REGJO
1. AUSGABE 4,90 EUR
Das Magazin für Wirtschaft und Kultur aus Mitteldeutschland
ISSN 1614-2837 www.regjo-mitteldeutschland.de
Sonderveröffentlichung Deutsch-Russische Beziehungen
Russlandheft
Im Aufwind
REGJO
BUCHEMPFEHLUNGEN
1973 – 2013 40 Jahre russische Erdgaslieferungen für Deutschland
Seit dem 1. Mai 1973 strömt am tschechisch-deutschen Grenzübergang Sayda/Deutschneudorf im sächsischen Erzgebirge russisches Erdgas nach Deutschland. Dies war der offizielle Auftakt einer zuverlässigen Energiepartnerschaft. Gemeinsam mit unseren russischen Geschäftspartnern engagieren wir uns darüber hinaus in der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, der nachhaltigen Gewinnung und Nutzung von Energie und Rohstoffen sowie in gesellschaftlichen und sozialen Projekten.
Gas Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Telefon +49 341 443-0 | Fax + 49 341 443-1500 | info@vng.de | www.vng.de DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN 2 VNG – Verbundnetz
REGJO
Editorial
IHR ZUHAUSE IN LEIPZIG Mitten in der historischen Altstadt von Leipzig liegt das 4-Sterne Seaside Park Hotel. Hinter der denkmalgeschützten Fassade finden Sie 288 Zimmer im Art-Deco-Stil, einen Wellnessbereich, Tagungs- und Banketträume, das „Nikolai Bistro“ und den „Steaktrain“, das etwas Liebe Leserinnen, liebe Leser, in den Beziehungen zwischen Russland und Deutschland mangelt es an nichts. Nicht an Faszination für den jeweils anderen Partner, nicht an Erinnerungen an die gemeinsame Geschichte, die mal grausamer, mal weltbewegender, mal erhebender Art war, nicht an Meinungsverschiedenheiten, nicht an Meinungsübereinstimmungen, nicht an kreativen Grenzgängern – und in der Wirtschaft nicht an Geschäft und an Potential. REGJO hat sich mit diesem Sonderheft mitten in dieses Geflecht hineinbegeben – mit dem Ziel, besonders die Russlandachse abzubilden, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen besteht. Sie erfährt derzeit eine Renaissance, die sich auf alte Verbindungen ebenso wie auf neue Kontakte gründet. Wir laden Sie ein, sich mit uns in diese Welt hineinzubegeben – und sich vielleicht inspirieren zu lassen, dieses Geflecht um eigene Fäden zu ergänzen. Und auch hinter einem Heft wie diesem steht ein weites Geflecht an Unterstützern,Textern, Fotografen, Interviewpartnern, Protagonisten, Grafikern, Kunden und an Übersetzern – denn wir erscheinen zugleich in Russisch und in Deutsch.Wir haben zu danken – allen, die Geduld mit uns hatten und uns unterstützt haben. Wir hoffen, diese Produktion wird gut angenommen, damit ihr weitere folgen können.
andere Steakrestaurant. Park Hotel · Richard-Wagner-Str. 7· 04109 Leipzig Telefon: 0341 / 98 52-0 · Fax: 0341 / 98 52-750 info@parkhotelleipzig.de · www.seaside-hotels.de
Herzlich, Erleben Sie kulinarische Höhepunkte in stilvollem Ambiente Genießen Sie täglich von 18 bis 24 Uhr unsere Steaks aus US Rumpsteak oder vom Holstein Rind gegrillt auf einem 300 °C heißen Lavagrill und ergänzen Sie dazu diverse Saucen Ihre Jana Dichelle Redaktionsleiterin
und frische Beilagen. Unsere Tatars vom Rind, Lachs oder Thunfisch sind ein ganz besonderes Geschmackserlebnis. Richard-Wagner-Str. 7 · 04109 Leipzig · Tel.: 03 41/98 52-0 · Fax: -750
Coverfoto: Valentinstag 2013 im winterlichem Sankt Petersburg: Liebende versammeln sich vor der ehemaligen Börse auf der Landspitze der Wassili-Insel. Mit dem Feuer ihrer Herzen erhellen sie symbolisch den Himmel über dem klassizistischen Bauwerk, das an einen griechischen Tempel erinnert. (Fotografie: jost)
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INHALT
Ausfuhren im Aufwind
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Grußworte
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Ausfuhren im Aufwind: Außenhandelspartner Russland gewinnt an Bedeutung
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Anspruchsvolle Aufgabe: Deutsch-Russische Auslandshandelskammer hilft beim Produktionsaufbau
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Medizin in guten Händen: Das Klinikum Dessau-Roßlau für internationale Patienten
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Vernetzt ins Russlandgeschäft: Kammern, Landesinitiativen und Branchenverbände helfen
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Landekreuz für Investoren: Gemeinsame wirtschaftliche Potenziale mit Russland
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Netzwerker für den Russlandtrend: Die IHK Leipzig öffnet Türen
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Einzug der Moderne: Russland erneuert seine Wirtschaft
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Gemeinsam Grenzen überschreiten: Auslandsgeschäft bei der Sparkasse Leipzig
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Verständigung für Verliebte: Der Dialog e.V. widmet sich dem Austausch
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Markteintritt in Russland: Sergey Frank bringt Russlandunternehmungen auf den Weg
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„Respekt für das Land“: Ulf Schneider, Unternehmer in Russland
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Vom Wohnhaus bis zum Schwimmbad: Erfolgsgeschichte auf dem russischen Markt
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Klassiker trifft Traditionsmarkt: Analytik Jena AG seit Jahrzehnten in Russland
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Folien für hohe Ansprüche: Glanzvoller Auftritt im Regal
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Eine Utopie nimmt Form an: Forschungs- und Industriekomplex Skolkowo
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Kommentar Russland: Ein attraktiver Wirtschaftspartner
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„Erdgas hat alles überdauert“: Interview mit Dr. Karsten Heuchert, Verbundnetz Gas AG
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Eine moderne Fernbeziehung: Mitteldeutsche Flughäfen mit Russland verbunden
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Ein einzigartiges Flugzeug und große Pläne: Interview mit Idar Iljasov, Geschäftsführer der Volga-Dnepr-Technics GmbH
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Von Automobil bis Zulieferer: Sachsen als idealer Kooperationspartner
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„Vereinsmeierei im besten Sinne“: Ost- und Mitteleuropaverein für den Mittelstand
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DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
INHALT
Zeit, sich der Heroen zu erinnern
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Das Atelier im Pfarrhaus
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Sergej Lochthofen
„Zeit, sich der Heroen zu erinnern“: Generalkonsul Vyacheslav A. Logutov vertritt die Russische Föderation in Leipzig seit Dezember 2010 52 „Leipzig hat in Russland einen guten Klang“: Russlandbeziehungen der Stadt Leipzig
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Langes Zwiegespräch: Petersburger Dialog fördert den Kontakt der Zivilgesellschaften
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Festlicher Abend und hoher Besuch: Peter-Degner-Stiftung lud in den Club International
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Olympia bleibt ein Ort zum Träumen: Sotschi will auch nach den Winterspielen auf der großen Bühne mitmischen
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Mediengold aus Leipzig: Marketing- und Kommunikationsagentur BS-Mediagroup vertreibt olympische Werbeminuten
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Auerbachs Keller: Tschaikowski war da
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Bis heute ein Idol: Denkmal und Wandbild erinnern an Gagarin in Erfurt
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Das Atelier im Pfarrhaus: Eine russisch-deutsche Familiengeschichte aus der sächsischen Provinz
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Zwischen „Großer Messe“ und Kleingruppenballett: Irina Golubeva lehrt als Ballettmeisterin
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„Russland gilt gerade als unglaublich exotisch“: Interview mit Marion Dathe, Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Vom kleinen zum großen Bruder zum Freund: TU Bergakademie Freiberg baut Beziehungen zu Russland aus
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Fotoreportage Bei Lichte besehen: Bilder aus der Kunstakademie in St. Petersburg
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Dresden auf Kyrillisch: Immer mehr Besucher aus Russland im Elbflorenz
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Dialog von Schatzkammer zu Schatzkammer: Wiedereröffnung des Herzoglichen Museums Gotha mit der Präsidentin des Moskauer Puschkin-Museums, Irina Antonowa „Mehr Russisch in die Schulen“: Interview mit Wolfgang Schälike, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Kulturinstituts in Dresden
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Wagner in Leipzig und Kaliningrad: Richard-Wagner-Verband pflegt eine besondere Brücke in die Stadt an der See
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Die Geschichte eines Aufrechten: Sergej Lochthofen schreibt gegen das Vergessen an
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Buchempfehlungen
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Impressum
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DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
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GRUSSWORT
REGJO
Grusswort Konsulat Liebe Leserinnen und Leser von REGJO, ich freue mich Sie beim Lesen dieser Sonderausgabe zu begrüßen, die den deutsch-russischen Beziehungen gewidmet ist. Das Deutschlandjahr in Russland und das Russlandjahr in Deutschland neigen sich ihrem Ende zu. Wie war dieses Kreuzjahr der Kulturen?
V. Logutov Generalkonsul der Russischen Föderation in Leipzig
Ich persönlich habe bei diesem Gedanken sofort ein Bild vor Augen: Kosaken vor dem Hintergrund des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig während ihres Pferderitts „Moskau – Paris 1812–2012“. Das Bild ist sehr prägend, gewaltig, gefüllt mit vielen Inhalten und historischen Zusammenhängen.Vor kurzem waren die Kosaken anlässlich der 200. Begehung der Völkerschlacht und der 100. Weihe der russisch-orthodoxen St.-Alexi-Gedächtniskirche wieder da. Ich erinnere mich an die Ausstellung in Dresden, die der 70. Begehung einer anderen Schlacht, der Schlacht bei Stalingrad, gewidmet war: Der objektive, neue Blick auf bekannte Geschehnisse hat angenehm überrascht. Dieses Jahr kamen eine Vielzahl von Jubiläen und Jahrestagen zusammen, gleichsam als sollten Russen und Deutsche ihre Geschichte resümieren, Helden ehren, Lehren ziehen und sich bewusst werden, dass die Zukunft viel wichtiger ist. Die Zukunft scheint viele gemeinsame Projekte bereitzuhalten. In diesem Jahr veranstalteten das russische Generalkonsulat und die IHK zu Leipzig zwei wirtschaftliche Rundtischgespräche, und vor
kurzem fand die erweiterte bilaterale Vorstandstagung des Petersburger Dialogs in Leipzig statt. Zum wiederholten Male wurde es offensichtlich, dass es vielfältige Möglichkeiten für russisch-deutsche Geschäftsprojekte gibt. Vor allem wird Russland allmählich nicht mehr nur mit Erdöl- und Erdgasgiganten in Verbindung gebracht (das 40-jährige Jubiläum der Erdgaslieferungen aus Russland nach Deutschland ist dabei jedoch nicht zu vernachlässigen!). Russische Unternehmer eröffnen in der BRD immer mehr kleine und mittlere Unternehmen, gleichzeitig nehmen die deutschen Unternehmen erfolgreich an der Vorbereitung der Olympischen Spiele 2014 in Sotschi teil. Die Zusammenarbeit wird vielseitiger, Vorurteile gehören der Vergangenheit an, und darüber freuen wir uns. Die Aufgabe der jungen Generation und der Massenmedien besteht in der Fortsetzung dieser Tendenz. Ich bin überzeugt, dass die Festigung der Beziehungen zwischen Studenten Deutschlands und Russlands, die qualitätsvolle Darstellung internationaler Ereignisse in der Presse und im Fernsehen einen positiven Einfluss auf die Beziehungen mit ganz Europa haben. In diesem Zusammenhang möchte ich das Team des REGJO-Magazins für sein Interesse an Russland, seiner Geschichte und Gegenwart, seinen Möglichkeiten und Anliegen danken. Folgen Sie den Erzählern und Ihren Geschichten des Magazins, herzlich willkommen in Russland!
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GRUSSWORT
Grusswort Sachsen Russland und der Freistaat Sachsen sind einander eng verbunden. Unsere Länder verbindet eine vielfältige Zusammenarbeit in Wirtschaft,Wissenschaft, Bildung und Kultur – und das seit mehr als drei Jahrhunderten.
Sächsische Staatskanzlei / Jürgen Jeibmann
Um genau zu sein: Seit dem Jahr 1698. Damals hat Zar Peter I. den sächsischen Kurfürsten August den Starken in Dresden besucht. Der Dresdner Hof gehörte damals zu den glanzvollsten in Europa. Und Zar Peter schickte sich an, sein Land nach europäischem Vorbild zu modernisieren. Das war der Anfang einer europäisch-russischen Partnerschaft, die bis heute trägt und die für beide Seiten außerordentlich fruchtbar ist. Unzählige sächsische und russische Bürger wirken daran mit, Brücken zwischen unseren Ländern zu bauen. Obwohl – oder gerade weil – unsere beiden Völker das Leid von Tod und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erfahren haben.
Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
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So ist die Perspektive für die weitere Zusammenarbeit, für gemeinsame wirtschaftliche und wissenschaftliche Projekte, unverändert sehr gut. Im Mittelpunkt stehen fünf Zukunftsbranchen: Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Energietechnik, Umweltschutz und Bahntechnik. Sachsen liegt im Herzen Europas und hat eine Brückenfunktion gerade zu den Ländern Osteuropas. Eine exzellente Verkehrsinfrastruktur macht den Austausch mit den benachbarten Staaten leicht. Wir heißen internationale Investoren nicht nur willkommen, sondern unterstützen sie tatkräftig
durch Behörden, Wirtschaftsförderung und kurze Genehmigungswege. Und mit guten Flugverbindungen erreichen Sie den Freistaat Sachsen auch aus Russland sehr schnell. Internationale Zusammenarbeit und konsequente Ausrichtung auf die Weltmärkte sind der Schlüssel zum Erfolg. Beide Seiten – sächsische wie russische Unternehmen – wollen die sich auf den Märkten bietenden Chancen ergreifen. Intensive Kontakte bestehen von sächsischer Seite mit gleich mehreren Regionen Russlands:Tatarstan, Kaluga, St. Petersburg und Nizhny Novgorod. Darüber hinaus sind in Sachsen fähige Fachkräfte zu Hause; der Anteil an Hochschulabsolventen ist überdurchschnittlich groß. Der Freistaat gilt als die Ingenieursschmiede Deutschlands. Damit hier die Ideen der Zukunft entwickelt werden, setzen wir weiter auf Forschung und Entwicklung und unterstützen den Wissenstransfer in die Unternehmen. So werden wir Sachsen zu einer der attraktivsten Regionen Europas entwickeln. Unsere beiden Länder verbindet heute eine intensive Zusammenarbeit mit großem Potenzial.Wenn auch Sie Ihr Weg nach Sachsen führt: Wir freuen uns Sie hier begrüßen zu dürfen!
Stanislaw Tillich
GRUSSWORT
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Grusswort Sachsen-Anhalt Russland ist für Sachsen-Anhalt mit Abstand Importland Nummer 1. Für über 6,4 Milliarden Euro wurden 2012 Güter von Russland nach Sachsen-Anhalt importiert, wobei die Rohstoffe eine dominante Rolle spielen. Ich bin zuversichtlich, dass die Handelsbeziehungen zwischen SachsenAnhalt und Russland zum beiderseitigen Nutzen weiter ausbaufähig sind, auch was den Export Sachsen-Anhalts nach Russland betrifft. Im Jahr 2012 wurden Waren im Wert von mehr als 503 Millionen Euro aus Sachsen-Anhalt nach Russland exportiert. Sachsen-Anhalt kann beim Ausbau der Handelskontakte vielfältige und innovative wirtschaftliche Potenziale einbringen: Zu der Dynamik des verarbeitenden Gewerbes tragen traditionell starke Branchen wie die Chemie und der Maschinenbau erheblich bei, auch dank einer gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit auf weltweiten Märkten. Ein erfolgreicher Newcomer mit glänzenden Perspektiven ist unsere Automobilzulieferindustrie.
Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt
Innerhalb Ostdeutschlands hat Sachsen-Anhalt die meisten ausländischen Direktinvestitionen. Hinzu kommen weitere Standortvorteile wie eine hervorragende Infrastruktur mitten in Europa, eine leistungsstarke Forschungslandschaft, bestens ausgebildete und motivierte Fachkräfte sowie eine schnelle und unbürokratische Betreuung bei Ansiedlungsvorhaben. All dem verdanken wir es wohl auch, dass die russische Firma Promet künftig in Halle Tresore fertigen will.
das gegenseitige Interesse am wirtschaftlichen Austausch. Mit der 2010 eröffneten Repräsentanz in Krasnodar will die IHK Magdeburg interessierten Unternehmen ein Engagement in der Region erleichtern. Aber nicht nur auf ökonomischem Sektor sind die Beziehungen Sachsen-Anhalts zu Russland freundschaftlich und eng. Zahlreiche Städtepartnerschaften wie etwa zwischen Halle und Ufa, viele Freundschaftsvereine und Kooperationen im Kultur-, Schul- und Hochschulbereich zeugen von echter Verbundenheit unserer Völker. In der Historie gibt es interessante Bindeglieder zwischen Sachsen-Anhalt und Russland: So wurde aus der Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Dornburg später die berühmte Zarin Katharina die Große. Anlässlich des AnhaltJahrs 2012 wurde ihr in Zerbst eine eigene Tourismus-Route gewidmet. Der aus der Altmark stammende spätere Reichskanzler Otto von Bismarck war einige Jahre Botschafter Preußens in St. Petersburg, beherrschte die russische Sprache und gewann in jener Zeit ein tief reichendesVerständnis für das Wesen des großen Reiches im Osten. Es gibt also zahlreiche Verbindungen zwischen SachsenAnhalt und Russland. Das ist das Fundament, auf dem wir unsere Kontakte mit Russland pflegen und weiter ausbauen.
Zahlreiche Unternehmerreisen, Joint Ventures, Ländersprechtage und Kooperationen wie beispielsweise zwischen den Industrie- und Handelskammern Magdeburg und Krasnodar belegen
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GRUSSWORT
Grusswort Thüringen Liebe Leserinnen und Leser des Journals REGJO, seit Jahrhunderten pflegt Thüringen enge Beziehungen zu Russland. Die russische Zarentochter Maria Pawlowna heiratete 1804 den Erbprinzen Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach und brachte als Förderin der Künste weltmännisches Flair an den Weimarer Hof.Als Großherzogin legte sie den Grundstein für ein weltoffenes Thüringen. Diese Weltoffenheit ist heute mit der zentralen Lage und dem hochqualifizierten Fachkräftepotenzial die Basis für den Top-Investitionsstandort Thüringen in der Mitte Deutschlands im Herzen Europas. Interessierte Investoren werden durch die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) und die Thüringer Aufbaubank (TAB) beraten und gefördert. Die Unternehmen in unserem Freistaat haben in den letzten Jahren auf den internationalen Märkten erfreulich hohe Exportquoten erzielt.
