The Red Bulletin INNOVATOR AT 2017 - #1

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AUSGABE ÖSTERREICH

Mission

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Zukunft

… MIT EINEM SOLAR-FLUGZEUG IN DIE STRATOSPHÄRE

… VON REISEN, GESUNDHEIT, ESSEN, ARBEIT UND SEX

FUTURE OF SPEED Mate Rimacs über 1000 PS starkes Elektro-Supercar sieht die Konkurrenz im Rückspiegel. RONALDO 2.0 SIND ROBOTER IM JAHR 2050 DIE BESSEREN FUSSBALLER? SEGEL IM WIND DON MONTAGUES WELTREKORDVERSUCH MIT EINEM KITE-BOOT





VIDEO STABILISATION

WASSERDICHT SPRACHSTEUERUNG


EDITORIAL

T H E R E D B U L L E T I N I N N O V AT O R

CONTRIBUTORS

ALEX LISETZ

Der freie Journalist interviewte schon Popstars, Spitzensportler und Schafhirten – aber noch niemanden mit dem Hirn und Humor von Start-up-Scout Alisée de Tonnac. Bis ihm einfällt, mit welchem Start-up er selbst milliardenschwer werden könnte, möchte er weiter Red BulletinStorys verfassen. SEITE 66

WERNER JESSNER

Der österreichische Journalist, u. a. für „Bergwelten“ und „auto revue“ tätig, pflanzt sein eigenes Gemüse an. Dabei war ihm die ästhetische Komponente stets egal – im Gegensatz zum Supermarkt. Im Interview klärte ihn iss-mich!Gründer Tobias Judmaier auf, wie man Verschwendung von Lebensmitteln verhindert. SEITE 8 4

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Die Zukunft beginnt schon heute. Doch dafür braucht es Visionen. Und noch wichtiger: Sie müssen verwirklicht werden – von Menschen, die sich mit dem Status quo nicht zufriedengeben. In diesem Magazin werden Sie Bekanntschaft mit zahlreichen dieser Persönlichkeiten machen. Mate Rimac, 29-jähriger kroatischer Jungunternehmer, wollte „einfach nur ein Auto bauen, das umweltfreundlich ist und Spaß macht“. Her Herausgekommen ist dabei das schnellste Elektroauto (355 km/h Spitze) der Welt (ab Seite 30). „Jeden Tag, an dem man etwas nicht tut, ist ein Tag weniger, an dem man es tun könnte“, ist Don Montague überzeugt. Der kanadische Unter Unternehmer und frühere Windsurfprofi arbeitet dar daran, in rund zehn Jahren kostengünstigen Strom durch mit Turbinen ausgestattete Flugdrachen zu erzeugen. Nebenbei möchte er mit seinem per Kite angetriebenen Trimaran einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen (ab Seite 38). Geht es nach den Plänen der HTWK Leipzig, stellen künftig nicht Brasilianer oder Deutsche das weltbeste Fußball-Nationalteam – sondern die Fußballroboter der Leipziger Hochschule, die im Jahr 2050 dem amtierenden Weltmeister keine Chance lassen werden (ab Seite 72). Aber jetzt: viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

INNOVATOR

RIMAC (COVER)

ZUKUNFTSREIF


KRAFT IN IHRER ELEGANTESTEN FORM.

Subjekt und Objekt. Mensch und Maschine. Wenn Gegensätze zu Gemeinsamkeiten werden, verschmelzen Fahrer und Fahrzeug wie nie zuvor. Und dank innovativer intuitiver Technologie entsteht perfektes Zusammenspiel. Das ist unsere Philosophie.

DRIVE TOGETHER

DER NEUE M{ Z D { C X- 5 Verbrauchswerte: 5,0 — 6,8 l/100 km, CO2-Emissionen: 132 —159 g/km. Symbolfoto.


INHALT

58 FEATURE Der Sonne entgegen

Im Kampf gegen alte Denkmuster. Der Schweizer Raphaël Domjan will in einem Solar-Flugzeug die Stratosphäre erreichen.

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INNOVATOR


T H E R E D B U L L E T I N I N N O V AT O R

BULLEVARD

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Die Asteroiden-Tankstelle Gentechnik für jedermann Universal-Dolmetscher Schwerelos gegen Krebs DNA als Superspeicher Liebesspielzeug

FEATURES 38 54 66 80

Setzt die Segel – und zwar schnell! Motivator Matthew Mockridge Start-up-Queen Alisée de Tonnac Mit Vollgas nach Le Mans

18 30 B U L L E VA R D

F E AT U R E

Glückliche Hühner

Auf der Überholspur

Mit gutem Gewissen Lust auf Fleisch. In Zukunft muss für Chicken Wings oder das geliebte Schnitzel kein Tier mehr sterben.

Mate Rimac lehrt Elektroauto-Giganten wie Tesla das Fürchten – und das von einer kroatischen Kleinstadt aus.

B U L L E VA R D

F E AT U R E

Gewichtiges Wort

Hightech von morgen schon heute

Wie eine 16 Gramm leichte Gepäckfachhalterung Fluglinien hilft, zehntausende Euro im Jahr zu sparen.

Sechs visionäre Produkte, die’s zwar noch nicht gibt, man aber bereits bestellen kann – vom O≠road-Faltrad bis zur Holo-Brille.

26 46 72 F E AT U R E

Die Fußball-Weltmeister von 2050 Die Ingenieure der HTWK Leipzig sind sich sicher: 2050 spielen ihre Roboter die Ronaldos der Zukunft in Grund und Boden.

SERVICE

ZEPPELIN

88 90 92 94 96 98 INNOVATOR

Red Bull TV: Innovations-Highlights Save the Date: Tech-Festivals Schöner lesen dank „Graphischer“ Kolumne: Jürgen Furian Impressum Letzte Seite

84 F E AT U R E

Kostbares Gut

Tobias Judmaier verwertet mit seinem Startup Gemüse, das andernfalls aus ästhetischen Gründen im Abfall landen würde.

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BULLEVARD

Ja, die Welt verändert sich radikal. Warum das gut ist, zeigen wir hier.

T H E R E D B U L L E T I N I N N O V AT O R

TRAVEL LIFE TALK FOOD HEALTH DATA DESIGN SEX Auftanken auf Asteroiden

Wir schneidern uns ewig jung

Die ganze Welt verstehen

Jetzt wird Fleisch gebraut

Die Heilkraft der Schwerelosigkeit

Staubkorn als Mega-Speicher

GETTY IMAGES

Schönheit auf Druck

Sexspielzeug, das sich willig fügt

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

FUTURE OF

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GETTY IMAGES

Auf Asteroiden werden die Tank­ stellen gebaut, mit deren Hilfe wir die Reichweite unserer Reisen durchs All ver­ vielfachen.

WOLFGANG WIESER

TRAVEL


ASTEROIDEN

REISE INS ALL

Asteroiden werden die Tankstellen des 21. Jahrhunderts sein. Wer sie richtig nutzt, schafft es überallhin.

Wer im All unterwegs sein will, braucht Treibstoff. Besonders viel, um die Anziehungskraft der Erde zu überwinden. Stellen Sie sich zum besseren Verständnis vor, Sie müssten auf Autoreisen stets eine Tankstelle dabeihaben. Genau daran sind Ausflüge zum Mars (und darüber hinaus) bisher gescheitert. Forscher des US-Unternehmens Planetary Resources entdeckten nun, dass Asteroiden sich perfekt als Tankstellen eignen. Und zwar alle, auf denen es Wasser gibt. Denn das lässt sich per Elektrolyse in die Raketentreibstoffe Wasserstoff und Sauerstoff verwandeln. Zusatznutzen: Asteroiden sind reich an wertvollen Metallen. Kein Wunder, dass Google-Gründer Larry Page, Virgin-Boss Richard Branson und Regisseur James Cameron mit an Bord sind.

IMPACT

Endlich All-wissend. Wer Grenzen überwindet, erweitert seinen Horizont. Auf geht’s, der Sonne entgegen!


CRISPR/CAS9

B U L L E VA R D

ERSCHAFFE DICH NEU Dank neuer und billiger Gentechnik schneidern wir die Welt von morgen nach unserem Willen.

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Ein Kürzel, das die Welt ver­ ändert: CRISPR/Cas9 steht für eine Revolution, für die womöglich wichtigste Ent­ deckung des Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um ein Gentechnikverfahren, um DNA­Bausteine einfach und präzise zu verändern, mit dem sich – ohne Übertreibung – die Welt neu erschaffen lässt. Denn mit CRISPR/Cas9 sollen sich Fauna und Flora nach Wunsch gestalten lassen und Menschen, die an genetisch bedingten Krankheiten leiden, geheilt werden können. Es sind Visionen, die Hoff Hoff­ nung machen – und zugleich Angst. Hoffnung auf ein langes Leben, frei von den irdischen Schrecknissen; Angst vor un­

Änderungen am Erbgut pass­ genau und an mehreren Stel­ len gleichzeitig vorgenommen werden können. Die Herstellung, bei der ein Erbgut Abschnitt synthetisiert Erbgut­Abschnitt wird, ist einfach (dauert nur drei Tage) und billig (rund 20 Euro). Wenig überraschend, dass durchaus ironisch ge­ meinte Bilder von scheinbar ewig jungen, gesundgestutzten Hundertjährigen gezeichnet werden, die hübscher und fitter als heute Fünfzigjährige sind. Dahinter stehen Fragen, die viele bewegen, nicht nur Wissenschaftler: Dürfen wir, was wir können? Dürfen wir die Natur verändern? Dürfen wir Gott spielen?

IMPACT

Für immer jung. Bei aller Freude über ein Leben ohne Schmerz und Krankheiten: Kann es so helles Licht ohne Schatten geben? INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

LIFE

kontrollierten Eingriffen in die Schöpfung. Tatsächlich scheint die Technik bei vielen Tieren und Pflanzen sehr gut zu funktionieren, doch beim Menschen passieren Fehler. Abgeschaut haben sich die Forscher CRISPR/Cas9 bei Bakterien, die angreifende Viren damit ausschalten. Ver Ver­ einfacht erklärt, handelt es sich dabei um eine Schere (das Eiweiß Cas9 wird ent­ sprechend eingesetzt), mit der

PICTUREDESK.COM

FUTURE OF

Nie zuvor waren gentechnische Eingriffe derart kostengünstig und schnell umsetz umsetzbar wie heute.


The FINTECH Accelerator Program Powered by Raiffeisen Bank International

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W A V E R LY L A B S

B U L L E VA R D

VERSTEH DICH MIT DER GANZEN WELT

Mit dem Frühling fallen die Barrieren. Bereits im Mai bekommen die ersten Unter Unterstützer Waverly Labs’ „Pilot Translation Kit“ zugeschickt – und verstehen damit Sprachen, die sie nicht sprechen. Das Kit besteht aus zwei Kopfhörern, einem Ladegerät und einer Smartphone-App. Vereinfacht erklärt setzen sich zwei Menschen mit Pilot jeweils einen Simultan-Dolmetscher ins Ohr und können so problemlos miteinander kommunizieren. Den Anfang machen Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch, in Phase zwei sollen neben anderen Deutsch, Hebräisch und Hindi folgen. Wer es testen möchte: Die App gibt es bereits zum DownDown load für iOS und Android.

Sie müssen künftig eine Sprache nicht mehr beherrschen, um dennoch jedes Wort zu verstehen. Denn Ihr Dolmetscher sitzt im Ohr.

IMPACT

TALK

Endlich mit der Freundin aus Mailand plaudern, ohne nach den richtigen Wörtern zu suchen – molto bene!

FUTURE OF

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WAVERLY LABS

WOLFGANG WIESER

Fünf Sprachen verstehen. Mithilfe eines Dolmetschers, der so klein ist, dass er in jedes Ohr passt.

INNOVATOR


neu! kelly‘s #chips: e e id s ip h c e ig r p s u n k die super #snacking with

all senses:

Du denkst, Chips können dich nich t mehr überrasche n? Du glaubst, da ss Chips nicht noch knus priger sein könn en? Du bist jetzt neug ierig geworden? Dann sind die ne uen Kelly‘s Chip s genau das Richtige für dich!

#

: #special cuewtöh nlichen Schnitt Mit ihrem außerg r Chips spektakulä setzen sich die jeder ran! in Szene. Da will

#

#super crispy - hörbar knus p

rig:

Durch das sp ezielle Kettle Produktionsve rfahren landen die Chips ga nz oben auf der Knusper-S kala!

#


M E M P H I S M E AT S

FOOD FUTURE OF

Nie wieder müssen unsere vierbeinigen Freunde leiden, weil wir Lust auf Burger & Co haben. Denn künftig wird Fleisch gebraut.

Für das Fleisch der Zukunft werden tierische Zellen in einem Prozess ernährt, der dem von Bierbrauereien ähnlich ist.

Es begann im Februar 2016 mit einem winzigen Fleischbällchen, das einsam und wenig spektakulär in einer großen Pfanne herumkullerte. Ein Jahr später, konkret im März 2017, servierten die Entwickler von Memphis Meats Ente à l’Orange und Southern Fried Chicken – so herrlich zubereitet, dass den Betrachtern das Wasser im Mund zusammenlief und die Testesser ins Schwärmen gerieten. Das Sensationelle daran: Weder Ente noch Huhn mussten dafür ihr Leben lassen. Wie schon das Fleischbällchen ein Jahr zuvor wurden die köstlichen Happen fernab vom Schlachthof geschaffen, nämlich in einer Brauerei – ja, in einer Brauerei. „Wir entnehmen den Tieren Zellen. Diese Zellen werden mit Nährstoffen gefüttert. Ebenjenen Nährstoffen, die alle Tiere brauchen, um zu wachsen. Das alles passiert in einer Brauerei, die ähnlich funktioniert wie eine Bier Bierbrauerei“, erklären Experten von Memphis Meats. Jetzt arbeitet das Team um CEO Uma Valeti daran, die derzeit noch hohen Produktionskosten drastisch zu reduzieren. Ziel ist es, Memphis Meats bis 2021 auf den Markt zu bringen.

IMPACT

Fleisch essen, ohne zum Killer zu werden? Eine großartige Vorstellung, die außerdem den „Neben­ e≠ekt“ hat, dass durch die Fleischproduktion verur­ sachte Umweltbelastungen vermieden werden können.

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INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

BRAU DIR DEIN FLEISCH

MEMPHIS MEATS, GETTY IMAGES

B U L L E VA R D


» NICHT MEHR ARBEITEN als bisher sondern, wenn Arbeit da ist » LÄNGERE FREIZEITBLÖCKE: Bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit » Höhere Wettbewerbsfähigkeit, mehr Arbeitsplätze und SICHERES EINKOMMEN » Am Weltmarkt eine Rolle spielen und dadurch ARBEITSPLÄTZE SICHERN

Die Industrie.

www.iv.at/arbeitszeit


Volkswagen steht seit mehr als 40 Jahren unter Strom

Die Neuen von den Elektro-Pionieren DIe Zukunft heißt Elektromobilität. Und die hat bei Volkswagen schon vor 40 Jahren begonnen: Die Ingenieure der Abteilung Zukunftsforschung in Wolfsburg arbeiteten bereits während der Ölkrise in den 1970er-Jahren an alternativ angetriebenen Fahrzeugen und legten dabei den Grundstein für viele technische Innovationen, die in den modernen Elektroautos heute selbstverständlich sind. 1976 stellte Volkswagen den ersten Elektro-Golf vor, der auf damals beachtliche 60 Kilometer Reichweite kam. Seine Nachfolger wurden mit immer revolutionäreren Technologien ausgestattet: Das System zur Bremsenergie-Rückgewinnung – heutzutage bran-

chenweiter Standard – war schon in den 1990erJahren im Golf III CitySTROMer verbaut. Elektro-Golf – immer schon seiner Zeit voraus Diese vier Jahrzehnte Erfahrung sind zusammen mit der neuesten Batterie- und Ladetechnik im aktuellen e-Golf verpackt: Mit 100 kW und Rekuperationstechnik kommt er auf bis zu 300 Kilometer Reichweite. Die 35,8 kWh starke Lithium-Ionen-Batterie bietet ordentlich Power unter der Motorhaube und ist an einer CCS-Schnellladesäule in 45 Minuten zu 80 Prozent aufgeladen. Damit bringt der neue e-Golf endgültig Elektromobilität ohne Kompromisse in den Alltag.


THE RED BULLETIN INNOVATOR PROMOTION

Fotos: Volkswagen

Ausgereifte Elektromobilität in Großserie Mit dem neuen e-Golf, dem sparsamen e-up! und den beiden Hybriden Golf GTE und Passat GTE bringt Volkswagen heute eine ganze Flotte an alltagstauglichen e-Fahrzeugen auf die Straße. Und die nächste Generation rein elektrisch fahrender Modelle ist bereits in der Pipeline: Der kompakte I.D. und der I.D. BUZZ, ein Van mit Allradantrieb und 374 PS, werden ab 2020 eine neue Ära der Elektrofahrzeuge einläuten. Mit noch leistungsfähigerer Antriebs- und Speichertechnik und neuartigem digitalem Fahrerlebnis setzt Volkswagen wiederum neue Maßstäbe für die Zukunft.

Kraftvoll und fast geräuschlos von 0 auf 100 km/h in nur 9,6 Sekunden

Unterbrechungsfrei beschleunigen: dank des 1-GangGetriebes Mit einer Batterieladung legt der neue e-Golf bis zu 300 Kilometer zurück.


B U L L E VA R D

FUTURE OF

HEALTH GANZ LEICHT ÜBERLEBEN

In der Schwerelosigkeit geht vieles leichter – sogar der Kampf gegen den Krebs lässt sich dort gewinnen.

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WOLFGANG WIESER

italienischen Kollegen hätten festgestellt, dass Krebszellen in der Mikrogravitation absterben. Außerdem hat man herausgefunden, dass hochwirksame Mikrokapseln zur gezielten Tumortherapie im Weltraum perfekt produziert werden können. Nach Weltraum-Vorbild werden diese Kapseln mittlerweile auch auf der Erde hergestellt.

IMPACT

GETTY IMAGES

Das Zauberwort heißt Mikrogravitation. Dabei handelt es sich um jene BeinaheSchwerelosigkeit, die Astronauten auf ihren Ausflügen ins All durch Raumschiffe schweben lässt. Forscher haben herausgefunden, dass sie für Krebspatienten gleich zweifach wirksam sein kann. Kris Kimel, der Gründer des AllExperimente ermöglichenden Start-ups Space Tango, sesshaft im US-Bundesstaat Kentucky, sagte, amerikanische Wissenschaftler und ihre

Experimente in der BeinaheSchwerelosigkeit lassen uns abheben und führen zu völlig neuen Behandlungsmethoden. INNOVATOR


SCHWERELOSIGKEIT Wissenschaftler stellten fest, dass Krebszellen in der BeinaheSchwerelosigkeit absterben.

INNOVATOR

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DNA

B U L L E VA R D

FUTURE UTURE OF

DATA 24

Impact

Daten für die Nachwelt zu bewahren ist ein schwieriges Unterfangen. Wirklich Wichtiges packen wir in DNA.

Die Datenmenge, die auf einer Million CDs Platz findet, kann in DNA von der Größe eines Sandkorns (Bild, 100fach vergrößert) gespeichert werden.

