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www.redbulletin.com

Ein fast unabhängiges Monatsmagazin / Oktober 2010

Werner Herzog dreht die abenteuerlichsten Filme der Welt.

Hayato Sakamoto lockt Tag für Tag 50.000 Japaner ins Baseball-Stadion.

Erleben Sie

Jan Wanggaard

Print 2.0

war Surf-Weltmeister. Jetzt lebt er als Einsiedler nördlich des Polarkreises.

Muhammad Ali Der Tag, an dem alles begann.


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©2010 Bose Corporation. Alle Rechte vorbehalten. Das WAVE® Music System ist ein eingetragenes Warenzeichen der Bose Corporation in den USA und anderen Ländern. iPod und iPhone sind eingetragene Warenzeichen von Apple Inc. Zitiert aus: tv14 10/2005, Guter Rat 5/2005

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Bullhorn

willkommen! Der sehr großspurig auftretende Cassius Marcellus Clay, 18 Jahre alt, hatte die Reise zu den Olympischen Spielen nach Rom wegen seiner bemerkenswerten Flugangst inbrünstig betend, schlotternd und mit angeschnalltem Fallschirm verbracht. Zurückgekehrt war er als Olympiasieger im Halbschwergewicht. Wenige Wochen später, am 29. Oktober 1960, bestritt er seinen ersten Profikampf, Clays Gegner war Polizeichef von Fayetteville, West ­Virginia, und hieß Tunney Hunsaker. Vor exakt fünfzig Jahren begann damit in der Freedom Hall von Louisville, ­Kentucky, die größte Profiboxer-Karriere der Geschichte und in ihrer Vielschichtigkeit wohl eine der größten Sportlerkarrieren, die die Welt je ­gesehen hat. Für The Red Bulletin hat der Autor, Regisseur, Kabarettist – und frühere Box-Ringrichter – Werner Schneyder eine sehr persönliche Hommage an Muhammad Ali verfasst, den „Greatest of All Time“. Aus dem gleichnamigen, entsprechend monumental dimensionierten Buch stammen die begleitenden Bilder. Ein Boxer, der die Welt veränderte, in Bild und Wort ab Seite 46.

coverbild:Philippe Halsman/Magnum Photos; Bild: philipp horak

„Jeder kann alles tun und alles werden. Er muss sich nur von seinen Zwängen befreien.“ Sagt nicht Muhammad Ali, sondern gewissermaßen sein Gegenentwurf. Der 1958 geborene Norweger Jan Wanggaard war 1981 als Welt­ meister im Windsurfen einer der großen Gegenspieler von Robby Naish. Dann entdeckte er eines Tages, dass ihm das Drumherum einer Surf-Weltkarriere „keinen Platz zum Atmen ließ“, wie er sagt. Den Platz zum Atmen hat Wanggaard mittlerweile gefunden, von seinen Zwängen hat er sich ebenso ausgiebig wie konsequent befreit. Alex Lisetz und Philipp Horak haben den Norweger für The Red Bulletin in dessen Reich besucht, auf den Lofoten, einer norwegischen Inselgruppe ein ordentliches Stück nördlich des Polarkreises. „Komisch“, sagt Jan, „dass die, denen etwas im Leben fehlt, immer die sind, die am meisten haben.“ Ein Reisebericht, nicht nur in geografischer Hinsicht, ab Seite 62. Abgeschmeckt wird diese Ausgabe mit einer Story über japanisches Baseball: Nirgendwo in der Welt wird Baseball mit höherer Drehzahl, auf professionellerem Niveau und vor mehr Fans gespielt. Red Bulletin-Autor Werner Jessner hat Hayato Sakamoto besucht, 21 Jahre alt. Der Batter der Yomiuri Giants ist Japans populärster Sportler: An fünf Tagen der Woche lockt er im Schnitt unglaubliche 50.000 Fans ins Stadion. „Homerun“ ab Seite 56.

Für den Größten aller Zeiten „Das größenwahnsinnigste Buch der Kulturgeschichte … Alis letzter Sieg“, schrieb „Der Spiegel“, als 2003 die 34 Kilo schwere 10.000-Dollar-Luxusausgabe von „G.O.A.T.“ erschien. Jetzt kommt die leistbare Neuauflage (99,99 Euro, Taschen Verlag). Viele der Bilder der Story ab Seite 46 stammen aus „Greatest of All Time – A Tribute to Muhammad Ali“.

In der Tiefe des Raumes Willkommen auf den Lofoten: Alex Lisetz (links) und Philipp Horak (rechts) besuchten den ehemaligen Surf-Weltmeister Jan Wanggaard (Mitte).

Viel Spaß dabei! Die Redaktion PS: Beim „Read Bull Contest“ schreiben Leser/-innen des Red Bulletin Geschichten, senden sie an contact@at.redbulletin.com, jene werden online veröffentlicht. Die Story mit den meisten User-Votes wird im Heft abgedruckt. Die Regeln sind also überschaubar kompliziert, somit fehlt jede Entschuldigung fürs Nichtmitmachen: de.redbulletin.com/readbull

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Ihr Red Bulletin kann noch mehr, als Sie denken. Movies, Sounds, Animationen 10

12 Print 2.0 – die zusätzliche Dimension in Ihrem Red Bulletin. In diesem Heft bei folgenden Storys:

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Print 2.0

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Das neuartige Multimedia-Erlebnis. Wo immer Sie das Auge des Bullen sehen!

Wie’s geht? Umblättern auf Seite 7 oder gleich ins Internet: de.redbulletin.com/print2.0


kunde


i n h a lt

Die Welt von Red Bull im Oktober Ob steile Klamotten oder feste Höhlenkluft, große Triumphe oder stille Einkehr: einfach warm anziehen und seiner inneren Überzeugung folgen.

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Bullevard

08 Kainraths Kalenderblatt

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10 Fotos des Monats 16 Finnen-Party Wie Kimi Räikkönen die Rallye-WM auf heimischem Boden zum Volksfest machte. 19 Justin Timberlake Die Welt eines Popstars, der immer mehr zum Filmschauspieler wird.

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22 Einst & Jetzt Ferngesteuerte Modellautos sind heute doppelt so schnell wie vor fünfzig Jahren. 24 Mariana Pajon Die kolumbianische BMX-Meisterin im Ganzkörper-Selbstporträt. 26 Formelsammlung Was passiert, wenn aus einem Rad-Massensprint ein Massensturz wird.

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28 Die zahlen des Monats Von extrem frostig bis extrem lang: die Superlativen bei Polarexpeditionen.

Heroes

32 Benny Korthaus genügen Dirtjumpen und Freeriden nicht mehr. Er steigt jetzt ins Bike-Business ein. 34 Werner Herzog treibt sich gerade filmend in südfranzösischen Höhlen herum. Und erzählt uns, warum er keine Fliege sein will. 38 Lena Hoschek kann nähen, liebt Traditionen und mischt mit ihren femininen Kreationen kräftig im Fashion-Business mit. 42 Diplo ist der Alexander von Humboldt der DJZunft. Er folgt keinen Trends, er setzt sie. 44 Muhammad Ali stieg vor fünfzig Jahren für seinen ersten Profikampf in den Ring. Damit begann der Siegeszug von „The Greatest“. 6

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i n h a lt

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Bilder: Thomas Butler/Red Bull Photofiles, Carl Fischer/Taschen, Flo Hagena/Red Bull Photofiles, Philipp Horak, MATO JOHANNIK, KTM, Meenophoto, Jürgen Skarwan

Action

52 Homerun Baseball in Japan: Wir heften uns an die Fersen von Hayato Sakamoto, dem Jung­ star von Rekordmeister Yomiuri Giants. 58 Jans Welt Jan Wanggaard war Weltmeister im Windsurfen. Heute kultiviert er auf den Lofoten im fernen Norden Europas die Kunst, ohne Bedürfnisse zu leben. 68 Weltmeistermacher Neun von elf Titeln bei der MotocrossWM 2010 gehen an KTM. Eine Spuren­ suche nach dem Erfolgsgeheimnis. 74 Jacques Piccard Er tauchte 1960 bis auf den Grund des Marianengrabens. Sein Tiefenrekord von 10.916 Metern hat bis heute Bestand.

More Body & Mind

80 Šárka Pančochová Die tschechische Snowboarderin über coole Opera­tionen, ABBA und Partygirls. 82 Zeitreise im Sattel Wo man entlang der „L’Eroica“-Radstrecke unbedingt eine Rast einlegen sollte. 84 Big in Japan Groundhopping zwischen zwölf japanischen Baseball-Stadien. 86 Volles Programm Das Red Bull TV-Fenster bei ServusTV. 88 Hot spots Was rund um die Welt los ist. 90 Die Macht der Nacht Live aus Petrčane, Zürich, Medellín und New York. 98 Geist mit Körper Christian Ankowitschs Kolumne belebt.

the red Bulletin Print 2.0 Movies, Sounds, Animationen in Ihrem Red Bulletin. Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen. 1

de.redbulletin.com/ print2.0 Im Browserfenster sehen Sie das MagazinCover. Klicken Sie auf „Starten Sie Bull’s Eye!“.

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Webcam zulassen Sie benötigen eine Webcam. Sollte sich ein Auswahlfenster öffnen, klicken Sie auf „Zulassen“.

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Red Bulletin vor die Webcam halten Es erwarten Sie Multimedia-Inhalte wie Movies, Soundfiles oder Animationen.

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K a i n r at h s K a l e n d e r b l at t

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IM JOB ZA¨HLEN SCHNELLIGKEIT UND AUSDAUER. kunde

Vermutlich haben Sie schon von der „Work-Life-

muss er nicht gekühlt werden und ist mit nur

Balance“ gehört, also dem vernünftigen Verhält-

60 ml klein genug für die Aktentasche oder Schreib-

nis von Arbeit und Freizeit. Ein ferner Traum?

tischschublade. So ist er immer zur Hand, wenn Sie

Nicht mit dem Red Bull Energy Shot ohne Kohlen-

Energie brauchen, um noch schnell die Karriere-

säure. Mit nur einem Schluck hilft er, sich wieder

leiter zu stürmen – bevor die Feierabendparty startet.

zu konzentrieren und es zu bleiben. Außerdem

Konzentrierte Energie von Red Bull eben.

DER SHOT, DER FLÜGEL VERLEIHT.


bild: Christophe Margot/Red Bull Photofiles

Bullevard Befl端geltes in kleinen Dosen.


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Red Bull XRow: mit dem Boot über Stock und Stein.

Zugersee (Schweiz)

Tretboot Laufen ist gut, Rudern ist gut, wie gut muss erst eine Kombination der beiden erfreulichen Tätigkeiten sein: Dieser verlockende Gedanke ist nicht neu, wurden in der Schweiz doch bereits früher Wettkämpfe in diesem speziellen Duathlon ausgetragen. Im Rahmen von Red Bull XRow wurde der Sport nun verschärft (nämlich mussten beim Laufen die Boote getragen werden), als „Cross-Country-Rudern“ bezeichnet sowie einem Test seiner Gegenwartstauglichkeit unterzogen. Diesen bestand er in atemberaubender Weise. Die teilnehmenden Teams überwanden zwischen Zug und Luzern drei Ruder- und drei Lauf­ strecken und waren am Ende rechtschaffen erschöpft. Das schnellste Team war übrigens jenes des deutschen Ruder-Weltmeisters Marcel Hacker, dessen Plackerei nach 2:03:50 Stunden ein Ende fand. Alle Fotos vom Event auf: de.redbulletin.com/xrow


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Bild: Alberto Lessmann/Red Bull Photofiles


Ta r i fa ( S pa n i e n)

Gut übersetzt Gisela Pulido, 16 Jahre alt, sechsfache Kiteboard-Weltmeisterin, lebt in Tarifa in Südspanien. Dort sieht sie täglich die Fähre nach Tanger ablegen, gewaltige 40.000 PS treiben das Schiff durch die Straße von ­Gibraltar Richtung Marokko. Eines Tages hatte Gisela die Idee, die Fähre zu einem Wettrennen herauszufordern. Anfang September fand das ungleiche Rennen dann statt: Gisela benötigte für die 17 Kilometer lange Strecke 35 Minuten – was am Ende ein für den Fährenkapitän ehrenhaftes Remis ergab. Fotos, Videos und Giselas Blog auf: www.giselapulido.es

Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Giselas Wettrennen mit der Highspeed-Fähre.


b u l l e va r d

H afj e l l (N o rw eg e n)

Dieses Bild zeigt Niels Windfeldt und sein Bike und einen beson­ ders schmucken Teil von Niels’ norwegischer Heimat, und zwar Ha∆ell. In Szene gesetzt hat das norwegische Ensemble ein Schwede, nämlich Mattias Fredriksson. Niels, Hafjell und Mattias sind in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen (biken, bebikt werden, beim Biken und Bebikt-Werden fotografieren) weltweit bekannte Stars, irgendwie sieht man diesem Bild an, dass ausschließlich Hochqualifizierte an seiner Entstehung beteiligt waren. Mattias fand das Bild übrigens so gut, dass er es zu Red Bull Illume einsandte, wo er damit immerhin in die Finalrunde gelangte. Die weltbesten Fotos aus Abenteuer, Action und Sport auf: www.redbullillume.com

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bild: Mattias Fredriksson

Radfliegen


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Photo: R. Archer

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Finnen-Party

Wenn Kimi Räikkönen daheim aufs Gas steigt, wird die RallyeWM zum blau-weißen Volksfest.

Finnlands Motorsport-Hauptstadt trägt den klingenden Namen Jyväskylä. Einmal im Jahr macht dort die World Rally Fan-Magnet Räikkönen Championship Station, und Jyväskylä verwandelt sich in eine Pilgerstätte für PS-Jünger. Da Motorsport für den Finnen fast genauso wichtig ist wie eine gut beheizte Sauna, wird auf den Schotterpisten rund um ­Jyväskylä jedes Jahr eine Riesensause ­gefeiert. Heuer ist die Party noch heftiger ausgefallen ist als sonst. Der Grund: Kimi Räikkönen, Formel-1-Weltmeister 2007 und nun im Cockpit des Red Bull Citroën Junior Teams unterwegs, bewegte zum ersten Mal ein World Rally Car auf heimischer Piste. Während seiner Formel-1Karriere hatten Kimis Fans nie Gelegenheit, ihren Superhelden bei einem Heim-Grand-Prix anzufeuern (Finnland hatte nie einen). Dieses Mal holten tausende Anhänger in Blau-Weiß die Gelegenheit nach. Da 2010 noch ein Rallye-Lehrjahr für Kimi ist, hatte er keine Chance auf den Sieg. Was seine Fans ­keine Sekunde kümmerte. Oder wie die 27-jährige Lillan sagte: „Wir sind hier, weil wir ihn ­lieben, egal womit er fährt.“ Mehr Infos zum „Iceman“ auf: www.kimiraikkonen.com

Der finnische Rallye-Dresscode: Blau-Weiß mit starkem Hang zum Accessoire.

Bilder des Monats

Moment mal!

Szenen aus dem abenteuerlichen Alltag unserer Leser. Einfach hochladen auf: www.redbulletin.com Unter den Einsendern der veröffentlichten Fotos wird eine Trinkflasche des Schweizer Traditions­ herstellers SIGG im speziellen Red Bulletin-Design v­erlost. Gewinnerin aus Heft 09/2010: Julia Feirer

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Danzig Michael Beran sicherte sich vor einem phantastischen Publikum den BMX-Titel bei den Baltic Games 2010. Wojtek Antonow


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Hunts Saison Der britische Klippenspringer ist neuer Champion der Red Bull Cliff Diving World Series 2010.

text: Anthony Rowlinson, Ruth Morgan; bilder: REd Bull Photofiles (14), McKlein/Red Bull Photofiles (1), GEPA pictures/Red Bull Photofiles (1), Romina Amato/Red Bull Photofiles (1)

Gary Hunt (Bild) holte sich beim sechsten und letzten Tour-Stopp in Hilo auf Hawaii den Titel in der Red Bull Cliff Diving World Series. Dem Briten, der zuvor bereits vier der fünf Bewerbe hatte gewinnen können, fehlte im Mutterland des Klippenspringens nur noch ein Punkt zum Gesamtsieg. Nach dem ersten Durchgang lag der 26‑Jährige nur auf Platz acht. In der zweiten Runde setzte Hunt seinen Spezialsprung, den Triple Quad – den schwierigsten Sprung der Serie –, nahezu perfekt ins Wasser. Am Ende musste sich Hunt zwar dem neunfachen Weltmeister Orlando ­Duque (COL) geschlagen geben, sicherte sich aber mit 15 Punkten Vorsprung letztendlich überlegen den Titel. „Es ist großartig. Ich bin sprachlos, aber schön langsam realisiere ich meinen Erfolg“, zeigte sich der Vizeweltmeister der vergangenen Saison überwältigt. Das Video zum letzten Tour-Stopp und alle Saison-Highlights: www.redbullcliffdiving.com

PS-Party: Am Streckenrand wird gefeiert wie anderswo bei einer Fußball-WM.

Teahupoo Zur Untätigkeit gezwungen: Michel Bourez wartete beim Billabong Pro Tahiti auf die ­geeigneten Wellen. Brian Bielmann

Salzburg

Landeanflug im Doppelpack. Das Red Bull Skydive Team demonstriert seine Art des Stadtrundflugs. David Hasengschwandtner

Izu

Drei Tage lang hatten die jungen Teilnehmer die Chance, von den besten Künstlern Japans zu lernen. Osamu Matsuba, Red Bull Music Academy

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Daumenrennen 220 der besten Piloten ferngesteuerter Modellautos trafen sich zum Euro-Finale.

Ein Hase gegen hundert Igel

In Buxtehude bei Hamburg lieferte ein Märchen die Vorlage für den wohl außergewöhnlichsten Wettlauf seit den Tagen der Gebrüder Grimm: Red Bull Hase gegen Igel. Einmal im Leben einen Profi schlagen: Um diesen Traum jedes Amateurs zu verwirklichen, kann ein Quäntchen List nicht schaden, wie jedes Kind, das die Geschichte vom Wettlauf des Hasen gegen den Igel kennt, weiß. Ins Moderne übersetzt, heißt das: Die schnellste 10.000-Meter-Läuferin Deutschlands tritt gegen zehn deutsche Zehnerstaffeln von Amateurläuferinnen über ebendiese Distanz an. Schauplatz war die Innenstadt von Buxtehude, und der Profi hieß in diesem Fall Sabrina Mockenhaupt, die vor dem Rennen noch im Hasen-Shirt auftrat. Das Match vor 3000

Jyväskylä

Im siegreichen Team Karttunen traten gleich drei Generationen gemeinsam an. Rami Lappalainen, Red Bull Super Hit

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www.tamiya.de

Zuschauern verlief dann ganz eng: Erst nach dem ­siebten Läuferwechsel konnte sich die später siegreiche Staffelmannschaft „Turbodeerns“ aus Hamburg vor den „Hasen“ setzen. Nach dem neunten Wechsel spurteten auch noch die Kölnerinnen des ASV-Teams an Mockenhaupt vorbei, die damit am Ende als Dritte das Ziel erreichte. Und bei der Siegerehrung ganz zufrieden war mit dieser Niederlage: „Das war ein toller Tempotest, der ideal in meine Vorbereitungsphase gepasst hat.“ Das Video zum wilden Lauf durch Buxtehude: de.redbulletin.com/hasegegenigel

Brüssel

Nein, das war nicht die Startaufstellung für den Großen Preis von Belgien. Andererseits hätte der Käfer auf dem Kopfsteinpflaster so seine Vorteile. Bavo Swijgers

Wie bei den Großen: Siegerehrung Tamiya-Cup.

New York

Die Teilnehmer am Red Bull Manny Mania World Final hatten noch Glück mit dem Wetter. Das Pro Final einen Tag später fiel buchstäblich ins Wasser. Jody Morris

bilder: Kristian Fischer, Ray Demski/Red Bull Photofiles

Finden Sie den Hasen: Es ist Sabrina „Mocki“ Mockenhaupt.

Das Einzige, was die Fans an diesem Rennwochenende in Sonneberg, Thüringen, vielleicht vermissten, war ohrenbetäubender Sound. Ansonsten fand sich beim Finale des Tamiya-Cups, gefahren auf der werkseigenen Rennstrecke von Dickie Tamiya, alles, was Rennsport ausmacht, samt Boxengasse. Es ließ sich allerdings nicht verbergen, dass die Rennwagen nur ein Zehntel der Original-Boliden maßen. Für das Finale in ­Sonneberg hatten sich europaweit 220 der besten Fahrer ferngesteuerter Modellautos qualifiziert, und es war gut, dass man dafür keinen Führerschein brauchte: Der jüngste Teilnehmer war ­nämlich erst sieben Jahre alt.


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Meine Welt

Justin Timberlake hüpfte vom „Mickey Mouse Club“ in eine Boygroup, bevor er solo durch­startete. Ganz nebenbei locht er hervorragend ein.

No Cou ntry for a You ng Man

Treffpun kt

Loch 19 Von 21. bis 24. Oktober fan d zum dritten Mal das ­„Justin Timberlake Shriner s Hospital for Children Open“-Golfturnier auf dem TPC-Summerlin-Kurs in Las Vegas statt. Ein rich tiges PGA-Turnier, dotiert mit 4,3 Millionen Dol lar und einem Gastgeber mit einstelligem Handicap. „Bei Golf gehe ich einfach raus und kann alles um mich herum vergessen“, erzählte er „Golf Digest“.

und eiWenn man in Memphis, Tennessee, geboren wird spielt. nen Chorleiter zum Vater hat, ist klar, wo die Musik Justin ige elfjähr der trat Nicht eben überraschend Timberlake also erstmals 1992 ­öffentlich in einer US-TalenteShow auf, wo er in kariertem Hemd plus Cowboyhut einen Countrysong trällerte. Ein klarer Reinfall – trotzdem der Beginn einer großen Karriere.

Mickey und seine Freunde Nichts ist unmöglich im Showbiz. Deshalb treffen wir Klein Justin etwas später singend und tanzend im US-TV wieder. Im „Mickey Mouse Club“, wo er mit zukünftigen Stars wie Britney Spears Christina Aguilera und Ryan Gosling, lustige Sketches und Pop-Hits zum Besten gibt. Mit einer der Genannten wird er später wegen heftigem Beziehungs-Aufund-Ab in den Schlagzeilen landen.

Sex im Netz

2006 veröffentlicht Timberlake mit „FutureSex/LoveSounds“ sein zweites Soloalbum. Und darin geht es um das, was er wohl am besten kann: einen ­Popsänger aus den 1990ern, der seiner Freundin ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk macht. Nachde m eine Parodie des Musikvideos, „D* ck in a Box“, in der TV-Show „Saturda y Night Live“ erstmals gezeigt wird, avan ciert sie schlagartig zum YouTube-Hit . Und Timberlake übernimmt diese Version 2007 sogar in einem seiner Gigs .

Justin und die Boys

Text: Paul Wilson; Illustration: Lie-Ins and Tigers

1995 wird Timberlake mit „Mickey Mouse“-Kumpel J. C. Chasez und drei weiteren Jungs zur Boyband ’N Sync zusammengespannt. Das Quintett wird sagenhaft populär und verkauft insgesamt 56 Millionen Tonträger. Trotzdem bastelt Justin Timberlake bereits an einem Soloalbum, noch bevor sich die Band offiziell auflöst. Mit dem Erscheinen von „Justified“ im Sommer 2002 ist ’N Sync endgültig Geschichte.

Buenos Diaz!

Auch Timberlakes recht junge Film­ karriere kommt langsam in Schwung. Nach Parts wie der Stimme von Artie in „Shrek 3“, als smarter Gegner von Bruce Willis in „Alpha Dog“ oder an der Seite von Samuel L. Jackson in „Black Snake Moan“ darf sich Timberlake nun in Hauptrollen beweisen. In „Bad Teacher“ (Kinostart: April 2011) wird er von einer enttäuschten Lehrerin verfolgt. Die Böse gibt Cameron Diaz, mit der Timberlake einst drei Jahre lang liiert war.

The Trouser snake

Den englischen Spitznamen (dt.: Hosenschlange) erarbeitet sich Timberlake nach seiner Trennung von Britney Spears im Jahr 2002, als er mit prominenten Beautys wie z. B. Fergie von den Black Eyed Peas und anderen mehr oder weniger indiskreten Schönheiten durch die Gegend zieht. Ganz zu schweigen von „Nipplegate“ 2004, als Timberlake während eines gemeinsamen Auftritts zur Halbzeit der Super Bowl XXXVIII Janet Jacksons rechte Brust vor laufender Kamera entblößt. Unabsichtlich natürlich. Nach heftigem Hin und Her scheint er bei Redaktionsschluss doch wieder mit der Schauspielerin Jessica Biel liiert zu sein.

Versteckt, aber cool Timberlakes erstes Album findet viele Fans, auch bei nicht weiblichen über Dreizehnjährigen – vor allem wegen der ausgezeichneten Vocals. Endgültige Hochachtung erntet er 2003 nach einer Aktion mit versteckter Kamera. Traurig musste er angeblichen Steuerfahndern zusehen, wie diese seinen Besitz samt Hunden beschlagnahmten. Seine ­Reaktion nach Aufdeckung der Sachlage war so hinreißend humorvoll, dass er sich damit imagemäßig in die Riege der coolen Typen katapultierte.

Wir treffen uns im FB

In „The Social Network“ spielt Timberlake die Rolle von Sean Parker, dem Co-Gründer von Napster, der seine Finger zu Beginn auch bei Facebook drinnen hatte und zum Präsidenten aufstieg. Heute ist Parker am US-Investment-Fonds Founders Fund beteiligt, der sein Kapital in den letzten fünf Jahren um fünf­ hundert Millionen US-Dollar aufgestockt hat. „The Social Network“: ab 7. Oktober 2010 im Kino

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Briefe an die Redaktion.

kurz & dennoch einzigartig Wir bitten die erfolgreichen Athleten und Künstler vor die Kamera. Mit seinem Foto des Surfers Peter Mendria errang der 24-jährige Ch ris Burkard (IR L) den Sieg beim Red Bull Illu me Image Ques t 2010, zu dem 5000 Fotografe n 22.764 Bilder eingesandt hatte n.

Mit einem Sieg beim l­etzten Saisonr ennen in Windham (N. H. , USA) sicherte sich de r Brite Gee Atherton sein en ersten Weltcup-Gesa mtsieg im Mountainbike Downhill.

Gemeinsam mit seinen Teamkollegen Nicola Spirig, Ruedi Wild und Daniela Ryf holte sich Sven Riederer (SUI) in Lausanne den Weltmeistertitel im Triathlon-Team-Sprint.

Zweimal Edelmetall: Jana Dukátová (SVK, Mitte) gewann bei der Kanu-Slalom-WM in Tacen in Slowenien Gold im Canadier-Einer und Silber im Kajak-Einer.

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Ganz vereinfacht dargestellt: Die Temperatur eines Stoffes drückt sich durch die ungeordnete Bewegung der Atome aus. Je höher die Geschwindigkeit, desto heißer der Stoff. Die Geschwindigkeit der Atome kann durch geschickten Beschuss mit Lichtteilchen (dem Laserstrahl) gebremst werden, wodurch der Stoff kühler wird. Die Red. Danke für die fabelhafte Geschichte über Jochen Rindt, den tatsächlich ersten Popstar der Formel 1. So wie viele ­seiner Fans weiß auch ich noch heute, was ich zu der Stunde gemacht habe, als Jochen in Monza starb. Ein Zeichen, wie sehr uns dieser Charakter ­damals unter die Haut ging. Fred Schnürer, per E-Mail Leserbriefe an The Red Bulletin richten Sie bitte per Fax an +43 (0)1 90221-28809, per E-Mail an leserbriefe@at.redbulletin.com oder per Post an Heinrich-CollinStraße 1, 1140 Wien. Leserreaktionen werden nur veröffentlicht, wenn sie Name, Adresse und Telefonnummer bzw. E‑Mail-Adresse enthalten. Die Redak­tion behält sich Kürzungen vor, wenn es Länge und Klarheit erfordern.

bilder: Action Images, Janos Schmidt/ITU, Samo Vidic/Red Bull Cliff Diving, Sven Martin; illustration: dietmar kainrath

Es wird Zeit, ein Lob an die Redaktion und die Gestalter der Beilage The Red Bulletin (bei uns in der „tz“ zu finden) zu verfassen. Die Berichte sind nicht nur sehr breit gefächert, sondern auch kurzweilig und für Normalos wie mich durch die guten, einfachen Erklärungen sehr gut zu verstehen. In der August-Ausgabe habe ich über den Physiker Peter Zoller gelesen. In dieser Geschichte ist unter anderem zu lesen, dass Ionen mittels Laser bis fast auf den absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Ich dachte, ein Laser ist gebündeltes Licht und es entsteht hiebei enorme Hitze? Robert Angermann, ­Griesstätt (Lkr. Rosenheim)


JETZT IM HANDEL

: s n e li A l, e d n a w a m li Mondlandung, K A S A N r e d n e t k a im e h Die Ge .de www.pm-magazin


B u l l e va r d

EINST UND JETZT

Ferngesteuerte Modellautos

Einst Peugeot 404 von Joustra, ca. 1965 1960 präsentierte Peugeot den 404, ein heckgetriebenes Modell der Mittelklasse, als Limousine, Coupé, Kombi und Cabrio. Menschen überall auf der Welt schätzten den 404 als Neuwagen wegen seiner guten Serienausstattung und als Gebrauchtwagen ob seiner legendären Langlebigkeit: Der einfache Aufbau bewährte sich derart, dass in Kenia 22

noch bis 1991 fabriksneue Peugeot 404 vom Band liefen. Dieses Auto war schon immer ein Fall für eher konservative Naturen, wilde Kerle wurden anderswo bedient. So hat auch dieses kabelferngesteuerte Blechmodell aus den Sechzigern überlebt, hergestellt von Joustra, „Jouets de Strasbourg“, Spielsachen aus Straßburg. Das 1:30-Modell fährt vor-

wärts und zurück, links und rechts (man beachte den eindrucksvollen Sturz der Vorderräder), das Kind läuft am Kabel hintennach, öffnet bei Schönwetter das Schiebedach und erfreut sich am detailgetreuen Interieur samt aufgedrucktem Bandtacho, Aschenbecher und Autoradio. Betrieben wird das Auto mit einer 4,5-Volt-Taschenlampenbatterie.

text: werner jessner; bild: kurt keinrath

Ein Lenkrad zum Steuern, ein Auto, das fährt – und sei es noch so klein: Bubenträume haben sich im letzten halben Jahr­ hundert kaum verändert. Bloß die Autos sind heute schon im Stand doppelt so schnell und können dreimal so viel.


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 BMX-Pro Senad Grosic tauscht zwei gegen vier kleine Räder.