Christine Lieberknecht Thüringer Ministerpräsidentin
In jüngster Zeit setzen wir noch stärker auf eine Internationalisierung. Dabei rückt auch der russische Markt immer stärker in den Fokus unserer außenwirtschaftlichen Aktivitäten. Während meiner Russland-Reise im vergangenen Jahr konnte ich mich davon überzeugen, dass Russland ein riesiger Wachstumsmarkt ist. Russland braucht Technologie und Management-Know-how in fast allen Branchen, insbesondere in der Infrastruktur, Medizintechnik und im Maschinenbau. Die Thüringer Unternehmen sind dafür gut aufgestellt! Traditionell gibt es seit Jahrzehnten enge Wirtschaftskontakte im Maschinenbau von Thüringen nach Russland. Heute reichen die Wirtschaftsverbindungen von der Hochtechnologie bei Wettersa-
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telliten und der Erdfernbeobachtung, im optischen Bereich, dem Chemieanlagenbau, der Medizintechnik, der Lieferung von Krankenhausausrüstungen und Spezialkliniken, über Lieferungen von Hightech-„Bauteilen“ in Form von Implantaten für Patienten mit speziellen Erkrankungen bis hin zur Entwicklung von neuen Produkten als Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Thüringer und russischen Ärzten. Im Freistaat Thüringen hat Zukunft Tradition. Und Tradition in Verbindung von Kunst-Handwerk, Innovation und Know-how sichert Zukunft. Die Ausstellung „Ballett und Oper“ der Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur war im letzten Jahr im Moskauer Bolschoi-Theater zu bewundern. Handwerkskunst, geschickte Hände, das Know-how unserer innovativen Hochtechnologie-Firmen und Thüringer Erfindergeist sind die Garanten, um auch auf dem russischen Markt erfolgreich zu sein. Unsere innovativen überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen tragen mit ihren zukunftsweisenden Ideen und Produkten den guten Ruf des Freistaats auch in diesen Teil der Welt. Investoren,Touristen und Gäste aus Russland sind in unserem weltoffenen Freistaat Thüringen jederzeit herzlich willkommen.
WIRTSCHAFT
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Ausfuhren im Aufwind Der Außenhandelspartner Russland gewinnt in den mitteldeutschen Bundesländern zunehmend an Bedeutung. In Sachsen rangiert das Land unter den wichtigsten Exportländern bereits auf Platz 7.
Text: Andreas Klossek
Von Einbruch war die Rede, von Talfahrt und Erdrutsch. Nachdem seit Anfang 1991 die Geschäfte mit dem einstigen „großen Bruder“ in konvertibler Währung abzuwickeln waren, ging es in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt mit den Exporten in die Sowjetunion und später in die Russische Föderation bergab. Kräftig. 50 bis 80 Prozent aller Ausfuhren waren in den Jahren zuvor in die UdSSR geliefert worden, Arbeitsplätze von über einer Million Menschen waren damit im Osten Deutschlands verknüpft. Zwischen 1985 und 1995 schrumpften die Warenexporte aus Ostdeutschland von fast 18 auf 3 Milliarden D-Mark, ein Rückgang von über 80 Prozent. Russland-Exporte verfünffacht Heute, über 20 Jahre später, schauen Unternehmen und Landesregierungen in den mitteldeutschen Bundesländern hingegen mit einigem Optimismus in Richtung des „Riesenreichs im Osten“. Schlüs-
sel- und Wachstumsmarkt heißt jetzt die Prognose. Tatsächlich ist es um die Chancen, auf dem russischen Absatzmarkt wieder oder neu Fuß zu fassen, gegenwärtig nicht zum Schlechtesten bestellt. Zum Beispiel und gerade in Sachsen: Von 718 Millionen Euro im Jahr 2010 legten die Exporte in die Russische Föderation 2011 um fast 70 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro zu, 2012 stiegen die Ausfuhren abermals um zirka 11 Prozent auf 1,35 Milliarden Euro. Damit gingen 4,3 Prozent aller sächsischen Exporte nach Russland, wobei insbesondere Güter des Kraftfahrzeug- und Maschinenbaus und elektrotechnische Produkte abgesetzt wUrden. Unter den Top 10 der sächsischen Exportländer rangiert Russland damit inzwischen auf Rang 7 knapp hinter der Tschechischen Republik, aber mittlerweile vor Euro-Ländern wie Italien und Österreich. Zum Vergleich: Anfang der 2000er Jahre hatte das Exportvolumen nach Russland noch wenig mehr als 270 Millionen Euro betragen, lediglich ein Fünftel des Werts von 2012.
Hohe Wachstumsperspektive Einen Schub in Sachen Exportquote erhofft sich auch Thüringen von den Wirtschaftsbeziehungen mit Russland, wo inzwischen zirka 340 Firmen Thüringer Unternehmen tätig sind. Als einer der sogenannten BRIC-Staaten wird Russland in der neuen Außenhandelkonzeption des Freistaats von 2011 neben Brasilien, Indien und China unter den Potenzialmärkten mit hoher Wachstumsperspektive geführt, die das Zeug dazu haben,Thüringens Internationalisierungslücke beim Export schließen zu helfen. Angepeilt wird eine Verdopplung des Außenhandelsvolumens, das 2012 zirka 420 Millionen Euro betrug. Gegenüber 2002 hat sich der Wert der von Thüringer Unternehmen nach Russland ausgeführten Waren um das Dreieinhalbfache gesteigert, allein 2011 erhöhten sich die Warenlieferungen der Thüringer Wirtschaft nach Russland um 100 Millionen Euro, 2012 abermals um 20 Millionen.Wichtige Exportgüter in die Russische
Die Top 10 im sächsischen Export 2012 nach Ländern 6000 Veränderung zu 2011: 5000
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35 %
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Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
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WIRTSCHAFT
Föderation sind Maschinen und Anlagen, Fahrzeugteile, pharmazeutische, optische und elektrotechnische Erzeugnisse sowie Produkte aus Kunststoff. Unter Thüringens Hauptabnehmerländern rangiert Russland damit gegenwärtig auf Platz 12, noch deutlich hinter Thüringens Top-drei-Ausfuhrländern Frankreich, Großbritannien und USA, in die 2012 jeweils Waren im Wert von mehr als 800 Millionen Euro verkauft werden konnten.
zeichnen, wobei die Ausfuhren Sachsen-Anhalts insgesamt im gleichen Zeitraum lediglich um 1,2 Prozent wuchsen. Unter den wichtigsten Zielregionen sachsen-anhaltinischer Exporte nimmt das Land mit einem Anteil am Gesamtexport von etwa 3,4 Prozent mittlerweile Platz 10 ein. Die wichtigsten Exportportprodukte sind Maschinen und Anlagen, Elektroerzeugnisse, chemische Erzeugnisse und Kunststoffe, Pharmaprodukte und Lebensmittel.
Halbmilliardengrenze überschritten
Spitzenreiter unter Zukunftsmärkten
Auch in Sachsen-Anhalt, dessen Unternehmen zum Beispiel im Jahre 2002 Waren in Höhe von 114 Millionen Euro nach Russland absetzten, hat die Bedeutung des Außenhandelspartners Russland im letzten Jahrzehnt stetig zugenommen. Nach dem Krisenjahr 2009, in dem die Exporte in die Russische Föderation von knapp über 400 Millionen auf zirka 270 Millionen Euro einbrachen, zogen Sachsen-Anhalts Ausfuhren in das größte Flächenland der Erde wieder an und übertrafen 2012 erstmals die Grenze von einer halben Milliarde Euro. Gegenüber 2011 war damit ein Anstieg um über 12 Prozent zu ver-
Überwiegend positive Vorzeichen sehen deutsche Unternehmen auch, was ihre zukünftigen Exportchancen in Russland betrifft. Zwar hat der im August 2012 erfolgte WTO-Beitritt Russlands den deutsch-russischen Handelsbeziehungen kurzfristig noch nicht wie gewünscht zu einem weiteren Schub nach vorn verholfen, die Exporte nach Russland gingen deutschlandweit im ersten Halbjahr 2013 um ein halbes, die Einfuhren aus Russland sogar um acht Prozent zurück. Dennoch sieht nach einer Umfrage der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) vom August/September 2013 die große
Mehrzahl der deutschen Unternehmen weiterhin gute Wachstumsprognosen in Russland.Weit über 50 Prozent der befragten Unternehmen erwarten demnach sowohl für das Gesamtjahr als auch für 2014 deutliche Umsatzzuwächse. Diese zuversichtliche Erwartungshaltung deckt sich auch mit den Ergebnissen der Umfrage „Außenwirtschaft 2013“ der sächsischen Industrie- und Handelskammern vom Frühjahr dieses Jahres: Russland rangierte wie schon 2011 bei der Frage nach den künftigen Zielländern des Auslandsengagements unter sächsischen IHKUnternehmen auf Platz 1, noch vor China und den Vereinigten Staaten, die mit 4,9 und 2,7 Milliarden Euro 2012 die Spitzenpositionen unter den sächsischen Exportländern markierten.
Ausfuhr von Haupterzeugnissen aus Sachsen 2012 Erzeugnisse des Kraftfahrzeugbaus
13962 Mio. EUR
Erzeugnisse des Maschinenbaus
3634,2Mio. EUR
Elektrotechnische Erzeugnisse
3453,8Mio. EUR
Eisen-, Blech-, und Metallwaren
757,7Mio. EUR
Chemische Vorerzeugnisse
591,5Mio. EUR
Waren aus Kunststoffen
470,7Mio. EUR
Halbwaren
442,2Mio. EUR
Quelle: SMWA, Referat Außenwirtschaft, Ansiedlungen, Messen
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WIRTSCHAFT
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Autoproduktion bei Lada.
Anspruchsvolle Aufgabe Die bilaterale Deutsch-Russische Auslandshandelskammer hilft Investoren beim Produktionsaufbau in Russland Text: Wladimir Nikitenko und Nato Katscharawa, Deutsch-Russische Auslandshandelskammer Fotografie: Wladimir Nikitenko.
Der Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre zieht kontinuierlich ausländische Investoren nach Russland. In der ersten Hälfte dieses Jahres flossen fast 99 Milliarden US-Dollar an ausländischen Investitionen ins Land. Das sind 32 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Russische Föderation gehört seit einigen Jahren zu den wachstumsstärksten Ländern. Viele Faktoren tragen dazu bei, dass Russland als potentieller Produktionsstandort immer attraktiver wird. Auf der einen Seite bietet Russland den ausländischen Firmen den größten europäischen Binnenmarkt mit einem riesigen Modernisierungsbedarf und einer enormen Konsumlust der Bevölkerung. Auf der anderen Seite erwartet der Staat von den ausländischen Partnern die Bereitschaft, ihre Produktion vor Ort anzusiedeln.Viele ausländische Produzenten, die bereits über einen großen Absatzmarkt in Russland verfügen, oder Zulieferunternehmen, deren Stammkunden lokale
Komponenten für die Eigenproduktion benötigen, prüfen Möglichkeiten, eine eigene Produktion in Russland aufzubauen. Allerdings benötigen alle Investitionen in Russland eine intensive und langfristige Vorbereitung, denn der Produktionsaufbau in Russland ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Investoren müssen sich auf eventuell auftretende Probleme einstellen und eine Vielzahl von Faktoren beachten, um optimale Entscheidungen zu treffen. Einer der Schlüsselfaktoren ist es, ein geeignetes Grundstück zu finden. Die russischen Regionen bieten mit erschlossenen Industrieparks hier bereits Lösungen an. Nach Angaben von Experten des Verbandes der Industrieparks existieren in Russland inzwischen 80 funktionierende beziehungsweise in Planung befindliche Industrieparks in 33 Regionen. Mit der Erschließung der Grundstücke und Vorbereitung des Baulandes nehmen die Betreiber den interessierten Unternehmen die
aufwändigsten Schritte bei der Vorbereitung von Investitionen ab, damit sich die Investoren ganz auf die unternehmerischen Fragen konzentrieren können. Der Aufbau der Produktion in Russland erfordert Kenntnisse über die Gegebenheiten vor Ort und über den Umgang mit lokalen Behörden. Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer tritt dabei als kompetenter Partner und Türöffner auf. Die AHK organisiert regelmäßig mit diversen Partnern Fachveranstaltungen zum Thema „Produktionslokalisierung in Russland“, um interessierten Unternehmen einen Überblick über Aspekte des Produktionsaufbaus in Russland zu geben. Internationale Experten aus Recht, Wirtschaft, Personalsuche, Infrastruktur und Logistik geben ihre Erfahrungen mit der Begleitung von Investitionen in Russland weiter. www.russland.ahk.de
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ADVERTORIAL
Nahezu alle Spezialisierungen sind im Klinikum Dessau vorteilhaft für den Patienten vereint. Zudem gibt es eine komfortable Hotelstation im Klinikum Dessau. Foto: Thomas Ruttke
Medizin in guten Händen
Klinikkomfort auf Hotelniveau: Die Hotelstation des Städtischen Klinikums Dessau bietet den Patienten als Wahlleistung modernes Ambiente mit Serviceplus. Foto: PUNCTUM/Stefan Hoyer
Das Klinikum am Rande der Stadt Dessau-Roßlau ist eines der modernsten Krankenhäuser Deutschlands. Mit 17 Fachbereichen bietet die drittgrößte Medizineinrichtung in Sachsen-Anhalt ein breites Spektrum für die zeitgemäße Patientenversorgung. Text: Grit Hachmeister Fotografie: SKD
Wohlfühlatmosphäre inklusive Das Städtische Klinikum Dessau wurde seit 1994 etappenweise erweitert und verfügt heute über beste räumliche, funktionale und medizinische Voraussetzungen. Dabei erfüllt das 700-BettenHaus in kommunaler Trägerschaft einen überregionalen Versorgungsauftrag. Rund um die Uhr engagieren sich über 1.500 Mitarbeiter für rund 30.000 stationäre Patienten pro Jahr*. Mehrere interdisziplinäre Zentren, wie das Onkologische Zentrum oder das zertifizierte Hautkrebszentrum Dessau-Anhalt, sind etabliert. Kürzlich ging hier bundesweit erstmalig die neueste Generation der Bestrahlungstherapie in einer nicht-universitären Medizineinrichtung in Betrieb. Nur zehn Kliniken in Deutschland arbeiten derzeit mit einem solchen
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System. Auch verfügt das Institut für Pathologie am Klinikum über eine profilierte molekularpathologische Abteilung, die das größte Spektrum dieser Untersuchungen unter den nicht-universitären Pathologischen Instituten und Praxen in SachsenAnhalt offeriert. Alle Qualitätsstandards und Serviceleistungen dienen der stetigenVerbesserung der Patientenversorgung. So können Patienten seit zwei Jahren das Wahlleistungsangebot der interdisziplinären Hotelstation nutzen. Hier lässt sich der Klinikaufenthalt mit einer größtmöglichen Privatsphäre gestalten, denn die Ausstattung der Komfortzimmer entspricht Hotelappartements der gehobenen Kategorie. Untersuchungen und Behandlungen finden jeweils in den Fachabteilungen des Klinikums statt. Die Wege dorthin sind kurz, da alle Bereiche in
einem Neubaukomplex vereint sind. Über die ärztliche Betreuung und komfortable Unterbringung hinaus genießen die Patienten auf der Hotelstation einen umfassenden Service mit Lounge-Bereichen, Sekretariats- und Dolmetcherdiensten. Auch bei der Reiseorganisation und Betreuung von Begleitpersonen sind die Mitarbeiter vor Ort behilflich. Zudem liegt das Klinikum sowohl für regionale und überregionale als auch für internationale Patienten zentral in Mitteldeutschland und verkehrsgünstig an der Autobahn und somit nah an den Flughäfen Berlin und Leipzig. *Stand 2012
www.klinikum-dessau.de
WIRTSCHAFT
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Vernetzt ins Russlandgeschäft Pfadfinder auf dem Markt: Kammern, Landesinitiativen und Branchenverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen helfen auf dem Weg ins Riesenreich. Text: Andreas Klossek Bilder: istockphoto.com
Für mitteldeutsche Unternehmen ist Russland eine Wieder- und Neuentdeckung. Einst war die Sowjetunion größter Außenhandelspartner in Osteuropa. Nach 1990 waren die beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen jedoch über Jahre von Unsicherheit bestimmt. Inzwischen hat sich die Situation geändert: Unterstützt durch umfangreiche staatliche Investitions- und Modernisierungsprogramme hat der russische Markt an neuer Attraktivität gewonnen.
Herausforderungen bleiben aber bestehen: ImVergleich zu den EU-Märkten gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen, Fragen der Zertifizierung und Finanzierung werden unterschiedlich gehandhabt, sprachlich-kulturelle Begleitumstände sind weniger leicht kalkulierbar. Hinzu kommt: Bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern sehen sich klein- und mittelständische Firmen, wie sie in Mitteldeutschland vorherrschen, in Russland häufig Großunternehmen gegenüber.
