie man einen Shop nützen kann. Nämlich als Plattform für eigene Ideen, die du ausschließlich über dein Schaufenster verkaufst.“ Eine Figur wie ein Preisboxer im Maßanzug. Eine Stimme wie eine Durchsage am Flughafen Heathrow. Angenehm unaufgeregt, aber bestimmt. Joseph Corre ans Telefon zu kriegen ist eine relativ leichte Übung. Während bei uns jeder drittklassige Leider-dochnicht-Nationalteamkicker seine Handynummer wie ein Staatsgeheimnis behandelt, hat der Designer, des­ sen Dessous mindestens ebenso viel zur sexuellen Be­ freiung beigetragen haben wie seinerzeit die Erfindung der Antibabypille, kein Problem, wenn’s klingelt.

21.04.2008 16:43:31 Uhr


041-40-43_Helden_Corre 41

BILD: AGENT PROVOCATEUR; ILLUSTRATION: ALMUT BECVAR

Sein, Schein und Seidenhöschen. Dieser Mann weiß, was Frauen wollen. Beziehungsweise was Männer von Frauen wollen. Beziehungsweise wie man mit Unterwäsche Mode macht.

21.04.2008 16:43:36 Uhr


42

the red bulletin

helden

Joseph Corre ist ganz offensichtlich ein Lebemann. Ein beinharter Geschäftsmann ist er aber auch. Mit knapp über zwanzig war der Schulabbrecher bereits im Modeimperium seiner Mutter tätig. Als eine Art Geschäftsführer, fast neun Jahre lang. Dann hatte er genug von der harten Welt der Haute Couture – und entschied sich für weichere Linien.

Punk rules, Sex Sells. In diesem Laden in der Londoner King’s Road verbrachte Joseph Ferdinand Corre seine Kindheit. „SEX“ war allerdings kein Sexshop, sondern die Boutique, die den Punk ausstattete. Inhaber: Josephs Eltern Vivienne Westwood und Malcolm McLaren.

Frivole Geheimnisse. 1994 eröffnet Joseph Corre gemeinsam mit seiner damaligen Frau Serena Rees den ersten „Agent Provocateur“-Shop. Folgerichtig in Londons legendärem Rotlichtviertel Soho. Prominente Kundinnen stellen brav ihre sündhaft gefüllten Einkaufstaschen zur Schau. Auch das hatte und hat System. Auf die Promis könnte Corre verzichten, wie er mittlerweile sagt. Auf die Einkaufstaschen nicht. Lasziv geschwungener schwarzer Schriftzug auf blassrosa Untergrund. Darin hübsche Lackkartons mit schwarzem Mascherl. So schafft man Geheimnisse. „Es gibt wohl kein anderes Einkaufssackerl, bei dem die Phantasie der Leute derart zu arbeiten beginnt“, sagt Joseph Corre, der für jedes noch so kleine Detail in seiner Reizwelt zuständig ist. „Was hat sie gekauft? Etwas eher Braves? Etwas sehr Frivoles? Was hat sie damit vor? Und mit wem? Niemand würde sich solche Gedanken bei einem Chanel-Sackerl machen.“ Wien 2008. Auf der Tuchlauben 14 stauen sich Fußgängerschwärme. Tuschelnde Passanten stieren unverhohlen verstohlen ins Schaufenster von Agent Provocateur. Knallgelbe Gartenschläuche schlängeln sich um knapp bekleidete Schaufensterpuppen. Bikinis im Leopardenlook gibt es zu sehen. Aber auch blau-weiß gestreifte Rüschenhöschen. Und die eine oder andere Zimmerpeitsche sowieso.

Agent Provocateur. Schnüren für den guten Zweck: die luxuriöse Variante der sexuellen Revolution.

042-40-43_Helden_Corre 42

Frech aus Prinzip. Punks waren verrotzt. Versifft. Verdreckt. Meinetwegen sogar verdorben. Aber sie legten Wert auf ihre Unterwäsche. Punkmädels trugen Strumpfhalter. Meistens sogar über der Hose. Knapp überm Hintern. Haarscharf unterm Nietengürtel. Von dem im besten Falle Handschellen und ähnlich aufreizende Utensilien baumelten. Im Prinzip hat sich Corre nicht sehr weit vom SEX seiner Elternstube entfernt. Nur bevorzugt er halt die luxuriöse Version. Was ihn allerdings um nichts weniger lebhaft macht. Wenn Joseph Corre in Wien ist, steigt er im Hotel Orient ab. In der Kaisersuite. Weil ihm die verrucht-plüschige Stimmung gefällt. Der Champagner­ verbrauch soll die Betriebsleitung jedes Mal aufs Neue bei Laune halten, heißt es. Wilde Partys sind trotzdem keine überliefert. Was an der Verschwiegenheit des legendären Stundenhotels liegen mag. Oder an der Tatsache, dass er seine wilden Partys – zumindest diejenigen, die fürs Auge der Öffentlichkeit bestimmt sind – nur dann feiert, wenn über der Veranstaltung der Name des eigenen Labels steht. Dann kann es aber passieren, dass Joseph Corre zum Mikrofon greift. Als Sänger seiner eigenen Band. Dirty Stop Out (den Bass zupft Ex-The-Clash-Mann Mick Jones) wird auch beim Life Ball aufspielen. Erstmals vor ganz großer Kulisse. Und noch dieses Jahr soll eine erste Platte auf den Markt kommen. Falls Joseph Corre es sich bis dahin nicht anders überlegt. Der Mann hat nämlich ständig neue Ideen. Und setzt sie auch um. Unkonventionell, aber überlegt. Anders könnte man in diesem Markt nicht überleben. Sagt er selbst. Agent Provocateur verkauft Unterwäsche, die politische Bildung gibt’s gratis dazu. Deshalb hatten Corres Schaufenster von Anfang an auch den gefähr­ lichen Charme rotzfrecher Kunstinstallationen. In London gab es blutverschmierte Schaufensterpuppen, als Tony Blair britische Truppen in den Irak schickte. Und der sagenhaft sündige rote Seidenslip, auf dem die Botschaft „The only bush I trust is my own“ zu lesen stand, ist sowieso Legende. Logisch hat Joseph Corre vor einem Jahr die Erhebung in den Rit­ terstand schlichtweg abgelehnt. So ein Affront passt zu seinem Stil. Der Kniefall vor der Queen nicht. „Ich finde offenen, zur Schau getragenen Sex viel ehrlicher als verklemmten.“ Nun wird Corre sein Motto beim Life Ball präsentieren. „Meine Mutter hat das auch schon gemacht.“ Es gibt schlechtere Gründe, um auf eine geile Party zu gehen. Besonders bei dieser Mutter. ♉  Life Ball 2008: 17. Mai, vor und im Wiener Rathaus   www.lifeball.org

bild: agent provocateur

Ich kann nur das verkaufen, was ich selbst auch mag. So gesehen bin ich ein schlechter Verkäufer. Ein echt schlechter Verkäufer.

21.04.2008 16:43:55 Uhr


(5)

(3)

(6)

(4) (7) (9) (1)

(11)

(10)

(2) (8)

Best of Party

heidi und hans moser

Bilder: Andreea Fabian, Bernhard Fritsch, Sarah Hopfer, Max Moser, Andreas Tischler, Laurent Ziegler

Der Life Ball wird sechzehn. Sein Vater Gery Keszler über die schönsten und lustigsten Momente aus dem Leben eines Party-Teenagers. Der Life Ball ist in seiner ganzen Struktur wie das Leben selbst: voller bewegender, berührender, sinnlicher, froher und skurriler Momente. Jedes Jahr wieder ist es trotz aller Nervosität ein ganz besonderer Augenblick für mich, vor 40.000 Menschen auf die Bühne zu gehen und diese Woge der Solidarität und des Wohlwollens zu spüren, auf der einen das Publikum trägt. Es erstaunt mich stets aufs Neue, mit welcher Begeisterung und großem Willen zur Erregung der allgemeinen Aufmerksamkeit sich viele Gäste ausstatten. Die Kreativität, die Teil der Gesamtinszenierung ist und dem Life Ball sein unverwechselbares Bild verleiht, ist nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne enorm. All diese Menschen wollen ausgelassen ­feiern, sich zumindest für einen Abend eine andere Identität überziehen, sind aber gleichzeitig auch sehr sensibilisiert für den eigentlichen Anlass, an dem in erster Linie auch mein Herz hängt. Ich bin im Rahmen der Eröffnungszeremonie immer dann speziell emotionalisiert, wenn HIV und Aids thema­ tisiert werden, besonders bei der Verleihung des Crystal of Hope, der immer von einem Weltstar an einen Groundworker überreicht wird und der exemplarisch zeigt, warum und wofür es den Life Ball gibt. 2005 verlieh Liza Minnelli (1) diesen Award, und ihre Rede – gefolgt von einer gesanglichen Einlage, zu der sie sich am Vorabend des Balls spontan entschlossen hat – war eine der stärksten, die je bei uns gehalten wurden. Man hat richtig gemerkt, welche Energie diese große Dame aus ihrem Auftritt gezogen hat, sie hat sich eigentlich das gesamte Wochenende über unermüdlich für den Life Ball

043-40-43_Helden_Corre 43

Best of Gerys Gästeliste. Zu Herrn Keszlers (8) liebsten Gästen zählen u. a. Catherine Deneuve (9) sowie die Designer Renzo Rosso (10) und Vivienne Westwood (11).

eingesetzt und wertvollste PR-Arbeit geleistet. Grandios natür­ lich auch die beiden bislang gehaltenen Reden von Sharon Stone (2), die den Life Ball als ranghöchste Vertreterin unseres internationalen Kooperationspartners amfAR besucht. Speziell 2006 konnte man auf dem Rathausplatz eine Stecknadel ­fallen hören, als sie in ihrer Ansprache jeden einzelnen im Publikum direkt anzusprechen schien und HIV/Aids so zur persönlichen Sache eines jeden machte. Eine, die ich ebenfalls bewundere, ist Topmodel Debra Shaw (3). Sie kommt beinahe jedes Jahr zum Life Ball, hat eine eigene Aids-Hilfsorganisation und ist dermaßen ehrlich engagiert, dass sich viele, die gerne über die Modebranche ihre Nase rümpfen, an selbiger nehmen sollten. Selbstverständlich gab es aber auch unzäh­ lige, oft erst im Nachhinein betrachtet lustige Momente: Als Grace Jones (4) 1999 nicht auftreten wollte und ein Mitarbeiter im Smoking bei ihr in der Sauna saß, um sie bei Laune zu halten; als uns für Jean-Charles de Castelbajac (5) das von ihm gewünschte Evian ausging und wir ihm Leitungswasser in die Flasche füllten (was er nicht bemerkte); als es für Kelis ­keinen Ingwertee gab und eine Kollegin beherzt mit Ingwer vom Sushi improvisierte; oder als Heidi Klum (6) bei den ­Proben alle mit ihren Hans-Moser-Parodien unterhielt. Und sehr bemerkenswert auch Naomi Campbell (7). Weil sie zu jedem Termin pünktlichst erschien, nicht einen Sonderwunsch äußerte, engagiert für Betroffene eintrat und engelsgleich ihr Aggressionspotenzial verloren zu haben schien. Aber vielleicht lag auch das an der speziellen Magie des Life Balls …

21.04.2008 16:44:17 Uhr


44

the red bulletin

Helden

Jacobus adriaAnse

mai 2008

liebt volle Stadien und braucht

die Offensive wie andere die Luft zum Atmen. Daneben erfindet der neue Trainer von Red Bull Salzburg Fußballvokabeln, die nach holländischem Käse klingen. Text robert sperl Bild manfred klimek

Name Jacobus Adriaanse Spitzname „Co“, „Co Kerstboom“ Warum Kerstboom? Erfand das 1-2-3-4-Spielsystem, bei dem die Mannschaftsaufstellung an einen Weihnachtsbaum erinnert Geburtsjahr/-ort 21. Juli 1947, Amsterdam Lebt in Amsterdam, bald in Salzburg und Mauterndorf Ausbildung Fußballprofi, Turnlehrer, Profi-Fußballtrainer Ehemalige spielposition Vorstopper Hobbys Wintersport, Radfahren

044-44-51_Helden_Adrianse 44

der besucher. Im Fernsehen hatte er Red Bull Salzburg schon gesehen und auch auf DVDs. Heute Abend sitzt Jacobus „Co“ Adriaanse erstmals in der Bullen-Arena, um jene Mannschaft live zu sehen, die er ab 26. Mai trainieren wird, als Nachfolger von Giovanni Trapattoni. Die Red Bulls empfangen Puntigamer Sturm, der regierende Meister den Herbstmeister der laufenden Saison. Die Salzburger brauchen einen Erfolg, um ihre Chancen auf den Titel zu wahren. Das macht sie augenscheinlich nervös: Mühsam lässt sich auf dem heute glitschigen Kunstrasen – der Platzwart hat es bei der vor dem Anpfiff üblichen Dusche heute besonders gut gemeint – das Match an. Ebenso mühsam wahrt Adriaanse sein Inkognito: Auch wenn er in der hinteren der zwei Sitzreihen sitzt, die es vor der gläsernen Skybox gibt, wie hier der VIP-Bereich heißt, drehen sich ständig Köpfe in seine Richtung. Fans zeigen mit dem Finger auf ihn, Fotografen lassen ihre Kameraverschlüsse klicken. Was der Holländer an diesem Abend sieht, bedeu­ tet Arbeit. Die Bullen haben nicht ihren besten Tag erwischt und spielen wenig meisterlich. In der Abwehr mehr Bemühen als Konsequenz gegen die Ideen der Gäste, die netterweise nur kurz aufblitzen. Im Mittelfeld verstrickt im Klein-Klein, das zu selten dank Energieanfällen einzelner Akteure in Kombinationsspiel übergeht. Im Angriff bricht kurioserweise Louis Ngwat-Mahop mit einem herzhaften Schuss die Torsperre, jener Stürmer, der sich bis dahin recht unauffällig präsentiert hat. Adriaanse bleibt von alledem äußerlich unberührt. Er sitzt nahezu unbeweglich in seinem Sessel, die Hände vor der Brust verschränkt oder den Kopf leicht auf den rechten Arm gestützt, entspannt wie im Kurkonzert. Er macht sich keine Notizen, bespricht sich nur ab und zu mit Red Bull-Sportdirektor Heinz Hochhauser, der in seiner Nähe sitzt. Für die Fans auf jeden Fall ein Vorgeschmack auf das, was sie nächste Saison erwartet: kein Rumpelstilzchen, sondern die Gelassenheit in Person. Ist

er immer so cool? Adriaanse: „Du musst die Arbeit während der Woche machen, die Mannschaft sehr gut programmieren, einen Spielplan machen, eine sehr gute Analyse vom Gegner.“ Zwei Etagen tiefer tigert Giovanni Trapattoni gestikulierend durch die Betreuerzone. Die Bügelfalten seiner Hose zerschneiden zornig die Luft. Mit Erfolg: Die Bullen gewinnen am Ende 3:0. der erfinder. Der Abend im Stadion war nicht der erste Besuch von Jacobus Adriaanse in Salzburg. Schon Jahre zuvor, als Kind, kam er mit seinen Eltern, verbrachte Urlaube in Österreich oder war auf der Durchreise Richtung Italien und Jugoslawien. Seit Ende 2006 kommt er häufiger, weil inzwischen Hausbesitzer im salzburgischen Mauterndorf. Lungau deshalb, weil er die Gegend liebt, wo man Ski fahren kann, Rad fahren, wandern. Deshalb macht Adriaanse für seine 60 Jahre und angesichts seines Stressberufs einen äußerst fitten Eindruck: Hier schaut offensichtlich jemand darauf, dass nicht nur seine Kicker körperlich gut beieinander sind. Im Dezember 2007 wurde das Chalet, wie Adriaanse sein Haus nennt, fertig. Einige Wochen davor hatte Heinz Hochhauser angerufen, der Sportdirektor von Red Bull Salzburg. Von der Stadt Salzburg wusste Adri­aanse damals deutlich mehr als von den Bullen – Mozart, Salzstadt, Getreidegasse. Hochhauser und Adriaanse wurden jedoch schnell handelseins, deshalb kamen mit jedem weiteren Tag mehr Informa­tionen über die Red Bulls hinzu: ein modernes Stadion, das opulente Trainingszentrum Taxham gleich vis-à-vis, professionelle Organisation, eine gute Mannschaft. Insgesamt ein ambitionierter Verein und die Chance für Adriaanse, nach fast zwei Jahren in der Ukraine und in Qatar bei einem mitteleuropäischen Topklub Fuß zu fassen. Den Vertrag, vorerst für ein Jahr, unterschrieb Nichtraucher Adriaanse am 12. März in der Cigars Lounge des Hangar-7. Dort empfingen Dietrich Mateschitz – ein ausgewiesener Fan der holländischen

21.04.2008 16:44:58 Uhr


Adriaanses Arbeitsplatz. Durch diesen Tunnel betritt Red Bull Salzburg das Stadion.

045-44-51_Helden_Adrianse 45

21.04.2008 16:45:09 Uhr


46

HELDEN

THE RED BULLETIN

MAI 2008

DIE HÖHEPUNKTE AUS 52 JAHREN FUSSBALL

DIE KARRIERE DES JACOBUS ADRIAANSE Vom grimmigen Vorstopper in der holländischen Ehrendivision bis zum Meistermacher in Portugal: Red Bull Salzburg bekommt mit Co Adriaanse einen Fußballexperten europäischen Formats.

1978–1979 1982

1981

1980

1979

1978

1977

1976

1975

1974

1973

1972

1971

1970

1969

1968

1967

1966

1965

1964

1963

1962

1961

1960

1959

1958

1957

1956

DRC Amsterdam Spieler Amateure

1961–70

De Volewijckers Spieler Nachwuchs, Kampfmannschaft

Ab 1964

Profi bei De Volewijckers Spieler Erste Division

1979–1983 1970–1976

Zilvermeeuwen Trainer Amateure

FC Utrecht Spieler Ehrendivision (o. li.), bis 1976, 176 Spiele

1976–1978 OSV Amsterdam Spieler Amateure

HRVC Amsterdam Spieler Nachwuchs

Fußballschule – und Hochhauser Adriaanse und dessen Frau Astrid. Salzburg hieß den Holländer ebenfalls auf nette Art willkommen, auch wenn der plakatierte Werbespruch der Autofirma Audi von Herbert von Karajan handelte. „Orchester haben keinen eigenen Klang: Den macht der Dirigent“ war da zu lesen. Adriaanse kann dem was abgewinnen: „Ein Trainer ist wie ein Dirigent, ja, oder wie ein Maler.“ DER UNTERHALTER. Wobei ein Adriaanse anders aussieht als ein Trapattoni: Das wird gleich bei der ersten offiziellen Pressekonferenz, am 1. April, sichtbar. Der designierte Bullen-Coach Adriaanse diktiert den Journalisten da gleich etliche interessante Statements in die Mikrofone. Etwa jenes von Profifußball als Amüsement: „Gewinnen ist wichtig, aber wenn das Stadion ausverkauft ist, ist das für mich wichtiger. Denn das ist der Beweis, dass die Zuschauer Red Bull Salzburg lieben.“

IN HOLLAND DENKEN WIR IMMER ANS ANGREIFEN UND TORESCHIESSEN. 046-44-51_Helden_Adrianse 46

Oder die Antwort auf die Frage, ob es für ihn schwierig ist, sich von seiner neuen Mannschaft ein Bild zu machen: „Ich brauche nur fünf, zehn Minuten, um zu sehen, ob ein Spieler die Basismöglichkeiten hat, um meine Ideen zu verwirklichen. Schießt er links oder rechts, ist er schnell oder nicht, kreativ oder nicht kreativ, kann er Tore schießen oder nicht, ist er passiv oder dynamisch, groß oder klein. Das ist nicht so schwierig – bei einem guten Spieler kann jeder sehen, dass er was kann.“ Oder warum er zwar zwei Assistenten mitbringt – Co-Trainer Luc Nijholt, zuletzt Manager bei Stormvogels Telstar, und Technik-Trainer Chris Kronshorst, der auch mit dem Nachwuchs arbeiten wird –, aber keinen Konditionstrainer braucht: „Schwimmen macht man im Schwimmbad und Fußballspielen auf dem Fußballplatz – die Arbeit mit dem Ball bringt die Kondition. Natürlich arbeiten wir auch ohne Ball, aber nicht so oft.“ Adriaanse braucht auch keinen Mentaltrainer: „Ich bin der Mentalcoach für die Spieler. Ich bin da wie ein Hausarzt: Du rufst an, ich komme, und 80 Prozent der Probleme lassen sich mit Pflaster und Aspirin lösen. Für richtige Probleme gibt es dann einen Psychologen. Aber ich brauche keinen Psychologen, der jeden Tag da ist und denkt: Red Bull bezahlt mich, da muss es doch auch Arbeit geben für mich, und jetzt suche ich ein Problem. Diese Leute machen selbst Probleme.“ Bereits in Holland war Adriaanse bekannt für seine Eloquenz. Während seiner Zeit in Alkmaar überraschte er gern mit selbst erfundenen Fußballvoka-

BILDER: GUUS DE JONG/PICTUREDESK, WWW.PICTUREDESK.COM (SYMBOLFOTO LINKS OBEN)