Jetzt Citroën C4 WRC von Kyosho, 2008 Die dreitürige Variante des kompakten Ci­ troën C4 spielt die sportliche Rolle im PSAKonzern, zu dem auch Peugeot gehört. So richtig glaubwürdig ist diese Message natürlich nur mit zünftiger Kriegsbemalung: Rot und Weiß für Citroën Sport, dazu die roten Bullen an Front und Seite. Überall zwischen Jyväskylä und Neuseeland assoziiert man

das ikonenhafte Design mit Sébastien Loeb, dem erfolgreichsten Rallyefahrer der Geschichte. Ähnlich gefinkelt wie das 300 PS starke Original ist auch das funkferngesteuerte Modell von Kyosho im Maßstab 1:9. ­Unter ­einer Karosserie aus federleichtem Kunststoff steckt das gefräste Alu-Chassis mit Verbrennungsmotor, Allradantrieb, ver-

stellbarem Fahrwerk (Einzelradaufhängung) und drei Differentialen. Über die Fernsteuerung kann das Fahrverhalten zusätzlich zu den Grundfunktionen fein eingestellt werden. Bei 379 Euro beginnt der Spaß, es gibt ein reichhaltiges Tuning-Angebot. Der Hersteller findet übrigens: Das ist kein Spielzeug (mehr). www.kyosho.de

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Mein Körper und ich

Mariana Pajon

Kaum konnte sie gehen, saß die 13fache kolumbianische BMX-Meisterin schon auf dem Bike. Die Konsequenzen: jede Menge gebrochener Knochen, blaue Flecken und der Traum von der Goldmedaille.

Mit vier begann ich Rennen zu fahren, jetzt bin ich achtzehn (bald neunzehn): ich sitze also schon ziemlich lange im Sattel. Unfälle gehören bei uns zum ­Alltag, ich habe mir schon ziemlich jeden Knochen gebrochen. Am schlimmsten war es 2007, als ich mir das linke Handgelenk brach und der Knochen durch die Haut stieß. Kahnbein und Speiche waren in acht Teile zerbrochen und mussten mit neun Schrauben fixiert werden. Sämtliche Sehnen und Bänder waren lädiert, mein Arzt sagte, ich würde nie wieder fahren können. Nach sechs Monaten saß ich wieder am Bike. Ein Jahr später brach ich mir bei der WM dasselbe Handgelenk erneut, bin aber mit dreifach gebrochenem Kahnbein weiter rechte das Auch nen. gewon habe und en gefahr Hand­gelenk habe ich mir schon fünfmal gebrochen.

I’m lovin g it!

Ich versuche mich gesund zu ernähren, bin aber nicht sehr gut darin. Ich esse fettarm, nicht zu viel Zucker und an die sechs Mahlzeiten am Tag. Aber ich liebe Süßigkeiten und Hamburger – all die bösen Sachen. Darum habe ich auch Tage, an denen ich Frittiertes, Eis oder Süßigkeiten aus­ lasse. Man muss eine Balance haben.

Ung lücklich e Landung en

Knöchelbrüche kommen beim BMXen häufig vor. Ich habe mir schon beide gebrochen, den rechten sogar zweimal. Das passiert normalerweise, wenn ich springe und in der Luft vom Rad abkomme – danach ist es schwierig, gut zu landen. Beim ersten Mal war ich sieben, das zweite Mal passierte 2010 bei einem WM-Lauf in Spanien. Da bin ich mit einer Amerikanerin in der Luft zusammen­ gestoßen und landete unglücklich. Ich konnte zwar aufstehen, aber nicht mehr gehen. Einen Monat lang war ich ein- gegipst. Dann war es schwierig, in den Sattel zurückzukehren, weil du ja beim Fahren körperlich wirklich fit sein musst. Also bin ich, auch wenn ich verletzt war, immer ins Fitnessstudio gegangen. Unbeweglich zu sein, damit komme ich nur schwer zurecht.

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No

ri sk , no fu n Auch beide Schlüsselbein e habe ich mir schon geb rochen. Zuerst das rechte bei me inem zweiten BMX-Renn en, als Fünfjährige: Ich trat beim Hau ptevent an und war darübe r so glücklich, dass ich danach noc h mal zurück auf die Streck e bin – und stürzte. Mit zehn fiel ich bei einem Dreifachsp rung übers Rad und brach mir das and ere Schlüsselbein. Natürli ch versuchst du Verletzungen zu vermeiden, aber du mu sst die Risiken aus deinem Kopf ver bannen und Gas geben. Wenn ich mir einen Doppelsprung übe rlege, denke ich manchma l daran, was ich mir bei einem Stu rz alles brechen könnte – und springe dann trotzdem. Selbst wenn ich in Zukunft noch mehr ­gebrochene Knochen hab en sollte, ist mir das ega l. Fam iliensache

die WoAls ich vier war, trainierte ich sechs Tage meinem che gemeinsam mit meinem Vater und verlasBruder, wollte die Strecke gar nicht mehr ich mit nn gewa itel sen. Meinen ersten WM-T rt und Goka mit its bere ich hatte r Davo . neun erte entri konz und Sportgymnastik aufgehört iere train eit Derz en. -Fahr BMX aufs noch mich nur bis 17 von und Uhr ich jeden Tag von 9 bis 12.30 oder t Sprin chte, Gewi dio, ssstu Fitne 20 Uhr. nikVelodrom-Training, kombiniert mit Tech training auf der Strecke. Da BMX jetzt ein olympischer Sport ist, ist so eine Vorbereitung essenziell. Mein Traum ist natürlich eine Goldmedaille.

Fremdwort Angst Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der ich nicht mit blauen Flecken übersät war. BMXAthletin zu sein bedeutet, jeden Tag Schmerzen zu haben. Wenn mir meine Freunde zusehen, bekommen sie Angst. Ich selbst bin für gewöhnlich furchtlos. Ich fahre hauptsächlich in zwei Kategorien – mit Jungs und bei den Elite Women. In Wettkämpfen gegen Jungs bin ich die einzige Frau und komme normalerweise ­unter die Top drei. Manchmal gewinne ich auch, was sie ganz schön ärgert. Mariana Pajon im Interview: de.redbulletin.com/pajon

texT: ruth morgan; bild: Camilo Rozo/Red Bull Photofiles

Aus dem Han dgelenk gesc hüttelt


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b u l l e va r d

Formelsammlung

Domino­ effekt

Der finale Schlusssprint der vierten Etappe der Tour de Suisse 2010 endet in Wettingen mit e­ inem Massen­ sturz, als die in Führung Liegenden, Heinrich Hauss­ ler (GER) und Mark Cavendish (GBR), sich wenige Meter vor der Ziellinie berühren und stürzen. Dahin­ ter kommen weitere Fahrer ebenfalls zu Fall. Richten wir nun unser Augenmerk auf den derzeit besten Sprinter im Profiradsport, Mark Cavendish. Die Fahrer sprinten mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h (20 m/s). Cavendishs Vorderrad knickt ein, wodurch ein Sturz unvermeidbar ist. Ungefähr 1,5 Sekunden danach trifft er am Boden auf. Nach dem Aufprall bewegt sich sein Körper noch für zirka sechs Sekunden vorwärts, während die Abwärts­ bewegung innerhalb einiger Millisekunden zum Stillstand kommt. Die größten Kräfte entstehen durch die Änderung des Impulses in vertikaler Richtung. Die potentielle Energie vor dem Sturz (mgh) wird in kinetische Energie (mv²/2) umgewandelt. Durch Gleichsetzen der beiden Energien ergibt sich eine vertikale Geschwindigkeit vor dem Aufprall von 4 m/s. Das zweite Newton’sche Gesetz besagt, dass Kraft mal Kontaktzeit gleich Änderung des Impulses ist. Die Kontaktzeit hängt von der Steifigkeit ab und nimmt für verschiedene Körperteile unterschiedliche Werte an. Schutzkleidung und Helme verlängern die Kontaktdauer und reduzieren somit die Kräfte. Mit ­einer Masse m von 60 kg und einer Kontaktdauer von 0,1 Sekunden wirkt eine Kraft von 2400 Newton auf den Körper, das Vierfache der Erdbeschleunigung. Wie kann es passieren, dass das Vorderrad sich um mehr als 45 Grad verbiegt und anschließend wieder seine ursprüngliche Form annimmt? Die Spei­ chen ziehen die Felge nach innen. Dadurch entsteht in der Felge eine Druckkraft. Durch den Zusammen­ stoß mit dem Vorderrad des Nachbarn wird die Zug­ spannung in den Speichen erhöht. Die Druckkraft in der Felge wird zu hoch, und die Felge verkippt. Das Verkippen ist eine elastische Verformung. Das Rad nimmt seine ursprüngliche Form wieder an, sobald die Spannung in den Speichen verringert wird. Der Vorfall hatte übrigens noch ein Nachspiel für Cavendish: „Deklassierung auf den letzten Platz des Feldes, 25 Punkte Abzug im Punkteklassement, 200.– CHF Busse und 30 Strafsekunden im Gesamt­ klassement“ (Auszug aus dem Urteil der Jury). * Prof. Dr. Thomas Schrefl unterrichtet und forscht an der Fachhochschule St. Pölten, Niederösterreich, und an der Universität Sheffield, Großbritannien.

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bild: Christian Hartmann/Reuters, illustration: mandy fischer

15. Juni, vierte Etappe der Tour de Suisse 2010: Aus dem Massensprint wurde ein Massensturz. Das Ganze aus der Sicht der Physik*, betrachtet an Mark Cavendish.

Hohe Physik: Mark Cavendish, stets Sieganwärter beim Schlusssprint, passiert ein technisches Malheur.



B u l l e va r d

Zahlen des Monats

Polarexpedition 18:59:56

Zehen verlor der Amerikaner Robert Peary bei seinen sich insgesamt über 20 Jahre erstrecken­ den arktischen Expeditionen, er war der „erste“ Mensch am Nordpol. Erster unter Anführungs­ zeichen, weil bis heute bezweifelt wird, ob er – wie er selbst behauptete – am 6. April 1909 während seiner letzten Expedition tatsächlich am Pol war. 1969 führte Sir Wally Herbert ein britisches Team zur ersten unbestrittenen Fuß­ ankunft. 2005 erreichte das Team des eben­ falls britischen Abenteurers Tom Avery (mit Schlitten aus der Peary-Ära) den Pol.

PEARY

DONOVAN

1350

Meilen (2170 km) lang war die längste nicht unterstützte Polarexpedition. Von 9. November 1992 bis 11. Februar 1993 durchquerten Dr. Mike Stroud und Sir Ranulph Fiennes die Antarktis an ihrer schmalsten Stelle: von Gould Bay an der Nordküste bis zum Ross-Schelfeis im Süden. Während des Marsches verbrann­ te jeder der Forscher an die 10.000 Kalo­ rien täglich, wie Stroud später errechnete. 2003 beendete das ausdauernde Duo an sieben Tagen sieben Marathons auf sie­ ben Kontinenten (die Falkland-Inseln zähl­ ten als Antarktis). Den Versuch, zu Weih­ nachten 2010 einen 3000-Meilen-Rekord mit Snow-Kites aufzustellen, musste das Team aus Budgetnöten aufschieben.

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FIENNES

28

ist die Kennzahl der aktuellen „Drifting Station“ am Nordpol. Der Südpol ist ein exakt definierbarer Punkt auf der antarktischen Landmasse, fixe Forschungs­ basen wie die Amundsen-Scott-Südpolstation wurden in dessen Nähe eingerichtet. Am Nordpol kann man nur auf dem Eis campieren, welches den Großteil des Arktischen Ozeans bedeckt. Da sich das Eis bewegt, werden sogenannte Eisdriftstationen aus Fertighäu­ sern und Zelten per Flugzeug oder Eisbrecher abge­ setzt. Russland entsendet jährlich eine solche Station, aktuell „Sewerny Poljus-37“ (Nordpol 37), die unter anderem die Effekte des Klimawandels erforschen soll.

–89,2

45

Psychologie-Professor Stanley Coren veröffentlichte 1994 ein Intelligenz-Ran­ king von Hunden. Auf Platz 45: der Sibiri­ sche Husky. In einer Reihung nach Zähig­ keit wäre der Husky jedoch ganz oben. Roald Amundsen hätte ohne seine 52 Grönlandhunde – 24 mussten auf der Strecke ihr Leben lassen, um als Nah­ rung zu dienen – niemals die erste erfolgreiche Südpol-Expedition (1911) geschafft. Übrigens: Der schlaueste Hund auf ­Corens Liste ist der Border Collie.

Richard Donovan gewann das 100 Kilometer lange ­Antarctic Ice Race 2009 in 18:59:56 Stunden. Der Ire verwies den Briten Mark Fell auf Platz zwei. Das Ren­ nen, das aus vier 25-Kilometer-Etappen besteht, wird seit 2006 neben dem Antarctic Ice Marathon aus­ getragen. Der Brite Miles Cudmore stellte bei seinem Sieg 2008 mit 4:36:53 den Streckenrekord für den Südpol-Marathon auf. Der Ire Thomas Maguire fixierte 2007 mit 3:36:10 Stunden die Bestzeit beim Nord­ pol-Marathon. Zum Vergleich: Den regulären Mara­ thon-Weltrekord – ohne Daunenanorak und Kaf­ fee aus Thermosflaschen – hält der Äthiopier Haile ­Gebrselassie in 2:03:59 Stunden.

AMUNDSEN

ist die tiefste jemals auf der Erde gemessene Temperatur (in Grad Celsius). Die Wissenschafter der unter russischer Leitung stehenden Station „Wostok“ in der Ostantarktis protokollierten den Wert am 21. Juli 1983, gemessen hatte ihn das dortige PlatinWiderstandsthermometer. In den Wochen vor der Rekordmessung war der Himmel beinahe wolkenlos, und es war völlig windstill. Die Ausrüstung wurde tags darauf überprüft, um eine Fehlmessung ausschließen zu können. Vorstell- und messbar ist jedoch noch größere Kälte: Im Vorjahr entdeckten Forscher eine Antarktis-Eisscholle mit – übri­ gens theoretischer, nicht gemessener – noch niedrigerer Temperatur. On thin Ice – ein Rennen zum Südpol: ab 24. Oktober auf ServusTV (siehe Seite 87)

Bilder: Graham Grieves/Rex Features, Hulton Archive/Getty Images, Jon Nicholson/Getty images, Popperfoto/Getty Images

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Süd- und Nordpol, Antarktis und Arktis: Die Extreme der Erde ziehen Forscher, Wissenschafter, Läufer und die wirklich harten Hunde an.


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Heroes Helden und ihre Taten: Wer uns diesen Monat bewegt.

bild: Kobal Collection

32 Benny Korthaus 34 Werner Herzog 38 Lena Hoschek 42 Diplo 44 Muhammad Ali

Für „Fitzcarraldo“ (1982) ließ er ein Schiff über ­einen Berg ziehen. Werner Herzog in Porträt und ­Interview zu seinem neuen Projekt ab Seite 34.


Heroes

Benny Korthaus hat einen Plan, aber keine Milz: Der eins neunzig große ­Routinier der Dirtjump- und Freeride-Szene will mit einer ­eigenen Firma ins Bike-Business einsteigen. Text: Jan Cremer, Bild: Michael Pruckner

Name Benny Korthaus Geburtsdatum/-ort 30. Dezember 1982, München Wohnort München Beruf Freerider Multitalent Korthaus begann mit BMX, schnupperte dann ins Freeride-Fach und ist mittlerweile fast ausschließlich auf dem Mountainbike unterwegs. Erfolge Nea Award/Rookie of the Year 2001, erster Platz beim Vienna Air King/Best Trick 2008, zweiter Platz bei der Nissan Qashqai Challenge (Overall ­Tour Ranking) 2008, Sportler des Jahres in München 2009, Platz vier beim Telekom Extreme Playground in Duisburg 2010 Trick-Pionier Als erster Mountainbiker überhaupt zeigte Korthaus bei einem internationalen Wettbewerb einen „360 Double Tailwhip“. Web bennykorthaus.com

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5. April 2009, Wiener Allgemeines Krankenhaus. Benny Korthaus blickt unter die Bettdecke: Ein fünfzehn Zentimeter langer Schnitt oberhalb des Bauchnabels, acht Schläuche im Körper und ein Katheter im empfindlichsten Teil des Mannes. Für ihn ist der Anblick dennoch beruhigend: „Das bedeutete, dass ich die Operation überlebt hatte und wieder einschlafen konnte“, erinnert sich der Mountainbike-Profi. Wenige Stunden zuvor war Korthaus noch auf seinem Bike gesessen, scharf darauf, sich beim „Vienna Air King“Contest mit der Elite der Mountainbike-Freerider und Dirtjumper zu messen. Doch dieser Sonntag sollte ein Tag in seinem Leben werden, den so schnell keiner mehr vergessen konnte. Der Platz vor dem Wiener Rathaus vibriert aufgrund der Erwartungen von tausenden Zusehern. Benny Korthaus, der 1,90-Meter-Kerl aus München, steht am Starthügel und blendet die tobende Menge aus. Sein Fokus liegt auf dem Dirtjump-Parcours. Auf den Rampen und Hügeln, groß und steil genug, um die Rider bis zu sieben Meter hoch in die Luft zu katapultieren. Zunächst scheint für ihn alles wie geplant zu laufen. Die Tricks kommen sauber und hoch. Benny kann die Reaktionen der Zuschauer spüren, sie pushen ihn, sie tragen ihn. Dann kommt die Windböe. Sie erwischt ihn mitten im Sprung. Das Hinterrad schlägt vor der Kante des Landehügels auf, Korthaus detoniert unten im Flat. Die Wucht des Aufpralls rammt ihm den Ellbogen in die Rippen. Zwei bersten, die Milz reißt. Schlagartig geht es für den damals Sechsundzwanzigjährigen nicht mehr um Punkte der Judges, sondern nur noch um eins: Überleben. Ein Milzriss bedeutet akute Lebensgefahr. Die medizinische Notversorgung vor Ort klappt perfekt. Benny wird binnen Minuten ins Wiener AKH gebracht, seine Milz entfernt. Ans Karriereende denkt der Münchner aber nicht einmal im Aufwachraum. Seine erste Frage an den Arzt: „Wann kann ich wieder fahren?“ Der Doktor prognostizierte vier Monate Pause, Korthaus’ Ehrgeiz verkürzte sie auf drei. Länger

konnte er auf die größte Leidenschaft seines Lebens nicht verzichten, war er doch fast sein ganzes Leben Fahrrad gefahren: Mit sechs Jahren war er erstmals auf einem geliehenen BMX-Rad durch den Münchner Vorort Germering gedüst, genau zwei Tage später folgte das erste Rennen im Olympiapark. Korthaus kam, siegte und wollte mehr. Sein Vater wurde Bennys persönlicher Chauffeur, der ihn quer durch Deutschland kutschierte. Benny Korthaus entschied im Gegenzug Rennen um Rennen für sich. „Schon bald aber hatte ich mehr Freude am Tricksen als am Racen. Außerdem begann mir die Konkurrenzsituation bei den Rennen zu missfallen“, sagt Korthaus über seine Anfangsjahre. Also wechselte er mit dreizehn in die BMX-Freeride-Szene, in der Fahrer sich nicht als Konkurrenten, sondern eher als Kumpels sehen. Der nächste Umstieg hatte physiologische Gründe: Benny wuchs, die Räder nicht, der Umstieg aufs Mountainbike war logisch. Spätestens seit seinem Auftritt in der neunten Ausgabe der Videoreihe „New World Disorder“ zählt Korthaus auch hier zur Weltspitze. Eine Sequenz in „NWD“ ist der Ritterschlag in einer Szene, der es nicht so sehr um Titel geht: „Wichtiger sind die Tricks, an die man sich langsam heranarbeiten muss.“ Wie das geht? „Zuerst triffst du eine Vorauswahl von vier, fünf Möglichkeiten. Dann übst du die Bewegungsabläufe in der Schnitzelgrube, später landest du den Trick auf Dirt. Erst wenn er hundertprozentig sitzt, nimmst du ihn ins Wettkampf-Repertoire auf.“ Weil Korthaus sportliche Action allein nicht mehr genügt, hat er vor kurzem gemeinsam mit einem Freund eine Firma gegründet, Ziel: selbst Mountainbikes zu bauen. Schlicht, stylish und vor allem stabil sollen die Räder werden. Noch steckt das Unternehmen in den Kinderschuhen, aber den ersten Prototyp gibt es schon. Vielleicht fährt Korthaus 2011 bereits ein selbstkonzipiertes Bike. Am Wiener Rathausplatz, beim nächsten „Air King“-Contest. Benny is back: die spektakulären Bilder vom „Vienna Air King 2010“ auf: de.redbulletin.com/airking2010


Benny Korthaus: Role Model der deutschen Dirt- und Freeride-Szene.


Heroes

Werner Herzog Der Filmemacher, der keine Fliege an der Wand sein will, und schon gar nicht in der Suppe. Text: Herbert Völker, Bild: Jürgen Skarwan

Name Werner Herzog Geburtsdatum/-ort 5. September 1942 in München Beruf Filmregisseur, Buchautor Aktuelles Projekt „Cave of Forgotten Dreams“, ein Film über die Chauvet-Höhle in Südfrankreich mit den ältesten bekannten Höhlenmalereien der Welt Erfolge Herzog war unter anderem viermal für die Goldene Palme in Cannes nominiert, je einmal für den Goldenen Bären in Berlin, für den César, für den Goldenen Löwen in Venedig sowie für den Academy Award. Web www.wernerherzog.com

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Wenn es um einen Tag im Leben des Werner Herzog geht, kannst du dir die Weltgegend nicht aussuchen. Wir finden uns im ruppigen Teil des französischen Südens, sind vom schäumenden Fluss heraufgestiegen zu den senkrechten Felswänden. Herzog gönnt uns eine kleine Pause und deutet ­hinunter, sozusagen auf die Menschen, die hier vor 30.000 Jahren gelebt haben: Die hätten schon einen Sinn für Drama gehabt, für einen Operneffekt in der Landschaft. Rund um diese sagenhafte Steinbrücke, die auf ganz natürliche Weise übriggeblieben ist, als sich der Fluss Ardèche immer tiefer in den Fels bohrte, lebten sie in Höhlen, von denen etliche ­erhalten sind. Die Chauvet-Höhle indes ist einzigartig, noch in der Steinzeit durch einen Felssturz verschlossen, erst 1994 entdeckt, vermessen, abfotografiert und zugesperrt, wie man einen Felsen eben nur zusperren kann. Ein Dutzend Kameras überwacht Aufstieg, Fels­ steig und den Knick zum Einstieg, den eine halbmeter­ dicke Tresorwand von der Schleuse trennt, d ­ anach geht’s zehn Meter in einer schmalen Röhre bergab, dort hocken wohl ein paar Säbelzahntiger, mit knur­ renden Mägen seit Jahrzehntausenden. Warum diese enorme Sorge, dass jemand ein­ dringen könnte? Der Schatz dieser ältesten bekannten Höhlen­ malereien ist in seinem Wert nicht auszudrücken, angefangen bei der schieren Kunst und diesem seltsamen Ereignis vor 25.000 Jahren. Der Felssturz ermöglichte einen einzigartigen Erhaltungszustand, „man hat beispielsweise den Fußabdruck eines etwa achtjährigen Jungen gefunden und daneben Spuren eines Wolfs, als wäre das sein Begleiter gewesen“, sagt Herzog. Nach dieser Ewigkeit von Abdichtung ist das ­Höhlensystem mit seinen vier Sälen natürlich extrem gefährdet durch jede Art von äußerem Einfluss, an­ gefangen von Kohlendioxid und Feuchtigkeit. Jeder Zutritt von Menschen ist ein Risiko. Wieso hat das

französische Kultusministerium ausgerechnet einem in Amerika lebenden Deutschen einen einzigartigen Filmauftrag gegeben? An der demütigen Gagenforderung von einem Euro kann’s nicht liegen. Keiner der großen Filme­ macher hätte mehr verlangt. Herzog ist ein sportlicher Achtundsechzigjähriger. Sein ganzes Leben hat sich auf einem Höhenzug zwischen Fiction und Documentary abgespielt, im Film wie im richtigen Leben, manchmal kaum aus­ einanderzuhalten. Wenn einer, der nicht reiten kann, in Mexiko zum Bullen-Rodeo antritt (Herzog mit fünfundzwanzig), wo soll man das hintun? Er hat seine Knochen immer wieder hingehalten, das hat das Gerücht begründet, dass er auch mit seinen Schau­ spielern und Komparsen robust umgehe. Vom Amazo­ nas („Fitzcarraldo“) und aus Ghana („Cobra Verde“) mochten dramatische Geschichten getrommelt wor­ den sein, aber alle sind fein herausgekommen, der nervenmarternde Klaus Kinski ebenso wie Claudia Cardinale in ihrer makellosen Schönheit. Man muss von keiner Renaissance der Werke ­Werner Herzogs reden, denn seine Filme waren nie out und haben heute weniger denn je ein Ablauf­ datum. Ganz abgesehen von den Top-Titeln: Herzogs Alleinstellung in der Geschichte der Filmerei ist die Veredelung eines Genres, das kein wirkliches Etikett hat, denn „Doku“ ist zu flach für diese vielschichtige Art des Erzählens. Reden wir also über die Herzog’sche Art. Eine ­Nische im Steig vor dem Felsen der Chauvet-Höhle ist ein lässiger Ort. Herzogs Stimme ist längst berühmt von den OffKommentaren zu vielen seiner Filme. Die präzise Schärfe der Wortwahl schrammt über einen mono­ ton-fatalistischen Gleichmut der Rede. Selbst über die wüstesten Tiraden Klaus Kinskis („Mein liebster Feind“) hat er in brüderlicher Liebe gesprochen, na ja, im Tonfall zumindest. Wenn man Werner Herzog auf laut dreht, bleibt er immer noch leise.


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Der Trailer zum Werner Herzog Special auf ServusTV.

Man muss von keiner Renaissance seiner Filme reden, denn sie waren nie out: Werner Herzog, hier nahe der Chauvet-HĂśhle im SĂźden Frankreichs.


red bulletin: Spielfilm ist Dichtung, Dokumentation ist Wahrheit, können wir das zum Anfang so hinstellen? werner herzog: Das ist kein Anfang, denn er führt nirgendwohin. Bei Dokumentarfilmern schwirrt im­ mer noch die Idee herum, ein Faktum alleine würde schon eine Wahrheit darstellen. Tut’s aber nicht. Sonst wäre ja das Telefonbuch von Manhattan das Buch aller Bücher. Vier Millionen Einträge, alle kor­ rekt, alle verifizierbar – das erleuchtet uns nicht, das ergibt keine Wahrheit. Wir wissen ja nicht, wer diese 35 Seiten „Smith“ sind, träumen die nachts, weinen die in ihr Kissen, wie leben die, wie denken sie? Das wissen wir alles nicht. Ich glaube, wir müssen uns ab­ wenden vom rein Faktischen, als wäre das der Inhalt von allem. Filmfreaks nennen gern die „Fliege an der Wand“ als Beispiel für das stumme Beobachten des Regis­ seurs („bin gar nicht anwesend“), anderseits die „Fliege in der Suppe“ als Wortbild fürs Ein­gebun­ densein. Sehen Sie sich auch als Fliege, und in welcher Suppe? Ich dachte immer, wir müssen eingreifen, gestalten, wir sind ja Regisseure. Bei einem Kongress von fünf­ hundert Dokumentarfilmern in Amsterdam wurde das Thema so zerredet, dass ich mehr und mehr ver­

„Wir dürfen nicht die Fliegen sein, ich will die Hornisse sein, die sticht.“ 36

fallen bin. Ich habe mir ein Mikrofon geschnappt und gesagt: „Ihr Kretins, wir dürfen nicht die Fliegen an der Wand sein, ich will die Hornisse sein, die sticht!“ Dann war ein Riesengebrülle im Saal, ich habe mir das Mikrofon also noch einmal gegriffen: ­„Happy new year, losers!“ Mehr gab’s dazu nicht zu sagen. Dahinter steht, dass wir im Moment dramatische Veränderungen im Verhältnis zur Realitätszeit haben, mit Reality-TV und Virtual Reality im Internet und Photoshop. Alles ist auf einmal künstlich erzeugbar, und Realität muss neu erfasst, definiert und neu be­ griffen werden – das ist unter anderem die Aufgabe von denen, die Filme machen. Wie schaut das Erfassen von Realität aus, wenn es um 30.000 Jahre alte Kunstwerke geht, die aus Lebensumständen der Steinzeitmenschen entstanden sind? Lässt sich darauf eine Art von Mystizismus projizieren, um die Wahrheit an der Wand für uns zum Leben zu bringen? Mystizismus liegt mir vollkommen fern. Das wäre ja eine große Gefahr bei diesem Thema. Es gibt eine abscheuliche Pseudophilosophie, man darf nicht mal das Wort Philosophie dafür nehmen, weil es solch eine Abscheulichkeit ist, New Age, Vollidioten, Quar­ tals-Irre, die sich an diese Höhle dranhängen wollen und irgendeine paläolithische Mystik daherfaseln, das gibt’s bei mir nicht. Warum haben Sie 3-D als Format für diesen Film gewählt? Innerhalb der Höhle ist das wunderbar, weil in den Malereien sehr viele Nischen ausgenutzt wurden: dort ein Pferd hervorkommen zu lassen oder den Bu­ ckel eines Bisons. Dann wieder hängen schleierartige Vorhänge von Stalaktiten und Stalagmiten herum,

bilder: ImageForum/AFP (4)

Das Phänomen der Chauvet-Höhle: dass die ältesten bekannten Malereien der Menschheit sich nicht als primitive Kritzeleien darstellen, sondern als vollkommen entwickelte Kunstwerke, die durch clever genutzte Nischen und Felsvorsprünge an Plastizität gewinnen, ideal für heutige 3-D-Aufnahmetechnik.


Heroes

fünf (von ungefähr sechzig) Werner-Herzog-Filmen Die groSSe Ekstase des Bildschnitzers Steiner (1974) Herzog himself: „Die Geschichte des fabelhaften Schwei­ zer Skispringers Walter Steiner (Mitte der 1970er Jahre einer der besten der Welt; Anm.). Jemand, der sich gegen die Gesetze der Schwerkraft auflehnt, auf einmal fliegt, ohne wirkliches Gerät – die Ski brauchte man ja nur zur Beschleunigung und zum Landen. Mit der heutigen Fluglage hat man natürlich ein anderes Luftkissen, auf dem man schwebt. In Steiner war die totale Ekstase. Er segelte wie ein Frisbee, das hat man nie wieder gesehen. Damals war es auch viel schwieriger zu fliegen, weil die Ski parallel zueinander waren, die Schanzen viel zu gefährlich, mit einem abrupten Übergang in die Ebene, wenn man zu weit sprang. Und Steiner sprang zu weit, viermal wäre er fast in den Tod geflogen. Seit Steiner hat man die Schanzen neu gebaut.“

Fitzcarraldo (1982) Der Werner-Herzog-Klassiker: Der unglaubliche Klaus Kinski will im Amazonas-Dschungel ein Opernhaus errichten. Die Szene, wo das Schiff über den Hügel gezogen wird, ist echt-echt-echt. Das Taschenbuch über Momentaufnahmen der Dreharbeiten (W. Herzog: „Die Eroberung des Nutzlosen“) ist Einstiegsdroge für den ganzen Herzog-Kosmos.