Vor diesem Hintergrund will ein Markteinstieg in Russland gut vorbereitet sein. Als Pfadfinder auf dem russischen Markt stehen KMU in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Reihe von Institutionen zur Seite. Dazu zählen • die regionalen Kammern • die Außenwirtschaftsförderung der Länder • die Branchenverbände und Verbundinitiativen
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WIRTSCHAFT
Die Kammern … halten aktuelle wirtschaftspolitische Informationen und Daten zu Investitionsbedingungen, Brancheninformationen sowie zu Fragen der Exportabwicklung, des Zolls oder des Außenwirtschaftsrechts vor. Unterstützung erhalten sie von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer und der bundeseigenen Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest. … bieten Beratungstage zum Thema Russland an. Der Austausch mit russlanderfahrenen Experten vermittelt Orientierungshilfen und praktische Tipps aus erster Hand. IHK Magdeburg: Die Magdeburger Kammer engagiert sich für ihre Unternehmen besonders in den beiden Industrieregionen Samara und Krasnodar, letztere neben der Winter-Olympiade im Frühjahr 2014 auch Austragungsort von Spielen der Fußball-WM 2018. Zu den IHKs beider Gebiete bestehen Kooperationsvereinbarungen, zugleich sind sie bevorzugtes Ziel von Delegations-
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bzw. Unternehmerreisen sachsen-anhaltinischer Firmen. Im November 2013 und im Februar 2014 steuern Firmenchefs aus Sachsen-Anhalt erneut Krasnodar an, zunächst zur größten südrussischen Landwirtschaftsfachmesse „Yugagro“, dann zur bedeutendsten Baumesse der Region, der „YugBuild“. IHK Leipzig: Für die IHK Leipzig steht Russland schon seit Langem im Fokus außenwirtschaftlicher Beratungs- und Kooperationsangebote. Der Deutsch-Russische Wirtschaftsstammtisch, 2012 von der IHK Leipzig und dem Generalkonsulat der Russischen Föderation begründet, ist eine dieser Initiativen. Sie richtet sich an Unternehmer beider Länder, u.a. in den Branchen Automobilindustrie, Biotechnologie, Maschinen- und Anlagenbau, Mikroelektronik, Umwelttechnik, Energie und Logistik (siehe auch den Beitrag zur IHK Leipzig). IHK Chemnitz: Bereits seit über zehn Jahren findet jedes Jahr im Frühjahr der Russlandtag der IHK Chemnitz statt und bringt sächsische Firmen in Vorträgen und Workshops mit ausgewiesen Fachexperten im Russlandgeschäft ins Gespräch.
IHK Erfurt/IHK Gera: Mit Potenzialen wie Herausforderungen des russischen Marktes machen auch die Thüringer IHKs vertraut. Im September 2013 stieß der „Business Roundtable Russland“ der IHK Erfurt auf große Resonanz, am 26. November 2013 lädt die IHK Gera zum „Workshop Russland“ ein. Praxisorientiert werden verschiedene Aspekte der Markterschließung in Russland erörtert – von der Zertifizierung und Vertragsgestaltung über die Beteiligung an Ausschreibungen bis hin zum Aufbau einer eigenen Repräsentanz. Institutionen der Außenwirtschaftsförderung der Länder … werfen ihre Expertise in Bezug auf die Recherche und Bewertung branchenbezogener Informationen, Kontaktanbahnung,Vernetzung und politischer Flankierung auf dem russischen Markt in die Waagschale. Zum Angebot gehören Informationsveranstaltungen, Wirtschaftsdelegations- und Markterkundungsreisen, die Betreuung russischer
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Wirtschaftsdelegationen sowie die Organisation von Messegemeinschaftsständen. Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen: Beim Team „Thüringen International“ der LEG finden Unternehmen u.a. mithilfe von Seminaren, Unternehmerreisen und Messebeteiligungen Rückendeckung für ihr Russlandgeschäft. Einen der bisherigen Höhepunkte bildete 2012 eine fünftägige Delegationsreise von 84 Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern nach Moskau, Uljanowsk und in die tatarische Hauptstadt Kasan, die von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und Wirtschaftsminister Matthias Machnig begleitet wurde. Kooperationsbörsen mit mehr als 130 Gesprächen, über 40 Unternehmensbesuche und Vertragsabschlüsse mit russischen Partnern standen am Ende auf der Habenseite. Die Zusammenarbeit mit der Republik Tartastan wurde unlängst bei einem Gegenbesuch einer Wirtschaftsdelegation mit Präsident Rustam Minnichanow an der Spitze
in Thüringen vertieft. Seit November 2013 wird zudem im Rahmen des „Firmennetzwerks Russland“ ein Pool von bereits in Russland aktiven Thüringer KMU aus dem Maschinen-, Anlagenund Werkzeugbau eingehend bei der Intensivierung ihres Russlandgeschäfts unterstützt. Wirtschaftsförderung Sachsen: Russland ist mit einem Handelsvolumen von fast drei Milliarden Euro einer der wichtigsten Handelspartner Sachsens. Um diese positive Entwicklung auszubauen, hat die WFS 2012 in zehn Projektmaßnahmen fast 60 sächsische Unternehmen und FuE-Einrichtungen nach Russland begleitet. Zu den bewährten Außenwirtschaftsprojekten zählt die Teilnahme an der Moskauer Maschinenbaumesse „Metalloobrabotka“. 2013 waren sächsische Maschinenbauer auf der international bedeutsamen Leitmesse bereits zum siebenten Mal an einem von der WFS organisierten „Sachsen-Live“-Gemeinschaftsstand präsent. Intensiviert werden die sächsisch-russischen
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Wirtschaftsbeziehungen regelmäßig auch durch Delegationsreisen in russische Regionen. Nach Tartastan in 2010 und Swerdlowsk im Sommer 2012 besuchte zuletzt im Oktober 2013 eine Delegation sächsischer Maschinen- und Anlagenbauer in Begleitung von Wirtschaftsminister Sven Morlok die Industrieregion Nowosibirsk. Auf dem Programm standen neben Unternehmensbesuchen und Technologieforen auch ein Besuch des berühmten Wissenschafts- und Forschungszentrums „Akademgorodok“. Kontaktbüros in Krasnodar und Moskau Alle drei mitteldeutschen Bundesländer unterstützen den Auf- und Ausbau des Russlandengagements von KMU mithilfe von RusslandExperten vor Ort. Unterstützung bieten die Repräsentanz der IHK Magdeburg in der südrussischen Metropole Krasnodar, das Büro der Sächsischen Wirtschaft sowie das Kontaktbüro des Auslandsbeauftragten für Russland der LEG Thüringen, beide mit Sitz in Moskau.
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Brancheninitiativen Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen (VEMAS): Sie unterstützt seit 2003 sächsische KMU des Maschinen- und Anlagenbaus bei der Markterschließung in Russland, initiiert gemeinsame Industrie- und Forschungsprojekte und begleitet die Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen. Sie organisiert die Teilnahme sächsischer Firmen an Fachmessen und Technologieforen ebenso wie Unternehmerreisen. Die Geschäfts- und Kooperationschancen, die sich infolge des Modernisierungsbedarfs der russischen Wirtschaft für den sächsischen Maschinen- und Anlagenbau als Anbieter von ressourceneffizienten Maschinen und Technologien in Schlüsselbranchen wie dem Fahrzeugbau, der Bergbauindustrie, dem Schwer- und Energiemaschinenbau sowie im Forschungssektor bieten, werden auf diese Weise intensiviert. Im Frühjahr 2013 wurde eine Kooperationsvereinbarung mit dem Verband der Maschinenbau-Unternehmen des Gebiets Swerdlowsk unterzeichnet, die den Aufbau eines Kompetenzzentrums für innovative Produktionstechnik in Jekaterinburg vorsieht. Cluster initiative MAHREG Automotive Magdeburg: Darin vereint sind etwa 100 Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Automobilbranche in Sachsen-Anhalt. Der Verband streckt seine Fühler auf den wachsenden russischen Automobilmarkt aus. Im August 2012
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besuchten Delegationen aus der Region Samara Mitgliedsfirmen von MAHREG, und kurz darauf loteten Entscheidungsträger des Moskauer Sportwagenautobauers „Marussia“ am Sitz des Clusters Kooperationsmöglichkeiten aus. Aero-Space Initiative Saxony (ASIS): Gegründet 2008, versteht sich die Verbundinitiative als Impulsgeber und Schnittstelle für die russisch-sächsische Zusammenarbeit im Bereich der Luftfahrtindustrie. 100 Unternehmen und etwa 20 Forschungsinstitute zählen dazu, Kooperationsbeziehungen bestehen seit 2009 zum Luftfahrtkonsortium United Aircraft Corporation (UAC). Hier geht es um innovative Technologien für die russische Flugzeugindustrie, die gemeinsam ersonnen werden. Die UAC, der bekannte russische Flugzeughersteller wie Tupolev, Iljuschin oder Suchhoi angehören, engagiert sich auch in der Sonderwirtschaftszone TitaniumValley, die sich im Oblast Swerdlowsk im Aufbau befindet. Zwischen UAC und ASIS besteht ein Memorandum of Understanding, bei dem es um Technologien zur Bearbeitung von Teilen aus Titan für die Luft- und Raumfahrtindustrie geht. Netzwerk Logistik Leipzig-Halle e.V.: Das 2008 gegründete Kooperationsnetz vereint im Umfeld des Frachtdrehkreuzes „Leipzig/Halle Airport“ rund 140 Logistikunternehmen und ihre Partner aus Kammern, Kommunen und Forschungseinrichtungen. Als Logistikdrehscheibe zwischen Ost und West kommt dem Ausbau der
Geschäftsbeziehungen zu Russland eine zentrale Rolle zu. So bewirbt das Netzwerk den Logistikstandort u.a. auf Russlands größter Transport- und Logistikmesse Trans-Russia und unterstützt seine Mitglieder seit 2012 durch eine Repräsentanz in Moskau, die in Kooperation mit dem Logistikdienstleister Kühne + Nagel eröffnet wurde. Kontakte unterhält das Netzwerk auch zu Logistikunternehmen aus der russischen „Autostadt“ Kaluga nahe Moskau: Für den ehemaligen Militärflughafen Jermolino, der zu einem Logistik- und Frachtzentrum ausgebaut werden soll, könnten der Flughafen Leipzig/Halle und das Netzwerk Logistik Leipzig-Halle als Vorbild dienen. Deutsch-Russisches Rohstoff-Forum in Leipzig: Das Forum versteht sich als Dialogplattform zur Entwicklung von Strategien für die effektive Nutzung fossiler, mineralogischer und alternativer Rohstoff-Ressourcen und setzt dazu auf die wissenschaftlich-technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder. 2006 von der TU Bergakademie Freiberg und dem Staatlichen Bergbauinstitut St. Petersburg (seit 2012: Nationale Universität für mineralische Ressourcen „Gorny“) gegründet, hat es heute zahlreiche Industrie- und institutionelle Partner. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigt sich hier exemplarisch der breite außenwirtschaftliche Instrumentenkasten, der in Mitteldeutschland zur Verfügung steht.
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Als Gesicht der WRL verstärkt Lutz Thielemann die persönliche Komponente beim Vermarkten der gemeinsamen Wirtschaftsregion.
Landekreuz für Investoren Die Stadt Leipzig und die beiden umgebenden Landkreise Leipzig und Nordsachsen formen eine exzellente Region für Investoren. Das sagt auch die Financial Times. Text: Helge-Heinz Heinker Fotografie: Pawel Sosnowski
Für ihre Studie „European Cities and Regions of the Future“ des Jahrgangs 2012/13 untersuchte die Financial Times die Wirtschaftsregion Leipzig. In drei Kategorien, mit denen das Investitionsklima gemessen wurde, gelangte die Aufsteiger-Stadt unter die besten Zehn im kontinentalen Vergleich. Porsche und BMW errichteten neue Werke, die in ihren jeweiligen Produktionsverbünden Vorreiterrollen übernehmen. Rang Nummer Zwei Mehr als 860.000 Tonnen Luftfracht wurden im Jahr 2012 am Flughafen Leipzig/ Halle umgeschlagen. Damit belegt Leipzig/ Halle Rang Nummer zwei unter den deutschen Frachtflughäfen und ist in der Spitzengruppe der zehn wichtigsten europäischen Umschlagplätze für Luftfracht angekommen. „Flaggschiff“ am Fracht-Airport ist die PostTochter DHL, die hier seit dem Jahr 2008 ihren europäischen Hub für den ExpressVersand eiliger Güter eingerichtet hat. Die Frachter verbinden nordamerikanische und
ostasiatische Taktgeber der Globalisierung im zuverlässigen Funktionsrhythmus der Wertschöpfungsketten. Gemeinsame wirtschaftliche Potentiale mit Russland Eine gemeinsame Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt und der beiden umliegenden Landkreise, an der auch die Industrieund Handelskammer zu Leipzig beteiligt ist, nahm am Ende des Jahres ihre Arbeit auf. Sie entwickelt Synergien, trägt die Botschaft von der lohnenden Investitionsregion hinaus in die Welt und soll das Interesse weiterer Unternehmen wecken, die auf Standortsuche sind und lukrative Andockmöglichkeiten an bestehende Branchen und Strukturen suchen. Russland und insbesondere die Region Moskau spielen dabei in den Marketingplanungen der Wirtschaftsförderung Region Leipzig GmbH eine wichtige Rolle. Dabei geht es nicht nur um die traditionellen Verbindungen, sondern vor allem um das große gemeinsame wirtschaftliche Potential.
Das gilt für die Logistik ebenso wie für den Bereich Automotive und seine Zuliefernetze, für Geschäftsideen aus dem weiten Feld der Energiewirtschaft, wie auch für die Biowissenschaften und die Medizintechnik. Und wo eine Universität ist - wie seit dem Jahr 1409 in Leipzig - bereichern die Forschungsergebnisse auch die Wirtschaft. Dazu passt, dass das Profil der Leipziger Messe mit einem florierenden Kongressgeschäft komplettiert wurde - in einem der erfolgreichsten Konferenzzentren Europas. Und, es lebt sich hier äußerst gut. Ein vitaler Kulturraum prägt seit Jahrhunderten die Region Leipzig und sein sehr attraktives Umland.
www.invest-region-leipzig.de
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Netzwerker für den Russlandtrend Die IHK Leipzig öffnet die Türen für russische Unternehmen und Präsident Wolfgang Topf fordert die Aufhebung der Visapflicht. Text: Jana Dichelle Fotografie: IHK Leipzig, Innoprom Media Archivew
Russland wird wichtiger für sächsische Unternehmen. Darauf lässt eine gemeinsame Umfrage der Sächsischen Industrie- und Handelskammern schließen: Auf die Frage, welches Land für die Zukunft ihres Unternehmens wichtig ist, stemmten die meisten der 338 befragten Firmen im Mai 2013 den russischen Bären auf den ersten Podestplatz, gefolgt von China, den USA, Österreich, Polen und der Schweiz. Bei der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig rennen die Unternehmen damit offene Türen ein. IHK-Präsident Wolfgang Topf, der mit der Imo-Leipzig GmbH zudem einem der größten Stahlmontagebetriebe Deutschlands vorsteht, fliegt für seine Firma regelmäßig zwischen Deutschland und Russland hin und her. Und er weiß genau, worauf es ankommt: „Man muss viel Zeit und Geduld mitbringen. Es braucht etliche Anläufe und Gespräche, und entscheidend ist nicht das erste Treffen, sondern immer das letzte. Wie in Deutschland auch, sollte man bereit sein,
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Geld in den Aufbau der Geschäftsbeziehung zu stecken, auch auf die Gefahr hin, dass es am Ende doch verloren ist“, so Wolfgang Topf. Wichtig sei zudem der Kontakt zu den Profinetzwerkern von der deutschen Auslandshandelskammer, auch deutschsprachige Wirtschaftskanzleien seien eine große Hilfe vor allem für kleine oder mittlere Unternehmen, die keine eigenen Juristen oder Fachleute haben. Und dann ist da noch das Russische Generalkonsulat in Leipzig, zu dem ein guter Kontakt hilfreich sei. Auch in der Leipziger IHK-Zentrale, direkt am Cityring gelegen, können sich Unternehmen Expertenwissen abholen. Hier arbeiten unter anderen die Muttersprachlerin Natalia Kutz und Matthias Feige, der im heute ukrainischen Lemberg studiert hat. Beide werfen weit mehr als nur ihre Sprachkenntnisse in die Waagschale: Für die Kammer bereiten sie den Boden für Unternehmerkontakte nach Russland.
Industriemessen in Russland Dazu zählen Industriemessen, wie die Innoprom in Jekaterinburg. Sachsen pflegt eine Austauschbeziehung mit dem Gebiet Swerdlowsk, in dem sich die Stadt befindet, und die IHK bot ihren Mitgliedern an, sich am sächsischen Gemeinschaftsstand zu präsentieren. Im Juli machte sich dorthin eine 17-köpfige sächsische Delegation auf, angeführt von Sven Morlok, Wirtschaftsminister des Freistaats. Hinzu kamen Vertreter der TU Chemnitz, der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, der Verbundinitiativen Maschinenbau VEMAS und Aerospace Initiative Saxony ASIS, aber auch Firmenvertreter. „Russland hat eine Modernisierungsoffensive gestartet, um der Wirtschaft einen Innovationsund Wachstumsschub zu geben und damit bieten sich für deutsche Unternehmen gute Geschäftschancen“, sagt Matthias Feige, Geschäftsfeldverantwortlicher International bei der IHK. Seit dem
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Links: Bunt gemischt: Auf der Industriemesse kommen Ost und West in Kontakt. Oben: Robotertest auf der Innoprom: Auch die IHK war in Jekaterinburg dabei. Unten: Matthias Feige, Geschäftsfeldverantwortlicher International bei der IHK: Spricht fast jeden Tag Russisch.