WOLFGANG WIESER

Wenn auf einem winzigen Körnchen gigantische Daten­ mengen gespeichert werden, dann ist das DNA.

aber auch Martin Luther Kings berühmte „I Have a Dream“­ Rede auf DNA zu speichern. Diese Daten werden als sehr, sehr langer ACGT ACGT­Code (die vier Buchstaben stehen für Basen) in DNA­Moleküle um­ gewandelt und danach ge­ friergetrocknet. Auch Hyunjun Park und Nathaniel Roquet arbeiten mit DNA als Speichermedium. Die Vorteile: DNA hält praktisch ewig und ist billig zu kopieren. Vor allem aber fasst sie – wir erinnern uns an den Vergleich – gigantische Datenmengen. Langfristig wollen die beiden Absolventen des renommier renommier­ ten Massachusetts Institute of Technology (MIT) imstande sein, sämtliche Daten dieser Welt zu speichern: „Wir hätten gern, dass alle, die etwas für immer bewahren wollen, zu uns kommen, um es auf DNA zu bannen.“ Einziges Hindernis derzeit: Die Kosten für die Synthetisie­ rung von DNA sind mit rund 12.500 Dollar (rund 11.500 Euro) pro Megabyte beträcht­ lich. Trotzdem gilt ihr Unter Unter­ nehmen Catalog Technologies als eines mit großem Business­ potential.

PICTUREDESK.COM

SUPER­ SPEICHER DNA

Stellen Sie sich einen Stapel von einer Million CDs vor. Selbst ohne die üblichen Plas­ tikhüllen wäre er stolze 1500 Meter hoch. Und jetzt denken Sie an ein Staubkörnchen, ein Gramm schwer, also so winzig, dass Sie es gerade noch er­ kennen können. Tatsache ist, dass CD­Stapel und Körnchen gleich viel Wissen speichern können. CDs kennen wir seit den 1980er Jahren, das Körn­ chen ist DNA, das Speicher Speicher­ medium der Zukunft. Experimentiert wird damit seit mehr als drei Jahrzehnten. Forschern ist es bereits gelun­ gen, 154 Shakespeare­Sonette,

INNOVATOR


ENDE. ANFANG.

Lebenssituationen sind vielfältig. Unsere Lösungen auch. Um zu verstehen, muss man zuhören. Sprechen Sie mit uns und wir finden die Lösung, die am besten zu Ihnen passt. www.generali.at Unter den Flügeln des Löwen.


B U L L E VA R D

Das sogenannte Dämpferbracket ist eine Halterung für Gepäckfächer in Flugzeugen: Dieses 3D-gedruckte Modell wiegt nur etwa halb so viel wie seine rechteckigen Vorgänger.

FUTURE OF INDUSTRIAL

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DESIGN INNOVATOR


INTERVIEW

GEGEN GEWICHT

the red bulletin innovator: Was bringt 3D-Druck mit Metallen? franz rotter: Eine Säge macht gerade Schnitte, ein Bohrer macht runde Löcher, doch im 3D-Drucker lässt sich Schicht für Schicht alles das bauen, was bisher unmöglich war: Strukturen, die innen hohl sind und die nur dort Material haben, wo es gebraucht wird – so wie in der Natur. Wir können mit 3D-Druck die Grenzen von herkömmlichen Fertigungsverfahren hinter uns lassen. In Sachen Funk Funktionalität und Design eröffnet uns das ganz neue Wege.

Franz Rotter voestalpine-Vorstandsmitglied und Leiter der Special Steel Division

Metallteile aus dem 3D-Drucker sehen aus, als wären sie von Künstlern entworfen worden. Wie entstehen diese futuristischen Formen? Mit mathematischen Modellen können wir exakt berechnen, welche Kräfte auf einen Baubestandteil wirken und wie er geformt sein muss, um Belastungen standzuhalten. Dass dabei sehr ästhetische Konstruktionen herauskommen, ist eigentlich nur ein Nebeneffekt – zeigt aber, dass wir Menschen das Funktionale eben oft als schön empfinden. In welchen Bereichen wird sich 3D-Druck mit Metallen zuerst durchsetzen? Momentan ist die Technologie interessant für Kleinserien und Einzelanfertigungen. Denn im Prinzip ist jedes Teil aus dem 3D-Drucker ein Einzelstück und kann ständig angepasst werden. Das ist etwa im Motorsport sinnvoll oder in der Luftfahrt. Und auch medizinische Implantate, die ja immer Einzelstücke sind, werden mit ähnlichen Ver Verfahren hergestellt. Doch was das Potential der Technologie angeht, kratzen wir erst an der Oberfläche.

RAFFAEL FRITZ

Ende der Achtziger konnte die Fluglinie American Airlines 40.000 Dollar pro Jahr ein einsparen – indem sie beim Salat in ihrem Bordmenü eine einzige Olive wegließ. In der Luftfahrt fällt eben jedes Gramm ins Gewicht, wenn es darum geht, Treibstoff zu sparen. Dabei helfen heute auch Bauteile aus dem 3DDrucker. So wie diese neu de designte Gepäckfachhalterung für Flugzeuge, die in einem Forschungszentrum der voestalpine in Düsseldorf entstanden ist – nach Entwürfen des deutschen Unternehmens H&H GmbH. Bionisch optimiert und innen hohl, wiegt sie nur 16 statt bisher 30 Gramm. Und könnte bald dafür sorgen, dass Air Airlines mehrere zehntausend Euro im Jahr einsparen. Damit es auf die eine Olive nicht mehr ankommt.

Blitze zucken, und Funken sprühen, während der mehrere hundert Watt starke Laser Laserstrahl seine Bahnen zieht. Und wo vorher nur ein Bett aus Metallpulver war, ist nun eine Form erkennbar: die erste von vielen tausend Schichten eines Metallteils aus dem 3D-Drucker – jede von ihnen dünner als ein Haar. Mit dieser Technologie lässt sich heute nicht mehr nur Plastik verarbeiten: Der 3D-Drucker ist erwachsen geworden und hat einen Job in der Industrie bekommen. Zum Beispiel im Additive Manufacturing Center Düsseldorf, wo der österreichische Technologiekonzern voestalpine sich der Zukunft der Metallverarbeitung widmet – Schicht um Schicht. Doch wozu? Das hat uns Franz Rotter, Vorstandsmitglied der voestalpine, erklärt.

INNOVATOR

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S E X -T O Y

B U L L E VA R D

SEX FUTURE OF

ENTDECKE NEUE GEFÜHLE

Ein Sexspielzeug, das sich Ihren Wünschen fügt? Bitte sehr, hier ist der Vibrator, der sich beliebig formen lässt.

Wer sich für (klassische) Musik interessiert, weiß, was „Crescendo“ bedeutet. Crescendo steht für eine allmähliche Steigerung der Lautstärke. Unser „Crescendo“ ist ein Vibrator, und der steht für eine Steigerung der Luststärke oder – wie es offiziell (und nicht ganz unmusikalisch) heißt: „Erreichen Sie die hohen Töne mit einer ungezügelten Leisttung, ung, die stundenlang anhält.“ Das Besondere an diesem Sexspielzeug? Es ist beliebig formbar und fügt sich ganz den persönlichen Vorlieben. Ausgestattet ist Crescendo mit sechs Motoren, die sich

„Crescendo“ ist vermutlich das anpassungsfreudigste Sex-Toy der Welt – und lässt sich per Smartphone-App nach Lust und Laune steuern.

individuell steuern lassen und im Akkord (womit wir jetzt nicht etwa Arbeit meinen, sondern die harmonische Klangwelt) neue Sinnesfreuden bescheren. Übrigens: Jede Einstellung lässt sich auch speichern. Und zwar per App – als ganz persönliche Lust-Playlist. Crescendo ist, nebenbei bemerkt, nicht nur fürs heimelige Solo gedacht, sondern durchaus auch für Duette: „Ermöglichen Sie Ihrem Partner, Herr Ihrer Lust zu werden“, lässt MysteryVibe dazu ausrichten. Bei dem Unternehmen, das von Stephanie Alys gegründet wurde – und dessen Chief Pleasure Officer sie ist –, handelt es sich trotz des datengetriebenen Zugangs längst nicht mehr um ein typisches Start-up in der Entwicklungsphase. Crescendo gibt es bereits. Und wer Lust hat, kann sich bereits mit einstimmen.

MYSTERY VIBE

Eine klare Sache. Selbst ist die Frau. Und Mann freut sich, wenn er eine Einladung zum Duett bekommt.

WOLFGANG WIESER

IMPACT

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INNOVATOR


Limitiertes Angebot Jetzt inklusive der PlayStation® 4 Slim, beim Kauf eines Xperia™ XZ Premium.*

Xperia™, mehr als ein Smartphone.

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*Gültig nur bei den österreichischen Netzbetreibern. Solange der Vorrat reicht. © 2017 Sony Mobile Communications Inc. © 2017 Sony Europe Limited


Mit 19 entschied sich Mate Rimac, die Großmächte der Autoindustrie herauszufordern. Mit 21 baute er das schnellste elektrische Hypercar der Welt. Jetzt, mit 29, ist er dabei, aus seiner Firma eines der weltweit führenden Technologie-Unternehmen zu machen – und das alles in seiner kroatischen Heimat. Wenn man ihn fragt, warum, antwortet er: „Warum nicht?“

HELLE IN

RIMAC

DER

TEXT: JUSTIN HYNES

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F U N K E DER NOVATION


RIMAC

Ein elektrischer Traum: „Meine Vorbilder waren [die Hypercar-Konstrukteure] Horacio Pagani und Christian von Koenigs­ egg. Durch sie inspiriert, wollte ich mein eigenes Auto bauen“, sagt Mate Rimac.


Oben: einer der vier Elektromotoren, die den Concept One bis zu Geschwindigkeiten von 355 km/h treiben. Darunter: Für jedes Auto müssen tausende Metall- und Kohlefaserteile hergestellt, montiert und getestet werden.

„ICH WOLLTE BEWEISEN, DASS ELEKTROAUTOS UMWELTFREUNDLICH UND SCHNELL SEIN KÖNNEN.“ INNOVATOR

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Mate Rimac: „Mein Leben ist das Unternehmen. Ich bin sehr zu­ frieden damit, aber wer so etwas machen will, muss sich bewusst sein, dass es hart wird.“

„ICH LIEH MIR ÜBERALL GELD – BEI FREUNDEN, DER FAMILIE UND VERRÜCKTEN.“


RIMAC

W enn man sich ein elektrisches Auto vor enn vor-stellt, denkt man wahrscheinlich an etwas stellt, Kleines, K leines, Praktisches, vielleicht sogar ein wenig w enig Biederes. Das ist die Vorlage, an die ssich ich fast alle großen Automobilhersteller bei der Konstruktion von Elektrofahr bei Elektrofahr-zzeugen eugen recht streng gehalten haben: klein, urban, mehr von demographischen Über Überlegungen angetrieben als von den LithiumIonen-Akkus unter der Bodenplatte. In einer Ecke Kroatiens jedoch ist diese Botschaft nicht angekommen. Die Kleinstadt Sveta Nedelja an der slowenischen Grenze ist so weit entfernt von den traditionellen Produktionszentren Detroit oder Stuttgart, wie man es sich nur vorstellen kann. Dennoch war es hier, dass vor acht Jahren der damals 21-jährige Mate Rimac, angetrieben von seinen zwei Leidenschaften Elektronik und Autos, anfing, eine neue Vision zu formulieren. „Ich wollte bloß ein richtig schnelles Elektroauto bauen“, lacht der Kroate, „und beweisen, dass Elektroautos schnell sein und Spaß machen können – und nicht nur umweltfreundlich und ein bisschen langweilig sind.“ Das Ergebnis: das Concept One, ein gänzlich elektrisches Hypercar mit über 1000 PS. Zu haben für rund 1,2 Millionen bzw. 1,6 Millionen Dollar, wenn man die noch stärker motorisierte Version S bevorzugt, die Rimacs Unternehmen beim Internationalen Autosalon in Genf präsentierte. Es ist ein Auto, das nicht nur vor Motor Motorleistung strotzt (der S schafft 355 km/h und erreicht 100 km/h in rund 2,5 Sekunden), sondern auch mit modernster Technik vollgepackt ist. Die Motorleistung kommt von vier Elektromotoren und vier

Getrieben, die in der Mitte jeder Achse eingebaut sind. Die Motoren werden von 8450 Lithium-Ionen-Batteriezellen gespeist und von einem Software-Paket kontrolliert, das dem Fahrer alle Aspekte des Motorverhaltens zur Verfügung stellt. Um zu verstehen, woraus das Concept One entstand, muss man in das 20 Kilometer östlich von Sveta Nedelja gelegene Zagreb fahren, wo der 16-jährige Rimac 2004 sein Interesse für Nikola Tesla, den legendären Erfinder und Elektroingenieur, für ein Schulprojekt nutzte. Das bescherte ihm zuerst verschiedene Wettbewerbspreise auf lokaler Ebene und dann genug Geld, um seiner anderen Leidenschaft nachzugehen: der Geschwindigkeit. „Ich kaufte einen alten 3er-BMW und fing an, damit Rennen zu fahren“, sagt er. „Irgendwann ging mir der Motor ein. Das war der Auslöser. Ich baute den BMW zum Elektroauto um. Anfangs lachten alle dar darüber. Der Wagen war nicht schnell. Aber nach jedem Rennen verbesserte ich seine Leistungsfähigkeit, machte ihn leichter, verlässlicher und fing an zu gewinnen.“ Die Rennsiege zeitigten einen wertvollen Nebeneffekt. 2011 stellte der limettengrüne Rimac E30 eine Reihe neuer Weltrekorde auf, zum Beispiel erhielt er die Auszeichnung als schnellstes Elektroauto seiner Kategorie durch die Fédération Internationale de l’Automobile (FIA; der für Geschwindigkeitsrekorde an Land zuständige internationale Verband; Anm.). Zum Vergleich: Das Fahrzeug, das dabei

Unten: Die Heck­ lichter mit Kanälen für Kühlung und bessere Aerodynamik tragen zur Gesamtleistung des Autos bei. Dar­ unter: In den 20­Zoll­ Felgen aus Schmiede­ aluminium sitzen die Carbon­Keramik­ Bremsscheiben – 390 mm vorne und 380 mm hinten groß.

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Mate Rimac wollte möglichst viel von der für den Concept One benötigten Technologie intern entwickeln. Akribische Detailgenauigkeit und hohe Qualität sind das Ergebnis von Entwicklung und Produktion unter einem Dach. Sogar Werkzeuge, Schablonen und Gussformen werden hausintern entworfen und hergestellt.

„UNSERE VISION: W I R W O LLEN NICHT NUR SONDER- UND NISCHENPROJEKTE MACHEN.“

eines Jahres. Das Team zeigte 2011 einen Prototyp bei der Automobil-Ausstellung in Frankfurt, wo er Begeisterung auslöste. „Damals war Tesla noch nicht so weit wie jetzt“, sagt Rimac. „Als wir anfingen, war es anders. Elektroautos fand man damals so aufregend wie Lieferwagen.“ Unter den funkelnden Lichtern Frank Frankfurts leuchtete der Concept One wie ein futuristisches Juwel. Hinter den Kulissen sah es weit düsterer aus. „Wir hatten ernsthafte Schwierigkeiten. Wir hatten potentielle Kunden, von denen die Zukunft des Unternehmens abhing, und ich hatte nicht mal genug Geld, sie zum Essen einzuladen. Das war unglaublich hart.“ Die Lösung war, sich auf die Entwick Entwicklung neuer Technik zu konzentrieren, diesmal für andere Unternehmen. „Unser Auto wurde erst mit der Zeit weiterentwickelt, aber wir wurden kontinuierlich zum Technologieanbieter und Zulieferer für die Auto- und Schifffahrtindustrie und auch andere Branchen.“ In den Jahren seit der Frankfurter IAA hat Rimac verschiedene Versionen des Concept One an Kunden geliefert. Im März kam Rimac erneut nach Genf, um dort die leichtere, leistungsfähigere S-Version des Autos vorzustellen und somit all jene eines Besseren zu belehren, die ihn 2011 als einen Schaumschläger belächelt hatten.

RIMAC

vom Rimac E30 geschlagen wurde – das EX1 –, war ein Multimillionen-Dollar-Concept-Car des Automobilriesen Peugeot. Die großen Hersteller im elitären Umfeld der Geschwindigkeitsrekorde zu besiegen war für Rimac aber nur der Anfang, denn jetzt musste er sein eigenes Auto erst bauen. Aber wo? „Es war schrecklich“, sagt er. „An der Universität für Maschinenbau in Zagreb sagten mir die Leute: ‚Was Sie wollen, ist unmöglich. Je schneller Sie aufgeben, desto weniger Menschen werden mit Ihnen zugrunde gehen.‘“ Rimac: „In Kroatien gibt es keinen einzigen Venture-CapitalFonds. Staatliche Hilfe bekamen wir auch nicht. Internationale Investoren wollten nichts davon wissen. Ich glaube, in Silicon Valley bekommt man Fördermittel schon aufgrund einer PowerPoint-Präsentation. Wir mussten erst Produkte in zehn Länder liefern, Rekorde brechen und das schnellste Elektroauto der Welt bauen, ehe uns jemand finanzierte. Ich lieh mir überall Geld, wo ich konnte – bei Freunden, der Familie und Verrückten.“ Dennoch, beteuert Rimac, habe er niemals erwogen, seinen Traum außerhalb Kroatiens zu verwirklichen. „Enzo Ferrari stammte aus Modena, und Ferrari ist dort. Ferdinand Porsche war aus Stuttgart, und Porsche ist in Stuttgart. Ich bin von hier, warum sollte ich es nicht hier machen?“ Rimac war entschlossen, auch die ganze Technik intern zu entwickeln, eine radikale Entscheidung, durch die er hoffte, fatale Fehler des Wettbewerbs vermeiden zu können. „Die Automobilindustrie wird von Riesenunternehmen dominiert. Die Einnahmen von VW sind sechsmal so hoch wie das kroatische Bruttoinlandsprodukt. Die Branche ist nicht für Neueinsteiger und Start-ups gemacht, aber meine Vorbilder waren die Hypercar-Konstrukteure Horacio Pagani und Christian von Koenigsegg, die bewiesen haben, dass es möglich ist.“ Nach deren Vorbild wollte Rimac sein Auto bauen: „Erst habe ich mich an die großen Zulieferer gewandt. Aber um mit denen zu arbeiten, hätten wir hunderte Millionen Schulden machen müssen.“ Das hat der US-Autohersteller Fisker gemacht, fügt Rimac hinzu: „Die stellten Manager aus der Autobranche ein, die nur in diese Richtung dachten. Die Entwicklung ihres Autos kostete 1,4 Milliarden Dollar, weil sie ganz von Zulieferern gemacht wurde. Sie gingen pleite. Dazu war ich nicht bereit. So hatten wir keine andere Wahl, als unsere Technik selbst zu entwickeln, nicht nur wegen des Geldes, sondern weil es die Technik, die ich wollte, einfach nicht gab.“ Mit anfangs nur sieben Mitarbeitern entwickelte Rimac sein Auto innerhalb


TECHNO-POWER Wie von einem 1,6-Millionen-Dollar-Auto erwartbar, ist das Concept One mit modernster Technologie vollgepackt, die gänzlich von den Entwicklern des Unternehmens in Kroatien stammt.

1 Der Antriebsstrang des Concept One besteht aus vier Elektromotoren und vier Getrieben. Die Triebwerke vorn sind jeweils mit vier 1-Gang-Getrieben verbunden, hinten hat jedes ein eigenes Doppelkupplungsgetriebe mit zwei Gängen. Gesamtleistung aller Motoren: 1224 PS mit einem Drehmoment von 1600 Nm. 5

2 Das Auto ist mit einem sogenannten Torque-Vectoring-System ausgestattet, das 100-mal pro Sekunde jedes Rad einzeln steuert und so Fahrverhalten und Haftung beeinflusst. Der Fahrer kann verschiedene Modi wählen, um das Fahrverhalten perfekt seinen Vorlieben und der gegebenen Situation anzupassen. 3 Die Motoren werden von 8450 LithiumIonen-Batteriezellen gespeist, die entlang des Mitteltunnels und hinter dem Insassenraum angebracht sind. Das Akkupaket liefert 1 MW Leistung beim Beschleunigen und rekuperiert 400 kW beim Bremsen. 4 Rimac hat das Motorsystem mit der weltweit höchsten Leistungsdichte entwickelt, das jedes Rad einzeln antreibt. Die Motoren reagieren ohne Zeitverzögerung, haben eine Effizienz von über 90 Prozent und bieten bei jeder Geschwindigkeit das volle Drehmoment.