1956–1961

21.04.2008 16:45:21 Uhr


HELDEN

MAI 2008

THE RED BULLETIN

47

1988–1992 FC Den Haag Trainer Profis

1997–2000

Willem II Tilburg Trainer Profis, Ehrendivision

2008

2002–2005

2000/2001 1984–1988

PEC Zwolle Trainer Profis

1992–1997

Ajax Amsterdam Trainer Nachwuchs

BILDER: CLIVE BRUNSKILL/ALLSPORT/GETTY IMAGES, MIGUEL RIOPA/AFP/GETTY IMAGES

beln: etwa „Scorebordjournalistiek“, die Unart der Presse, nur aufs Resultat zu schauen und dabei zu vergessen, dass der Verlierer oft die bessere Mannschaft gewesen ist. Oder „Kaaskijkers“, Käsegucker: So nannte er das anfangs phlegmatische Publikum der Käsestadt Alkmaar, das er durch seine Erfolge mit dem Team aus der Lethargie erweckte. „Woonerfvoetbal“, Wohnstraßen-Fußball, meint schließlich, dass das Spiel sich auf engstem Raum zusammenballt, wie in einer holländischen Wohnstraße, und wenig Platz lässt für Ideen. Noch immer ist der Presseraum im Stadion des AZ Alkmaar nach Adriaanse benannt, und seine Kreationen hängen eingerahmt an der Wand. DER TRAINER. Ein Fußballfeld misst üblicherweise 100 mal 70 Meter. Die Regeln halbieren diese Fläche in eine Angriffs- und eine Verteidigungshälfte. Jede der beiden Mannschaften bekommt 3500 Quadratmeter zugeteilt, zumindest theoretisch: Nach dem Anpfiff ist es das Ziel beider Teams, mit Intelligenz und Kraft möglichst alle 7000 Quadratmeter zu beherrschen. Und alles einem Ziel unterzuordnen, so Adriaanse: „In Holland denken wir immer ans Angreifen und Toreschießen.“ Welches System er einsetzen wird, vier Verteidiger, je drei Mittelfeldspieler und Stürmer (4-3-3) oder je drei Verteidiger und Stürmer plus vier Mittelfeldspieler (3-4-3): das hängt ab von den Fähigkeiten der Spieler. „Gibt es keine typischen, guten Flügelspieler, kann man auch nicht mit Flügelspielern spielen. Dann stehen sie zwar dort, aber ma-

047-44-51_Helden_Adrianse 47

Ajax Amsterdam Trainer Profis, Ehrendivision

2008

2007

2006

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

1988

1987

1986

1985

1984

1983

2005

Red Bull Salzburg Trainer Profis, Bundesliga

AZ Alkmaar Trainer Profis, Ehrendivision

2007/08 2005/2006 FC Porto Trainer Profis, Superliga

Al-Sadd/Qatar Trainer Profis, oberste Liga

2006/07

Metalurg Donezk Trainer Profis, Vysjtsja Liha

chen nichts – und ich habe zwei Spieler weniger“, erklärt Andriaanse. Doch keine Bange: „Es gibt viele kreative Möglichkeiten, um anzugreifen.“ (Ein System hat Co gleich selbst erfunden, das 4-3-2-1 oder „Christbaum-System“. Das brachte ihm in Holland den Spitznamen „Co Kerstboom“ ein.) Angriff also um beinahe jeden Preis und damit eine Abkehr vom Sicherheitssystem à la Trap: Ist die Mannschaft dazu in der Lage, konditionell und intellektuell? Adriaanse: „Die Umstellung funktioniert ziemlich schnell und einfach, aber man braucht als Spieler eine Idee davon, was der Trainer will.“ Denn: „Alle elf Spieler müssen mit demselben Gedanken auf den Platz.“ Der wichtigste Moment für die Offensive ist für Adriaanse der, wenn man den Ball verloren hat: Genau dann beginnt der nächste Angriff, wenn man versuchen muss, dem Gegner den Ball mit Pressing gleich wieder abzujagen, noch in dessen Hälfte. Ist das moderner Fußball? Adriaanse: „Das weiß ich nicht, aber auf jeden Fall ist es angenehm, sich so ein Spiel anzuschauen, weil das Tempo immer hoch ist.“ Überhaupt das Tempo: „Man kann es reduzieren, wenn man den Ball hat. Und man kann es steigern, wenn man den Gegner früh attackiert. Er hat dann keine Zeit, sich zu reorganisieren.“ Welches Potenzial steckt in Red Bull Salzburg? Adriaanse: „Mein erster Eindruck: Das Alter ist zu hoch. Von 24 Spielern sind zehn älter als dreißig, das ist zu viel. Und keiner ist jünger als zwanzig. Wenn wir was ändern wollen, müssen wir die Mannschaft

… UND WELCHE ERFOLGE HATTE CO? Überraschend war der zweite Platz in der Ehrendivision mit Willem II Tilburg 1998/99 und die darauf folgende Champions-League-Qualifikation. 2004 wurde Adriaanse der Rinus Michels Award als niederländischer Trainer des Jahres verliehen. 2005 erreichte er mit AZ Alkmaar das UEFA-CupHalbfinale. Mit dem FC Porto holte er 2006 das „Dobradinha“, das Double aus Meisterschaft und Cupsieg, und wurde Fußballmanager des Jahres in Portugal.

21.04.2008 16:45:31 Uhr


48

THE RED BULLETIN

HELDEN

MAI 2008

Adriaanse und die Analyse: „Ich brauche nur fünf, zehn Minuten, um zu sehen, ob ein Spieler die Basismöglichkeiten hat, um meine Ideen zu verwirklichen.“

BEI DER EURO KÖNNEN DIE SPIELER MEHR LERNEN ALS AUF DEM TRAININGSPLATZ. schauen, welche Spieler unter Vertrag sind, welche Positionen besetzt sind, welche Spieler verliehen sind. Dann, welche Möglichkeiten es in Österreich gibt, auch im eigenen Nachwuchs. Erst dann wird im Ausland nach Verstärkungen gesucht, denn: „Wir müssen Österreichern die Chance geben, hier zu spielen, dann ist die Bindung zum Publikum besser.“ Noch dazu hat Red Bull Salzburg diese österreichischen Führungsspieler. Christoph Leitgeb, für Adriaanse ein „Spieler mit kreativen Möglichkeiten, sehr dynamisch“. Marc Janko und René Aufhauser, beide wie Leitgeb Nationalspieler. Auch die verliehenen Spieler sind Kaliber, weil Teamspieler: Ronald Gercaliu (Austria Wien), Alexander Manninger (Siena) und speziell Andreas Ivanschitz (Panathinaikos). Adriaanse: „Ein Nationalspieler, also muss er gut

048-44-51_Helden_Adrianse 48

sein. Und Teamkapitän, also muss er Persönlichkeit haben. Dazu ist er linksfüßig, was eher selten ist, und offensiv, deswegen müssen wir überlegen, ob er zurückkommt. Aber natürlich ist auch der Wille des Spielers wichtig.“ (In einer ersten Reaktion hat Ivanschitz gemeint, er spiele lieber im Ausland, aber da ist sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen.) Zehn, zwölf Freundschaftsspiele gegen unterschiedlichste Gegner, vom Amateurverein bis Spartak Moskau, werden im Juni die Mannschaft in der Vorbereitung auf die nächste Meisterschaft zusammenschweißen. Die EM-Kandidaten sind nicht dabei, „aber ich hoffe trotzdem, dass Österreich weit kommt“, sagt Adriaanse. „Bei der EM können die Spieler mehr lernen als auf dem Trainingsplatz.“ Er selbst wird für den niederländischen TV-Sender NOS die EM-Matches der Holländer analysieren (Gattin Astrid macht dabei die Bildregie), einen Tag nach dem jeweiligen Spiel, so wie 2004. (Live macht das Johan Cruyff). Hollands EM-Chance? Co: „Gut. Auch der Vorrunden-Pool mit Frankreich, Italien und Rumänien ist okay – wenn man durchkommt.“ DER FUSSBALLER. Fußball begleitet Jacobus Adriaanse seit mehr als 50 Jahren. Aufgewachsen in einem Arbeiterbezirk im Norden Amsterdams, kickte er mit seinen Freunden auf der Straße, sooft es ging. Mit neun kam Co, so schon damals sein Spitzname, zum mittlerweile aufgelösten HRVC Amsterdam. 1961 wechselte er zum Lieblingsklub seines Vaters, De Volewijckers, zu dessen Matches die ganze Familie pilgerte. Co war körperlich gut entwickelt und bald ein robuster Vorstopper, der den gegnerischen Mittelstürmern den Schneid abkaufte. Das brachte ihm bereits 1964, mit 17, seinen ersten Profivertrag. Sechs Jahre spielte Adriaanse mit De Volewijckers in der Ersten Division, Hollands zweithöchster Spielklasse. 1970 wurde er um 125.000 Gulden an den FC Utrecht verkauft, der ganz oben in der Ehrendivision spielte. 1972 kamen Angebote von Feyenoord und Anderlecht, doch Utrecht verlangte 450.000 Gulden für Co, das machte ihn zu teuer. Als Utrecht

BILDER: MANFRED KLIMEK (6), PHIL COLE/GETTY IMAGES (2), RED BULL PHOTOFILES, SAMUEL KUBANI/GETTY IMAGES

verjüngen: Jüngere Leute haben mehr Energie und wollen was erreichen.“ Wie wird das Team von Red Bull Salzburg 2008/ 2009 also aussehen? Da legt sich Co noch nicht fest: „Es gibt viele Komponenten, die eine gute Mannschaft ausmachen. Man braucht Linksfüßer und Rechtsfüßer, Lange und Kurze, Zweikampfstarke, Kreative, die den vorletzten Pass geben können, Multifunktionelle, Torjäger, und natürlich ist ein guter Tormann wichtig, der Punkte gewinnen kann.“ Auf jeden Fall liebt Adriaanse dynamische Spieler, die angreifen und verteidigen können. Und gerne trainieren: „Jedes Training ist wie ein Spiel, kein Urlaub.“ Und so will er die Mischung finden: Zuerst

21.04.2008 16:45:40 Uhr


HELDEN

MAI 2008

49

THE RED BULLETIN

Adriaanse zum Thema Mentaltrainer: „Ich brauche keinen Psychologen, der jeden Tag da ist und denkt: Red Bull bezahlt mich, da muss es doch auch Arbeit geben.“

ihm 1976 eine Gehaltserhöhung verweigerte, beendete Adriaanse seine Karriere. (Als man 1977 bereit war, doch mehr zu bezahlen, lehnte er ab.) Schon als Kind hatte Adriaanse zwei Berufswünsche: Fußballprofi und Turnlehrer. Nach seiner Profikarriere unterrichtete er in einer Volksschule. Später kam die Idee, Fußball und Lehrberuf zu kombinieren: 1984 schloss Adriaanse die Trainerausbildung in Zeist mit der höchsten Qualifikation ab, gemeinsam mit Guus Hiddink (u. a. PSV Eindhoven!). Meister war Co in seiner aktiven Zeit mit Utrecht nie geworden: „Das schafften nur die großen Drei, Ajax, Feyenoord, PSV Eindhoven.“ Aber Utrecht-Trainer Bert Jacobs, „mein Vorbild, von dem ich viel ge-

lernt habe“ (Adriaanse), lehrte ihn, was einen Meister ausmacht: „Jacobs’ erstes Ziel war, Tore zu machen. Chancen zu kreieren, nicht, auf Chancen zu warten.“ Adriaanse kapierte damals auch die Wichtigkeit der Disziplin. Ein Begriff, der für ihn nicht negativ besetzt ist, sagt er und wechselt dafür vom Deutschen ins Englische: „It’s normal behaviour. Wenn es heißt, um zehn Uhr beginnt das Training, und wir sind deshalb rechtzeitig im Stadion, ist das für mich nicht Disziplin, sondern normaler Profifußball.“ Dass der Österreicher Ernst Happel, selbst lange in Holland Trainer, einst meinte, dass gute Fußballer durchaus „Gfraster“ sein dürften, und das auch auf ein lockeres Privatleben bezog, versteht Adriaan-

Andreas Ivanschitz gehört den Red Bulls, spielt seit ’06 bei Panathinaikos.

DAS LIEBE GELD Das Jahresbudget von Red Bull Salzburg ist mit rund 45 Millionen Euro national gesehen groß, aber ist es groß genug für die Champions League? Co Adriaanse sagt ja: „Geld ist nicht das Wichtigste. Wichtig ist eine Kombination aus Geld und Kreativität, von Management und Trainer. Ajax Amsterdam ist Spitzenklasse in Europa, obwohl Real Madrid ein größeres Budget hat.“

Christoph Leitgeb: heuer eine Stütze der Red Bulls.

Alexander Manninger gehört den Red Bulls, seit 2006 bei AC Siena. Roland Gercaliu gehört den Red Bulls, war heuer an Austria Wien verliehen.

049-44-51_Helden_Adrianse 49

21.04.2008 16:46:07 Uhr


Adriaanse und Alkmaar (2002 bis 2005). Zum Meister reichte es nicht, doch 2004 wurde Adriaanse – hier in der Amsterdam Arena von Ajax – niederländischer Trainer des Jahres.

stichwort christbaum-system

Eins, zwei, drei, vier 1988 entwickelte Jacobus Adriaanse eine Taktik-Variante, die zweierlei bringt: dem Fan Angriffsfußball mit vielen Toren und ihm einen Spitznamen, nämlich „Co Kerstboom“. Offensive als des Fußballs schönste Form: Das 4-3-2-1 von Co Adriaanse setzt auf vier Verteidiger, drei Mittelfeldspieler, zwei hängende und einen zentralen Stürmer. Den Weihnachtsbaum hat auch schon der gebürtige Holländer Frenkie Schinkels als AustriaWien-Trainer an­gezündet.

V

S

M

S

M

V

M

V

T

050-44-51_Helden_Adrianse 50

Stürmer Mittelfeldspieler Verteidiger Tormann

S

V

S M V T

unterwies, der 1994 in Ajax Amsterdams Kampfmannschaft wechselte und dort einschlug wie ein Blitz: 1995 erzielte er das 1:0-Siegestor im Meistercupfinale gegen den AC Milan. Es folgten Engagements bei Willem II Tilburg, wieder Ajax (diesmal der „Ersten“) und AZ Alkmaar. Dort stellten sich die ersten Erfolge ein. Als Co mit seiner Arbeit begann, hatte Alkmaar keinen Nationalspieler, als er ging, acht. Johan Cruyff attestierte Adriaanses Team damals, gemeinsam mit dem FC Barcelona den schönsten Fußball Europas zu spielen, ein aufregendes, zweikampfbetontes 3-4-3-System. 2006/07 trainierte Co Metalurg Donezk (Ukrai­ ne), 2007 bis Anfang 2008 Al-Sadd (Qatar), ehe er zu Red Bulls Salzburg kam. Zuvor, 2005/06, hatte er mit dem FC Porto Meisterschaft und Pokal gewonnen. Diese Saison in Portugal warf jedoch einen langen Schatten. Zehn Tage vor Beginn der zweiten Saison war Co wegen offener Prämienzahlungen einseitig aus dem Vertrag ausgestiegen. Die FIFA verurteilte Adriaanse dafür zu einer Pönale von zwei Millionen Euro und Porto zur Zahlung der offenen Prämien. Differenz: 1,15 Millionen zum Nachteil Adriaanses, der logischerweise Einspruch erhob, weil er sich im Recht sieht. Die Berufung wird in Kürze vor dem Sportgerichtshof in Lausanne verhandelt. der helfer. Während seiner aktiven Karriere hat Adriaanse auch gegen drei Österreicher gespielt: Franz Hasil (Feyenoord), Willi Kreuz (Sparta Rotterdam, Feyenoord) und Heinz Schilcher (Ajax Amsterdam). Der spätere Sturm-Manager Schilcher, inzwischen europaweit für Ajax als Scout unterwegs, nennt Ad-

BILD: imago

se nicht: „Das ging vielleicht vor 20, 30 Jahren, da war Fußball noch ein Semi-Amateur-Sport. Mittlerweile ist es unmöglich, gleichzeitig ein Discogänger, Frauenjäger und guter Spieler zu sein.“ Seine Trainerkarriere startete Co 1979, bei den Amateuren von Zilvermeeuwen. Über PEC Zwolle und FC Den Haag gelangte er zum Nachwuchs von Ajax, wo er neben anderen auch Patrick Kluivert

21.04.2008 16:46:10 Uhr


51

bild: PACO SERINELLI/AFP/Getty Images

Adriaanse und Porto (2005/06). Nach dem Double gleich im ersten Jahr verließ Co den Klub im Streit – ein Millionenstreit vor dem Sportgericht in Lausanne ist noch anhängig.

riaanse „fachlich sehr kompetent, genau, korrekt“ und einen, der erfrischenden Offensivfußball garan­ tiert: „Das Salzburger Publikum darf sich freuen. Adriaanse lässt die Spieler spielen und gibt ihnen alle Freiheiten.“ Womit Schilcher eine Trendumkehr für Red Bull Salzburg erkennt: „Co lässt moderner spielen als Trapattoni. Der hat zu viele Forderungen gestellt, die Spieler in ein zu enges Korsett gezwun­ gen, um zuerst einmal kein Tor zu kriegen.“ Adriaanses Verpflichtung ist zudem eine Inves­ tition in die Tiefe, so Red Bull-Sportdirektor Hoch­ hauser: „Wir haben mit dem Verein ein Konzept, in dem die Jugendarbeit eine wesentliche Rolle spielt. Also müssen wir den Jungen auch eine Plattform geben. Bei uns sind das die Red Bull Salzburg Juni­ ors. Unser Ziel ist es, aus den Juniors, aber auch aus unseren Akademien Spieler für unsere Kampfmann­ schaft zu entwickeln. Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Wir wissen aber auch, dass gerade Adriaanse ein guter Trainer mit einem ausge­ zeichneten Auge für junge Leute ist.“ Und einer, der der Jugend auch eine Chance gab. Joris Mathijsen, unter Adriaanse bei Alkmaar zum Klasse-Verteidiger gereift und nun beim HSV, lobt seinen Ex-Trainer: „Ich habe Co viel zu verdanken. Er ließ mich bei Willem II in der Ehrendivision debütie­ ren und hat mich dann zu Alkmaar geholt. Dort sind wir im UEFA-Cup groß herausgekommen.“ Andere Spieler ließ er auf der Bank schmoren, so wie Zlatan Ibrahimovic bei Ajax, was dieser gar nicht schätz­ te: „Ich war ein Tiger, bereit, losgelassen zu werden auf die Welt. Aber Adriaanse gab mir das Gefühl, für nicht mehr als zehn Minuten gut zu sein.“

051-44-51_Helden_Adrianse 51

Adriaanse kann also auch schwierig sein: Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er, obwohl höchst profiliert, stets ein wenig in der zweiten Rei­ he stand. Er war öfter bei Spitzenklubs – HSV, Köln, sogar Bayern und Feyenoord – im Gespräch, als er engagiert wurde. Im Herbst 2007 stand er auf der (sehr kurzen) Liste möglicher Nachfolger Marco van Bastens beim holländischen Nationalteam nach der EM, doch wurde ihm Bert van Marwijk vorgezogen, derzeit bei Feyenoord und bekannt pflegeleicht. Das ist Adriaanse nicht, wie er ohne Zögern zugibt: „Ich sage, was ich denke, vermeide keine Konflikte.“ Und: „Wenn man deutlich ist und Ideen hat, hat man Fans, aber auch Feinde, das ist normal. Das wird auch in Salzburg so sein. Man ist für mich oder gegen mich.“ Das wichtigste Ziel als Trainer ist für Adriaan­ se, nicht permanent auf die Resultate zu schielen. Sondern den Spielern zu helfen, besser zu werden. Das zweitwichtigste Ziel: Sie sollen gemeinsam eine bessere Mannschaft bilden. Und das dritte: Sie sol­ len Vergnügen haben dabei. Adriaanse: „Ich habe mich als Trainer immer gefragt: Wer ist mein bes­ ter Kunde? Publikum? Sponsoren? Das Fernsehen? Die Fotografen? Ich denke, es sind meine Spieler. Sie müssen das Ziel haben im Leben, sich zu verbessern, und ich muss ihnen dabei helfen.“ Ist er auch besser geworden in seinen mehr als 20 Jahren als Trainer? „Ja, überall, nur nicht körperlich. Wie ich als Trainer angefangen habe, konnte ich jede Übung mitmachen und war überall der Beste. Jetzt könnte ich zwar mitlaufen, aber dann lachen die Spieler.“ ♉

Die sache mit der warteliste Seine Ziele mit Red Bull Salzburg formuliert der neue Coach Co Adriaanse klar und trocken: jedes Spiel gewinnen, viele Tore schießen, die Meisterschaft holen, in die Champions League kommen. Und jedes Heimspiel muss ausverkauft sein. „Es muss eine ­Warteliste geben für die Zuschauer – das ist meine Idee von Fußball.“ Für alle, die sich rechtzeitig Karten sichern möchten: www.redbulls.com/ soccer/salzburg

Trainingsbeginn FuSSball-Bundesliga 2008/09, 26. Mai 2008,  www.redbulls.com

21.04.2008 16:46:14 Uhr


dossier

052-52-65_Dossier_Erzberg 52

21.04.2008 16:46:46 Uhr


53

erzberg

Eisern, ewig, unbezwingbar: Der Erzberg im obersteirischen Eisenerz ist

Symbol und Austragungsort des härtesten Endurorennens der Welt. 1500 Rider dürfen sich mit dem Berg anlegen, nur eine Handvoll lässt er an sich heran. Sie sind die Helden des Red Bull Hare Scramble.

live

Racer erzählen ihr Rennen, vom überraschten Sieger bis zum glücklich gescheiterten Hobbyfahrer. Seite 52

karte

Chris Pfeiffer, vierfacher Erzberg-Sieger, führt uns zu den Schlüsselstellen. Seite 56

legende

Findige Steirer, ein Fabel­ wesen, Erz immerdar: Michael Köhlmeier erzählt die Sage vom Erzberg neu. Seite 61

Ort

bild: www.abenteuer-erzberg.at

Was macht der Ort Eisenerz, wenn das Red Bull Hare Scramble gerade nicht da ist? Eine Reportage. Seite 62

053-52-65_Dossier_Erzberg 53

21.04.2008 16:46:50 Uhr


dossier

Am start hast du so viel adrenalin in dir wie nach 30 Dosen Red Bull. Andreas Halsmayer, aut (checkpoint 10) Ich sehe mich als ambitionierten Hobbyfahrer, darum war die Startposition in der vierten Reihe eine positive Überraschung. Der Hubschrauber kreist, aus den Boxen dröhnt „Hells Bells“ von AC/DC, das Adrenalin schwappt über dich wie nach 30 Dosen Red Bull. Du musst am Start gut sein, sonst kommst du im Kuddelmuddel zu den ersten Schlüsselpassagen und verlierst zu viel Zeit. Im Bachbett haben sich Dramen abgespielt, da hatte ich Glück. Ohne die Hilfe anderer Fahrer wäre ich nie so weit gekommen.