Beitritt zur Welthandelsorganisation genössen Russlandgeschäfte größeres Vertrauen denn je, die Zollsätze seien fix, technische Vorschriften harmonisiert. Bedarf in Russland bestehe besonders in der hochentwickelten Feinmechanik und der Mess- und Regeltechnik, daneben bei Maschinen,Werkzeugen, Medizintechnik und Pharmazie, Nanotechnologie, EDV-Systemen und Logistik ebenso wie bei Energieeffizienz- und Umwelttechnologien. Exportschlager duale Ausbildung Doch auch das deutsche duale Ausbildungssystem wird in Russland seinem Ruf als Exportschlager gerecht. Die Zentrum für Aus- und Weiterbildung GmbH,Tochtergesellschaft der Leipziger IHK, hat ein Projekt initiiert, bei dem die autonome Repu-
blik Tatarstan mit einem beruflichen Bildungssystem ausgestattet werden soll, das in Struktur und Inhalt dem deutschem Vorbild folgt. Projektförderung beim Bundesministerium für Bildung und Forschung ist beantragt. Zu Hause in Leipzig lädt die IHK seit 2012 gemeinsam mit dem russischen Generalkonsulat in Partnerschaft mit derVerbundnetz-Gas AG zwei Mal im Jahr zum deutsch-russischen Stammtisch, das nächste Mal am 27. November 2013.Vorträge führen ins Thema ein und hinterher ist Zeit, in Kontakt zu treten undVisitenkarten auszutauschen. Russischkompetenz gefragt Zur Sprache kommen dabei auch die Hemmnisse, die Unternehmen davon abhalten, ihr Glück in Russland zu versuchen. Dazu zählen gelegent-
liche Irritationen, wenn bestimmte Exportgüter mit Sonderzöllen belegt werden. Das allerdings seien Ausnahmen, so Matthias Feige. Die meisten Schwierigkeiten seien heute universeller Natur, wie die im internationalen Geschäft üblichen Steuer- und Rechtsfragen, oder die Suche nach Geschäftspartnern, mit denen eine wechselseitige Vertrauensbasis entsteht. Matthias Feige: „Natürlich können wir auch nicht einschätzen, ob ein Geschäftspartner seriös ist. Aber wir können bei Partner-IHKs nachfragen, wie ein Unternehmen aus deren Sicht dort bisher aufgetreten ist. Ansonsten verweisen wir auf kostenpflichtige Wirtschaftsauskunfteien.“ Was die Sprache angeht, so verständigt sich die junge Generation auf internationalem Parkett zunehmend auf Englisch, doch Russischkompetenz ist ebenfalls nicht zu verachten. IHK-Präsident Wolfgang Topf empfiehlt, Russischkenntnisse im Unternehmen vorzuhalten, denn: „Eigene Sprachkenntnisse oder Dolmetscher sind unbedingt notwendig. Sonst ist man gerade in technischen Details von Dritten abhängig. Es wird übrigens dankbar angenommen, wenn man sich bemüht, sich auf Russisch auszudrücken, auch wenn nur noch wenig eingerostetes Russisch übrig ist. Gegen eine fachgerechte Auffrischung ist nichts einzuwenden.“ www.leipzig.ihk.de
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Blick auf den Business Park Nagatino i-Land: Hier hat sich das German Centre Moscow angesiedelt.
Einzug der Moderne Ob Infrastruktur oder lokale Produktion vom Joghurt bis zum Flugzeug: In Russland und den GUS-Staaten bewegt sich einiges. Text: Moritz Gathmann Fotografie: LEG Thüringen, Irina Rausch
Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt wird schnell klar: Das hier ist nicht München, nicht Berlin. Fünfspurig geht es über den Moskauer Autobahnring, vorbei an riesigen Einkaufszentren, Billboardwäldern, dem noch immer nach oben wachsenden Wolkenkratzerviertel „Moscow City“. Und dann – ein Stück Heimat: Im German Centre, gelegen auf einer Insel inmitten des Flusses Moskwa unweit des Stadtzentrums der 12-Millionen-Metropole, spricht man deutsch. Auf den Schildern im Foyer des elfstöckigen Neubaus stehen die Namen von über 50 Unternehmen. Und seit der Eröffnung 2011 kommen stetig neue hinzu. Was Anfang der 90er Jahre mit dem Export von
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Produkten aus Deutschland begann, geht mit der zunehmenden Lokalisierung der Produktion in eine neue Phase über. Lokale Kompetenz entscheidend Lokale Kompetenz ist bei der Kundenakquise entscheidend. So gingen nur wenige Bauaufträge im Olympiaort Sotschi direkt an deutsche Unternehmen. Der Schlüssel liegt in der Partnerschaft mit lokalen Partnern, weil große Generalaufträge nur ungern an ausländische Unternehmen vergeben werden. Das könnte auch eine Lehre für die Fußball-Weltmeisterschaft sein, die 2018 in Russ-
land stattfindet und für die neben dem Stadionbau groß angelegte Infrastrukturprogramme geplant sind. Dennoch sind einige deutsche Mittelständler als Subunternehmer in Sotschi durchaus zum Zuge gekommen – wegen ihrer oft einzigartigen Fähigkeiten und dem noch immer angesehenen „Made in Germany“. Ein großer Vorteil ist es, vor Ort sichtbar zu sein, ob durch Referenzprojekte oder eigene Niederlassungen. Wer faul spielt, fliegt raus Aber bergen Kooperationen nicht auch Gefahren, etwa im Bereich Compliance? Thomas Deut-
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Delegationsreise nach Jekaterinenburg: Xaver Milz, Sachsenbank (Bild Mitte).
scher, der schon über acht Jahre in Russland tätig ist und seit August die Repräsentanz der Landesbank Baden-Württemberg in Moskau leitet, ist die Entwicklung auf einem guten Weg: „Die verstärkte Zusammenarbeit mit westlichen Partnern hat einen positiven Effekt auf das russische Unternehmertum. Sie verstehen: Wer faul spielt, fliegt raus.“ Dadurch seien russische Unternehmen in den letzten Jahren gezwungen gewesen, ihre Eigentumsverhältnisse transparenter zu gestalten. Wichtig sei es für deutsche Unternehmer eben, mit Bedacht den Partner zu wählen. „Dabei steht die LBBW ihnen zur Seite, deshalb sind wir hier“, sagt Deutscher. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen über die letzten Jahre sei erkennbar. Ein großer Fortschritt sei etwa eine Änderung des russischen Strafgesetzbuches 2011, mit welcher der Strafrahmen für Korruption, Bestechung und Bestechlichkeit erhöht worden sei. An der Modernisierung der Wirtschaft liegt sowohl Russland als auch den GUS-Ländern, um von reinen Rohstofflieferanten zu Industrieländern zu werden. Dieser Kurs birgt für deutsche Mittelständler große Chancen, etwa bei der Infrastruktur, die zwei Jahrzehnte nach dem Niedergang der Sowjetunion dringend erneuert werden muss. Das betrifft Kraftwerke, Strom- und Wasserleitungen,
Geduld bringt Rosen
fehlendes Fachpersonal.Weil gut ausgebildete junge Leute nach Moskau oder St. Petersburg ziehen, fehlt es insbesondere in den russischen Regionen an Fachkräften – und in der Ausbildung mangelt es oft an Praxisbezug. Es gibt vielversprechende Pilotprojekte: In der Stadt Kaluga etwa bildet Volkswagen in Zusammenarbeit mit einer lokalen Hochschule eigene Mechatroniker aus. Auch für Gemeinschaftsprojekte sächsischer Unternehmen mit russischen Partnern gibt es inzwischen viele Beispiele. Wichtig ist es, frühzeitig eine im Russlandgeschäft erfahrene Bank einzubinden. „Durch die Betreuung vieler Firmen im Exportgeschäft haben wir einen großen Erfahrungsschatz, den wir gerne an unsere Kunden weitergeben“, so Xaver Milz, Fachberater Trade & Export Finance bei der LBBW in Leipzig. Eine wichtige Grundeigenschaft, da sind sich die Experten einig, sollte allerdings jeder deutsche Unternehmer mitbringen, der Geschäfte in Moskau, Baku oder Taschkent machen will: Ausdauer. Getreu dem Motto: „Geduld bringt Rosen“.
Ein positives Erbe der Sowjetunion ist das hohe Bildungsniveau, dennoch klagen Unternehmen in Russland in den letzten Jahren zunehmend über
www.sachsenbank.de
die Abfallwirtschaft, Straßen, Flughäfen und Eisenbahn. Zugleich wird die Industrieproduktion erhöht. Ob Joghurts,Tapeten oder Flugzeuge – die Produktion wird auch mit Unterstützung deutscher Unternehmen immer stärker lokalisiert. Die gemeinsame Geschichte als Teilrepubliken der UdSSR eint die Länder, und sie alle sind reich an Bodenschätzen, haben ein stabiles Staatsbudget und kaum Schulden. „Ein Großteil der Infrastruktur stammt aus sowjetischen Zeiten, und Russisch ist fast überall weiterhin die wichtigste Geschäftssprache. Allerdings sind die zentralasiatischen Länder und Aserbaidschan vom Islam geprägt“, erklärt Sardor Kholmakhmadov, der bei der LBBW für Relationship Management mit den GUS-Ländern zuständig ist. Der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft ist allenthalben groß. „Während Investoren in Aserbaidschan und Usbekistan sich um Unterstützung von ganz oben bemühen sollten, reicht es in Russland, auf regionaler Ebene Kontakte mit den Gouverneuren zu knüpfen.“
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Gemeinsam Grenzen überschreiten Mit einem Marktanteil von 50 Prozent ist die Sparkasse Leipzig die Hausbank Nummer eins bei den mittelständischen Unternehmern sowohl der Stadt Leipzig als auch der Landkreise Leipzig und Nordsachsen. Doch geht es um das Auslandsgeschäft, führt der erste Weg der mittelständischen Unternehmer nicht unbedingt direkt zur Sparkasse. Zu Unrecht, erfuhr REGJO im Gespräch beim Kompetenz-Center Ausland von dessen Leiterin Linda Coe und vom Osteuropaexperten Alexander Georgiev. Text: Jan Heinrich Fotografie: Sophia Kesting
Frau Coe, wenn man an die Sparkasse denkt, verbindet man damit nicht unbedingt internationale Geschäfte. Wozu braucht die Sparkasse Leipzig ein Kompetenz-Center Ausland?
Linda Coe: Es stimmt, Sparkassen sind regionale Institute und bedienen die heimische Wirtschaft. Aber die Exportquote im Mittelstand nimmt stetig zu. Wenn Sie bedenken, dass der deutsche Mittelstand 19 Prozent Auslandsumsatz hat, und wenn Sie weiterhin bedenken, dass die Sparkasse Leipzig ungefähr die Hälfte der regionalen Unternehmen betreut, dann ist Auslandskompetenz kein nettes Anhängsel, sondern ein Imperativ. Mit dem Kompetenz-Center Ausland steht die Sparkasse Leipzig ihren auslandsaktiven Kunden kompetent zur Seite. Über die Schreibtische unserer 25 Mitarbeiter geht pro Jahr ein Auslandsumsatz von 680 Millionen Euro, und rund 20 Prozent davon betreffen Russland.
Wie genau unterstützen Sie Unternehmen, Ländergrenzen zu überschreiten?
Wenn wir über Russland sprechen: Lässt sich da eine Tendenz erkennen?
Linda Coe: Beim Export sind die Risiken tendenziell höher als auf dem Binnenmarkt. Das gilt vor allem für die Risiken, die mit dem Zahlungsvorgang verbunden sind. Denn Käufer und Verkäufer können einander über Ländergrenzen hinweg nur bedingt beurteilen. Viele Unwägbarkeiten lassen sich durch eine ausführliche Beratung und passende Zahlungsinstrumente verringern. Hier setzt die Unterstützung des Kompetenz-Centers Ausland an. Ein wichtiges Instrument zur Zahlungssicherung ist das Dokumentenakkreditiv. Dabei handelt es sich um ein abstraktes Zahlungsversprechen eines Kreditinstitutes, gegen bestimmte Dokumente und innerhalb einer Frist einen festgesetzten Betrag an den Exporteur zu zahlen.
Alexander Georgiev: Seit einigen Jahren spüren wir einen deutlichen Anstieg der Geschäftsaktivitäten unserer Kunden mit Russland und den GUS-Staaten, und zwar branchenübergreifend. Hervorzuheben sind Energieprojekte wie Solarund Windparks zur Erzeugung regenerativer Energien. Maschinen- und Anlagenbau sowie Umwelttechnik gehören ebenso zu den am häufigsten exportierten Gütern. Themen wie Umweltschutz und Energieeffizienz gewinnen stetig an Bedeutung. Aktuell begleiten wir einige Exportvorhaben Leipziger Unternehmen in der Ukraine und Russland. Hier wird eine klassische Exportfinanzierung benötigt. Was verbirgt sich hinter einer Exportfinanzierung?
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Linda Coe, Leiterin Financial Services bei der Sparkasse Leipzig: „Wir begleiten viele Unternehmen und deren Geschäfte auf dem Weg ins Ausland.
Alexander Georgiev: Exportfinanzierung ist der Oberbegriff für die Instrumente der Außenhandelsfinanzierung, wie zum Beispiel der Bestellerkredit als Finanzierung des ausländischen Partners oder die sogenannte Forfaitierung, der regresslose Ankauf von Auslandsforderungen. Diese Art der Finanzierung gestalten wir gemeinsam mit unseren Partnern, den Landesbanken. Welche Vorteile haben russische Handelspartner von dieser Art der Finanzierung?
Linda Coe: In Russland und den GUS- Staaten liegt das Zinsniveau deutlich höher.Wenn dort Projekte mit deutscher Beteiligung realisiert werden sollen, dann werden auch Finanzierungsmöglichkeiten aus Deutschland gern angefragt. Zusätzlich unterstützt die Bundesrepublik durch Exportkreditgarantien deutsche Exporteure, sich gegen Länder- und Käuferrisiken abzusichern, wobei Hermesdeckungen sehr wichtig sind. Klingt insgesamt nach einem umfangreichen Spektrum an Erfahrungen…
Linda Coe: Wir begleiten viele Unternehmen und deren Geschäfte auf dem Weg ins Ausland. Da wir sehr gut vernetzt sind, können wir Informationen, Betreuung und Finanzierung im Inland mit Kontakten und Bankdienstleistungen im Ausland zusammenbringen. Das gilt für fast 100 Länder der Welt. Möchte eine deutsche Firma eine neue Produktionsstätte in Sankt Petersburg errichten oder benötigt sie Personalberatung vor Ort, dann sind wir genau die richtigen Ansprechpartner. www.sparkasse-leipzig.de/ firmenkunden/ internationales_geschaeft
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Dima Jochim von Dialog e.V.
Verständigung für Verliebte Der Dialog e.V. hat sich den Austausch zwischen deutscher und russischer Welt auf die Fahnen geschrieben. Schwerpunkt ist die Wirtschaft – aber eben nicht nur. Text Jana Dichelle Fotografie: Sophia Kesting
„Es ist schon interessant zu sehen, wie gerade junge Leute die russische Kultur so anziehend finden, dass sie sich regelrecht in sie verlieben“. Der das sagt, ist mit 32 Jahren selbst noch der jungen Garde zuzurechnen. Geboren in Kasachstan, seit über 20 Jahren in Leipzig lebend, hat Dietrich Jochim beide Kulturen in sich aufgenommen – und entsprechend wichtig ist ihm die Verständigung zwischen beiden. Also: Ein Verein. Er trat dem Dialog e.V. bei, einer ursprünglich studentischen Vereinigung, die 1998 in Tübingen gegründet wurde, und die sich seither in Regionalgruppen in Deutschland und Russland ausbreitet. „In Leipzig geht es uns darum, den Osteuropabezug der Stadt, der zum Teil noch aus DDR-Zeiten herrührt, zu betonen und zu bestärken“, so Jochim, der seit 2007 dabei ist und es inzwischen zum ehrenamtlichen Regionalgruppenvorsitzenden gebracht hat. Lag der Schwerpunkt zu Beginn auf der Wirtschaft – der Vereinsname heißt in voller Länge „Dialog e.V. –Vereinigung deutscher und russischer Ökonomen“ – widmen sich seine Stammtische
heute auch schon mal kulturellen oder politischen Themen, und zu den Studenten gesellen sich mehr und mehr Berufstätige. 40 Mitglieder gibt es in Leipzig, manche mehr, manche weniger aktiv, und auch Chemnitz hat seine Regionalgruppe. „Wir besuchen oft Unternehmen mit Russlandbezug in Sachsen – man sollte nicht meinen, wie viele es davon gibt“, sagt Jochim. Auf großen Symposien – etwa zur Energiewende oder zu Unternehmensgründungen in Russland – finden die deutschen und die russischen Regionalgruppen einmal im Jahr zusammen, und zwar abwechselnd in Moskau und in Tübingen. Dietrich Jochim siedelte einst mit seiner russlanddeutschen Familie nach Deutschland über, und „viele im Verein haben einen ähnlichen Hintergrund wie ich“, erzählt er. Aber es gebe eben auch immer mehr Deutsche, die sich für Russland und die russische Kultur begeistern. „Da ist es schon gut, dass unser Verein das Feld beackert – und zum Glück sind wir nicht die einzigen.“ www.dialog-ev.de
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Die starke Stimme des Ostens für Fernsehen, Hörfunk und Online Richard Wagners Persönlichkeit polarisiert sein Publikum bis heute, seine Musik jedoch bleibt unumstritten – in der ganzen Welt. Der MITTELDEUTSCHE RUNDFUNK widmet dem musikalischen Genie aus Mitteldeutschland eine Vielzahl an Sendungen und Aktivitäten. Alle Informationen unter: http://www.mdr.de/wagner DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
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Markteintritt in Russland Sergey Frank gehört zu den Experten, die Russlandunternehmungen auf den Weg bringen. Seit mehr als 20 Jahren hilft er ostwärts gerichteten Geschäftskontakten mit seinen Erfahrungen und Verbindungen auf die Sprünge. Ein Gespräch über Handel und Wandel, Goldgräberstimmung, den Zeitfaktor vier und den Weg vom Distributor zur eigenen Tochtergesellschaft. Text: Jan Heinrich Fotografie: Sergey Frank International
Wie bereitet man sich am besten auf den Markteintritt in Russland vor?
Gründlich, mit russischen Prospekten und einer Homepage, auf lokalen Messen und mit Produktanzeigen. Kennzahlen, strategische Positionierung und vertragliche Rahmenbedingungen sollten vorher klar sein. Viele Unternehmen entscheiden sich anfangs für einen Distributor…
Das ist sinnvoll und administrativ weniger aufwändig als der Direktvertrieb. Geeignet sind Partner, die bereits ähnliche Produkte verkauft haben, denn sie sind erfahren und haben entsprechende Kontakte.
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Die Reputation einschließlich der Zahlungsmoral des Partners sollte einwandfrei sein. Dies gilt insbesondere bei technischen Produkten, deren Erfolg erheblich von der Servicequalität abhängt.Wichtig sind außerdem nachvollziehbare Referenzen, idealerweise von Kunden ähnlicher Herkunft, glaubwürdiges Interesse am Produkt und eine ähnliche Unternehmensphilosophie. Gut vernetzte Berater können den Markteintritt mit Marktanalysen, der Suche nach Allianzpartnern oder der Gründung einer Auslandsvertretung unterstützen. Wenn es nicht so läuft, woran liegt das meist?
Dafür gibt es viele Gründe, häufig entsprechen die Erwartungen nicht den Gegebenheiten des rus-
sischen Marktes. Um Konflikte zu vermeiden, muss man die Strukturen des Distributors gut kennen, außerdem Schnittstellen und Schlüsselpersonen identifizieren. Sollten sich mehrere Distributoren einen Markt teilen, kann es vorkommen, dass diese stärker miteinander beschäftigt sind, sich schlimmstenfalls bekriegen und so denVertrieb vernachlässigen. Um eine derartige Situation zu vermeiden, um Resultate zu verbessern und um obendrein Geld zu sparen, hilft es, Regionen, Kunden und Produkte genau gegeneinander abzugrenzen und dann gut und funktional zu koordinieren. Die Schnittstelle zur Muttergesellschaft muss in jedem Fall reibungslos funktionieren, damit die russische Gesellschaft nicht als Stiefkind neben der Muttergesellschaft herläuft.