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5 Im Cockpit des Concept One zeigt ein Infotainment-System telemetrische Daten an, die sich auch über 4G in die Cloud hochladen lassen. Die Daten können in Echtzeit eingesehen oder später mit einer mobilen App analysiert werden.

Der Concept One ist aber nur eine Facette einer wachsenden Sparte. „Im Endeffekt ist das Auto jetzt eher ein Vorzeigemodell von dem, was wir können, ein sehr kleiner Teil unseres Geschäfts. Wir sind jetzt fast 300 Leute. Dieses Wachstum wäre mit Autos allein unmöglich.“ Viele von Rimacs Technologie-Partner Technologie-Partnerschaften sind gut gehütete Geheimnisse, andere kennt man, etwa die Lieferung von Akkutechnologie für AM-RB 001, ein gemeinsames Projekt von Aston Martin und Red Bull Racing – kürzlich in „Valkyrie“ umbenannt. „Das Projekt ist für uns enorm wichtig, vor allem wegen der Zusammenarbeit mit Red Bull Racing und Adrian Newey, dem erfolgreichsten Formel-1Ingenieur der Geschichte“, sagt Rimac. Und es gibt einen Kontakt mit Rimacs großem Helden Christian von Koenigsegg. „Was uns verbindet, ist, dass wir eine sehr technische Einstellung haben“, erklärt Rimac. „Er ist kein Erbsenzähler oder jemand, der das tut, was er tut, um reich zu werden. Und bei mir ist es genauso. Ich möchte ans Limit gehen, neue Maßstäbe setzen. Ich möchte in dem, was ich mache, der Beste sein und als kleine Firma die Grenzen der Branche vorantreiben.“

6 Das rekuperierende 400-kW-Bremssystem funktioniert wie die Energierückgewinnungssysteme von Formel-1-Autos, die in der Bremsphase Energie generieren. rimac-automobili.com

imac möchte aber nicht, dass seine Firma klein bleibt. „Der nächste Schritt wird sein, in die Großserienproduktion zu gehen. Wir wollen nicht nur Sonder- und Nischenprojekte machen. Das sind gute Geschäfte, aber unsere Vision ist eine andere. Wir sehen uns als führender Entwickler im Bereich Elektrifizierung, Vernetzung und Elektrofahrzeug-Technologie.“ Und die Zukunft des Concept One? Da sich das Unternehmen zu einem Technologieentwickler gewandelt hat, wird es das letzte Auto sein, das Rimac gebaut hat? „Nein, es wird noch weitere geben“, sagt Mate Rimac. „Autos zu bauen ist nicht die klügste Geschäftsentscheidung, aber es ist meine Passion und ideal, um zu zeigen, was Elektroautos leisten können. Will man etwas in der Art machen, ist Hartnäckigkeit unverzichtbar. Man opfert dem sein ganzes Leben. Es ist eine Obsession … aber eine, die einem sehr viel gibt. Wir arbeiten gerade an so vielen Dingen: dem nächsten Auto, der nächsten Produk Produktionsstätte, die teilweise in einer Burg aus dem 14. Jahrhundert angesiedelt wird. Ich möchte dort eine Rennstrecke bauen.“ „Was mich so weit gebracht hat“, resümiert Rimac, „ist meine Neugier. Ich bin gespannt, was als Nächstes kommt.“ Zu sehen ist der Concept One bei: Krone E-Mobility Play Days, 29. und 30. 9., am Red Bull Ring, Spielberg 37


DER

DRACHENFÄNGER

S I E H I E LT E N I H N F Ü R D U M M . D O C H D O N M O N TA G U E V E R ­

WA N D E LT E D I E S E V E R M E I N T­ L I C H E S C H WÄ C H E I N E I N ­G E N I E , D A S S O G R O S S I S T, D A S S G O O G L E I H M D I E PA R T N E R ­ S C H A F T A N B O T. J E T Z T F L I E G T D O N Ü B E R D A S WA S S E R U N D B E W E I S T D E R W E LT, D A S S E R S C H O N A L S K I N D R E C H T H AT T E . TEXT: ANDREAS TZORTZIS F O T O S : B E T SY P F E I F F E R


Montagues Trimaran. FĂźr seinen Rekord baut er eine 20-MeterVersion, die dreimal so schnell wie der Wind fahren kann.

INNOVATOR

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„STÜRME HABEN MICH GEPRÄGT, DER WIND IST MEIN ELEMENT.“ Don Montague kom­ binierte einen Kite mit einem Boot, um die Grenzen des Sports zu überwinden.


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on Montague sitzt nicht gern still. Der Kanadier wieselt in der ehe­ maligen Lagerhalle der US­Marine in der Bucht von San Francisco von einer Ecke in die andere, bleibt plötzlich vor dem Rumpf eines 20 Meter langen Trimarans stehen und hebt diesen mühelos in die Höhe. „Fühl mal, wie leicht der ist“, sagt er. Mit diesem Boot will Mon­ tague einen neuen Weltrekord auf auf­ stellen. Doch dazu später. Jetzt zieht Don an der Kette des Rolltores. Die Konstruktion hebt sich. Von der Bucht bläst eine Bö in die Halle. Draußen, unter einem gewölbten Schutzdach, liegt Montagues bis­ heriges Meisterwerk: der kleine Bruder des Bootes in der Halle, ein neun Meter langer Trimaran, der sich sofort nach dem Anfahren auf seine Tragflächen (Hydrofoils) hebt und dann eine Höchstgeschwindig­

keit von 40 Knoten (ca. 74 km/h) erreicht. Diese sensationelle Per­ formance verdankt das Boot einer außergewöhnlichen Idee: Es wird nicht über ein Segel (oder einen Flügel wie bei den America’s­Cup­ Katamaranen) angetrieben, sondern über einen 60 Quadratmeter großen Lenkdrachen. Diesen Einfall hatte Montague bereits 2003. Damals montierte er einen Kite am Segelboot seiner Eltern und stellte fest, dass das Ding abging wie eine Rakete. Seine Arbeit erregte Aufsehen. Die Google­Gründer Larry Page und Sergey Brin inspirierten ihn, eine Firma zu gründen, Makani (= Wind, hawaiianisch) Power. Diese ver ver­ marktet Kites als alternative Wind­ energiequelle nicht nur für Segel­ boote, sondern auch generell zur Stromerzeugung. Noch heute stehen Page und Brin hinter dem Projekt: als Investoren, Mentoren und mit­ unter sogar als Versuchspersonen.

Vor 53 Jahren in Vancouver in British Columbia geboren, machte sich Don Montague erst als Windsurfer einen Namen. Aber es waren die von ihm entworfenen Kites, die die junge Sportart Kiteboarding vorantrieben.

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DON MONTAGUE VERLIESS SEINE FIRMA KURZ VOR DER ÜBERNAHME DURCH GOOGLE: „JA, ICH HÄTTE TONNEN VON GELD UND AKTIEN BEKOMMEN. ABER DAS WAR NICHT, WAS ICH WOLLTE.“ 42

INNOVATOR


W IE DR ACHEN S T ROM M ACHEN Makani Power – die Firma, die Montague mitbegründet hat – hat Drachen ent­ wickelt, die mit Wind­ turbinen ausgestattet sind und zwischen 80 und 350 Meter hoch fliegen. Durch lang­ sames Kreisen in der Luft erzeugen sie Energie, die durch ein mit Kabeln bepacktes Befestigungsseil an eine Bodenstation ge­ leitet wird, von wo sie in das Stromnetz ein­ gespeist wird. Damit könnte Strom deutlich günstiger als bisher produziert werden. In absehbarer Zeit sollte es so weit sein. „Ich glaube, die Welt ist davon nicht weit weg“, sagt Montague. „Es arbeiten derzeit fünf verschiedene Gruppen daran. Meine Voraus­ sage ist, dass die Technik in zehn Jahren so weit sein wird und wir in großem Maße kostengünstige Energie produzieren werden.“

INNOVATOR

Don Montague hingegen verließ die Firma vor zwei Jahren. Auslöser dafür war der Tod seines Freundes und Partners Corwin Hardham, aber auch weil sich Don von da an zu hundert Prozent seinen verrückten Ideen widmen wollte: einem Düsensurfbrett, das auf Tragflächen über das Wasser gleitet, einem ElektroTragflächenboot oder einer aufblasbaren Plattform, die als Startfläche für Kites verwendet werden kann. Ein weiteres dieser Projekte will Montague diesen Sommer finalisieren: Mit seinem neuen, 20 Meter langen Trimaran, der von einem 216 Quadratmeter großen Lenk Lenkdrachen angetrieben wird, möchte er die 2500 Meilen (4023 Kilometer) zwischen Los Angeles und Hawaii in weniger als drei Tagen und 19 Stunden bewältigen. Gelänge ihm das, hätte Don den bestehenden Weltrekord für ausschließlich windgetriebene Boote geknackt – und damit bewiesen, wie überlegen Kites als Antriebsmittel sind. the red bulletin innovator: Wie schnell müsstet ihr sein, um den Rekord zu brechen? don montague: Wir müssten durchgehend mit 35 bis 40 Knoten segeln (ca. 65 bis 74 km/h; Anm.), das sind 80 bis 90 Prozent der Maximalleistung. (Die tatsächlich zu segelnde Strecke ist wegen der unberechenbaren Windverhältnisse stets deutlich länger als die Luftlinie; Anm.)

Bei diesem Speed sind Fehler lebensgefährlich. Das bedeutet volle Konzentration rund um die Uhr, und das fast vier Tage lang. Wie bereitet man sich darauf vor? Meine Crew besteht aus Olympiasiegern und Weltumseglern. Die wissen, wie man fokussiert bleibt und auch unter extremen Bedingungen Ruhe bewahrt. Du selbst bist in Vancouver aufge­ wachsen und hattest buchstäblich eine stürmische Kindheit, richtig? Ich lebte mit meiner Familie sogar ein Jahr lang auf einem Segelboot. Als ich fünfzehn war, arbeitete mein Vater in Alaska. Dort besuchte ich ihn. Die Stürme, die extremen Bedingungen, die ich in Alaska erlebte, prägten mich. Der Wind ist mein Element. Er konnte noch so verrückt toben, ich bin rauf aufs Dach, krallte mich am Geländer fest und ließ die Füße runterbaumeln. Meine Eltern hat das natürlich wahnsinnig gemacht. Nachvollziehbar. Ich war auch der, der immer das Telefon zerlegte. Ich nahm alles auseinander, was ich in die Hände bekam. Ohne eine Ahnung von der Technik zu haben. Ich bin auch nicht auf die Uni gegangen. Viele Leute dachten, ich sei dumm. Dabei bin ich Legastheniker und wusste das selbst vierzig Jahre nicht. Wie können wir uns das vor­ stellen? Ich kann mir zum Beispiel deine Telefonnummer nicht merken, weil alle Zahlen verdreht sein werden. Ich kann keine drei Ziffern in Folge im Geist behalten. Oder wenn du mir sagst, bieg rechts ab, muss ich erst mal überlegen, wo rechts ist. Wie hast du dann geschafft, was du geschafft hast? Ich musste immer meine ganz eigenen Lösungswege kreieren. Ich geb dir ein Beispiel: In meiner Highschool-Zeit gab es noch keine kleinen Kassettenrekorder. Also zer zerlegte ich einen großen, bastelte dar daraus einen kleinen und verband ihn mit einem kleinen Kopfhörer, dessen Kabel ich unter meinen Haaren ver versteckte. Ich nahm alles auf, was ich zur Abschlussprüfung in der Highschool brauchte, weil ich mir wegen meiner Legasthenie nichts merken konnte. Das Entscheidende an der Geschichte ist, dass ich eine Lösung gefunden hatte. 43


Der Pionier in seiner Halle in San Francisco (im Gespräch mit einem Mitarbeiter): Don Montague ist seit seiner Kindheit ein Problemlöser.

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ich wollte, das die Dinge hundertprozentig funktionieren. Beim Düsensurfbrett war das so, zum Beispiel. Kein anderer fordert von mir, dass ich das mache, aber ich bin immer da und tüftle so lange, bis die Sache klappt. Und davon profitieren dann alle. Was genau treibt dich dabei an? Nehmen wir zum Beispiel das KiteBoot her. Ich will, dass auch alle anderen das Gefühl erleben können, das ich hatte, als ich zum ersten Mal damit durch die Wellen zog. Dieser regelrechte Rausch, dass all das wirklich passiert – es ist unglaublich, wie sich das anfühlt. Wie fühlte sich das an, als du mit deinen Ideen plötzlich vor den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin standest? Ich war total nervös. Da waren jede Menge Topleute von Google anwesend, und ich hatte einen kleinen Vortrag über meine Idee vorbereitet, mit Drachen Strom zu erzeugen. Als ich gerade mal angefangen hatte zu reden, übernahm Larry Page das Wort und meinte: „Don ist großartig, und wir werden das machen. Wenn das Unternehmen nicht mitmachen möchte, lasst uns draußen weiterreden.“ Das war’s? Ja, sie ließen mich in diesem kleinen Raum allein. Nach nur zwei Minuten kamen sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht wieder und sagten mir an Ort und Stelle eine Finanzierung in der Größenordnung von zehn Millionen Dollar zu. Unglaublich. Larry und Sergey sind ständig auf der Suche nach neuen Wegen, Energie zu erzeugen. Als ich ihnen sagte, dass ich schon auf die Leistung von einem Gigawatt komme, war die Sache klar. Jeder Surfer erzeugt in jedem Moment Energie, daher kann ich auf diese Weise selbstverständlich Energie produzieren. Schon toll, dass Google diese Vision teilte. Sie sagten: Lasst uns ein Unter Unternehmen gründen und die Kites als Werbemittel verwenden, damit sich die Botschaft rumspricht. So wurde also Makani Power mitfinanziert. Als Google X deine Firma später zur Gänze über übernehmen wollte, bist du ausgestiegen. Warum?

„ZUM TEIL IST DAS AUCH EIN E G O -T R I P. I C H WOLLTE DAS UNBEDINGT TUN – UND ICH SETZE IMMER UM, WAS ICH VORHABE.“ Mein Mitgründer und KitesurferKollege Corwin Hardham starb völlig überraschend an seinem Schreibtisch (im Oktober 2012; Anm.). Er war der Chef des Teams. Ich war eher hinter den Kulissen tätig. Mit seinem Tod hätte ich die ganze Last tragen müssen. Na ja, immerhin mit einem extrem starken Partner wie Google. Ja, aber ich wäre dann eher so etwas wie ein Babysitter geworden, anstatt derjenige zu sein, der an vorderster Front Versuche durchführt. Du wärst allerdings ein sehr reicher Babysitter geworden. Ja, wahrscheinlich hätte ich Tonnen von Geld und Aktien bekommen. Aber es war einfach nicht das, was ich gut kann und tun möchte. Es geht mir nicht ums Geld. Worum geht es dir dann? Es geht immer darum, Aufmerksamkeit zu schaffen und die Menschen auf neue Ideen zu bringen, zum Beispiel, sie dazu zu bringen, Drachen als Energiequelle zu verstehen. Klingt das nicht ein bisschen zu sehr nach Menschenfreund? Ja, stimmt schon. Zum Teil ist es auch ein Egotrip. Etwas, das ich unbedingt tun wollte – und ich setze immer alles um, was ich vorhabe. project.kiteboat.com

MAX SCHWARTZ

Das ist beeindruckend. Mein ganzes Leben lang habe ich Probleme auf ähnliche Weise gelöst. Ich muss immer vorausdenken, welcher der nächste Zug und der übernächste Zug sein werden. Das Surftalent hingegen fiel dir in den Schoß. Ja, wenn du mich auf ein Surfbrett stellst, ist das kein Thema, weil alle Informationen, die ich brauche, bei mir ankommen und ich sie sofort verwenden kann, um darauf zu reagieren. Dein Lösungs-Gen hat aber auch da durchgeschlagen. Du hast die Ausrüstung ständig verbessert und schließlich sogar eine neue Art Segel entworfen. Ich muss Bestehendes verändern und Neues entwickeln. Ich kann nicht zweimal mit dem gleichen Gerät surfen. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie es ist, mit Leuten zusammen zu sein, die nicht so ticken. Die werden verrückt, wollen lieber am Strand sitzen. Für mich gilt: Jeder Tag, an dem man etwas nicht tut, ist ein Tag weniger, an dem man es tun könnte. Rastlos, könnte man sagen. Es gab Zeiten, da verbrachte ich vier Monate am Stück in der Fabrik, weil


Der Trimaran beim Verladen in Alameda. Diesen Ort hat Don Montague gewählt, weil er hier unmittelbaren Zugang zum Wasser in der Bucht von San Francisco hat und es dort die besten Techniker gibt.

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N OT M AC H T ER FI N D ER I SC H , H EI SST ES. H EU T ZU TAG E R EI C H T B ER EIT S D ER W U N SC H . C ROWD F U N D I N G -WEB S EIT EN WI E I N D I EG O G O U N D KI C KSTA RT ER M AC H EN U N G L AU B L I C H E I D EEN WA H R . H I ER D I E N EU EST EN T R EN DS ... T E X T: T O M G U I S E

EDGE OF TOMORROW 46

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FAHRRAD KOMPLETT DIE ZUKUNFT VON E-BIKES IST KLAPPBAR UND FETT.

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as Fahrrad wird 200 Jahre alt und ist beliebter denn je. Die Gründe liegen auf der Hand: wachsendes Gesundheitsbewusstsein, Umweltverschmutzung und Staus, aber auch technischer Fortschritt. Das MOAR ist aus all diesen Faktoren entstanden.

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ünstliche Intelligenz könnte sich irgendwann gegen ihre menschlichen Herren wenden und uns alle unter unterdrücken. Bis dahin halten wir uns damit fit. Vi, der erste Artificial Intelligence Personal Trainer, sieht aus wie ein Paar In-Ear-Kopfhörer. Was er auch ist – mit Audiotechnologie von Harman/Kardon ausgestattet. Aber er ist auch vollgepackt mit Sensoren, die Bewegungen und biometrische Daten aufnehmen, Informationen über Position, Höhe, sogar Wetterlage abrufen können und dich dann über Sprachanweisungen coachen – um abzunehmen, für einen Laufevent zu trainieren oder einfach fit zu bleiben. Läufst du zu langsam, spornt er dich an; fordert dich das Training zu wenig, verschärft Vi den Rhythmus; erreichst du dein Limit, ermutigt er dich, es zu überschreiten. Da Vi chic aussieht, kann man getrost der Empfehlung von Hersteller Lifebeam folgen und Vi den ganzen Tag tragen, um alle (In)aktivitäten zu messen und bei Bedarf entsprechende Anweisungen zu erhalten. In einer Welt, in der ein Drittel der Bevölkerung fettleibig oder übergewichtig ist, kann diese Anwendung künstlicher Intelligenz unseren Lebensstil deutlich gesünder machen. getvi.com


GENIALE BERÜHRUNG DIE ERDOBER­ FLÄCHE IN EINE MILLIARDE TOUCHSCREENS VERWANDELN.