Gasherbrum, der leuchtende Berg (1984)

bilder: Mauritius images, Mary Evans/picturedesk.com, werner herzog film gmbh (3)

Herzog himself: „War zunächst gedacht als Test für einen Spielfilm. Die Geschichte sollte auf dem K2 spielen, aber beim Drehen war schnell klar, dass es undenkbar ist, mit Kameras und mit Schauspielern auf 7500 oder 8000 Meter Höhe zu operieren. Das hätte Tote gegeben. In dem Moment, als ich den K2 sah, über den Gletscher hinweg, wusste ich, dass das nicht geht. Aber für mich war es eine Faszination, mit Hans Kammerlander und Reinhold Messner zu drehen, die ja Außergewöhnliches, nie Dagewesenes geleistet haben. Ich bin aber immer sehr vorsichtig vor einer ungesunden Rekordsucht, die das auch begleitet. Es hat sich ein Film ergeben, der mir irgendwie nah ist, weil ich selber in den Bergen aufgewachsen bin und weil Messner einfach so eine ungewöhn­ liche Figur in dem ganzen Theater der Bergsteigerei ist.“

Cobra Verde (1987) Fünfte und letzte Zusammenarbeit Herzogs mit Klaus Kinski. Mit einer Inhaltsangabe zwischen brasilianischem Desperado, Sklavenhandel in Afrika, Aufstellung eines Amazonenheers und Scheitern des Hauptverbrechers ist allzu wenig gesagt. Super Film nach der kongenialen Romanvorlage durch Bruce Chatwin.

Mein liebster Feind (1999) Herzog himself: „Meine Arbeit mit Klaus Kinski, die über fünf Filme gegangen ist, hat natürlich auch dramatische Elemente, wo man wirklich sieht, wie die Schaffung von Film bis auf eine letzte und auch gefährliche Spitze getrieben war. Der Film selbst ist ja weder über Kinski noch über mich, sondern über zwei Männer, die im Zusammenprall auch dann noch freundschaftlich etwas Ungewöhnliches leisten, ich sag’s mal vorsichtig. Es war eine schöne und auch schwierige Zeit. Der Film war glücklicherweise erst fertig, als Kinski schon tot war. Da hatten sich die Perspektiven dann auch langsam verstellt. Das Leben ging ja weiter. Es gab immer schon Filme: vor Kinski, ‚während‘ Kinski und sehr viele Filme nach Kinski. Auf einmal war die Sichtweise eine warmherzige, eine humorvolle. Es wird auch sehr viel gelacht vom Publikum, wenn es den Film sieht. Verrückt. Heute kann ich auch darüber lachen. Ich erlebe das mit sehr viel Wärme und Humor.“

und Bärenknochen, Bärenschädel. In 3-D schaut das phantastisch aus, das wird man so nie mehr sehen können. Was ist Ihr Lieblingsvieh in der Höhle? Das Berühmteste und wohl auch das Schönste an der Höhle von Chauvet, das sind die Pferde. Das bewegt uns alle, weil es vom ersten Moment an, wo mensch­ liche Kunst sich uns darstellt, vor 32.000 Jahren also, schon vollkommen entwickelt ist. Es fängt nicht primitiv mit Kritzeleien an. Man muss sich vorstel­ len, dass diese Höhle seit mindestens 25.000 Jahren nicht betreten wurde, man weiß das und steht diesen Bildern auf einmal gegenüber. Löwen, Löwinnen, die ganz intensiv mit den Augen auf ein Ziel sehen und sich anschleichen. Dann auch Dinge, die man nicht erwartet. Es gab hier Wollnashörner, Mammuts. ­Total unglaublich. Wenn hier auch Menschen für einige Zeit gelebt haben, so waren sie doch Nomaden, die immer weiterzogen. Sesshaftigkeit gegenüber Weiterziehen, das ist auch ein Thema Ihrer Filme, Ihres Lebens. Die Steinzeitmenschen sind weitergezogen und wahrscheinlich die Bisons mit ihnen. Der Hund be­ gleitete den Menschen auf Streifzügen. Erst mit dem Hausschwein hat das Unglück begonnen, das jetzt zurückschlägt. Das arme Schwein! Na ja, das Schwein kann nichts dafür. Es bedeutet bloß den Beginn der Sesshaftigkeit, als Ortschaften gegründet wurden, wo heute Städte sind, wo Techno­ logie natürlich eine Rolle spielt. Ich bin nicht der Ein­ zige, der glaubt, dass das auf Dauer nicht gutgehen wird. Wir sind zu fragil, um das Leben auf diesem Planeten auf Dauer aufrechtzuerhalten. Darum darf man schon immer wieder über die Sesshaftigkeit nachdenken, auch für den ganz eigenen Bereich. Bruce Chatwin war der berühmteste Nicht-Sesshafte unserer Zeit, er hat auch phantastisch geschrieben über das Nomadentum des modernen Menschen. Er wurde nicht einmal fünfzig Jahre alt. Sie kannten ihn. Er hat mir seinen Lederrucksack geschenkt, welche Kostbarkeit! Mein Film „Cobra Verde“ von 1987 ba­ sierte auf einem seiner Romane. Wenig später wollte er einen Film sehen, den ich in der südlichen Sahara gedreht hatte. Als ich ankam, war er schon mitten dabei zu sterben, er konnte jeweils nur zehn Minuten des Films sehen, bevor er wieder ins Delirium fiel. Sie sind bekannt für Ihre selbstauferlegten Prüfungen, etwa einem Menschen Ihren Respekt auszudrücken, indem Sie die Distanz, die zwischen ihm und Ihnen liegt, zu Fuß gehen, und seien es fünfhundert Kilometer. Sind Sie noch immer ein fanatischer Fußgänger? Fanatiker, das dürfen Sie in Zusammenhang mit mir nie in den Mund nehmen. Ich bin ein professioneller Mensch, aber für Dinge, die existentiell von großer Bedeutung sind, würde ich außerordentliche Dinge tun, auch heute noch. Zurücklehnen und genießen: Print 2.0 im Red Bulletin Premiere von Werner Herzogs Film „Cave of Forgotten Dreams“ beim 35. Toronto International Film Festival Herzog-Filme in ServusTV: 10. und 17. Oktober (siehe Seite 86)

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Heroes

Lena Hoschek geht erfrischend unkonventionell mit Traditionen um. Und mischt mit ihrem detailverliebten, humorvollen Retro-Look gerade das Fashion-Business auf. Text: Uschi Korda, Bilder: Mato Johannik

Name Lena Hoschek Geburtsdatum/-ort 23. April 1981, Graz Wohnort „Da, wo ich meine ­Sachen habe, und das ist derzeit Wien.“ Beruf Modedesignerin Ist Nostalgikerin und Traditionalistin; liebt Kostümfilme und Männer mit Pomade im Haar. Würde gerne auch Männermode machen, wenn sie es sich leisten könnte. Kann nicht ohne Musik leben. Mag zwar frühen R’n’B und Rockabilly ganz gerne, doch ihr Herz schlägt einen härteren Beat. Im Takt von Rammstein zum Beispiel oder von Death Metal und allem, was schön kracht und laut ist. Web www.lenahoschek.com

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„Wann wusstest du, du wirst Modedesignerin?“ „Schon als Kind. Frag meine Barbiepuppen und ­Bären, denen ich aus alten Socken neue Gewänder ­gemacht habe.“ Gut, so etwas soll öfter vorkommen, um später im realen Leben als frommer Kinderwunsch in Vergessenheit zu geraten. Auch Lena Hoschek sah sich zwischen­ zeitlich als Jetpilotin, Tierärztin, Krankenschwester oder Snowboard-Profi. „Ich habe aber immer gewusst, ich will selbständig tätig sein.“ Ungeschminkt, mit Riesenbrille und einer, sagen wir einmal, recht unscheinbaren Frisur, löffelt die 29-jährige Grazerin in der Mayday Bar im Hangar-7 „Mood Food“ und hat dabei so gar nichts vom Glitzer & Glamour der Modewelt an sich. Selbst ihr Kleid ist auf den ersten Blick nicht gerade ein zwingender Hingucker – wäre da nicht der weiße Petticoat, der den weiten Rock beim Gehen zum Wippen bringt und immer wieder frech unter dem Saum hervorlugt. Ob das Fashion-Business an sich eitel sei, könne sie nicht sagen, weil sie großteils gar nicht daran anstreifen möchte, sagt Hoschek. „Ich selbst hab’s aber immer schon gern gehabt, wenn sich alles um mich dreht.“ So versteht man auch, dass es ihr erster Impetus war, für sich selbst und für Frauen mit ganz normalen Figuren samt Rundungen fesche Kleidung zu machen. Zu sehr, sagt Hoschek, seien die Designer in den letzten Jahren darauf fixiert gewesen, Outfits zu kreieren, die Frauen von vornherein eine perfekte ­Figur abverlangten. „Ich will aber Mode machen, für die man nicht hungern muss. Kleider, die dem Körper eine schöne Form geben.“ Mit Schnürungen und Korsetts werden Busen und schmale Taillen betont, mit weiten Röcken wird auch ein Popo für Kleidergröße 42 eine Augenweide. Der Erfolg gibt Hoschek recht, immerhin zählt sie seit drei Jahren zu den Shootingstars der FashionSzene und wird dort auch so schnell nicht wieder verglühen. Selbst wenn die Großen des Business – zum wievielten Mal eigentlich? – die Abkehr von ­Magermodels geloben, um sich dann so was von

gar nicht dran zu halten. „Vor den Shows“, erzählt Hoschek, „muss ich einen ganzen Tag Laufstegmodels casten. Obwohl ich meine Wünsche nach Rundungen bei den Agenturen deponiere, kommen Mädels daher, denen ich am liebsten Croissants nachwerfen möchte.“ Und die dann völlig platt sind, wenn sie als zu dünn abgelehnt werden, weil sie andernorts als zu dick gelten. Und wir sprechen hier bitte von Maßen der Kategorie 34, nicht 44. Vermutlich aber ist Hoschek selbst das beste Model ihrer Mode. Für unser Shooting wirft sie sich zunächst in ein Dirndl, bringt ohne viel Aufwand die Haare in Fasson und verwandelt sich mit etwas Lidschatten und Lippenstift im Nu in eine Art trachtiges Pin-up-Girl. Als sie dann in roten High Heels den Hangar-7 durchschreitet, verlieren F1-Boliden und schicke Flieger kurzfristig die Aufmerksamkeit der Besucher. Gebannt beobachtet man die pralle Sinnlichkeit, mit der sie durch den Raum stöckelt, und verlangt Autogramme. Das sind Augenblicke, die ­Hoschek sichtlich genießt. Und die sie mit ihrer Mode liebend gern allen Frauen ermöglichen möchte. „Wann hast du dir zum ersten Mal gedacht, ich hab’s geschafft?“ „Als im Herbst 2007 eine Bluse von mir in der ‚Vogue‘ erschienen ist.“ Nach wie vor gilt die Bibel der Fashion-Victims als Gradmesser für den Erfolg. Allerdings nur im kleinen Kreis der Insider. Wirtschaftlich wesentlich mehr bringen Abbildungen in bodenständigeren Frauenzeitschriften wie „Brigitte“, „Für Sie“ oder wie sie sonst noch alle heißen. Danach verstärkt sich die Kundenfrequenz in ihren Shops deutlich, auch die Klicks auf Hoscheks Internetseite schnellen messbar in die Höhe. „Ich habe mich lange vehement gegen einen Onlineshop gewehrt“, so Hoschek, „weil ich das von mir selbst kenne und beim Shoppen die Sachen angreifen und probieren möchte.“ Deshalb habe sie bis vor kurzem ihren Internet-Auftritt mehr wie einen Newsletter für Fans benutzt. Die sind allerdings


Es ist ein harter Job. Auch das Raufkommen. Das schaffst du nur mit Starrsinn. Und es schadet nicht, eine Rampensau zu sein.

Lena Hoschek liebt Österreich und Traditionen, daher hat sie auch ein Dirndl in ihrer Kollektion. Das ist aber bitte längst nicht alles!


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hartnäckig geblieben, denn Fifties- und RockabillyFans sowie Mädels, die Vintage-Mode mögen, sind auf der ganzen Welt verstreut. Und nachdem jetzt sogar von den Bermudas um Outfits angefragt wurde, wird es Hoschek in Kürze auch übers Web zu kaufen geben. Ebenfalls hilfreich, um international bekannt zu werden: Stars, die sich in Outfits zeigen. „Da geht es aber“, so Hoschek, „ehrlich gesagt recht mafios zu.“ Große Labels leisten sich eigene Angestellte, die nur damit beschäftigt sind, Celebrities nachzulaufen, die dann auch noch dafür kassieren, dass man ihnen Outfits schenken darf. Oder die angesagte Stylisten becircen, um möglichst oft bei Shows und FashionShootings unterzukommen. Dafür habe sie weder die Zeit noch das Geld, und tja, Popstar Kate Perry, das sei ein glücklicher Zufall gewesen. Da habe jemand aus der Sponsorentruppe für Perrys Album-ReleaseParty um entsprechendes Gewand bei ihr angefragt. „Kate Perry? Wer ist denn das?, hab ich gefragt. Ich höre nicht Ö3, sehe nicht MTV, hab nicht mal einen Fernseher, woher soll ich die kennen?“ Es sollte Lena Hoscheks bislang publicityträchtigster Coup werden, obwohl inzwischen auch das Model Franziska Knuppe und die rothaarige Sexbombe Christina Hendricks aus der US-TV-Serie „Mad Men“ zu den deklarierten

Okay, schwarze Pünktchenkleider hatten schon unsere Omas gerne, sie kommen aber immer wieder. Lena Hoschek gibt dem Klassiker mit einem Herz am kurzen Ärmel einen besonderen Twist.

Hoschek-Fans zählen. Gut machen wird sich auch der Name von Stil-Ikone Dita von Teese auf dieser Liste, die soeben brieflich Hoscheks Designer-Werk gelobt und sich ein Dirndl zugelegt hat. „Ach, die Dirndl-Sache“, seufzt Hoschek und verdreht die Augen. Zu sehr fühlt sie sich mittlerweile auf dieses Stück österreichische Tracht festgenagelt, obwohl das nur einen Bruchteil ihrer Kollektion ausmacht. „Ich bin Handwerkerin und Traditionalistin, ein Riesenfan von Details und Dingen, die über Jahrhunderte gereift sind.“ Deshalb habe sie als Designerin auch nie den Anspruch gehabt, etwas neu zu er­finden. Vielmehr mache sie Retro-Sachen, in die sie immer wieder Folklore-Elemente hineinmischt. Und als Nostalgikerin sei sie halt Fan der österreichischen Folklore, und „jetzt hat man mich ganz simpel mit Am Hals ein Tattoo der Schneider­ zunft, am Unterarm einen Panther, das steirische Wappentier. Dazu ein Rock mit Hosenträgern und eine Fifties-Bluse – fertig ist der ­Vintage-Look.


Heroes

einem Dirndl- und Trachtenimage gebrandet.“ Dabei seien die bunten Bänder, mit denen sie in ihrer aktuellen Kollektion Röcke und Blusen aufpeppt, aus dem osteuropäischen Raum. Und grundsätzlich sei sie momentan mehr von der englischen Landmode und den Dandys der dreißiger und vierziger Jahre inspiriert. „Sag Tweed, sag Schiebermützen. Nur das englische Thema allein war mir dann aber zu fad, darum habe ich es mit russischer Folklore aufgemischt.“ „Acht Monate Praktikum bei Vivienne Westwood in London. Wie war’s?“ „Sehr lustig! Und augenöffnend!“ Gleich nach ihrer Matura am Grazer Sacré Cœur machte sich Lena Hoschek auf nach Wien, um sich für die Modeklasse an der Hochschule für angewandte Kunst zu bewerben. „Stilistisch bereits zu gefestigt“, begründete man ihr die Absage, also inskribierte Hoschek zunächst an der Wirtschafts-Uni. Zwar aus Interesse – das Ziel „Unternehmerin“ hatte sie immer vor Augen –, aber nur mit mäßigem Erfolg. Das Nachtleben in der Großstadt war einfach zu fett, die Musikszene hervorragend und die Vorlesungen trocken und langweilig. Besser ging es ihr dann auf der Modeschule Hetzendorf, weil man dort von der

Klar, dass die Stoffe feinste Naturfasern sind. Manchmal entwirft Lena Hoschek aber auch die Prints selbst, wie hier bei diesem Sommerkleid.

Schnittführung bis zur Endfertigung alles von der Pike auf lernt. Zu spät dran – „Das war immer schon so!“ – war sie danach für das Central Saint Martins College of Art & Design. Da Hoschek aber deswegen gerade in London war, rief sie kurz entschlossen auf Anraten des österreichischen Designers Gregor Pirouzi bei Vivienne Westwood an – und wurde prompt genommen. Nach einer Einstiegsphase mit Knöpfeannähen in der hintersten Reihe schaffte sie den Aufstieg in der Hierarchie, als man ausgerechnet jemand suchte, der eine Barbiepuppe für ein Charity-Event in Westwood kleiden sollte. „Da bin ich die Oberspezialistin! Wurscht wie aufwendig, das kann ich“, zeigte Hoschek auf und schaffte es, dass die Meisterin persönlich auf sie aufmerksam wurde. „Ich kann superfein nähen, und bei einem Brautkleid für eine Russin durfte ich ihr als Assistentin direkt zur Hand gehen.“ Was sie sonst noch gelernt hat? Dass auch die großen Designer nur mit Wasser kochen, vor den Shows auch immer zu spät dran sind und dass, egal ob du beim normalen Installateur oder beim Überdrüber­Fashion-Designer arbeitest, nur das Handwerk zählt. Am Anfang dachte sie, sagt Hoschek, dass sie möglichst breit in internationalen Shops vertreten sein müsse. „Das geht aber nur mit einem Financier. Je erfolgreicher du wirst, umso mehr geht die Finanzschere auf.“ Im Fashion-Business muss man von den Stoffen bis zu den Zulieferern alles vorfinanzieren, und zwar langfristig, denn das Geld kommt frühestens nach einem Jahr wieder herein. Dazu gesellen sich die nicht eben geringen Kosten für Shops in guter Lage und für Fashion-Shows, die man braucht, um aufzufallen. Früher hat Hoschek nur bei Modemessen mitgemacht, seit zwei Jahren leistet sie sich eigene Auftritte bei der Fashion Week Berlin. Drei fixe Mit­ arbeiter kann sie sich in ihrem kleinen Unternehmen leisten, der Rest wird mit Freelancern durchgezogen. Und zum Nähen, obwohl das ihre große Leidenschaft ist, kommt sie selbst gar nicht mehr. Im Gegensatz zur großen britischen Modedame Westwood, deren Kreationen allein durch Drapieren der Stoffe plus ­Designs an Puppen entstehen, entfaltet Hoschek ihre Entwürfe zuerst zeichnerisch auf Papier. Ein zu experimentelles Herangehen an die Sache habe sie nicht, meint Hoschek. Sie sei auch keine Künstlerin, sondern folge eher den Regeln des Grundschnitts, den sie dann abwandelt. Auch, weil sie klassische Kleidung am liebsten mag. „Es hat einen Grund, warum ein Hemd zwei Ärmel hat und nicht fünf. Ich will, dass die Leute meine Sachen ganz unkompliziert anziehen können.“ Mittlerweile hat sich Lena Hoschek fürs Shooting mit ihren Outfits vom Pin-up-Girl über eine FiftiesQueen bis zur Rockerbraut vor der Kamera erfrischend selbstironisch in Pose geworfen. Wobei wir das mit dem „unkompliziert“ angesichts atemberaubend eingezwängter Taillen leicht in Frage stellen möchten. Aber es wirkt. „Warum stehen Frauen auf Mode? Weil sie von Männern Komplimente bekommen möchten“, ist Hoschek überzeugt. Kleiner Nachsatz: „Na ein bisschen muss Schönheit schon leiden. Sonst könnten wir ja alle im ­Jogginganzug herumlaufen!“ Am 30. September 2010 hat Lena Hoschek in Berlin-Mitte einen neuen Store eröffnet

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Diplo

folgt keinen Trends, er setzt sie. Der US-Musiker hat Genres wie Baile Funk aus Brasilien zum Durchbruch verholfen. Und versorgt Stars wie Madonna mit Beats für das neue Jahrtausend.

Name Wesley Pentz Künstlername Diplo Geburtsdatum/-ort 5. Juli 1975, Tupelo, Mississippi Beruf Labelbetreiber, Musiker, Remixer, DJ Größter Hit „Paper Planes“ von M.I.A., das er mitgeschrieben und -produziert hat Web myspace.com/diplo

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Hektische Typen mit Headsets wieseln durch den Raum, Musiker und DJs unterhalten sich lautstark am kleinen Buffet, uniformierte Security-Jungs murmeln apathisch in ihre Funkgeräte. Dazwischen kauert ein Mann mit schwarzem Hemd und goldener Krawatte über seinem Laptop. Diplo hat Kopfhörer auf, starrt konzentriert auf das Display, wackelt rhythmisch mit dem Kopf. Ähnlich wie ein Sumpfhuhn auf Landgang. Letzte Vorbereitung im Backstage-Bereich der Red Bull Music Academy Party beim Notting Hill Carnival, Londons alljährlicher Mega-Party zu Ehren der karibischen Immigranten, die sich in diesem Stadtteil niedergelassen haben, übrigens lange bevor Hugh Grant hier aufgetaucht ist. Diplo und sein Major-Lazer-Kollege Switch sind der Haupt-Act des Fests. Den Laptop unterm Arm, bahnt sich das Duo wenig später den Weg durch den Backstage-Raum Richtung Bühne. Und auch vor der Bühne drängen sich die Tänzer so eng, dass man kaum die eigenen Füße sieht. Unter tosendem Applaus wird Major Lazer empfangen. Und die beiden geben der Crowd, worauf sie gewartet hat: einen hyperaktiven Cocktail aus JungleRhythmen, Dancehall-Hymnen und galoppierenden Hip-Hop-Tracks. Einen aufbrausenden Stilmix mit ­einem gemeinsamen Nenner: Bass. So massiv und wuchtig, dass man ihn in den Eingeweiden spürt. Im Minutentakt schmettert Diplo Aufputscher wie „How you doiiiiiiing, carnivaaaaal?“ ins Publikum. Zurück kommen Jubelschreie – und haufenweise CDs. Es sind Demos von jungen Musikern, die die Hoffnung hegen, dass Diplo derjenige sein könnte, der ihnen aus dem Heimstudio ins Rampenlicht verhilft. Angesichts der schier unersättlichen Lust des ­Musikers auf neue Sounds ist diese Hoffnung nicht unbegründet. Diplo ist der Alexander von Humboldt der DJ-Zunft. Er reist mit Plattenkoffer durch die Welt und spürt frische lokale Genres auf. Von Baile Funk in Brasilien über Soca-Sounds in Trinidad bis Digital Cumbia in Mexiko. Diese verschmelzt er in seinen DJ Sets zu einem zwingend tanzbaren Hybriden. Und

gibt den Künstlern, die er auf seinen Reisen kennenlernt, mit seinem Plattenlabel Mad Decent eine Plattform. Zwischen diesen Exkursionen sitzt er im Studio – um Hits für Acts wie Roots Manuva, Kanye West, Daft Punk, Radiohead oder Madonna zu produzieren. „Es geht einfach darum, kreativ zu sein“, sagt er. „Darum, etwas Neues zu erschaffen. Ich liebe die Einfachheit der Popmusik. Aber selbst bei Chart-Produktionen versuche ich, fremdartige Elemente einzuschmuggeln. Elemente, welche die Leute vorher so noch nie gehört haben.“ Diplo wurde vor 35 Jahren als Wesley Pentz in Mississippi geboren. Der Künstlername ist eine Anspielung an seine Jugendliebe, den Diplodocus-Saurier. Der Paläontologie zog er später jedoch ein Film-Studium an der Temple University in Philadelphia vor. Dort lernte er DJ Low Budget kennen. Mit ihm startete ­Diplo das legendäre Duo Hollertronix, dessen Mix­ tape „Never Scared“ die Clubszene weltweit aufwühlte. Und das von der „New York Times“ zu einer der wichtigsten Platten des Jahres 2003 gekürt wurde. Auf seinem ersten Soloalbum „Florida“ formulierte er den Diplo-Sound weiter aus: räudige Hip-HopBeats mit Achtziger-Pop-Referenzen. Der Durchbruch gelang ihm 2004 mit dem Mixtape „Piracy Funds ­Terrorism“, das er mit der britischen Rapperin M.I.A. aufnahm. Eine musikalische wie, kurzzeitig, auch ­romantische Liaison, die zwei Weltkarrieren begründete. Letzter Höhepunkt: 2009 war der gemeinsame Hit „Paper Planes“ für einen Grammy nominiert. „Die Kids hier am Carnival interessieren sich für Underground-Musik“, sagt er, „und das ist toll. Denn der Output an aufregender Musik ist derzeit so hoch wie noch nie.“ Den Überblick zu behalten fällt schwer. Sogar einem manischen Entdecker wie Diplo. Vermutlich verschwindet er deshalb kurz vor Ende des MajorLazer-Gigs für Minuten hinterm DJ-Pult. Um schon jetzt in den CD-Demos seiner Fans zu wühlen. Ständig auf der Suche nach neuen Sounds. Den Major-Lazer-Gig gibt’s zum Nachhören auf: www.redbullmusicacademyradio.com

Bild: Roger Erickson/Lickerish Ltd./Roba Press

Text: Eleanor Morgan


Diplo, ein Mann mit tausend Gesichtern: DJ, Produzent, Labelbetreiber, Filmemacher, Remixer.


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Muhammad Ali hat als Cassius Clay die Box-Welt verändert und wurde als Muhammad Ali zum Helden einer Tragödie. Eine Hommage zum fünfzigjährigen Jubiläum seines ersten Profikampfes. Text: Werner Schneyder

Ich weiß genau, dass ich 1960 dreiundzwanzig Jahre alt war und dass es bei den Olympischen Spielen in Rom ein Boxturnier gab, in dem ein Halbschwer­ gewichtsboxer, ein Schwarzer aus den USA, Cassius Clay, in großem Stil die Goldmedaille gewann. Was ich nicht weiß, ist, ob ich die Finalkämpfe damals schon im Fernsehen sehen konnte oder ob ich die Ausschnitte des Clay-Kampfes viel später gesehen habe und mir seither einbilde, ich hätte alles live ­gesehen. Fest steht, danach gab es keinen vom Fernsehen übertragenen Kampf des Cassius Clay, später Muhammad Ali, von dem ich auch nur eine Runde nicht gesehen habe. Das kann nicht nur einen sport­ lichen Grund haben, das muss mit Faszination, Amüsement und letztlich Mitleid zu tun haben. Was faszinierte? Clay boxte als Halbschwerer und dann auch als Schwergewichtler (bis zur erzwungenen großen Kampfpause) im Stile eines Weltergewichtlers. Beinarbeit, Schlagfrequenz, Schlagvariabilität und vor allem Meidbewegungen hatten mit dem, was bis Clay im Schwergewicht zu sehen war, nichts mehr zu tun. Als Goldmedaillengewinner nach amerikanischer Konvention natürlich sofort zum Profi geworden, machte er eine Reihe von Aufbaugegnern lächerlich, sagte die Runde des Kampfendes an und entwickelte eine PR-Methode des Maulens und des Größenwahns, der von Kennern sofort als Masche, als virtuoser Spaß begriffen wurde. Clay kreierte eine Figur, eine Rolle. Damit provozierte er die einen und amüsierte die ­anderen. Er machte sich zum medialen Bestseller. 44

So waren auch seine Schmähungen der Gegner verzeihlich, denn die mussten wissen, das gehört zu Clays Business. Sonny Liston war der erste Mann, von dem die Fachwelt annehmen konnte, er würde dem, der nach eigener Aussage „tanzte wie ein Schmetterling“ und „stach wie eine Biene“, das Maul stopfen. Sonny Liston, „der hässliche Bär“, verlor zweimal. Ich erinnere mich genau, dass ich mindestens bei einem Kampf das Gefühl hatte, Liston wäre ausgestiegen, die Sache wäre nicht mit rechten Dingen zugegangen, welcher Schlag hätte denn das Ende herbeigeführt haben sollen? Vierzig Jahre später, als ich im Privatfernsehen einen dreistündigen Ali-Film kommentierte, sah ich die Treffer genau. Live waren sie mir zu schnell gewesen. Es kam die Zeit, da Massen europäischer Sportfreunde, zu nachtschlafender Zeit geweckt, zum TVGerät taumelten, um Clays acht Titelverteidigungen mitzuerleben. Einige gewann er nur nach Punkten. Aber das hinderte ihn nicht, sich nach Kampfende als der Größte, der Schönste und der Unschlagbare feiern zu lassen. Aber Cassius Clay war nicht nur ein genialer Boxer und virtuoser Clown. Er war auch ein politischer Mensch. Und mit den Entscheidungen, die er deshalb traf, begann sein Schicksal weit über das Sportliche hinaus zu interessieren. Er begriff, Nachfahre von Sklaven zu sein. Er begann seinen Namen für einen „Sklavennamen“ zu halten. Und Christus wurde für ihn der Gott der weißen Herrenrasse. Er wechselte 1964 die Religion. Er begann für eine Religions­ gemeinschaft, die Black Muslims, zu agitieren und zu verdienen. Es ist bis heute ununtersucht, ob diese Religionsgemeinschaft nicht schuld daran ist, dass der schon schwerkranke Boxer noch in den Ring stieg. Aber bleiben wir bei der Chronologie. Weltmeister Cassius Clay wurde zu Muhammad Ali und setzte eine sporthistorische Tat: Er verweigerte 1967 für den Vietnamkrieg der USA den Dienst mit der Waffe. Man muss sich auszumalen versuchen, was das für einen Medienstar der allzeit patriotischen Amerikaner

Name Muhammad Ali (geboren als Cassius Marcellus Clay) Geburtsdatum/-ort 17. Januar 1942, in Louisville, Kentucky Bekannte sich ab 1964 öffentlich zur „Nation of Islam“ und legte in der Folge seinen „Sklavennamen“ Cassius Clay ab, um sich fortan Muhammad Ali zu nennen. Beruf Schwergewichtsboxer im Ruhestand; Legende Erfolge Olympiasieger (Halbschwergewicht) 1960; Schwergewichts­Weltmeister 1964, 1974 und 1978

Bild: David King/Taschen

Es war der 29. Oktober 1960, als der amerikanische Olympiasieger Cassius Clay in der Freedom Hall von Louisville, Kentucky, zu seinem ersten Profikampf in den Ring stieg. Gegen Tunney Hunsaker, den Polizeichef von Fayetteville, West Virginia. Damit begann eine der wundersamsten Karrieren des Boxsports, wenn nicht überhaupt der gesamten Sportgeschichte. Werner Schneyder, Autor, Regisseur, Kabarettist und ehemaliger Box-Ringrichter, erinnert sich an „The Greatest“.