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Was ist zu beachten, wenn das Unternehmen in den eigenen Reihen niemanden findet und stattdessen in Russland suchen will?
Bevor ein ungeeigneter interner Kandidat entsandt wird, ist die Suche nach einem Kandidaten am Markt die bessere Wahl. Hier sollte der Personalberater eingeschaltet werden, der Zugang zum Markt hat und das Potenzial kennt. Eingesetzt werden klassisches Headhunting sowie die internet- und/ oder anzeigengestützte Suche. Inzwischen existieren professionell gestaltete Online-Jobportale mit Datenbanken für Lebensläufe. Damit die Maßnahmen nicht ins Leere laufen, sind auch regionale Unterschiede bei der Personalsuche zu beachten. Wenn der Personalberater eine Auswahl von Kandidaten präsentiert, kommt es vor, dass auf dem Papier überzeugende Kandidaten eine schlechte Figur machen: Russen wirken oft sehr bescheiden und introvertiert. Hinzu kommt: Berufsanfänger in Russland sind oft noch relativ jung; häufige Arbeitsplatzwechsel sind üblich, da eine gewisse Goldgräberstimmung herrscht. Die in Deutschland so geschätzte Kontinuität wird man in einem russischen Lebenslauf seltener finden, und es kommt vor, dass zunächst erfolgreich gewonnene Mitarbeiter das Unternehmen aus heiterem Himmel kurzfristig verlassen.
Wie sollte man die Vergütung handhaben?
Bei einer Entsendung nach Russland und insbesondere nach Moskau sollte das hohe russische Preisniveau angesetzt werden. Angesichts der hohen Fluktuationsrate sollten Anreize und Die Autoren Strukturen wie variable, erfolgsabhängige VergüKamil Arslanov werden. Hans Joachim Nothelferist zudem tungsmodelleDr. gewählt Wichtig Elena Balashova Dr. Frank Schauff Dr. Karin von Bismarck Florian Schneider Karriereplanung, Motivation durch individuellen Paul Bruck Ulf Schneider Sergey FrankMitarbeiter André Scholz Einfluss, damit der sich nicht wie ein Dr. Andrea Gebauer Klaus Schwödiauer kleines Rädchen im Getriebe Michael Harms Maria Smidvorkommt, die Tatiana Ionova Alex Stolarsky Wahrnehmung Unternehmens als Familie, Marina des Jung-Borisova Dr. Ernst von Studnitz Frank Köllner Tischendorf ein Treuebonus nach drei bisFalk fünf Jahren und die Uwe Leuschner Dr. Rainer Wedde Dr. Otto Lose Matthias von Wedel kontinuierliche Fortbildung, vor allem auch im Jens Menneke Heino Wiese Dr. Jelena Möbus Edda Wolf Hauptquartier. Dr. Sergey Nikitin Eugen Zentner Gesetzt den Fall, dass ich jetzt Personal in Russland habe: Was macht gutes und nachhaltiges Personalmanagement aus?
Mitunter greift der westliche Führungsstil bei den einheimischen Mitarbeitern nicht. Das russische Hierarchieprinzip, entstanden in der kommunistischen Ära, strahlt auf viele ehemalige Ostblockländer aus und ist vor allem bei der älteren Generation in Russland zu beobachten. Nehmen wir mal ein Beispiel: Herr Schmidt vertritt einen deutschen Anlagenbauer in Russland, er bespricht mit seinen russischen Mitarbeitern ein Projekt gewohnt verfahrensorientiert. Die Atmosphäre ist freundlich, auf russischer Seite erhebt sich kein Widerspruch. Doch nach zwei Monaten erfährt Herr Schmidt, und zwar erst auf Nachfrage, dass die russische Seite die Schritte nicht oder nicht wie vereinbart abgearbeitet hat, was mit unerwartet eingetretenen Umständen erklärt wird. Offenbar haben die russischen Kollegen seinem prozessorientierten Vorgehen nicht folgen können oder wollen, weil es nicht ihren kulturellen Gewohnheiten entspricht. Der fehlende Widerspruch war keine Zustimmung, und die Kultur der Gesichtswahrung bringt zuweilen das Verschweigen oder Beschönigen negativer Ereignisse mit sich.
kulären, kurzfristigen Wachstumsraten ein, aber auf längere Sicht ist der Erfolg umso größer. Insgesamt sind Fingerspitzengefühl und ein kulturelles Verständnis entscheidend, und es hilft, die Situation unabhängig von der eigenen Wahrnehmung und Wertung zu sehen. Wer das schafft, kann in Russland geschäftlich, aber auch menschlich erfolgreich sein.
INTERNATIONAL BUSINESS GUIDES
BUSINESS GUIDE RUSSLAND
Zunächst erarbeiten Unternehmen und Berater gemeinsam, ob interne Mitarbeiter in Frage kommen. Denn es erleichtert die Aktivitäten im Zielland, das Unternehmen, dessen Kultur und die Führungskräfte zu kennen und zu wissen, wer im Stammhaus wie die Entscheidungen trifft. Jedoch können und wollen sich meist nur wenige Mitarbeiten auf einen längeren Auslandsaufenthalt einlassen. Diese Mitarbeiter werden in Einzelinterviews, Assessments und Management Audits systematisch auf ihre Eignung hin geprüft. Es folgt die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz, zu der unbedingt ein ernsthaftes interkulturelles Training gehören sollte, mit Themen wie Sozialverhalten, Geschlechterrollen oder dasVerhalten in Krankheitsfällen. Die relativ hohen Trainingskosten sollten nicht abschrecken, denn die Misserfolgsraten sinken dadurch erheblich.
schaften westlicher Konzerne gearbeitet. Sie eignen sich für eine Start-up-Tätigkeit. Gute Kandidaten stehen nur kurzzeitig zur Verfügung – also möglichst schnell reagieren.
BUSINESS GUIDE RUSSLAND Ein Handbuch für ausländische Investoren und Geschäftsleute in Russland
Sergey Frank, Rainer Wedde
ISBN: 978-3-939717-14-0
www.owc.de
Gesetzt den Fall, mit dem Distributoren hat es geklappt, und jetzt will das Unternehmen mehr: Wie gehen Sie die Frage an, wer entsendet werden soll?
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www.owc.de
Der Business Guide stellt die charakteristischen Stationen eines Russland-Investments vor, vom Export aus Deutschland über den Aufbau von Strukturen vor Ort bis zur Produktion im Land. 20 Autoren widmen sich Themen wie Zoll, Steuern, Personal oder die Regionen. Hrsg.: Sergey Frank, Prof. Dr. Rainer Wedde, Verlag: IfAD – Institut für Außenwirtschaft GmbH, 372 Seiten, 2013
Und wie lässt sich eine solche Situation verhindern?
Ist nicht der Einsatz eines lokalen Mitarbeiters zum Aufbau des eigenen Geschäfts immer mit Risiken behaftet?
Man muss russische Mitarbeiter mitnehmen!
Unbedingt, und ohnehin ist das Fachkräfteangebot in Russland knapp und durchwachsen: Gute Englisch-Kenntnisse sind ein Muss für einen Arbeitsplatz in einem westeuropäischen Unternehmen, und lokal geprägte Fachkräfte haben einen eher geringen Ausbildungsstand und beherrschen kaum Fremdsprachen. Aber es gibt zunehmend mehr junge Russen, die im Ausland studiert haben. Sie sind gut ausgebildet, sprechen gut Englisch und haben häufig sogar in russischen Tochtergesell-
Man sollte eine zuständige Person benennen, die im ständigen Kontakt mit den Mitarbeitern steht, um Meilensteine zu realisieren. Generell gilt: Wer bereits westliche Standards kennengelernt hat, tut sich leichter mit einem westlichen Hauptquartier und mit meist rein prozessorientierten Managementansätzen. Viele Prozesse dauern in Russland etwa viermal so lang wie in westlichen Ländern. Das bedeutet: Mittelfristige Planung ist ein Muss. Berücksichtigt man das, treten zwar keine spekta-
Und wie?
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Grusswort Kooperationspartner Besarioni Kamarauli (Managing Partner) und Denis Severyuk (Geschäftsführer)
Liebe Leserinnen und Leser unseres REGJO-Sonderheftes, sehr geehrte Geschäftspartner,
Berger & Severyuk Media Group GmbH Thomasiusstrasse 2 04109 Leipzig Mail: info@bs-mediagroup.com Web: www.bs-mediagroup.com
es ist uns eine besondere Freude, Ihnen mit dieser Sonderausgabe das „Thema Russland“ näher zu bringen. Sie werden feststellen, dass wir uns bei der Auswahl der Artikel und Themen auf ein breites Spektrum stützen; natürlich können wir aber nur einem Teil der vielen Facetten deutschrussischen Engagements Rechnung tragen.
Aber das muss er auch nicht: Diese neue Medienund Wirtschaftslandschaft stellt ein Sprungbrett für deren aktive und offene Akteure dar. Wer clever und vorausschauend zu agieren weiß, die richtigen Partner an seiner Seite hat und sich dem Markt offen zeigt, wird Erfolg haben – in beiden Ländern.
Uns wurde mit Zugang zu den historischen Archiven der russischen staatlichen Sendeanstalt erst richtig bewusst, wie sehr sich das Verhältnis beider Länder in den letzten 20 Jahren verändert hat – es wurde anspruchsvoller, vielfältiger, offener. War einst der „Heuschreckenkapitalismus“ in voller Blüte, trat an dessen Stelle eine zunehmend nachhaltige und gleichberechtigte Partnerschaft beider Länder. Als Mediengruppe, welche in beiden Welten heimisch ist, freut uns das natürlich besonders.
Dieses Sonderheft soll Ihnen einen Einblick in diese Partnerschaft und das tatsächliche Verhältnis beider Länder gewähren. Der Zeitpunkt ist günstig für zukünftige Überlegungen, den Schritt selbst zu wagen. Gerne bieten wir Ihnen in Zusammenarbeit mit dem REGJO Magazin Mitteldeutschland GmbH in zukünftigen Ausgaben eine Plattform, anderen von Ihren Erfolgen und Erfahrungen zu berichten und weitere Kunden und neue Partner zu finden.
Unsere Stärke war und ist das Mediengeschäft. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig entwickelte sich in Hinblick auf diese neue Partnerschaft rasanter – und damit ist nicht nur das TV-Geschäft gemeint: Printmedien sind nach wie vor stark am russischen Markt lebendig und angesehen. Die Zeiten eines geschlossenen und introvertierten Systems auf russischer Seite sind seit Jahren völlig passé. An dessen Stelle steht nun eine moderne und objektive Branche, deren schiere Größe zu beeindrucken und zu überraschen weiß. Ressentiment oder gar Ablehnung „straft der Markt ab“, in dem er an einem „vorbeizieht“ – was sich der Mittelstand beider Länder in einer globalen Wirtschaft nicht leisten kann.
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Was auch immer das Ziel Ihrer Überlegungen sein wird: Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und eine interessante und abwechslungsreiche Lektüre unseres Sonderheftes.
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„Respekt für das Land“ Am Anfang war die Buchführung. Heute arbeiten in Ulf Schneiders Firma RUSSIA CONSULTING 400 Mitarbeiter. Ein Gespräch über harte Bandagen, dicke Freunde und die Schwierigkeiten mit der Einfachheit. DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
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Text: Jana Dichelle Fotografie: RUSSIA CONSULTING, istockphoto.com
Viele spielen mit dem Gedanken, Sie haben es getan: Sie sind Unternehmer in Russland geworden. Wie kam es dazu?
Ulf Schneider: Nach Russland kam ich zunächst als Angestellter einer großen Versicherung. Und dann habe ich festgestellt: Buchführung in Russland ist für ausländische Firmen ein Kapitel für sich. Da gibt es im Vergleich zu Deutschland große Unterschiede, und wer die nicht kennt, gerät leicht in die Bredouille. Aber daraus ein Geschäft zu machen, Firmen in ihrer Buchhaltung zu unterstützen – so richtig hat sich da keiner drangetraut. Es gilt als triviales Gebiet mit geringer Reputation und damit haben sich nur ein paar kleine Krauter befasst.Also habe ich mich vor zehn Jahren damit selbständig gemacht, zunächst nur mit Buchhaltung, und heute zählt meine Firma 400 Mitarbeiter in Moskau, Sankt Petersburg, aber auch in Kasachstan, der Ukraine,Weißrussland, Polen, Berlin, Hamburg und Düsseldorf.Wir bieten inzwischen auch einige juristische Services, IT-Dienstleistungen, Personalmanagement, Marktanalyse und Steuerberatung bis hin zu Bürodienstleistungen an. So einfach, so glatt?
Ulf Schneider: (Lacht) Nein, überhaupt nicht. Ganz am Anfang habe ich in Moskau meine Reserven zusammengerechnet, habe zwei Leute angestellt und mir gesagt: Für ein halbes Jahr reicht das Geld. Wenn es bis dahin nicht klappt, werde ich wieder Angestellter. Nach einem halben Jahr lief es überhaupt nicht.Aber entgegen meiner eigenen Vorgabe habe ich doch noch einmal umgeschichtet und zwei Monate drangehängt. Und komischerweise, diese zwei Monate haben es gebracht. Da kamen seriöse und größere Aufträge, und dann ging es los. Aber damals hatten Sie doch sicher noch keine Netzwerke, um im russischen Beziehungsgeflecht zu bestehen…
Ulf Schneider: Stimmt, und ich wurde anfangs mächtig auf die Probe gestellt. Etwa in einer Behörde: Für meinen Kunden ging es um eine Rückzahlung von einer Million Euro. Ich fand mich vor einem Tribunal aus fünf Inspektoren wieder und nach zweieinhalb Stunden Verhandlung, natürlich auf Russisch, wurde die Tür abgeschlossen und ich wurde gedrängt, das Protokoll zu unterschreiben, das ich nicht gelesen hatte. Ich bestand auf meinem Recht und drohte mit der Polizei. Ich konnte mich durchsetzen, studierte das Protokoll mit einem Kollegen in einem Café. Wir setzten unsere Nachbesserungen durch, ohne die der Kunde das Geld tatsächlich verloren hätte. Danach gratulierte uns eine Mitarbeiterin der Behörde:Wir hätten alles gefunden, Standhaftigkeit bewiesen und dürften von nun an die besten Beziehungen erwarten. Aber man muss sagen: Heute läuft das doch sehr viel zivilisierter als noch vor
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sechs, sieben Jahren. Dem Finanzamt habe ich klargemacht, dass wir Verbündete sind:Wir sind die, die darum kämpfen, dass alle rechtmäßig ihre Steuern zahlen. Denn wir lehnen Kunden ab, die graue Buchhaltung betreiben, und wir rechnen korrekt ab. Und wir sind die, die Investoren nach Russland holen. Heute liegen die Probleme anderswo. Als da wären?
Ulf Schneider: Transparenz ist ein großes Thema. Russische Rechnungslegung und Buchführung sind hochkomplex. Zum Beispiel führt eine Rech-
nung allein noch nicht zu einer Buchung, sondern wird nur als Zahlungsaufforderung angesehen. Zum Buchen braucht es ein Übergabedokument über die erbrachte Leistung und ein weiteres spezielles Formblatt für die Umsatzsteuer.Es ist sehr schwierig, das Komplizierte einfach zu machen. Unseren Slogan „Simple structures. Simply success.“ haben wir uns nicht von ungefähr auf die Fahnen geschrieben. Wer wird denn bei Ihnen Kunde?
Ulf Schneider: Aus der Baubranche haben wir
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besonders viele Kunden, das geht von Architekten und Ingenieuren über Baustoffhandel und Bauunternehmen aller Größen. Neuerdings bedienen wir auch immer mehr Bekleidungsketten. Entweder erfahren sie über Mund-zu-Mund-Propaganda von uns oder von den Handelskammern, auch der Auslandshandelskammer, der ich als Vorstandsmitglied angehöre. Einmal im Quartal halte ich zudem Vorträge zum Thema am Frankfurter Flughafen, und wir machen eine Menge Werbung. Die Hälfte unserer Kunden sind deutsche Firmen. Die andere Hälfte teilt sich auf Westeuropa, USA und Japan auf. Gerade die Japaner bedienen ja ähnliche Märkte wie die Deutschen: Automobilbau, Maschinen- und Anlagenbau. Wenn jetzt ein deutsches Unternehmen nach Russland kommt, was sind Ihre wichtigsten Ratschläge?
Ulf Schneider: Trotz der leidvollen Geschichte haben die Deutschen eine hohe Reputation in Russland und unsere oft belächelten Sekundärtugenden – Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß – werden bewundert, aber eben auch erwartet. Wenn ein deutscher Unternehmer diesen Erwartungen nicht gerecht wird, kann es sein, dass er verspielt hat. Zu beachten ist auch, dass russische Mitarbeiter in vielen Fällen enger geführt werden wollen, deshalb müssenVorgesetzte die Prozesse begleiten und selbst verstehen; daraus resultiert, dass man perfekt organisieren können muss. Und keinesfalls sollte man nur zwei Stunden für die Verhandlung mit dem potentiellen russischenVertragspartner einplanen, signalisieren, dass die Zeit knapp ist und vor
Vertragsschluss wieder abfliegen. Solche Geschäfte platzen. Man braucht Zeit, um die Beziehung zu knüpfen, anderenfalls zeigt man keinen Respekt dem Land gegenüber. Geschätzt wird auch ein langer Atem, das Überwinden von Durststrecken. Kurzfristiges Denken, häufig seitens der Amerikaner, führt zu der Sichtweise: Als es uns schlecht ging, haben sie uns verlassen. Beständigkeit wird dagegen honoriert. Wie sicher ist denn heute eine Investition in Russland?