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eit das iPhone 2007 auf den Markt kam, ist die Technikwelt von Touchscreens besessen. Sony lebt diese Technologie: Der Xperia Touch, ein Short-ThrowProjektor, projiziert auf bis zu zwei Meter Entfernung hochauflösende Bilder, mit denen man durch einfache Berührung interagieren kann – etwa mit einem Klavier auf dem Küchenboden. Das Ding ist extrem mobil: Man blättert an der Wand des Konferenzraums durch seine Folien oder tippt einen Tweet und verwendet dabei eine Parkbank als Tastatur. Es merkt sogar, wenn du in der Nähe bist, und schaltet sich automatisch ein. Und: Es ist mit dem Google Play Store verbunden und kann praktisch jede Android App abspielen. sonymobile.com


MICROSOFT HOLOLENS, WWW.MICROSOFT.COM/EN-GB/HOLOLENS

ZUKUNFTS­ VISIONEN DER DURCHBRUCH VON VIRTUAL REALITY FINDET GERADE VOR UNSEREN AUGEN STATT.

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tar Wars“ hat uns holographische Videoanrufe vor vor­ ausgesagt, „Star Trek“ ganze Holodecks. Micro­ soft scheint nun beides zu verwirklichen – mit HoloLens. Ähnlich wie bei Virtual Reality wird bei HoloLens ein Headset ver ver­ wendet, auch wenn es wie

ein durchsichtiges Helm­ visier aussieht. Ein holo­ graphischer Projektor sieht deine Umgebung und kann sie über den Visor mit virtuellen Gegenständen visuell erweitern. Es zeich­ net deine Bewegungen auf und korrigiert sie in Echt­ zeit: Alle Gegenstände er er­ scheinen so, als wären sie

tatsächlich im Raum. Dabei kann man sich frei bewe­ gen und mit den Objekten durch einen Handcontroller interagieren. Microsoft hat bereits ein Software Development Kit veröffent­ licht, und es werden derzeit 150 Apps entwickelt, darunter auch Spiele. microsoft.com INNOVATOR


DAS EINFACHE LEBEN DIE LÖSUNG FÜR DEN ULTIMATIVEN DIGITALEN STIFT LIEGT IN UNSERER VERGANGENHEIT.

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n der Geschichte des Bleistifts findet sich eine hübsche Legende. Während des Wettlaufs ins All, in den 1960ern, gab die NASA Millionen für die Entwicklung eines Astro­ nautenstifts aus, der auch in der Schwerelosigkeit funktioniert. Die Russen drückten ihren Kosmo­ nauten einen Bleistift in die Hand. Heutige Designer sollten sich daran ein Bei­ spiel nehmen: Trotz Licht­ griffel und digitaler Stifte – der simple Bleistift bleibt unübertroffen, wenn es um sinnliche Perfektion beim Zeichnen und Schreiben geht. Darum wandte sich Samsung für seinen neuen S Pen an den deutschen Bleistifthersteller Staedt­ ler. Das Ergebnis: der Noris Digital. Staedtlers Noris­Linie ist eine der ikonischsten Bleistift­ marken weltweit. Der Noris Digital sieht exakt gleich aus. Obwohl er aus Kunststoff ist, erinnern Gewicht und Haptik an einen mit Wachs über­ zogenen Grafitstift, die Innentechnik von Wacom verleiht ihm aber die Druckempfindlichkeit und Präzision eines aus­ gezeichneten Taststifts. staedtler.com

INNOVATOR


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ie papierlose Zukunft scheint mit jedem neuen Tablet, Smartphone und E‑Reader näher zu rücken. Und dennoch waren die materielle Haptik und der Komfort von Schreiben und Zeichnen auf Papier bisher nicht zu schlagen. Hier setzt reMarkable an: Dieses E‑Ink‑Tablet ‑‑Tablet ähnelt dem Kindle, nur kann man mit dem mitgelieferten digitalen Stift auf der Touch‑Fläche (Diagonale: 10,3 Zoll) auch schreiben. Was reMarkable von ande‑ ren E‑Ink‑Displays unter‑ scheidet, heißt Canvas Display: eine höchst rei‑ bungsempfindliche Ober‑ fläche, die sich, berührt man sie mit dem Stift, wie Papier anfühlt. Damit kann man seine Arbeit in Notiz‑ büchern organisieren, denen niemals die Seiten ausgehen und die fähig sind, die meisten üblichen Dokumentenformate dar‑ zustellen, die alle über WLAN hochgeladen wer‑ den können. Dokument‑ vorlagen und Pinselwerk‑ zeuge sind auch dabei. Ablenkung gibt es keine – der reMarkable kann keine Nachrichten empfangen. getremarkable.com

PAPIER IST TOT EIN NEUES KAPITEL IN DER ENTWICKLUNG DES SCHREIBENS.


INTERVIEW

VERSUCH’S AUF EIGENE FAUST

Markus Schecklmann reist gerne, sammelt auf Kickstarter Geld für den ultimativen Backpacker-Rucksack und hilft Gründern dabei, erfolgreich zu sein. Wie macht das der 29-Jährige?

KAROLINA PAROT

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INNOVATOR

Der Rucksack im Bild nennt sich Mundo, bietet euren Abenteuern 55 Liter Platz und ist ab sofort bestellbar.

ch bin einerseits Start-up-Gründer, anderseits Mitglied einer Agentur, die Start-ups hilft, ihre Produkte zu verkaufen und somit er erfolgreich zu sein. Mit 23 war ich bei einem Sportartikelhersteller mit riesiger und professioneller Unternehmensstruktur. Ich konnte dort viel für meine jetzige Tätigkeit mitnehmen. Gleichzeitig habe ich aber gemerkt, dass man im kreativen Bereich sehr limitiert ist. Es gab sehr strikte Vorgaben und Richtlinien. Als

junger Mensch, der einfach mal probieren und machen will, fährst du besser, wenn du es einfach selber mit einem Start-up versuchst. Das Schöne daran ist, dass du die ganze Verantwortung trägst. Jeden Schritt musst du selber gehen. Das macht viel Druck, fordert dich aber gleichzeitig. Wenn es um Crowdfunding geht, hast du sehr schnell Feedback. Du entwickelst einen Prototyp, startest eine Kampagne, und spätestens nach 30 bis 40 Tagen weißt du, ob es einen Markt für dein Produkt gibt oder nicht. Die Zyklen sind kurz, du lernst schnell. Wenn du scheiterst, versuchst du es einfach noch mal. Um Erfolg zu haben, brauchst du ein Produkt, das funktioniert, innovativ und gleichzeitig kommerziell relevant ist und zu einem fairen Preis angeboten wird. Die Leute wollen etwas für ihre Unterstützung haben. Aus Goodwill macht keiner mit. Meine Idee zu einem Rucksack, der zum Lifestyle der Backpacker passt, kam mir in Vietnam bei einer Reise. Er ist groß und stylisch, aber nicht so technisch und funktional wie Rucksäcke für Bergsteiger.“ hebe-life.com

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STELL DEIN ANGST

Smoke on: Motiva­ tionsprofi Mockridge liebt energiegeladene Auftritte.

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WWW.KAIFOTO.TV (2)

DICH ER

Motivationsredner Matthew Mockridge ist berühmt für ex p l o s i ve Vo r t r ä g e vo r L i ve Publikum. Uns verrät der K ö l n e r S t a r t - u p - G r ü n d e r, w i e man eine Idee erfolgreich an Fremde verkauft. Und warum er Business-Deals stets vormittags abschließt. INTERVIEW: DANIEL SCHIEFERDECKER


atthew Mockridge, 30, deutsche, kanadische und italienische Wurzeln, gründete 2011 das Start-up „Neonsplash-PaintParty“, das mittlerweile in 60 Städten ver vertreten ist. Als Keynote-Speaker setzt er sich offensiv mit den Herausforderungen und Ängsten innerhalb der Start-up-Szene auseinander. Sein erstes Buch trägt den Titel „Dein nächstes großes Ding. Gute Ideen aus dem Nichts entwickeln“. the red bulletin innovator: Herr Mockridge, wir fallen gleich mal mit der Tür ins Haus: Wie werde ich erfolgreich? matthew mockridge: Was verstehen Sie darunter? Geld verdienen, zum Beispiel. Das ist schon der erste Fehler. Was wollen Sie denn mit dem Geld? Ich dachte, es hilft vielleicht, ein zufriedenes Leben zu führen. Zufriedenheit kann man nicht kaufen. Stattdessen sollte man in sich hineinhorchen und herausfinden: Wer bin ich? Was macht mir Spaß? Wenn du einen Job nur des Geldes wegen machst, wird jeder Tag Knochenarbeit sein. Wenn dir dein Beruf aber Freude bereitet, machst du ihn gut. Dann wirst du erfolgreich sein. So wie Sie das erzählen, klingt das einfach. Wieso schaffen es dann viele Menschen trotzdem nicht? Weil die meisten sich permanent mit anderen vergleichen. Aber es gibt immer jemanden, der ein noch dickeres Auto fährt – man kann also nur verlieren. Woher kommt dieser Vergleichszwang? Aus mangelndem Selbstvertrauen, das durch Werbung und Social Media noch verstärkt wird. Alle gaukeln einem vor: „Mein Leben ist perfekt“ – selbst wenn das Quatsch ist. Der Typ in der PorscheWerbung? Sieht immer happy aus. So werden Begehrlichkeiten geweckt. Und wenn man sich den Porsche nicht leisten kann, führt das zu Selbstzweifeln und Unzufriedenheit. Was kann man dagegen tun? Sich nicht mehr in diese Vergleichsmomente begeben. Ich bin zum Beispiel nicht mehr bei Facebook. Am Anfang war das schwierig, aber es hat sich gelohnt: Ich arbeite jetzt viel ruhiger und konzentrierter. Und ich habe mehr Zeit. Ist „Nehmt euch mehr Zeit“ die Hauptbotschaft an Ihre Kunden? Bei meinen Coachings versuche ich, den Start-up-Gründern Mut zu machen und ihnen Tipps zu geben, wie sie ihre

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„Für Veränderungen sorgen. Neue Dinge tun. Mit Leuten reden, die klüger sind als man selbst. Dann muss man sich bewegen, Bewegung bedeutet For tschritt. Ich versuche immer, der Dümmste am Tisch zu sein.“ Business-Idee realistisch umsetzen können. Viele wissen schon gar nicht mehr, wo ihre Leidenschaften und Fähigkeiten eigentlich liegen. Deshalb gebe ich Ihnen eine Hausaufgabe … … jetzt sind wir gespannt. Sie lautet: Mach dir jeden Tag drei Dinge bewusst, für die du dankbar bist. Dadurch konditioniere ich die Leute neu. Sie sehen dann viel häufiger Positives, wo sie vorher nur Probleme erkannt haben. Diesen Muskel muss man trainieren, damit er stärker wird. Sie haben einige erfolgreiche Start-ups gegründet, wie die Neonsplash-Paint-Party – eine Elektropartyreihe, bei der die Gäste mit fluoreszierender Farbe beschossen werden. Wie schafft man es, fremde Menschen von so einem unkonventionellen Konzept zu begeistern? Je verrückter die Idee, desto mehr muss man tun, um die Leute davon zu überzeugen. Generell helfen dabei zwei Dinge: Erstens sollte man stets mit breiter Brust agieren, mit einer „Entweder mit oder ohne euch“-Haltung. Das wirkt attraktiver, als wenn man duckmäuserisch um Geld bettelt. Und zweitens sollte man immer etwas zum Vorzeigen haben: die BetaVersion einer App, einen Dummy – was auch immer. Die Leute wollen greifbare Argumente. Außerdem signalisiert das: Ich glaube an das Produkt, deshalb arbeite ich bereits daran. Aber was, wenn es mir an breiter Brust fehlt? Nicht jeder geht selbstbewusst in ein Verkaufsgespräch – vor allem, wenn seine Zukunft davon abhängt. Man muss sich seinen Ängsten stellen – so schwer das am Anfang auch sein mag. Aber wenn man erst mal anfängt, sich mit der Angst zu beschäftigen, verschwindet sie von ganz allein. Hätten Sie einen konkreten Tipp, falls sie trotzdem nicht verschwindet? INNOVATOR


DINKO VERŽI

Tech-Profi Mockridge: „Seit ich bei Facebook abgemeldet bin, arbeite ich konzentrierter.“

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Wenn du vor einer Gruppe fremder Menschen sprechen sollst, verbünde dich mit ihnen: Geh hin, stell dich vor – aber verbieg dich nicht. Bleib du selbst. Und sei gut vorbereitet. Je mehr du im Trai­ ning schwitzt, desto weniger blutest du im Kampf. Sie arbeiten als Start-up-Gründer, Coach, Buchautor, halten Vorträge und betreiben einen Podcast. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut? Ich habe wertvolle Routinen etabliert. Dafür nutze ich die Tatsache, dass der Mensch ein Gewohnheits­ tier ist. Inwiefern? Selbst Dinge, die oft Überwindung kosten, wie der Gang ins Gym, passieren mittlerweile ganz auto­ matisch, ohne dass ich mich jedes Mal erst aufs Neue dazu durchringen muss – das spart Kraft und Energie, die ich nun sinnvoller nutzen kann. Anders würden Sie Ihre vielen Projekte vermutlich auch gar nicht gestemmt bekommen, oder? Die Zeiten, in denen ich sieben Tage die Woche durchgearbeitet habe, liegen hinter mir. Mit Anfang zwanzig ging das, da konnte ich das noch wegstecken. Mittlerweile sind mir andere Sachen wichtiger. Welche zum Beispiel? Ich habe mich weiterentwickelt, meine Lebens­ führung verändert, setze andere Prioritäten und

arbeite wahrscheinlich weniger, als die meisten Leute denken würden. Ich bin heute viel mehr damit beschäftigt, die Axt zu schärfen, als den Baum zu fällen. In Ihrem Job müssen Sie viele Entscheidungen treffen. Den meisten Menschen fällt das schwer. War das bei Ihnen anfangs auch so? Natürlich. Entscheidungen zu treffen ist nie einfach. Die bereits angesprochenen Routinen helfen mir jedoch dabei, viele Prozesse auf Autopilot zu setzen. Wirk Wirk­ lich wichtige Entscheidungen treffe ich außerdem nur morgens. Ach ja? Warum? Dafür gibt es eine biochemische Er­ klärung, die mit dem Glukosewert zu tun hat. Aber um es bildlich zu machen: Wenn man davon ausgeht, dass die Entscheidungskraft endlich ist und man etwa 50 gute Entscheidungen pro Tag treffen kann, sollte man seine Munition nicht morgens schon sinnlos verschießen mit Fragen wie „Was soll ich anziehen?“ oder „Gehe ich erst duschen oder Zähne putzen?“. Diese Dinge laufen bei mir automatisch, sodass ich mich direkt mit wichtigen Dingen beschäftigen und da­ durch gleich frühmorgens den richtigen Weg in den Tag einschlagen kann. Aber was, wenn man ein Morgenmuffel ist und abends besser arbeitet? Da muss man unterscheiden zwischen kreativer und strategischer Entscheidungs­ findung. Ich würde nie um 23 Uhr einen wichtigen Business­Deal abschließen, könnte mir aber durchaus vorstellen, in der Ruhe der Nacht ein paar Seiten meines Buches zu schreiben. Apropos: Ihr erstes Buch heißt „Dein nächstes großes Ding. Gute Ideen aus dem Nichts entwickeln“. Kurz und knapp: Wie schafft man das? Nur eines von sechs Kapiteln setzt sich mit praktischen Tipps zur Ideenfindung auseinander. Denn ob eine Idee wirklich zündet, hängt von ganz vielen Variablen ab. Man kann eine gute Idee nicht erzwingen. Aber man kann optimale Voraussetzungen dafür schaffen, damit sie einem in den Sinn kommt. Welche Voraussetzungen sind das? Für Veränderung sorgen. Neue Dinge tun, sich anders ausrichten; Bücher lesen, die man zuerst nicht versteht, und sich mit Leuten unterhalten, die klüger sind als man selbst. Denn dann muss man sich bewegen, und Bewegung bedeutet Fortschritt. Ich versuche daher immer, der Dümmste am Tisch zu sein. www.matthewmockridge.com 57


DER WILLE

DER SONNE

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DER SCHWEIZER RAPHAËL DOMJAN MÖCHTE MIT EINEM


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S O L A R F L U G Z E U G D I E S T R AT O S P H Ä R E E R R E I C H E N . S E I N E M O T I VAT I O N : N E U E R E KO R D E A U F S T E L L E N . U N D A LT E D E N K M U S T E R D U R C H B R E C H E N . T E X T: N I N A V E T T E R L I -T R E M L


DIE MISSION – EIN FLUG AN DEN R A N D D E S W E LTRAUMS: 2018 WILL RAPHAËL DOMJAN MIT EINEM SOLARFLIEGER-PROTOTYP I N D I E S T R AT O SPHÄRE GELANGEN. ANVISIERTE FLUGHÖHE: 25.000 METER.

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Im September 2010 stach er in Monaco in See, um mit einem solarbetriebenen Boot in einein­ halb Jahren die Welt zu umrunden. Bootsbauer und Skipper hatten eindringlich abgeraten, das Unterfangen sei aussichtslos, meinten sie, der filigrane Trimaran mit den 534 Quadratmetern Sonnenkollektoren würde keine zwei Tage auf hoher See überstehen. „Die Zweifel gaben mir zusätzliche Energie“, erzählt Raphaël Domjan. „Wenn alle davon ausgehen, dass ein Unter­ fangen sowieso gelingt, ist es ja keine richtige Herausforderung.“ PlanetSolar – so der Name des damaligen Projekts – wurde zur erwartet extremen Heraus­ forderung. 60 Knoten starke Winde (ca. 111 km/h) brachten Mensch und Material an die Belastungs­ grenze, Krankheiten und technische Probleme plagten die vierköpfige Besatzung an Bord, im Golf von Aden war gar militärischer Schutz vor Piraten nötig. Doch auch diese Schwierigkeiten bewirkten vor allem eines: Sie motivierten Domjan noch mehr, inspirierten ihn. „Eines Nachts während der Pazifiküberquerung beob­ achtete ich die Sterne und beschloss, bei Erfolg dieser Mission einen Solarflug in die Stratosphäre in Angriff zu nehmen. Ich träumte davon, die Sterne auch tagsüber zu sehen.“

DA S F L U G Z E U G AU F E I N E N B L I C K 8 , 5 M E T E R L Ä N G E — 2 4 , 9 M E T E R F L Ü G E L S PA N N E — 4 5 0 K I L O G E W I C H T

A P H A Ë L D O M J A N H AT E R FA H R U N G D A R I N , F Ü R V E R R Ü C K T G E H A LT E N Z U WERDEN.

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Pilot, Pionier und Abenteurer Raphaël Domjan: „Zeigen, was mit Solarenergie alles möglich ist.“ INNOVATOR

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Als die PlanetSolar PlanetSolar­Crew im Mai 2012 wieder in Monaco eintraf, von Tausenden umjubelt, war Domjan gedanklich längst beim nächsten Projekt: Aus der Werft sollte ein Hangar werden, aus PlanetSolar das Projekt SolarStratos. Raphaël Domjan hatte mit der Kraft der Sonne die Welt umsegelt. Nun wollte er mit der Kraft der Sonne an den Rand des Weltalls fliegen. 2014 begann die Arbeit an SolarStratos. Der Weg an den Rand des Weltalls ist mittler mittler­ weile vorgezeichnet. Nebst dem Hangar beim Flughafen Payerne im Kanton Waadt sind da auch schon rund 20 Mitarbeiter involviert, 30 inter­ nationale Partner und ein Flugzeug. Wie ein Sport­ flieger mutet der im Dezember 2016 enthüllte 10­Meter­ Meter Zweisitzer auf den ersten Blick an, nur Meter­ die enorme Flügelspannweite von 24,9 Metern fällt auf. 22 Quadratmeter Solarzellen sind auf den Tragflächen untergebracht – Voraussetzung dafür, dass die von der österreichischen Firma Kreisel entwickelten 20­kWh­Lithium­Ionen­Akkus ge­ laden werden, um wiederum den Propeller über zwei 32­kW­Elektromotoren anzutreiben.