Print 2.0

de.redbulletin.com/print2.0 Die besten Bilder der Box-Legende.

Als „Armageddon im ­Kleinformat“ bezeichnete Großmaul Ali im Vorfeld den Kampf gegen George Foreman 1974, auf den er sich hier vorbereitet.


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Bilder: AP Photo, Bob Gomel/Time Life Pictures/Getty Images

Am 29. Oktober 1960 gewann Ali, damals noch Cassius Clay, gegen Tunney Hunsaker (o.) seinen ersten Profikampf (über sechs Runden nach Punkten). Im Februar 1964 feierte er mit Malcolm X (li. im Bild), dem Kopf der Black-Muslims-Bewegung in den USA, seinen ­ersten Sieg über Sonny Liston in einer Bar in Miami.

bedeutete. Ali riskierte die öffentliche Hinrichtung und ließ sich – das zu vergessen wäre schrecklich – zu fünf Jahren Haft verurteilen (blieb aber gegen Kaution auf freiem Fuß). Auch seine Boxlizenz wurde ihm entzogen, sein Reisepass abgenommen. 1970 wurde sein Boxverbot aufgehoben. Da dürften zwei Motive zusammengespielt haben. Erstens war das Boxgeschäft durch seine Abwesenheit uninteressant geworden – bei jedem Schwergewichtler fragte sich das Publikum, was würde Ali mit dem machen? Zweitens war das Image des Vietnamkrieges auch in den Staaten nicht mehr heil. Nach dreieinhalbjähriger Pause stieg Muhammad Ali wieder in den Ring. Die Pause hatte ihre Spuren hinterlassen. Der Kampfstil hatte das Tänzerische, das Virtuose verloren. Muhammad Ali musste gegen die Spitzenleute – und nur gegen die konnte es jetzt gehen – die Schlagwechsel annehmen. Er verlor gegen Joe Frazier, er erlitt gegen Ken Norton einen Kieferbruch. Aber er kam wieder. Er boxte jetzt (fast) wie die ­anderen, aber, mit dem Rest seiner Ausnahmeklasse, im berühmten „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa gegen George Foreman immer noch besser als die. 1975 revanchierte er sich im „Thrilla von Manila“ an Frazier. In 66 Ländern saßen 700 Millionen vor den Bildschirmen. Frazier stand nach der Ringpause zur 15. und letzten Runde nicht mehr auf. Hätte er das nicht getan, wäre wahrscheinlich Ali sitzen geblieben. Ali hat später von „Todesnähe“ gesprochen. Ende des Jahres 1975 war Muhammad Ali Gast im „Sportstudio“ des ZDF. Moderator war der große Hajo Friedrichs, das niederländische Fernsehen war zugeschaltet. Ali beantwortete sehr ernsthaft, ohne jene Blödeleien, für die er doch bekannt war, die Fragen Friedrichs’. Da mengte sich der Niederländer ein und fragte Ali, warum er denn gar keine lustigen, blöden Antworten gebe. Da sagte Ali – es ist mir unvergesslich –: „Fragen Sie mich blöd, dann kriegen 47


Sie blöde Antworten. Auf ernste Fragen antworte ich ernst.“ 1978 demolierte der 24-jährige Leon Spinks den 36-jährigen Ali über 15 – das gab es damals noch – schmerzliche Runden. Nachdem Ali sich gegen diesen Gegner noch im selben Jahr den Titel ein drittes Mal geholt hatte, trat er ab, um – ganz sicher aus finan­ ziellen, privaten und/oder religiösen Gründen – zwei Jahre darauf Larry Holmes, einen früheren Sparringspartner, der inzwischen Weltmeister war, zu fordern. Er nannte ihn einen „unbegabten Schüler“, spottete über dessen „blödes Gesicht“. Er wurde von Holmes fast totgeschlagen. Später musste man sich sagen, dass an der Hilflosigkeit Alis gegen Holmes das Parkinsonsche Syndrom schon beteiligt gewesen sein musste. Ali hat ganz sicher noch als kranker Mann Kämpfe be­stritten, wie viele, weiß wohl nur der Arzt Dr. Ferdie Pacheco, der schon einige Kämpfe vor dem gegen Holmes jede weitere Verantwortung abgelehnt hatte. Ob Muhammad Ali seine Krankheit, die ihn nicht mehr ohne Hilfe aufstehen lässt, die ihn der Artikula48

Ali at his best : Cleveland „Big Cat“ Williams ging insgesamt viermal zu Boden, der Referee brach den Kampf in Runde 3 ab (1966 im Houston Astrodome; o.). Fünf Herren, deren Ruhm die Zeit überdauern wird: die Fab Four und The Greatest.

Bilder: Keystone/Getty Images, Neil Leifer/TASCHEN

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Bilder: Robert Abbott Sengstacke/Getty Images, Santi Visalli Inc./Getty Images

Er war nicht nur ein genialer Boxer und ein virtuoser Clown. Er war auch ein politischer Mensch.

Black Power: Für die Bewegung der Schwarzen in den ­Vereinigten Staaten war Muhammad Ali schlichtweg ein Held. Gemeinsam mit anderen Größen – zum Beispiel 1966 mit James Brown (o.) – kämpfte er für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner. Selbst vor seinem Kampf gegen den Argentinier Oscar Bonavena im Madison Square Garden, New York City, im Dezember 1970 zeigt er mit dem Black-Power-Gruß, wofür sein Herz schlägt.

tion – nicht des Denkvermögens! – beraubt hat, vom Boxen hat, lässt sich seriös nicht beantworten. Fest steht aber: Sie wurde durch Weiterboxen gefördert. Wir vergessen den letzten Kampf, als ein Wrack gegen Trevor Berbick auf den Bahamas verlor. Ali soll in der Kabine zu seiner weinenden Tochter gesagt haben: „Heul nicht, es hätte viel schlimmer kommen können.“ Es ist unerklärbar und doch nicht. Da wird bei großen offiziellen Anlässen ein Mann, der kaum noch gehen und nicht mehr sprechen kann, begrüßt, geehrt oder gefeiert, und es gibt keinen, der nicht die Ausstrahlung dieser Persönlichkeit registriert. Ich weiß aktuell nicht, wie es ihm geht, wünsche ihm ein langes Leben in Geborgenheit und Würde, aber ich weiß, dass mir eine Todesnachricht die Tränen in die Augen triebe. Print 2.0: ein Knock-out mit dem Champion

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GEGEN JEDE VERNUNFT

Gemeinnütziger e.V., Nr. 24890 © Rodrigo Baleia/ Survival

Viehzüchter in Paraguay planen im großen Stil den Regenwald auf dem Land unkontaktierter Indigener abzuholzen und sich gleichzeitig als ökologisch verantwortungsvoll darzustellen. Wie? Sie ernennen einfach die Inseln verbliebenen Waldes zum „Naturschutzreservat". Helfen Sie mit, Vernunft wieder herzustellen. www.survivalinternational.de/ayoreo


Action Ganz schön was los: Was uns diesen Monat bewegt.

bild: ktm/RAY ARCHER

52 Baseball in Japan 58 Jan Wanggaard auf den Lofoten 68 Besuch beim Weltmeister-Macher 74 Jacques Piccard

Er holte 2010 den ersten Motocross-Weltmeisterschaftstitel in der MX1-Königsklasse für KTM: Antonio Cairoli (ITA).


Action

HOMERUN Baseball in Japan. Wir versuchen in einer fremden Welt anzukommen und heften uns an die Fersen der Yomiuri Giants und von deren Jungstar Hayato Sakamoto. Text: Werner Jessner, Fotos: Thomas Butler

Gesammeltes Halbwissen über japanisches Baseball: Die Saison beginnt im März und endet im November. Gespielt wird fast täglich (nur am Montag ist Pause), ergibt 144 Matches pro Team und Jahr. Jedes Spiel wird (zumindest als Zusammenfassung) im TV übertragen, die Spieler kennt in Japan jedes Kind. Das kleinste Stadion fasst 20.000 Zuschauer, im größten, dem Tokyo Dome, haben maximal 55.000 Menschen Platz. In aller Regel ist es ausverkauft. Auch sportlich ist Japan die Nummer eins des Welt-Baseballs, hat das Nationalteam doch beide Auflagen des World Baseball Classic gewonnen, und da war jeweils die komplette (US-amerikanische) MLB-Elite am Start. Außerdem gab es diesen Film mit Tom Selleck („Mr. Baseball“), bei dem sich der legendäre Schnauzbart in der japanischen Baseball-Liga beweist, und zwar bei den Chunichi Dragons. Aber: Was sagt uns das alles wirklich über japanisches Baseball? Zeit für eine Fact-Finding Mission. Von Tokio nach Nagoya nehmen wir den Shinkansen, der bringt uns mit 260 km/h und selbstverständlich pünktlich auf die Minute in die Stadt des heutigen Auswärtsmatchs: Sellecks Ex-Team, die Chunichi Dragons (Nagoya), empfängt im Nagoya Dome die Yomiuri Giants (Tokio). Ein Schlagerspiel in der Central League, mit einem Sieg könnte die Heimmannschaft den Rekord52


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de.redbulletin.com/print2.0 Hautnah dabei im Tokyo Dome

Hayato Sakamoto, die Nummer 6 der Yomiuri Giants, am Schlagmal. Der 21-jährige Shortstop ist neben Legionär Alex Ramírez und Catcher Shinnosuke Abe einer der Stars des ältesten und beliebtesten Baseballklubs Japans. Außerdem sind die Giants amtierender Meister.


Action

champion Yomiuri Giants von Platz 2 der ­Tabelle verdrängen. Der aktuelle Tabellen­ führer, die Hanshin Tigers, ist auch nur zwei Siege entfernt, während von hinten die Yakult Swallows Druck machen. Der Kampf um die Play-offs („Climax Series“) spitzt sich zu. Der Tabellenführer ist fürs Ligafinale gesetzt, der Gegner wird im Duell zwischen Platz zwei und drei ermittelt. Der Champion aus der Central League spielt gegen den Meister der Pacific League die „Nihon Series“ aus, finaler Showdown einer langen Saison. „Die Dragons sind einer meiner Lieblingsgegner“, sagt Hayato Sakamoto, mit knapp 22 Jahren nicht nur Stütze, sondern auch Sympathieträger der Giants. Die groß­ gewachsene Nummer 6 spielt erst im vierten Jahr in der NPB (Nippon Pro Baseball) und ist schon Starting Batter des Meisters, hat in der letzten Saison 18 Homeruns und eine Trefferquote von 0,306 geschafft, was nur unwesentlich unter dem Liga-Rekord seines Teamkollegen Alex Ramírez mit 0,322 liegt. „Die Dragons sind bekannt für ihre guten Pitcher. Gegen die Besten zu spielen macht am meisten Spaß.“ Spaß haben auch die Fans im Nagoya Dome. Grundsätzlich gilt: Die Nobelfans Hayato, konzentriert, in der Defensive auf seinem Platz zwischen Base 2 und 3.

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„Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind den Ball meines älteren Bruders immer wieder gegen die Wand gedonnert habe.“ sitzen hinter dem Catcher, je weiter draußen ihr Platz, desto fanatischer. Dort, wo der Ball bei einem Homerun landet, sind die Farben daheim, rechts Blau für die Dragons, links Orange für die Giants. Die Verteilung heute beträgt etwa 70 zu 30 für das Heimteam, dennoch: „Die Giants gibt’s seit 1934, länger als jeden anderen Verein. Selbst bei den Auswärtsspielen unterstützen uns viele Fans. Wohin wir auch kommen, wir sind nie allein. Das ist das Tolle“, sagt Sakamoto, und er weiß wahrhaftig, wovon er spricht. Die Fans suchen seine Nähe, überall kriegt er Geschenke, „am meisten habe ich mich über Schokolade gefreut“. Sakamoto-Merchandising ist ein Selbstläufer, die Gegner fürchten ihn: Die als besonders leidenschaftlich bekannten Tigers-Fans haben einst eine PET-Flasche

aufs Spielfeld geworfen, um ihn zu stoppen, unerhört in einer Welt der friedlichen Fan-Kultur. Dabei war Sakamoto, geboren in Itami nahe Osaka, als Kind selber TigersFan, „das hat sich erst geändert, als ich von den Giants gedraftet wurde“. Begonnen hat alles wie in vielen Familien auf der ganzen Welt auch: „Mein Vater hat zum Spaß Baseball gespielt, mein älterer Bruder auch. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Kind den Ball meines Bruders immer und immer wieder gegen die Wand gedonnert habe.“ Der kleine Bruder hatte deutlich mehr Talent als der große, dennoch musste er überredet werden, es auch anzuwenden: „In der fünften Klasse wollte ich zum Fußball wechseln. Meine Eltern und mein Trainer haben mich aber überredet, beim Baseball zu bleiben.“ Eine gute Entscheidung, werden doch alle Spiele im Finale der HighSchool-Meisterschaft im Fernsehen übertragen und sind eine Sache von nationaler Tragweite. Die Reihenfolge populärster Sportarten in Japan: Baseball, dann lange nichts. Im Nichts hat Fußball den ehemaligen Nationalsport Sumo­ringen vor gut fünfzehn Jahren von Platz zwei verdrängt. Baseball macht in Japan einfach sehr viel richtig, Blaupause einer erfolgreichen Sportart. Wo ein Flaschenwurf das Maximum an Rowdytum darstellt, wird der Sport ­attraktiv für die ganze Familie. Pärchen, ­ältere Menschen, Kinder: In kaum einem europäischen Sportstadion ist das Publikum so gemischt wie hier. Man wird auch keine Schimpfworte hören: Beschimpfen des Gegners ist verpönt. Wenn die eigene Mannschaft verteidigt, ruht sich der Fan aus, mümmelt aus seiner Bento-Box, knabbert köstliche grüne Sojabohnen oder winkt den bunt gekleideten Getränke-­Mädels, die während des gesamten Matchs Trinkbares herankarren und dabei im Laufe eines gern vierstündigen Spiels anständig Höhenmeter sammeln. Außerdem verbeugen sie sich jedes Mal aufs Neue, wenn sie ihre Tour am untersten Rang beginnen, und schenken im Knien aus. Diese Feinheiten machen Japan so besonders, neben Narreteien wie übermütigen Team-Maskottchen, die in voller Montur am Rasen Salti springen. Ist das eigene Team in der Offensive, wandelt sich das Bild respektive die Tonlage: Jetzt wird gesungen, jeder Batter mit seinem persönlichen Chant angefeuert. Selbst hier gibt es Unterschiede, wie uns der Shortstop der Giants erklärt: „Normalerweise rufen die Fans ‚Let’s go, Sakamoto‘, während ich in Nagoya mit ‚Let’s go, Hayato‘ angefeuert werde.“ Was ihm lieber ist? „Hayato. Darum spiele ich auch so gern dort.“ Nur den Besten wird nämlich


Da tobt der Tokyo Dome: ausverkauftes Haus bei einem ganz normalen Match gegen den Underdog aus Hiroshima. Jungstar Sakamoto ist Publikumsliebling. Die Fans identifizieren sich sowieso mit dem jungen Schlaks und wissen das auch auszudr端cken. Aktuell haben ihn 足sogar zwei Fanzines zugleich am Cover.


Arbeitsplatz eines außergewöhnlich talentieren jungen Mannes: Der Tokyo Dome in der Bunkyo-Präfektur wird im Volksmund auch „Großes Ei“genannt. Vom 43. Stockwerk eines gegenüberliegenden Hochhauses aus wird klar, warum. (Man beachte auch das vergleichsweise winzige Riesenrad rechts davon.)

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die Ehre zuteil, beim Vornamen genannt zu werden, berühmtestes Beispiel Ichiro Suzuki, den die ganze MLB nur als „Ichiro“ kennt. Und noch eine Besonderheit: Während die Anhänger aller anderen Klubs lautstarkes Blaswerkzeug von der Trompete bis zur Fanfare an den Start bringen, beschränken sich die Anhänger der Giants auf Trommeln. Giants sind anders, das sieht man nicht nur, das hört man auch. Eine andere Eigenheit der Fan-Kultur gibt es seit ein paar Jahren nicht mehr: Früher waren Fans berühmt dafür, Luftballons aufzublasen und sie im Stadion als schwirrene Raketen loszulassen. Das sorgte nicht nur für gute Stimmung, sondern auch für gründliche Bazillenverbreitung. Eine der größeren Grippewellen hat diesem schönen Brauch ein Ende gemacht. Trotz des Tohuwabohus auf den Rängen tun sich die Giants heute schwer gegen die blendend disponierten Dragons, die ihrerseits an der Klasse der Giants verzweifeln. Hier neutralisieren sich zwei große Teams. Irgendwie gelingt den Dragons der erste Punkt. Im nächsten Inning steht unser Mann Sakamoto am Schlagmal. Der zweite Ball des Pitchers ist ein Fastball, leicht rechts angetragen. Sakamoto trifft den Ball präzise und mit voller Kraft, die Outfielder der Dragons haben null Chance. Homerun, Ausgleich, danke, meine Herren! Der schlaksige junge Mann mit der Nummer sechs trabt die Male ab, winkend, am Dugout hinter der Home­ base stehen schon die Kollegen bereit zum Abklatschen. Es sollte der einzige Punkt der Giants an diesem Tag bleiben, sie verlieren 3:1 und Platz 2 in der Tabelle. Zurück in Tokio, machen wir einen Crashkurs in Baseball-Geschichte. Doch zuerst: Rätsel öffentlicher Nahverkehr; den Tokioter U-Bahn-Plan gibt es nicht zufällig auch als Puzzle. Wir müssen in den Norden der 13-Millionen-Metropole in den Tokyo Dome, eine Traglufthalle. Das bedeutet: Das Dach hält seine Form nur, weil permanent Luft reingeblasen wird, typisch für das technikverliebte Japan. Der Tokyo Dome liegt in einem Vergnügungspark. Riesenrad, Achterbahn, Kotzodrom, quietschende Japannerinen, alles da. Ruhiger geht es in den Katakomben des Dome zu. Hier ist die Hall of Fame beheimatet; 171 Mitglieder hat sie bisher aufgenommen. Nummer eins war Matsutaro Shoriki, Medienmogul, Begründer des Profi-Baseballs in Japan und Vater der Giants. Den ersten Klub hat Hiroshi Hiraoka gegründet, er ist die Nummer zwei in der Hall of Fame: Sein Shimbashi Athletic Club war die Werksmannschaft einer Eisenbahn­ linie. Noch heute gibt es eine eigene Liga für Werksteams, von Hitachi bis Mitsubishi

Die gegnerischen Fans bringen Blaswerkzeug an den Start, jene der Giants beschränken sich auf lautstarke Trommeln. und Honda. Horace Wilson ist einer von vier Nicht-Japanern im Allerheiligsten. Dazu musste der Lehrer aus Amerika aber nicht weniger tun, als Baseball überhaupt nach Japan zu bringen (1872 war das). Oder Sadaharu Oh, dessen 868 Home­ runs wohl auf ewige Zeiten ungeschlagen bleiben werden. Nicht minder spektakulär ­seine Trainingsmethode: Ein SamuraiSchwert schwingend, zerschnitt er fallende Papierblätter (was selbstverständlich auch für die Schärfe des Schwertes spricht, aber nicht nur). Selbst wenn einem die meisten Namen nichts sagen (was auf den Großteil aller Nicht-Japaner zutreffen dürfte), spürt man die Bedeutung des Sports für dieses Land deutlich, während oben im Stadion schon wieder der Bär los ist. Merchandising-Stände übertreffen sich mit originellen orange-schwarzen Devotionalien, die Schlangen vor dem großen Fanshop sind so lang, dass es einen eigenen Ordnerdienst braucht (und das trotz japanischer Anstell-Disziplin). Das Maskottchen unseres heutigen Gegners Hiroshima Carp (habe ich jetzt wirklich „unseres“ geschrieben?), ein – vermutlich – Dinosaurier, übt kokette Posen vor Fans, während noch immer Menschen aus den U-Bahnen strömen. Schon einmal 55.000 Menschen in einer Halle gesehen? Doch noch ist Zeit bis zum Match, und die nützen wir in ­einem Baseball-Simulator. Man kann aus vier animierten Pitchern der Giants wählen, die dann Bälle mit wahlweise 80, 100, 120 oder 140 km/h via Ballmaschine auf den dilettierenden Fan schleudern, der sie mit dem Bat zu treffen versucht. 22 Bälle kriegt man, und ist man nicht Cricket-affin aufgewachsen, hat man eher keine Chance, eine zweistellige Anzahl davon zu treffen. Bloß zu treffen ist dabei erst die halbe Miete: Der Ball soll ja tunlichst auch dorthin, wo ihn die verteidigende Mannschaft nicht erwischt. Da kann man noch

so fest draufballern: Fängt der Gegner den Ball aus der Luft, ist man out. Wie sehr Baseball ein Sport mit Hirn ist, demonstriert Sakamoto gleich im ersten Inning: Mit einem klugen Schlag schafft er es auf die erste Base, hat also genau das erreicht, was man von einem Starting Batter erwartet. Seine Kollegen machen es ihm nach, schon steht es 3:0. Noch zweimal wird Sakamoto an diesem Tag scoren, außerdem einmal sehr gefinkelt einen Ball nur abprallen lassen, womit er sich selbst opfert, aber zwei Kollegen die Chance eröffnet, eine Base vorzurücken, weiters einen schmerzhaften Körpertreffer kassieren: Die Anzeigetafel zeigt 143 km/h für den Pitch, der seinen linken kleinen Finger trifft. Dennoch steht Sakamoto an diesem Abend im Schatten seines Teamkollegen Alex Ramírez, eines Venezolaners, der schon seine zehnte Saison in Japan spielt. „Let’s go, let’s go, Ramírez! Let’s go, let’s go, Ramírez!“, skandieren die vollen Ränge, nahezu südamerikanische Intensität im Tokyo Dome. Ramírez, ein leicht unter­ setzter Herr im besten Baseball-Alter von sechsunddreißig, dankt es ihnen mit einem Homerun und zwei weiteren spektakulären Einsätzen, die den Giants an diesem Tag fünf von elf Punkten bringen. Das Match gegen den Underdog aus dem Süden von Japans Hauptinsel endet 11:6 für die Giants, der Play-off-Platz ist wieder ein bisschen fester einzementiert. Wohin kann einen wie Hayato Saka­ moto die Karriere führen? Realistisch betrachtet hat er noch fünfzehn Jahre auf höchstem Niveau vor sich, optimistisch können es auch zwanzig oder mehr sein. Ist big in Japan groß genug für die Welt? Japaner, die in der NPB unterschreiben, verpflichten sich zum Free-Agency-System, das sie für neun Jahre an die Liga bindet, ungeachtet des Vereins, für den sie spielen. Sakamoto ist erst in seinem vierten, darum ist die Frage nach einem Auslands­ transfer derzeit ohnehin akademisch: „Das amerikanische Spiel ist kraftbetonter, wir hier müssen vielleicht mehr auf die Technik schauen. Generell glaube ich, dass man als japanischer Spieler auch in der MLB Erfolg haben kann.“ Hat er es je bereut, nicht Fußballer geworden zu sein? Hayato Sakamoto lacht: „Nein. Das Einzige, worauf ich in meinem Leben als Baseball-Pro verzichten muss, ist Bowling, Surfen und Skifahren. Und damit kann ich gut leben.“ www.giants.jp

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Jans Welt Jan Wanggaard war Weltmeister im Windsurfen. Heute ist er Meister seiner Welt und kultiviert im fernen Norden Europas die Kunst, ohne Bedürfnisse zu leben. Text: Alexander Lisetz, Bilder: Philipp Horak

Das ist Jan. Er hat ein Leben mit Zentralheizung, Flachbildfernseher und Pensionsvorsorge gegen eines ohne Mietvorschreibung, Stress und Wasserklosett getauscht. Am Bild links sehen Sie ihn bei einem typischen Dienstagvormittagstermin. Es spielt keine Rolle, wenn er ein bisschen zu spät kommt.

Auf einmal ist die Windhose da. Schwebt erst unentschlossen über den See, tänzelt hierhin, dorthin und steuert dann direkt auf uns zu. Jan wirft sich ins nasse Gras, die frisch gefangene Forelle in der einen Hand, das Messer, mit dem er sie ausnehmen wollte, in der anderen. Der Luftwirbel überrollt ihn, zerrt zornig an seinen flatternden Ärmeln. Für ein paar Momente verstummen das Klatschen der Wellen, das Kreischen der Möwen. Dann verflüchtigt sich der Mini-Tornado irgendwo am Berghang. „Der war noch harmlos“, sagt Jan und kommt wieder auf die Beine, „bei den großen fliegen uns immer ein paar Häuser um die Ohren.“ Sein Gesicht ist todernst. Ein untrügliches Anzeichen für ­Lofotenhumor. Lofotenhumor wurde erfunden, um sich über jenen verweichlichten Teil der Menschheit lustig zu machen, der sich nicht auf den Lofoten zur Welt bringen ließ. Besonders empfänglich dafür sind südnorwegische Touristen, jene empfindlichen Landsleute also, die einen Juli mit 14 Grad Durchschnittstemperatur kennen und Wintertage mit vier, fünf Stunden Tageslicht. Hier auf den Lofoten, einer norwegischen Inselgruppe weit nördlich des Polar­ kreises, sind die meteorologischen Bedingungen nicht ganz so mediterran. Dafür werden andere Vorzüge geboten. „Ich kann hier atmen“, sagt Jan. 59


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Wer mit der Welt ­unzufrieden ist, wird manchmal kriminell. Ich habe mir eine Hütte gebaut.


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Wenn er die Vorräte aufgebraucht hat oder Freunde treffen will, muss Jan von seiner Hütte weg drei Stunden querfeldein über einen Bergkamm wandern, bis er die nächste Bootsanlegestelle erreicht. Im Winter hat er sein Snowboard dabei. „Hinauf braucht man Steigeisen, weil der Wind den Schnee steinhart zusammenpresst. Doch die ­Abfahrten sind himmlisch.“

Jan Wanggaard ist ein verspielter Junge im sehnigen, drahtigen Körper eines Zweiundfünfzigjährigen, der früher ein TopAthlet war. In den 1980er Jahren war Jan Surfweltmeister, Gegenspieler von Robby Naish. „Robby war der Mann der Stunde, und ich schlug ihn auf Hawaii gleich bei unserem ersten Zusammen­ treffen“, erinnert er sich. Jan war am Zenit seiner Karriere, als er die Freude am Surfen verlor. Weil er nicht mehr atmen konnte. „Ich surfte, weil es mir Spaß machte, weil ich es gut konnte, weil es meinen Körper forderte. Aber je erfolgreicher ich wurde, umso mehr Verpflichtungen hatte ich. Auf einmal gehörten tausend Dinge zu meinem Job, die mich nicht interessierten.“ Jan hat eine sehr konsequente Haltung zu Dingen, die ihn nicht interessieren: Er lässt sie bleiben. Gerade eben interessiert ihn nur eines, das Brennholz fürs Abendessen. Er hat es vom Strand geholt, vom Golfstrom angeschwemmte Baumstämme jeder Größe. Er hackt sie in handliche Keile, die das Feuer leicht verdauen kann. Es ist unser erster Tag in Jans selbstgebauter Hütte, und es ist bitterkalt. Zwischen uns und dem nächsten Anzeichen menschlicher Zivilisation liegen drei Stunden Gewalt­ marsch. Es gibt keinen Strom, kein sauberes Geschirr, kein fließendes Wasser. Komisch, sagt Jan, dass die, denen etwas im ­Leben fehlt, immer die sind, die am meisten haben: die mit dem Geld, den Häusern, den großen Autos. Ihm fehlt hier rein gar nichts. Es regnet jetzt, und vom Meer her kommt Sturm auf. Die Hütte kauert sich unter einen Felsen, der sie vor dem Wind schützt, ein Wall aus Gras und Erde hält die Kälte draußen. Der Ofen knistert. Wärme breitet sich aus, behaglich genug, um im Schlafsack die Nacht zu überstehen.

Name Jan Folke Wanggaard Geburtsdatum/-ort 16. Februar 1958 in Asker, Norwegen Wohnorte Reine/Lofoten, Oslo Beruf Freischaffender Künstler Erfolge Weltmeister im Windsurfen 1981 Film-Doku „Panta Rei“ von Lars Nilssen dokumentiert Jans ehrgeizigstes Kunstprojekt, ein Modell unseres Planeten­ systems

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Am nächsten Morgen bäckt Jan Brot. Er hat Wasser vom See ­ eholt und knetet Mehl und Salz zu einem zähen Teig, den er g zu pfannengroßen Fladen verarbeitet. Wir sitzen im Halbdunkel der Hütte, während es draußen rund um die Uhr Tag ist. Durchs Fenster sehen wir den Wellen am Strand zu, winken einem Seelöwen, der zwischen den Felsen aufgetaucht ist. Dabei sprechen wir über Jobs, Träume, Freundschaften. Wir fragen Jan, wie man das macht: aussteigen, und fühlen uns bei dieser Frage wie Abenteuertouristen in einem Everest-Basiscamp. Jan ist gar nie richtig eingestiegen. Nach seiner Surferkarriere studierte er Industriedesign, lebte von Gelegenheitsjobs, machte sich als Künstler einen Namen. Baute ein Haus im Fischerdorf Reine und vor zwei Jahren ebendiese Hütte in jenem abgelegenen Tal, in dem wir nun Unterschlupf gefunden haben. Als der Wind immer stärker wird, zieht es durch die Ritzen der Balken, die er vor zwei Jahren aus Treibholz zurechtgesägt und zu Außenmauern verkeilt hat. Jan greift nach einem Sack voller Heu und stopft damit die undichten Stellen so lange, bis die Kerzenflammen wieder gerade zur Decke zeigen. Dabei lässt er seine Gedanken schweifen. Den Traum vom Aussteigen, glaubt er, träumen viele. Aber ihn auch umzusetzen? Das schaffen nur die wenigsten. „Viele wollen ihr Leben noch mal neu beginnen, weil sie diese tiefe Unzufriedenheit in sich spüren“, sagt er. „Und dann wechseln sie ihren Job oder nehmen sich eine neue Frau. Aber das löst nicht ihr Problem.“ Man muss, sagt er, von Jugend an mit sich im Einklang leben. Seiner eigenen Natur folgen, sich von Ängsten und Zwängen befreien, den eigenen wie den fremden. Leben, statt sich selber beim Leben zu beobachten. Manchmal flickt Jan Fischernetze für die Nachbarn im Dorf. Dann hält er sich mit Weisheiten wie diesen zurück. Man bringt ihm schon so genug Skepsis entgegen, hat uns Runhild erzählt, die einstige Babysitterin seiner heute erwachsenen Töchter. Sie wohnt in Reine und kennt Jan seit vielen Jahren. „Im Dorf ist er für die einen ein Mythos und für die anderen ein Sonderling“, sagte sie. „Nur die Frauen sind sich einig: Sie finden ihn heiß.“ Jan hat eine Exfrau und eine italienische Freundin, sie ist ein Freigeist wie er. „Keine Angst vorm Alleinsein haben, nicht aus gesellschaftlichen Zwängen zusammenbleiben, wenn man sich auseinandergelebt hat“, das ist die Grundlage gelungener ­Beziehungen, findet er. Das Fladenbrot ist inzwischen fertig ­gebacken. Jan klatscht einen Klumpen Butter auf die braune Kruste und schiebt ein neues Stück Teig in den Ofen. Während wir essen, versuchen wir konzentriert, uns nicht selbst beim Leben zu beobachten. So ungewaschen und un­ rasiert, wie wir seit vier Tagen sind, ist das vielleicht auch gar ­keine schlechte Idee.