Ulf Schneider: Heute ist Russland ein relativ sicherer Markt, vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen. Problematisch kann es sein in Märkten wie Öl und Gas, da versucht sich Russland gegen ausländischen Einfluss zu schützen, da wird mit harten Bandagen gekämpft.Allgemein ist die Schwerindustrie traditionell ein russisches Spezialgebiet. Dagegen wird in der Leichtindustrie das westliche Know-how gern akzeptiert und für die Investition greifen Garantien. Viele Russlandbesucher klagen ja über das raue zwischenmenschliche Klima…
Ulf Schneider: Auf den ersten Blick stimmt das auch. Auf der Straße, im Wohnhaus – Nachbarn grüßen sich häufig nicht. Aber sobald eine Beziehung da ist, würden wahre Freunde ihr Letztes geben und sind zu einhundert Prozent verlässlich. Das geht weit über das hinaus, was wir in Deutschland kennen. Ich würde sogar sagen, meine besten
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Freunde weltweit habe ich heute in Russland. In der Geschäftswelt gilt das auch. Ich habe noch den Satz meiner Beraterin im Ohr, die mich auf Russland vorbereitet hat: In Deutschland heißt es, fürs Geschäft müssen wir nicht unbedingt Freunde sein. In Russland dagegen heißt es, wenn wir keine guten Freunde werden können, gibt es auch kein Geschäft. Das ist nun auch meine Erfahrung. Im Imagefilm auf Ihrer Website sieht man Sie beim Fahrradkauf und hinterher radeln Sie im vollen Businessornat davon. Sind Sie damit eine Ausnahme?
Ulf Schneider: Ja, absolut. Wie mir der Radverkäufer sagte: Radfahren in Russland funktioniert nur, indem man auf der Straße entweder sich selbst oder auf dem Gehweg die Fußgänger gefährdet. Ich fahre trotzdem Rad. Im Unterschied übrigens zu den Kurieren: Die nehmen Bus und U-Bahn. Aber einen Kurierdienst mussten wir einrichten, weil der Postweg auch innerhalb von Moskau bis zu zehn Tagen dauern kann. Hat Deutschland Sie nun für immer an Russland verloren?
Ulf Schneider: (Lacht) Man behauptet ja, in Russland altere man doppelt so schnell. Aber am Ende ist es eine Frage des Rhythmus. Vielleicht mache ich das noch zehn, fünfzehn Jahre und dann – mal sehen. www.russia-consulting.eu
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Vom Wohnhaus bis zum Schwimmbad Pumpentechnik der Marke Wilo: Die Erfolgsgeschichte eines deutschen Produkts auf dem russischen Markt. Das Unternehmen Wilo-SE mit Hauptsitz in Dortmund bietet in Russland Pumpen und Pumpensysteme für Heizungssysteme und Warmsowie Kaltwasserversorgung an. Hinzu kommen Lösungen für die Anwendungen in Lüftungs- und Klimaanlagen, der Wasserentsorgung und Abwasserbehandlung sowie der Wasseraufbereitung für Speise-, Kessel- und Kreislaufwässer, aber auch für Trinkwasser und Schwimmbäder. Die energiesparenden Pumpen von Wilo werden für Wohnungen und Privathäuser, öffentliche Gebäude, Industriegebäude und für Netzwerke der städtischen Wirtschaft und in der Produktion verwendet. Dazu sind Wilo-Pumpen in Einrichtungen vieler führender Versorgungsunternehmen, der Industrie und der Wasserversorgung auf der ganzen Welt installiert. Der Einsatz der Pumpen ermöglicht eine deutliche Reduktion der Energiekosten. In Russland ist das Unternehmen seit 1997 mit der russischen Tochtergesellschaft Wilo-Rus OOO vertreten. Dazu zählen Filialen in 28 Städten der Russischen Föderation, von Wladiwostok bis Kaliningrad. Alle Wilo-Pumpen sind im Rahmen
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der russischen Standards zertifiziert und in den 13 regionalen Lagern für Kunden in ganz Russland zu einem einheitlichen Preis erhältlich. Im Jahr 2013 wurde mit dem Bau eines eigenen Wilo-Werkes in der Region Moskau begonnen – um Lieferzeiten zu reduzieren und wettbewerbsfähige Preise für zu sichern. Die neue Fertigungsstätte soll 2015 ihren Betrieb aufnehmen. Wilo ist heute mit über 60 Tochtergesellschaften und um die 7.000 Mitarbeitern weltweit vertreten. 2012 erzielte der Konzern einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro. Der Name des Unternehmens steht weltweit für die Entwicklung der Pumpentechnik. Hier entstanden wesentliche Innovationen auf dem Gebiet, darunter die weltweit erste Heizungspumpe, der patentierte Umlaufbeschleuniger (1928), der erste ölbetriebene Motor (1950), die erste elektronisch regulierte Umwälzpumpe (1988), die erste mehrstufige Nassläuferpumpe, die sich auch zum vertikalen Einbau eignet (1995), das erste Tauchmotor-Rührwerk mit drei Propellerflügeln (1995), Abwasserpumpen mit Ceram-Beschichtung (1997), die weltweit erste Hocheffizienzpumpe (2001), der erste Abwassertauchmotor mit
hermetisch geschlossenem Kühlkreislauf (2001), das weltweit erste dezentrale Pumpensystem für Heizungen „Geniax“ (2009) und die weltweit erste Hocheffizienzpumpe in Trockenläuferbauweise der Serie Stratos GIGA mit elektronischem Antrieb (EC) (2011). Durch hohe Qualität in Entwicklung, Konstruktion und Produktion sichert Wilo zuverlässige Technik. Zudem erarbeitet das Unternehmen innovative Lösungen, die Installation und Bedienung erleichtern. Das bedeutet für das Unternehmen: „Pioneering for You“.
Wilo-Rus OOO Tel. +7 (495) 781 06 90 Moskau E-Mail: wilo@wilo.ru www.wilo.ru
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London
Johannesburg
„Verstehen kann man Russland nicht, und auch nicht messen mit Verstand. Es hat sein eigenes Gesicht. Nur glauben kann man an das Land.“
Fjodor Tjuttschew (1866)
Heute kommt man in Russland sehr wohl an wertvolle Informationen. Man muss nur wissen, wo man sucht.
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Gemeinsamer Knopfdruck: Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und Analytik-Chef Klaus Berka im neuen Kompetenzzentrum am Moskauer Zelinsky-Institut.
Klassiker trifft Traditionsmarkt Unzählige Spektralphotometer der Marke Specord lieferte das Unternehmen Carl Zeiss Jena vor 1990 an die UdSSR. Heute führt die Analytik Jena AG diese traditionsreiche Produktlinie fort und knüpft an Geschäftsbeziehungen nach Russland an. Text: Andreas Klossek Fotos: Thüringer Staatskanzlei, Carl-Zeiss-Archiv
Es misst und misst und misst. Sicher, präzise, zuverlässig. Schon seit 50 Jahren ist das so. Jedes Gerät ist von Hand montiert, speziell nach Auftrag, vergleichbar der Herstellung einer teuren Schweizer Uhr. „Eto Klassika“ – „Das ist ein Klassiker“, schreibt der russischsprachige Produktkatalog über das Spektrometer Specord. 150.000 Photometer, deren erste Generation 1963 bei Carl Zeiss Jena in Serie ging, sind inzwischen weltweit installiert worden. Zehntausende gingen bis 1990 in die Sowjetunion, sie wurden von Moskau bis Nowosibirsk in Forschungs- und Industrielaboren eingesetzt – und werden es teilweise bis heute. Guter Ruf über Jahrzehnte „Der Name Specord ist in Osteuropa und besonders in Russland nach wie vor sehr positiv besetzt und steht für Langlebigkeit, Robustheit und Bedi-
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enfreundlichkeit“, sagt Torsten Olschewski. Er ist Bereichsleiter des Geschäftsfelds „Analytical Instrumentation“ beim Jenaer Laborgerätehersteller Analytik Jena AG, der 1995 die Analysemesstechnik von Carl Zeiss Jena übernahm und damit auch das Erbe der Produktlinien Specord und Spekol antrat. Eine Zäsur war das damals: Aus dem Startup, das 1990 von drei ehemaligen Zeissianern mit einem Kapital von 6.000 Ost-Mark als Vertriebsfirma gegründet wurde, entstand quasi über Nacht eine Entwicklungs- und Produktionsfirma. Heute ist das Unternehmen ein mittelständischer Global Player mit weltweit 900 Mitarbeitern und einer Exportquote von über 70 Prozent, präsent in über 120 Ländern. „Russland ist für uns ein Traditionsmarkt, die Eintrittbarrieren gering“, sagt Torsten Olschewski, der den internationalen Vertrieb mit aufgebaut hat.Wie die Gründer und
heutigen Vorstände Klaus Berka und Jens Adomat zählt er zu den Männern der ersten Stunde bei Analytik Jena. Partner auf Augenhöhe Der Verweis auf die Zeiss’sche Tradition und das Qualitätsversprechen „Sdelano w Germanii“, mit dem das Unternehmen in Russland wirbt, haben die Rückkehr auf den russischen Markt erleichtert. Nicht zu vergessen, was Torsten Olschewski „mentale Nähe“ nennt: Stimmt auf der persönlichen Ebene die Chemie und wird auf Augenhöhe verhandelt, dann lassen sich in Russland Geschäfte bis heute per Handschlag besiegeln. Vertrauen ist wichtig, ein paar Russischkenntnisse helfen, die Akzeptanz zu erhöhen. Dennoch ist der russische Markt für das mittelständische Unternehmen keineswegs ein
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Nach Moskau gereist: 1988 präsentiert das Zeiss-Kombinat ein Spektralphotometer in der russischen Hauptstadt.
Selbstläufer. Der Wettbewerb ist hart umkämpft, die logistischen Herausforderungen für Vertrieb und After-Sales-Services aufgrund der Größe des Landes enorm. Exporte nach Russland machen bei Analytik Jena fünf bis sechs Prozent des Auslandsgeschäfts im Kernsegment Analysemesstechnik aus, das im vergangenen Geschäftsjahr Umsatzerlöse von 60 Millionen Euro verbuchte. Bedient werden vor allem Kunden in der Schwerindustrie, vom Bergbau über die Metallurgie bis hin zur Petrochemie. Vor Ort in Russland präsent „Der Modernisierungs- und Investitionsbedarf ist enorm, teilweise wird die Produktion mit sehr alter Technik am Laufen gehalten“, beschreibt Torsten Olschewski seine Erfahrungen vor Ort. „Auch wenn wir uns wünschen, dass es mit der wirtschaftlichen Erneuerung schneller vorangeht: Wer in Russland erfolgreich sein will, braucht viel Geduld.“ Chancen rechnet sich das Unternehmen in Russland vor allem in der Umweltanalytik, der Lebensmittelüberwachung und -kontrolle sowie im Pharmamarkt aus und feilt derweil kräftig an seiner Marktpräsenz. Neben einer Vertretung in Moskau, sechs Mitarbeiter stark, stützt sich Analytik Jena auf die
Dienste seines russischen Partners Interlab, der für die Kundenbetreuung über ein landesweit ausgebautes Servicenetz verfügt. Analytik-Kompetenzzentrum in Moskau Näher an ihren russischen Kunden ist die Analytik Jena AG zudem dank ihres analytischen Kompetenzzentrums in Moskau, eröffnet 2012 und entstanden in Kooperation mit Interlab am Zelinsky-Institut für Organische Chemie der Russischen Akademie der Wissenschaften. Zum Analysenequipment zählen ein Elementaranalysator, der etwa zur Reinheits- und Qualitätskontrolle in der petrochemischen Industrie oder in der Wasser- und Abwasseranalytik eingesetzt werden kann, sowie ein Atomabsorptionsspektrometer mit High-Resolution-ContinuumSource-Technologie. Dessen Besonderheit: Mit nur einer Lichtquelle lassen sich alle 70 chemischen Elemente bestimmen, die mit dieser Technik analysiert werden können. Das Kompetenzzentrum ermöglicht somit international vernetzte neue Forschungen sowie Geräte- und Methodenentwicklungen auf dem Gebiet der analytischen Chemie und instrumentellen Analytik und ist zudem für das Unternehmen selbst von ganz praktischem
Wert: Durch den integrierten Seminar- und Trainingsbereich können sich Wissenschaftler und Anwender direkt mit der Messtechnik aus Jena vertraut machen. „Unsere Exportstrukturen auch mit Blick auf weitere Staaten der ehemaligen Sowjetunion verbessern sich damit wesentlich“, schätzt Torsten Olschewski ein. Bisherige Kunden könnten noch besser betreut, daneben auch Nachwuchskräfte für den Vertrieb gewonnen werden. Zuwachs hat pünktlich zum 50. Geburtstag auch die Specord-Serie bekommen: Specord 50 plus heißt das jüngste Mitglied der neuen Generation der Zweistrahlphotometer, die ihre altgedienten Vorgängermodelle ablösen und damit die Erfolgsgeschichte Jenaer Analysegeräte auch auf dem Traditionsmarkt Russland fortschreiben.
www.analytik-jena.de
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Folien für hohe Ansprüche Südpack bietet weltweit hochwertige und effektive Verpackungslösungen. Ein eigenes Entwicklungszentrum und lokale Ansprechpartner stehen für höchste Qualität. Text und Fotografie: Südpack
Südpack Verpackungen GmbH & Co. KG kann auf langjährige Erfahrung in der Produktion hochtechnologischer Verpackungsfolien verweisen – mit Fokus auf Lebensmittel wie Fleisch, Wurst, Käse und Fisch. Mit seinem ausgeprägten Kundenservice liefert das deutsche Unternehmen Qualitätsverpackungen für nahezu jede Produktanforderung und bietet sich damit als idealer Entwicklungspartner für internationale Kunden an. Mit einem eigenen Entwicklungszentrum und lokalen Vertriebsniederlassungen in Kundennähe sorgen die Folienspezialisten international für zuverlässige Qualität „made in Germany“. Coextrudierte, mehrschichtige Verbundfolien etwa erfüllen komplexe Ansprüche an eine Verpackung und eignen sich beispielsweise für Sterilisations- und Kochanwendungen. Auch durchstoßfeste Materialien, die scharfkantige Inhalte wie gefrorene Lebensmittel oder Muscheln sicher verpacken, gehören zum Portfolio an Coextrusionsfolien, ebenso wie Materialien mit hohen Sauerstoffbarrieren: Diese halten je nach Bedarf das Vakuum oder – etwa bei MAP-Anwendungen – das Schutzgas in der Verpackung und verlängern die Haltbarkeit sensibler Produkte wie Käse oder Wurst. Da neben der Funktionalität am Point of Sale außerdem die Optik zählt, veredelt SüdpackVerpackungen im Flexo- und Kupfertiefdruck-Verfahren, bedruckt Folien beidseitig oder realisiert attraktive Druckbilder ganz oder teilweise mit Mattlack, der dem Druckbild eine natürlichere Anmutung gibt. Im hauseigenen Entwicklungszentrum prüfen die Folienexperten in Abstimmung mit dem
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Kunden, welche Materialien und Druckverfahren sich für ein Produkt eignen. An allen Standorten stehen den Südpack-Kunden technisch versierte Vertriebsmitarbeiter als Ansprechpartner zur Seite, die dauerhaft einen reibungslosen Produktionsablauf sichern. Sie sprechen die Landessprache und kennen Gegebenheiten, Marktstrukturen und Anforderungen der Konsumenten vor Ort, haben aber auch einen Blick für internationale und europäische Entwicklungen. Das ist die Basis für eine langfristig erfolgreiche Zusammenarbeit. Für Produkteinführungen oder für den Fall, dass das Zusammenspiel zwischen Folie und Maschine im laufenden Betrieb nicht reibungslos läuft, stehen die Mitarbeiter der Anwendungstechnik bereit, um beim Kunden vor Ort Hilfestellung zu leisten. Südpack ist heute in zweiter Generation in Fami-
lienbesitz und begeht im kommenden Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. Die Folienexperten investieren konsequent in immer neue Methoden, um ihren Kunden hochwertige Lösungen „made in Germany“ zu bieten.
Kontakt OOO SUEDPACK RUS Luzhniki 24/9 119048 Moscow, Russia Phone: +7 495 785 03 84 Fax: +7 495 785 24 75 E-Mail: z.hramova@suedpack.com (Russland) E-Mail: info@suedpack.com (Headquarters)
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Eine Utopie nimmt Form an Der Forschungs- und Industriekomplex Skolkowo, erdacht vom technikaffinen Ex-Präsidenten Medvedev, zieht Investoren aus aller Welt vor die Tore von Moskau. Text: Kira Svintsitskaya Fotografie: Skolkowo
17 Kilometer westlich von Moskau entsteht eine Utopie: der Forschungs- und Industriekomplex Skolkowo. Er trägt die Handschrift des russischen Ex-Präsidenten Dmitry Medvedev, der, bekannt für seine Leidenschaft für Modernisierung und technische Gadgets, die Entwicklung 2006 anstieß. Eine Utopie – das ist Skolkowo wohl, jedoch eine, die mit der Zeit tatsächlich Gewinn abwerfen könnte, wird sie nur klug und geduldig angegangen. Subventionierte Geschäftsideen Skolkowo heuert vorzugsweise ausländische Fachkräfte an. Hochqualifizierte Spezialisten erhalten ein Visum für drei Jahre und können ihr eigenes Projekt verwirklichen. Der Staat hilft mit Steuervergünstigungen; alle Familienmitglieder der Skolkowo-Unternehmer bekommen zudem automatisch die Arbeitserlaubnis für Russland. Mit 300 Dollar pro Quadratmeter (vor Steuern) ist die Monatsmiete der Büroflächen fast geschenkt
Auch große Namen kommen
Projekte davon 260 Millionen Dollar ausgegeben. Bis zum Jahr 2020 sollen zusätzliche Milliarden bereitgestellt werden. Unter den Unternehmen, die in Skolkowo ihre Labors eröffnet haben, sind große Namen, darunter die SAP AG, Siemens, Microsoft, Boeing, IBM und Cisco. Am ersten großen Projekt – Ziel: ein Teilchenbeschleuniger für medizinische Geräte – arbeiten Wissenschaftler von Siemens mit Physikern aus Moskau und Nowosibirsk zusammen. Auch deutsche Unternehmen haben bereits an der Utopie Skolkowo angedockt: Vor den Toren Moskaus hat die deutsche MYR GmbH gemeinsam mit der russischen Hepatera einen neuartigen Hepatitis-B-Wirkstoff synthetisiert, der momentan klinisch getestet wird. Skolkowo ist also eine Utopie, die reale Formen anzunehmen beginnt.