054-52-65_Dossier_Erzberg 54

21.04.2008 16:46:57 Uhr


55

Name Red Bull Hare Scramble Geburtsdatum/-ort Mai 1995, Eisenerz Karriere Gegründet als Enduro­ rennen im Dunstkreis des Motorradmagazins „Der Reitwagen“, entwi­ ckelte sich das Red Bull Hare Scramble zum inter­ nationalen Top-Event und Maßstab für wirklich har­ te Endurorennen. Starter Profis, Amateure, Aben­ teurer. Maximal 1500 werden zugelassen. Zeitlimit Nach vier Stunden ist Schluss, und zwar aus­ nahmslos. Bei Schlecht­ wetter oft auch früher. Web

bilder: Markus Oberländer/Gepa pictures, privat

www.erzbergrodeo.at

055-52-65_Dossier_Erzberg 55

21.04.2008 16:47:00 Uhr


DOSSIER 8 CARL’S DINER. Trialpassage über Felsbrocken jeder Größe. Die erste Hölle, benannt nach dem Organisator. Du kommst nicht raus, weil diese Sektion am Steilhang entlang verläuft. Sehr kräftezehrend. Für die paar hundert Meter brauchen selbst die Besten zehn Minuten. Schwerstarbeit von Stein zu Stein. Außerdem ist das eine „No Help Zone“: Keiner darf dir hier helfen, außer die Fahrer sich gegenseitig.

7 SCHRÄGAUFZUG. Betonierte Materialbahn. Schon früher eine Schlüsselstelle, 2007 zusätzlich verschärft durch eine schwierige Zufahrt im Wald und fiese Auffahrten neben dem Schrägaufzug.

8

7

9 6 10 9 ROOF (benannt nach der „Roof of Africa“-Enduro-Rallye). Früher eine schwierige Felspassage über rotes Gestein, heute machbar, da sich im Laufe der Jahre eine Spur ergeben hat. 6 MUNITIONSLAGER. Technisch anspruchsvolle Auffahrt auf grobem Geröll um Felsbrocken herum. Extreme Steigung.

10 GERICHTSGRABEN. Die zweite Hölle. Taleinschnitt mit grauen Felsen und Geröll. Ähnlich ätzend wie Carl’s Diner, aber zusätzlich ansteigend und ebenfalls No Help Zone. Selbst bei den Topfahrern spielen sich hier Dramen ab. Man denkt, man kommt hier nie mehr raus. Wer da durchkommt, schafft es in der Regel auch ins Ziel.

11

11 MÄRCHENWALD. Wenn er nach oben befahren wird, ist die Zufahrt über das Bachbett sehr schwierig. Wald, Wurzeln und rutschige Steine machen ihn zu einer Aufgabe.

DU DENKST, DU KOMMST DA NIE MEHR RAUS. Chris Pfeiffer, Rekordsieger vom Erzberg, über die Schlüsselstellen einer an sich geheimen Strecke.

056-56-57_Dossier_Erzberg_Karte 56

21.04.2008 16:49:26 Uhr


57 5 BADEWANNE. Ein Klassiker. Steile, lange Auffahrt aus Schlammbecken heraus, null Problem für gute Fahrer.

4 HINTERERZBERG Kniffliges rutschiges Bachbett, oben liegt manchmal sogar noch Schnee. Erste wirklich schwierige Stelle, viel Verkehr. Hier geht es zu wie in einem Bienenschwarm.

5 4

3 WASSERLEITUNG. Immer wieder lauern kleine Gemeinheiten wie Schrägfahrten, Treppen, rutschige Waldauffahrten, Eisenrohre (alte Leitungen) und Abfahrten, die Mut erfordern. Besonders lustig wird es natürlich, wenn es regnet oder gar schneit, wie es 2004 der Fall war.

3

12 ZIEL. Im Schnitt sehen es kaum fünf Prozent aller Teilnehmer. Das macht den Nimbus aus.

2 12

1

1 START. Die ersten zwei Kilometer, bekannt aus dem TV, sind nicht wirklich schwierig für die Besseren. Außer natürlich man hat einen schlechten Start oder hat die Qualifikation verhaut und sieht nichts im Staub der Vorausfahrenden. Mit Trialmotorrad mangels Leistung unfahrbar.

057-56-57_Dossier_Erzberg_Karte 57

BILDER: WWW.ABENTEUER-ERZBERG.AT, RED BULL PHOTOFILES; ILLUSTRATIONEN: HERI IRAWAN

2 STEILAUFFAHRTEN. Auf der vorderen rechten Bergseite. In den letzten Jahren sind hier einige sehr schwierige Sektionen dazugekommen. Enorm steil, aber wenigstens meist griffig. Einige Felsstufen.

21.04.2008 16:50:04 Uhr


dossier DER SIEG AM ERZBERG HAT MEIN LEBEN VERÄNDERT. ICH WERDE IHN NIE VERGESSEN.

Das Reglement Am Samstag wird der Iron-Road-Prolog gefahren, eine technisch rela-

TADDY BLAZUSIAK, POL (SIEGER) 2007 bin ich als Amateur gekommen und als Profi gegangen. Eigentlich komme ich aus dem Trialsport, für den Sonntag musste ich mir ein Bike ausborgen. Das Rennen ist wie im Traum für mich gelaufen, völlig problemlos. Ich habe mich voll darauf konzentrieren können zu pushen. Der Sieg war sehr speziell für mich und wird es immer bleiben: Es war mein erster Sieg überhaupt, und dann gleich bei einem so bedeutenden Rennen! Der Erzberg hat mein Leben verändert.

tiv einfache, aber gnadenlose Vollgas-Heizerei 12 km die Serpentinen rauf. Die Position beim Prolog bestimmt die Startposition für das Red Bull Hare Scramble am Sonntag. Um zu gewinnen, muss man sowohl vollgasfest sein als auch im harten Gelände fahrtechnisch versiert. Beim Red Bull Hare Scramble gibt es Checkpoints, die man erreichen muss, die gesamte Strecke ist etwa 35 km lang. Im unteren Teil ist Fremdhilfe erlaubt, in der „No Help Area“ dürfen sich die Fahrer nur mehr gegenseitig ­helfen. Sieger ist, wer als Erster alle Checkpoints regulär passiert hat.

058-52-65_Dossier_Erzberg 58

21.04.2008 16:47:06 Uhr


59

Travis Pastrana, USA (Platz 11) Bisher habe ich mir die Hölle vom Erzberg dreimal gegeben. Einmal musste ich wegen eines Defekts aufgeben, einmal bin ich 17. geworden, obwohl ich mir bei einem Sturz bei der „Wasserleitung“ die Vorderbremse zerstört hatte, 2006 war ich Elfter. Der Prolog ist mir immer am besten gelegen. Es stimmt: Erzberg finishen fühlt sich an wie gewinnen.

059-52-65_Dossier_Erzberg 59

bilder: jonty edmunds (3), gepa pictures, privat, bernhard spöttel/red bull photofiles

Roman Lobner, Aut (cp 12) Es nimmt einfach kein Ende, ein Extrem folgt dem nächsten. Wenn der Körper nicht mehr will, sollte man wissen, wie man sich selbst überreden kann, das Motorrad noch mal zu starten. Die größte Motivation ist der Wille, das Ziel zu erreichen.

21.04.2008 16:47:21 Uhr


DD O O SS SS II EE RR

DAS RED BULL HARE SCRAMBLE HAT MICH MEHR BEEINDRUCKT ALS DIE RALLYE DAKAR.

BILDER: GEPA PICTURES (2), PRIVAT (3), RED BULL PHOTOFILES (5)

MARIO RYBAR, CZE (CHECKPOINT 12) Als ich zum ersten Mal am Fuß des Erzbergs gestanden bin, war mir klar, welch extremer Event hier wartet. Der Erzberg hat mich mehr beeindruckt als die Rallye Dakar, an der ich vor ein paar Jahren teilgenommen hatte. Die Stimmung und der Zusammenhalt der Fahrer untereinander sind beeindruckend. Bemerkenswert ist auch der Patriotismus der Zuschauer: „Du hast keine KTM? Yamaha-Schleppen kostet 100 Euro!“ Ich komme wieder. Mit einer Zweitakt-KTM.

ALLE SIEGER

HELDEN FÜR EIN JAHR Der Berg ist größer als der Mensch. Doch jedes Jahr darf einer von ihnen einen Steinbrocken als Siegerpokal nach Hause nehmen. Helm ab vor diesen Männern!

Alfie Cox Sieger 1995

Chris Pfeiffer Sieger 1996

Chris Pfeiffer Sieger 1997

Juha Salminen Sieger 1998

Stefano Passeri Sieger 1999

Chris Pfeiffer Sieger 2000

Juha Salminen Sieger 2001

Cyril Despres Sieger 2002

Cyril Despres Sieger 2003

Chris Pfeiffer Sieger 2004

David Knight Sieger 2005

David Knight Sieger 2006

Taddy Blazusiak Sieger 2007

???? ???? Sieger 2008

060-52-65_Dossier_Erzberg 60

21.04.2008 16:47:41 Uhr


61

Ein Wassermann, der den Steirern Gold für kurz, Silber für lang oder Erz für ewig verspricht: Wir lassen uns den steirischen Klassiker aus berufenem Munde neu erzählen.

E

TEXT MICHAEL KÖHLMEIER ILLUSTRATION ROBERT ROTTENSTEINER

s waren einmal zwei Brüder, die waren in allem gleich. Nicht nur, dass sie gleich aussahen, als ob sie aus einer Form gefallen wären, sie trugen auch die gleichen Kleider, schliefen am Abend in derselben Minute ein und wachten am Morgen in derselben Minute auf. Sie mochten die gleichen Speisen, und sie liebten es, auf die Jagd zu gehen. Sie sprachen nur wenig miteinander, Worte waren nicht nötig zwischen ihnen, denn sie dachten gleich und fühlten gleich. Eines Tages waren sie wieder im Wald und auf den Feldern unterwegs, Rucksack auf dem Rücken, Flinte über der Schulter. Sie wollten ein Wild erlegen, damit es die Mutter zu Hause herrichte. Die Mutter hatte ihnen Brot und Äpfel und Wurst mitgegeben und auch eine kleine Flasche Wein. Da saßen sie nun am Fuß eines Berges und aßen und tranken. Auf einmal stand ein Winzig vor ihnen, seine Jacke und seine Hose waren vorn aus Wolle und hinten aus Leder. Der Winzig sagte: „Was ist besser: Gold oder Eisen?“ „Gold natürlich“, sagten die Brüder. „Und was ist besser: Immer oder Jetzt?“ „Immer natürlich. Denn Jetzt dauert höchstens ein Tag, und Immer dauert immer.“ „Ja“, sagte der Winzig, „aber was ist besser: Jetzt Gold oder Immer Eisen?“ Da blickten sich die Brüder an und dachten eine kleine Weile nach. „An einem Tag kann man so viel Gold wegtragen“, sagten sie schließlich, „dass es für unser ganzes Leben reicht. Beim

Eisen aber müssten wir das ganze Leben lang tragen. Also ist Jetzt Gold besser als Immer Eisen.“ Da rief der Winzig, und aus dem Wald traten zwei schöne junge Frauen. Die Frauen waren wie die Brüder, nämlich in allem gleich, und die Brüder verliebten sich in die Frauen, und die Frauen verliebten sich in die Brüder. Der Winzig rieb sich die Hände und sagte: „Kann man sich vorstellen zu heiraten?“ „Kann man“, sagten die Frauen und sagten die Brüder. „Und Kinder kriegen?“ „Kann man sich auch vorstellen.“ „Und Enkel und Urenkel und Ururenkel und so weiter bis Immer?“ „Bis Immer, ja.“ „Ist unter diesen Umständen Immer Eisen nicht besser als Jetzt Gold?“ „Das ist es. Das ist es.“ Da bückte sich der Winzig und zog aus dem Gebüsch Hacke und Schaufel und reichte sie den Brüdern. „Grabt hier“, sagte er. Das taten die Brüder, und sie fanden roten Stein, und sie gruben weiter und sahen, dass der ganze Berg aus Eisen war. Da nannten sie den Berg Erzberg. ♉

Michael Köhlmeier ist einer der großen Gegenwartsautoren Österreichs. Er hat unter anderem die klassischen Sagen des Altertums neu erzählt.

061-52-65_Dossier_Erzberg 61

21.04.2008 16:47:49 Uhr


dossier

Eisenerz

schrumpft. Und das ist gut.

Besuch in einer Stadt, die sich gerade neu findet. Text Werner Jessner Bilder Manfred Burger rundgang. Der Prospekt in der Auslage des Fahrzeughandels Janser im Herzen der Eisenerzer Altstadt preist die sportlichen Erfolge von KTM-Motorrädern. Er stammt aus dem Jahr 1977. Metallschilder an den Häusern erzählen ihre Geschichte: Seifen­ siederhaus, Schlosserhaus, Radmacherhaus. Hier stand ein Radwerk, dort das alte Rathaus. August Musger, Erfinder der Zeitlupe, war ausgerechnet Eisenerzer. ­Irgendwie passt das. Leere Auslagen, „Zu verkaufen“-Schilder, hochgeklappte Geh­ steige, bröckelnde Fassaden. Hinter den Bäumen sieht man zum Schichtturm rauf, der einst die Arbeiter rief, dreimal täglich. Die erste Schicht um sechs, die zweite um 14, die dritte um 22 Uhr, sechs Tage die Woche. Fast 5000 Leute arbeiteten vor ­einem halben Jahrhundert am Erzberg, heute sind es 210. Direkt mit dem Erz ­haben 115 von ihnen zu tun. Diese 115 Menschen fördern zwei Drittel der ehemaligen Menge, 2,3 Millionen Tonnen. Pro Bergmann macht das 20.000 Tonnen im Jahr. In der Blütezeit des braunen Berges schaffte jeder nur tausend Tonnen. Die Industrialiserung hat die Maschinen wachsen und die Arbeiterzahl schrumpfen lassen. Hubert Kohlmaier hat den Wandel seiner Heimatstadt am eigenen Leib er-

lebt. Anfang der fünfziger Jahre lernte er Schlosser in der Werkmeisterschule, wur­ de wie sein kompletter Jahrgang vom Erzberg übernommen, arbeitete sich zum Finanzchef und Prokuristen hinauf. Seit neun Jahren ist er in Pension, aber wie selbstverständlich ist er noch immer regelmäßig oben am Berg. „Wir reden seit den Neunzigern vom Zusperren. Aber es

es hat wohl einen von auswärts gebraucht, um den zauber von eisenerz zu erkennen. geht immer weiter. Allein in meinen 17 Jahren als Finanzchef mussten wir tausend Beschäftigte abbauen.“ Pause. „Das ist nix Neues, dass es uns schlecht geht.“ „Es hat vielleicht einen von auswärts gebraucht, um die Besonderheiten von Eisenerz zu erkennen“, sagt Gerhard Freiinger, kurz gestutzter grauer Vollbart, flinke Augen hinter der Brille, Anzug, orange Krawatte, Musiker. „Die Ei-

Zukunft unterm Berg. Steffi, Florian, Karoline, Thomas, Michael, Klara, Jan, Sarah, Tanja, Elvira aus der 4a der Volksschule. Die gestellte Frage lautete übrigens: „Wer war schon beim Motorradrennen zuschauen?“

062-52-65_Dossier_Erzberg 62

senerzer allein hätten es wahrscheinlich nicht geschafft, sich aus ihrer Depression zu erheben.“ Freiinger, der Zuagroaste, ist seit 2003 Bürgermeister von Eisenerz und mit einer satten Zweidrittelmehrheit „der erfolgreichste Bürgermeister Österreichs“, wie er stolz bemerkt. Freiinger werkt offensiv in der traditionsreichen Bergbaustadt im Bezirk Leoben. Lässt Häuser schleifen, schafft öffentlichen Raum, initiiert Festivals und Gedenkveranstaltungen, bringt sich ins Alltagsleben ein. Seine Handynummer steht auf der Homepage der Gemeinde, er ist betont erreichbar. Nach dem Krieg zählte Eisenerz 12.000 Einwohner, heute sind es 5500. Die Hülle ist der Stadt zu groß geworden, sie wirft Falten wie ein fremder Schuh. Dabei ist der Schrumpfungsprozess noch nicht zu Ende: Freiinger hält langfristig eine Bevölkerungszahl von 4000 für realistisch. Das heißt: Noch mehr Häuser müssen weg. Übersiedeln. Im Bräustüberl in der Flu­ tergasse isst eine Gruppe zu Mittag. „Umsiedeln wulln s’ uns“, sagt eine junge Frau, die zweijährige Tochter am Schoß. „Heit schau ma uns a neiche Wohnung au.“ – „Miassts?“ – „Na, oba wulln tans scho, dass ma gei.“ Die ehemaligen Arbeitersiedlungen wurden in der Boom-Zeit schnell errichtet; dort, wo Platz war. Zum Beispiel in Münichtal, heute die Gegend mit den meisten leeren Wohnungen. Die Bausubstanz ist schlecht, die gängige Wohnungsgröße von 50 Quadratmetern, einst für vierköpfige Familien entworfen, längst nicht mehr zeitgemäß. Um einer Verslummung vorzubeugen, versucht man, Ortsteile mit starkem Wegzug gänzlich abzusiedeln. Das Projekt heißt „redesign Eisenerz“ und bedeutet Überzeugungsarbeit. Was keiner sagt: Manche Leute wird man nur mehr auf den Friedhof übersiedeln müssen. Die Eisenerzer Bevölkerung ist massiv überaltert. Die

21.04.2008 16:47:59 Uhr


63

Zug fährt ab. Zwei Drittel des abgebauten Erzes werden nach Linz transportiert, ein Drittel nach Donawitz. Wie viel hier nach 2012 los sein wird, ist letztendlich eine politische Entscheidung.

Generation der Bergleute wartet aufs Sterben; nicht wenige pendeln von aus­ wärts ein, um in den mittlerweile ent­ standenen Klein- und mittelständischen Betrieben zu werken. Ein BergwerksCluster ähnlich dem Autocluster im Groß­ raum Graz schwebt dem Bürgermeister vor, gute Ansätze gibt es bereits. Auch branchenfremde Firmen sind in Eisenerz heimisch geworden: Das Label Napalm Records, bekannt für Gothic und Metal, ist hier daheim und residiert standesge­ mäß in einem schwarzen Designer-Kubus in Zentrumsnähe. „Wir haben nicht zu wenig Arbeit: 1400 Arbeitsplätze. Wir müssen bloß als Wohnort attraktiver werden“, ist Bürgermeister Freiinger überzeugt. Seine Gemeinde zieht da noch nicht so richtig mit: 2008 wurden gerade einmal eine Arminia, eine Selina, eine Ca­ rina, ein Julian und ein Luca geboren. „Früher hatten wir drei Volksschulen“, sagt Elfriede Moherndl, die Direktorin der einzigen verbliebenen. „120 Schüler bringen wir noch z’samm’.“ Nach der vierten Klasse gehen sie alle auf die ört­

063-52-65_Dossier_Erzberg 63

liche Hauptschule, der Weg ins Gymna­ sium im 30 Kilometer entfernten Leoben wäre verkehrstechnisch unzumutbar. We­ nigstens die HAK und ein Oberstufen­ realgymnasium haben sich gehalten. aufbruch. Jetzt hofft man auf eine Pel­ letierungsanlage, die das Erz vom Erz­ berg international wieder konkurrenzfä­ hig machen soll. Dabei wird feinkörniges Erz zusammen mit Wasser und anderen Stoffen zu Krümeln gerollt und gehärtet, bevor es zu den Hochöfen nach Linz und Donawitz geliefert wird. Das Problem dabei: Bei der Pelletierung entsteht CO2. Und keiner weiß, ob es sich beim Preis künftiger CO2-Zertifikate lohnen wird, den Klimakiller in Österreich zu emittie­ ren. Letzten Endes wird es eine politische Entscheidung sein, glaubt man in Eisen­ erz. 150 neue Arbeitsplätze brächte die neue Technologie. Andernfalls ist 2012 Schluss mit dem Erzabbau, und der Berg geht ans Land Steiermark zurück. So ist der Tourismus eine große Hoff­ nung. Der mit Abstand größte Event ist

das Red Bull Hare Scramble, das an ei­ nem Sonntag im Mai 35.000 Zuschauer anlockt. Das entspricht ziemlich genau der Besucherzahl des örtlichen Hallen­ bades – im Jahr. Geht es nach den Einhei­ mischen, kann man den Endurosport in der Region ruhig weiter ausbauen. Das Erzberg-Areal ist geradezu prädestiniert dafür. Lärm oder Staub stören keinen, das Gebiet ist riesengroß und vielfältig, Probleme mit Anrainern sind nicht zu ­erwarten, im ­Gegenteil: kein Eisenerzer, der sich das Spektakel entgehen ließe. Außerdem, sinniert Kohlmaier, „ist der gesamte Erzberg eine einzige Umwelt­ sünde, wenn man das so sehen will. Auf Stichen aus dem 18. Jahrhundert ist der ganze Berg grün und bewaldet, Richtung Präbichl haben wir ein komplettes Tal mit Abraum zugeschüttet, auch Hintererz­ berg sieht heute komplett anders aus.“ Rund 60 jährliche Veranstaltungen am Berg tragen derzeit fünf Prozent zum Jahresumsatz des Erzbergs bei, Tendenz: steigend. Neben dem Red Bull Hare Scramble sind ein Mountainbike-Rennen und ein Laufbewerb die größten Events, ganz zu schweigen von den 100.000 Besu­ chern des Schaubergwerks. Länger hier­ bleiben sollten die Leute halt, wünscht sich der Bürgermeister, und ein Vierster­ nehotel für die gehobene Klientel fehlt. Eine angenehme Atmosphäre für Künst­ ler möchte er schaffen, mit Mietwoh­ nungen, regelmäßigen Konzerten, Aus­ stellungen und Festivals, gleichzeitig für „eiserne“ Sportarten attraktiv sein, das nordische Zentrum mehr einbinden. Vom Zitterbalken der Sprungschanze aus sieht Eisenerz richtig friedlich aus. „Es kann so schön sein bei uns“, hat Hu­ bert Kohlmaier gesagt. Unten im Tal ha­ ben Jugendliche eine Ankündigung auf eine Info-Tafel gekritzelt: „Am 25. März Pensionisten-Weitwurf im Funcat.“ ♉  Red Bull Hare Scramble: 25. Mai 2008, Eisenerz   www.erzbergrodeo.at

21.04.2008 16:48:10 Uhr


UNSERE VISION: QUERSCHNITTSLÄHMUNG HEILBAR MACHEN. Unterstützen Sie Wings for Life – und damit die Forschung zur Heilung des geschädigten Rückenmarks. w w w.wingsforlife.com

Spendenkonto: Bankhaus Carl Spängler & Co, BLZ 19530, Konto-Nr. 100234138

064-64_Inserat_W4L 64 WFL020_071119_AZ_MUSEUM_205x300m1 1

21.04.2008 Uhr 11/19/0716:50:13 12:11:05 PM


action Jetzt zählt’s. 60.000 kamen in Sydney zum Red Bull Flugtag. Wie Sie im September an der Wiener Rampe zum Liebling der Massen werden, erfahren Sie ab Seite 70.

bild: Mark Watson/Red Bull Photofiles

Was wir Ihnen in diesem Monat ans Herz legen.