Mit der Natur hat Jan eine Art Handelsabkommen: Er investiert Arbeitskraft und bekommt dafür täglich frischen Fisch sowie Treibholz zum Heizen. Der bargeldlose Zahlungsverkehr funktioniert durchaus ­effizient: Ein Zwei-, Drei­ tagesjob alle paar Monate reicht für darüber hinausgehenden Luxus.

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Jeden Morgen sammle ich Dinge ein, die das Meer angespült hat – und überlege, was ich daraus machen könnte.

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Jeder kann alles tun und alles werden. Er muss sich nur von seinen Zwängen befreien.


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Einen festen Job hatte Jan noch nie. Harte Arbeit ist er aber gewohnt. Unter anderem baute er ein maßstabsgetreues Modell unseres Sonnensystems (großes Bild links: der Saturn), eine Reihe historischer Boote (zum Beispiel den Kajak am Bild unten) und eine Hütte am Reine∆orden (ganz unten).

Tags darauf überqueren wir mit dem Boot einen Fjord und ­wandern zum Planet Saturn. Auf den Lofoten ist das tatsächlich möglich: Denn Jans auf­ fälligstes Kunstprojekt (das auch in dem Dokumentarfilm über ihn, „Panta Rei“ [„Alt flyter“], von Lars Nilssen porträtiert wird) besteht aus einer maßstabsgetreuen Nachbildung unseres Sonnensystems. Um die ungeheuren D ­ imensionen der Planetenbahnen zu veranschaulichen hat er in korrektem Abstand 200-Mil­lionenfach verkleinerte, steinerne Planetenmodelle auf den Lofoten verteilt. „Was ich nicht ver­stehe, muss ich bildlich vor mir sehen“, sagt Jan. Er hat die 730-Kilogramm-Kugel, die den Saturn darstellt, mit dem Hubschrauber zum Strand von Bunes bringen ­lassen und auf einem Sockel im Fels verankert. Das Himmels­ modell ist erst zur Hälfte fertig: Eine Nachbildung der Erde soll irgendwann direkt vor seiner Hütte stehen, die (sieben Meter Durchmesser fassende) Sonne ein paar hundert Meter weiter. Jan hat keine Eile mit dem Projekt: Er lässt sich seine Arbeitszeiten nicht diktieren, nicht von den Terminplänen anderer, nicht einmal von seinem eigenen Ehrgeiz. Außerdem sind da noch so viele weitere Ideen, die er verwirklichen will. Skulpturen aus Holz und Steinen. Historische Boote, die er mit denselben Materialien und Hilfsmitteln baut wie einst die Wikinger. Oder die Orgel, die er aus Treibholz anfertigen will – und die das ganze Tal ­beschallen soll. „… und dann schwebt mir noch diese Installation vor: Mein bester Freund Björn wird dafür einen Tag lang nackt als Ge­ kreuzigter an einer Felswand neben einem gern von Touristen benützten Wanderweg hängen …“ Als ob wir nach einer Woche mit ihm noch immer auf Lofotenhumor hereinfallen würden. Zu Geld unterhält Jan eine sehr korrekte Beziehung: Man geht sich gegenseitig aus dem Weg. „Klar hätte ich reich werden ­können“, sagt er. „Reich werden ist einfach. Aber ich habe den Sinn davon nicht verstanden.“ Für das bisschen Geld, das er braucht, verrichtet er Arbeiten, in denen er Fertigkeiten für seine Kunstprojekte üben kann. Zuletzt hat er eine Gartenterrasse mit Natursteinen ausgelegt. Damit kommt er wieder eine Weile über die Runden. Jan ist nicht der Erste, den es mit leeren Taschen in das ein­ same Tal verschlagen hat, in dem nun seine Hütte steht. „Seit Jahrhunderten sind Menschen über die Berge hierher geflüchtet“, sagt er. Denn drüben auf der anderen Seite des Kammes lebte

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Mitternachtssonne auf den Lofoten. Nach ein paar Tagen wird die Uhrzeit zur Neben­ sache: Man isst, wenn man hungrig, und schläft, wenn man müde ist. Oder geht nachts um zwei zum Strand, um den Wellen zuzusehen.

ein Landvogt, der Jahr für Jahr jede Fischerfamilie bis auf die letzte Øre auspresste. Dessen jüngster Nachfahre hat nicht mehr ganz so viel Macht, aber noch immer einen eigenen Stuhl in der Kirche. Bis vor fünfzig Jahren, berichtet Jan, hat eine Familie das ganze Jahr über hier gelebt, am Ende der Welt. Die jüngste ­Tochter verließ das Tal bis zu ihrem sechsten Lebensjahr kein einziges Mal. Zurück in Jans Hütte, stellen wir uns ihr Leben vor: ihre Welt, die links am Meer und rechts an den Bergen zu Ende war, die nichts von Autos und Hochhäusern, Menschenansammlungen und Badewetter wusste und an deren Außengrenzen ­unheimliche Trolle und gefräßige Gespenster wohnten. (Das ­behaupteten nämlich die Eltern, um den Forscherdrang der ­Kinder im Zaum zu halten.) Am schlimmsten muss es im Winter gewesen sein, wenn der Wind den Schnee zu betonharten Platten presst und die Polarnacht kein Ende nehmen will. Oder am schönsten? Als es Abend wird, sägen wir Brennholz, holen Trinkwasser vom See, machen das Geschirr sauber. Wir haben aufgehört, Reporterfragen zu stellen, und begonnen, Jans Antworten zu verstehen. Es gibt Forellen, die ersten, die wir selbst gefangen haben. Wir haben sie auf offenem Feuer selber zubereitet. An ­ihren weniger verkohlten Stellen schmecken sie nach Stille und Weite, nach Wind und nach Mitternachtssonne. Wirklich. www.wanggaard.com

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Wir w端nschen Ihnen bessere Unterhaltung.


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Die Konkurrenz ist größer und finanzstärker. Dennoch gewinnt KTM 2010 in der MotocrossWM neun von elf Titeln. Der einfache Grund: Renn­fahrer bauen die besseren Motorräder. Text: Robert Sperl, Bilder: Paul Kranzler

welt meister

macher Hinter Heinz Kinigadner durch die Werkshallen von KTM zu marschieren ist nicht einfach. Der lange Tiroler schreitet flott aus: Er kennt sich aus im Gewirr von Fließbändern, Fertigungs­ buchten und Prüfständen. Kini wirkt etwas ungelenk in den Hüften, dazu baumeln die langen Arme in den karierten Hemds­ ärmeln nach unten wie die eines Sheriffs aus Wildwest. Doch Kini trägt keine Colts, und die steifen Hüften sind eine Erinnerung an sein erstes Leben als Motocross- und Rallye-Raid-Fahrer. Zwei­ mal war Heinz Kinigadner Motocross-Weltmeister, 1984 und ’85. Später bewies er aller Welt, dass er auch bei Endurance-Rennen wie der Rallye Paris–Dakar einer der Besten und Furchtlosesten ist. Im Gegenzug tätowierten sich Strecken und Stürze in seinen Körper ein, doch Kini ist stolz darauf, sich nie etwas geschenkt zu haben: „Im Motocross musst du bereit sein zu bluten.“ Mühsam ist ein Werksrundgang in Kinis Kielwasser auch, weil er ständig angesprochen wird. Ein Hallo hier, ein knorriger Satz da, ab und zu Händeschütteln: Man ist mit einem Menschen unterwegs, den alle verehren und ohne den nix läuft. Einen offi­ ziellen Titel hat Kinigadner bei KTM trotzdem nicht. Er besitzt auch keinen jener Chip-Ausweise, den jeder KTM-Angestellte braucht, um die Drehkreuze am Werkseingang in der kleinen österreichischen Stadt Mattighofen zu überwinden. Dennoch ist Kinigadner, der im Tiroler Wiesing auch als KTM-Händler höchst aktiv ist, die unumstrittene rechte Hand von Firmenchef S ­ tefan Pierer: Diesem hatte er vor knapp zwanzig Jahren den damaligen Konkursfall KTM schmackhaft gemacht, worauf der Manager mit seiner Finanzgruppe einstieg und der endgültige Aufstieg von KTM zur weltbesten Offroad-Motorradfirma begann. Win on Sunday, sell on Monday: KTM lebt davon, die Gegner in den Offroad-Bewerben weltweit zu demütigen, von Anfang an, inklusive Japans Zweirad-Giganten. Bereits 1964, als die Firma noch von der Gründerfamilie Trunkenpolz geführt wurde (von ihr stammt das T in KTM), entstand das erste Werksteam für die Six Days. 1973 folgte der erste Motocross-WM-Titel von Gennadi 68

KTM-Boss Stefan Pierer, Werk in Mattighofen (Oberösterreich): Die Tradition an diesem Standort ist Teil der Erfolgsgeschichte.


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de.redbulletin.com/print2.0 Motocrossen mit den Weltmeistern.


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Der Faktor Mensch Sechs von vielen, die den ­Unterschied ausmachen.

STEFAN Pierer CEO KTM POWER SPORTS AG Schneller, innovativer, risikobereiter sein, doch immer mit Blick auf die Menschen dahinter.

Heinz Kinigadner KTM-LEGENDE Mitglied im Werks­ team von 1983 bis 2003 und als Werks­ team-Manager neunfacher Sieger der Rallye Dakar.

Gerald Kiska KTM-DESIGNER Machte KTM in Form und Farbe attraktiv und setzte Trends – etwa mit zwei übereinanderliegenden Scheinwerfern.

Bernie Plazotta OFFROAD Fahrwerk Das Einzige, was dem Ingenieur fehlt, ist eine Teststrecke im Werk. Sonst: ideale Voraussetzungen, um Sieger zu bauen.

Josef Sperl Chefmechaniker Zum Rennen reist die Werkstatt mit – und zum Saisonende auch ein Bierfass, um auf die WM-Titel anzustoßen.

Pit Beirer Sportdirektor Holt nur Leute, die besser sind als er: „Im Rückblick wird mir selber angst, was ich schon zustande gebracht habe.“

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Moissejew, UdSSR. (Mit Jahresende 2009 waren es 173 Titel in den Disziplinen Moto­ cross und Enduro, 2010 kommen 15 bis 16 weitere dazu.) Nach einem Konkurs und einer Unwucht, ausgelöst durch ein Interregnum motorsportferner Manager, formierte sich ab 1992 unter Stefan Pierer die Motorradsparte zur KTM Sportmotor­ cycle GmbH. Ab 1994 wurde KTM eine Aktiengesellschaft, die unter dem Motto „Ready to Race“ Gelände- und Straßen­ motorräder fertigt (im Geschäftsjahr 2009/2010 rund 66.000 Einheiten). Inzwischen heißt die Firma KTM Power Sports AG, und wenn ihr CEO Pierer auch nie Leistungssportler war, lebt er Wett­ bewerb als seine Lebensphilosophie täg­ lich vor: Wenn es ein Job verlangt, kriegt der Tag halt 48 Stunden. Ist das Wissen, dass KTM ohne sport­ liche Erfolge tot wäre (60 Prozent der Verkäufe sind Racing-Modelle), nicht eine permanente Jagd im Hamsterrad? Durch­ aus, sagt Pierer, aber Rennen im Hamster­ rad ist ein gutes Training. Das Ergebnis gibt ihm recht: Im Enduro-CompetitionBereich ist KTM Weltmarktführer, über 50 Prozent Marktanteil. Im MX fehlt noch ein Quäntchen, aber da hat man mit einer neuen 350er soeben den Sport quasi neu erfunden. Die japanische Konkurrenz ­­do­miniert nach wie vor den Gesamtmarkt, doch als Premiummarke erlöst KTM mehr pro Einheit. Für Pierer gibt es nichts Schö­ neres, als die Japaner zu schlagen. Damit die sportlichen Abenteuer auch künftig einen soliden Unterbau haben, hat Pierer einige Weichen für KTMs Z ­ ukunft bereits gestellt. Pierers Cross Industries AG, die KTM kontrolliert, hat ihre weiteren Beteiligun­ gen auf die automotive Seite konzentriert. Etwa auf die Firma Pankl, den Spezialisten für Innereien von Rennmotoren. Ohne Pankl müsste die F1 zusperren, und da die KTM-Triebwerke technologisch längst klei­ ne F1-Motoren sind, ist die Nähe zu Pankl ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil. Mit dem Modell Freeride auf Basis ei­ ner 125er-MX-Maschine geht im Frühling 2011 ein Elektro-MX-Bike in Vorserie, ein emotional positiv besetztes Freizeitmobil etwa für Gegenden, deren Wintersport­ infrastruktur im Sommer brachliegt: „Jede Talstation eines Lifts ist die ideale Ladestation.“ Alternativer Antrieb mit sportlichem Touch, ganz KTM eben. Die Partnerschaft mit dem indischen Zweirad-Riesen Bajaj (2,5 Millionen Motor­räder pro Jahr) ist Ausgangspunkt für einen Technologie- und Imagetrans­ fer. Nachdem KTM sich im Gefolge der Wirtschaftskrise 2008 aus dem Straßen­

rennsport zurückziehen musste, will man 2012 in der Klasse Moto3 zurückkehren. Moto3 verwendet 250-ccm-EinzylinderViertaktmotoren – quasi ein Heimspiel für KTM, bei dem man für ein vollverkleide­ tes Bajaj-Motorrad Zugpferd spielen will. Und dass die Rallye Dakar im Januar 2011 wieder in Südamerika gefahren wird, könnte speziellen Rückenwind bedeuten: Der zehnte Sieg en suite wäre eine hübsche PR für die in Kürze anste­ hende Gründung einer brasilianischen KTM-Tochter. (Brasiliens Zweiradmarkt ist eineinhalbmal größer als der Europas, 1,4 Millionen Jahreseinheiten!) Ein wichtiger Brückenkopf in Richtung sportlicher Erfolge ist KTM-Sportdirektor Pit Beirer. Der ehemalige deutsche Weltklasse-Motocrosser hat 2003 bei KTM begonnen, „an der Seitenlinie“, wie er sagt, und im Rollstuhl, in dem Beirer seit einem Rennunfall am 8. Juni 2003 sitzt, Querschnittlähmung. Beirer startete gleich mit ungeschönter Kritik. Etwa an der Überheblichkeit der Techniker, die verlernt hatten, den Fahrern zuzuhor­ chen, wenn diese Mängel monierten. 2004 wechselte Beirer an die Spitze des Sportmanagements und formte mit Kini­ gadners Hilfe neue Strukturen. Beirers erster Schachzug: die Verpflichtung des belgischen Ex-Weltmeisters Stefan Everts als Renndirektor Offroad. Als Everts 2006 nach seinem fünften Titel für Yamaha (insgesamt gewann Everts zehn) zurück­ trat, hatten die Japaner für ihn keine Verwendung mehr. Beirer nützte diese Unhöflichkeit, und ein Handshake später war Everts – ein guter Freund Beirers – an Bord und mit ihm ein unbezahlbarer Er­ fahrungsschatz. Der aktuellste „Fang“ Beirers ist Roger DeCoster. Der 66-jährige Belgier war in seiner aktiven Zeit fünfmal MotocrossChampion, wechselte dann in die USA, führte dort die Rennställe von Honda und Suzuki. Daneben betreute DeCoster erfolgreich das US-Team im Motocross of Nations, der inoffiziellen Team-WM: Seit 1981 gewannen die USA 20 von 29 Events – unter DeCoster. Auch DeCoster war – wie Everts – mit seinem bisherigen Arbeitgeber unglücklich, der ihm keine langfristigen Perspektiven mehr garantie­ ren wollte. Beirer band DeCoster mit dem Versprechen, ihm optimale Bedingungen zum Aufbau eines KTM-Rennstalls in den USA zu bieten. Beirer: „Leute wie Roger kriegt man nicht mit Geld, nur mit dem optimalen Umfeld.“ Mit DeCosters Hilfe möchte KTM in der AMA-Supercross-Se­ rie Fuß fassen, der publikumsträchtigen US-Indoorserie. Beirer: „Stadionrennen


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Kommt der emotionale Klebstoff Sport ins Spiel, merkt man nicht, dass der Arbeitstag ab und zu 48 Stunden hat.

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Antonio Cairoli (ITA) Weltmeister MX1/Teamwertung: KTM Gleich im ersten Jahr für KTM holte Cairoli den Motocrosstitel in der Königsklasse – den ersten in der KTM-Firmengeschichte.

Marvin Musquin (FRA) WELTMEISTER MX2/Teamwertung: KTM Mit 14 Siegen in 30 WM-Läufen verteidigte der erst Zwanzigjährige seinen Titel aus dem Vorjahr mit Erfolg.

Stephanie Laier (GER) Weltmeisterin/Teamwertung: KTM Beim entscheidenden Rennen in Italien brachte die Weltmeisterin von 2009 nicht einmal ein Trainingssturz aus dem Tritt.

Die Sieger von morgen Nachwuchs-Weltmeister 65/85/125 ccm Jordi Tixier (FRA, 125 ccm, Mitte, mit den Platzierten Joey Savatgy, USA, und Pascal Rauchenecker, AUT), Henri Jacobi (GER, 85 ccm) und Jake Pinhancos (USA, 65 ccm) setzten allesamt auf KTM.

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Während andere Hersteller auf Fünfjah­ respläne setzen, investiert KTM in kurze Wege. Inzwischen dauert es nur zwei Jahre, bis aus einer Idee ein erfolgreiches Motorrad wird: so geschehen mit der bereits erwähnten 350er, auf der Antonio Cairoli 2010 KTMs ersten Titel in der MX1 holte, der Königsklasse der MX-WM. (Ein Prototyp ist im Idealfall schon nach zwei Monaten reif für erste Tests.) Der erste Rahmen für die 350er des Italieners ent­ stand ohne Konstruktionszeichnung und Computerhilfe im Kopf des Schweißers (und Hobby-Crossers) Michael Achleitner. Womit wir gleich beim nächsten KTMPluspunkt sind: In den Entwicklungs­ abteilungen arbeiten viele aktive oder ehemalige Sportler, was die Effizienz ungemein erhöht. Dazu kommt die Courage zum schrä­ gen Zugang, zu dem KTM-Chef Stefan Pierer seine Mitarbeiter stets ermuntert. Etwa zu diesem: Kinigadner und sein Team wussten schon länger, dass die Run­ denzeiten der MX2-Maschinen (maximal 250 ccm, ca. 40 PS) oft besser waren als die der stärkeren MX1-Maschinen (maximal 450 ccm, ca. 65 PS). Weniger Leistung heißt weniger störende Last­ wechsel heißt bessere Fahrbarkeit, „denn es macht körperlich einiges aus, wenn du keinen Traktor unter dir hast, der dau­ ernd anreißt“ (Kinigadner). Also verfolgte man die Idee, in der MX1 auf 100 ccm und zehn PS zu verzichten und mit einer 350er anzutreten. Das Projekt startete im April 2007, just als Stefan Everts zu KTM kam, der in seiner aktiven Zeit stets der beste Techniker gewesen war, immer auf der saubersten Linie unterwegs. Er war der ideale Testpilot für das 350er-Wagnis. Das Ergebnis des freiwilligen Leistungs­ verzichts: der WM-Titel für Cairoli. Und ein konzeptioneller Vorsprung, den die Konkurrenz frühestens in zwei Jahren wird egalisieren können, denn in der Krise auf dem Zweirad-Weltmarkt erodieren auch die Entwicklungsbudgets der Top vier, Honda, Yamaha, Suzuki und Kawasaki. Was die Entwicklung bei KTM abrun­ det, sind die Teilnahme an nationalen Meisterschaften mit Prototypen sowie Dauertests auf WM-ähnlichen Strecken in Spanien, Holland, Belgien, Italien. Bern­ hard Plazotta, der Fahrwerksverantwort­ liche, setzt dafür kleine Expeditionen in Marsch, fliegende Werkstätten, in denen bei Bedarf per Schweißapparat Fahrwerke vor Ort umkonstruiert werden. All dieser

Aufwand und die erzielte Qualität bringen KTM in eine angenehme Lage: Musste man früher Stars mit Geld ins Werksteam locken, kommen sie jetzt von sich aus und betteln um Testfahrten. Zudem betreibt KTM ein ausgeklügel­ tes Scouting – mitverantwortlich dafür ist Stefan Everts’ Vater Harry, ebenfalls fünf­ facher Ex-Weltmeister und Besitzer einer Cross-Schule in Spanien. 2010 startete zudem das Nachwuchsprogramm Cham­ pions Academy: Für die besten Jugend­ lichen (bis maximal 14 Jahre) gibt es am Ende einen Platz in einem WM-Team. Bei all den Performance-Parametern darf man nicht vergessen, dass KTM seine Motorräder auf einen weiteren Prüfstand stellt, den des Designers Gerald Kiska. Der hat sich vor über zwanzig Jahren an einem KTM-Designwettbewerb beteiligt, weil er als Fan – „Ich hatte schon als Kind ein KTM-Fahrrad“ – das Gefühl hatte, dass die Marke außer dem Sex-Appeal der Leistung wenig zu bieten habe: „Ich dachte: Wenn die nix tun, wird das nie was.“ (Kiska hat damals gewonnen, sein Entwurf wurde jedoch nie realisiert.) Der Ansatz von Kiskas Designs, das KTM auszeichnet: Die Wurzeln des Unter­ nehmens freizulegen, „und KTM ist eine kantige G’schicht’“. Und das Markenmotto mit Leben zu erfüllen: „Ready to Race, das sollen die Produkte unmissverständlich verkörpern.“ Dass die Motorräder aggres­ siv ausschauen, ist Kiska recht: „Das sind Wettbewerbsgeräte. Und KTM ist ein MikroNischenplayer am riesigen Weltmarkt. Auf den wird man nicht aufmerksam, wenn der sich hinterm Busch grün tarnt.“ Orange als Leitfarbe für KTM zu wäh­ len, nennt Kiska eine seiner wichtigsten Entscheidungen. Mitte der neunziger Jahre wirkte diese Farbe unverbraucht, waren die Achtziger doch quasi orange­ frei gewesen, und seit damals fällt KTM auf. Bleibt Orange jung? Kiskas Konter: „Altert Rot? Diese Farbe stellt sich Ferrari wohl jeden Tag. Ich sage: nein. Besetze ich Orange als Hausfarbe, altert es nicht.“ Die Rennfahrer sind übrigens in den Gestaltungsprozess integriert. Die Bur­ schen kommen bis zu zehnmal Probe sit­zen und mäkeln dann im Millimeterbereich, wobei ihnen die Form jedoch recht egal ist: Es geht ihnen ausschließlich um die Funktionalität ihres Arbeitsplatzes. Nur manchmal komme so etwas wie Lob zu­ rück, erzählt Kiska. Stefan Everts etwa sagte, als er die neue 350er sah, erstaunt: „And it looks good, too.“ Kiska: „Das war irgendwie eine Überraschung für ihn.“ Sand, Staub und weite Sprünge: Print 2.0 Die Welt von KTM-Racing auf: www.ktm.com

bilder: KTM (4)

Alle neune

2010 war für KTM die tollste Saison der MX-Geschichte.

erfordern durch ihre engen Kurse, die vie­ len Sprünge, den speziellen Untergrund und die Sprintdistanzen eine spezielle Strategie. Roger kennt da alle Tricks.“


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11.000 Meter unter dem Meer Im Januar 1960 tauchte Jacques Piccard an Bord der „Trieste“ bis auf den Grund des Marianengrabens. Sein Antrieb: der Traum seines Vaters. Seine Versicherung: der Glaube an die Naturgesetze. Sein Tiefenrekord: hat bis heute Bestand.

bild: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo

Text: Andreas Rottenschlager

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Langsam sinkt der mächtige Rumpf der „Trieste“ Richtung Meeresboden. Von den Sturmböen, die an der Oberfläche riesige Wellen aufpeitschen, merken die beiden Männer in der engen Tauchkugel nichts. Dunkelheit herrscht hier im Pazifik, 380 Kilo­ meter südwestlich von Guam, der größten Insel des MarianenArchipels. An Bord des Tiefseebootes sind die Lichter gedimmt. Nur mit Mühe lassen sich Anzeigen und Instrumente im matten Schein der Lampen entziffern. Die Reisenden gewöhnen ihre Augen an die Finsternis, um die unbekannte Welt studieren zu können, in die sie soeben vorstoßen. Don Walsh, Leutnant der US-Marine, ist als U-BootExperte mit an Bord. Der Schweizer Jacques Piccard manövriert das 17 Meter lange Gefährt auf den Marianengraben zu. Ihrer Mission haben die Forscher den Namen „Nekton“ gegeben. Piccard ist hier, um zu beweisen, dass sein Tauchgerät durchhält – auch am Grund des Ozeans bei extremem Druck. Es ist Samstag, der 23. Januar 1960. Der Tag, der den tiefsten bemannten Tauchgang der Geschichte bringen soll.

Was die Mission „Nekton“ schließlich ermöglichte, war Auguste Piccards Erfindung des Bathyskaphen, eines Unterseebootes für extreme Tiefen. Die Bezeichnung setzt sich aus den griechischen Worten für „tief“ (bathýs) und „Schiff“ (skaphos) zusammen. Das Funktionsprinzip ist simpel. Für den Auftrieb sorgt ein riesiger, mit Benzin und Wasser gefüllter Schwimmkörper. Auf- und Abtrieb werden durch Abgabe von Ballast geregelt. Zu diesem Zweck sind zwei Silos mit je acht Tonnen Eisenschrotkugeln am Rumpf montiert, die sich auf Knopfdruck öffnen und schließen lassen. An der Unterseite des voluminösen Schwimmkörpers hängt eine druckfeste Tauchkugel aus Stahl, die Platz für zwei Mann Besatzung bietet. Jacques Piccard half ab 1953 bei der Konstruktion eines Bathyskaphen namens „Trieste“. Er fasste den Entschluss, mit dem Unterseeboot in die unerforschten Zonen der Ozeane vorzustoßen.

bild: AP Photo/William J Smith

In 9875 Meter Tiefe zerreißt ein dumpfer Knall die Stille in der Stahlkugel. Feine Risse spalten das Plexiglasfenster.

Um zu verstehen, was den studierten Ökonomen Jacques Piccard veranlasste, eine Reise auf den Grund des Marianengrabens anzutreten, gilt es, ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte aufzurollen. Denn die Vorarbeiten zur Mission „Nekton“ beginnen bereits mit den Abenteuern von Jacques’ Vater, dem Physiker Auguste Piccard. Wenn es darum ging, Neugier mit Draufgängertum zu verbinden, lieferte dieser Mann für den heranwachsenden Jacques ein ideales Vorbild: Um Daten über kosmische Strahlen zu gewinnen, drang der Wissenschafter 1931 in einem Gasballon in die Stratosphäre vor. Dem Flug in 15.940 Meter Höhe folgte eine Bruchlandung auf dem Gurgler Ferner, einem Gletscher in Tirol. Unbeeindruckt davon, verbesserte der Professor seinen Höhenrekord ein Jahr später auf 16.940 Meter. Von Piccard senior existieren Fotos, die den Forscher mit einem gepolsterten Bastkorb auf dem Kopf zeigen – ein erster Vorläufer des modernen Sturzhelms. Was sollte also aus dem jungen Jacques bei einem solche Vater werden, wenn nicht ein Abenteurer?

Tiefer und tiefer taucht die „Trieste“ dem Meeresgrund entgegen. Mehr als eine Stunde ist seit Beginn der Expedition vergangen, hier südwestlich der Insel Guam, wo der sichelförmige Marianengraben die tiefste Stelle der Erde markiert. In der Taucherkugel sinkt die Temperatur mit jedem zurückgelegten Meter. Piccard und Walsh wechseln ihre Kleidung, die beim Umstieg vom Begleitboot auf die „Trieste“ völlig durchnässt wurde. Nur 90 Zentimeter Platz bleiben den beiden Männern dafür. Die nächste Herausforderung hat der Schweizer allein zu bewältigen: Piccard muss sein Geschick als Steuermann beweisen und die Sinkgeschwindigkeit richtig dosieren. Schaffen es die beiden Forscher nicht vor Einbruch der Nacht zurück an die Wasseroberfläche, müssen sie in völliger Dunkelheit zum Begleitboot übersetzen – eine zusätzliche Gefahr in den unruhigen Gewässern des Pazifiks. Ein zu schnelles Absinken erhöht wieder­ um das Risiko, in den kaum erforschten Tiefenregionen des Ozeans mit einer der Steilwände des Marianengrabens zu kollidieren. Nach 1280 von knapp 11.000 Metern der erste Zwischenfall: In einer Kabeldurchführung an der Decke der Kugel öffnet sich ein winziges Leck, Wasser tropft in den Innenraum. Doch Piccard denkt nicht daran umzukehren. In immerhin 64 Tauchfahrten hat ihm die „Trieste“ bereits treue Dienste geleistet. „Für mich war sie ein lebendiges Geschöpf, von dem Willen beseelt, dem zupackenden Druck zu widerstehen“, wird er Jahre später schreiben. Bei 6000 Metern unter der Wasseroberfläche verlassen Piccard und Walsh die abyssischen Regionen des Ozeans und tauchen in die Hadalzone ein. Jene Tiefen, die nach dem Hades benannt sind, dem Reich der Toten in der griechischen Mythologie. 75


Der tiefste bemannte Tauchgang der Geschichte und seine Protagonisten: Auguste Piccard (oben li.) erlangte Ruhm als Experimentalphysiker, furchtloser Ballonfahrer und erster Mann in der Stratosphäre. Sein Sohn Jacques (oben re.) bestieg die Tauchkugel des Unterseebootes „Trieste“ und drang bis zum Boden des Marianen­ grabens vor. Am 23. Januar 1960 tauchten Piccard junior und der Marineleutnant Don Walsh bis in 10.916 Meter Tiefe (Bild unten). Eine Rekordmarke, erreicht in Zeiten des Kalten Krieges und finanziert von der Supermacht USA – Präsident Dwight D. Eisenhower (kleines Bild Mitte li.) gratulierte persönlich.