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Pionierarbeiten im Hangar: Materialtests am Heckruder (unten), oben: Elektrik-Check mit zwei TeamIngenieuren

der sportliche Blonde, dem man nun wirklich kein Übergewicht attestieren würde. „Jedes Gramm kostet einen Höhenmeter.“ Neben umfassenden Material­ prüfungen, Tests in der Druck Druck­ kammer und Simulatortrainings sind schon in diesem Jahr kurze Erprobungsflüge angesagt, die neben Testergebnissen auch neue Rekorde erbringen sollen. Sympathische Idee: Den Rekord von 9420 Metern will der Solar­ Stratos­Pilot in Begleitung jenes Co­Piloten brechen, der ihn mit dem Projekt Solar Impulse aufge­ stellt hatte, seines Westschweizer Abenteurer Kollegen und Freun­ Abenteurer­ des Bertrand Piccard. Ferner ist ein Fallschirmsprung geplant – der erste solarbetriebene sozu­ sagen, womit ein weiterer Rekord abgehakt wäre. Spätestens 2019 wird sich Domjan allein in die Luft wagen. Dann gilt es laut Zeitplan das eigentliche Ziel zu erreichen, den Aufstieg auf rund 25.000 Meter

DA S F L U G Z E U G AU F E I N E N B L I C K D I E G E S A M T F L ÄC H E D E R S O L A R Z E L L E N A U F D E N F L Ü G E L N : 2 2 Q U A D R AT M E T E R – D I E G R Ö S S E E I N E S S TA N DA R D - H O T E L Z I M M E R S

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icht nur Leistungs­ fähigkeit und Zu­ verlässigkeit des Antriebs bei bis zu minus 70 Grad sind entscheidend. Mindestens so wichtig ist die kompromisslose Gewichtsreduk­ tion: Sämtliche Komponenten sind dem Leicht­ bau verpflichtet, der Korpus wurde aus karbon­ faserverstärktem Kunststoff gefertigt. Um das Gesamtgewicht auf 450 Kilo zu drücken, wird so­ gar auf eine Druckkabine verzichtet. Stattdessen muss der 45­jährige ­­jährige Domjan einen Raumanzug tragen – den ersten solarbetriebenen der Welt – und zehn Kilo abnehmen. „Mindestens“, seufzt


machen, zu warnen, das ist nicht genug. Die Botschaft lautet nicht: Hey Leute, wir haben ein Problem, wir müssen auf fossile Energien ver verzichten. Die Botschaft lautet: Wir haben einen Traum und die Technologien, um ihn zu verwirk verwirklichen. Wir dürfen optimistisch bleiben!“ Und noch wichtiger, als über das Problem zu reden – „damit erreicht man bloß Öko-Affine, die es nicht mehr zu überzeugen gilt!“ –, ist, etwas zu tun, zu beweisen, wie sehr Alternativen in der Praxis taugen, mit spektakulären Projekten. „Etwas tun, was noch niemand getan hat, das hat Signalwirkung. Der Erste zu sein sendet eine starke Botschaft aus, die bei allen ankommt: Politikern, Unternehmern, Öffentlichkeit.“ Während schon tausende E-Autos auf der Straße sind, ist noch kein kommerzielles E-Flugzeug in der Luft – geschweige denn ein solar solarbetriebenes. Umso geringer der Erfahrungsschatz, auf den SolarStratos-Entwickler zurückgreifen können. Und darüber, wie es sich in 25.000 Meter Seehöhe fliegt – weit über den Wolken, fernab jeglicher Turbulenzen, aber bei nur fünf Prozent des gewohnten Luftdrucks –, kann sowieso niemand berichten.

DAS TEAM: „AN SOLARS T R AT O S ARBEITEN I N T E R N AT I O N A L E E X PERTEN“, SAGT DOMJAN, „PILOTEN, MEDIZINER, METEOROLOGEN, TECHNIKER UND ASTRONAUTEN. ICH BRAUCHE DIE EXPERTISE JEDES EINZELNEN, U M DAS R I S I KO SO GERING WIE MÖGLICH Z U H A LT E N . “

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Höhe. Die Flugzeit soll über fünfeinhalb Stunden betragen, zweieinhalb Stunden Steigflug, 15 Minuten in der Stratosphäre, drei Stunden zurück zur Erde. Warum will einer, der mit Solarenergie schon weiter als alle anderen gekommen ist, noch höher hinaus? Raphaël Domjan ist kein schriller Rekordjäger, dafür ist er zu bodenständig. Interviewfragen quittiert er zurückhaltend, „ich“ kommt ihm schwieriger über die Lippen als „wir“. Der Solarpionier mag sich noch nicht mal als Abenteurer verstanden wissen, „lieber als Entdecker und Botschafter für nachhaltige Technologien, der den Versuch unternimmt, die Welt zu ändern“. Genau darum geht es ihm, seit er 2004 in Island einen See vorfand, wo elf Jahre davor noch ein Gletscher gewesen war. „Da erkannte ich, wie dramatisch der Klimawandel auch außerhalb der Zeitung stattfindet. Und ich wusste, darauf aufmerksam zu

Leicht, aber effizient: Domjan und ein Mikrotechnologe bei der Begutachtung eines der Solarmodule – eigens entwickelt für die SolarStratos-Mission.

Domjan lässt sich davon nicht beeindrucken – zu erfahren ist er in der Luft. Schon im Alter von 15 Jahren pilotierte er Segelflugzeuge, erwarb mit 17 die Lizenz, ist seither mit diversen Flugzeugtypen sowie Helikoptern unterwegs und flog sogar schon E-Flugzeuge. „Die Stille während des Starts ist ungewohnt, weil es normalerweise vibriert und knattert, aber sobald man in der Luft ist, fliegt sich ein elektrischer Flieger wie jeder andere“, sagt er. Gedanken macht er sich allenfalls über den 30 Kilogramm schweren Raumanzug, der die Bewegungsfreiheit im Cockpit einschränkt und in über 19.000 Meter Höhe über Leben und Tod entscheidet. „Wenn in der Stratosphäre die Raumanzugssysteme versagen, bilden sich Blutbläschen, 63


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Rollout: Präsentation des Solarflugzeugs in Payerne, Schweiz, Dezember 2016. Domjan: „Bei meinen Abenteuerreisen geht es nicht mehr darum, Unbekanntes zu entdecken, sondern unsere Umwelt zu schützen.“ 64

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DA S F L U G Z E U G AU F E I N E N B L I C K M O T O R : 3 2 - K W- E - M O T O R — P R O P E L L E R : V I E R B L AT T M I T 2 , 2 M E T E R D U R C H M E S S E R — B AT T E R I E : L I T H I U M - I O N E N -A K K U M I T 2 0 K W L E I S T U N G

L E I C H T G E W I C H T: DER CARBONZWEISITZER WIEGT NUR 450 KILOGRAMM. POWER GEBEN IHM DREI SPEZIELLE S O L A R B AT T E R I E N . S I E S I N D R O B U S T, K Ä LT E R E S I S T E N T UND MIT JE 80 KILO U LT R A L E I C H T.

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und ich bin innert Sekunden tot.“ Aber Angst? „Auf der Autobahn fürchte ich mich mehr, so unsicher wie manche fahren.“ Bis zum Stratosphärenflug seien es sowie­ so noch gut zwei Jahre, und er habe vollstes Vertrauen in sein Team, speziell in den russischen Raumanzughersteller Zvezda, der schon Juri Gagarin ausstattete, den ersten Menschen im Welt­ raum. „Alle Beteiligten setzen alles daran, für so viel Sicherheit wie möglich zu sorgen. Und gäbe es kein Risiko, könnte man ja nicht von einem Abenteuer sprechen.“

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enn alles nach Plan verläuft und die Mission glückt, will Domjan das Projekt zu einem kommerziellen Unternehmen ausbauen, mehr Mitarbeiter beschäftigen, „etwas tun für Solarindustrie und Um­ welt“. Denkbar sind sowohl Pas­ sagierflüge als auch die Satelliten ersetzende Solardrohnen, wie sie derzeit von großen IT IT­Unter­ nehmen entwickelt werden. Doch zuerst muss sich Raphaël Domjan um sein eigenes Abenteuer küm­ mern, im Simulator trainieren, Meetings abhalten und, nachdem schon fünf Millionen Franken in das Projekt geflossen sind, noch weitere fünf an Sponsorengeldern generieren. Und wenn er erst mal auf 25.000 Meter Höhe die funkelnden Sterne bei Tageslicht sieht – wer weiß, auf welche Ideen er dann kommt. www.solarstratos.com 65


Leuchtendes Beispiel: Alisée de Tonnac gründete ein Start-up, das Start-ups fördert.


6000 Start-ups. Eine Million Preisgeld. Alisée de Tonnac, CEO des GründerNetzwerks Seedstars World, inspiriert uns mit dem spannendsten Gründer-Contest der Welt – und mit der Erfolgsstory ihrer eigenen Startup-Karriere. Ein Gespräch mit der Frau, die es innerhalb von vier Jahren in die „Forbes“-Liste der 30 wichtigsten Social Entrepreneurs unter 30 brachte. TEXT: ALEX LISETZ FOTOS: DAN CERMAK 67


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V styling: Martina Russi make-up: Jehan Radwan jacke: Akris Punto bei Modissa overall: Yvy

Vor fünf Jahren setzte Alisée de Tonnac bei L’Oréal zu einer glanzvollen Managementkarriere an. Dann schmiss die Französin alles hin, ging auf Weltreise und suchte ein Jahr lang in Schwellenländern nach den kreativsten Start-ups unserer Zeit. Wir treffen die 29-Jährige im Genfer Flux. Sie trinkt stark gewürzten Chai, macht Witze auf ihre eigenen Kosten und behält auf Anhieb die Namen aller Teammitglieder im Raum. the red bulletin innovator: Frau de Tonnac, was passierte an dem Tag, an dem Sie keine L’Oréal-Managerin mehr sein wollten? alisée de tonnac: Ich klickte einen Nike-Werbespot mit einem Zitat von Eleanor Roosevelt an: „Tu jeden Tag etwas, das dir Angst einjagt.“ Ein tolles Zitat, das mir klarmachte, wie unzufrieden ich mit meinem Job war. Denn in meinem Leben gab es gar keine HerausHeraus forderungen. Alles war eintönig und vorhersehbar. Andere würden Bungee-Jumpen wählen. Sie grüngrün deten ein Unternehmen und buchten mit einem Mann, den Sie kaum kannten, 20 Flugtickets für eine einjährige Weltreise. Warum? Einen Monat nachdem ich das Zitat gelesen hatte, lernte ich Pierre-Alain Masson (Mitbegründer von Seedstars; Anm.) kennen. Er erzählte mir von seiner Idee, ein Jahr lang durch die Welt zu fahren, um Start-ups kennenzulernen. Und ich wusste auf Anhieb: Das ist die Entscheidung, die mein Leben verändern wird. Was passierte dann? Pierre und ich gründeten Seedstars und riefen einen weltweiten Wettbewerb für Start-ups aus. Als PreisPreis geld legten wir eine halbe Million Dollar fest. Denn die erste Regel für Entrepreneure lautet: Denk von Anfang an groß. Woher nahmen Sie die halbe Million? Oh, wir hatten in diesem Moment noch keinen Cent. Aber die Ansage machte uns Druck, es wirklich durchzuziehen. Die zweite Regel für Entrepreneure: Bloß keine Höhenangst! Warum suchten Sie nicht im reichen Westen nach Start-ups, sondern in finanzschwachen Schwellenländern? Weil dort echte Aufbruchstimmung herrscht. Zwei Drittel der jungen Menschen, die dort in den nächsten zehn Jahren in den Arbeitsmarkt drängen, werden in Jobs arbeiten, die es heute noch gar nicht gibt. Außer Außerdem ist die junge Bevölkerung in Schwellenländern neuen Technologien gegenüber viel aufgeschlossener als wir. In etlichen Ländern Subsahara-Afrikas ist es zum Beispiel längst Mainstream, per Handy zu bezahlen. So weit sind wir bei uns noch nicht.

5 STARTUPS,

DIE MICH BEEINDRUCKT HABEN GIRAFFE

Eine individualisierte Online-Recruitment-Plattform aus Südafrika

WAYRAY

Ein Augmented-RealityUnternehmen, das holographische Navigationssysteme entwickelt

ACUDEEN

Der Sieger der SeedstarsWorld-Contests 2017: Acudeen kauft frisch gestellte offene Forderungen von Unternehmen billiger auf – und holt sich später vom Schuldner die tatsächlichen Beträge zurück

MIMOSATEK

Dieses vietnamesische Start-up entwickelte ein digitales Bewässerungssystem, das Wasser, Energie und Arbeitskräfte spart

JAMI

Die afrikanische Mikroversicherung ist armen Menschen eine Absicherung vor elementaren Risiken

Wie kamen Sie den spannendsten Start-ups auf die Spur? Wir hatten in jedem Land Kontaktpersonen mit großen Netzwerken. Wir schliefen nur in Privatunterkünften und tauchten in das reale Leben ein. Auf diesem Weg, dachten wir, könnten wir innerhalb von zehn Monaten genug Teilnehmer für zehn regionale Contests finden. Doch wir lernten so viele Entrepreneure kennen, dass wir nicht zehn Wettbewerbe machen konnten, sondern zwanzig. Aus Ihrem eigenen Start-up wurde ein weltumspannendes Unternehmen, das andere Start-ups mit seiner Infrastruktur, seinem Knowhow und seinen Kontakten fördert. Und wir konnten 2017 den vierten und bisher größten Contest über die Bühne bringen: mit einer Million Dollar Preisgeld, Finalisten aus 65 Ländern und Regionen und 350 Meetings mit Investoren. Was haben Sie beim Startup-Scouting in den Hinter Hinterhofbüros von Lagos, Bogotá und Jakarta gelernt? Dass 99,9 Prozent aller Menschen von gutem Charakter sind, überall. Und dass wir Europäer von vielen Ländern ein völlig falsches Bild haben. Wie meinen Sie das? Bei Nigeria denken wir an Öl und Boko Haram. Dubai halten wir für oberflächlich, Mexiko für drogenverseucht. Alles Unsinn. Ja, es gibt in diesen Ländern Probleme. Und ich will das nicht unter unterschätzen. Aber es gibt auch diese gut ausgebildete junge Generation, die durch ihre Ideen das Beste aus ihrem Land herausholen will. Woran erkennt man eine gute Idee? Falsche Frage. Eine gute Idee zu haben ist nicht schwierig.


5 FRAGEN,

DIE SICH ENTREPRENEURE STELLEN SOLLTEN ANTRIEB

Treibt mich mein Projekt jeden Morgen voller Vorfreude aus dem Bett?

AUSDAUER

Habe ich genug Leidenschaft, dieser Idee meine nächsten fünf bis zehn Lebensjahre zu widmen?

IDEEN SÄEN Wettbewerb 2017: über 6000 Bewerber, 75 Finalisten, ein Sieger: Der Start-up-Contest von Alisée de Tonnacs Unternehmen Seedstars World ist der weltgrößte Bewerb für Entrepreneure aus Schwellenländern. Im Fokus stehen Tech-Start-ups, die mit cleveren Ideen Impulse für den Aufschwung von unterentwickelten Regionen setzen.

IMPACT Die Siegesprämie von einer Million Dollar (ab 2018: sechs Millionen) ist dabei nur das spektakuläre Ausrufezeichen: Jeder Seedstars-Teilnehmer profitiert durch den Austausch in Alisées Seedstars-Netzwerk (Standorte: siehe Karte) und die Vermittlung zu internationalen Investoren. Info: seedstarsworld.com

Hat mein Projekt positive Auswirkungen auf die Welt, in der ich lebe?

DEMUT

Bin ich bescheiden genug, um mich mit Leuten zu umgeben, die in manchen Dingen besser sind als ich?

RÜCKHALT

Die Idee erfolgreich umzu­ setzen – das ist die Kunst. Gibt es einen Markt für deine Idee? Erfüllt dein Angebot ein Bedürfnis? Ist die Umsetzung für dich profitabel? Das musst du klären, bevor du loslegen kannst. Anders gefragt: Was haben erfolgreiche Gründer gemeinsam? Leidenschaft. Bloß Leidenschaft? Wer ein Business gründet, weil er sich davon Geld oder Erfolg verspricht, kann es gleich sein lassen. Du kannst deine Hindernisse nur über über­ winden, wenn du rund um die Uhr für dein Projekt brennst. Sie sprechen aus Erfahrung? Glauben Sie mir, ich bin viele Nächte heulend wachgelegen, weil der Druck so groß war.

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Aber es war trotzdem die beste Entscheidung in meinem Leben, Seedstars zu gründen. Was hilft an den Tagen, an denen nichts zu klappen scheint? Das Wichtigste ist, dass man immer die Balance zwischen Größenwahn und Demut hält. Einerseits braucht man große, ehrgeizige Ziele und eine klare Vision. Doch man sollte auch kritikfähig sein und seine Strategien anpassen, wenn sie keinen Erfolg haben. Und natürlich braucht man ein verlässliches Team und ein gesundes soziales Umfeld, in dem man seine Batterien wieder aufladen kann. Und nicht zu vergessen: Kapital. Haben Sie ein paar Tipps für den Pitch beim Investor? Der wichtigste Tipp ist: das Kapital beschaffen, bevor man große Ausgaben hat. Sobald du mit dem Rücken zur Wand

Habe ich den richtigen Lebenspartner und die richtigen Freunde, wenn ich Unterstützung brauche?

stehst, kann dich der Investor leicht über den Tisch ziehen. Wenn man einem Investor gegenübertritt: in Business-Kleidung oder Casual? Kommt auf das Umfeld an. In Asien ist ein konser­ vativer Look wichtig, anderswo kann er kontra­ produktiv sein. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, man selbst zu bleiben. Lieber zu arrogant auftreten oder zu bescheiden? Wieder so eine kulturelle Sache. Mir kommt vor, im Silicon Valley musst du vor Selbstbewusstsein platzen, hier in der Schweiz kommt das unsympathisch rüber. Dos and Don’ts? Sei gut vorbereitet und kenne deinen Gesprächspart­ ner genau. Denn jeder ist anders. Steck den Investor mit deiner eigenen Begeisterung an. Und zweifle nicht an dir, wenn es nicht klappt: Manchmal passt man auch einfach nur nicht zusammen. Eine letzte Frage: Halten Sie sich heute an Frau Roosevelt und überwinden Sie jeden Tag eine andere Angst? Hm … das Fotoshooting gerade eben zählt definitiv. Und am Sonntag war ich das erste Mal langlaufen. Es war … gut, auch das einmal probiert zu haben. INNOVATOR


DER HEADLINER DES SOMMERS. DIE RED BULL SUMMER EDITION.

EBNIS FESTIVAL ERL S AUF DES SOMMER IKESUMMER IL / M O .C L L U B RED E UNTER SICHERN. COD LASCHE. JEDER DOSEN

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FUSSBALL K Ü N S T L I C H E I N T E L L I G E N Z I N I H R E R V E R S P I E LT E S T E N F O R M : W IE TOLLPAT S CHIGE ROB OTER UNSER A LLER ZUKUNF T VERÄNDERN WERDEN. UND WIESO WIR 2050 BESSER NICHT F U S S B A L L- W E L T M E I S T E R W E R D E N S O L L T E N .

SCHACH 72

NAO-TEAM HTWK XXX

T E X T: S T E FA N WA G N E R


IST DAS NEUE


HÖREN Mit den Kameras an Stirn und Mund sieht der NAO-Roboter nach oben und unten.