Finanziert wird das Projekt Skolkowo aus einem eigenen Fond, der über 15 Milliarden Dollar verfügt; bisher wurden für die Verwirklichung der
http://community.sk.ru/
– jedenfalls für MoskauerVerhältnisse. Laborausrüstung steht zu ermäßigten Preisen zur Verfügung, Zollgebühren für Einfuhren, die das Unternehmen benötigt, entfallen. Je größer das staatliche Interesse an dem Projekt, desto höher die Subvention. Das Forschungszentrum Skolkowo, das eng mit Venture Capital-Gesellschaften auf der ganzen Welt zusammenarbeitet, konzentriert sich auf die fünf High-Tech-Bereiche: Energieeffizienz, Informationstechnologie,Telekommunikation, Biomedizin und Atomtechnologien, und derzeit werden bereits mehr als 50 Investoren gezählt. Das Investitionsvolumen liegt bei rund 25 Millionen Dollar. Den Start-ups wird mittels Road Shows geholfen, sich am Markt zu positionieren.
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GASTKOMMENTAR
Russland: Ein attraktiver Wirtschaftspartner Unter den vielen Wirtschaftsprognosen darf eine als besonders sicher gelten: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland, traditionell eng, werden sich in Zukunft ausweiten – in der Quantität wie in der Qualität. Deutschland ist bereits jetzt größter europäischer Investor in Russland und weltweit der zweitgrößte nach den USA. Russland hat dafür nach der Krise in Europa gute Voraussetzungen geschaffen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im Jahre 2012 um 3,4 Prozent zu.Wir haben zurzeit eine extrem niedrige Arbeitslosenquote und Staatsverschuldung, weltweit die drittgrößten Währungsreserven und einen soliden Handelsüberschuss. Russland gehört zu den größten Volkswirtschaften der Welt, im Jahr 2012 auf Rang acht beim nominalem BIP und auf Rang fünf beim BIP nach Kaufkraftparität. Laut einer Studie von Ernst & Young bleibt Russland in den nächsten zehn Jahren eines der beliebtesten Investitionsziele weltweit. Dazu tragen nicht nur die natürlichen Ressourcen, der wachsende Konsumgütermarkt und der solide Arbeitsmarkt bei, entscheidend sind auch der Beitritt zur Welthandelsorganisation und die Bildung des Einheitlichen Wirtschaftsraums mit Weißrussland und Kasachstan. Neben den Bereichen Bergbau, Öl- und Gasförderung, in welche die meisten Auslandsinvestitionen fließen, ist eine ganze Reihe von Branchen
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interessant für Unternehmen aus Deutschland: Die Informations- und Kommunikationstechnologien, Energie und Versorgung, Landwirtschaft, Transport und Automobilindustrie, Produktion von Konsumgütern, Pharmaindustrie, aber auch Bank- und andere Dienstleistungsbereiche. Die Politik beseitigt Schritt für Schritt gezielt Hemmnisse, die ausländische Unternehmen bisher gebremst haben: Die Wirtschaftsgesetze werden optimiert und dadurch effizienter, staatliche Entscheidungsprozesse transparenter, Bürokratismus abgebaut. Im Rahmen des Projektes „Offene Regierung“ werden ausländische Experten konsultiert. Dass wir auf einem guten Weg sind, zeigt die Meinung der in Russland schon ansässigen Unternehmen. Laut Umfragen der DeutschRussischen Auslandshandelskammer wächst das Vertrauen deutscher Unternehmen in den Standort Russland. Sie sind fest entschlossen, weiter auf dem russischen Markt tätig zu sein. Heute ist Russland, wie nie zuvor, für die Firmen der EU-Länder Absatzmarkt für Technologien und Ausrüstung sowie Garant für die sichere Lieferung von Rohstoffen. Mit dem Eintritt Russlands in die WTO haben sich besonders günstige Bedingungen für den Aufbau der Hochtechnologieproduktionen vor Ort und für die Produktion von Halbfabrikaten ergeben – Projekte für eine langfristige Zusammenarbeit.
Dr. Sergey Nikitin leitet die Repräsentanz der Handels- und Industriekammer Russlands in Deutschland (HIK), eine nichtstaatliche, nichtkommerzielle Organisation, die die Integration Russlands in die Weltwirtschaft unterstützt. Sie vereinigt 174 regionale Kammern und mehr als 700 Unternehmer-Vereinigungen. Die HIK nimmt teil an der internationalen Zusammenarbeit der Industrie- und Handelskammern und ist Ansprechpartner insbesondere für mittelständische Unternehmen.
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„Erdgas hat alles überdauert“ Seit 40 Jahren strömt russisches Erdgas nach Ostdeutschland. Dr. Karsten Heuchert, Vorstandsvorsitzender der VNG- Verbundnetz Gas AG (VNG), spricht über den Jahrestag und seine Bedeutung. Text: Jan Heinrich Fotografie: VNG/Peter Endig
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40 Jahre Erdgas – welche Bedeutung hat dieses Jubiläum?
Welche Bedeutung hat russisches Erdgas für Deutschland?
Es ist vor allem energiewirtschaftlich bedeutsam. Am 1. Mai 1973 strömte das erste russische Erdgas bei Sayda im Erzgebirge über die Grenze nach Ostdeutschland.Wir waren damit der erste „Anlandepunkt“ für russisches Erdgas. Noch immer erhält Deutschland über die Übernahmestation Sayda, die heute zum Leitungsnetz unserer Netztochter Ontras gehört, eine bedeutende Menge Erdgas. Das macht uns natürlich stolz. Außerdem sind die russischen Erdgaslieferungen zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Ölkrisen kamen und gingen, die Atomkraft kam und wird gerade wieder abgeschafft, die Braunkohleheizung ist längst Geschichte – eines aber blieb: Erdgas! Es ist und bleibt der beständigste und zuverlässigste Energieträger. Deutschland ist heute ohne Erdgas, auch ohne russisches Erdgas, nicht mehr vorstellbar. Und noch eines blieb: Stets konnten wir uns darauf verlassen, dass das russische Erdgas pünktlich und wie vereinbart geliefert wurde.
Deutschland ist in hohem Maße auf Erdgasimporte angewiesen, weil wir nur knapp 14 Prozent unseres Energiebedarfes durch inländische Quellen decken können. Russland ist dabei unser wichtigster Lieferant. Rund 40 Prozent des importierten Erdgases für Deutschland kommen heute aus Russland. Seit 1973 hat Deutschland insgesamt über eine Billion Kubikmeter russisches Erdgas erhalten, davon gingen rund 250 Milliarden Kubikmeter an die VNG. Und eines möchte ich hier herausstellen: Die Bedeutung von Erdgas wird wachsen – ohne Erdgas, und damit auch russisches Erdgas, wird das deutsche Generationsprojekt Energiewende nicht zu bewältigen sein.
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braucher wissen genau, welche Vorteile Erdgas bietet – zudem ist es absolut zukunftsfähig: Es bietet große Klimaschutzpotenziale – angefangen beim Wärmemarkt über die Stromerzeugung bis hin zum Kraftstoffbereich. Erdgas ist der sichere Anker im zukünftigen Energiemix und damit nicht mehr weg zu denken. Wie sicher sind die Erdgaslieferungen aus Russland?
Was macht Sie da so sicher?
Absolut sicher. Russland beziehungsweise Gazprom sind in den vergangenen Jahrzehnten immer ihren Lieferverpflichtungen nachgekommen, und das wird auch weiterhin so bleiben. Außerdem haben wir heute drei Transportrouten, die damit zusätzliche Sicherheit schaffen: Die traditionelle Route über die Ukraine, die Slowakei und Tschechien; die Jamal-Pipeline über Weißrussland und Polen und die Nordstream durch die Ostsee.
Erdgas ist zuverlässig, günstig, sauber und steht uns noch sehr lange zur Verfügung. Es ist in Deutschland die Nummer eins im Wärmemarkt. Die Ver-
Viele behaupten, dass Deutschland zu sehr vom russischen Erdgas abhängig ist – wie sehen Sie das?
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Links: An dieser Trasse fand die Innenzentrierung einer Erdgasleistung statt. Oben: Abenteurer unter sich: Bau einer Erdgastrasse in den 1970er Jahren. Kleines Bild: Der Vorstandsvorsitzender von VNG: Dr. Karsten Heuchert.
Russland ist als Rohstofflieferant sowohl bei Öl und Gas als auch im Bereich nicht-energetischer Rohstoffe für Deutschland unverzichtbar. Unsere Partnerschaft ist seit jeher von einem Interessengleichgewicht geprägt, es ist ein Geben und Nehmen. So wie Deutschland jederzeit auf die russischen Rohstofflieferungen zählen kann, darf Russland im Gegenzug auf einen verlässlichen Absatzmarkt mit starken Vermarktungspartnern vertrauen. Das ist für mich im besten Sinne eine Win-Win-Situation für beide Länder.Wenn ich das direkt auf VNG beziehe, kann ich sagen: Gazprom beliefert VNG zuverlässig mit Erdgas, VNG sorgt in Deutschland dafür, dass dieses Erdgas erfolgreich vermarktet wird.
gesamten Erdgas-Wertschöpfungskette. Wir engagieren uns langfristig in der Gasförderung, weil wir damit unsere Bezugsquellen verbreitern können und unsere Unabhängigkeit stärken.Wir sichern den Erdgasbedarf unserer Kunden mit einem klugen Mix aus marktfähigen Lieferverträgen und Mengen von den liquiden europäischen Großhandelsmärkten. Wir investieren vorausschauend in Transport- und Speicherinfrastrukturen, weil sie die zukünftige und nachhaltige Rolle von Erdgas für die europäische Energieversorgung unterstützen. Und natürlich bauen wir auch unser Handelsgeschäft, das das Geschäft der gesamten VNGGruppe maßgeblich prägt, kontinuierlich aus.
Was bedeuten die langfristigen Erdgaslieferbeziehungen für die Strategie der VNG?
VNG arbeitet mit Gazprom auch jenseits der Gaslieferungen zusammen...
Unser Motto für die Erdgasversorgung lautet: langfristig agieren statt kurzfristig denken. Das gilt für die Lieferbeziehungen ebenso wie für unsere Unternehmensstrategie entlang der
Ja, weil sich eine langfristig angelegte Partnerschaft eben nicht nur auf die ökonomisch nachweisbaren Effekte reduzieren lässt. Auch die gemeinsamen wissenschaftlichen und kultu-
rellen Kontakte fördern das partnerschaftliche Miteinander und sorgen für ein Vertrauensverhältnis. Welcher Art sind die gemeinsamen Projekte?
Wir arbeiten mit Gazprom sehr eng bei Fragen der Speichertechnologie zusammen, errichten gemeinsam einen Erdgasspeicher bei Bernburg, haben Hochschulkooperationen initiiert, diskutieren im deutsch-russischen RohstoffForum über Fragen der nachhaltigen Rohstoffversorgung und veranstalten gemeinsame Kulturprojekte. Im Juni konnten wir die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen VNG und Gazprom erneut vertraglich verlängern. Dies ist nur ein Beispiel für die Verantwortung, die unsere beiden Unternehmen auch gesellschaftlich übernehmen – in Sport, Kultur und Wissenschaft. www.vng.de
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Blick auf das Vorfeld Süd am Flughafen Leipzig/Halle
Eine moderne Fernbeziehung Wie die mitteldeutschen Flughäfen die Verbindung der Region mit Russland verkörpern. Oder weshalb bei der Frage nach den Flugzeugtypen Antonow und Iljuschin keinesfalls fehlen dürfen. Text: Frank Willberg Fotografie: Flughafen Leipzig Halle GmbH, Uwe Schoßig, Flughafen Dresden GmbH, Michael Weimer
Globalisierung und Internet sind zwei nicht mehr neue, aber unverändert brandaktuelle Schlagwörter, die uns daran erinnern, dass heute alles mit allem verbunden ist oder zumindest potenziell verbunden sein kann. Unser privater, beruflicher und wirtschaftlicher Aktionsradius wächst – jedoch nicht automatisch oder zufällig, sondern entlang von bewussten Entscheidungen und Möglichkeiten. Die Verbindung Mitteldeutschlands und Russlands – das heißt ökonomische Beziehungen, kultureller Austausch sowie individuelle Urlaubsreisen – wäre ohne Flugverkehr undenkbar. Eine Fernbeziehung braucht eben mehr als Briefwechsel. Und dementsprechend schmückt sich die Flughafen Leipzig/Halle
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GmbH mit dem Slogan: „Der Leipzig/HalleAirport agiert als modernes und leistungsfähiges Tor der Region Mitteldeutschland zu weltweiten Wirtschafts- und Touristikmärkten.“ Von der Elbe an die Moskwa Machen wir den empirischen Test bezüglich Russlands und beginnen etwas weiter östlich in Dresden. Im Juli 2009 nahm Aeroflot die Strecke nach Moskau-Scheremetjewo zwei Mal wöchentlich in den Flugplan auf und baute das Angebot nach einem Jahr auf drei Mal wöchentlich aus. Im März 2011 folgte eine nochmalige Erweiterung auf vier Flüge von Elbflorenz in die russische Hauptstadt. Beim Flugverkehr von
und nach Russland wurden 2011 am Flughafen Dresden insgesamt 52.117 Fluggäste gezählt. Im Folgejahr war die Zahl bereits auf 69.541 gestiegen – ein Zuwachs von rund 35 Prozent. Dabei hatte die Anzahl der Flugbewegungen nur um zwölf Prozent zugelegt. Ende Oktober wurde der Premierenflug der russischen Fluggesellschaft UTair von der Dresdner Flughafenfeuerwehr mit der traditionellen Willkommensdusche begrüßt. Mit dem Winterflugplan bedient die Gesellschaft die Flughäfen MoskauWnukowo und Dresden International zweimal wöchentlich. Eine Boeing 737-800 mit 168 Economy-Plätzen landet und startet immer mittwochs und sonntags. Der Flug dauert rund zweieinhalb Stunden.
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Kein Ende der neuen Möglichkeiten
Russland als lukrativer Markt mit Potenzial
Seit 2. November existiert sogar eine neue Nonstopverbindung zwischen Sachsens Landeshauptstadt und dem fernöstlichen Krasnodar. „Es fliegt Hamburg-Airways mit einem Airbus A319“, berichtet Christian Adler, stellvertretender Pressesprecher des Dresdner Airports stolz. „Der russische Reiseveranstalter DVM vermarktet die Destination Dresden derzeit in Krasnodar, zum Beispiel mit Citylight-Plakaten sowie mit Werbung in den örtlichen Medien.“ DVM sei seit längerer Zeit ein Partner des Flughafens. Von der Kaufkraft der russischen Gäste profitieren die hiesige Hotellerie, Gastronomie und der Einzelhandel. Zugleich werde die Region Krasnodar von Dresden aus direkt erreichbar, da es keine reine Charterverbindung sei. All diese Flug- und Reiseangebote spiegeln den fruchtbaren Boden wider, auf den sie fallen. Aeroflot-Passagieren stehen in Moskau etliche Anschlussverbindungen zur Verfügung: 36 russische Destinationen sowie elf in GUS-Staaten. Die Airline wird 2014 des Weiteren „Official Carrier“ für die Olympischen Winterspiele in Sotschi, das – zufällig oder nicht – zur Region Krasnodar gehört. Und außerdem verkehrt Aeroflot ab 26. Mai täglich zwischen Dresden und Scheremetjewo.