Runterrasen Schmurgelndes Plastik. Berstende Auf-

hängungen. Kreischende Fans. Rasende Pulse. BobbyX, das ist: richtiger Motorsport (nur ohne Motor). Seite 66

Untergehen Red Bull Flugtag: Zuschauen war gestern. Mitmachen ist am 21. September. Wir verraten Ihnen, wie Sie an der Rampe alles Gans richtig machen. Seite 70

065-65_Action_Inhalt 65

Abheben Wir haben die physiologische Antithese von

Gisela Pulido zu Gisela Pulido entsandt. Und haben höflich um Unterweisung in der Kunst des Kitens gebeten. Seite 72

Einkochen Eckart W. macht etwas, das es in der Einzahl quasi nicht gibt (also kein Gnocco oder Gnocch oder so). Seite 76

nachreisen Die Isle of Man, ausnahmsweise von ihrer beschaulichen Seite betrachtet. Seite 78

21.04.2008 16:50:27 Uhr


BOBBY CHECK S E Y

! N A C YOU

Ellbogen an Ellbogen. Keiner gibt nach. Garantiert nicht.

066-66-69_Bobbycar 66

21.04.2008 18:27:23 Uhr


JUNI 2008

ACTION

67

THE RED BULLETIN

Sperrt eure Kinder ein: Wir haben ihnen ihr Spielzeug weggenommen. Und seither fetzen wir mit Bobby Cars die Berge hinunter. TEXT RON PERKELINO BILD JÜRGEN SKARWAN

D

er Mensch braucht einen Präsidenten. Einen, der Tagesbefehle wie diesen ausgibt: „Fahr ins nächste Spielzeuggeschäft. Kaufe zwei, drei Bobby Cars. Du findest sie in der Abteilung für Dreijährige, gleich neben den rosa Schaukelpferden mit glitzernder Mähne. Nimm das Motorradleder mit, einen Helm und Schuhe mit dicken Sohlen. Wir treffen uns am Gipfel des Weinbergs. Noch was: Ich werde euch alle herbrennen.“ Was willst du gegen so ein Präsidentenwort sagen? Eine kleine, entschlossene Gruppe fand sich am Abend am Gipfel des Weinbergs ein, grimmig blickend, dennoch Spielbälle bloß auf den Wogen der Präsidentenlaune: „Da runter“, deutete er auf die gewundene Asphaltstraße, „und wer als Letzter im Tal ist, muss beim nächsten Mal den Transit fahren.“ Der weiße, rostige Lieferwagen war unser Shuttle wieder zurück auf den Berg. POPO MIT RÄDERN. Ein Bobby Car ist exakt groß genug für Dreijährige. Vierjährige finden es schon wieder uncool, „das ist ja was für Babys“. Erwachsene auf Bobby Cars sehen zugegeben ein wenig überdimensioniert aus, wie Menschen mit vier Rädern am Hintern. Viel größer ist ein Bobby Car nicht: hinterngroß. Das ist aber noch das kleinere Problem. Das größere ist der minimale Radstand und die geringe Spurbreite. Jeder leichte Zupfer

067-66-69_Bobbycar 67

21.04.2008 18:27:26 Uhr


68

action

the red bulletin

mai 2008

Die teufelsmaschinen

bobby dönern Ein großes Herz ist nicht alles: Erst arges Tuning macht das Spielzeug zum Renngerät.

Kettenlenkrad. Style galore, und selbst im Adrenalinrausch nicht zu verbiegen. An der Lenksäule: Bremshebel. Letzte Rille. Luftreifen rollen und lenken besser als Plastikräder. Wer zu viel bremst, riskiert Bremsplatte. Scheibenbremsen. Zur Schonung der Sohlen und für radikalere Performance braucht es Hand­ anker für hinten.

068-66-69_Bobbycar 68

eingerieben. Nachtrennen im Scheinwerferkegel des hinterherhastenden Ford Transit hatten ihren eigenen Charme, fanden aber ein jähes Ende, als sich einer bei – laut Transit-Tacho – 80 km/h in einen streunenden Hund verknallte. Es war Zeit, die Sache auf professionellere Beine zu stellen. 4-Cross-Modus, abgesperrte Strecke, Musik, Party, Pokale. Der Präsident hatte nach Tieschen in der Südoststeiermark

Mittlerweile ist BobbyX aus dem Ärgsten heraus. Nach Formel-1-Maßstäben be­ finden wir uns nun etwa in den Siebzigern (was man dem Styling der Piloten auch oft ansieht). Die Bobby Cars der Favoriten haben Alurahmen, gewuchtete Lufträder, verstellbare Fahrwerke und Scheibenbremsen an der Hinterachse. Es gibt unterschiedlichste Kurvenstile, von gräflich-aufrecht bis zum Rodelstil mit dem Handschuh am Asphalt als zusätzlichem

Die Pioniertage des Bobby-Car-Racing erinnern an die Anfänge der F1. Heute sind wir in den 70ern. gerufen, und viele folgten seinem Ruf. Als wir beim Training zum ersten Mal im Pulk in die berüchtigte Hopferkurve reinstachen, ein fieses hängendes 90-GradMonster, standen die aufgerissenen Augenpaare in fünf Reihen hintereinander, und das Gebrüll der Masse ließ uns den Bremspunkt vergessen. Sehenswerte Mas­ sendetonation im Strohballen, fliegende Teile, Gejohle, ganz großes Kino.

Mittel, der Fahrt eine gewünschte Richtung zu geben. Andere verlagern das Gewicht wie am Motorrad, manche lassen das Bobby Car arbeiten, und meist verschmilzt alles zu einem großen motorischen Chaos, wo es nur mehr darum geht: oben bleiben, die anderen herbrennen, dem Präsidenten keine Schande machen. ♉  Bobby-X: 7. und 8. juni 2008, Tieschen, Steiermark   www.fsc-tieschen.com

bilder: Markus Kreiner

am Lenkrad lässt dich Haken schlagen wie den Osterhasen auf der Flucht vor dem Pfingstochsen. Wenn du Pech hast, überschlägt es dich dabei ansatzlos. Das größte Problem freilich ist nicht, wie Greenhorns vermuten, das Bremsenkönnen: Man muss es nämlich erst einmal bis in eine Bremszone schaffen. 80 Kilogramm Fahrer bedeuten schon bei geringen Geschwindigkeiten Belastungen fürs Material, die im Praxistest auch mit erbarmungslosen Dreijährigen einfach nicht simuliert werden können. Metallachsen schmelzen sich durch Plastikbodys, Räder kollabieren in Kurven unvermittelt, Fahrer biegen in Panik Lenkräder zur Brezel, Vorderradaufhängungen desintegrieren in Schlaglöchern ohne Vorwarnung. Die Pioniertage des Bobby-Car-Racing erinnerten an die Anfänge der Formel 1, und im Gegensatz zu jenen bewahrheitete sich hier das alte steirische Sprichwort, wonach die Deppen das Glück haben. Wir haben immer alle wiedergefunden, die wir entlang diverser improvisierter Rennstrecken verloren hatten: in den Graben geköpfelt, über die Böschung gesprungen, ganzflächig in den Asphalt

Good Boot. Die Wahl des Schuhwerks beeinflusst Lenk- und Bremseigenschaften.

Rückgrat. Bei den High-End-Teilen wird die Plastikkarosserie mit einem Metallchassis verschraubt.

21.04.2008 16:51:27 Uhr


action

the red bulletin

69

Racers ready ... go! Gestartet wird mit der Startmaschine aus dem Mountainbike-4-Cross, die Regeln sind gleich: Die ersten beiden kommen jeweils eine Runde weiter. Antauchen und Beine breit machen ist verboten. Gefightet wird bis zum Ziel und gebastelt eigentlich immer irgendwo.

bobby-x: die regeln Matthias Engel, Präsident, Organisator und Seriensieger, ist der Boss des BobbyX. Und das sind seine Gesetze: 1. Es dürfen nur originale Bobby Cars der Firma BIG Spielwaren verwendet und aufgemotzt werden. 2. Der Kunststoffkörper muss in einem Stück bleiben und soll mindestens vier Räder haben. Mister BobbyX: 3. Jedes Bobby Car muss ein Matthias Engel akustisches Warngerät (z. B. Hupe) am Fahrzeug befestigt haben. (130 dB dürfen jedoch nicht überschritten werden. Keine Nebelhörner von Schiffen verwenden!) 4. E s ist kein Antrieb genereller Art gestattet (Otto-Verbrennungsmotor, Kompression-Selbst­ zündungsmotor, Strahltriebwerke, jede Art von ­Raketenantrieb, Ram-Jet, Warp-Antrieb etc.). 5. Scharfe Ecken und Kanten sind am Fahrzeug nicht erlaubt. 6. O ffensichtliches physisches sowie psychisches Attackieren des Gegners ist nicht erlaubt. (Kein Schlagen, Treten, Spucken, Beißen, Zwicken, ver­ bales Beschimpfen, Ehrenbeleidigung, verbale ­Beleidigung der Mutter des Gegners etc.) 7. E s ist nicht erlaubt, einen Teilnehmer direkt aus der Bahn zu boxen (offensichtliches gerades Reinfahren). 8. Alkoholgetränkte Körper werden aus dem Rennen ausgeschlossen und im Anschluss sofort verbrannt. 9. Gewonnen hat, wer als Erster unten ist. 10. Abmessungen: Gesamtlänge: max. 60 cm Keine Angst, hat die Mama mir gesagt. Es sind nur Schmerzen, wenn du stürzt. Kugeln gehört zum Sport, es unterhält die Zuschauer, und die Fallhöhe ist ja äußerst gering. Was als kleines Feuer begann, brennt heute lichterloh: Mittlerweile kommt sogar das Fernsehen, wenn in Tieschen BobbyX gefahren wird.

Bobby für beginner bilder: Bernd Gruber, Markus Kreiner

Wie man in die kostengünstigste, äh, Motorsportklasse richtig einsteigt.

Wo gibt’s das Auto? In jedem ansatzweise ernsthaft sortierten Spielzeuggeschäft. Mitunter auch in Baumärkten oder Möbelhäusern. (Weltweit wurden schon 16 Millionen Stück davon verkauft!) Renntaugliche Fahrgestelle gibt es beim Präsidenten. Was kostet’s? Die Modelle des deutschen Produzenten BIG (und keine anderen sind erlaubt) zwischen 30 und

069-66-69_Bobbycar 69

50 Euro. Da man ja nur den Plastikkörper verwendet, sollte man ein billiges kaufen. (Oder überhaupt das von der kleinen Schwester klauen.) Was zieht man an? Motorrad-Lederkombi oder andere forcierte Schutzkleidung (MTB, Eishockey, Football, …). Was beachtet man? Nicht gut sind erstens Gegen­ verkehr und zweitens Festbremsen (z. B. Bäume). Wo misst man sich? Zum Beispiel bei manchen Seifenkistenrennen. Angeblich gibt es hin und wieder auch Rennen in privaterem Rahmen. Der Anfängerfehler? Bremsen mit den Füßen. Das entlastet die Vorderachse, was die Lenkwirkung auf null stellt und damit einen Abflug vorprogrammiert.

Raddurchmesser max. 24 cm

Radstand: max. 45 cm

Trockengewicht: max. 12 kg

Gesamtbreite: max. 50 cm

21.04.2008 16:51:48 Uhr


70

action

the red bulletin

mai 2008

bitte abheben

Höher, weiter, nasser! Nach vier Jahren Pause kehrt der Red Bull Flugtag nach Österreich zurück. Das aeronautische Kuriositätenkabinett gastiert im September exakt dort, wo vor 16 Jahren alles begann: an (und in) der Neuen

S

ydney, 6. April 2008. Der erste Red Bull Flugtag in Australien sorgt für einen Rekordbesuch in den Königlichen Botanischen Gärten: 60.000 Aussies lassen sich vom Spektakel der unwahrscheinlichen Flugobjekte begeistern. Mit dem nahenden Sommer ziehen die Red Bull Flugtage Richtung Norden: Istanbul (25. Mai)

und London (7. Juni) sind die ersten einer Reihe von europäischen Stationen. Am 21. September greift das Fliegerfieber wieder auf Österreich über, genauer: auf die Wiener Donauinsel. Kurzfristige Ab­­kühlung ist allerdings nur den Piloten garantiert. An der Kante der FlugtagRampe, sechs Meter überm Wasser, enden für alle Teilnehmer die schaffensrei-

Red bull flugtag

16 Jahre Kult-Event Seit dem ersten Red Bull Flugtag im Jahr 1992 haben 74 Flugtage in 55 Städten auf fünf Kontinenten insge­ samt über 3,5 Millionen Zuschauer begeistert – immer bei freiem Eintritt. Den Besucherrekord hält London, wo 350.000 Menschen im März 2003 an den Serpentine Lake in den Hyde Park strömten. Über 10.000 Teilnehmer schickten bisher ihre Flugapparate über die sechs Meter hohe Abflugrampe. Der Weltrekord für den weitesten Flug wird von einem österreichischen Team gehalten: Unfass­ bare 62 Meter weit flog der „Millenniumsfalke“ beim Wie­ ner Red Bull Flugtag 2000. DAS REGLEMENT. Der Red Bull Flugtag lebt von der Grenzgenialität seiner Teilnehmer. Deshalb ist das Regel­ werk kurz, aber streng: Der Flugapparat darf nicht breiter als zehn Meter sein und nicht mehr als 120 Kilogramm

wiegen. Als Antrieb ist menschliche Muskelkraft erlaubt, sonst nichts. Auf der Rampe besteht ein Team aus höchs­ tens fünf Personen, alle dürfen anschieben, während des Flugs darf jedoch nur ein Pilot an Bord sein. Und ganz wichtig: Das Baumaterial muss umweltfreundlich und schwimmfähig sein. Wien 2008. Flugpioniere von morgen können sich bis 4. Juni mit einem ersten Entwurf des Fluggeräts anmelden. Mitte Juli erhalten die ausgewählten Teams die Lizenz zum Bauen. Am 21. September geht’s im 5-Minuten-Takt über die Rampe an der Brigittenauer Bucht der Wiener Donau­ insel. 1. Preis: eine Pilotenausbildung im Wert von 5000 Euro. Als Sonderpreis für den weitesten Flug wartet ein „Around the World“-Flugticket. Wer üben will, kann auf www.redbull.at/flightlab seine Ideen austesten.

text Clemens Stachel

chen Monate der Vorbereitung äußerst ungewiss: Fliegt das Ding? Oder fliegt es nur runter? Den großen Preis gewinnt am Ende netterweise nicht unbedingt der weiteste Flug: Wichtiger als die Weite ist der Prominentenjury die Kreativität des Flugobjekts. Darüber hinaus beeinflusst die Rampenperformance der Teilnehmer die Punktevergabe nicht unerheblich. Das Team „Flying Haza Company“ machte beim 6. Red Bull Flugtag in Wien im September 2004 alles richtig. Der Freundeskreis um das Brüderpaar Mario und Michael Gasser aus Winklern in Kärnten konstruierte mit der Hausgans „Martin“ einen ewig gültigen FlugtagKlassiker. Nils Holgerssons und Martins Wiener Zwischenlandung auf ihrem Weg nach Lappland wurde zur kreativsten Flug­ einlage gekürt. Zur Belohnung durfte der Riesenganter seine 8-Meter-Flügel in der Eingangshalle des Technischen Museums Wien ausbreiten, als jüngster Nachfahre der Etrich-Taube. Hier enthüllen wir die Konstruktionszeichnung und die Erfolgsgeheimnisse der „Flying Hazas“ – die beste Checklist für eine erfolgreiche Teilnahme am 7. Red Bull Flugtag Wien. ♉  7. Red Bull Flugtag wien: 21. september 2008,   donauinsel, wien; alle infos zur teilnahme   gibt es auf www.redbullflugtag.at

Weitenjagd. „Flyer 3“ war 2004 das Flugphänomen der Brigittenauer Bucht: Seine 56 Meter waren die zweithöchste je bei einem Red Bull Flugtag gemessene Weite. Das Aerodynamikwunder schaffte sogar eine Steigphase.

070-70-71_Action_Flugtag 70

bilder: Stefan Aufschnaiter/Red Bull Photofiles, Flo Hagena/red bull photofiles

Donau in Wien. Hier gibt’s die Siegertipps aus erster Hand.

Hausgans Martin. 70 Kilo Kreativität heben ab – Nils und Martin gehörten zu den Publikumslieblingen 2004.

21.04.2008 16:52:25 Uhr


action

mai 2008

the red bulletin

71

Die lehren der Hausgans

Sechs Schritte zum Rampenglück 1. Am Anfang steht Die Idee. Der erfolgreiche Flugtag-Apparat muss alle Blicke auf sich ziehen – so wie der irre Dreh an den Maßen der Hausgans Martin und ­ihres Piloten Nils Holgersson. 2. Sieger haben Pläne. Ob detaillierte Konstruktionszeichnung oder ein flinker Freihandentwurf – man ­sollte sich nicht aufs Augenmaß verlassen. Ein (Bau-)Plan hilft enorm.

3. Teamwork setzt sich durch. Ein Flugtag ist nichts für Einzelkämpfer, ­echte Freundeskreise haben Startvorteil. Wenn die Arbeitszeit davonzufliegen beginnt, muss man sich aufeinander verlassen können wie Nils auf Martin.

bilder: christian pondela/red bull photofiles, Mark Watson/Red Bull Photofiles; illustration: sascha bierl

4. Von den Vögeln lernen. Feste, aerodynamisch geformte Flügel sorgen für eine stabile Flugkurve. Mit seinem 16-Meter-Flug hätte Martin bei vielen anderen Red Bull Flugtagen sogar den LongestDistance-Preis gewonnen.

6. Alles hängt am Gleichgewicht. Die lange Suche nach dem inneren Gleichgewicht: Erst Martins mittiger Schwerpunkt gab den Flügeln wirklich Sinn. Ein satter Bauchfleck ist die sportliche Krönung jedes Flugtag-Auftritts.

5. Mit Leichtigkeit zum Sieg. Die Konstruktion der Sieger-Gans war so feingliedrig wie stabil. Vier Millimeter dünne Holzlatten (günstige Fichte aus dem Baumarkt) wurden mit insgesamt vier Liter Holzleim und 4000 Tackerklammern zum Gerippe verarbeitet. Der Monstervogel wog nur 70 Kilogramm.

Die „Red Bull Baron Brats“ hauen sich in Vancouver (links) im August 2006 über die Häuser. Zwischen Opernhaus und Royal Botanic Gardens fand in Sydney (Mitte) am 6. April der bislang letzte Red Bull Flugtag statt: 60.000 schauten zu. Rechts: Team „Stammtisch Bock“ in Lausanne im September 2001, man beachte die Mimik des Fluggeräts.

071-70-71_Action_Flugtag 71

21.04.2008 16:52:41 Uhr


72

the red bulletin

action

Am Brett mit Gigi Gisela Pulido ist Weltmeisterin im Freestyle-

Kitesurfen. Das Red Bulletin hat sie besucht. Und ließ sich von ihr das Fliegen erklären. Text Jan Cremer Bilder Markus KuČera

Wasser bis zum Hals. Rechts die Kitesurf-Weltmeisterin (14), links ein hochkonzentrierter Redakteur (30).