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bild: AP Photo/U.S. Navy, AP-Photo, interfoto/LP, KEYSTONE/Keystone Pressedienst, Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo (4), UPPA/Photoshot (2)

Action


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Das Tiefseeboot sinkt weiter, Bestmarke für Bestmarke: 7025 Meter unter dem Meeresspiegel – ein neuer Rekord für bemannte Tauchfahrten, 8848 Meter – die Höhe des Mount Everest. In 9875 Meter Tiefe zerreißt ein dumpfer Knall die Stille in der Stahlkugel. Feine Risse spalten das Plexiglasfenster im Einstiegsschacht. Piccard bleibt ruhig, überprüft seine Instrumente: keine weiteren Schäden. Er kennt die Berechnungen, die er und sein Vater angestellt haben. Sie besagen: Das Boot ist für Tiefen von bis zu 20.000 Metern gebaut. Was auf dem Papier gilt, was den Formeln der Physik folgt, wird sich auch im Ernstfall beweisen, davon ist er überzeugt. Noch müssen Piccard und Walsh mehr als tausend Meter bis zum Grund des Marianengrabens zurücklegen.

Nur noch wenige Minuten trennen die „Trieste“ vom Ziel. Piccard beschleicht ein beunruhigender Gedanke: Falls sich am Meeresgrund eine lockere Schlammschicht befindet, wird sein Tiefseeboot dort einsinken. Erfahrungswerte für die Hadalzone gibt es keine. Der Schweizer drosselt die Tauchgeschwindigkeit und lässt sein Unterseeboot langsam die letzten Meter hinabsinken. Um 13.06 Uhr Ortszeit erreichen die Männer ihr Ziel. Der Bathyskaph „Trieste“, erdacht von Auguste Piccard, gebaut 1953 in der italienischen Hafenstadt, kommt in einer Tiefe von 10.916 Metern zum Stillstand. Im Logbuch hält der Steuermann seine Eindrücke fest: „Der Boden hell und klar, eine Wüste voll hell-zimtfarbenem Schlick. Wir landeten auf einem flachen Boden aus festem Diatomeenschlamm.“ Knapp eine halbe Stunde dauert der Aufenthalt in der Rekordtiefe. Piccard und Walsh messen die radioaktive Strahlung und beobachten den Meeresgrund. Die Temperatur in der Kabine ist mittlerweile auf zehn Grad gefallen. Der Außendruck beträgt 1,1 Tonnen pro Quadratzentimeter. Piccard möchte den Zeitplan einhalten und bereitet sein Boot für die Rückkehr an die Oberfläche vor. Ein letzter Blick auf ein frisch erobertes Stück Erde, dann beginnen sich die Ballastsilos zu leeren. Tonnenweise rieselt Eisenschrot aus den Tanks, das Tauchboot steigt wieder auf. 16.56 Uhr: Jubel an Bord des Begleitbootes „USS Wandank“. Journalisten zücken Kameras und rufen nach Piccard. Der wahrt seit den Artikeln über Riesenkraken Distanz zu den Zeitungsleuten – doch jetzt huscht ein Lächeln über sein schmales Gesicht. Er hat gezeigt, dass die „Trieste“ extremsten Bedingungen standhält. Laut Vertrag geht sein Boot nun in den Besitz der Amerikaner über. Piccard selbst kehrt nach Europa zurück.

bild: Süddeutsche Zeitung Photo/SZ Photo

Die Temperatur in der Kabine ist auf zehn Grad gefallen. Der Außendruck beträgt 1,1 Tonnen pro Quadratzentimeter.

Warum der Schweizer Jacques Piccard seine Fahrt ausgerechnet mit einem US-Leutnant unternahm, erklärt sich durch zwei Phänomene der 1950er Jahre: die Faszination der Tiefseeforschung und die Mechanismen des Kalten Krieges. Als Jacques Piccard und sein Vater Auguste in Italien erste Tests mit dem Bathy­ skaphen absolvierten, erregten ihre Tauchgänge großes Aufsehen. Sensationsartikel verbreiteten die Nachricht, die „Trieste“ sei am Meeresgrund von einem Riesenkraken festgehalten worden. Zu dieser Zeit wurden die Piccards mit Krediten des belgischen Wissenschaftsfonds versorgt. Als die Mittel ab 1955 knapp wurden und man in Europa allmählich das Interesse an den teuren Tiefseereisen verlor, trat die US-Marine an die Piccards heran. Offiziell wollten die Militärs die „Trieste“ erstehen, um U-Boote zu bergen und wissenschaftliche Tauchgänge durchzuführen. Doch im Wettstreit mit Sowjet­ russland schielte die Supermacht auch auf Rekorde und Prestigegewinn. Zudem befeuerten neue Veröffentlichungen über unerschlossene Rohstoffquellen das Interesse von Ingenieuren, Abenteurern und Investoren. Als der Schweizer Piccard versprach, in die größte bekannte Tiefe von knapp 11.000 Metern vorzudringen, wurde er der Mission „Nekton“ als Vertragsangestellter zugeteilt. In Essen schmiedete Krupp daraufhin eine neue, dickere Tauchkugel. Deutsche Ingenieurskunst und zwölf Zentimeter dicke Stahlwände sollten die Abenteurer am Boden des Marianengrabens beschützen.

Nie mehr erreichte ein Mensch die 10.916 Meter der „Nekton“-Mission. Den immen­ sen Kosten der Tauchgänge stand bald ein zu geringer wissenschaftlicher Erkenntnis­ wert gegenüber. Der Ozeano­graph und ­Pionier Jacques Piccard blieb seiner Leidenschaft aber auch nach der Marianengraben-Expedition treu. 1969 ließ er sich an Bord der von ihm erbauten „Ben Franklin“ einen Monat lang durch den Golfstrom treiben. Bis ins Alter von 82 Jahren nahm er an Unterwasserfahrten teil. „In uns allen steckt eine Kraft, die uns nicht ruhen lässt, solange wir noch einen Schritt weiter gehen können“, heißt es in einem seiner Bücher. Jacques Piccard, den diese Kraft bis auf den tiefsten Grund des Ozeans getrieben hatte, starb am 1. November 2008 im Alter von 86 Jahren in La Tour-de-Peilz am Genfer See. Die Abenteuer der Familie Piccard gehen weiter: Jacques’ Sohn Bertrand plant die Umrundung der Welt im Solarflugzeug; www.bertrandpiccard.com

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bild: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Die schnellste Termin足 端bersicht des Monats, 足inklusive der Formel-1Grands-Prix von Japan und Korea: Hot Spots, Seite 88.


More Body&Mind Belebendes für Körper und Geist.

80 Šárka Pančochová im Hangar-7 82 Historisches Radrennen 84 Baseball in Japan 86 Red Bull TV-Fenster 88 Tag & Nacht 98 Kolumne


More Body & Mind

Hangar-7-Interview

Šárka Pančochová „Oh Mann, das ist echt irre hier!“ Als Šárka Pančochová den Hangar-7 zum ersten Mal betritt, lacht die Tschechin übers ganze Gesicht. Obwohl sich das stets gut gelaunte Energiebündel momentan von einer Knieoperation erholt, hat es Grund zur Freude: Mit ihrem kompromisslosen Stil verändert die bald Zwanzigjährige die Art und Weise, wie Snowboarderinnen wahrgenommen werden. Gerade erst wurde sie vom „Snowboard“-Magazin als Rookie des Jahres ausgezeichnet und hat dazu die erste Quarterpipe-WM der Frauen gewonnen. In der TTR World Snowboard Tour liegt sie in der Rangliste derzeit auf Platz drei. Nicht schlecht für eine Boarderin, die erst drei Saisonen als Profi die Pisten abfährt. red bulletin: Du bist in Salzburg, um nach deiner Knieoperation im Red Bull Diagnostics & Training Center wieder ins Training zurückzukommen. Was ist los mit deinem Knie? 80

šárka pančochová: Ich weiß nicht mal, wie es passiert ist, aber ich habe mir das vordere Kreuzband im linken Knie gerissen. Jetzt mache ich seit drei Monaten Pause und brauche sicher noch drei weitere, bis ich wieder an Wettbewerben werde teilnehmen können. Ich bin jetzt umso versessener darauf, wieder loszu­ legen. Und das Diagnostics & Training Center ist echt klasse. Die Therapeuten und Trainer konzentrieren sich darauf, was das Beste für einen ist und wie man in Zukunft trainieren sollte. Das klingt ziemlich optimistisch … Es hätte weitaus schlimmer sein können, und die Operation selbst war echt cool. Ich bekam nur eine lokale Betäubung und einen Vorhang vor meinem Knie. Dadurch musste ich kein Blut sehen, konnte jedoch auf einem Bildschirm mitverfolgen, wie mein Kreuzband wieder zusammen­ genäht wurde. Auf meine neue Narbe bin ich ziemlich stolz.

Ein Redakteur des „Snowboard“-Magazins hat dich vor kurzem als beste weibliche Snowboarderin bezeichnet. Siehst du dich selbst auch so? Ach was, der hat nur Spaß gemacht (lacht). Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Vielleicht. Ich möchte auf jeden Fall die Beste sein, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Es ist für mich immer wieder aufregend, neue Sachen zu lernen, und sobald ich mit meinem Board auf der Piste stehe, bin ich glücklich. Hat sich die Art, wie Frauen snow­ boarden, weiterentwickelt? Auf jeden Fall. Die Jungs sind zwar etwas weiter als wir, die machen ihre doppelten und dreifachen Flips, aber die Lücke zu ihnen schließt sich langsam. In erster Linie ist es eine körperliche Sache, aber auch die Einstellung spielt eine große Rolle. Die Boarderinnen von heute wollen weiterkommen, und das ist völlig richtig. Ich persönlich kann die neue Saison gar

bilder: Mihai Stetcu/Red Bull Photofiles, Vitek Ludvik/Red Bull Photofiles

ist zwar Weltmeisterin, trotzdem gilt sie in der Snowboard-Szene noch als Rookie. Für die Musik vor entscheidenden Sprüngen verpflichtet die Tschechin ABBA und Queen. Interview: Ruth Morgan


bild: Monika Saulich/Red Bull Photofiles

Drei Monate lang war Šárka Pancˇochová nach einer Bänderverletzung zum Stillhalten verurteilt. Jetzt ist sie schon ganz kribbelig auf ihr Comeback.

nicht mehr erwarten. Sobald ich wieder fit bin, arbeite ich an meinem Double Backside Rodeo. In Bezug auf neue Tricks wirkst du furchtlos. Hast du vor gar nichts Angst? Ich wollte schon als Kind immer alles ausprobieren und war für alles zu haben. In meinem kleinen Dorf in Tschechien war ich fast nur mit Jungs befreundet und die ganze Zeit mit ihnen unterwegs. Ich denke, dass mir das sehr geholfen hat, als ich mit elf Jahren mit dem Snowboarden angefangen habe. Natürlich habe auch ich manchmal Angst, aber dann geht es darum, sie zu überwinden. Du bist so neu in der Profi-Szene, dass du immer noch Rookie-Auszeichnungen bekommst. Es ist dir aber schon klar, dass du dich mittlerweile auf einer Stufe mit den ganz Großen befindest? Am Anfang war das noch ein bisschen merkwürdig. Beim European Roxy Chicken Jam und auf den European Open bin ich

dann auf einmal all den Riderinnen und Ridern begegnet, die ich sonst nur aus dem Fernsehen gekannt habe. Und als ich dann gegen meine Idole angetreten bin, bin ich beim Versuch, ein bisschen anzugeben, ziemlich schnell auf die Nase gefallen (lacht). Mittlerweile bin ich aber daran gewöhnt, mit ihnen zusammen zu sein. Du hast den Ruf, ein Partygirl zu sein. Ja, das bin ich wirklich. Aber es ist echt schwierig, nicht zu feiern, wenn man mit Leuten wie Jamie Anderson und Kjersti Buaas unterwegs ist. Eine von uns schafft es immer aufs Podium, was dann meistens auf eine riesige Party hinausläuft. Aber auch so ein Mittagsschlaf ab und zu ist großartig. Ich bin also keineswegs nur am Feiern. Hörst du eigentlich Musik, während du auf dem Board stehst? Ich fahre immer mit Musik. Ein guter Song spornt dich an und sorgt dafür, dass du keine Angst bekommst. Am liebsten

höre ich ältere Sachen wie ABBA, Queen und die Beatles. „Dancing Queen“ ist ein toller Song, wenn man sich auf einen großen Sprung vorbereitet. Ich denke, dass tief in mir ein kleiner Rockstar steckt, und den lasse ich dann ab und zu auch in unserer Band am Schlagzeug raus. Auf Tour hängen wir Mädels dann zusammen ab und spielen Songs von den Beatles. Im Frühjahr hast du bei den Olympischen Winterspielen das Halbfinale erreicht. Wie wichtig ist es dir, beim nächsten Mal eine Medaille zu holen? Mir ist mein letzter Lauf einfach miss­ lungen. Natürlich war ich enttäuscht, dass ich das Finale verpasst habe, aber ich weiß, dass ich eine neue Chance bekommen werde. Eine Medaille wäre etwas ganz Besonderes, aber man sollte es sich nicht zu sehr wünschen, sonst verschreit man es am Ende noch. Frauenpower in der Halfpipe: de.redbulletin.com/pancochova

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Zeitreise im Sattel Es sind die berühmten strade bianche, die den Reiz der „Eroica“ ausmachen. Die weißen Schotterstraßen schlängeln sich durch die charmantesten Winkel Italiens, vorbei an Weingärten, Pinienwäldern und uralten Olivenhainen. Jedes Jahr im Okto­ ber lockt diese Rundfahrt Liebhaber des ciclismo aus der ganzen Welt in die Toska­ na. L’Eroica führt über eine der schönsten und anspruchsvollsten Strecken abseits des professionellen Straßen-Rennzirkus. Trotz aller landschaftlichen Reize gilt: Die Eroica ist nichts für Angsthasen. Zum Fahrvergnügen in den Chianti-Hügeln ­gesellen sich technische Herausforderun­ gen. Diese kommen in Form von BergabPassagen auf lockerem Schotter und aus­ gefahrenen 90-Grad-Steilkurven daher. Oder auf Streckenabschnitten, übersät mit großen Steinbrocken und durchfurcht von Spurrinnen. Bei Regen verwandelt sich die Eroica überhaupt in ein Abenteuer aus Matsch, Schweiß und Tränen. Was die Teilnahme zu einem unver­ wechselbaren Erlebnis macht, ist letztend­ lich die Liebe zur Historie. Die Regel lau­ 82

tet: Kein Fahrrad im Feld darf nach 1987 gefertigt worden sein. Am Start tummeln sich daher Räder mit Stahlrahmen, Unter­ rohr-Schalthebeln, freiliegenden Schalt­ zügen und alten Hakenpedalen. Die En­ thusiasten unter den L’Eroica-Teilnehmern starten selbstverständlich in ­passender Montur: in kratzenden Wolltrikots aus dem vorigen Jahrhundert und Schutz­ brillen aus Opas Sportartikelsammlung. Was in keinem Rucksack fehlen sollte, sind Werkzeuge für spontane Reparaturen: Auf den wilden Schotterpisten stehen Reifen­ pannen an der Tagesordnung. Der nostalgische Höllenritt startete dieses Jahr am 3. Oktober. Vier Strecken stehen zur Auswahl. Die kürzeren Varian­ ten führen über 38 und 75 Kilometer, mutige Radler nehmen 135 oder gar 205 Kilo­meter in Angriff. Wer auf Historie und Muskelkraft pfeift, kann die Routen – an den restlichen Tagen des Jahres – bequem mit Motorrad oder Auto abfahren. Startpunkt aller vier Strecken ist der Ort Gaiole in Chianti, 16 Kilometer nord­ östlich von Siena. Das „Forbes“-Magazin

wählte den Ort unter die lebenswertesten Plätze Europas, was die außerordentliche Dichte an Amerikanern hier erklärt. Wie viele Orte in der Toskana hat aber auch Gaiole sein lokales Flair beibehalten. Es ist nicht schwierig, Trattorias zu finden, in denen noch für toskanische Arbeiter und Bauern gekocht wird. Oft lohnt sich der Abstecher in eine versteckte Gasse. Gaiole liegt, für toskanische Orte eher untypisch, in einem Tal. Die meisten Dör­ fer wurden ja auf Hügeln gebaut, um sich besser gegen die Truppen rivalisierender Städte verteidigen zu können. Tatsäch­ lich waren die ersten nordeuropäischen Touristen, die im Mittelalter die Gegend durchstreiften, schottische und irische Schwertkämpfer, deutsche Ritter und englische Offiziere, die ihre Dienste als Söldner anboten. Noch heute existiert ein Sprichwort, das auf die blutdürstigen englischen capitani di ventura, die Haupt­ männer der Söldnertruppen, hinweist: «Un inglese italianizzato è il diavolo ­incarnato» („Ein italienisierter Engländer ist der fleischgewordene Teufel“).

Text: Norman Howell; bilder: Offside Sports Photography (4), Atlantide Phototravel/Corbis (2); Illustration: Andreas Posselt

„L’Eroica“ ist ein Radrennen für Nostalgiker, eine Entdeckungsfahrt für Gourmets und ein beinharter Ritt über toskanischen Schotter.


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In der Nähe von Gaiole steht das ­ astello di Brolio der Familie Ricasoli. C Die Straße, die zum Schloss hinaufführt, ist ein Teilstück der Eroica und mächtig steil. Einen Besuch im Bosco-Inglese-Park und ein gemütliches Essen in der Osteria del Castello sollte man sich hier nicht entgehen lassen. Wer die Strapazen des Aufstiegs hinter sich gebracht hat, dem winkt ein beeindruckender Blick auf die umliegenden Zypressenwälder. Vom Castello ist es nicht weit nach Radda, das mit seiner Lage am Hügel die Landschaft dominiert. Die Geschichte des Ortes reicht bis ins Jahr 1002 zurück. In den autofreien Straßen gibt es viel zu entdecken. So etwa die „Ghiacciaia Granducale“, die Lagerstätte für Eisblöcke des toskanischen Großherzogs, der sich Schnee vom nahen Apennin-Gebirge nach Radda karren und in Eis verwandeln ließ. Wer die 75-Kilometer-Variante der Eroica gewählt hat, kommt nach Panzano. Hier befindet sich das Geschäft (besser gesagt: das Handelszentrum) von Dario Cecchini, einem Meister der Metzgerzunft.

Neben seinem traditionsreichen Stamm­ betrieb führt Cecchini noch zwei Restau­ rants: das „Solo Ciccia“ („Nur Fleisch“) und „Mac Dario“ – wie der Name vermu­ ten lässt, ein Seitenhieb auf eine große Fast-Food-Kette. Darios Credo: hochwer­ tiges Fast Food zu angemessenen Preisen. Weiter geht die Reise nach Volpaia auf einer weißen Straße, mit einer Aussicht, die einem schlicht den Atem raubt. Das Schloss Volpaia und das rundherum an­ gesiedelte Dorf sind Eroica-Höhepunkte. Empfehlenswert ist ein Besuch in der „Bar Ucci“, wo Signora Paola bruschette und fegatini serviert. Dazu bestellt man am besten eine Flasche Chianti Classico vom Antico Borgo di Sugame. Das Weingut be­ findet sich nur einen Sprung von Panzano entfernt. Die Gutsbesitzer empfangen ihre Gäste gerne zu einer Besichtigungstour und geben Einblicke in die Geheimnisse des Weinbaus. Schließlich sind wir in der Toskana – und neben Radfahren dreht sich hier alles um den Wein. Streckenpläne und -infos zum Retro-Rennen durch die Toskana: www.eroica-ciclismo.it

Kulinarische Schatzkiste an der Rennstrecke: In Panzano zaubert Meistermetzger Dario ­Cecchini (oben) toskanisches Fast Food.

asphaltiert nicht asphaltiert

Greve

75 km 38 km

Panzano Volpaia

Lucarelli

MONTEVARCHI

Radda Castellina in Chianti

Gaiole

Vagliagli

Brolio

Pianella

SIENA Wer bei der „Eroica“ an den Start geht (oben), muss auf den Luxus moderner Rennradtechnik verzichten. Modern ist in diesem Fall alles, was nach 1987 gebaut wurde. Die beiden kurzen Routen (rechts) führen über 38 und 75 Kilometer.

Castelnuovo Berardenga

Auf den Geschmack gekommen? Wer die Strecken der Eroica 2011 im Vorfeld auskundschaften will, sollte sich an diesen Plan halten. Ob per Rad, Motorrad oder Auto: Die Gegend um Siena ist ganzjährig eine Reise wert.

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Big in Japan: Baseball Wer Lust auf Groundhopping in Japans Stadien hat: Es ist einfacher als gedacht.

11 SAPPORO

1. Chunichi Dragons (Nagoya)

4. Yakult Swallows (Tokio)

2. Hanshin Tigers 3. Hiroshima Carp (Nishinomiya) (Hiroshima)

SENDAI

5. Yokohama BayStars (Yokohama)

9

TOKiO 6. Yomiuri Giants (Tokio) HIROSHIMA 3

8

2

1 NAGOYA

12

6 4

7

5

OSAKA

7. Chiba Lotte Marines (Chiba)

10

FUKUOKA 8. Orix 9. Tohoku Rakuten Buffaloes Golden Eagles (Osaka bzw. Kobe) (Sendai)

11. Hokkaido Nippon10. Fukuoka Ham Fighters SoftBank Hawks Pacific League (Sapporo) (Fukuoka) Die Liga NPB (Nippon Professional Baseball) be­ steht aus zwei Ligen à sechs Mannschaf­ ten. Gespielt wird vorwiegend innerhalb der eigenen Liga, nur jeweils Mitte Mai bis Mitte Juni geht es gegen Teams der an­ deren Hälfte („Interleague“). Der Punkte­ beste nach dem Grunddurchgang spielt im Finale gegen den Sieger des Duells Zweit- gegen Drittplatzierter um den Titel des Liga-Meisters. Das System lautet bestof-six, wobei der Grunddurchgangssieger einen Punkt Vorsprung hat. Die beiden Liga-Champions machen sich in der Japan Series den Meister aus (best-of-seven). Die Unterscheidung in Central und Pacific League hat nichts mit Geografie zu tun. In 84

12. Saitama Seibu Lions (Tokorozawa)

Tokio spielen mit den Giants und Swallows zwei Teams aus unterschiedlichen Ligen, während die Ham Fighters aus Sapporo ihre Heimspiele teilweise auch im Tokyo Dome austragen. Mit den Lions, BayStars und Marines sind drei weitere Teams von Tokyo City aus bequem zu erreichen. Je­ dem Verein werden bestimmte Attribute zugeschrieben. So gelten etwa die Tigers als besonders wild, Hiroshima Carp als ewiger Underdog und die Giants in etwa als das Real Madrid in Japans Baseball. Spielplan Gespielt wird von Mitte März bis Mitte November; aktueller Spielplan auf der ­Liga-Seite http://www.npb.or.jp/eng/

Vorbereitung Die groben Baseball-Regeln sollte man intus haben, bevor man ins Stadion geht. Vor Ort könnte es nämlich schwierig wer­ den, jemanden zu finden, der die Feinhei­ ten des Regelwerks oder die Facetten der Anzeigetafeln erklärt. Day-to-day-Infor­ mation über den Liga-Alltag auf der sehr informativen und überaus kompetenten Homepage www.JapanBall.com. Aus der­ selben Quelle stammt das jährlich erschei­ nende „Japan Pro Baseball Fan Handbook & Media Guide“, ein umfangreiches und eigentlich unverzichtbares Nachschlage­ werk in Englisch und Japanisch um umge­ rechnet nicht mal drei Euro, zu beziehen ebenfalls über www.JapanBall.com. Tickets Ticketpreise liegen je nach Lage und Ver­ ein zwischen 1000 Yen (ca. 9 Euro) und 12.000 Yen (108 Euro). Tickets entweder vor Ort kaufen (Risiko: Match ist schon ausverkauft) oder im Web bestellen (min­ destens vier Tage vor dem Match, z. B. auf www.japanballtickets.com). Internatio­ nale Hotels können in der Regel vor Ort bei der Reservierung helfen. Anreise Wenn man die korrekte U-Bahn findet, führt sie direkt zum Stadion. Unerschro­ ckene fahren mit dem Auto; die Stadien haben angeschlossene Parkhäuser. Je frü­ her man dran ist, desto mehr kriegt man vom lustigen Treiben der Fans mit. DieHards sind vier Stunden vor Beginn da, Einlass ist zwei Stunden vor Spielbeginn. Japanisches Spezifikum: Selbst wenn nach dem Spiel 50.000 Zuschauer das Stadion durch Drehtüren verlassen, gibt es kein Gedränge. Keine Ahnung, wie das geht. Im Stadion Genießen und Sitzfleisch beweisen. Weil ein Spiel gern vier Stunden und mehr dauert, können die kleinen Sitzschalen europäischen Hintern bisweilen unbe­ quem werden. Dagegen hilft nur ein Aus­ flug ans Buffet. Gern genommen werden Nudeln mit Zuwaage, Bento-Boxen oder auch nur eine Schale grüner Sojabohnen zum Knabbern (sehen aus wie Erbsen­ schoten). Wer kein Japanisch spricht, zeigt mit dem Finger auf das Gewünschte. Ein bisschen Abenteuer muss bleiben. Die japanische Liga auf www.npb.or.jp

text: werner jessner

Central League


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1 Jollydays männer-box Ob Gleitschirmfliegen, Bierbrauen, Hummer-Fahren oder Canyoning – mit den Erlebnis-Geschenkboxen hat man(n) die Qual der Wahl! Der Beschenkte kann sich eines von 99 Erlebnissen aussuchen. Erhältlich sind die Boxen in unterschied­ lichen Ausführungen: Männer-Box, Frauen-Box, Sport-Box, Helden-Box etc. Das perfekte Geschenk!

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Volles Programm

Red Bull TV: Jede Menge Action auf Ihrem Bildschirm.

Werner herzog Special

10. Oktober, 23.30 Uhr: Mein liebster Feind; 17. Oktober, 22.30 Uhr: Der leuch­ tende Berg; 17. Oktober, 23.25 Uhr: Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner Der deutsche Kultregisseur Werner Herzog produzierte neben Spielfilmen auch aufsehenerregende Dokumentationen. 1999 verarbeitete er in „Mein liebster Feind“ die schwierige Beziehung zu seinem Lieblingsstar Klaus Kinski. Bereits 1974 begleitete er sein Idol, den Schweizer Walter Steiner, bei dessen SkisprungAbenteuern („Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner“). 1984 schließlich war er mit Reinhold Messner und Hans Kammerlander am Gasherbrum mit der Kamera live dabei („Der leuchtende Berg“).

Samstag 9. Oktober 22.30 Bullet Points 23.00 Surf Chronicles Trestles, USA 23.15 Highlights The Cheaper Show 23.45 Highlights 39 Days, 3/4 00.00 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show 00.30 INK – Alter Ego Exposed Alles über Comics 01.00 Play! Das Neueste aus der Welt der Computerspiele 01.10 Young Guns Rising 01.40 Adventure Circus The Union Express Mit dem Zug durch die USA zu den besten Surf-Spots

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20.15 The Wingman meets X-Fighters 21.15 Momentum – What drives you James Stewart 21.45 Surf Chronicles Performance Special 22.00 Servus Hockey Night Magazin* 22.30 The Film Festival in Your Living Room Grenzgänge mit Andrea Vogel 23.30 The Film Festival in Your Living Room Mein liebster Feind Ein Werner-Herzog-Film 01.20 Talking Music: The Session Julia Deans

Samstag 16. Oktober 22.30 Bullet Points 23.00 Highlights Pou Brothers Pan Aroma Expeditions 23.15 Highlights Red Bull Dolomitenmann 2010 23.45 Highlights Auf Geheimkonzerttour mit Culcha Candela 00.00 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show 00.30 INK – Alter Ego Exposed Alles über Comics 01.00 Play! Das Neueste aus der Welt der Computerspiele 01.10 Young Guns Rising

05.15 Cliptomaniacs (WH)

01.50 Talking Music: The Lecture Steve Reich

01.40 Adventure Circus Perfecto: Freeclimber auf der Suche nach Heraus­ forderungen an der Küste Mallorcas

05.45 Adventure Circus The Union Express (WH)

02.45 Adventure Circus Proof Skateboard-Film

02.35 Nightflight

06.20 Surf Chronicles Trestles, USA (WH)

03.20 The Film Festival in Your Living Room Mein liebster Feind (WH)

05.40 Cliptomaniacs (WH)

05.05 The Wingman meets X-Fighters (WH)

07.00 Highlights Red Bull Dolomitenmann 2010 (WH)

05.55 Momentum – What drives you James Stewart (WH)

07.30 Bullet Points (WH)

0220 Nightflight

So sind Sie im Bild

Sonntag 10. Oktober

Momentum: Ashley Fiolek Sonntag, 17. Oktober, 21.15 Uhr Erst 19 Jahre alt und bereits zweimal Gold bei den X Games: die gehörlose MotocrossFahrerin und ihr Kampf an die Spitze.

Sie finden ServusTV mit dem Red Bull TVFenster nicht auf Ihrem Fernsehgerät? Rat und Hilfe zum Nulltarif unter:

06.35 Highlights The Cheaper Show (WH)

0800 100 30 70

07.15 Surf Chronicles (WH)

07.00 Highlights 39 Days (WH)

07.30 Bullet Points (WH) * Eine Sendung von

06.10 Adventure Circus Perfecto (WH)

Sonntag 17. Oktober 20.15 The Wingman meets Crashed Ice 21.15 Momentum – What drives you Ashley Fiolek 21.45 Surf Chronicles South Africa Special 22.00 Servus Hockey Night Magazin* 22.30 The Film Festival in Your Living Room Der leuchtende Berg 23.25 The Film Festival in Your Living Room Die große Ekstase des Bildschnitzers Steiner 00.20 The Film Festival in Your Living Room Roadsworth: Crossing the Line 01.15 Talking Music: The Session Benny Tones 01.45 Talking Music: The Lecture Toy Selectah 02.35 Adventure Circus Tipping Point 03.55 Momentum – What drives you Ashley Fiolek (WH) 04.20 The Film Festival in Your Living Room Der leuchtende Berg (WH) 05.10 The Wingman meets Crashed Ice (WH)

bilder: Golden Girls Filmproduktion, Jürgen Skarwan

Grenzgänge mit Andrea Vogel Sonntag, 10. Oktober, 23.30 Uhr Andrea Vogel bricht mit einer Karawane zur Sahara-Durchquerung zu Fuß auf. Nach 800 Kilometern lässt ihn die Truppe im Stich.