Infrarotsensoren in den Augen unterstützen die Datenübertragung.

NAO hört mit vier Mikrofonen – je eins sitzt vorn und hinten am Kopf …

… zwei weitere sind in den Ohren untergebracht. LEDs zeigen den Akku-Status.

ERKENNEN Ultraschallsensoren als Abstandsmesser An der Herz-Position: Knopf zum Ein- und Ausschalten

Die Hüfte: ein ausgeklügeltes System aus Zahnrädern

FÜHLEN Drei Finger pro Hand, NAO kann sogar greifen.

DEINE AUGEN: KAMERAS. DEINE OHREN: MIKROFONE. DEIN BALLGEFÜHL: EIN SENSOR IM GROSSEN ZEH

Mit Bumpern an den Fußstützen kann NAO den Ball ertasten.


NAO/SOFT BANK ROBOTIC, NAO-TEAM HTWK

D

ie etwas über kniehohen, weißen Plastik Plastikmännchen mit den LED-leuchtenden Knopfaugen und den selbstbewussten Schultern sehen aus wie genmutierte Playmobil-Figuren, und ihr rastloses Trippeln gibt ihnen die Autorität von jemandem, der gerade dringend aufs Klo muss. Bei jedem Schritt klappern und zierpen ihre elektrischen Motoren. Wobei … Schritt? Die Fortbewegung dieser Roboter mit dem Daseinszweck Fußballspielen ist kein Gehen im her herkömmlichen Sinn, es ist ein holprig tastendes Vorwärtsschieben. Nicht immer lässt ihr Handeln Entschlossenheit erkennen, außer vielleicht, wenn das Trippeln in Richtung des eigenen Tors irrlichtert. Oder wenn einer auf die Idee kommt, zu schießen: Dann bringt er sich aufgeregt blinkend in Position hinter den Ball, zieht schnarrend das Schussbein zum Po und schnellt es vor, eine kompromisslose Herausforderung der Schwerkraft. Manchmal schieben sich Spieler unbeirrbar am Ball vorbei, manchmal verlieren sie einfach im Stand das Gleichgewicht oder stolpern in einen Gegenspieler. (Das wird dann als Foul gewertet, der menschliche Schiedsrichter – Pfeife um den Hals! – läuft in gebotener Ernsthaftigkeit aufs Feld und entfernt den Übeltäter für 45 Sekunden.) Und selbst in den entscheidenden Spielmomenten einer Weltmeisterschaft sieht man Szenen wie diese: Tormann der Mannschaft A, Stürmer der Mannschaft B und Ball, nur wenige Zentimeter vor der Torlinie vom Spielglück zusammengewürfelt. Tormann und Stürmer reiben sich in zierpender Verzweiflung aneinander, der Ball kullert derweil herrenlos durch den Strafraum, dann verliert der Tormann im Zuge des Aneinanderreibens irgendwann das Gleichgewicht, plumpst auf den Ball, der daraufhin quälend langsam, Zentimeter für Zentimeter über die Torlinie rollt. Jubel am Spielfeldrand.

Das Leipziger Team mit Leiter Rico Tilgner (zweiter Mensch v. li.) in einer Spielpause mit taktischen Anweisungen für den NAO-Roboter Gargamel

Deklariertes Ziel ist, dass im Jahr 2050 eine Roboter-Fußballmannschaft gegen den regierenden Fußballweltmeister gewinnt. Also: gegen die Menschen. Gegen die echte deutsche, italienische, brasilianische Nationalmannschaft.

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s ist jetzt wahrscheinlich sinnvoll, ein wenig auszuholen. In den 1940er Jahren wurden die ersten Schachcomputer gebaut. Als der US-Informatiker Claude E. Shannon das Ziel formulierte, mit einer Maschine dereinst Menschen im Schach schlagen zu wollen („Spiel der Könige“, immerhin), wurde er augenrollend belächelt. Doch es dauerte gerade mal ein halbes Jahr Jahrhundert, bis die künstliche Intelligenz die natürliche auf dem Schachbrett tatsächlich überflügelt hatte: 1996 schlug IBMComputer Deep Blue den amtierenden Weltmeister Garri Kasparow. Damit war Schach als Herausforderung für die wissenschaftliche Disziplin der künstlichen Intelligenz abgehakt. Man suchte nach einer neuen Herausforderung – und fand sie im Fußball. Aus der Perspektive eines Technikers ist Schach, verglichen mit Fußball, ein Kinderspiel. Auf den 64 Quadraten eines Schachbretts, schwarz und weiß, ist alles geregelt, eine überschaubare Anzahl von 75


Leipzigs Joker (blau, 4) führt den Ball, Kollege Mr. Burns (5) beschäftigt einen B‑Human‑ Verteidiger, ein zweiter übt sich im Lufttackling.

Am 29. und 30. September wird beim „Krone E‑Mobi‑ lity Play Days“ am Red Bull Ring in Spielberg (Steier‑ mark/AUT) – bei freiem Eintritt – der aktuelle Stand der E‑Mobilität demonstriert: Sébastien Buemi (SUI) gastiert als amtierender Formel‑E‑ Weltmeister am Red Bull Ring. Piloten zeigen For‑ mel‑E‑Showruns. E‑Bikes, Segways und E‑Fahrzeuge (von Renault, Nissan, BMW, Hyundai, VW etc.) werden getestet. Den State of the Art der Energieversorgung demonstrieren Smatrics, Kreisel und ABB. Viele an‑ dere Unternehmen zeigen einen Blick in die emis‑ sionsfreie Zukunft. Die TU Graz und virtual vehicle sorgen mit Rescue‑Droh‑ nen und autonomem Fahren für Staunen. Show‑Events gibt es im E‑Drohnen‑Racing, beim E‑Stapler‑Wettbewerb sowie bei dem Roboter‑ Fußballmatch zwischen dem NAO‑Team der HTWK Leipzig und einer Öster‑ reich‑Auswahl. Gratis‑ tickets: projekt‑spielberg. com. Oder direkt bei den Event‑Partnern.

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homas Reinhardt, 32, meint, dass sich der Sieg gegen die menschlichen Weltmeister bis 2050 nicht ausgehen wird. Rico Tilgner, 30, hat mit ihm gewettet, dass es doch klappt. Die beiden arbeiten im Team der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig gemeinsam mit rund einem Dutzend Studenten und Absolventen daran, dass Tilgner die Wette gewinnt. Trainingszentrum: ein Keller Keller­ raum mit abgeklebten Fenstern unterhalb eines Parkdecks im Süden Leipzigs. Die Spieler heißen Mr. Burns, Megamind, Joker, GlaDos, Shredder und Gargamel. Die Leipziger zählen seit 2009 zu den besten Teams der Welt (wie drei andere deutsche Teams übrigens, dazu Austra­ lier, Österreicher, Taiwanesen, Amerika­ ner). Sie wurden beim jährlich durchge­ führten RoboCup, der Weltmeisterschaft, mehrmals Zweite und mehrmals Dritte. Sie haben aber nicht mitgezählt. Denn um vordergründig sportliche Erfolge geht es den Leipziger Programmierern nicht so sehr. Es geht, sagen Tilgner und Rein­ hardt, um die gesamte Entwicklung.

WAS TOLLPATSCHIG AUS­ SIEHT, IST BELEG EINER ATEMBERAUBENDEN TECH­ NISCHEN PIONIERLEISTUNG.

NAO-TEAM HTWK

29./30. 9. 2017, RED BULL RING: DER BLICK IN DIE ZUKUNFT

Spielern mit strikt definierten Handlungs­ möglichkeiten: Ein Paradies in eins und null, und vor jedem Spielzug bleibt genug Zeit, die Konsequenzen des Tuns bis in die vierzehnte Generation durchzurechnen. Fußball dagegen: die Hölle. Da rollt und holpert ein Ball herum, der nicht ein­ mal der Schwerkraft zuverlässig gehorcht. Den man zunächst einmal überhaupt als Ball erkennen, dem man nachlaufen, dessen Bewegungen man, dem Ziel des Spiels folgend, manipulieren muss. Kreuz und quer über ein Spielfeld, an dessen Ende zwei identisch aussehende Tore ste­ hen, wovon in eines der beiden der Ball befördert werden muss, ins andere nicht, und zwar: wirklich nicht, um Himmels willen! (Was sich nach Ende der ersten Halbzeit aber wieder grundsätzlich ändern wird.) Das alles, ohne dabei selbst umzufallen. Ohne in ein Hindernis (Gegenspieler, Mannschaftskollege, Tor) zu rempeln. Ohne über den Spielfeldrand hinaus ins Publikum zu stapfen. Ist man, aus welchem Grund auch immer, umge­ fallen: Aufstehen! Aus eigener Kraft! Dann erkennen, wo man selbst, wo der Ball ist, und welches war eigentlich noch mal das gegnerische Tor, welches das eigene? Nicht so lange nachdenken, weiterlaufen! Da sind auch Spieler, mit denen man kommunizieren darf. Soll. Muss. Denen der Ball zuzuspielen ist. Aber nur, wenn sie besser postiert sind. Wenn sie bereit sind, den Ball anzunehmen. Den Ball dann so zuspielen, dass sie überhaupt eine Chance haben, den Ball anzunehmen. Und dann gibt es noch Gegenspieler, die das alles verhindern wollen. Die selbst ein Tor schießen wollen. Das musst du verhindern. Die dürfen den Ball gar nicht kriegen! Extrem vereinfacht ausgedrückt, sieht so das Anforderungsprofil in deinem Leben als Roboter aus. Gelöst werden muss es von dir allein. Ohne Hilfe von außen, keine Fernsteue­

rung, kein GPS, nix. Jede Wahrnehmung, jede Entscheidung, jede Handlung steuert der Prozessor in deinem Plastikkopf. Deine Augen: Kameras. Deine Ohren: Mikrofone. Dein Ballgefühl: ein Sensor im großen Zeh. Was für den Laien wie unfreiwillig komische Tollpatschigkeit aussieht, ist in Wahrheit der Beleg für eine atem­ beraubende technische Pionierleistung.


Elfmeterschießen (aus 1,5 ­Metern) bei der RoboCup WM in Leipzig 2016. Joker wird mit den letzten Instruktionen gefüttert.


Programmier-Genie: Thomas Reinhardt, 32, Spezialist für künstliche Intelligenz in Heidelberg

Teamchef: Rico Tilgner, 30, Ingenieur bei Google in München

Regel 1 bei Auswärtsspielen: Roboter reisen immer im Handgepäck. Und immer genug Netzwerkkabel und Verteilerdosen dabeihaben!

Als die Leipziger 2009 mit dem Roboter­ fußball begannen, spielte man drei gegen drei, das Spielfeld maß sechs mal vier Meter, der Ball war leuchtend orange, ein Tor gelb, eines blau, der Boden war mit Filz bedeckt, glatt wie ein Billardtisch. Seither wurde jedes Jahr eine Ände­ rung ins Reglement eingebaut, jedes Jahr eine Erschwernis, ein kleiner Schritt Rich­ tung echten Fußball. Mittlerweile sind beide Tore reinweiß, der ebenfalls weiße Ball trägt die typischen schwarzen Fünf Fünf­ ecke. Gespielt wird auf sehr unplanem Kunstrasen, in den der Roboterfuß bei jedem Schritt ein paar Millimeter ein­ sinkt. Dieses Einsinken bedeutet: völlig neue Statik. Stehen, laufen, umdrehen, aufstehen neu. 78

DER ROBOTER ZIEHT AUS INFORMA­ TIONEN EIGENSTÄNDIGE SCHLÜSSE. UND PASST SEIN VERHALTEN AN DIESE SCHLÜSSE AN. ER TUT DAS, WAS MAN BEIM MENSCHEN KREATIVITÄT NENNT. INNOVATOR


Evolution, werden die ersten Roboter lernen, bei der leisesten Berührung im Strafraum umzufallen, mit verzweifelten LEDs den Schiedsrichter anzublinken und die Schmerzenslaute eines Todgeweihten auszustoßen: Elfmeter! Elfmeter!

NAO-TEAM HTWK

K

In den kommenden Jahren sollen die ersten Spiele unter freiem Himmel ausgetragen werden. Bedeutet: Sonne, Wolken, Wind als zusätzliche Variablen, allein die Lichtreflexe sorgen dafür, dass du dein in tausenden Stunden entwickeltes Programm zur Erkennung des Balles kübeln kannst. Irgendwann wird es elf gegen elf gehen. Und irgendwann wird sich der Ball nicht nur rollend und kullernd ins gegnerische Tor verirren, sondern es wird Schüsse geben, echte Dribblings, Zweikämpfe, Flanken, Kopfbälle, Fallrückzieher, eine hängende Sechs und irgendwann auch Abseitsfallen. Irgendwann schließlich, kurz nach dem Erreichen des Höhepunkts der INNOVATOR

lar ist, dass die Roboter 2050 völlig anders aussehen werden als jene, die in der sogenannten Standard Platform League heute zum Einsatz kommen. Die in Frankreich produzierten PlaymobilHünen sind standardisiert, ein größter gemeinsamer Hardware-Nenner. Das Stück gibt es für registrierte Teams um knapp 4000 Euro. Das ist preiswert genug, um möglichst vielen Teams in aller Welt – die meisten werden von Universitäten gestellt – mit vertretbarem Aufwand Programmier Programmierarbeit zu ermöglichen und nach dem Ende jeder Saison auch den sinnvollen Austausch von Software. Austausch von Software? Was du in tausenden freiwilligen Programmier Programmierstunden, in durchgehackten Nächten erarbeitet hast, teilst du nach Ende einer Saison mit deinen Gegnern. Das ist ganz normaler Teil im Selbstverständnis der Teams. Denn selbst die weltbesten sind weniger Konkurrenten als Kollegen. Sie dienen einander als Maßstab, als Herausforderung und Messlatte des eigenen Fortschritts. „Es interessiert uns eigentlich nicht so sehr, einen einzelnen Gegner in einem Spiel auseinanderzunehmen“, sagt Tilgner, ebenfalls Absolvent der HTWK Leipzig, mittlerweile Ingenieur bei Google in München, der seinen gesamten Urlaub und einen guten Teil der Wochenenden in Gargamel, Shredder, Mr. Burns und Kollegen steckt. „Es macht mehr Spaß, wenn du etwas entwickelst, das gegen jeden Gegner passt. Denn erst dann bedeutet es ja eine Weiterentwicklung.“

R

elativ bald werden die Möglichkeiten der standardisierten französischen NAO-Roboter ausgereizt sein. Der 1,5-Gigahertz-Prozessor im Kopf der 60-Zentimeter-Figuren (übrigens: mit 25 Gelenken) verfügt gerade mal über ein Zehntel der Rechenpower eines modernen Smartphones. Die Augen sind Kameras mit einer Bildschärfe, die man schon zu Zeiten von Weichzeichnerfotograf David Hamilton nicht mehr für zeitgemäß hielt.

IRGENDWANN WERDEN DIE ROBOTER LERNEN, BEI DER LEISESTEN BERÜHRUNG IM STRAFRAUM UMZUFALLEN: ELFMETER! Doch innerhalb der bescheidenen Vor Vorgaben der Hardware tummeln sich technische Meilensteine. Der aktuellste ist zugleich der bisher radikalste: Die Roboter haben gelernt zu lernen. Denn die Programmierer haben ihnen neuronale Netzwerke eingebaut, die dem menschlichen Gehirn nachempfunden sind. Versucht ihr, die Natur nachzuahmen? Oder sie auszutricksen? Reinhardt (ebenfalls HTWK-Absolvent, mittlerweile international gefragter Spezialist für Computer-Intelligenz in Heidelberg): „Wir hinterfragen alles, die Natur hat’s aber schon ziemlich gut hingekriegt.“ Neuronales Netzwerk, das heißt nicht weniger als: Der Roboter kann aus Infor Informationen eigenständige Schlüsse ziehen. Und kann sein Verhalten an diese Schlüsse anpassen. Er tut das, was man bei einem Menschen Kreativität nennen würde. Aktuelles Beispiel: Der Roboter wurde mit einigen tausend mehr oder weniger schematischen Darstellungen des schwarzweißen Balls gefüttert, rollend, ruhig liegend, hüpfend, teilweise verdeckt, beschnitten am Rande des Blickfelds der Kamera. So lange, bis er eines Tages zurück zurückmeldete (sinngemäß): „Okay, kapiert. Da ist etwas Weißes, Rundes, ich sehe immer drei schwarze geometrische Flecken dar darauf, und das Ding wirft einen Schatten. Das ist der ‚Ball‘, richtig?“ Niemand hatte dem Roboter vorher „gesagt“, dass er unabhängig davon, wie der Ball liegt, immer drei schwarze Flecken sieht. Doch das stimmt. Das hatte er selbst erkannt. Das ist der Ball, Gargamel, richtig. Künstliche Intelligenz lernt laufen. Will wirklich noch jemand 2050 die WM gewinnen? Das Team: robocup.imn.htwk-leipzig.de 79


Wie man das Maximum aus den Rahmenbedingungen rausholt: ein B l i c k h i n t e r d i e K u l i s s e n v o n To y o t a M o t o r s p o r t, w o e s i n d e r V o r b e r e i t u n g auf die 24 Stunden von Le Mans wie in kaum einem anderen Rennen darum geht, kein Q uäntchen Energie zu vergeuden .

TOYOTA

TOTALE EFFIZIENZ Text: Werner Jessner

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INNOVATOR


D

as Reglement für die 24 Stunden von Le Mans ist knallhart: Wer dort als Werks­ team in der höchsten Energieklasse startet, dessen Auto musste in den letzten Jahren mindestens 870 Kilo wiegen, Hybridantrieb haben und durfte pro Runde nicht mehr als 4,42 Liter Benzin verbrauchen. Der Verbrauch wird per Ultraschall­ Ultraschall sensor in Echtzeit mit 99,5 Prozent Genauigkeit gemessen. Liegt ein Auto im Schnitt der drei letzten gefahrenen Runden über dem jähr jähr­ lich neu festgelegten Wert, setzt es eine Zeitstrafe. Die Strecke ist 13.629 Meter lang, womit man für die letzten Jahre einen Durch­ Durch schnittsverbrauch von etwas über 30 Litern (auf 100 Kilometern) er er­ hält. Klingt nach viel? Nicht, wenn man das in den Kontext zur Motor Motor­ leistung (Verbrenner plus Hybrid) von gut 1000 PS setzt. Zudem ist der Verbrauch in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent gesunken – bei schnelleren Rundenzeiten. Jedes Joule zählt

In der höchsten Kategorie LMP1 (= Le-Mans-Prototyp; Anm.) dürfen die Prototypen pro Runde acht Megajoule vom Hybridsystem einspeisen, jedoch nicht mehr als 300 Kilowatt auf einmal. Rechnet man das nun auf eine Runde um, ergibt das 26,67 Sekunden, in denen man die volle Leistung abrufen kann – etwa, um einen Konkurrenten zu überholen. Nun muss diese Energie aber auch „geerntet“ werden, wie die Techniker sagen. Das passiert beim Bremsen, für das es beinahe keine konventionellen Bremsen mehr braucht, erzählt der ehema­ lige Toyota­Werksfahrer und zwei­ fache Le­Mans­Sieger Alexander Wurz: „Mit einem LMP1 wäre es Ausgewachsener Sturm: Mit bis zu 70 Metern pro Sekunde strömt der Wind auf das im Maßstab 1: 2 verkleinerte Modell des Le-Mans-Toyota.

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„ Rennstrecke i m S u p e r m a r k t “: Sébastien Buemi i m Te c h -Ta l k

Neben Modellen (Bild) werden auch ganze Autos in Köln getestet. Das 24- Stunden-Rennen steigt 2017 am 17. und 18. Juni in Le Mans, Frankreich.