I

ch habe eine Verabredung mit einer Kitesurf-Weltmeisterin am Strand von Tarifa. – Das ist ein sehr cooler erster Satz für eine Geschichte. Nicht ganz so cool ist, dass wir an unserem Treffpunkt nicht allein sind. Es sind nämlich auch schätzungsweise sieben Beaufort erschienen. Das sind mindestens fünf zu viel. Ich habe nämlich eine ganz spezielle Verabredung mit Gisela Pulido, Gewinnerin der PKRA World Tour 2007 im Freestyle: Die Spanierin soll mir an diesem Tag Kitesurfen beibringen. Der Schüler ist 30 Jahre alt, eins fünfundneunzig groß und wiegt 105 Kilo. Die Lehrerin ist 14, eins sechzig groß, 50 Kilo

072-72-75_Action_Kitesurfen 72

schwer. Und wird von ihrem Vater mit dem Bus von der Schule abgeholt und an den Strand gebracht. Gisela ist das Wunderkind des Kitesurfens. Aber als sie aus dem Van springt, sieht sie eigentlich nicht wie ein Wunderkind aus, sondern wie ein kleines Mädchen in zu großem FC-Barcelona-Dress, das Disneyland liebt, Poesiealben beklebt und Popstars anhimmelt. Instinktiv gibt mein Gehirn Entwarnung. Ich will mich schon entspannen, da holt sie ein Kiteboard aus dem Bus, das so groß ist wie sie, und sagt: „For you, big he!“ Während ich mich in den Neopren­ anzug zwänge, frage ich nach dem Trikot: Tatsächlich hat der FC Barcelona Gisela – „als ich noch jung war“, sagt sie – unterstützt. Natürlich ist sie seither Fan der Katalanen. Andererseits ist wiederum halb Spanien Fan von ihr: Die Menschen erkennen sie am Flughafen und können nicht glauben, dass sie wirklich noch so klein ist. Einer der glühendsten Bewunderer von Gisela ist niemand Geringerer als Carlos Sainz. Mekka in Südspanien. In voller Montur sieht Gisela wie eine coole Kitesurferin aus und ich wie ein uncooler Tourist, der garantiert heute Abend einen fetten Sonnenbrand auf der Stirn haben wird.

21.04.2008 16:53:14 Uhr


Panorama. So sieht f端r einen Kitesurf-Profi die Welt aus. Im Hintergrund zu sehen: S端dspanien. Weit im R端cken: Marokko.

073-72-75_Action_Kitesurfen 73

21.04.2008 16:53:16 Uhr


74

the red bulletin

Gigi hat SpaSS im Wasser. Ich bewege mich mit der Anmut einer GreenpeaceWalrettungsaktion.

Während wir die restlichen Utensilien aus dem Bus holen (Kite, Lenkstange mit Kordeln und Trapez – XL für mich, XS für Gisela), erzählt mir ihr Vater Juan Manuel, dass sie eigentlich aus Barcelona stammen. Vor vier Jahren hat er seinen Job als Designer bei einer kleinen Modefirma aufgegeben und ist wegen der besseren Trainingsbedingungen mit seiner Tochter nach Tarifa gezogen. Seitdem ist er Trainer, Freund, Fahrer, Manager von Gisela. „Tarifa ist das Kitesurf-Mekka der Welt“, sagt er, „da war dieser Umzug logische Konsequenz.“ Derzeit halten sich etwa zwanzig Kite-Profis aus der ganzen Welt in Südspanien auf, um für die Tour zu trainieren. Mutter Pulido ist in Barcelona geblieben, besucht Mann und Tochter jedes Wochenende in Andalusien. Vater Pulido ist nicht viel größer als seine Tochter. Während ich mit ihm zum Meer gehe, höre ich von hinten Gisela lachen: „Like a Hobbit, no.“

action

Jetzt geht’s ans Eingemachte. Die kleine Kiterin baut mit mir den Kite auf und erklärt mir dabei sämtliche Handhabungen. Erstens Kite in der Luft halten und ein Gefühl dafür bekommen, zweitens sich mit dem Kite durchs Wasser ziehen lassen („Bodydrag“), drittens Trockenübungen auf dem Board an Land, viertens ab ins Wasser mit Kite und Board und sich ziehen lassen, „ungefähr bis nach Marokko, da drüben“, Gisela zeigt weit hinaus aufs Meer und lacht. Muscheln lachen. Klingt ja alles nicht schwer. Immerhin bin ich länger Windsurfer, als Gisela auf der Welt ist, und kann eigentlich auch ein wenig Wellen reiten. Gigi (wie sich Gisela übrigens am liebsten nennen lässt) macht die erste Übung vor: Sie manövriert den Kite, ohne nach oben zu schauen, lässt sich ein wenig in die Luft ziehen und hat sichtbar Spaß daran. Spaß hat sie auch, wenn sie sagt: „Now you, is easy, he!“ Gigi drückt mir die Lenkstange in die Hand. Ich werde vornüber katapultiert, liege wie ein Käfer im Sand. Ich glaube, sogar die Krebse und Muscheln lachen. Sie ist unglaublich geduldig bei ihren Versuchen, mir Tölpel die Fortbewegung mittels Schirm näherzubringen. Während meine 14-jährige Lehrerin ständig um mich herumhüpft, um zu helfen, und dabei immer wieder „Easy, he!“ sagt, denke ich mir, dass wir wirklich ein lustiges Bild abgeben: Wenn ich die Lenkstange hoch halte, erreicht sie sie nicht mehr.

mai 2008

Kitesurfen Step by step Wie so vieles im Leben folgt auch das Erlernen eines Funsports einer genauen Methodik. Auf den unteren Fotos sind die einzelnen Schritte abgebildet.

1. Materialaufbau. Der vordere Luftkammerbogen des Kites wird aufgepumpt. Das bringt die richtige Form in der Luft und Auftrieb im Wasser.

2. Ausrüstung. Das Trapez muss exakt in der Mitte adjustiert werden und darf weder zu locker noch zu eng am Körper sitzen.

3. Steuerung. Der Kite wird mittels Lenkstange über fünf Leinen gesteuert. Es reichen kleinste seitliche Bewegungen der Lenkstange nach unten und oben.

4. Kiten ohne Brett. Beim „Bodydrag“ lässt man sich ohne Brett durchs Wasser ziehen.

So sollte es aussehen. Wer so ein Foto von sich beim Kiten hat, der darf behaupten, dass er diesen Sport wirklich beherrscht. Dieses Bild zeigt nicht den Red Bulletin-Redakteur, sondern die Lehrerin.

074-72-75_Action_Kitesurfen 74

5. Kiten. Eigentlich sollte der Schüler nun vom Kite aus dem Wasser gezogen werden und fahren …

21.04.2008 18:31:05 Uhr


action

mai 2008

the red bulletin

75

Die fünf wichtigsten Dinge der Weltmeisterin

Team Pulido plus Ausrüstung

Giselas Material ist eine Spezialkonstruktion. Ebenso wie der Vater, der mindestens so wichtig ist wie Trapez oder Kite. „Ich bin das Mädchen für alles“, sagt er. Lenkstange und Leinen. Fünf Leinen verbinden Gisis Kite mit der Lenkstange, um optimale Kontrolle zu gewährleisten.

Trapez. Damit hängt sich der Kiter an die Lenkstange – und spart Kraft dabei.

Board. Die Brettgröße hängt von der Größe des Kiters ab. Giselas Board ist folgerichtig eine Spezial­anfertigung.

Papa. Juan Manuel ist Vater, Manager, Trainer, Fahrer und Freund.

Kite. Der Drachen ist für die Fortbewegung zuständig. Die verwendete Größe ist von Windstärke und Körpergewicht des Lenkers abhängig.

Nach einiger Zeit ist Gigi der Ansicht, dass mein Windverständnis nun ausreicht, ich den Drachen beherrsche und wir somit ins Wasser sollten. Allerdings nicht zum Kiten, sondern für den „Bodydrag“: Dabei legt man sich ins Wasser und lässt sich vom Kite ein wenig ziehen. Für Gigi ist das ein lustiges Spiel in den Wellen, bei mir ein Abenteuer von der Anmut einer Walrettungsaktion von Greenpeace. Nach ein paar mehr oder weniger eleganten „Schleifversuchen“ durchs Wasser kehren wir auf festen Grund zurück, und Gigi unterweist mich – mit unerschütterlichem Gleichmut – in der Theorie des Fahrens. Wieso bloß sieht das im Sand immer so einfach aus? Gigis moment der Metamorphose. Dann geht’s los. Ergriffen von der Größe des Moments, lasse ich mir von meiner weltmeisterlichen Assistentin das Board bringen. In wenigen Sekunden werde ich Kitesurfer sein … dachte ich leider nur. Ich blieb Fast-Kitesurfer.

075-72-75_Action_Kitesurfen 75

Woran es lag, dass rund um mich einige der besten Kitesurfer der Welt durch die Luft flogen wie ein Vogelschwarm und ich dazwischen ein bisschen wie eine Seerobbe wirkte? Vielleicht ist man als Mann mit der Multitasking-artigen Aufgabe der Ko­ordination von Brettbalance und Kite-Führung in der Luft einfach überfordert. Kennengelernt habe ich an meinem Nachmittag mit Gisela freilich die Grundtheorie dieses Sports. Gelernt habe ich, den Drachen an Land zu beherrschen. (Nun ja, einigermaßen.) Spaß hat’s gemacht. Als ich geschafft am Strand liege, froh, dass die schmerzenden Gliedmaßen wenigstens alle dort sind, wo sie hingehören, geht Gigi aufs Wasser. Und da vollzieht sich diese faszinieren­ de Metamorphose der Gisela Pulido: in wenigen Sekunden vom kleinen, putzigen Mädchen zum tollkühnen Kite-Profi, der die gefährlichsten Tricks mit absolut professioneller Coolness vorführt. ♉  PKRA World Tour 2008: alle infos auf   www.kiteworldtour.com, www.giselapulido.es

Spaniens Sport-Darling Gisela Pulido ist zwar gerade mal 14 Jahre alt und wiegt bei 1,60 Meter nur 50 Kilo, ist aber seit Oktober 2007 Weltmeisterin im Freestyle-Kitesurfen: Am Ende ihrer ersten kompletten Saison in der World Tour nahm sie gleich den ganz großen Pokal entgegen. Und das in völlig souveräner Manier. Denn schon Mitte der Saison war sie nach fünf Siegen als Gesamtsiegerin festgestanden. Der Tagesablauf von Gigi, wie sich am liebsten nennen lässt, sieht außerhalb der Wettkämpfe recht unspektakulär aus: bis 15 Uhr zur Schule gehen, den restlichen Nachmittag an einem der zahlreichen Strände Tarifas trainieren. Sie liebt dieses Leben und ist zugleich sehr ehrgeizig. „Gisela ist viel ernsthafter und erwachsener, als es andere Mädchen in ihrem Alter sind“, sagt ihr Vater, selbst begeisterter Kitesurfer. Mit vier Jahren beobachtete Gisela ihren alten Herrn zum ersten Mal auf dem Wasser. Natürlich wollte sie es selbst probieren und bettelte so lange, bis er ihr ein Brett und einen Kite kaufte. Seither widmet das Ausnahmetalent jede freie Minute dem Sport.

21.04.2008 16:53:56 Uhr


76

ACTION

THE RED BULLETIN

MAI 2008

Witzigmanns Welttournee (7): Wie

Der italienische Knödel

einfachste Gerichte mit wenigen Handgriffen zur Delikatesse werden. Station des Monats: Italien. TEXT CHRISTIAN GRÜNWALD BILDER MANFRED KLIMEK

ILLUSTRATION: MARTIN UDOVICIC

ECKARTS HIGH-TEIGGEHEIMNIS Die Zutaten FÜR 4 PERSONEN

Für den Teig: 250 g gepresste Kartoffeln (mehlige Sorte, in der Schale gekocht oder auf Salzbett gegart), 1 Eidotter, 50 g Mehl, 20 g Maisstärkemehl, Salz, Muskatnuss. 1 rote Zwiebel, 150 g Steinpilze, 15 Kirschtomaten, 1 bis 2 Zehen Knoblauch, Olivenöl zum Braten, 1 Zweig Thymian, Prise Zucker, Salz, Pfeffer, 2 EL frisch geriebener Parmesan, 1 Bund Rucola, einige Scheiben Scamorza, einige Zweige Basilikum, zirka 10 dünne Scheiben Chorizo.

ECKART WITZIGMANN, 66, wurde aufgrund seiner außergewöhnlichen Karriere als Küchenchef zum „Koch des Jahrhunderts“ gewählt. Der Österreicher verantwortet das kulinarische Programm des Restaurants „Ikarus“ im Hangar-7 in Salzburg. www.hangar-7.com

Die Zubereitung Alle Zutaten für den Teig rasch mit den Händen verkneten. Aus dem Teig einen rechteckigen Laib formen und diesen in Streifen schneiden. Die Streifen auf einer Arbeitsfläche in Mehl wälzen, zu kleinen Rollen formen. Rollen in etwa 1,5 cm große Stücke schneiden und mit bemehlten Händen etwas abrunden. Jedes Stück auf die Zinken einer Gabel drücken, damit eine Art Linienmuster entsteht. Gnocchi nochmals auf der Arbeitsfläche in Mehl wenden. Zwiebel schälen, etwa zwei Drittel in Streifen und den Rest allerfeinst würfelig schneiden. Steinpilze putzen, in Würfel und/oder Scheiben schneiden. Tomaten halbieren, Strunk herausschneiden. In einer Pfanne fein geschnittenen Knoblauch und Zwiebel in Olivenöl glasig anschwitzen. Thymi-

076-76-77_Action_Witzigmann 76

anzweig und die Tomatenhälften dazugeben, kurz braten lassen, dann mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken. In einer anderen Pfanne Steinpilze in Olivenöl braten. Zur gleichen Zeit die Gnocchi in reichlich Salzwasser 2 bis 3 Minuten kochen. Mit einem gelochten Schaumlöffel herausnehmen und sofort zu den Tomaten geben. Einige Minuten köcheln lassen, dann den grob zerkleinerten Rucola sowie den Parmesan zugeben. Steinpilze zufügen. Den Scamorza in dünne Scheiben schneiden, über die Gnocchi legen und mit einem Bunsenbrenner zum Schmelzen bringen. Oder ihn über das fertige Gericht hobeln. Mit in Streifen geschnittenem Basilikum und Chorizo-Scheiben garniert servieren.

ALLES FÜR DIE KOEXISTENZ! Manche Dinge gibt es nur im Rudel. Gnocchi zum Beispiel sind alles andere als singulär: küchenmäßig wie auch sprachlich. Demgemäß gibt es in der Praxis keinen Gnocco. Wir betrachten trotzdem ein derartiges Einzelstück als strahlendes Beispiel italienischen Erfindungsreichtums und italienischer Designbegabung. Wie immer trügt der Schein der vermeintlichen Einfachheit. Wir reden über ein aus Mehl, Ei und Kartoffeln gearbeitetes Teiggebilde, das sich nicht nur in der Form, sondern auch bezüglich Konsistenz und Oberflächenbeschaffenheit dramatisch von seinen weiter nördlich beheimateten Kloßund Knödelkollegen unterscheidet. Der Gnocco also ist klein, im Idealfall etwa eineinhalb Zentimeter groß, hat hinsichtlich der Konsistenz nichts, was an Gummi erinnert, und vor allem eine individuell gestaltete Oberfläche. Diese entsteht, wenn man die Teigstücke nach klassischer Manier über Gabelzinken rollt. In Italien findet man sogar spezielle Gnocchi-Eisen, die ebenfalls für schicke Muster sorgen. So entstehen kleine Vertiefungen, die die Sauce besser aufnehmen. Denn letztlich geht es um die passende Koexistenz mit der Sauce. Gnocchi schmecken mit Pesto, mit Butter und Salbei, mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum, mit Bologneser Sauce. Eines haben Gnocchi und Kartoffelknödel gemeinsam: Genaue Mengenangaben sind Glückssache. Alles hängt von der Kartoffelsorte und ihrem Stärkegehalt ab. Je mehliger die Kartoffeln, umso besser die Gnocchi: In Italien bevorzugt man zum Beispiel Piacentina oder Spunta, in Österreich Agria oder auch Bintje. Die für den Teig verwendeten Kartoffeln dürfen nach dem Kochen und Pressen nicht zu feucht sein. In den Teig darf nicht zu viel Mehl, weil dieses sonst geschmacklich dominiert. Die Gnocchi werden wie Wölkchen, wenn möglichst wenig Mehl verarbeitet wird und die Kartoffelmasse noch warm ist. Teig so kurz wie möglich kneten, sonst werden die fertigen Gnocchi zäh. Perfekte Gnocchi sind so leicht und zart, dass sie praktisch im Mund zergehen. ♉ MOTOGP/RED BULL ROOKIES CUP: 31. 5./1. 6. 2008, MUGELLO, ITALIEN, WWW.REDBULLROOKIESCUP.COM

21.04.2008 18:33:39 Uhr


77

Gnocchi à la Witzigmann. Gnocchi mit Steinpilzen, Kirschtomaten und Scamorza. Gnocchi sind ein Gericht Nord- und Mittelitaliens. Fast jede Region hat ihr besonderes Rezept. Kartoffelgnocchi sind typisch für Norditalien, weiter südlich werden die Gnocchi auch aus Kürbis, Hartweizen oder Polenta hergestellt.

Witzigmanns Empfehlung

Mehl, Ei und passierte Kartoffeln ­zügig miteinander zu einem lockeren Teig verkneten.

Den Teig in kleine Rollen formen. Beim Arbeiten darauf achten, dass der Untergrund gut bemehlt ist.

Gnocchi sind Einzelstücke: entweder mit einer kleinen Gabel leicht andrücken oder über eine Gemüseraspel rollen.

Steinpilze beim Putzen möglichst nicht waschen, nur abrubbeln, dann in Scheiben schneiden.

077-76-77_Action_Witzigmann 77

Die Teigrollen ein wenig flach drücken und in gleich große (durchwegs kleine) quadratische Stücke schneiden.

Witzigmann und Trettl bei der Arbeit: Wenn es um die wesentlichen Dinge geht, sind zwei Köche besser als einer.

In Olivenöl fein geschnittenen Knoblauch und Zwiebel glasig anschwitzen, dann den Thymianzweig zugeben.

Tomatenhälften zugeben und bei mäßiger Hitze einige Minuten saucig einköcheln.

Teig so wenig wie möglich kneten, sonst werden die Gnocchi zäh. Perfekte Gnocchi sind so leicht und zart, dass sie praktisch im Mund zergehen.

Ihre typische gerippte Form erhalten alle Gnocchi-Varianten durch den obligaten Gabelabdruck. Die saucenfreundlichen Gnocchi passen perfekt zu Ragouts oder jeder Form von Gemüse.

21.04.2008 18:33:57 Uhr


78

ACTION

THE RED BULLETIN

MAI 2008

The Isle of Damals wie

heute.

nen bleibt Beim TT-Ren

die Zeit im

Renntempo

stehen.

MAN

Fans only. Calf of Man ist zwar nur eine der Isle of Man vorgelagerte Insel (samt Felsriff dazwischen), steht aber durchaus prototypisch f端r die Hauptinsel. Man muss eine robuste Natur sein, um sich in dieser Ecke der Welt wohl zu f端hlen. Oder ein Schaf, eine Robbe oder gar ein Motorradfan.

078-78-84_Action_Reise_Isle of Man 78

21.04.2008 16:55:08 Uhr


mai 2008

Action

the red bulletin

79

Die kleine, schafherdenbeschauliche Isle of Man in der Irischen See ist jeden Mai Schauplatz eines irrwitzigen Motorradrennens, das 40.000 Zweiradfans anzieht. Notizen eines Urlaubs entlang der Strecke. Text michael stirner Bilder Godfrey DiGiorgi

079-78-84_Action_Reise_Isle of Man 79

21.04.2008 16:55:11 Uhr


Ramsey. Die zweitgrößte Stadt der Isle of Man wartet mit netten Pubs und Geschäften auf. Vor über 150 Jahren, 1847, ist Queen Victoria hier einmal an Land gegangen, weil die schwere See einen Landgang in der Inselhauptstadt Douglas verhindert hat. Aber sonst ist es damals wie heute: Die Fährgäste aus England und Nordirland landen in Douglas und versäumen so den pittoresken Hafen und den Vergnügungspark mit Boating Lake.

Die Geschicke der Insel lenkt immer noch jenes Parlament, das die Wikinger gründeten. 080-78-84_Action_Reise_Isle of Man 80

A

uf der Isle of Man riecht es nach salz­ wasserhaltiger Luft (wenn der Wind geht) oder salzwasserhaltigem Nebel (sonst). Gegen die Klippen der Isle of Man brandet die Irische See, die bei Seefahrern eher überschaubare Beliebtheitswerte genießt. Aber die Fische fühlen sich recht wohl: Sie werden von den meisten Passagieren der die Insel mit dem Festland verbindenden Fähren, wie man so sagt, gefüttert. Die Isle of Man ist mit 572 Quadratkilometern gerade eineinhalbmal so groß ist wie das Stadt­ gebiet von Wien. Die Geschicke der Bevölkerung lenkt ­immer noch jenes Parlament, das einst die Wikinger eta­blierten, vor über tausend Jahren. Der Leitspruch der rund 80.000 Inselbewohner lautet „Traa-Dy-Liooar“ und ist Manx, eine gäli­ sche Mund­art, die von den ersten keltischen Sied­ lern hier hinterlassen wurde. Die passendste Ent­ sprechung dazu gibt es im Wienerischen, und die lautet: „Nur net hudeln.“ Wer ein wenig abseits des Trubels durch die In­ sel streift (also quasi überall), stolpert in der kaum berührten Landschaft über jede Menge Historie

21.04.2008 16:55:17 Uhr


Action

the red bulletin

81

Sonniger Süden. Es geht auch ohne Motorrad – beim Spazier­ gang durch die engen Gassen von Castletown oder beim Schwätzchen im Pub. Lassen Sie sich aber nicht täuschen vom sommerlichen Ambiente: Die ständige Brise der Irischen See lässt nicht nur Thermal­ typen ständig zum Pullover ­greifen.