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On Thin Ice

bilder: Atrix Films, Rainer Eder/Red Bull Photofiles, illuminati Filmproduktion, William A. Kerig, Torsten Lapp, Summerhill TV, Twofour Productions

Ab 24. Oktober jeden Sonntag, 20.15 Uhr Das härteste Wettrennen der Welt: Beim ersten organisierten Rennen zum Südpol – fast 100 Jahre nach dem legendären Expeditions-Match zwischen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen – treten der zweifache Goldmedaillengewinner im Rudern, James Cracknell, und der Fernsehmoderator Ben Fogle auf einer Strecke von 800 Kilometern gegeneinander an. Bei Temperaturen von bis zu –50 °C, Windstärken von nahezu 160 km/h und permanentem Tageslicht kämpfen sie sich mit Tourenskiern bis zum Südpol durch.

Core Samstag, 23. Oktober, 01.40 Uhr Von Ita­ lien bis Afrika, von Finnland bis Kanada – Kilian Fischhuber und Co gehen beim Klettern in steilen Wänden an ihre Grenzen. Samstag 23. Oktober 22.30 Bullet Points 23.00 Highlights Red Bull Flying Bach 23.30 Highlights Red Bull Cold Rush 00.00 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show 00.30 INK – Alter Ego Exposed Alles über Comics 01.00 Play! Das Neueste aus der Welt der Computerspiele 01.10 Young Guns Rising 01.40 Adventure Circus Core: Brandneuer Kletterfilm u. a. mit Kilian Fisch­ huber und Nalle Hukkataival 02.35 Nightflight 05.40 Cliptomaniacs (WH) 06.10 Adventure Circus Core (WH) 07.05 Highlights Red Bull Cold Rush (WH) 07.30 Bullet Points (WH)

Sonntag 24. Oktober 20.15 On Thin Ice Ein Wettrennen zum Südpol, 1/5 21.15 Athlete Portrait Lindsey Vonn 21.45 Surf Chronicles Jeffery’s Bay 22.00 Servus Hockey Night Magazin* 22.30 The Film Festival in Your Living Room Battle on the Ice Doku über das Südpol-Rennen 23.30 The Film Festival in Your Living Room Ten – A Cameraman’s Tale 00.15 The Film Festival in Your Living Room 39 Days: Vier Hip-Hopper trampen von Berlin nach Casablanca.

The Edge of Never Sonntag, 31. Oktober, 22.30 Uhr 1996 verunglückte Extreme-Skiing-Legende Trevor Petersen in Chamonix. Neun Jahre danach tritt Sohn Kye in seine Fußstapfen. Samstag 30. Oktober 22.30 Bullet Points 23.00 Surf Chronicles South-West Coast France

03.15 Adventure Circus Moto: The Movie 04.20 The Film Festival in Your Living Room Ten (WH)

20.15 On Thin Ice Ein Wettrennen zum Südpol, 2/5

23.15 Highlights Jamnesia

21.15 Momentum – What drives you Daron Rahlves

23.30 Highlights Red Bull Surfing Girls Only

21.45 Surf Chronicles Teahupoo, Tahiti

00.00 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show

22.00 Servus Hockey Night Magazin*

00.30 INK – Alter Ego Exposed Alles über Comics

22.30 The Film Festival in Your Living Room The Edge of Never

01.00 Play! Das Neueste aus der Welt der Computerspiele 01.10 Young Guns Rising Beginn der 2. Staffel: Die jungen Wilden auf den Moto­ GP-Circuits der Großen, 1/8. Jetzt auch jeden Samstag um 17.05 Uhr

01.55 Talking Music: The Session Rackets 02.25 Talking Music: The Lecture Busy P

Sonntag 31. Oktober

00.25 The Film Festival in Your Living Room Unknown White Male Wahr und ergreifend: Ein Mann verliert plötzlich das Gedächtnis und sucht seine Identität. 02.00 Talking Music: The Session Team Dynamite 02.30 Talking Music: The Lecture Wolfgang Voigt

01.40 Adventure Circus Masters of Stone Kletter-Kultfilm 02.50 Nightflight Fabrik, Madrid 04.55 Cliptomaniacs (WH)

05.00 On Thin Ice (WH)

05.25 INK (WH)

05.55 Athlete Portrait Lindsey Vonn (WH)

05.55 Highlights Red Bull Surfing Girls Only (WH)

03.20 Adventure Circus Little Giants: Ein Blick hinter die Kulissen der Skateboard-Szene 04.05 The Film Festival in Your Living Room The Edge of Never (WH) 05.50 Momentum – What drives you Daron Rahlves (WH)

Adventure Arktos Sonntag, 7. November, 22.30 Uhr Ein Mann und das Abenteuer: Mike Horn und sein Kampf gegen Wind, Wetter und sich selbst bei der Umrundung des Polarkreises. Samstag 6. November 22.30 Bullet Points 23.00 Surf Chronicles Peniche, Portugal 23.15 Highlights Red Bull Rampage Retro­ spective 00.00 Cliptomaniacs Die Entertainment-Show 00.30 INK – Alter Ego Exposed Alles über Comics

01.00 Play! Das Neueste aus der Welt der Computerspiele 01.10 Young Guns Rising Die jungen Wilden auf den MotoGP-Circuits der Großen, 2/8 01.40 Adventure Circus New World Disorder – Never Enough: Spektakuläre Bike-Action u. a. mit den Athertons 02.50 Nightflight 05.45 Cliptomaniacs (WH) 06.20 Adventure Circus New World Disorder – Never Enough (WH) 07.30 Bullet Points (WH)

Sonntag 7. November 20.15 On Thin Ice Ein Wettrennen zum Südpol, 3/5 21.15 Momentum – What drives you Andreu Lacondeguy 21.45 Surf Chronicles Trestles, USA 22.00 Servus Hockey Night Magazin* 22.30 The Film Festival in Your Living Room Adventure Arktos 00.05 The Film Festival in Your Living Room Still Bill Der Aufstieg der stillen Soul-Legende Bill Withers von ganz unten nach ganz oben 01.35 Talking Music: The Session Eddie Numbers 02.05 Talking Music: The Lecture Stuart Hawkes 02.55 Adventure Circus Red Bull Rampage Evolution 03.50 The Film Festival in Your Living Room Adventure Arktos (WH) 05.15 On Thin Ice (WH) 06.10 Momentum – What drives you (WH)

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more body & mind Red Bull All Girls Ride 1. 11. 2010

hot SPOTS

Ashley Fiolek (li.) und Tarah Gieger laden zu einem Tag ganz im Zeichen des Motocross. Allerdings: „Girls only!“ Gainesville (Florida), USA

Die besten Events des Monats rund um die Welt.

Carolina Hurricanes – Minnesota Wild 7. 10. 2010

Bilder: Craig Kolesky/Red Bull Photofiles, Damiano Levati/Red Bull Photofiles, Garth Milan/Red Bull Photofiles, Olaf Pignataro/Red Bull Photofiles

Auftakt der 93. NHL-Saison, die bereits zum vierten Mal in Folge in Europa startet. Die Hurricanes, Stanley-Cup-Gewinner 2006, treffen auf das Western-Conference-Team aus St. Paul. Hartwall Areena, Helsinki, Finnland

V8 Supercars – Bathurst 1000 7. – 10. 10. 2010 Die australische Touring-CarSerie, an der Rick Kelly – Champion im Jahr 2006 – teilnimmt, erfreut sich großer Popularität und lockt bis zu 250.000 Zuschauer an die Rennstrecken. Bathurst, Australien

ASP World Tour 7. – 18. 10. 2010 Neben dem Tour-Stopp in Frankreich ist Portugal die einzige europäische Station. Spannung ist garantiert: Bei den ersten fünf Bewerben gab es fünf verschiedene Sieger. Peniche, Portugal

Extreme Sailing Series 9. – 12. 10. 2010 Die fünfteilige europäische Serie der extrem spektakulären Bootsklasse endet in Almería, der andalusischen Hafenstadt am Mittelmeer – eine weitere Gelegenheit für das Red Bull Extreme Sailing-Team, sich noch besser abzustimmen. Almería, Spanien

Red Bull Soapbox Race 10. 10. 2010 Allerlei kreative und mehr oder weniger schnelle Vehikel werden den Boulevard Antoine de SaintExupéry hinunterbrausen. Lyon, Frankreich

Red Bull Flugtag 10. 10. 2010 Alles, was Flügel hat, fliegt – na ja, ein paar Sekunden zumindest – und landet (garantiert) im Südchinesischen Meer. West Kowloon Heliport, Hongkong, China

Formel-1-GP von Japan 10. 10. 2010 Die Rennstrecke in Suzuka kommt dem Red Bull RacingTeam entgegen. Im Vorjahr feierte Sebastian Vettel einen ungefährdeten Sieg. Suzuka International Racing Course, Japan

The Weston Beach Race 15. – 17. 10. 2010 Seit 1983 wird das harte EnduroRennen ausgetragen – heuer erwartet man wieder über tausend Teilnehmer und mehr als 100.000 Zuschauer. Weston-super-Mare, Somerset, England

O’Neill Coldwater Classic 9. – 15. 10. 2010

MotoGP von Australien 17. 10. 2010

Der Herbst ist da – darum werden die Wassertemperaturen beim zweiten ASP-Contest der kanadischen Surfgeschichte an der Westküste von Vancouver Island auch dementsprechend frisch sein. Tofino, Kanada

In den letzten drei Jahren durften die Fans der MotoGP-Klasse über Heimerfolge des Australiers Casey Stoner jubeln. In der zweithöchsten Klasse war zweimal in Folge der Italiener Marco Simoncelli nicht zu schlagen. Phillip Island, Australien

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Red Bull Toe to Toe 30. 10. 2010 Die Regeln dieser internationalen Fußballserie sind einfach: Zwei Spieler treten im Duell gegen einen neutralen Torhüter an. Alajuela, Costa Rica


more body & mind Ale hits your spot 29. 10. 2010

NASCAR Sprint Cup Series 24. 10. 2010

BMX-Biker und -Fans dürfen sich in ganz Italien mit Alessandro Barbero messen. Rom, Italien

DTM 17. 10. 2010 Noch einmal steht Hockenheim auf dem DTM-Rennkalender. Beim Saisonauftakt dominierte der Brite Gary Paffett mit PolePosition und Sieg. Hockenheimring, Deutschland

Fc Salzburg – Juventus 21. 10. 2010 Der FC Salzburg trifft im dritten Gruppenspiel der UEFA Europa League auf den 27fachen italienischen (Rekord-)Meister. Red Bull Arena, Salzburg, Österreich

WRC Rally de España 22. – 24. 10. 2010 Seit 2005 wird die Spanien­Rallye an der katalonischen Costa Daurada nahe Salou ausgetragen. Und jedes Jahr hieß der Sieger Sébastien Loeb. Ist diesmal jemand schneller als er? Salou, Spanien

Red Bull Metallicross 23. 10. 2010 Travis Pastrana, James Stewart, Ronnie Renner, David Knight und Geoff Aaron designen ihren ganz persönlichen MotocrossParcours, auf dem es dann für die Profis und Amateure richtig zur Sache gehen wird. Pala Raceway (Kalifornien), USA

FIS Skiweltcup 23./24. 10. 2010 Jetzt werden die Skier wieder angeschnallt. Bereits traditionell: die Saisoneröffnung mit einem Riesentorlauf der Damen und der Herren am Rettenbachgletscher. Sölden, Österreich

SA Supermoto Championship Series 30. 10. 2010 Brian Capper – der bereits beim Red Bull Hare Scramble den Erzberg bezwang – nimmt an der siebenteiligen nationalen Supermoto-Serie teil. Gauteng, Südafrika

Formel-1-GP von Korea 24. 10. 2010 Mit dem Grand Prix in Südkorea betritt die Formel 1 Neuland. Welches Team findet sich auf der 5,45 km langen Strecke mit 17 Kurven am besten zurecht? Korean International Circuit, Yeongam, Südkorea

Die Strecke, auf der das sechste Rennen im „Chase for the Sprint Cup“ stattfindet, ist mit 0,847 Kilometern die kürzeste im NASCAR Sprint Cup. Martinsville Speedway (Virginia), USA

Miami Heat – Boston Celtics 26. 10. 2010 Die Boston Celtics gastieren zum NBA-Saison-Auftakt bei Miami Heat. Mit dem 2,16 Meter großen Center Shaquille O’Neal hat ­Rajon Rondo dieses Jahr einen sehr prominenten Teamkollegen. American Airlines Arena, Miami, USA

FIVB Beachvolleyball World Tour 26. – 31. 10. 2010 Die World Tour der Herren ist bereits in der Winterpause. Das vorletzte Saison-Turnier der Damen findet im Süden der chinesischen Insel Hainan statt. Sanya, China

IFSC Climbing Worldcup 29./30. 10. 2010 Die Damen und Herren der Leadund Speed-Kletter-Elite treffen sich in China. Huaiji, China

Formula BMW Pacific 29. – 31. 10. 2010 Daniil Kvyat und Carlos Sainz jr. nehmen als „Gastfahrer“ an der letzten Formula-BMW-PacificSaison teil. Im nächsten Jahr wird diese durch den Formula BMW Talent Cup ersetzt. Okayama International Circuit, Japan

Red Bull Downhill Downdale 31. 10. 2010 Die beiden Weltmeister in unterschiedlichen Disziplinen, David Knight und Gee Atherton, matchen sich in einem Bewerb, der halb Enduro- und halb Mountainbike-Rennen ist. Fort William, Schottland

MotoGP von Portugal 31. 10. 2010 Der Motorrad-WM-Tross kehrt zum Abschluss der Saison nochmals für zwei Rennen nach Europa zurück. Estoril, Portugal

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more body & mind

die macht der nacht Mehr als einmal um die Welt für alle, die nie müde werden.

Run Vie Festival 5. – 10. 10. 2010 In den Neunzigern standen die Downbeat-Loungisten von Kruder & Dorfmeister für den „Sound of Vienna“. Heute haben junge Funk-Futuristen wie Dorian Concept oder The Clonious das Staffelholz übernommen und feiern beim Run Vie Festival mit internationalen Gästen wie Aloe Blacc oder Derrick May den neuen Klang der Stadt. Verschiedene Locations, Wien, Österreich

Bilder: Hive Club, Yev Kazannik (2), Rabbani and Solimene Photography/WireImage

Red Bull Thre3style Country Finals 6. – 22. 10. 2010 Lokale DJs sind beim Red Bull Thre3Style gefordert. Die Teilnehmer müssen in einem Set von 15 Minuten drei ausgewählte Musikrichtungen spielen. Gleichgültig welche das sind, solange der DJ es nur schafft, die drei Genres elegant zu verschmelzen. Beurteilt werden die Plattendreher anhand der Kriterien Songauswahl, technische Skills, Kreativität und – am allerwichtigsten – aufgrund ihrer Fähigkeit, das Haus zu rocken. 6. 10.: Madrid, Spanien 7. 10.: Barcelona, Spanien 8. 10.: Bern, Schweiz 9. 10.: Lille, Frankreich 9. 10.: Lausanne, Schweiz 14. 10.: Barcelona, Spanien 15. 10.: Paris, Frankreich 16. 10.: Bordeaux, Frankreich 22. 10.: Lyon, Frankreich

Dis-Patch Festival 7. – 17. 10. 2010 Namenspatron der neunten Ausgabe des serbischen Musikfestivals ist die Free-Jazz-Legende Sun Ra. Oder besser gesagt: dessen Komposition „Rocket Number Nine“, ein versponnenfuturistischer Meilenstein der Jazzgeschichte. In seiner Nach-

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Noah Tepperberg Der Impresario des New Yorker Club-Lebens hat ein neues Nachtasyl: Es heißt Avenue und setzt auf Exklusivität (S. 96). New York City, USA

folge wagen so bekannte Multimedia-Künstler und avancierte Electronic-Acts wie Atom™, Tim Hecker oder Zombie Zombie einen Blick in die Zukunft. Verschiedene Locations, Belgrad, Serbien

Rocking The Daisies Festival 8. – 10. 10. 2010 Auf einem kleinen Weingut außer­ halb von Kapstadt gibt’s eine Musikverkostung. Am Programm: die besten rockigen Tropfen der Region, von Zebra & Giraffe bis Hog Hoggidy Hog, elektronisch prickelnde Jahrgänge wie HouseYoungster Culoe de Song oder Dubstep-Queen Funafuji auf der Red Bull Studio-Live-Bühne. Cloof Wine Estate, Darling, Südafrika

Austin City Limits Festival 8. – 10. 10. 2010 Täglich 65.000 Besucher, 130 Bands, acht Bühnen: Das Austin City Limits ist eines der wichtigsten Festivals der USA. Bei diesem Line-up kein Wunder. Unter anderem sind The Eagles, Muse, M.I.A., The Strokes oder Flaming Lips dabei. Zilker Park, Austin, Texas, USA

ISA GT Als Drogenboss Pablo Escobar noch in Medellín regierte, galt die Stadt als gefährlichste der Welt. Heute ist das anders, sagt Isa GT. Zumindest ein wenig (S. 94). Medellín, Kolumbien


more body & mind HIVE Ein Bienenstock zwischen Techno und House, mit Waben und nachtaktiven Partybienen: Ganz Zürich schwärmt derzeit vom – und ins – Hive (S. 95). Zürich, Schweiz

Sassy J meets Ty 9. 10. 2010 Die Red Bull Music AcademyAbsolventin Sassy J lädt einmal im Monat die Crème de la Crème aus Hip-Hop und Broken Beat zum nächtlichen Stelldichein. Nach Slum Village, IG Culture und Little Dragon greift nun der britische Rap-Prinz TY zum eidgenössischen Mikrofon. Dachstock Reithalle, Bern, Schweiz

European Outdoor Film Tour 10. 10. 2010 Die zehn besten Sport-Filme des Jahres an einem langen Kinoabend: von Klettern bis Mountainbiken, von Snowboarding bis Surfen. Mit David Lama, Jon Durand oder Gee Atherton. Die Tour umfasst 120 Stationen in 90 europäischen Städten, das genaue Programm gibt’s auf www.eoft.eu. Festspiel- und Kongresshaus, Füssen, Deutschland

The Very Best

Iceland Airwaves 13. – 17. 10. 2010 Insider nennen es das SWSX Europas. Ein Festival also, in dessen Rahmen die heißesten Bands der Welt kurz vor ihrem Durchbruch konzertieren. So prophezeien die Geysir-Geister heuer Acts wie Everything Everything, JJ oder The Antlers eine große Zukunft, erfahrene Airwaves-Bühnenkollegen wie Hercules and Love Affair und Efterklang stimmen zu. Verschiedene Locations, Reykjavík, Island

Four Tet 14. 10. 2010 Experimentelle Electronica steht auf dem Feld, das der britische Sample-Artist Four Tet kunstvoll beackert. Aus Jazz, Hip-Hop und Folk schöpft er seine Sounds und veredelt sie zu frickeligen Klangskulpturen. Metro, Chicago, USA

Felabration 11. – 18. 10. 2010

Japan Fashion Week 15. – 24. 10. 2010

In den mittleren siebziger Jahren war Afrobeat eine Protestbewegung gegen Kolonialismus und das diktatorische Militärregime Nigerias. Fela Kuti, dem Initiator dieser schweißtreibenden Mixtur aus amerikanischen Funk-Rhythmen und afrikanischen Percussions, wird nun in seiner Heimatstadt mit einem Festival gehuldigt. Von seinem ehemaligen Drummer Tony Allen sowie von jüngeren Anhängern wie Deephouse-Ikone Theo Parrish und dem Hip-Hop-Meister Madlib, die im Rahmen des Projekts „Red Bull Music Academy presents Kings to Many People“ die Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft von Afrobeat schlagen. Ikeja, Lagos, Nigeria

Mikio Sakabe, Naoshi Sawayanaho, Shida Tatsuya, Hideaki Sakaguchi. Nein, das sind keine Manga-Zeichner, sondern die innovativsten Modedesigner Japans. Statt Hakamas oder Kimonos zeigen die jungen Wilden bei der Fashion Week in Tokio ihre futuristischen Schnitte und avantgardistischen Kreationen. Midtown Hall, Tokio, Japan

MF Doom 13. 10. 2010 Stop Making Sense – ein Highlight der Festivalsaison. Finden auch The Very Best, die dort mit leichtem Afro-Pop den Sommer verabschiedet haben (S. 93). Petrcˇane, Kroatien

Ausdrucksformen. Mit dem HipHop-Alien MF Doom sowie den aktuell spannendsten StolperHip-Hop-Künstlern Hudson Mohawke und Illum:Sphere. The Warehouse Project, Manchester, England

Im Club Hacienda in Manchester wurde Ende der achtziger Jahre mit dem Acid-House-Boom die europäische Clubkultur geboren. In dieser Tradition forscht heute das Warehouse Project nach futuristischen elektronischen

Treasure Island Music Festival 16./17. 10. 2010 Ganz dem Trend der Nachhaltig­ keit folgend, bietet das Treasure Island Music Festival einen NullEmissionen-Shuttlebus über die Bay Bridge zum Festivalgelände. Ist auch besser so, denn die Parkmöglichkeiten auf dem idyllischen Inselchen in der San Francisco Bay sind ohnehin sehr limitiert. Das Line-up dagegen zwischen Indie-Rock (Belle and Sebastian, The National), PunkFunk (!!!, LCD Soundsystem) und Clubsounds (Deadmau5) ist ebenso opulent wie großartig. Treasure Island, San Francisco, USA

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THE VERY BEST PetrČane

Sommerschluss Ein idyllisches Festival zwischen Robinson-Crusoe-Romantik und Barbarella-Kitsch verabschiedet den Sommer. Mittendrin: The Very Best, Londons hipster Act in Sachen afro-europäischer Dancemusik. Johan Karlberg und Esau Mwamwaya fläzen sich auf gepolsterten Sonnenliegen. Am ­Horizont bahnt sich ein pittoresker Sonnenuntergang an. Vor ihnen rauscht das Meer, aus dem kleinen Pinienwäldchen im Hintergrund dringen dumpfe Bässe. Neben den beiden Liegen lehnt ein Kartonschild, „Massage“ steht in großen Textmarker-Lettern darauf. Ein Service, den die zwei Musiker an diesem lauen Septemberabend nur allzu gern in Anspruch nehmen würden. Nur: Von einem Masseur fehlt leider jede Spur. „Wir sind schon gestern hier in Petrcˇane angekommen“, sagt Mwamwaya, kneift die Augen zusammen und zieht die Schultern hoch. „Abends ging’s dann gleich zur Festival-Warm-up-Party. Es war wundervoll, wir haben bis drei Uhr morgens durchgetanzt.“ Einmal unterhalten zu werden, anstatt selbst zu unterhalten, das war in diesem Sommer für Mwamwayas Band eine Seltenheit. Über 20 Gigs hat The Very Best in den letzten Wochen auf Festivals europaweit absolviert, dieser hier beim Stop Making Sense 92

ist der vorerst letzte. Und idyllischer könnte der Sommerabschluss wohl kaum ausfallen. Die dreitägige Strandparty findet auf einer fußballplatzgroßen Landzunge bei Petrcˇane im Süden von Kroatien statt. Normalerweise urlauben hier Senioren und Familien. An diesem Wochenende aber fällt eine Horde feierfreudiger Briten im Ort ein und okkupiert den Beach-Club Barbarella. Und der Name hält, was er verspricht: runde Tanzflächen, orangebraune Tapeten und Lavalampen treffen abgenutzte Bambushüttchen zwischen Pinienbäumen, die DJ-Kanzel direkt am Meer ist mit Palmenblättern bedacht. Ein Ort zwischen Robinson-Crusoe-Romantik und abgelebtem Sixties-Design, ein Ort, an dem in den nächsten drei Nächten Elektronik-Acts wie Carl Craig, Theo Parrish, Optimo, Friendly Fires und eben The Very Best auf der Bühne stehen. The Very Best ist das Bandprojekt des Londoner DJ-Duos Radioclit, bestehend aus dem Schweden Karlberg und Etienne Tron, ursprünglich aus Frankreich. „Esau hatte vor fünf Jahren einen kleinen Möbelladen in

East London. In der Nähe unseres RadioclitTonstudios“, erklärt Karlberg. „Eines Tages ging Etienne rein, um ein Fahrrad zu kaufen. Esau und er verstanden sich so gut, dass wir ihn ins Studio eingeladen haben.“ Eigentlich hätte der Exil-Malawier Percussions nur für einen Radioclit-Track einspielen sollen, doch es war Mwamwayas Stimme, die letztendlich zur Bandgründung geführt hat. Seitdem sind die drei The Very Best. Ein internationales Trio, das den Begriff „Weltmusik“ vom Räucherstäbchen-Flair befreit hat und Elemente afrikanischer Popmusik mit digitalen Beats vermählt. Ähnlich wie auch M.I.A. oder Vampire Weekend, die beide als Gastsänger am Debütalbum „Warm Heart of Africa“ von 2009 vertreten sind. Mwamwaya steht auf, um nach dem Masseur Ausschau zu halten. „Als Radioclit waren wir einmal in Kroatien“, erzählt Karlberg währenddessen, „und wurden prompt verhaftet. Wir sind damals in Slowenien gelandet und wollten mit dem Auto nach Zagreb weiterfahren. Allerdings haben wir’s nur bis zur Grenze geschafft, wo wir wegen etwas Weed eingesperrt wurden, das Etienne in der Tasche hatte. Die drohten ihm mit Gefängnis, sagten, Etienne müsse vor Gericht. Wir waren fertig mit den Nerven. Zum Glück haben sie uns nach sechs Stunden aber laufen lassen.“ Mit Mwamwaya macht er sich auf zur Strandbühne, wo Etienne Tron gerade hinterm DJ-Pult steht. Verspannt sind die beiden

Bilder: Yev Kazannik (3)

Green Room


more body & mind Red Bull Checkmate 16. 10. 2010 Was Breakdance mit Schach gemeinsam hat? Wenig bis auf den Springer. Das ändert sich am 16. Oktober: In einem neuen Breakdance-Wettkampfformat, angelehnt an Schach, tanzen acht internationale B-Boy-Crews erstmals um den Titel beim Red Bull Checkmate. Odeon Theater, Wien, Österreich

Unsound Festival 17. – 24. 10. 2010 Nach seinem Ausflug nach New York im Februar kehrt das Musikfestival Unsound heim nach Polen. Um zum siebten Mal westliche und osteuro­ päische, alte und neue Elektronik­ musiker zusammenzubringen. Prominente Konferenzteilnehmer: die italienischen Horrorfilm-Soundtracker Goblin, der Detroit-House-Newcomer Kyle Hall oder der polnische Techno-Veteran Jacek Sienkiewicz. Verschiedene Locations, Kraków, Polen

Akustische Arbeitsteilung: Beim Gig von The Very Best steht Mitglied Etienne Tron (Mütze, Vollbart, weißes T-Shirt) im Publikum. Er hat beim Stop Making Sense Festival dafür als Radioclit die Plattenspieler bedient.

noch immer, aber zumindest sitzt ihnen diesmal die kroatische Polizei nicht im Nacken. „Wir teilen uns auf: Etienne legt als Radio­ clit Platten auf, bei The Very Best stehe ich mit Esau auf der Bühne“, sagt Karlberg und mischt sich unter die Tänzer in Bikinis und Badehosen vor der Tiki-Bar-ähnlichen DJKanzel. Trons Soundmix aus afrikanischen High-Life-Gitarren, tropikalen House-Beats und Balearic Disco ist der perfekte Soundtrack zum Sonnenuntergang. Während Mwamwaya kurz ins Hotel spaziert, um sein T-Shirt zu wechseln, setzt sich Karlberg an die Bar. Backstage-Raum gibt’s hier am Stop Making Sense Festival keinen, auch das Security-Personal agiert zurückhaltend, weshalb Karlberg schnell von Londoner Freunden umkreist ist. „Während der Sommermonate haben Esau und ich in Schweden am neuen Album gearbeitet, im Frühjahr soll es erscheinen“, erzählt er ihnen. „In zwei Wochen gehen wir aber erst mal mit Vampire Weekend auf ausgedehnte US-Tournee.“ Wenig später betreten Mwamwaya und Karlberg die Hauptbühne, Ersterer schnappt sich das Mikrofon, Zweiterer bedient Laptop und Synthesizer. Live wird The Very Best durch zwei Tänzerinnen und den britischen MC Molaudi Lauds ergänzt. Und schon beim ersten Song, „Chalo“, gehen die Hände nach oben. Es ist der Optimismus, die Ausgelassenheit in der Musik der Band, die sofort aufs Publikum übergreifen. Die Songs, denen

allseits bekannte Samples von Michael Jackson, M.I.A. oder Architecture in Helsinki zugrunde liegen, tun ihr Übriges. Im kleinen, runden Kinder-Pool am Rande der Tanzfläche planschen die Besucher, so als hätten sie die Ansage von MC Molaudi, „Wanna lose your shit?“, zu wörtlich genommen. Während des letzten Songs, „Warm Heart of Africa“, lädt Mwamwaya das Publikum dann zum großen Finale auf die Bühne: ein Meer aus euphorischen Tänzern, in dem der Sänger als grinsender Prediger den Takt angibt. „Anstrengende, aber großartige Show“, kommentiert dieser nach dem Konzert verschwitzt und außer Atem, „und morgen muss dann echt mal eine ordentliche Massage her.“ Das Remixalbum „The Very Best Remixes of The Very Best“ (Moshi Moshi) ist im August erschienen. Live-Termine: myspace.com/theverybestmyspace

Elevate Festival 21. – 26. 10. 2010 Der Glasgower Newcomer Jackmaster meinte nach seinem Gastspiel beim Elevate Festival letztes Jahr: „Wow, die coolste Location, in der ich je gespielt habe!“ Kein Wunder, allein der Dom im Berg, ein Riesenbunker im Grazer Schlossberg, rechtfertigt den Festivalbesuch. Von den spannendsten Elektronik-Acts der Gegenwart von Actress über Pursuit Grooves bis Elektro Guzzi ganz zu schweigen. Dom im Berg, Graz, Österreich

Amsterdam Dance Event 22. – 24. 10. 2010 1996 war es noch eine Minikonferenz mit 30 DJs, nun, 14 Jahre später, gilt das Amsterdam Dance Event als wichtigster Schmelztiegel für elektronische Musik in ganz Europa. Mit 90.000 Besuchern, 44 Venues und über 700 DJs: von Kevin Saunderson über Tensnake bis Flying Lotus. Verschiedene Locations, Amsterdam, Niederlande

Red Bull Street Kings 23. 10. 2010

MC Molaudi, Johan Karlberg und Esau Mwamwaya in guter Gesellschaft.