Schlank durch den Wind

Und dann ist da noch der Faktor Aerodynamik. Die Autos könnten, gäbe es die zwei Schikanen auf der legendären Hunaudières­Geraden nicht, 400 km/h schnell fahren. Bei Topspeed sind die Autos dop­ pelt so „schwer“ wie am Stand, weil sie so fest zu Boden gedrückt werden. Aufgabe der Aerodyna­ miker ist es also, ein Auto zu bau­ en, das möglichst windschlüpfrig ist und gleichzeitig kräftig auf die Straße gedrückt wird, damit die Piloten höhere Kurvengeschwin­ digkeiten erreichen können. Wie löst man das Problem? Es gilt die alte Techniker Techniker­Weisheit, wonach Fortschritt zu 10 Prozent aus Inspiration und 90 Prozent aus Transpiration besteht. Im kon­ kreten Fall von TMG, der Motor Motor­ sport­Abteilung von Toyota in Köln, kommt noch ein Windkanal der Superlative dazu, in dem seit dem ersten Formel­1­Testwagen ­ ­Testwagen 82

2001 alle Rennautos entwickelt werden. Hier lassen sich Wind­ geschwindigkeiten von 70 Metern pro Sekunde bei Modellen im Maßstab von 1:2 realisieren – das entspricht 252 km/h. Die Venti­ latoren mit 6,3 Meter Durch­ messer leisten dabei 2,3 Mega­ Mega watt, gigantische 3127 PS. Damit allein käme man dem Geheimnis totaler Effizienz noch nicht auf die Spur. Die Autos stehen dabei nämlich nicht still, sondern fahren auf einer Art Förderband, das die Straße simuliert. Auch hier sind bis zu 70 Meter pro Sekunde mög­ lich. Damit nicht genug: Wie wir auch aus der Formel 1 wissen, werden zusätzlich die Auspuffgase zu aerodynamischen Zwecken genutzt. Auch das lässt sich im Windkanal mit bis zu 500 Litern pro Sekunde simulieren. Die Ergebnisse? Auf 0,4 Prozent genau. Maximal erlaubte Abwei­ chung pro Messung: 0,2 Prozent. Es ist ein stetiges Tasten, Simulie­ ren und Studieren, um in die letz­ ten Ecken und Winkel des Regle­ ments vorzudringen. Die Suche nach der totalen Effizienz bleibt eine Annäherung ans Unendliche – und das ist auch gut so. Alle Rennen: racingbytmg.com PROMOTION

Hightech zum Selberfahren: Der Falken Ecorun A-A, speziell entwickelt für Toyota-Hybridfahrzeuge. Infos: falken-reifen.de

Der Schweizer Toyota-Werkspilot (28) und Formel-E-Weltmeister ist fünfmal in Le Mans angetreten, hat jedes Mal um den Sieg gekämpft und war zweimal am Podest. Er weiß, was Effizienz bedeutet. THE RED BULLETIN INNOVATOR: Wie lange brauchst du, um in der Früh außer Haus zu gehen? SÉBASTIEN BUEMI: 15 Minuten, maximal 20. Wenn ich einen Flug zeitig am Morgen erwischen muss, dann schaffe ich es auch in zehn Minuten in mein Auto. Bist du immer so effizient? Ich hasse zum Beispiel Supermärkte. Darum versuche ich, so schnell es geht, wieder rauszukommen. Ich weiß, was ich brauche und in welcher Reihenfolge ich es finde. Man kann sagen, ich bereite mich auf Supermärkte vor wie auf eine Rennrunde. Und wieder fünf Minuten gespart! Und im Job? Ich halte Briefings so kurz wie möglich, so wie meinen Aufenthalt an der Strecke. Weil? Weil ich nichts machen will, was mich nicht auf der Strecke schneller macht. Le Mans dauert 24 Stunden. Da hast du keine Energie zu vergeuden. Wie schläft man effizient? Indem du dir Druck nimmst. Du weißt, dass du 30 Stunden ohne Schlaf auskommen kannst. Es macht also nichts, wenn du überhaupt nicht einschläfst. In diesem Wissen gelingt es dir dann, sogar in HochAdrenalinphasen runterzukommen. Warum wollen wir eigentlich effizient sein? Um abseits des Notwendigen möglichst viel Zeit zum Leben zu haben. INNOVATOR

TOYOTA, LUKAS MAEDER/RED BULL CONTENT POOL

unmöglich, eine Runde im Renn­ tempo ohne das Hybridsystem zu fahren. Das würden die Bremsen nicht verkraften. Sie sind so klein dimensioniert, weil der Großteil der Bremsarbeit durch das Hybrid­ system erledigt wird. Du willst so wenig Energie wie nur möglich als Reibungswärme abgeben.“ Etwas, das Zuschauer an der Strecke beobachten können: Die Fahrer gehen früher vom Gas, „segeln“ die letzten Meter zum Bremspunkt und beginnen dabei schon die Akkus zu laden, um in der nächs­ ten Runde wieder den vollen Hybrid­Boost nutzen zu können.


THE RED BULLETIN INNOVATOR PROMOTION

Wie man große Ideen baut … … oder wie Bene mit PIXEL die Teamarbeit revolutioniert. Die spannendsten Inno­ vationen entstehen dort, wo man die Freiheit hat, spielerisch zu denken.

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ranka, Klaus und Linda arbeiten gerade gemein­ sam an einem Produkt. Innova­ tiv muss es sein und auf jeden Fall am Markt richtig Wirbel machen. Hier ist Teamwork gefragt: Zwölf Leute aus unter­ schiedlichen Abteilungen sollen mitarbeiten. Doch wo soll das Team auf neue Ideen kommen? Allein der Gedanke an den guten alten Konferenzraum bringt sie zum Gähnen. Viele klas­ sische Arbeitsräume fördern die Kreativität nicht eben, sie Mehr über PIXEL: Bene.com/Pixel

behindern das Entfalten von Ideen geradezu. Das konsta­ tiert auch Christoph Keese in seinem Bestseller „Silicon Valley“: „Innovation entsteht durch den freien, ungehemmten Austausch von Menschen auf kleinstem Raum … Menschen werden kreativ, wenn sie beruf­ lich so arbeiten dürfen, wie sie privat leben: eng verwoben, in freundschaftlichem Abstand, im ständigen Dialog, im freien Spiel der Ideen.“ Bene hat diese Erkenntnisse weitergedacht

und zeigt unter dem Motto „Build Your Ideas“ nun eine Lösung für das „Kreativitäts­ dilemma“ vieler Firmen. Mit einem neuartigen Konzept, so einfach wie genial: PIXEL! Durch die einfache Zusammenstellung der Boxen werden Settings für so unterschiedliche Arbeits­ situationen wie Präsentationen, Kreativworkshops oder Brain­ stormings ermöglicht – und das im Handumdrehen! n

PIXEL sieht zwar aus wie eine Box, ist aber viel mehr als das. PIXEL ist ein Tisch, eine Bank, ein Hocker, eine Tribüne – und das alles zusammen.


ORGANISCHES Wie man von seinen eigenen vier Wänden aus die Welt verbesser t und dabei auch kommerziell er folgreich ist: I n t e r v i e w m i t To b i a s J u d m a i e r , d e m G r ü n d e r vo n „ i s s m i c h ! “.

WACHSTUM

ISS MICH

Ich sollte mal weggeworfen werden: „iss mich!“ verwandelt ästhetisch fragwürdiges Gemüse in haltbare Köstlichkeiten.


D Fotos: Thomas Topf Text: Werner Jessner

INNOVATOR

ie Idee hinter iss mich! ist ebenso einfach wie brillant: Weltweit werden unvorstellbare Mengen frischen Gemüses vernichtet, bloß weil sie nicht dem ästhetischen Ideal entsprechen. Zu klein, zu groß, irgendwie „deformiert“: Diese Karotten, Zucchini oder Zwiebeln werden untergepflügt, zu Viehfutter verarbeitet oder landen in der Produktion von Bio-Energie. Für jede Tomate, jede Paprika, jede Kartoffel, die wir im Supermarkt sehen, wurde eine zweite – frisch, wohlschmeckend, vollkommen in Ordnung, aber optisch außerhalb der Norm – weggeworfen. Der Bio-Betrieb im nieder niederösterreichischen Marchfeld, von dem iss mich! seine Produkte bezieht, verarbeitet 100 Tonnen Gemüse pro Tag – wovon 40 Tonnen als ästhetisch ungenügend ausscheiden. Einem leidenschaftlichen Koch wie Tobias Judmaier tut so was in der Seele weh, und er überlegte sich, wie man wenigstens einen Teil davon dorthin bringen kann, wo er hingehört: auf den Tisch. iss mich! verarbeitet eine Tonne ästhetisch durchgefallenes Gemüse pro Monat, serviert es

bei Veranstaltungen, macht es als gesundes Convenience Food in wiederverwendbaren Rexgläsern haltbar – und lebt gut davon. the red bulletin innovator: Wie kam das deformierte Gemüse in dein Leben? tobias judmaier: Nach einer Karriere in der IT hatte ich von Mitteleuropa genug, bin nach Griechenland gegangen und dort beim Fernsehen gelandet. Dann ging dort die Krise los, und zurück in Österreich, kam ich in Kontakt mit einem YouTube-Projekt, das sich mit Waste Cooking beschäftigte. Dafür waren wir dumpstern, haben also noch brauchbare Lebensmittel aus Mülltonnen geholt und das dokumentiert. Als nächstes Projekt haben wir die Idee eines Supermarktes pervertiert, ein leeres Gebäude organisiert und es mit „ausgeschiedenen“ Lebensmitteln befüllt – solchen, die man nicht kaufen kann. Wenn du tiefer ins Thema rein recherchierst, kommst du zwangsläufig zu den Erzeugern selbst und zu den Unmengen an Essen, die bereits dort weggeworfen werden. Und dann beginnt man nachzudenken, wie man diesen Berg verkleinern kann? Genau. 85


Viele junge Unternehmen wollen der Umwelt etwas Gutes tun, kommen hip, chic und optimistisch daher – und scheitern trotzdem. Man muss akzeptieren, dass vieles, was den Erfolg eines Unternehmens ausmacht, nur beschränkt mit dir selbst zu tun hat. Es geht um den richtigen Zeitpunkt, den richtigen Ort, die richtigen Leute. Man muss an sich glauben, aber auch ehrlich genug sein, rechtzeitig zurückzuziehen, wenn die Idee nicht mehr wachsen kann. Die Faktoren, die eine Idee zu einer erfolgreichen machen, sind Fokus und Durchhaltevermögen. Also lieber Fokus auf eine große Idee oder besser mehrere Standbeine? Der limitierende Faktor bist du selbst: Wie viel kann ich aus meinen zwölf Mannstunden pro Tag rausholen? Wenn die Idee, an die du glaubst, 100 Mannstunden braucht, musst du sie so weit eindampfen, bis sie mit zwölf funktioniert. Bei mir war das das Catering. Da wusste ich als passionierter Koch, dass ich damit Geld verdienen kann. Wenn das funktioniert, kannst du den nächsten Ball in die Luft werfen. In meinem Fall waren das Rexgläser mit eingelegtem Gemüse – meine ursprüngliche Idee. Aber um sie verwirklichen zu können, musste ich einen Umweg nehmen. Du bist gebürtiger Tiroler. Hat deine Oma am Land dir das Einrexen gezeigt? Das brachte ich mir selbst bei, in Wien. Wie überlebt man anfangs finanziell? Als ich iss mich! begonnen habe, habe ich von Montag bis Freitag ein konventionelles Restaurant betrieben und nur am Wochenende fürs iss-mich!-Catering

Die fertige Idee: Gemüse, das man sonst wegwerfen würde, wird durch Einwecken zu Bio-ConvenienceFood.

GUTES NETZWERK Red Bull Amaphiko unterstützt Social Entrepreneurs, die in ihrer Community einen Wandel herbeiführen, und möchte ein breites Publikum dazu inspirieren, es ihnen gleichzutun. Das weltweite Programm umfasst unterschiedliche Entwicklungsprogramme und -werkzeuge. Dazu gehören Academies und Workshops sowie digitales Know-how und digitale Ressourcen. Programme und Veranstaltungen bringen die Social Entrepreneurs mit einer hilfsbereiten Community und Unterstützern in Kontakt, die ihre Fähigkeiten, Ressourcen und Zeit einbringen. Dazu kommt ein weltweites Netzwerk gleichgesinnter Individualisten, das sich in einer OnlineCommunity engagiert. Dies ermöglicht die Produktion und den Vertrieb von Storys über ein Onlinemagazin, verschiedene Kanäle von Red Bull sowie breiter aufgestellte Medien.

gekocht. Schnell stellte sich heraus, dass ich keine Zeit mehr fürs Restaurant haben würde. Die eigentliche Idee – Convenience Food in nachhaltiger Ver Verpackung marktreif zu entwickeln – war dann doch nicht so einfach wie gedacht. Nur mit Kochen und Abfüllen war es nicht getan. Ich musste das Haltbar Haltbarmachen erforschen, Rezepte entwickeln, eine Bio-Zertifizierung erarbeiten, die Logistik etablieren. Das dauerte. Daher musste ich meinen finanziellen Fokus in der Zwischenzeit auf jenen Bereich legen, der mir Geld bringt – das Catering. Das klassische Start-up-Dilemma Brotberuf versus Weltveränderung also? So ist es. Ich habe das Glück, dass meine Idee – nicht vermarktbares Gemüse zu verarbeiten und zu verkaufen – im Catering wie auch im Glas funktioniert. So konnte ich immer genügend Cashflow generieren, um organisch zu wachsen. Warum kein fremdes Geld? Ich habe nicht mal einen Überziehungsrahmen bei der Bank. iss mich! ist rein aus sich gewachsen. Ich halte das für gesünder. In einer Frühphase bist du so sehr mit dir selbst und deiner Idee beschäftigt, da willst du dich nicht auch noch mit den Meinungen anderer auseinandersetzen. Zweiter Punkt: Fremdes Kapital gibt dir die Illusion, dass Geld da wäre. So entwickelt man aber kein funk funktionierendes Geschäftsmodell. Drittens: Je später du jemanden ins Boot holst, desto teurer ist ein verhältnismäßig kleineres Stück deines Betriebs. Warum muss man eigentlich stetig weiterwachsen? Es gibt eine Größe, bis zu der Wachstum gesund und notwendig ist. Bist du zu klein, verdienst du kein Geld. Wenn etwa die Miete der Küche 30 Prozent deines Umsatzes verschlingt, hast du am Markt keine Chance. Wenn du den Anteil der Küchenmiete auf acht Prozent reduzieren kannst, weil du mehr Gläser abfüllst und verkaufst, bist du profitabel. Red Bull Amaphiko kooperiert mit iss mich! – wem bringt das was? Ich habe zwar andere Probleme als jemand, der, sagen wir, in Uganda Convenience Food produziert, aber vielleicht entdecken wir doch, dass es hie und da Ähnlichkeiten gibt, bei Personalführung oder Guerilla-Marketing beispielsweise. Man muss es auf den Menschen runter runterbrechen, auf seine Aufgaben und Rollen im Unternehmen. Man tauscht sich aus und muss nicht jeden Weg allein gehen. Wohin kann iss mich! wachsen? Überall dorthin, wo Essen verschwendet wird. Europa. Teile Asiens. Nordamerika. issmich.at

amaphiko.redbull.com 86

INNOVATOR

ISS MICH

Tobias Judmaier in seinem Element: Der Mittvierziger ist in der Küche Autodidakt. Mittlerweile ist iss mich! auch zum ManagementJob geworden.


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THE BEST ARTISTS THE BIGGEST FESTIVALS


SEE IT

START­ HILFE

Die faszinierendsten Dokumentationen – zu finden on Demand auf Red Bull TV: sportliche Weltverbesserer, schicksalsgeprüfte Musiker und Visionäre in den Startlöchern sowie solche, die ihr Ziel bereits erreicht haben.

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

Red Bull TV ist deine globale digitale Destination für Entertainment abseits des Alltäglichen, empfangbar rund um die Uhr an jedem Ort der Welt. Geh auf redbull.tv, hol dir die App oder connecte dich via Smart TV. ALLE INFOS: WWW.REDBULL.TV

ETHAN LOVELL, ARTU NEPO, KICKSTARTED, LLC, SYDELLE WILLOW SMITH/RED BULL CONTENT POOL, PETER HAMBLIN

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RED BULL TV

On Demand

DOKU

KICKSTARTED

Dokumentarfilm über die Realisierung des amerikanischen Traums dank Crowdfunding. Ein Protagonist ist Musiker Brad Carter, der durch eine neurologische Erkrankung die Fähigkeit, Gitarre zu spielen, einbüßte und mittels Kickstarter-Projekt versucht, ein Musikalbum zu finanzieren.

On Demand

DOKU

WAVES FOR WATER Nachdem 2009 ein Erdbeben die Insel Sumatra erschüttert hatte, startete der frühere Surfprofi Jon Rose eine Mission: Statt weiter nach der perfekten Welle zu suchen, gründete er „Waves for Water“ – mit dem Ziel, jedem Menschen sauberes Wasser zugänglich zu machen. Seither thematisiert der USAmerikaner auf seiner Weltreise mit Surfbrett, Motorrad, Segelboot und zu Fuß die globale Wasserkrise und hat bereits über acht Millionen Menschen zu sauberem Wasser verholfen.

On Demand

DOKU

27+: SOCIAL INNOVATORS OF SOUTH AFRICA

Die sechsteilige Serie begleitet sechs kreative junge Visionäre durch die Townships Südafrikas und dokumentiert deren Umsetzung von ambitionierten Projekten aus den Bereichen Musik, Tanz, Sport und Medien.

On Demand

DOKU

THE RIPPLE EFFECT

In 30-minütigen Episoden präsentiert „The Ripple Effect“ die innovativsten und revolutionärsten Unternehmer hinter Weltmarken wie GoPro, Vans oder Atari. In Exklusiv-Interviews schildern sie ausführlich, wie man mit Pioniergeist, Einzigartigkeit und Beharrlichkeit zum Erfolg kommt. INNOVATOR

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DO IT

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Juni TEDx Donauinsel Seit dem Jahr 2009 veranstaltet TED weltweit Konferenzen und Events zu Themen wie Technologie, Entertainment und Design (daher die Abkürzung), die durch Talk-Videos von Experten, Live-Vorträge und vertiefende Diskussionen beleuchtet werden. „Visionen ohne Taten sind nur Träume“, sagt der Autor Joel Barker. Aus diesem Grund steht das diesjährige TEDx Donauinsel unter dem Motto „ImaginAction“. Donauhof, Wien; tedxdonauinsel.at

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Juni Climate Launchpad Rund 35 Nationen nehmen am größten Wettbewerb für grüne Geschäftsideen zur unternehmerischen Lösung der Klimaproblematik teil. Beim Österreichfinale werden die 15 innovativsten, brillantesten heimischen Ideen präsentiert. Die drei besten Teams qualifizieren sich für das globale Finale in Zypern Mitte Oktober. Impact Hub, Wien; climatelaunchpad.org

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Juni AustrianStart­ ups Stammtisch Einmal im Monat trifft sich die österreichische Gründerszene im „sektor5 coworking“. Diese informellen Treffen stehen jedes Mal unter einem bestimmten Motto, zu dem es auch 25 Minuten Input gibt. Nach einer Q&ASession steht vor allem das Networking im Vordergrund. Weitere Termine: 18. 7., 15. 8., 17. 10., 21. 11. und 19. 12. sektor5, Wien; austrianstartups.com

21 Juni i²c – Founder & Investor Festival

Die Technische Universität Wien lädt regelmäßig zu Vorträgen zum Thema Entrepreneurship. Diesmal zu Gast: die aus der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“ bekannte Start-up-Grande-Dame Selma Prodanovic (Bild), die von persönlichen Erfahrungen des Scheiterns und des Erfolges erzählt und wertvolle Tipps für die Gründung eines Unternehmens gibt.