Bilder: Godfrey DiGiorgi , www.Shutterstock.com (1)

und Histörchen. So wird heute noch jedem Besu­ cher empfohlen, die Fairies – hinterlistige Kobol­ de, die sich bevorzugt an Bächen und im Unterholz aufhalten – mit Respekt zu behandeln. Wer zum Beispiel beim Überqueren der sogenannten Fairy Bridge im Süden der Insel kein freundliches „Hel­ lo, Fairies!“ schmettert, darf sich nicht wundern, wenn demnächst ein Kofferschloss klemmt, ein Knopf abreißt oder das Motorrad nicht anspringt. Auch manche Radarstrafe geht unzweifelhaft auf das Konto missgünstiger Fairies. Im Asyl. Nicht immer halten sich alle auf der Insel befindlichen Personen an das Motto der Bedäch­ tigkeit. Denn im Frühsommer 1907 startete ein Häuflein verwegener Motorradrennfahrer das ers­ te Tourist-Trophy-Rennen. Das geschah nicht ohne Grund. Denn die Be­ stimmungen auf dem britischen „Mainland“ waren restriktiv: Dort hatte man angesichts der latenten Gefahren motorisierter Fortbewegung ein generel­ les Tempolimit von 20 Meilen pro Stunde (rund 32 km/h) verfügt und obendrein verboten, öffentli­ che Straßen für Rennveranstaltungen zu sperren.

081-78-84_Action_Reise_Isle of Man 81

Englands Motorsportler der frühen Jahre mussten sich daher auf Radrennbahnen messen oder bis in die hintersten Winkel Kontinentaleuro­pas reisen – bis sie quasi vor ihrer Haustür eine Alternative fanden. Das unabhängige Parlament der Insel in­ mitten der Irischen See lud die großen Motorrad­ marken von damals zum Kräftemessen auf öffent­ lichen Straßen, die man hier gerne auch zu sperren bereit war. Zugleich nutzte man die Chance, auch allfällige Urlauber auf den Charme der kleinen In­ sel aufmerksam zu machen. Von der Weitsicht der damaligen Inselparlamentarier profitiert die Isle of Man auch 101 Jahre danach noch immer – und ein generelles Tempolimit außerhalb von Ortsgebieten gibt’s bis heute nicht. Auf den mittlerweile vielfach mit griffigem Rennasphalt beschichteten Straßen der Insel ein­ mal so richtig und ungestraft Gas geben zu können ist einer der Gründe, warum manche Fans immer wieder Kosten und Mühen der Anreise auf sich nehmen. Ein noch größeres Lockmittel aber ist die Möglichkeit, die Rennen aus allernächster Nähe mitzuerleben. Das Gros der Zuschauer hockt auf den Böschungen am Streckenrand – die vorbeirasenden

21.04.2008 16:55:29 Uhr


82

action

the red bulletin

Fahrer zum Greifen nah – und zahlt für die atemberaubende Show nicht einmal einen Penny Eintritt. Dargeboten wird sie von einer Handvoll sogenannter Roadracer – vornehmlich aus Großbritannien und Irland –, die gewohnt sind, eine Art Ideallinie zwischen Gehsteigkanten, Telegraphenmasten und Kanaldeckeln zu finden. Für Neulinge, die den 60 Kilometer langen Rennkurs, eine stinknormale Landstraße mit etlichen Ortsdurchfahrten, zum ersten Mal in Angriff nehmen, ist „Traa-Dy-Liooar“ oberstes Gebot. Geoff Duke, eine der noch lebenden Insel-Legenden, sechsfacher TT-Sieger und sechsfacher Weltmeister, mahnt zur Besonnenheit: „Don’t race the

mai 2008

TT, ride it!“ Die Strecke ist viel zu lang, als dass man sie sich beim ersten Mal merken könnte. Steve Hislop, der von 1986 bis 1996 insgesamt elf TT-Siege errang, sich danach auf der Isle of Man niederließ und später bei einem Hubschrauber­ absturz in seiner schottischen Heimat starb, hat seine Gedanken zur Strecke minutiös zu Protokoll gegeben und damit vielen Inselneulingen wertvolle Tipps für eine sichere und zugleich schnelle Runde hinterlassen, beim unbedarften Zuschauer aber stets fassungsloses Staunen ausgelöst: „Bray Hill, ein paar hundert Meter nach dem Start, nimmt man mit Vollgas, also bei einer fliegenden Runde auf einer 1000er mit weit über 260 km/h.“

Seit 1907: Tourist Trophy auf der Isle of Man

Tradition mit tempo

1955

1926

WeiSS auf schwarz.

Die Rundenzeiten für jeden ­einzelnen Fahrer werden seit eh und je von jungen Pfadfindern mit Kreide auf die riesigen Tafeln gegenüber der Haupttribüne geschrieben. Solcherart können Zuschauer und Boxencrews gleichermaßen die Übersicht über den Rennverlauf behalten. Draußen auf der Strecke liest sich die Sache dann doch ein wenig komplizierter: Da braucht es schon das Rennprogramm und eine Idee vom Ablauf, um zumindest ungefähr zu wissen, wer was wann.

2007

1950 1998

Nahverhältnis.

Für die Zuschauer entlang der Strecke spielt sich das Renngeschehen seit Anbeginn der Tourist Trophy im wahrsten Wortsinn in Griffweite ab – egal, ob man picknickend auf der Böschung hockt oder vorm Pub steht, idealerweise – und um die Spannung erträglicher zu gestalten – ein Pint des bekannt faden englischen Biers in der Hand. Und kostenlos ist das durchaus atemberaubende Vergnügen obendrein (lediglich das Bier kostet natürlich).

082-78-84_Action_Reise_Isle of Man 82

Bildtext. Dagna feuisse magniat. Ut in hendips ustrud ea feumsan dreetue velestrud mincidunt ulluptat lutem ip esse euisl dolobore dit wisl utat, sed minibh esendiat iriure mincing elit lut nullaore te etumsandre feu feuguer aestrud molore tem iliquisit ad endre diam numsan elit am venim iriure corem

2006

Sprunghaft.

Gleiche Stelle, gleicher Stil, lediglich ein halbes Jahrhundert dazwischen – Bob McIntyre auf seiner voll verkleideten Norton 500 anno 1955 und John McGuinness auf der 1000er-Honda im Vorjahr, jeweils beim Sprung über die Ballaugh Bridge.

Bilder: CORBIS/Bettmann, Corbis/Colin McPherson, Getty Images, Getty Images/Frank Peters, Getty Images/Bert Hardy, Getty Images/Ian Walton, Godfrey DiGiorgi

Alle großen Motorradmarken und – zumindest bis in die siebziger Jahre hinein – alle berühmten Motorradrennfahrer haben der Isle of Man ihre Aufwartung gemacht. Hier feierten Stars wie John Surtees, Giacomo Agostini, Mike Hailwood oder Phil Read ihre größten Erfolge, hier erlebten unter anderen Norton, Gilera, MV Agusta, NSU, BMW und später auch Honda, Yamaha und Co ihre Triumphe und Tragödien. Nachdem der Grand-Prix-Zirkus der Insel den Rücken gekehrt hatte, nahmen die harten Roadracer das Ruder in die Hand: Der Nordire Joey Dunlop führt mit unglaublichen 26 TT-Siegen die Liste der Erfolgreichsten an. Und kaum ein sturzraumverwöhnter MotoGP-Pilot wird John McGuinness seinen vorjährigen Rundenrekord (er war der Erste, der eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 130 mph, knapp 210 km/h, erzielte) streitig machen können – und wollen. Wer heuer beim größten Motorrad-Happening dabei sein möchte: Die Trainings beginnen am 24. Mai, das letzte Rennen wird am 6. Juni gefahren.

21.04.2008 16:55:59 Uhr


mai 2008

Action

Don’t race the tt, ride it: Der Kurs ist viel zu lang, als dass man ihn sich als anfänger merken könnte.

Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Einige Hundertschaften hart gepresste und wasserdicht verpackte Stroh­ ballen schützen entlang der 60 Kilometer langen Tourist-Trophy-Strecke in erster Linie – nein, nicht die Fahrer – wertvolles Kulturgut: Gartentore, Pub-Eingänge, Lichtmasten oder, so wie hier, eine der mittlerweile rar gewordenen roten Telefonzellen.

083-78-84_Action_Reise_Isle of Man 83

the red bulletin

83

Zum besseren Verständnis: Die Straße ist an dieser Stelle nur zwei Fahrspuren breit, von Geh­ steigen gesäumt, windet sich in zwei sanften Kur­ ven zwischen Häuserzeilen mit kleinen Vorgärten steil bergab und macht in der folgenden Senke einen relativ scharfen Rechtsknick. Wer Bray Hill zum ersten Mal bewusst taxiert, würde da besten­ falls mit 120 Sachen bergab rauschen. Ein paar Kilometer weiter, in der kleinen Ort­ schaft Union Mills, hat die Pfarrgemeinde im Kir­ chenvorhof ein paar Bänke und Sessel aufgestellt, die – ebenso wie Selbstgebackenes und Tee – für angemessene Spenden zu haben sind. Wer hier Platz nimmt, kann mit guter Kameraausrüstung nicht nur erstklassige Fotos schießen, sondern auch erkennen, welche Fahrer die Strecke wirklich kennen. Wer in dieser Bergab-Linkskurve zu weit nach außen getragen wird und nicht schon vor dem Scheitelpunkt Vollgas geben kann, verliert auf dem folgenden kilometerlangen Bergaufstück unendlich viel Zeit. „Da überholen dich auf einmal Maschinen mit 15 oder 20 PS weniger Leistung“, weiß auch Carl Fogarty, der sich hier vor seiner Zeit als Superbike-Weltmeister mit Steve Hislop haarsträubende Duelle geliefert hatte. „You have to be very careful.“ Im normalen Straßenverkehr muss man sich auf den nächsten rund fünf Kilometern an diverse Tempolimits hal­ ten – Ortsgebiet. Für die Teilnehmer aber heißt es tatsächlich ununterbrochen Vollgas, gewürzt mit einigen uneinsehbaren Kurven in voller Schräg­ lage und blinden Kuppen mit 30 bis 40 Meter wei­ ten Sprüngen. Erst nach dem Highlander, einem weiteren Traditionspub an der Strecke, greift man wieder in die Bremsen. Mike Hailwood, der 1979 seinen letzten von 14 TT-Siegen holte, hatte eine eigene Markierung dafür: „Mein Bremspunkt war, wo ich zum ersten Mal die rote Telefonbox unter­ halb von Greeba Castle sehen konnte.“ In Zeiten des Mobil­telefons sind die roten Hütterln rar ge­ worden, die wenigen verbliebenen werden umso sorgfältiger mit dicken Strohsäcken vor Bruch­ piloten geschützt. Ballacraine ist jene Stelle, an der sich der heu­ tige TT-Kurs mit der Strecke der ersten Rennen vereint. Der Start war damals ein paar hundert Meter weiter, gleich neben dem sogenannten Tyn­ wald Hill, einem künstlich errichteten Hügel, auf dem jedes Jahr am 5. Juli die öffentliche Ratsver­ sammlung des Inselparlaments stattfindet – mitt­ lerweile seit exakt 1028 Jahren. Gleich dahinter, im Tynwald Craft Centre, gibt’s nicht nur nette Mitbringsel zu kaufen, sondern auch Imbisse, Ge­ tränke und köstliche Mehlspeisen. Hier, in der sogenannten Glen Helen Section, trennt sich – wie schon anno 1907 – die Spreu vom Weizen: Felswände, Licht-Schatten-Wechsel, Abfolgen aus engen und weiten Kurven sowie ab­ rupte Steigungen verlangen von den Rennteilneh­

21.04.2008 16:56:03 Uhr


84

the red bulletin

action

Man darf eben nie vergessen, dass man den Gasgriff in zwei Richtungen drehen kann. mern perfekte Streckenkenntnis, denn Platz zum Fehlermachen gibt’s nicht. Einer der Schnellsten – und zugleich Sichersten – war auf diesen heiklen Kilometern der Nordire William Joseph Dunlop, genannt Joey. Er sammelte im Lauf von mehr als zwei Jahrzehnten 26 TT-Siege ein, ehe er im Juli 2000 – 48-jährig – bei einem Straßenrennen im Baltikum tödlich verunglückte. Wer ihn um seine Einschätzung des einen oder anderen Streckenabschnitts fragte und sich dabei vielleicht einen heißen Tipp erhoffte, hörte immer: „You have to be very careful there.“ Nun, Vorsicht ist halt auch etwas Relatives. Nach Ballaugh, jener Ortschaft, in der an dem hochgewölbten Brücklein seit Jahrzehnten die typischen TT-Sprungfotos entstehen, folgen ein paar sauschnelle Kurvenkombinationen und die lange, holprige Sulby Straight (über 300 km/h!) unter dem dichten Blätterdach geschlossener Baumreihen. Wer im normalen Verkehr hier entlangfährt, sollte sich peinlichst genau ans lokale 30-MeilenLimit (48 km/h) halten. Gegenüber der Glen Kella Distillery, wo jahrzehntelang der glasklare InselWhisky gebrannt wurde, nehmen Inselpolizisten regelmäßig die Schnellfahrer ins Visier und knöpfen ihnen im günstigsten Fall geschmalzene BeträZeitreise. Auch wenn der Fortschritt vielfach doch nicht aufzuhalten ist: An nostalgischen Imbissstuben mangelt es auf der Isle of Man absolut nicht. Besonders zu empfehlen ist auf dem Speisezettel natürlich alles, was fangfrisch aus dem Meer kommt.

mai 2008

ge ab. In krassen Fällen wird dem Hobby-Rennfahrer der Führerschein abgenommen und das Motorrad bis zur Abreise sichergestellt. Auf den nicht ausschließlich rennorientierten Inselurlauber wartet gleich neben der Straße ein Wildlife Park, in dem sich Pflanzen- und Tierfreunde wahrscheinlich tagelang verlieren könnten. Wer lieber bis zu den Ellenbogen in Ramsch wühlt, fährt hinaus aufs ehemals von der Royal Air Force genutzte Jurby Airfield. Dort hat sich Stella, Tochter eines frühen lokalen Luftfahrtpio­niers, ihr Reich gezimmert. Zwei Hangars sind voll­ge­ stopft mit allem, was bei Übersiedlungen und Geschäfts- oder Wohnungsauflösungen anfällt und nicht wirklich wertvoll ist. Museale Fortbewegung. Ramsey, die Hafenstadt im Norden der Insel, ist eine Art Wendepunkt: Die Strecke führt aus den oft feuchten, warmen Tälern heraus hinauf in die „Berge“ – Hügel und Hochmoore –, wo es aussieht wie bei uns auf 2000 Meter Seehöhe. Dort grasen tausende Schafe, fast immer weht starker Wind – außer es herrscht gerade dichter Nebel. Beides ist nicht nur für die Zuschauer kein Vergnügen. Für die Teilnehmer wächst bei solchen Bedingungen das Risiko, von der Ideallinie abzukommen, enorm. Charlie Williams, achtfacher TT-Sieger in den Achtzigern und jetzt Radiokommentator beim Inselrundfunk, der jedes Rennen und jedes Training live überträgt: „Man darf eben nie vergessen, dass man den Gasgriff in zwei Richtungen drehen kann. Erzwingen lässt sich auf dieser Strecke nichts.“ Das gilt besonders für die Zuschauer, die es – kaum dass die Streckensperre aufgehoben ist – nach jedem Rennen und jedem Training den Profis gleichtun wollen. Maßlose Selbstüberschätzung ist einer der häufigsten Gründe dafür, dass die Inselspitäler noch Wochen nach dem Motorradfestival aussehen wie Feldlazarette. Im Gegensatz dazu sind die geradezu musealen öffentlichen Fortbewegungsmittel auf der Isle of Man für maßvolles Tempo bekannt: Ohne Hektik erklimmt die Snaefell Mountain Railway den höchsten Punkt der Insel, den kaum mehr als 600 Meter hohen Snaefell, wobei sie am majestätisch rotierenden, 22 Meter hohen Wasserrad von Laxey vorbeirollt. Ein wenig schneller geht es mit der Manx Electric Railway die Ostküste entlang von Douglas nach Ramsey und zurück. Wer in den Süden will, lässt sich stilvoll mit der SchmalspurDampfeisenbahn von Douglas via Castletown und Port St. Mary nach Port Erin schaukeln. Und den vollendeten Zeitsprung zurück ins 19. Jahrhundert beschert die Pferdetramway, die über die zwei Meilen lange Strandpromenade von Douglas klappert. Traa-Dy-Liooar – kein Wunder, wenn da auch manche Armbanduhr stehen bleibt. Oder haben gar die launischen Fairies ihre Finger im Spiel? ♉  Tourist Trophy: 24. Mai bis 6. Juni 2008, Isle of Man

084-78-84_Action_Reise_Isle of Man 84

21.04.2008 16:56:07 Uhr


ACTION

MAI 2008

Der Meister des Schritttempos auf der 160-Meilen-pro-Stunde-Insel. Dougie Lampkin, geborener Engländer, übersiedelte 1998 raus auf die Isle of Man: „Ich liebe die Insel eigentlich für alles – speziell dafür, wie freundlich die Leute sind. Und wie sehr sie den Motorsport lieben!“ Dougie ist Weltklasse-Motorsportler, jedoch einer der un-Tourist-Trophyschsten Art: Der 32-Jährige ist als zwölffacher (!) Trial-Weltmeister Geschwindigkeiten im Schritttempobereich gewöhnt: quasi die Antithese zu den Kerlen, die den Gartenzwergen in den Vorgärten der Insel Albträume verursachen. „Die Typen, die mit 160 Meilen pro Stunde über die Insel rasen, sind unglaublich“, sagt er, „diese Nerven, dieser Mut … Wahnsinn.“ Wer Dougie begegnen möchte, hat gute Chancen im Restaurant „Driftwood“ (lassen Sie Küchenchef Butch von ihm grüßen) oder „Ciapelli’s“, beide in der Hauptstadt Douglas.

TIPPS & INFOS

THE ISLE OF MAN 572 Quadratkilometer groß, knapp 80.000 Einwohner crowded, davon wohnt mehr als ein Viertel in der Hauptstadt Douglas. Die Insel untersteht der „Englischen Krone“, derzeit also Elizabeth II., ist aber nicht Bestandteil des Vereinigten Königreichs. Regiert wird die Insel seit 979 von einem eigenen Parlament. Jedes Jahr am 5. Juli tritt es zu einer öffentlichen Sitzung am ursprünglichen Versammlungsort zusammen, Tynwald Hill. Im Mai, also rechtzeitig vor der Besucher-Invasion zur Tourist Trophy, sperren

Dublin London

Ramsey

Ballaugh

BILDER: GODFREY DIGIORGI (2), RED BULL PHOTOFILES/GEOFF WAUGH

Peel The Highlander Union Mills Bray Hill

Ballacraine

Quarterbridge Castletown

085-85_Action_Reise Isle of Man_Service 85

nicht nur die meisten Hotels, sondern auch die verschiedenen Sehenswürdigkeiten auf. Wer dem enormen Besucheransturm und den vielfach überhöhten Übernachtungspreisen in diesen zwei Wochen ausweichen, aber nicht auf Motorradatmosphäre verzichten will, kann sich auch den Manx Grand Prix anschauen. Die Amateur-Variante der TT wird Ende August/Anfang September ebenfalls auf der TT-Strecke ausgetragen.

digkeiten rigoros und ahndet Übertretungen mit hohen Strafen. Diskutieren oder dumm stellen hilft nichts – die Inselpolizisten sind streng, aber auch fair. Das gilt natürlich auch für Alkohol am Steuer und Fahren ohne Helm (oder ohne Gurt). Mietmotorräder gibt es keine, Mietwagen nur bei langfristiger Vorausbuchung. An öffentlichen Verkehrsmitteln und gut beschilderten Wanderwegen mangelt es allerdings nicht.

WIE KOMME ICH HIN?

WO WOHNE ICH?

Fährschiffe verbinden die Insel ganzjährig mit England bzw. Irland. Da die Kapazität begrenzt ist, buchen viele Fans schon bis zu ein Jahr im Voraus bei der Isle of Man Steam Packet Company (www. steam-packet.com). Die Schiffe legen in Englands Norden in Liverpool oder in Heysham (westlich von Lancaster) ab. Für alle, die einen Flug vorziehen: Der Insel-Airport im Süden nahe Castletown wird von London und etlichen anderen englischen Flughäfen aus angeflogen.

Es gibt einige sehr gute Hotels, etliche private Hotels und zahllose Bed & Breakfast-Quartiere. Und fast alle sind während der Tourist-Trophy-Wochen ausgebucht. Am besten reserviert man rechtzeitig via Internet: www.visitisleofman.com oder www.iomtt.com. Aber auch Spätentschlossene finden in aller Regel noch ein Bett (wenden Sie sich gleich nach der Ankunft im Hafen an die Tourist Information) oder zumindest einen Zeltplatz. Ordentliche Hotelzimmer kosten pro Kopf und Nacht mindestens 35 Pfund (inklusive meist reichlichen Frühstücks), nach oben sind kaum Grenzen gesetzt. Privat wohnt man vielfach schon um 20 Pfund, und was der Grundstückseigentümer fürs Campieren verrechnet, ist mehr oder minder Verhandlungssache. Übrigens: Der Zusatz „en suite“ verspricht Zimmer mit Bad/Dusche und WC – gegen Aufpreis.

SPRACHE, GELD, TELEFON Auf der Isle of Man spricht man Englisch und seit einigen Jahren auch wieder die gälische Mundart Manx, die fast schon in Vergessenheit geraten war. Diese Sprache wird nicht nur in den Schulen wieder unterrichtet, sie taucht auch bei fast allen Ortstafeln und offiziellen Ankündigungen als zweitsprachiger Zusatz auf. Währung ist das englische Pfund, wobei die Insel eigene Münzen prägt und eigene Banknoten druckt, die auf britischem Boden nicht oder höchst ungern als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Also: nicht mehr aus den allgegenwärtigen Bankomaten pumpen, als man auf der Insel auch tatsächlich auszugeben plant. Oder man tauscht seine Manx-Pfunde in der nächsten Inselbank gegen englisches Geld, das da wie dort gern genommen wird. Apropos: Billig ist das Inselvergnügen nicht. Grob geschätzt kann man eins zu eins umrechnen: Was bei uns einen Euro kostet, bezahlt man „drüben“ mit einem Pfund. (Und das ist grob 1,25 Euro wert.) Stichwort Telefon: Die Isle of Man ist mit einem GSM-Mobilnetz (Pronto GSM oder Manx Mobile) ausgezeichnet versorgt. Obendrein gibt es zahlreiche Cardphones – öffentliche Wertkartentelefone. Diese Karten sind begehrte Sammelobjekte, da darauf unter anderem auch berühmte Motorradrennfahrer vergangener Epochen abgebildet sind.