Der Claiborne Overpass wurde in den 1950ern errichtet. Unter der Überführung üben Brass Bands besonders gern, die spezielle Akustik gibt ihrer Musik einen ganz eigenen Touch. Am 23. Oktober treffen sich dort vier der besten Brass Bands von New Orleans zum Red Bull Street Kings, einem freundschaftlichen Wettstreit. Claiborne Overpass, New Orleans, USA

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more body & mind

Shiverdown Festival 23. 10. 2010 Reggae-Fans und Chiller treffen sich zum achtstündigen Kopfnicker-Marathon in Hamilton, wo sieben von Neuseelands feinsten Dub-Acts wie Black Seeds, DJ Staylo, dDub oder Katcha­ fire die Trommelfelle massieren. Mystery Creek Events Centre, Hamilton, Neuseeland

Paul Kalkbrenner 23. 10. 2010

Hive Zürich

Movement Festival 28. – 31. 10. 2010 Das legendäre Detroiter TechnoFestival Movement macht für ein freundschaftliches Auswärtsspiel Station in Italien ein. Mit MotorcityHeroes wie Derrick May, Anthony Shakir und Kyle Hall auf der einen, MCDE, Dixon oder Ellen Allien auf der europäischen Seite. Pala Olimpico, Turin, Italien

Shift Festival 28. – 31. 10. 2010 Der Schweizer Elektronik-Pionier Bruno Spoerri (geboren 1935), Spezial­gast des diesjährigen Shift Festival, hat seit den sechziger Jahren stets mit den allerneuesten Möglichkeiten Musik komponiert, aber auch hunderte von Jingles produziert sowie Werbespots und Filme vertont. Heute wird seine Musik wiederentdeckt, und es wird in seinen Fußstapfen weiterexperimentiert. So auch von den anderen Festivalgästen wie Dorian Concept, Jimmy E ­ dgar oder Matthew Herbert. Dreispitzareal, Basel, Schweiz

Salzburger Jazzherbst 28. 10. – 7. 11. 2010 Die coole Alternative zum Festspielwahnsinn: Ganze anderthalb Wochen verleiht der Salzburger Jazzherbst der Mozartstadt internationales Flair. Mit Jazzmusikern aus aller Herren Länder: vom Terence Blanchard Quintet über Dianne Reeves bis zum Roy Hargrove Quintet. Begleitend zu den Konzerten gibt’s eintrittsfreie Kinovorführungen aus der Reihe „Jazz in the Movies“. Verschiedene Locations, Salzburg, Österreich

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World’s Best Clubs

Züri Wild Von Jägerstube bis Designraum: Der Hive Club wechselt seine ­Gestalt wie Bienen die Blumen. Ein Bienenstock besteht aus Waben. Es wuselt, Bienen kriechen von einer Zelle zur anderen. Ein System, dem Club nicht ganz unähnlich, findet Anatol Gschwind. Deshalb heißt der, den er vor fast fünf Jahren mit drei Kollegen in der Zürcher Geroldstrasse gegründet hat, auch Hive. „Am Anfang haben wir unsere drei Räume auch als Waben bezeichnet. Weil die Besucher an vielen Ecken rein- und rausschlüpfen können“, sagt er. Der zweistöckige Gebäudekomplex im erblühten Industrieviertel Zürich-West hat eine bewegte Nachtgeschichte hinter sich. In den neunziger Jahren fanden hier die ersten illegalen Rave-Partys statt, später war’s ein Hip-Hop-Club. Irgendwann war in der ehe­ maligen Maschinenbaufabrik auch ein Tangolokal beheimatet. Letzteres gibt’s nun wieder, es heißt Tanzstube. Gschwind: „Obwohl wir viel umgebaut haben, wollten wir den Charme des Lokals möglichst im Originalzustand belassen. Mit Spiegeln an der Wand und großen Fenstern.“ Dorthin verlagern sich die Partys heute, wenn der Morgen graut. Während die großen Techno- und Electro-DJs wie Paul Kalk­brenner, Busy P oder Ellen Allien genau wie frische Bands à la New Young Pony Club oder WhoMadeWho am großen Mainfloor, im Bauch des Hive, spielen, strömt die Partycrowd ab vier Uhr morgens ins Obergeschoss, um

die Sonne unter der Discokugel zu begrüßen. Die dritte Wabe im nachtaktiven Bienenstock heißt Atelier. Ein Rückzugsort im ersten Stock, wie Gschwind sagt, ausgestattet mit Sofas, und feine Cocktails werden serviert. Ein Ort, der ständig im Wandel ist. „Das Dekor wechselt alle paar Monate. Mal sieht das Atelier aus wie eine Jägerstube mit grünen Tapeten, ausgestopften Tieren und alten Wagenrädern. Wochen später ist es dann ein hypermoderner Designraum.“ Ständig in Bewegung bleiben, ständig Neues ausprobieren. Im Atelier spiegelt sich das Konzept des „kleinsten großen Clubs von Zürich“, so Gschwind, besonders gut wider. Vor kurzem hat einer der Clubbetreiber das Vinyl-Dance-Label „Hive Audio“ ins Leben gerufen, der Vorplatz wurde in eine „surreale Stadtgartenlandschaft“ verwandelt. Muss sein, schließlich will sich das Hive den Ruf als innovativster Club der Stadt erhalten. Und die hunderte Tanzbienen, die jedes Wochen­ ende die Waben stürmen, danken es ihm. Hive Club, Geroldstrasse 5, 8005 Zürich, Schweiz www.hiveclub.ch

Über eine Nacht verteilt, tummeln sich zwischen 500 und 1000 Tänzer im Hive.

credit Bilder: Hive Club (2)

Der deutsche Techno-Superstar und Neo-Schauspieler ist derzeit auf Elektronik- wie auch auf Filmfestivals gleichermaßen gern gesehen. Mit Plattenkoffer und seinem Film „Berlin Calling“. Republic, Salzburg, Österreich


Resident Artist

CumbiaKartell

Isa GT Medellín

Bilder: RAUL ARBOLEDA/AFP/Getty Images (2), Yev Kazannik; Illustration: Mandy Fischer

Die Musikerin Isa GT auf Streifzug durch Schwarzmärkte und die Partyszene von Medellín.

Isa GT rappt auf Paisa, einem Slang ihrer Heimatstadt, über Beats zwischen Baile Funk, Cumbia und räudigem Elektro.

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OLAYA HERRERA AIRPORT

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Calle 4

“A Papaya puesta, Papaya partida”: Eine kolumbianische Redewendung, die man sich vor einem Besuch in Medellín einprägen sollte. Sie bedeutet: So wie die Papaya serviert wird, wird sie gegessen. Anders formuliert: Wenn du ins Stadtzentrum fährst, dann lass deinen Schmuck besser daheim. Sonst darfst du dich nicht wundern, wenn er weg ist. Aber keine Angst, meine Heimatstadt ist längst nicht mehr so gefährlich wie früher. Noch vor zehn Jahren wollte keiner nach Medellín – aus Furcht, entführt zu werden. Damals hab ich mir einen Zweitwohnsitz in London zugelegt, aber seitdem merke ich bei jedem längeren Besuch, dass die Stadt durch den aufkeimenden Tourismus immer internationaler und sicherer wird. Das Tollste an Medellín ist die allgegenwärtige Liebe zur Musik, die du an jeder Straßenecke spürst: Cumbia, ein Genre, das seinen Ursprung in Kolumbien hat und nun von meiner Generation wiederentdeckt und mit Hilfe elektronischer Beats neu belebt wird; Salsa, der allnächtlich im El Tíbiri (2) zelebriert wird. Oder Tango. Gerade hier ist er sehr populär, weil Carlos Gardel in Medellín gestorben ist. Zu seinen Ehren wurde die Casa Gardeliana, eine museale Bar mit Memorabilien in der Carrera 45, eingerichtet. Tango-Trios findest du außerdem an jeder Straßenecke. Überhaupt spielt sich die Musik hier zum großen Teil im Freien ab. Die Clubszene ist recht elitär, empfehlen kann ich allerdings das El Cuchitril (1), einen kleinen Laden, in dem ich öfter auflege und der seinem Namen (dt.: Bruchbude) in charmantester Weise gerecht wird. Sonst werden in Medellín an Wochenenden meist einfach Straßen gesperrt. Es wird Fußball gespielt, Sancocho – eine traditionelle Suppe mit Mais, Kartoffeln und Kochbananen – in großen Pfannen gekocht und Musik gemacht. Ob Vallenato, Merengue oder Salsa – Hauptsache laut. Ähnlich geht’s im Parque de el Poblado zu. Eigentlich nichts Besonderes: ein großer Platz mit Bäumen. Nachts allerdings versammelt sich hier die Jugend von Medellín. In der Ecke des Parks gibt’s die Bar Los Saldarriaga (4), benannt nach der Familie, die in dem Haus wohnt. Früher haben sie einfach Bierdosen

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34 Tangoim Casa Gardeliana (o.), gute Aussichten im Viertel Las Palmas (u.).

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1 El Cuchitril, Calle 10 #52 - 87 Detrás de la Virgen 2 El Tibiri, Carrera 70 / Calle 44 3 Mondongo’s, Carretera 70 N C3-43 4 Bar Los Saldarriaga, Parque de el Poblado 5 El Hueco, Carrera 53/Ayacucho

1. El Cuchitril 2. El Tibiri 3. Mondongo’s 4. Bar Los Saldarr 5. El Hueco

aus dem Fenster verkauft, mittlerweile kannst du auch auf der Terrasse bis in die frühen Morgenstunden abhängen. Am Heimweg gibt’s bei einem der Imbissstände dort noch einen Nachtsnack: Hot Dog, kolumbianischen Hot Dog – mit Kartoffelchips und Ananas. Wir hier lieben Süßsauer. Wie auch Mondongo, eine Fleischsuppe mit Koriander und viel Gemüse. Gibt’s übrigens in den gleichnamigen Restaurants (3). Den besten Blick über Medellín hast du vom Las-Palmas-Viertel aus. Gerade bei Sonnenuntergang ist es wunderschön, du schaust auf die umliegenden Berge, das kleine Tal dazwischen, in dem die Stadt liegt, zu deinen Füßen. Hier oben hab ich auch das Video zu meinem Song „Pela’o“ gedreht. Viele meiner Klamotten für Gigs schneidere ich mir selbst. Als ich hier Modedesign studiert hab, war ich deshalb oft in El Hueco

(5), in der Höhle. Ein riesiger Straßenmarkt, auf dem es die besten Stoffe gibt. Im Prinzip kannst du hier alles kaufen, wirklich alles. So wie in San Andresito, einem anderen Marktviertel, benannt nach einer kolumbianischen Insel im Atlantik, über die gefälschte Markenwaren ins Festland gelangen. Natürlich wird es in Medellín immer korrupte Geschäfte geben, das ist offensichtlich. Ich bin jedes Mal erstaunt angesichts der protzigen Autos und opulenten Einkaufszen­ tren in der Innenstadt. Eine Mall in der Avenida El Poblado, dem teuersten Baugrund hier überhaupt, ist seit Ewigkeiten eine Baustelle, wurde einfach nie fertiggestellt. Weil der Mafioso, der sie bauen wollte, ins Gefängnis gekommen ist. Abreißen traut sich die Baustelle aber keiner. Das ist eben Medellín.

Isa GTs Debütsingle „Pa’ Chikirri“ (Man Recordings) ist bereits erschienen. News: www.isagt.com

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Noah Tepperberg in seinem Reich: Der Club Marquee ist einer der exklusivsten von Manhattan.

Gut sortiert und heiß begehrt: die Bar im Avenue.

In Profile

Der Maestro von Manhattan

Noah Tepperberg New York

Donnerstag, halb ein Uhr nachts. Der Tür­ steher von New Yorks coolstem Club lächelt. Nicht, dass er den Leuten hinter der Absper­ rung damit andeuten wollte, dass sie reinkämen, aber es ist eine nette Geste. Eine stilvolle Geste, um genau zu sein. Dem Club, für den der gut gebaute Typ im feinen Anzug arbeitet, angemessen. Donnerstagnacht ist die Nacht im Avenue, die Schlange zieht sich bis ans Ende des Blocks. Und so soll es auch sein. „Exklusivität 96

ist uns wichtig“, sagt Noah Tepperberg, Geschäftsmann und Besitzer des Clubs an der West Side von Manhattan. Das Avenue ist sein jüngstes Projekt, davor hat er hier in New York schon den Marquee Club eröffnet sowie das Lavo in Las Vegas’ feinster Absteige, dem Palazzo Hotel. Mit Erfolg. Auch das Avenue war der angesagteste Laden der Stadt, und das schon Wochen vor seinem Opening letztes Jahr. Diesen Hype hat sich der Club bis heute bewahrt – eine Seltenheit in New Yorks lau-

nenhaftem Nachtleben. Ein Grund dafür sind die Mythen, die sich um den Club ranken. Mythen, die Tepperberg mit Bedacht kultiviert. „Meine Gäste finden es aufregend, zu wissen, dass nicht jeder reinkommt“, sagt er. Und der Ansturm gibt ihm recht. Im Inneren sitzen langbeinige, elegante Frauen auf weißen Lederhockern, gut gekleidete Typen in blauen Hemden halten ihre Whiskeygläser lässig zwischen Daumen und Mittelfinger, vor der Bar drängt sich ausgelassenes Partyvolk

Bilder: Jacqueline Di Milia, Matthew Salacuse

Mit erlesenem Geschmack und ausgeprägtem Geschäftssinn hat sich Noah Tepperberg als Impresario des New Yorker Nachtlebens etabliert. Sein Erfolgsrezept ist so einfach wie genial: Exklusivität.


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Bilder: Al Powers, Avenue Press, Paul Mounce/Corbis, Sara Jaye/Rex Features

Nicole Richie, Christina Aguilera oder David ­Arquette sind Stammgäste in Tepperbergs Club Lavo (u.) in Las Vegas’ edlem Hotel Palazzo (o.).

Elegant, zeitlos, mondän: Attribute, die das Avenue (o.) wie auch Tepperbergs zweiten New-York-Club, das Marquee (u.), auszeichnen.

von zwanzig bis vierzig. Jeder – so sieht es aus – hat Spaß. Getanzt wird zu Hip-Hop-Hits, J-Kwons Song „Tipsy“, der gerade aus den Boxen dringt, bringt die Situation bestens auf den Punkt. Prunkvolle Luster tünchen die Tanzfläche aus vier Stockwerken Höhe in gelbliches Licht, das Interieur ist in edles dunkelbraunes Holz gehüllt, die Musik ist laut – angemessen laut. Jedes Detail stimmt, dafür hat Tepperberg gesorgt. Er weiß, worauf es ankommt. Schließlich verwöhnt der 35-Jährige die New Yorker Nachtschwärmer bereits seit 20 Jahren. Schon auf der Highschool hat er Partys organisiert. Und auch damals hatte Exklusi­vität äußerste Priorität: Die Gäste für seine Nächte wählte er selbst sorgfältig aus. Schickeria, Partylöwen, Prominente. Seine Schulfreunde an der Tür sorgten dafür, dass die wichtigen Gäste ohne Mühe passieren konnten. „Diese frühen Erfahrungen haben meinen Blick für Design und Style geschult“, sagt er. All seine Erkenntnisse spiegeln sich nun im Avenue wider. Tepperberg nennt sein Baby die „vollkommene New-York-Lounge“. Bei aller Liebe zum Detail, für den New Yorker ist das Betreiben eines Nachtclubs am Ende doch ein Geschäft. Eines von vielen. Denn neben den Restaurants und Discos ist er der Mitbegründer der Marketingagentur Strategic Group, die seit 2001 Events für noble Marken wie Mercedes-Benz organisiert. Wie schon der Firmenname andeutet, kalkuliert Tepperberg jeden seiner Schritte. Als Kind spielte er Schachturniere, eine Faszination, die ihn bis heute nicht loslässt. „Schach ist mein einziges richtiges Hobby.“ Viel Zeit dafür bleibe ihm jedoch nicht, sagt er, zumindest sechs Nächte pro Woche verbringe er in Restaurants, Clubs oder Bars. Klingt nach Spaß, aber so gern Tepperberg auch ausgeht, seine Nachtschwärmerei ist Teil seines Jobs. „Einen Freizeit-Noah gibt es nicht“, sagt er. „Ich arbeite immer.“ Das mag erklären, wie der Mann es schafft, so viele Sachen gleichzeitig zu schaukeln. Und als ob das nicht schon ausfüllend genug wäre – Tepperberg will noch höher hinaus. Im September hat er in New York eine Zweigstelle seines Las-Vegas-Lokals Lavo eröffnet, in einigen Monaten soll ein Design-Restaurant namens Artichoke Basille’s Pizza & Bar folgen. „Außerdem planen wir einen 5800-Qua­ dratmeter-Nachtclub mit Swimmingpool im Cosmopolitan Hotel in Las Vegas“, sagt er. Natürlich bleibt er seinen bewährten Prinzipien auch bei diesen Projekten treu. „Mein Motto für Partys ist immer das gleiche: Es geht um das Detail. Und: Die Nacht beginnt für den Gast schon vor der Tür.“ Nimmt man das Avenue als Anzeichen dafür, dann geht er den richtigen Weg. Die neue New-York-Filiale des Clubs Lavo: 39 East 58th Street, New York, 10022; www.lavony.com

Red Bull Soundclash 29. 10. 2010 High Noon in Antwerpen: Zwei belgische Bands treten im musikalischen Duell gegeneinander an, ein DJ macht den Ringrichter, den Sieger kürt das Publikum. Petrol Club, Antwerpen, Belgien

The Turnaround 29. 10. 2010 Submariner, Cian und Manuel ­Bundy sind drei flinke DJs, die seit acht Jahren die Clubs ihrer Heimatstadt Auckland rocken. Immer am letzten Freitag im Monat, immer unter dem Titel „The Turnaround“. Ob Hip-Hop-Hadern, brasilianische Balladen oder Reggae-Classics, das Trio bleibt seinem Motto treu: Turnaround, eine ständige Richtungsänderung. Sonst wär’s ja auch fad. The Bacco Room, Auckland, Neuseeland

Electric Wonderland 30. 10. 2010 Statt der Grinsekatze und Humpty Dumpty lassen in diesem Wonder­ land Trapezkünstler und WalkingActs die Raver staunen. Die stampfenden House-Beats von DJs wie ATB, Lexy & K-Paul, Sidney Samson oder The Disco Boys tun ihr Übriges, helfen mit, so dass die 7500 Tänzer ihren den Weg dorthin finden. Kongresshalle, Schwerin, Deutschland

Hard Haunted Mansion 30./31. 10. 2010 Bloody Beetroots, Mr. Oizo, Busy P, Brodinski und Rusko. Diese und noch mehr hippe Electronic-Acts an nur einem Abend, das wird wahrlich eine harte HalloweenNacht – und dem Festivalnamen somit mehr als gerecht. Nur gut, dass das Red Bull Music Academy Radio mit seinen Aufnahmegeräten vor Ort ist … The Shrine Expo Hall, Los Angeles, USA

Red Bull Mapa de los Muertos 30. 10. 2010 Der Día de los Muertos gilt als mexikanisches Pendant zum hiesigen Allerheiligenfest. Allerdings wird nicht getrauert, sondern gefeiert. Mit lächelnden Skeletten, Totenbrot und Opferaltären. Die Red Bull Mapa de los Muertos gibt einen Überblick über die künstlerischen Aktivitäten während des Fests. Phoenix (AZ) & Los Angeles, USA

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s wird Sie sicher wundern, dass ich mit diesem Thema erst so spät ankomme. Jetzt über die Auswir­ kungen des Urlaubs auf unser Gehirn nachzudenken? Immerhin ist es schon ein paar Wochen her, dass Sie verreist waren. Doch seien Sie versichert: Es ist nur zu Ihrem Besten, dass ich Sie erst heute damit konfrontiere! Vor ein paar Wochen wären Sie wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen, meinem kleinen Text zu folgen, denn Urlaub macht … wie sage ich es am diplomatischsten … Urlaub macht … hilft ja nichts … Urlaub macht dumm! Heraus­gefunden hat das der deutsche Psychologe Siegfried Lehrl: Wenn man drei Wochen lang nur faul herumliege, büße man rund zwanzig Intelligenzpunkte ein, was sich in Form zunehmender Begriffsstutzigkeit bemerk­ bar mache. Der Grund, so Dr. Lehrl: Durch die urlaubsbedingte Untätigkeit verliere unser Gehirn an Spannkraft, ei­ nem Muskel ähnlich, den wir nicht mehr trainieren. Mindestens ebenso überraschend wie diese Erkenntnis ist der Umstand, dass Dr. Lehrl die Ergebnisse seiner Forschun­ gen bereits vor über zehn Jahren vorlegte, sie bis heute aber niemand so richtig zur Kenntnis genommen hat. Das liegt wohl daran, dass man sie uns regelmäßig direkt nach den Sommerferien präsentiert, und zu der Zeit sind wir – aber das wissen Sie ja schon. Wenn Sie nun glauben, im Übrigen sei das Urlaubmachen eine wunderbare Angelegenheit, dann muss ich Sie leider enttäuschen: gefährliche Sache, das! Nehmen Sie nur die schreckliche Unord­ nung, die es in Ihrem Leben anrichtet. Vor allem Eltern wissen, was ich meine: Während wir unterm Schuljahr penibel darauf achten, die Kleinen möglichst früh

Ankowitschs Kolumne belebt Körper und Geist

Hilfe, Urlaub! So schön es auf den ersten Blick ist, am Strand oder sonst wo zu faulenzen: Diese Art von Untätigkeit schlägt sich nachhaltig aufs Gehirn. ins Bett zu befördern, damit sie morgens problemlos aufstehen können, betrach­ ten wir es während der Sommermonate als selbstverständlich, wenn die Kinder kurz vor elf Uhr nachts noch eine kleine Runde Wii oder PlayStation spielen. Was zur Folge hat, dass die Kinder zu Beginn des Schuljahrs wie die matten Fliegen in ihren Klassen hängen und erst mühselig

wieder auf einen alltagstauglichen Rhyth­ mus zurücktrainiert werden müssen (und wir mit ihnen, aber das nur nebenbei). Doch was ist all das im Vergleich zum Schicksal jener Menschen, die unter dem „Leisure-Sickness-Syndrom“ leiden? Für sie ist nämlich Urlaubmachen und Krank­ werden eins: Kaum tun sie mal ein paar Tage nichts, schon müssen sie ein ganzes Bündel diffuser Wehwehchen erdulden. Kopfweh, Erschöpfungszustände, Nieder­ geschlagenheit, Erbrechen – suchen Sie sich etwas aus. Genauer erforscht hat die Sache der Psychologe Ad Vingerhoets von der niederländischen Universität Tilburg; rund drei Prozent der Menschen würden unter dieser Krankheit leiden. Auch in diesem Falle sei das mit dem Urlaub eng verbundene Nichtstun der Grund für die Probleme: Die Betroffenen seien nämlich mit dem Kopf immer noch bei ihrem Job, also gestresst wie immer; weil sie aber am idyllischen Strand keine Möglichkeit hätten, diesen Stress abzureagieren, bekämen sie Kopfweh oder fühlten sich niedergeschlagen. Womit wir bei den Tipps gelandet wären, denn beim nächsten Mal soll ja alles anders werden. Was also tun gegen Verblödung und Krankheit? Soweit ich es überblicke, gibt es nur eine todsichere Me­ thode, wunderbar erholt, bestens gelaunt, blendend aussehend und hochintelligent aus dem Urlaub zurückzukehren. Leider kann ich Sie Ihnen nicht verraten, habe ich sie doch erst vor kurzem, in den letz­ ten Tagen meines Urlaubs auf … wo war das noch gleich? … was wollte ich gerade sagen? … wo bin ich hier eigentlich? Christian Ankowitsch, 51, ist ein österreichischer Journalist, Schriftsteller und Lebenshelfer. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.

Deutschland, ISSN 2079-4258: Herausgeber und Verleger Red Bulletin GmbH Chefredaktion Robert Sperl, Stefan Wagner (Stv.) Creative Director Erik Turek Art Director Markus Kietreiber Fotodirektion Susie Forman, Fritz Schuster (Stv.) Chefin vom Dienst Marion Wildmann Leitende Redakteure Werner Jessner, Uschi Korda, Nadja Žele Redaktion Ulrich Corazza, Florian Obkircher, Christoph Rietner, Andreas Rottenschlager Grafik Miles English, Judit Fortelny, Esther Straganz, Dominik Uhl Fotoredaktion Markus Kucˇera, Valerie Rosenburg, Catherine Shaw Senior Illustrator Dietmar Kainrath Autor Christian Ankowitsch Mitarbeiter Jan Cremer, Norman Howell, Alexander Lisetz, Eleanor Morgan, Ruth Morgan, Werner Schneyder, Herbert Völker Illustratoren Albert Exergian, Mandy Fischer, Lie-Ins and Tigers Augmented Reality Martin Herz, www.imagination.at Lektorat Hans Fleißner Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Christian Graf-Simpson Herstellung Michael Bergmeister Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter Omar Sádaba Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Geschäftsführung Karl Abentheuer, Rudolf Theierl Internationale Projektleitung Bernd Fisa Sonderprojekte Boro Petric Finanzen Siegmar Hofstetter Verlagsleitung Joachim Zieger Marketing Barbara Kaiser (Ltg.), Regina Köstler, Johanna Schöberl Projektmanagement Jan Cremer Anzeigenabteilung G+J Direct Sales/Corporate Editors GmbH, Brieffach 11, 20444 Hamburg Gesamtanzeigenleiter Heiko Hager, Tel. +49 (0)40 3703-5300 Stellv. Anzeigenleitung/Anzeigenverkauf Jan-Eric Korte, Tel. +49 (0)40 3703-5310 Anzeigendisposition Alexandra Kolatzek, Tel. +49 (0)40 3703-5308 Office Management Martina Bozecsky, Sabrina Pichl Firmensitz Red Bulletin GmbH, Am Brunnen 1, A-5330 Fuschl am See, FN 287869 m, ATU 63087028 Sitz der Redaktion Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com Redaktionsbüro London 155-171 Tooley Street, SE1 2JP, UK Web www.redbulletin.com Erscheinungsweise Das Red Bulletin erscheint jeweils am ersten Dienstag des Monats als Eigenbeilage von und in Kooperation mit folgenden Partnerzeitungen – in Österreich: Kleine Zeitung, Kurier, Die Presse, Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Vorarlberger Nachrichten; Burgenländische Volkszeitung, Niederösterreichische Nachrichten. In Deutschland: Münchner Merkur, tz. Das Red Bulletin liegt auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei. In Großbritannien: The Sunday Telegraph. In Irland: Irish Independent. In Nordirland: Belfast Telegraph. In Polen: Gazeta Wyborcza. In Südafrika: Cape Argus, Cape Times, Daily News, Pretoria News, The Star. In Neuseeland: The New Zealand Herald. Gesamtauflage 3,6 Millionen Leserbriefe bitte an leserbriefe@at.redbulletin.com

Die nächste Ausgabe des Red Bulletin erscheint ab 30. Oktober 2010.

illustration: albert exergian

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Preis bei Telefonbestellung: 659 € inkl. MwSt., zzgl. 29 € Versand E�VALUE™ CODE: PPDE05-N0055802

• Intel® Core™ i3-350M Prozessor • Original Windows® 7 Home Premium 64bit (OEM2)) • 3 GB Arbeitsspeicher & 320 GB** Festplatte • 40 cm (15.6”) HD WLED Display • 1 GB ATI Mobility Radeon® HD 5470 Grafikkarte

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Hohe Leistung für die ganze Familie dank des schnellen und intelligenten Intel® Core™ i3 Prozessors.

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Angebote gültig bis 20.10.2010.

(Mo-Fr 8:30-19:00 Uhr, Sa 10:00-15:00 Uhr - Bundesweit gebührenfrei)

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™ Dell GmbH, Unterschweinstiege 10, D-60549 Frankfurt am Main. Alle Preise sind gültig bis 20.10.2010 und nicht kombinierbar mit anderen Angeboten oder Rabatten. Es gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Dell GmbH. Produkt kann von Abbildung abweichen. Änderungen, Druckfehler und Irrtümer vorbehalten. Microsoft, Windows, Windows Vista und das Windows Vista-Logo sind eingetragene Marken oder Marken der Microsoft Corporation in den USA und/oder in anderen Ländern. Celeron, Celeron Inside, Centrino, Centrino Inside, Core Inside, Intel, Intel Logo, Intel Atom, Intel Atom Inside, Intel Core, Intel Inside, Intel Inside Logo, Intel vPro, Itanium, Itanium Inside, Pentium, Pentium Inside, vPro Inside, Xeon, und Xeon Inside sind Marken der Intel Corporation in den USA und anderen Ländern. Mit einem DVD+RW Laufwerk gebrannte Medien sind evtl. nicht kompatibel mit einigen auf dem Markt befindlichen Laufwerken. *Angebote gültig bis 20.10.2010. Limitiert auf ausgewählte Inspiron, Studio und Studio XPS Notebooks und Desktops, max.5 Systeme pro Kunde. Details siehe Konfi guration. **Die nutzbare Kapazität kann je nach eingesetzter Software leicht differieren. 2) Microsoft® OEM Software wird von Dell ab Werk vorinstalliert und optimiert. Einige in diesem Computer enthaltene Microsoft® Softwareprodukte sind möglicherweise durch technische Maßnahmen kopiergeschützt. Solche Produkte können Sie nicht verwenden, wenn Sie nicht zuvor die Aktivierungsmaßnahmen für das Produkt durchführen. Die Aktivierungsmaßnahmen für das Produkt und die Microsoft® Datenschutzpolitik werden während der allerersten Inbetriebnahme des Produkts, bei bestimmten Neuinstallationen des Softwareprodukts bzw. der Softwareprodukte oder bei bestimmten Neukonfi gurationen des Computers ausführlich beschrieben und können über Internet oder Telefon vervollständigt werden (dabei können Telefongebühren anfallen). 3) Ausgewählte Systeme stehen innerhalb von 48 Stunden nach dem Datum der Auftragsbestätigung zum Versand zur Verfügung. Die Liefertermine können jedoch NICHT garantiert werden, und dieses Angebot ist abhängig von der Verfügbarkeit. Weitere Details unter dell.de/shipsfast.


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