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FIFTEEN SECONDS ,HOCH ZWEI PHOTOAGENCY/MICHAEL KUNKEL

TU Wien, i2c.ec.tuwien.ac.at

und 9. Juni 15 Seconds Festival Das zweitägige Event ist Europas führende Konferenz für Inspiration, Wissenstransfer und Networking. Bei Podiumsdiskussionen (mit Vertretern von Unternehmen wie Apple, Netflix oder Amazon), Workshops und Case Studies blicken die 3000 Teilnehmer gemeinsam in die Zukunft. Im Fokus 2017: „Commercial Future“. Stadthalle Graz; fifteenseconds.co INNOVATOR


S A V E T H E D AT E

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und 30. September Krone E-Mobility Play Days

Zwei Tage lang dreht sich beim größten Event seiner Art alles um die Zukunft der Fortbewegung. Bei freiem Eintritt können Besucher zahlreiche elektrische Fahrzeuge auf der Formel-1-Rennstrecke und am E-Motorrad-Testtrack ausprobieren. Neben der ÖsterreichPremiere der Formel E ebenfalls im Angebot: beeindruckende E-Sportwagen bei Showruns, DrohnenRennen, Segway-Polo & Vorträge. Red Bull Ring, Spielberg; Tickets unter: projekt-spielberg.com INNOVATOR

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SEE IT

INNOVATIV: DIE SONDERPREISE

ERFINDET DAS LESEN NEU

A

nno 1888 gegründet, ist die Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wiens 14. Bezirk die heute älteste Medienschule der Welt. Junge Menschen werden hier zu international gefragten Multimediatechnikern und Designern ausgebildet. Das Niveau, das die Teenager bereits in der Schule beweisen, ist beeindruckend hoch – und hat The Red Bulletin bewogen, in Kooperation mit der Graphischen (organisiert von Prof. Martin W. Drexler) zu einem Wettbewerb des „Innovator“Sonderheft-Designs einzuladen: 47 Kreativ-Teams (aus 87 Schülern) präsentierten ihre Semesterarbeiten einen Tag lang einer hochkarätigen Jury, in der etwa Petra Hauser, Gründerin der Singularity University Vienna, Helmut Sussbauer, Innovation Catalyst der Deutschen Telekom, sowie Roman Scharf, CEO der weltgrößten Künstlerplattform Talenthouse, versammelt waren. Die Dichte der hochwertigen Arbeiten war enorm und machte die Kür der Sieger nicht einfach. „Das kreative Potential und das hochprofessionelle Engagement der Wettbewerbsbeiträge haben mir sehr imponiert“, sagte etwa Juror Sussbauer. Neben der Optik überzeugte vor allem der Umgang der Schüler mit digitaler, interaktiver Technologie wie die Einbindung von NFC, der drahtlosen Nahfeldkommunikation. Die Fülle der Innovationen führte dazu, dass anstelle der geplanten drei Preise zusätzlich zwei Sonderpreise für kreative Leistungen abseits des Alltäglichen vergeben wurden. Mehr auf: redbulletin.com/innovator 92

Interactive Paper. Tobias Macke entwickelte ein mittlerweile patentiertes System namens TAPTHAT, das via Papier Handys steuern kann.

Das neue Analog. Mit NFC befördern Fabian Böhm, Jakob Hesky, Mario Panajotov und Johannes Puschner (4aHMNM) Magazine ins digitale Zeitalter. INNOVATOR

SONY

The Red Bulletin lud junge Schüler der Graphischen Wien, der ältesten Medienschule der Welt, ein, den Innovator neu zu erfinden. Die Kreativität der Ideen beeindruckte.


T H E R E D B U L L E T I N I N N O V AT O R

KREATIV: DIE BESTEN DREI Höhenmesser

Zeiss hat Auftrag

Wiener StartUp

Lawinen Suchgerät

Der jetzt bekannt gewordene Beinahe-Unfall mit einer Lufthansamaschine beim Landeanflug in München ist keine Ausnahme. Die Los Angeles Times berichtet von fast 50 Zwischenfällen in der Nähe des Flughafens binnen eines Jahres.

Appell an den gesunden MenschenverstandNun sind die rechtlichen Regelungen im Bereich des Drohnenverkehrs überaus undurchsichtig, verschachtelt und kompliziert. Der Ruf nach besseren Gesetzen ist aber nicht das Wichtigste.

Immer häufiger kommen sich Drohnen und Linienflugzeuge in die Quere. Ein Zusammenstoß scheint eine Frage der Zeit. Schärfere Kontrollen sind notwendig, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk. Noch wichtiger ist es jedoch einzuschalten.

Was gibt es neues in der Welt der Technik, Progressiven Musik, Livestyle Vortschritten und soweiter. Euer Team Vom Red Bull vvInovator bringt euch den neuesten heißesten Scheiß nach Hause!

Immer häufiger kommen sich Drohnen und Linienflugzeuge in die Quere. Ein Zusammenstoß scheint eine Frage der Zeit. Schärfere Kontrollen sind notwendig, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk. Noch wichtiger ist es jedoch, den eigenen Verstand einzuschalten. Stuttgart - Im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sind Drohnen als lautlose Killer bekannt. Nun sind die High-Tech-Fluggeräte des US-Militärs bestimmt nicht mit den Geräten vergleichbar, die hierzulande für ein paar hundert Euro an jedermann verkauft werden. Allerdings: auch die harmlosen Drohnen für den Hausgebrauch haben das Potenzial, Leid und Zerstörung zu verursachen.

Weltverbesserer Immer häufiger kommen sich Drohnen und Linienflugzeuge in die Quere. Ein Zusammenstoß scheint eine Frage der Zeit.

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AETHER [1]

Der jetzt bekannt gewordene Beinahe-Unfall mit einer Lufthansamaschine beim Landeanflug in München ist keine Ausnahme. Die Los Angeles Times berichtet von fast 50 Zwischenfällen in der Nähe des Flughafens binnen eines Jahres, in Hamburg waren im vergangenen Jahr drei ferngelenkte Flugmaschinen in der Einflugschneise gesichtet worden.

23 Aimee Mullins 27 Drohnen Intelligente 36 Rucksäcke

Appell an den gesunden MenschenverstandNun sind die rechtlichen Regelungen im Bereich des Drohnenverkehrs überaus undurchsichtig, verschachtelt und kompliziert. Der Ruf nach besseren Gesetzen ist aber nicht das Wichtigste. Der Drohnenflug von München ist schon heute zweifelsfrei nicht erlaubt. Die Kontrollmöglichkeiten sind jedoch minimal. Sie zu verbessern tut Not, und die Zeit eilt – wenn man verhindern möchte, dass Drohnen auch hierzulande für Tot und Zerstörung stehen. Bis dahin bleibt nur der fast schon hilflose Appell an den gesunden Menschenverstand. Man muss nicht Raumfahrttechnik studiert haben, um zu erkennen, dass ein paar Kilo Drohnenmetall im Triebwerk eines Flugzeuges nichts zu suchen haben. Immer häufiger kommen sich Drohnen und Linienflugzeuge in die Quere. Ein Zusammenstoß scheint eine Frage der Zeit. Schärfere Kontrollen sind notwendig, kommentiert Politik-Redakteur Christian Gottschalk. Noch wichtiger ist es jedoch, den eigenen Verstand einzuschalten. Stuttgart - Im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sind Drohnen als lautlose Killer bekannt. Nun sind die High-Tech-Fluggeräte des US-Militärs bestimmt nicht mit den Geräten vergleichbar,

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INNOVATOR

Platz eins geht an Elias Fleischer, Franz Mühringer und Samo Stern aus der Klasse 34aKKuG der Abteilung Graphik­Design. Das Trio kann mit einem klaren, redu­ zierten Konzept überzeugen. Ein Highlight ist eine speziell bedruckte beigelegte Klarsicht­ folie: Durch Auflegen und Ver­ schieben der Folie kann auf dem Cover­Logo und beim Inserat auf der Rückseite die Illusion von Be­ wegung erzeugt werden.

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AETHER

AETHER, das fünfte Element. Die Quintessenz als Leit­ motiv fürs Design

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LOVE IS LIFE Der zweite Platz geht an Johanna Bauer und Antonia Lagler aus der 4aHMNM der Abteilung Multi­ media.

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DIE ZUKUNFT IST JETZT

Das Innovativste, was es gibt: das Leben. Und jede Idee ist eine Geburt.

love is life what is love? what is life?

CH A/D

4,50CHF 4,00€

THE FUTURE IS NOW! Maximilian Schey und Ferdinand Herwey aus der 3aKMTM der Abteilung Multimedia belegen den dritten Platz mit ihrem nostalgischen und ausgefallenen Vorschlag im Retro­Design, das zurückweist in eine Zeit, als die Menschheit noch eine Zukunft hatte – und vor allem angstfrei an die Zukunft glaubte. Die Zukunft ist jetzt. Aber es gab sie schon immer.

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KOLUMNE

READ IT

ZWEI FRAGEN FÜR DEINE ZUKUNFT

Lösungsorientiert? Teamfähig? „Pioneers“-Co-Founder Jürgen Furian rät jedem Start-up-Unternehmer, gründlich über zwei elementare erfolgsentscheidende Fragen nachzudenken – vor dem Sprung ins kalte Wasser.

I Jürgen Furian 32, ist Mitbegründer des Wiener Pioneers-Festivals. Dort lernen Startups, aus einer Idee einen Welterfolg zu machen.

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n einem seiner berühmten Interviews sagte Steve Jobs, Mitgründer und damaliger CEO von Apple: „Als Kind wird einem immer wieder gesagt, dass die Welt einfach so ist, wie sie ist. Und dass man einfach sein Leben leben soll, ohne zu sehr gegen Wände zu rennen, ein schönes Familienleben führen, ein bisschen was sparen soll. Das ist ein sehr beschränktes Leben. Das Leben kann sehr viel mehr sein, wenn du eine simple Tatsache begreifst: Alles um dich herum, alles, was dein Leben ausmacht, wurde von Leuten aufgebaut, die nicht intelligenter sind als du. Du kannst es ändern, du kannst es beeinflussen, du kannst Dinge erschaffen, die anderen nützen. Wenn du das mal verstanden hast, wirst du nicht mehr derselbe sein.“ Als ich diese Worte zum ersten Mal hörte, haben sie einen großen Eindruck bei mir hinterlassen. Es ist sogar eines der wichtigsten Zitate, die ich je gehört habe. In acht Jahren im sogenannten „Start-upGeschäft“ habe ich festgestellt, dass wir als Einzelpersonen immer mehr Macht haben. Wir sind hyper-verbunden, haben Zugang zu einem globalen persönlichen Netzwerk, zu finanziellen Mitteln und In-

formationen. Wir können jetzt mit kleinen Teams große Veränderungen bewirken. Stimmt alles, ist aber nur eine Seite der Medaille. Erbaulich, positiv und energiegeladen, wie sie ist, ist das eine Geschichte, die jeder gern hört. Wie diese Platitüden, die stets als Karrieretipps verkauft werden, zum Beispiel „Folge deiner Leidenschaft“. Es mag dir ein gutes Gefühl geben, ist aber nur ein Teil der Rechnung. Wir haben alle schon von wunderbaren Menschen gehört, die „ihrer Leidenschaft gefolgt sind“ und unglaublichen Erfolg hatten. Aber man darf nicht vergessen, es ist nur dieses eine Prozent, von dem wir hören. Die anderen 99 Prozent haben es nicht geschafft. Der Ratschlag, „seiner Leidenschaft zu folgen“, mag einem ein gutes Gefühl geben, ist aber ein Allgemeinplatz von geringem praktischen Wert. Reid Hoffman, Mitgründer von LinkedIn, behauptet in seinem Buch „Die Start-up-Strategie“, dass Menschen, die „leidenschaftlich“ Arbeit suchen, sich zwei zentrale Fragen stellen müssen: Was sind meine Stärken? Und was sind die Gegebenheiten des Marktes? Dafür, dass er nicht nur das sagt, was Leute gerne hören, ziehe ich vor Reid meinen Hut! Wir sollten dem gleichen Ratschlag folgen, wenn wir jemand dazu ermutigen, sich selbständig zu machen. Ja, es stimmt, dass wir als Einzelne mehr Macht haben als jemals zuvor, und es stimmt auch, dass das überzeugend klingt. Aber, wie ich schon sagte, es ist nur die halbe Wahrheit. Hier sind die zwei Fragen, die sich angehende Unternehmensgründer stellen sollten (ehrlich sein beim Beantworten!).

1. Wie wichtig ist mir das Unternehmen, das ich aufbauen möchte, und was bin ich bereit zu tun, damit es erfolgreich wird? Wie wichtig ist es für mich persönlich, eine Lösung zu finden? Ich rede hier davon, ein Unternehmen zu gründen, für das es kein vorgefertigtes Geschäftsmodell gibt. Ein Unternehmen, bei dem am Anfang vieles noch offen ist und herausgefunden werden muss. Es geht nicht darum, etwas zu kopieren, was anderswo auf der Welt schon funktioniert.

„ALLES UM DICH HERUM WURDE VON LEUTEN AUFGEBAUT, DIE NICHT INTELLIGENTER SIND A LS DU.“ INNOVATOR


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Baher Al Hakim aus Dubai startet mit der Bluttest-App in Wien durch.

Wien beflügelt! Internationale Start-ups erobern die Stadt J

Fotos: David Bohmann; BeeAnd.me; Christian Husar

a, ausgerechnet in Wien hat sich das montenegrinische Start-up BeeAnd.me niedergelassen, um hier ein datengestütztes System zu entwickeln, mit dem Imkerinnen und Imker die Bedingungen im Inneren ihrer Bienenstöcke rund um die Uhr überwachen können. Bei internationalen Unternehmen steht Wien hoch im Kurs: Allein 2016 siedelten sich 178 Betriebe hier an, ein neuer Rekord. Auch junge innovative Unternehmen setzen auf Wien. Die Bundeshauptstadt rangiert mittlerweile unter den Top 10 der Start-up-Hotspots in Europa. Damit sich internationale Unternehmen hier rasch zurechtfinden, er-

halten sie Beratung und Unterstützung durch die Wiener Wirtschaftsagentur. Für internationale Start-ups gibt es zudem ein besonders einladendes Paket.

Der Nächste bitte! Und auch Baher Al Hakim aus Dubai hat sich entschlossen, von der Donaumetropole aus sein Unternehmen auf die Beine zu stellen. Er entwickelt mit „Medicus“ eine Plattform, die Bluttests und ärztliche Befunde mit ihrer Vielzahl an Daten, Zahlen und medizinischen Ausdrücken visualisiert und die Ergebnisse für Verbraucherinnen und Verbraucher verständlich darstellt. n

Das Team BeeAnd.me entwickelt eine innovative Technologie gegen das Bienensterben.

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Sechs internationale Start-ups können zwei Monate lang in Wien arbeiten und von vielen Serviceleistungen profitieren. Im Package enthalten sind Flug, Unterkunft und Arbeitsplatz in einem Coworking Space sowie Expansionscoachings. Infos und Bewerbung (bis 28. 6.): www.viennabusinessagency.at


KOLUMNE

Man muss sich vergegenwärtigen, wie schwierig es sein wird. Um den Wagnis­ kapitalgeber Marc Andreessen zu zitieren: „In erster Linie ist ein Start­up up eine Achter Achter­ bahn der Gefühle. Die Ungewissheit und das Risiko sind extrem hoch. Das Stress­ niveau, dem man ständig ausgesetzt ist, lässt alles größer erscheinen. Es erwarten einen undenkbare Höhen, aber auch un­ glaubliche Tiefen – bei rasender Geschwin­ digkeit und enormen Dimensionen.“ Wenn du, nachdem du das alles weißt, immer noch dieses eine Problem lösen möchtest – super!

IMPRESSUM

Editorial Director Robert Sperl Chefredakteur Alexander Macheck

THE RED BULLETIN Österreich, ISSN 1995-8838

Art Director Kasimir Reimann

Länderredaktion Ulrich Corazza

Photo Director Fritz Schuster

Country Project Management Thomas Dorer

Chefin vom Dienst Marion Wildmann Managing Editor Daniel Kudernatsch

EIN UNTERNEHMEN ZU GRÜNDEN, UM IM RAMPENLICHT ZU GLÄNZEN, IST DER FALSCHE WEG.

Redaktion Stefan Wagner (Textchef), Ulrich Corazza, Arek Piatek, Andreas Rottenschlager Freie Mitarbeiter: Werner Jessner, Wolfgang Wieser

2. Bin ich teamfähig? Bin ich bereit, mein Ego zurückzustellen und mich völlig auf den Job zu konzentrieren? In den letzten sieben Jahren habe ich bei Start­ups regelmäßig gesehen, wie um Positionen, Titel und Medienaufmerksam­ keit gerungen wird. Ich habe Leute ge­ sehen, denen die Außenwahrnehmung wichtiger war als das Unternehmen selbst. Das kann sich über Jahre hinziehen, hält die Entwicklung des Unternehmens auf und führt zu Frustrationen oder sogar zum Scheitern deines Unternehmens. Darüber hinaus bremst man so auch seine Kollegen aus, die versuchen das Unternehmen nach vorn zu bringen. Man muss immer bedenken, dass unser Ver­ halten das Leben anderer beeinflusst. Ein Unternehmen zu gründen, um im Rampenlicht zu glänzen, ist definitiv der falsche Grund und wird sich auf alle Be­ teiligten negativ auswirken. Ein Unter­ nehmen zu gründen, weil man ein Problem lösen will und, unabhängig von Titeln und Positionen, bereit ist, alles dafür zu tun, ist die Einstellung, die man haben sollte. Ein Unternehmen aufzubauen ist Team­ arbeit. Es sind dafür viele unterschiedliche Fähigkeiten nötig. Wichtig ist, dass man das versteht und ehrlich mit sich selbst ist, abwägt, wie man sich wo einbringen kann. Zum Abschluss noch ein Ratschlag, den Steve Jobs seinem Design­Chef Jony Ive gab: „Du solltest wirklich deine Arbeit als das Wichtigste betrachten. Nicht, wie andere dich wahrnehmen.“ Das Pioneers Festival findet heuer am 1. und 2. Juni in der Wiener Hofburg statt.

Fotoredaktion Rudi Übelhör (Deputy Photo Director), Marion Batty, Susie Forman, Ellen Haas, Eva Kerschbaum, Tahira Mirza

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Web Christian Eberle, Vanda Gyuris, Inmaculada Sánchez Trejo, Andrew Swann, Christine Vitel Grafik Carita Najewitz, Marco Arcangeli, Marion Bernert-Thomann, Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll

Anzeigenverkauf Alfred Vrej Minassian (Ltg.), Thomas Hutterer, Bernhard Schmied, anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

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TECH-HIGHLIGHT

Kaum bekanntes Flugobjekt – noch: Ein Nanosatellit wird startklar gemacht. Die Basisvariante wiegt 1300 Gramm.

WOLFGANG WIESER

Sie sind winzig, kosten in der Basisversion gerade mal 1000 Dollar und machen uns All-wissend – Nanosatelliten erobern den Weltraum. Maximaler Vorteil: ihr MiniPreis. Die ersten drei hießen übrigens Alexander, Graham und Bell (nach dem Erfinder des Telefons). Ausgestattet sind sie mit Smartphone-Technologie, und eine ihrer Missionen ist: Unterhaltungselektronik testen. www.nasa.gov

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SO KLEIN UND SCHON EIN SATELLIT ( JA , ER DARF TATSÄCHLICH CHLICH INS ALL )

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