VERKEHR AUF DER INSEL Auf der Isle of Man fährt man links. Entfernungen/Tempolimits werden in Meilen angegeben. Die Polizei überwacht die klar ausgeschilderten Grenzgeschwin-

Kirk Michael

Douglas

85

THE RED BULLETIN

WO UND WAS ESSEN? Auf der Isle of Man isst man ausgezeichnet, allerdings nicht billig. Das Essen in den meisten Pubs – speziell im Bereich

des inneren Hafens von Douglas – ist frisch, gut und reichlich. Einige Restaurants legen – qualitativ wie preislich – noch was drauf: Blazers etwa (vis-à-vis vom Bahnhof in Douglas) oder die Sartfield Farm landeinwärts von Barregarroo, wenige Minuten vor Kirk Michael, sind Tipps auch für Gourmets.

WAS PASSIERT WANN UND WO? Die aktuellsten Infos über das aktuelle TT-Rahmenprogramm gibt’s im Internet (www.iomguide.com) und in den InselTageszeitungen. Wer ununterbrochen topinformiert sein will, sollte stets ein Radio dabeihaben. Der Inselrundfunk (www. manxradio.com) ist via Radio TT (Mittelwelle/AM) immer und überall dabei, und er überträgt jedes Rennen live. Wenn das Schönwetter Pause macht? Das Manx Museum in Douglas bietet bei freiem Eintritt umfassende Einblicke in die Inselgeschichte. Nahe dem höchsten Punkt der Rennstrecke, auf halbem Weg zwischen Ramsey und Douglas, kann man sich in Murray’s Motorcycle Museum in die Geschichte der TT vertiefen.

21.04.2008 18:40:44 Uhr


86

KALENDER

THE RED BULLETIN

HOT SPOTS Mai

MAI 2008

31. 5./1. 6. 2008 Zum ersten Mal über dem Detroit River: das Red Bull Air Race im Zentrum der US-Autoindustrie.

36 24

27

15 6 5

25. 5. ’08 Jozy Altidore im Chicago Fire: Runde 8 für die MLS-Bullen.

In Österreich …

17

10. 5. 2008 Immer auf einer Achse: Red Bull Manny Mania in Jacksonville.

A WRITE4GOLD 10. 5. 2008, ARENA, WIEN

STYROFOAM 11. 5. 2008, CHELSEA, WIEN

… und in der Welt

A

23

Eloquente Elektronik: Die belgische OneMan-Band verspricht „A Thousands Words“.

OFFF FESTIVAL 8. – 10. 5. 2008, LX FACTORY, LISSABON, PORTUGAL

KYLIEX2008 TOUR 14. 5. 2008, STADTHALLE, WIEN

Zum ersten Mal in Lissabon: Das Festival für digitales Mediendesgin setzt Standards.

A

Do the Locomotion: Kylie Minogue feiert ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum auch in Wien. A LIFE BALL 2008 17. 5. 2008, RATHAUS, WIEN

Eine Welt-Institution wird 16: Europas größte Aids-Charity feiert das pralle Leben. A CLUB DEL MAR WORLD TOUR 21. 5. 2008, NACHTSCHICHT, HARD

Stylish: CD-Compilation-Tour.

Ö3 RADIO NIGHT 21. 5. 2008, ARSENAL, WIEN A

Szene-Nacht: Die Austro-Werbewirtschaft kürt den besten Radiospot des Jahres.

SPRING8 21. – 25. 5. 2008, FORUM STADTPARK, GRAZ A

It’s spring, baby! Das wichtigste Festival für Club- und DJ-Kultur Mitteleuropas. A 27. GOLF GTI TREFFEN 22. – 25. 5. 2008, VELDEN

Wer den Termin noch nicht im Kalender hat, fährt sowieso nicht hin.

1

2 BIKE HALL CONTEST 9./10. 5. 2008, EISHOCKEYSTADION, TRUTNOV, TSCHECHIEN

BMX- und MTB-Freestyle-Contest mit lautem Nachtprogramm.

FORWARD FESTIVAL 9./10. 5. 2008, TELEFÓNICA ARENA, MADRID, UND MUESTRARIO INTERNACIONAL, VALENCIA, SPANIEN 3

Vorwärts in den Sommer: Electronica von Underworld bis Ladytron.

WORLD AQUABIKE GRAND PRIX 9. – 11. 5. 2008, AGIA NAPA, ZYPERN 4

WM der Wellenbrecher: Jetski-Race vor Zyperns Südküste. 5 RED BULL MANNY MANIA 10. 5. 2008, FRIENDSHIP FOUNTAIN, JACKSONVILLE, FLORIDA, USA

Zwei Räder reichen: der Contest zu Ehren des Manuals. 6 NASCAR SPRINT CUP: DODGE CHALLENGER 500 10. 5. 2008, DARLINGTON RACEWAY, SOUTH CAROLINA, USA

ERZBERGRODEO MIT RED BULL HARE SCRAMBLE 22. – 25. 5. 2008, ERZBERG, EISENERZ

500 Meilen auf 366 Runden: Saisonrennen Nr. 11 der amerikanischen Stock-Car-Serie.

Motorräder aller Klassen, steinigt euch! A URBAN ART FORMS 29. – 31. 5. 2008, WIESEN

BURNSIDE SKATESOMMER HEILBRONN 10. 5. 2008, SKATEPARK FRANKENSTADION, HEILBRONN, DEUTSCHLAND

Von Groove Armada über Roni Size bis 2Raumwohnung: It’s Festival Time!

Opening der Event-Reihe mit Best-Trick-Contest, Graffiti-Art und Party.

A

086-86-87_Termine 86

7

18. 5. ’08 Red Bull Soap Box Race: in Seifenkisten durch Caracas’ City.

8 BILLABONG JUNIOR SERIES 10./11. 5. 2008, BIG BAY, KAPSTADT, SÜDAFRIKA

Vierter Stopp der Event-Serie für Südafrikas beste Junior-Surfer. 9 FIVB WORLD TOUR: SEOUL OPEN 13. – 18. 5. 2008, SEOUL, KOREA

Teil 3 der Beachvolleyball-WM der Frauen. 10 RED BULL STREET STYLE 11. 5. 2008, RÖMISCHES AMPHITHEATER, BUDAPEST, UNGARN

3 Minuten, 2 Spieler, 1 Ball: ungarische Vorausscheidung für das Weltfinale der FußballTrickser im November in São Paulo. 11 RED BULL AL TAHADDI 14./15. 5. 2008, AL KHUBAR, SAUDI-ARABIEN

Al Tahaddi bedeutet: Ein F1-Driver fährt im Kart einen Kurs vor, und alle versuchen, seine Zeit zu schlagen.

IFSC WELTCUP – BOULDERN 15. – 17. 5. 2008, TRG REPUBLIKE, BELGRAD, SERBIEN 12

Kletter-Weltcup mitten in der City: Daumendrücken für Kilian Fischhuber, David Lama und Natalija Gros. 13 FESTIVAL BALÉLEC 16. 5. 2008, EPFL, LAUSANNE, SCHWEIZ

Durchmischtes Kult-Festival an der TU: Reggae, Punk, Electro, Clubsounds.

14 NIGHT OF THE JUMPS 16./17. 5. 2008, ST. JAKOBSHALLE, BASEL, SCHWEIZ

Die Fly Society besucht erstmals die Schweiz. 15 MASTERCRAFT PRO WAKEBOARD TOUR: ACWORTH 16. – 18. 5. 2008, DALLAS LANDING PARK, ACWORTH, GEORGIA, USA

Tourstopp im King-of-Wake-Weltcup.

16 DTM EUROSPEEDWAY LAUSITZ 18. 5. 2008, EUROSPEEDWAY LAUSITZ, DEUTSCHLAND

Race 4 auf einer der spektakulärsten Strecken der Deutschen Tourenwagen Masters. 17 RED BULL SOAP BOX RACE 18. 5. 2008, AVENIDA LUIS ROCHE, CARACAS, VENEZUELA

Auch an Bord: BMX-Hero Daniel Dhers.

BILDER: FRANZ PAMMER/GEPA PICTURES, RED BULL PHOTOFILES (3)

Der größte internationale Graffiti-Event findet zum vierten Mal in Wien statt.

21.04.2008 16:57:46 Uhr


KALENDER

MAI 2008

87

THE RED BULLETIN

31. 5. ’08 Kult-Location vor den Toren Berlins: Wakeboard-Cup für Rookies.

30 35 19 34 16 2 14 7 22 A 13 20

18 26 32 29 3

1

13.–18. 5. ’08 Arvaniti/Karadassiou auf der Beach-VB-Welttour in Seoul. 10

16./17. 5. ’08 Kletter-Weltcup in Belgrad: Kilian Fischhuber sammelt Boulder-Punkte im Herzen der Donaumetropole.

12 33

28

9

4

11 31

30./31. 5. ’08 Die 24 Stunden von Dubai: Karting-Serie im Golf-Emirat.

25. 5. 2008 David Coulthard in seinem RB4 beim Saisonhöhepunkt: kleines Monaco, Großer Preis, Ausgabe 55. 24. 5.– 6. 6. 2008 Weltmeister im Angriff: Vor Fidschi muss Mick Fanning gegen einen Kelly Slater in Top-Form punkten. 8

18 MOTOGP VON FRANKREICH 18. 5. 2008, CIRCUIT BUGATTI, LE MANS, FRANKREICH

Dani Pedrosa und Mika Kallio fighten auf historischen Geraden. 19 OMI-OPEN 22. – 24. 5. 2008, NECKARHALLE, OBERNDORF, DEUTSCHLAND

Ein DJ-, ein Reggae- und ein Rock-Tag beim Event der Oberndorfer Musikinitiative.

RED BULL GOLDEN JUMP 22. – 25. 5. 2008, BRAČ, KROATIEN 20

Kitesurf-Event an der Adriaküste.

RED BULL DIRT PIPE 23. – 25. 5. 2008, MT. BEAUTY, VICTORIA, AUSTRALIEN BILDER: GEPA PICTURES, RED BULL PHOTOFILES (5)

21

24 MOVEMENT 08 – DETROIT’S ELECTRONIC MUSIC FESTIVAL 24. – 26. 5. 2008, HART PLAZA, DETROIT, MICHIGAN, USA

Memorial Day Weekend ist! Und die Elektronik-Szene pilgert nach Detroit. 25 ASP WORLD TOUR: GLOBE PRO FIJI 24. 5. – 6. 6. 2008, TAVARUA/NAMOTU, FIDSCHI

21

Surf-Champ Mick Fanning und Tour-Leader Kelly Slater treffen sich im Pazifik.

30 IMMERGUTROCKEN 30./31. 5. 2008, NEUSTRELITZ, DEUTSCHLAND

FORMEL-1-GRAND-PRIX MONACO 25. 5. 2008, MONTE CARLO, MONACO

Independent Rock- und Pop-Fest: mit dabei The Notwist, Lemonheads, PeterLicht und der große Louie Austen.

26

Monte Carlo: der einzige F1-Kurs mit eingebautem Swimming-Pool. 27 RED BULL NEW YORK VS. CHICAGO FIRE 25. 5. 2008, GIANTS STADIUM, EAST RUTHERFORD, NEW JERSEY, USA

31 NIVEA FOR MEN ENDURANCE CHALLENGE 2008 30./31. 5. 2008, DUBAI AUTODROME, VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE

Kleine Autos, große Ausdauer: Runde zwei der 24-Stunden-Serie von Dubai.

Endlich Eröffnung: die Halfpipe für BMXer!

Fußballthriller in der nordamerikanischen Profiliga MLS.

22 IXS DIRTMASTERS 23. – 25. 5. 2008, WINTERBERG, DEUTSCHLAND

28 RED BULL FLUGTAG ISTANBUL 25. 5. 2008, CADDEBOSTAN, ISTANBUL, TÜRKEI

Mountainbike- und Musikfestival in einem: Slopestyle, Downhill, Deichkind.

Die mehr oder weniger flugtüchtigen Objekte sind zum ersten Mal in der Türkei zu sehen.

Internationales HipHop-Fest: Talib Kweli führt das Line-up an. Und: das Madrider Semifinale des Red Bull Contests für Freestyle MCs.

23

RED BULL DOWNMALL 24. 5. 2008, CAMINOS DEL INCA MALL, LIMA, PERU

PRIMAVERA SOUND 29. – 31. 5. 2008, PARC DEL FÒRUM, BARCELONA, SPANIEN

Limas MTB-Downhill-Szene matcht sich am Spontan-Parcours durchs Shoppingcenter.

Festivals blühen allerorten: Pop, Rock und Electronica am Strand von Barcelona.

RED BULL STREET STYLE 31. 5. 2008, PIAZZA TRILUSSA, ROM, ITALIEN

087-86-87_Termine 87

25

29

CULTURA URBANA FESTIVAL MIT RED BULL BATALLA DE LOS GALLOS 30./31. 5. 2008, PARQUE JUAN CARLOS 1, MADRID, SPANIEN 32

33

Auf nach São Paulo: Der weltweite FreestyleFußball-Contest sucht Italiens Gaberlkönige.

34 MAXXIS 4CROSS CUP 2008 31. 5./1. 6. 2008, AICHWALD, DEUTSCHLAND

Der erste Lauf des härtesten Mountainbike 4Cross Cups Deutschlands. 35 NORTH WAKEBOARD CHALLENGE 31. 5. 2008, BERNSTEINSEE, VELTEN, DEUTSCHLAND

Der Rookie-Cup geht in sein fünftes Jahr. 36 RED BULL AIR RACE 31. 5./1. 6. 2008, DETROIT, MICHIGAN, USA

Die Flieger-Serie erobert die „Motor City“: Bonhomme und Co ziehen ihre Rauchspuren erstmals über dem Detroit River.

21.04.2008 16:58:19 Uhr


88

the red bulletin

Part y

mai 2008

Flügel für Paris Anzeige Frankreich Fra 3

10.01.2007

17:22 Uhr

Seite 1

BIENVENUE EN EUROPE!

Der Bulle ist gelandet: Am 1. April wurde Frankreich in einem dreiteiligen Festakt auf der Landkarte der beflügelten Welt willkommen geheißen. Gefeiert wurde in der Hauptstadt Paris.

Fini l’époque de la contrebande et de la prohibition. Le seul, l’unique Energy Drink est enfin disponible en France. Le Conseil des Sages a fini par reconnaître officiellement que Red Bull vivifie le corps et l’esprit, et a donc finalement autorisé sa vente en France. Dés maintenant le Taureau Rouge va donner des ailes aux managers et faire passer à toute allure leurs journées de travail de 16 heures ; il va permettre aux étudiants de faire la fête et d’étudier

avec succès ; aux athlètes d’être plus performant et de récupérer plus rapidement ; aux femmes de concilier travail, famille et loisirs et aux automobilistes de surmonter la somnolence au volant.La journée française semble avoir été prolongée de quelques heures ! Pour plus d’informations appelez 0800 915840

RED BULL DONNE DES AIIILES.

Text Florian obkircher

088-88-91_PARTY 88

21.04.2008 18:45:45 Uhr

bilder: Balazs Gardi/Red Bull Photofiles, Richard Walch/Red Bull Photofiles

Auf Pariser Dächern und StraSSen. Teil zwei der Feierlichkeiten beginnt um neun. Hauptdarsteller ist Julien Dupont, Trial-Biker, Hauptrequisite das 50 Meter hohe Bogendach des Centre Natio­nal des Industries et Techniques (CNIT). Es ist Rushhour im ­geschäftigen Geschäftsbezirk La Défense. Nichtsdestotrotz hält die Pariser Businesswelt für einige ­Minuten den Atem an. Denn Julien wirft den Motor an, gibt Gas, balanciert sein 80 Kilogramm schweres Bike über das bis zum Boden reichende Dach bis zum Gehsteig, wo er mit staunendem Applaus empfangen wird. „Es war verdammt rutschig“, gesteht Julien. „Beim Runterfahren war mir echt etwas mulmig zumute.“ Der Feierlichkeiten dritter Teil, elf Uhr, Arc de Triomphe. Ein mächtiger Kreisverkehr im Herzen von Paris – und üblicherweise kein Ort, an dem die Ellbogen eingefahren werden. Gegen elf Uhr bricht hier das Chaos aus, jedoch auf die charmanteste Weise: Denn 150 Red Bull-Minis mischen sich in den Konvoi. Aus zehn europäischen Nationen sind 300 junge Da-

bilder: Andreas Schaad/red bull photofiles, Richard Walch/red bull photofiles

Guten Morgen, paris. Teil eins der Feierlichkeiten startet um vier Uhr früh am Eiffelturm: Ueli Gegenschatz, Schweizer BASEJumper, erklimmt im Schutze der Dunkelheit die oberste Plattform des Pariser Wahrzeichens, rund um ihn eine eher sehr frühfrühlingshafte Pariser Brise, unter ihm ein paar nicht ganz ihren Augen trauende Nachtschwärmer, über ihm die aufgehende Sonne. Ueli wirft noch einen Blick auf das knapp 300 Meter unter ihm erwachende Paris – und springt. Nach drei Sekunden freien Falls zieht er die Reißleine. Der Fallschirm öffnet sich, Ueli segelt majestätische Minuten lang über den Dächern der französischen Hauptstadt. 600 Meter nördlich des Turms landet er schließlich, packt seinen Schirm zusammen, jedoch nicht ganz eilig genug: Zwei Pariser Polizisten bekunden Interesse am ungewöhnlichen Mor­ gensport. Weniger die Makellosigkeit des Sprungs interessiert sie freilich als Uelis unglückliches Versäumnis, sämtliche Genehmigungen der französischen Behörden für den frühmorgendlichen BASE-Jump vom Eiffelturm einzuholen. Wie auch immer er das geschafft hat, aber: Ueli und die Flics beenden ihre Unterhaltung nach wenigen Minuten mit der Versicherung gegenseitiger Wertschätzung, und der französischen Justiz entgeht die Bekanntschaft mit dem besten Schweizer BASE-Jumper.


bilder: Balazs Gardi/Red Bull Photofiles, Richard Walch/Red Bull Photofiles

bilder: Andreas Schaad/red bull photofiles, Richard Walch/red bull photofiles

89

089-88-91_PARTY 89

„Red Bull gives you wings“, sagt Ueli ­Gegenschatz auf der obersten Plattform des Eiffelturms und springt (oben). Der ­BASE-Jumper ist morgendlicher Bote des „Wings for Paris“-Spektakels. Die Flics zeigen sich aber wenig amüsiert und stellen Ueli nach seiner Landung erst mal zur Rede. ­Keine Genehmigung, heißt es. Eine solche haben auch die 300 Damen nicht, die mit ihren Minis wenig später den Kreisverkehr um den Arc de Triomphe lahmlegten (links). Doch auch hier lassen sich die Polizisten milde stimmen und genießen erst mal einen Schluck Red Bull. Total legal.

21.04.2008 18:45:59 Uhr


the red bulletin

Part y

men in „Blechdosen“ angereist, um die Botschaft von der bulli­ shen Ankunft in Frankreich zu verkünden. Wer nun grimmige Reaktionen der Pariser Autofahrer er­ wartet hat, irrt. Die Stimmung ist prächtig. Eine Fahrerin des österreichischen Teams: „Die Pariser Autofahrer waren sehr nett und haben uns freudig gewunken. Und die Touristen, die eigentlich den Arc de Triomphe fotografieren wollten, hatten plötzlich nur mehr Augen für uns!“ Ähnliches gilt auch für die Polizei, die sich das kreiselnde Spektakel nicht entgehen lässt. Die Flics ersuchen die Damen zur Einhaltung der bekannten französischen Rechtsvorschrift, die Konvois von mehr als vier zusammenhängenden Fahr­ zeugen verbietet, und bitten unsere Fahrerinnen charmant um Auflösung dieser – im Amtsfranzösisch – „ungenehmigten Versammlung“. Die Damen bedanken sich artig für die Rechts­ belehrung, zeigen natürlich prompt Verständnis für die Not­ wendigkeit die­ses Gebots und verhalten sich insofern geset­ zestreu, als jede fünfte Fahrerin eines bullishen Minis einem auf die Einfahrt in den Kreisverkehr hoffenden Autofahrer dieselbe gewährt. ♉

090-88-91_PARTY 90

mai 2008

bilder: dom daher/red bull photofiles

90

21.04.2008 18:46:07 Uhr


mai 2008

Part y

the red bulletin

91

bilder: dom daher/red bull photofiles

La Boum. Die große Party im Palais de Chaillot bildet den großen Abschluss von „Wings for Paris“. Gefeiert werden hier nicht nur die neue Allianz von Red Bull und Frankreich, sondern auch die 300 Sampling Girls, die Paris eine Woche lang mit beflügelnden Kostproben versorgt hatten (ganz links). Insgesamt tanzen an die tausend Gäste zu den Housebeats von DJ Chris (links unten) bis in die frühen Morgenstunden. Um sechs Uhr früh klopft schließlich der Putztrupp an, und die Partygäste flanieren Richtung Eiffelturm.

091-88-91_PARTY 91

21.04.2008 18:46:26 Uhr


92

THETHE REDRED BULLETIN BULLETIN

DIE BESTEN CLUBS DER WELT

MAI 2008

The Beats of the Bim Verkehrsberuhigung auf Wienerisch: Wo einst der Ring unterquert wurde, scheint nun die Sonne, sozusagen. TEXT ROBERT SPERL BILDER OLIVER GAST

WIEN, ÖSTERREICH WAS Passage, Ecke Burgring/Babenbergerstraße WANN Von Dienstag bis Samstag ab 20 bzw. 22 Uhr NOCH WAS Souveräner Sound, lockeres Licht, spannende Gäste. Das üppige Programm finden Sie unter www.sunshine.at

092-92-93_CLUB 500_Wien 92

SONNE UNTER TAG. Die „Passage“ ragt (wiewohl im Souterrain untergebracht) als Leuchtturm aus Wiens Nightlife: Hat das tägliche Leben deinen Stresslevel in lichte Höhen getrieben, erwartet dich in der ehemaligen Fußgängerunterführung eine tuchentweiche Landung. Von Klängen der Siebziger und Achtziger, R & B und House (in schräger Doppel-DJ-Conference) und einer speziellen Schlagerparty geht’s zu purem House und Special Projects am Samstag (in Coop mit Joachim Bankel, seit Jahren Freund des Hauses). Zart dazugemischt von oben das Rumpeln der Straßenbahn, Bimzwodreivier. Gerade weil hier nix mit Zwang erfunden wird und es die Betreiber von Sunshine Enterprises (die übrigens vor 15 Jahren im Schutzhaus Zukunft begonnen haben) immer ganz ohne Schrillsein geschafft haben, fühlt man sich hier gut betreut. Die Sonnenschein-Jungs tanzen übrigens erfolgreich auf mehreren Hochzeiten: Sie betreuen auch den Club Roxy (Operngasse), das Restaurant Comida (mit dem fabelhaften Red Room, Stubenring) und ein Label.

21.04.2008 18:48:07 Uhr


mai 2008

PASSAGE, Wien

the red bulletin

93

Rein und runter. Was sich als schlichtes Wartehäuschen tarnt, ist der Eingang in die Passage, direkt am Ring am Appendix der Mariahilfer Straße. Herzlich willkommen in der „Raumschiff Enterprise“-Optik heißt es hier von Dienstag bis Samstag. Die stressfreie Tür-Politik – Behaviour geht vor Optik – macht die Passage ebenso zur dauercoolen Anlaufstation wie die Sunshine Cocktail Bar. Letztere dirigiert Salar Gerami, im Zweitjob Geschäftsführer des spanischen Restaurants Comida.

093-92-93_CLUB 500_Wien 93

21.04.2008 18:48:37 Uhr


94

the red bulletin

read bull

mai 2008

Der Schutzengel Story von Georg Biron.

094-94-95_Readbull 94

Georg Biron, 50, Schriftsteller, Schauspieler, Regisseur, Fotograf und Träger des Theodor-Körner-Preises. Der Wiener veröffentlichte schon als 15-Jähriger Gedichte und Kurzgeschichten. Er war 15 Jahre Reporter des deutschen „Playboy“, bereiste als Kriegsberichterstatter 15 Krisen­ regionen, brachte 15 Bücher auf den Markt und schrieb 15 Drehbücher für TV-Movies (u. a. für Peter Patzak). Biron schreibt und inszeniert Theaterstücke und Dokumentarfilme. Im Herbst erscheint sein neuer Roman „Der pornographische Buddhist“. Alle Facts auf www.biron.at.

zeit im Boxclub Arena in der Wiener Märzstraße. Beim Boxen ging das Publikum lebhaft mit. Die Sympathien waren fast immer auf meiner Seite. Auf mich konnte man setzen. Meine Gegner kriegten die Prügel. Aber diesmal ist alles anders. Der Gong hat mich anscheinend gerade noch gerettet. Ich habe sieben Runden lang den hilf­ losen Prügelknaben gespielt, habe mich in die Seile drängen und von Williams bombardieren lassen. „Er ist zu stark“, höre ich mich in der Ecke zu Feuerbach sagen. „Er ist viiiiiiel zuuuuuu stark.“ „Mach dir keine Sorgen“, sagt Feuerbach und fächelt mir lächelnd mit einem Handtuch Luft ins Gesicht. „Jetzt kommt die achte Runde. Geh kein Risiko ein.“ Mein Trainer ist Ende 40/ein Riese mit Vollbart/Glatze/ Porsche-Fahrer/eine zwielichtige Erscheinung. Er besitzt ein Stundenhotel am Stadtrand, er besitzt Geldspielautomaten, er fühlt sich bei den Boxern wohl, und er hat mich von allem Anfang an wie seinen eigenen Sohn behandelt. Und deswegen hat er mich jetzt dazu gebracht, mein Glück schlecht zu behandeln, meinen Schutzengel zu enttäuschen, im Ring den Clown zu spielen. Feuerbach ignoriert ihn und flüstert mir ins Ohr: „Vertrau mir, Dino! Wir verdienen heute eine Menge Geld.“ Geld. Geld. Geld. In der gegnerischen Ecke herrscht gelassene Ruhe. Williams lässt sich den Zahnschutz einsetzen und steht auf. Der Gong zur achten Runde schickt mich in die Mitte. Ich lasse ener­ gisch eine Links-rechts-Kombination auf Williams los. Harte Schläge, die treffen. Er sieht auf einmal geschwächt aus und versucht auszuweichen. Ich warte darauf, dass er umfällt. Dann kommt überraschend der Konter: Jetzt prügelt er auf mich ein. Ich werde am Kopf getroffen. Auf einmal lasse ich die Arme sinken, ich stehe fassungslos vor ihm. Er grinst mich an und sagt: „Sie haben das Recht zu schweigen.“ Dann trifft er mich mit einer harten Rechten, ich falle um wie ein Stück Holz und bleibe liegen. Williams hebt die Arme.

illustration: anje jager

P

aul Williams war ein kleiner drahtiger Boxer aus ­Detroit, der einen Sieg brauchte. Ich wusste schon vor dem Kampf, dass dieser Schwarze schnell war und dass man seine Linke fürchten musste, doch ich war mehr als einen Kopf größer als er und hatte längere Arme. „Du bist gut in Form, Dino“, sagte ein Reporter, der mich beim Training beobachtete. „Ich bin unschlagbar“, antwortete ich. „Ich werde Paul Williams auf die Bretter schicken.“ „Lass dir ja nicht dein hübsches Gesicht kaputtmachen.“ „Ich habe einen Schutzengel an meiner Seite“, sagte ich. „Ich habe in diesem Jahr noch nie verloren, und ich werde auch gegen Williams nicht verlieren.“ „Was für einen Schutzengel?“, fragte der Reporter. Ich bemerkte sein Grinsen und ärgerte mich, dass ich über meinen Schutzengel gesprochen hatte. Feuerbach, mein Trai­ ner, hat mich immer wieder davor gewarnt, den miiiiiiesen Reportern von meinem Schutzengel zu erzählen: „Die halten dich für verrückt und machen aus dir einen Clown. Und kein Mensch möchte Geld auf einen Clown setzen.“ Ich legte mich auf den Massagetisch, Feuerbach lockerte mir die Rückenmuskeln. „Du hättest es nicht erwähnen sol­ len“, sagte er nach einer Weile, und dann fragte er mich: „Hast du diesen Schutzengel eigentlich schon einmal in natu­ ra gesehen? Ich meine: so richtig … gesehen?“ „Ja“, antwortete ich. „Ich habe ihn schon einmal gesehen. Aber er ist kein Er. Er ist eine Sie. Ich müsste eigentlich Schutzengelin sagen, aber das klingt irgendwie komisch.“ „Irgendwie komisch klingt es so und so. – Wann hast du ihn … oder sie … gesehen?“ „Das ist lange her. Ich war ein Kind. Damals bin ich mei­ nem Schutzengel begegnet. Sie war wunderschön.“ „Und seither nicht mehr?“ „Nein. Gesehen habe ich sie nie wieder, aber gespürt. Sie ist immer an meiner Seite, nicht nur beim Boxen.“ „Du meinst also, jetzt auch? Sie ist jetzt auch hier?“ „Natürlich.“ „Du bist verrückt“, lachte Feuerbach und knetete meine Oberschenkel. „Außerdem brauchst du beim nächsten Kampf keinen Schutzengel.“ „Was meinst du damit?“ „Du wirst mit Williams ein bisschen im Ring spazieren ge­ hen, und in der achten Runde legst du dich hin.“ „Was?“ „Vertrau mir einfach. Da ist eine Menge Geld drinnen. Auch für dich. Dino Kowalski wird in der achten Runde fallen.“ „Aber wieso?“ „Du hast in letzter Zeit zu oft gewonnen. Das schadet dem Wettgeschäft. Alle setzen auf dich. Es wird Zeit, dass du end­ lich mal verlierst.“ Ich war damals 25 Jahre alt, arbeitete hin und wieder als Gerüstbauer auf großen Baustellen und trainierte in der Frei­

21.04.2008 17:01:00 Uhr


mai 2008

read bull

Geschrei auf den Rängen. Reglos und auf dem linken Auge stark blutend, liege ich im Ring. Total besiegt. Nach dem Kampf gehen wir in das Stammlokal der Boxer von Amsterdam. An den Wänden hängen alte Fotografien von ­Boxern in Aktion, auf Regalbrettern an der Wand stehen verstaubte Pokale. Feuerbach ist betrunken und aggressiv; in der Hand hält er eine halbvolle Schnapsflasche mit braunem Rum. „Man muss feiern, bis man fällt“, schreit Feuerbach und schaut mich grinsend an. „Na, du Held? Wie fühlt man sich als Verlierer?“ „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, zu verlieren.“ „Alle treffen irgendwelche Abmachungen“, sagt Feuerbach leise. „Das weißt du doch. Spiel nicht den Heiligen. Wir haben beim Wetten einen ganzen Arsch voll Geld gewonnen.“ „Der Kerl hat mich im Ring fast umgebracht.“ „Du kannst immer noch Europameister werden, zumindest Europameister. Dino Kowalski, der Champ! Ich kann dich immer noch an die Spitze bringen, Dino. Ganz nach oben …“ „Vergiss es“, antworte ich. „Ich bin zu alt für die Spitze.“ Feuerbach wendet sich mir schnell zu und schlägt eine kurze Gerade. Ich setze mich unfreiwillig auf den Boden und schaue meinen Trainer überrascht an. „Ich will diesen VerliererScheißdreck nicht hören!“, sagt er. Feuerbach hilft mir auf die Beine: „Entschuldige. Das war ein Reflex … Das wollte ich nicht.“ „Du schlägst immer noch ganz schön hart. Vielleicht solltest du beim nächsten Mal statt mir in den Ring steigen.“ „Nein, nein, nein. Das ist vorbei. Du bist der Boxer. Ein Boxer, der Angst hat vor seinem Schutzengel …“ Er trinkt einen großen Schluck Rum und wird plötzlich feindselig: „Ein Boxer, der sich von einer Stewardess aushalten lässt, von einer … fliegenden Serviererin.“ Ich schaue ihn ernst an. Ich fasse es nicht. Er ist immer noch eifersüchtig! „Wie viele Jahre müssen noch vergehen, bis du ihr das verziehen hast?“, frage ich ihn. „Wie hast du das damals eigentlich gemacht – mir meine Frau auszuspannen?“, sagt Feuerbach nach einer Weile. „Ich hab sie dir nicht ausgespannt. Du warst nie zu Hause. Du warst mehr mit deinen Boxern zusammen als mit ihr.“ „Fahr doch zur Hölle!“ „Ich bin auf dem besten Weg.“ Ich trinke mein Glas in einem Zug leer und verlasse die Bar. Feuerbach schleudert die Flasche nach mir, aber ich bin schon draußen.

the red bulletin

95

„Gäbe es Bewerbe im Küssen, wärst du die Nummer eins.“ Nina und ich gehen zu unserem Auto. „Ich werde dich verlassen“, sagt sie während der Fahrt. „Ich habe einen Job bei der Lufthansa in New York angenommen.“

Feuerbach wohnt in der Nähe vom Riesenrad in einem sehr luxuriösen Ambiente. Er hat zahlreiche Exponate aus der Ritterzeit. Die Wohnung wirkt fast wie ein Museum. Feuerbach poliert mit Hingabe eine alte Ritterrüstung und versucht, das Visier zu öffnen. A-Hörnchen und B-Hörnchen, seine beiden unterbelichteten Assistenten, fungieren als braves Publikum, sie reichen Putzlappen und Politur und beobachten etwas ratlos die Leidenschaft ihres Chefs. Im selben Raum liege ich auf einem Massagebett und werde von zwei jungen Frauen mit Massageöl eingerieben. „Ich habe Hunger“, sage ich. „Er hat Hunger“, sagt A‑Hörnchen. „Wir holen ihm was zu essen.“ „Was willst du?“, fragt mich Feuerbach. „Am liebsten ein Steak. Schön blutig …“ „Ein Steak? Schön blutig? Hast du noch nie was von der Rinderpest gehört? Von mir kriegst du kein Steak!“ „Wie wär’s mit einem Hühnchen?“, frage ich. „Ich könnte runtergehen ins Grill-Restaurant am Praterstern und ihm ein Hühnchen besorgen“, sagt A-Hörnchen. „Vergiss das!“, sagt Feuerbach. „Da sind sicher Salmonellen drinnen.“ Ich resigniere: „Was soll’s? Dann nehme ich halt ein Wiener Schnitzel.“ „Bist du wahnsinnig?“, schreit Feuerbach und spuckt auf die Rüstung. „Im Schweinefleisch sind so viele Hormone drinnen, dass jeder Dopingtest sofort positiv ausfällt, auch wenn du nicht gedopt bist! Kein Schnitzel!“ Die Masseusen schauen Feuerbach fragend an. „Und wie wär’s mit Fisch?“, fragt eine der beiden. „Ich hasse Fisch“, sage ich. „Mein Großvater ist an einer Gräte erstickt.“ B-Hörnchen mischt sich ein und sagt unsicher zu Feuerbach: „Gemüse?“ Feuerbach grinst: „Das kommt doch alles aus dem Gen-Labor. Da wachst du morgen in der Früh auf und hast zwei Nasen und einen quadratischen Kopf …“ „Was soll ich denn dann essen?“ „Friss deine Gegner!“, antwortet Feuerbach und öffnet mit einem gewaltsamen Ruck das Visier der Ritterrüstung. „Mir reicht’s“, sage ich und befreie mich aus den Händen der Frauen. „Ich hab keine Lust mehr, auf mein Gewicht zu achten. Ich will nicht mehr jeden Tag trainieren.“ „Der Club braucht einen Champion wie dich“, GesuchT: die besten sagt Feuerbach. „Sonst kann ich zusperren. Ich kurzgeschichten habe immer gehofft, du bist dieser Champion, aber unserer leser. ich weiß jetzt, dass du ein Verlierer bist.“ Schicken Sie Ihren „Du hast mich zum Verlierer gemacht. Schon Text an readbull@ vergessen?“ redbulletin.at: Das „Du hast aber sehr viel Geld dabei gewonnen.“ Thema ist frei, doch „Aber ich hab meinen Schutzengel verloren.“ irgendwo kann eine „Hier“, sagt er und wirft mir eine Getränkedose Dose versteckt sein. zu. „Trink ein Red Bull. Das macht dich zu deinem Die besten Storys eigenen Schutzengel …“ ♉ werden veröffentlicht.

„Ein Steak? Schön blutig? Hast du noch nie was von der Rinderpest gehört? Von mir kriegst du kein Steak!“

In Wien hole ich Nina vom Flughafen ab. Sie ist eine sehr attraktive Frau mit einem prägnanten Gesicht, sehr weiblich, sehr energisch, sehr dominant und drei Jahre älter als ich. Sie hat Intelligenz, Selbstbewusstsein und Stil. In der Uniform der Austrian Airlines sieht sie sehr verführerisch aus. Nina geht fröhlich auf mich zu, ich trage immer noch Spuren des Kampfes im Gesicht. Nina umarmt und küsst mich. „Wie war dein Kampf?“ „Fast wärst du Witwe geworden.“

095-94-95_Readbull 95

21.04.2008 17:01:02 Uhr


96

THE RED BULLETIN

RED BULLDOG

MAI 2008

.

mhm

Hmh

DARÜBER LACHT DIE WELT Bissig wie einst der „Simplicissimus“: der April im Spiegel

der witzigsten Kommentare internationaler Zeitungen und Magazine.

SCHWITZENDE SCHWEIZER Ins Finale? Ins Halbfinale? Zumindest bis ins Viertelfinale. Eigentlich haben sich die Schweizer Euro-Mitveranstalter ja sehr lange sehr sicher gefühlt, dass sie bei der Euro einen guten Eindruck machen werden. Auch, weil sie ihren Teamchef Köbi Kuhn für einen absoluten Spitzentrainer halten. Sechs Wochen vor der Euro bekommen die Schweizer aber doch ein bisschen Bammel, und das Cover der Züricher „Weltwoche“ deutet Druckverlust an.

AUSSENSEITER Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat als genauer Beobachter entdeckt, dass der Streit um Tibet bis hinein in die Schrebergartensiedlungen polarisiert.

KEIN ÜBERFLIEGER „Lass dir Zeit!“ Zu viel Yoga kann Ihr Sexualleben stören, glaubt zumindest der „New Yorker“.

096-96-97_Bulldog 96

21.04.2008 18:51:45 Uhr


MAI 2008

RED BULLDOG

THE RED BULLETIN

97

FRÜHE PAPARAZZI „Vanity Fair“ hegt die Vermutung, dass Prominente schon lange vor den HandyKameras ein schweres Leben hatten und nur selten wirklich unbeobachtet waren.

AUFSTEIGER Was passiert, wenn ein Kollege die Karriereleiter nach oben klettert. „Wir haben es verstanden, Tom – du gehörst nun zum Management.“ Der „New Yorker“ hat genau hingeschaut.

… KONTROLLE IST BESSER! Die „OÖN“ sehen E-card-Inhaber demnächst strengen Kontrollmaßnahmen ausgesetzt, die einem fröhlich ins Kraut schießenden Missbrauch Einhalt gebieten sollen.

HAPPY BIRTHDAY Vor 15 Jahren wurde das World Wide Web erfunden. Zeit für einen ganz speziellen Geburtstagskuchen, findet das Zeitgeistmagazin „Neon“.

BILDER: ALI SCHAFLER/PICTUREDESK.COM (3)

Etwas Witziges entdeckt? Schicken Sie uns ein Mail an: redaktion@at.redbulletin.com

DAS WAR KNAPP Und das ist bitterböse. Aus dem „Stern“.

KROCHING STAR Von wegen Jugendkultur: Betragens-Bildner Thomas Schäfer-Elmayer zeigt, dass er den neuen Tanzstil der Krocha auch schon mal auf YouTube gesehen hat.

097-96-97_Bulldog 97

21.04.2008 18:52:08 Uhr


the red bulletin

zeitsprung

mai 2008

bild: www.photoarchives.co.uk

98

So nicht!

Bedenkliche Irrwege beschritt das frisch keimende Sicherheitsbewusstsein im Motorsport. 1951 unternahm Motorradhersteller Triumph Crashtest-Experimente mit Naturdummies (im Bild: Bär Edward). Die Initiative scheiterte, zu Recht, am Widerstand streitbarer Tierschützer.  Two-Wheel Security Initiative:   GroSSbritannien, Oktober 1951

Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Art-Direktion Erik Turek, Markus Kietreiber (Stv.) Foto­direktion Fritz Schuster Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Alexander Macheck, Boro Petric Redaktion Ulrich Corazza, Christoph Rietner, Simon Schreyer, Clemens Stachel, Nadja Žele Grafik Claudia Drechsler, Mandy Fischer, Simone Fischer, Sebastian Tschugmell, Dominik Uhl Fotoredaktion Manfred Klimek (Schlussredaktion), Markus Kučera, Valerie Rosenburg Senior Illustrator Dietmar Kainrath EIN FAST UNABHÄNGIGES MONATSMAGAZIN Autoren Christian Ankowitsch, Christian Seiler Mitarbeiter dieser Ausgabe Georg Biron, Christian Grünwald, Markus Huber, Michael Köhlmeier, Peter Krobath, Ursula Macher, Florian Obkircher, Michael Stirner Illustratoren Almut Becvar, Heri Irawan, Anje Jager, Robert Rottensteiner, Martin Udovicic Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Nenad Isailovic Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Projekt- und Media­ management Jürgen Eckstein, Bernd Fisa, Thomas Kern Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Martina Kurtz Projektmanagement Jan Cremer, Dagmar Kiefer, Daniela Kubak, Sandra Sieder, Sara Varming Anzeigenverkauf Bull Verlags GmbH, Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien; anzeigen@at.redbulletin.com IT-Support Martin Ribitsch Office Management Katharina Reinisch, Julia Savic Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Web www.RedBulletin.com Erscheinungsweise Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen: Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten Gesamtauflage 1,1 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

DIE NÄCHSTE AUSGABE DES RED BULLETIN ERSCHEINT AM 3. juni 2008.

098-98_Zeitsprung 98

21.04.2008 17:02:13 Uhr


099-U3_Inserat_Festival 99

22.04.2008 10:43:01 Uhr


RB_SC_ANZ_BL_202x300_RZ

01.04.2008

13:39 Uhr

Seite 1

DAS COLAVON RED BULL.

STRONG & NATURAL. Red Bull Cola ist eine einzigartige Komposition an Inhaltsstoffen,

das Cocablatt verwendet. Das Ergebnis ist ein klassischer,

Darüber hinaus enthält Red Bull Cola keine Phosphorsäure,

allesamt 100% natürlicher Herkunft.

nicht zu süßer Cola-Geschmack, der

keine Konservierungsstoffe sowie

Außerdem ist es das einzige Cola, das

durch die Verwendung der richtigen

keine künstlichen Farbstoffe und keine

sowohl die Original-Kolanuss als auch

Pflanzenextrakte zustande kommt.

künstlichen Aromen.

100-U4_Inserat_Simply Cola 100

22.04.2008 10:43:27 Uhr


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.