Beim Leipzig/Halle Airport sieht es nicht anders aus. Seit dem politischen Umbruch 1989, dem der abrupte und totale Zusammenbruch der Wirtschaftsbeziehungen mit dem vormaligen „Großen Bruder“ folgte, dürfte die Aussicht Richtung Russland noch nie so verlockend gewesen sein. „Moskau ist eine der europäischen Metropolen, die ganz oben auf unser Prioritätenliste stand und nun wieder den Flugplan bereichert“, freut sich Dierk Näther, Geschäftsführer des Flughafens, über die neue Nonstopverbindung der in Berlin heimischen Fluggesellschaft Germania zwischen Leipzig/Halle und dem Moskauer Flughafen Domodedowo ab dem 5. Dezember. Zwei Mal pro Woche wird ein Airbus A319 den mit über 28,16 Millionen Passagieren 2012 größten Airport Russlands ansteuern. „Die Region verfügt sowohl mit Blick auf das Geschäftsreiseaufkommen, den Städtetourismus sowie den ethnischen Verkehr über das erforderliche Potenzial, um die neue Linienverbindung der Germania erfolgreich entwickeln zu können und das sowohl in Richtung Russland als auch nach Mitteldeutschland“, ergänzt Näther. „Darüber hinaus präsentiert sich der Flughafen Leipzig/Halle regelmäßig auf Fachmessen in Russland, da der Markt insgesamt Potenziale bietet
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und interessant ist“, berichtet Uwe Schuhart, Pressesprecher der Mitteldeutschen Airport Holding, zu der neben Leipzig/Halle Airport auch Dresden International zählt. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Besuch der Leitmesse MAKS in Moskau Ende August diesen Jahres. Leipzig/Halle – Russlands Gateway nach Europa „Der Leipzig/Halle-Airport wird von der russischen Logistikwirtschaft zunehmend als Gateway zu den europäischen Märkten genutzt und entwickelt. Die Investitionen der russischen Luftfahrtindustrie am Standort Leipzig/Halle haben ein neues Kapitel unserer Zusammenarbeit eröffnet, das wir jetzt in Moskau fortschreiben wollen“, so Markus Kopp, Vorstand der Mitteldeutschen Airport-Holding. Zur sächsischen Delegation zählten außerdem Hansjörg König, Staatssekretär im Sächsischen Finanzministerium, Klaus-Peter Willsch, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt, sowie Ildar Iljasow, Geschäftsführer der Volga-Dnepr Technics GmbH (VDT). Auf der im Zweijahresrhythmus stattfindenden MAKS mit mehr als einer halben Million Besucher, in deren Rahmen sich außerdem der sechste Europäische Luftfrachtkongress
Schlüsselübergabe am 16. Januar 2013: Dierk Näther, Geschäftsführer des Leipzig/Halle Airport, Vorstand der Deutsch-Russischen Wirtschaftsallianz Vitaly Shmelkov, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff, Präsident der Volga-Dnepr Gruppe Alexey Isaikin, Ministerpräsident Sachsens Stanislaw Tillich, Markus Kopp , Vorstand Mitteldeutsche Airport Holding, VDT-Geschäftsführer Ildar Iljasov, Generalkonsul Wjatscheslaw Logutov (v.l.n.r.). Quelle: Flughafen Leipzig/Halle GmbH, Uwe Schoßig
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Flugzeug der deutschen Airline Germania: Fliegt ab 5. Dezember nonstop vom Leipzig/Halle Airport zum Moskauer Flughafen Domodedowo. Jeweils donnerstags und sonntags bedienen Maschinen vom Typ Airbus 319 die neue Linienverbindung in die russische Hauptstadt. Quelle: Flughafen Leipzig/Halle GmbH
zutrug, wurden zum Beispiel die Chancen einer Zusammenarbeit mit russischen Luftfrachtdrehkreuzen erörtert. Ein Beleg dafür, dass Infrastruktur, geografische Lage sowie Frachtgebühren in Leipzig/Halle für russische Partner attraktiv sind, ist die Ansiedlung von VDT. Das Unternehmen verlegte 2006 seine europäische Wartungsbasis vom irischen Shannon nach Leipzig/Halle und hat ebenfalls seit 2006 mit dem Antonov Design Bureau zwei Antonow AN-124 „Ruslan“ zum Zwecke militärischer oder humanitärer Charterflüge für die Europäische Union und NATO-Partnerstaaten hier stationiert. Mittlerweile sind es derer sechs, des größten in Serie gefertigten Frachtflugzeugs der Welt. Leipzig/Halle – mehr als Fracht und Touristen Wer sich unter einem Hangar eine größere Garage vorstellt, liegt prinzipiell richtig. Außergewöhnlich sind aber die gewaltigen Dimensionen des Gebäudes, das innerhalb eines Jahres errichtet wurde. In der Länge 90 Meter, in der Breite 94 Meter und in der Höhe 30 Meter misst die Mitte Januar mit reichlich politischer Prominenz feierlich eröffnete Wartungshalle. Damit entspricht die Damit entspricht die Fläche der Größe eines fast quadratischen Fußballfeldes sowie einem etwa achtstöckigen Gebäude. Wenn sich die Bugklappe des Flugzeuges wie bei einer Ozeanfähre öffnet, verschluckt Ruslan bis zu 150 Tonnen Fracht, das heißt Betonpumpen, Lokomotiven, Panzer, Generatoren – alles was übergroß und überschwer ist – und nimmt in dem Frachtsegment eine Monopolstellung
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Flughafen Dresden International
ein. Bis zu drei Antonow AN-124 können nun in beziehungsweise vor dem Riesenwürfel wetterunabhängig inspiziert, gewartet und repariert werden. Platz finden auf dem Areal entweder drei Iljuschin IL-76TD oder ebenso viele Boeing 747. Wahlweise können hier auch vier Boeing 737 oder vier Airbus A320 gleichzeitig inspiziert und gewartet werden. „Wir sehen den Flughafen Leipzig/Halle als Nukleus der Logistikwirtschaft der Region“, formuliert Geschäftsführer Markus Kopp. VDT ist ein zentraler Bestandteil dieser Vision. Für 30 Jahre hat das Unternehmen den Hangar im
Nordbereich des Flughafens gemietet und im Herbst außerdem eine Reparaturstation für Flugzeugräder und -bremsen in Betrieb genommen. Eine weitere für andere Flugzeugkomponenten soll folgen. Die Belegschaft wuchs und soll noch mehr anwachsen, denn VDT plant, ab 2014 auch anderde Frachtflugzeuge westlicher Bauart zu warten. Die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft sind also gestellt. www.dresden-airport.de www.leipzig-halle-airport.de
www.origo-agentur.de
Markus Hartwig und Mario Krug, Führungsteam, LMX Touristik
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Ildar Iliyasov mit dem Modell des größten Transportflugzeuges der Welt, welches auch auf den Namen Ruslan hört. Dies geht auf den Chefkonstrukteur Oleg Konstantinowitsch Antonow beziehungsweise das Versepos Alexander Puschkins „Ruslan und Ludmilla“ zurück, in welchem der junge starke Ruslan Ludmilla des Öfteren retten muss.
Ein einzigartiges Flugzeug und große Pläne Ildar Iljasov ist seit der Gründung der Volga-Dnepr-Technics GmbH im Mai 2010 ihr Geschäftsführer. REGJO sprach mit ihm über die Wartungsbasis der Volga-Dnepr-Technics GmbH am Leipzig/Halle-Airport, die imposante Gestalt angenommen hat. 17,7 Millionen Euro hat der Hangar gekostet, der nun im nördlichen Teil des Flughafens neben dem Tower in die karge Landschaft ragt. Text und Fotografie: Frank Willberg, Jason R. Zalasky
Was hat sich mit dem neuen Hangar verändert?
Als wir 2006 die Wartung für das größte Transportflugzeug der Welt, die Antonow AN-124, in Leipzig aufnahmen, mussten wir die Maschinen im Freien warten. Das ist für russische Flugzeuge statthaft. Aber die technische Wartung westlicher Flugzeugtypen erfordert einen Hangar. Außerdem wollten wir die Qualität unserer Arbeit erhöhen. Und da sich auch in Zukunft die Anforderungen an die Wartung der russischen Flugzeuge ändern würden, wandten wir uns mit der Bitte an den Flughafen Leipzig/Halle, diesen Hangar zu bauen, der für die Wartung von russischen und auch westlichen Maschinen geeignet ist. Dieser Neubau bringt uns verschiedene Vorteile: Unsere Leistungspalette wird breiter, die Wartungsarbeiten werden qualitativ besser, und wir konnten unsere Werkstätten vereinigen. Inwiefern hat sich Ihr Portfolio erweitert?
Heute warten wir nur die Boeing 747-400. Wir haben aber bereit Audits zum Erhalt der Wartungs-
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lizenzen für den so genannten A-Check für die Boeing 737 und 747-8. erhalten Dieser muss nach 1.000 Flugstunden durchgeführt werden und ist vom Flugzeughersteller vorgeschrieben. Unsere neue Rad- und Bremsenwerkstatt gehört zu den Werkstätten, in denen wir Flugzeugkomponenten je nach Anzahl der Landungen warten. Unser nächstes Betätigungsfeld wird die Modernisierung der AN-124, das heißt der Austausch der gesamten Avionik durch westliche Technik, um den höheren internationalen Anforderungen zu entsprechen.
wahl stehen die Produktionsstandorte Uljanowsk und Flughafen Leipzig/Halle. Hier hängt vieles von unserem Modernisierungsprojekt ab – die erste Maschine soll in der zweiten Hälfte 2015 fertig werden.
Was ist an dem Gerücht dran, die AN-124 in Leipzig/ Halle nicht nur zu warten und zu modernisieren, sondern erneut zu produzieren?
Um den Anforderungen aus der Ausschreibung zu genügen, kamen seinerzeit für uns zehn Flughäfen zum Beispiel in Frankreich und den Niederlanden in Frage. Kriterien unserer aufwendigen Analyse waren die Infrastruktur, Autobahnnähe, aber auch die Entwicklung des Flughafens. Wir entschieden uns zugunsten von Leipzig/Halle, da der moderne Airport viele freie Kapazitäten aufweist und ebenso wie die sächsische Landesregierung hervorragende Unterstützung signalisierte. Da die Antonows für SALIS innerhalb von 72 Stunden flugbereit sein
Das ist ein sehr kostenintensivesVorhaben, welches ein privates Unternehmen ohne staatliche Unterstützung unmöglich realisieren kann. Die Unternehmensgruppe Volga-Dnepr hat mehrfach bekräftigt, als Hauptauftraggeber und Motor dieses Projektes zu fungieren, da wir etwa 40 der weltweit benötigten AN-124 abnehmen würden. Zur Aus-
Ein Blick zurück: Weshalb hat Volga-Dnepr seine europäische Wartungsbasis 2006 aus Irland nach Leipzig verlagert? Und warum wurde der Flughafen 2004 für das SALIS-Projekt ausgewählt, in dem 17 westliche Staaten ihre militärische und humanitäre Luftfracht bündeln?
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müssen, wurde eine Wartungsbasis erforderlich. Zudem wollten wir eine zeitliche Verzögerung durch eine Überführung aus Irland vermeiden, so dass Shannon geschlossen wurde. Kontinentaleuropa ist auch als besserer Knotenpunkt der Verkehrswege prädestiniert. Aktuell hat Volga-Dnepr die Anzahl seiner Mitarbeiter in Leipzig/Halle von 50 auf 100 erhöht. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sprach perspektivisch sogar von 1.000. Ist das zu hoch gegriffen?
Das ist tatsächlich eine realistische Zahl, wenn wir alle unsere Vorhaben realisieren. Zurzeit haben wir mit der Ruslan-Salis GmbH und der Volga-Dnepr-Technics GmbH zwei Standbeine, aber unser Personalstamm wächst mit jedem Jahr und jeder Zertifizierung. Zum geplanten Projekt der Modernisierung der AN-124 kommt das Vorhaben, ein neues Joint Venture mit dem Staatsbetrieb Antonov-Design-Bureau ins Leben zu rufen, um Kunden für Flugzeuge des Typs AN-124-100 zu akquirieren.
Apropos: Was ist das Erfolgsgeheimnis der AN-124, die Volga-Dnepr zum Weltmarktführer bei übergroßer und überschwerer Luftfracht macht?
Die AN-124 ist ein einzigartiges Flugzeug. Als Rampenflugzeug ist es von Bug und Heck einfach zu beladen, kann sogar ganze Flugzeugkörper aufnehmen und bis zu 150 Tonnen Nutzlast befördern. Da der Marktanteil mit zwei bis fünf Prozent der Luftfracht überschaubar ist, lohnt sich die Herstellung einer solchen Maschine für Airbus oder Boeing nicht.
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Welche Perspektive sehen Sie für das Luftfrachtdrehkreuz Leipzig/Halle?
So eine günstige Lage wie hier muss man ausnutzen! Daher arbeiten wir an der Gründung eines europäischen Fracht-Hubs für Volga-Dnepr in Leipzig/Halle. Um aber Hauptauftraggeber herzulocken und Fracht zu generieren, sind viele weitere Planungen und Anstrengungen erforderlich.Wir müssen die Vorteile für unsere Kunden in Hinblick auf Preis, Qualität und Geschwindigkeit herausarbeiten.
Was passiert, wenn SALIS 2014 endet?
Das Projekt hängt von der Entscheidung der beteiligten Nationen ab, hat sich bislang stets um zwei Jahre verlängert. Seine positive Entwicklung wurde bereits 2007 deutlich und hat Nachahmer zum Beispiel im Bereich Eisenbahn gefunden. Diese Beförderungsstruktur vermag Verkehrskorridore ungemein effektiv zu nutzen. Unabhängig davon gäbe es ohne SALIS andere Projekte oderVerträge, da der Transportbedarf bliebe.
www.volga-dnepr.com/
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Studenten der TU Bergakademie Freiberg entwickeln als Uni-Wind Freiberg e.V. Kleinwindräder der dritten Generation, die den Strom für Einzelhaushalte liefern sollen.. Bildnachweis: TU Bergakademie Freiberg / Eckardt Mildner
Von Automobil bis Zulieferer Innovativ und kompetent: Sachsen als idealer Kooperationspartner für die dynamische russische Wirtschaft Text: Jana Dichelle Fotografie: TU Bergakademie Freiberg/Eckardt Mildner und Wirtschaftsförderung Sachsen
In einer langen Beziehung können zwei Partner neue Qualitäten aneinander entdecken. Und so werden auch die weit zurückreichenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Sachsen von Jahr zu Jahr intensiver und erfolgreicher. In der russischen Wirtschaft ist eine Modernisierungswelle angerollt und deren Ausläufer spürt man auch in Sachsen. Das ist in den Handelsbeziehungen messbar: Russland zählt zu den wichtigsten Handelspartnern des Freistaates. Insbesondere die Nachfrage nach sächsischen Produkten aus der Kraftfahrzeug- oder Werkzeugmaschinenbaubranche ist seit Jahren hoch.Während jedoch noch vor einigen Jahren in Russland das Fitmachen altgedienter Anlagen per Retroengineering im Mittel-
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punkt stand, sind es jetzt ganze Werke, die durch Re-Engineering auf das Niveau westeuropäischer Firmen gehoben werden sollen. Sächsische Firmen sind als Planer oder Ausrüster dabei. Die neuerlichen Wachstumsraten sind zweistellig, auch dank innovativster Technologien. Passgenaue Lösungen für spezielle Herausforderungen – damit führt die Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) russische und sächsische Unternehmen zusammen. Mit Dr. Manfred Liebl gibt es einen Beauftragten der WFS für die sächsische Wirtschaft in Russland, der mit beiden Seiten bestens vertraut ist. Als ausgewiesener IndustrieExperte kennt er sowohl die Herausforderungen der russischen Firmen als auch die Kompetenz
sächsischer Unternehmen. Sachsen hat die Produkte und Technologien für konkrete Anwendungsfelder in Russland und ist deshalb oft ein idealer Kooperationspartner, wenn es zum Beispiel darum geht, die Energieeffizienz zu steigern oder die Wertschöpfungskette zu verbreitern und sich zu diversifizieren. Das gilt insbesondere für die Schlüsselindustrien Maschinenbau, Bahntechnik, Flugzeugbau und chemische Industrie. Industriepark für Sankt Petersburg Wie das gelingen kann, zeigt das Beispiel einer Gemeinschaftsinitiative für den russischen Automobilbau. In Sankt Petersburg, wo sich inzwi-
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Dr. Manfred Liebl (Mitte), Beauftragter der WFS für die sächsische Wirtschaft in Russland im Gespräch mit Generaldirektor Schenin (links) von „Schön-Zarja“ in Kaluga
schen General Motors, Ford, Toyota, Nissan und Hyundai/Kia angesiedelt haben, konnte die WFS bei einem Industriepark-Projekt auch sächsische Firmen vermitteln. Denn die Autoproduktion braucht Zulieferer – und das vor Ort. Außerdem muss Infrastruktur für Produktion und Logistik her, und insgesamt sollte die Produktion möglichst energie- und ressourceneffizient ablaufen. All das hat Sachsen für sich schon durchexerziert: Mit sechs Fahrzeug- oder Motorenwerken von Volkswagen, BMW, Porsche und Neoplan darf sich Sachsen mit Fug und Recht zu den deutschen Spitzenstandorten der Automobilindustrie rechnen. Im Umfeld haben sich 750 Zulieferunternehmen mit etwa 70.000 Beschäftigten etabliert. In Sankt Petersburg, aber auch anderswo, konnten die Sachsen ihre Erfahrung weitergeben. Die WFS hatte gemeinsam mit der Verbundinitiative Maschinenbau Sachsen (VEMAS) Planungsbüros wie Hörmann Rawema aus Chemnitz oder die TMM Group aus Leipzig für das Projekt in der „Stadt der Weißen Nächte“ vermitteln können. Das Unternehmen TMM weist sich aus mit Expertise in der Standortentwicklung und Fabrikplanung und hat sein Konzept bei den Partnerunternehmen Zvezda und Kirow vorgestellt. Darin berücksich-
tigt sind die Besonderheiten des Standortes Sankt Petersburg: Mittelfristig sind die Stückzahlen in der Autoproduktion noch gering, womit sich ein gemeinsamer Industriepark für mehrere Hersteller anbietet – äußerst flexibel ausgelegt und modular aufgebaut. Starke Forschungsinfrastruktur Wie dieses Beispiel zeigt, ist die WFS zur Stelle, wenn es darum geht, spezielles technologisches Know-how ausfindig zu machen. Und dabei kann sie in Sachsen aus dem Vollen schöpfen: Da ist zum Beispiel die dichte Forschungsinfrastruktur, darunter sechs Universitäten. Eine davon ist die Technische Universität Dresden, die am Cluster Center for Advancing Electronics (cfAED) beteiligt ist. Mit Expertise und Kreativität werden hier mit einem weltweit einzigartigen Ansatz alternative Materialien,Technologien und Systeme für die Elektronik der Zukunft zu konstruiert. An der Technischen Universität Chemnitz wird das deutschlandweit einzige Cluster im Technologiefeld Leichtbau (MERGE) geführt. Darüber hinaus sind in Sachsen 22 Industrieforschungseinrichtungen aktiv; die Fraunhofer-Gesellschaft hat die Landeshauptstadt
Dresden mit elf Einrichtungen zu ihrem deutschlandweit größten Zentrum ausgebaut. In der Umwelt- und Energietechnik nimmt Sachsen eine Vorreiterrolle ein: Mit seiner langen Bergbautradition haben hiesige Unternehmen und Forschungseinrichtungen einen großen Erfahrungsschatz bei der Sanierung von Bergbaufolgeschäden, in der Altlastenbeseitigung oder bei der Erneuerung von Abwassersystemen. Erneuerbare Energien, Steigerung der Energieeffizienz und Energiespeicherung zählen deshalb zu den sächsischen Spezialgebieten. Hinzu kommen die Mikroelektronik und Life Sciences: „Silicon Saxony“ ist mit etwa 2.100 Unternehmen Europas größter MikroelektronikCluster und der fünftgrößte weltweit, bei den Biotechnologie-, Medizintechnik- und Pharmaunternehmen sind es rund 80 Unternehmen und 30 Forschungseinrichtungen. Gute Gründe also, weshalb der Wirtschaftspartner Russland weiterhin wichtige Impulse aus Sachsen erwarten kann und dafür, dass beide künftig noch enger zusammenrücken. www.invest-in-saxony.net
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„Vereinsmeierei im besten Sinne“ Der Ost- und Mitteleuropaverein nimmt den Mittelstand bei dessen Osteuropaunternehmungen unter seine Fittiche. Persönliche Erfahrungen sind das Pfund, mit dem der Verein zu wuchern weiß. Text: Jana Dichelle Fotografie: OMV, Hamburg
„Nichts geht über selbst gemachte Erfahrungen“, das ist die Überzeugung von Gerd Lenga, Vorsitzender des Ost- und Mitteleuropavereins (OMV). Er weiß: Wenn sich zwei Unternehmer treffen, von denen einer ein Werk in einer Gegend gebaut hat, wo auch der andere eine Fabrik hinsetzen will, dann ist der Rat des Erfahrenen für den Neuling unbezahlbar. Genau solche Verbindungen knüpft derVerein unter seinen Mitgliedern. „Vereinsmeierei im positiven Sinne“ nennt er das: Die Mitglieder finden sich freiwillig, zahlen nicht für Beratungen, sondern tauschen sich einfach aus. „Wer selbst ein Werk aufgebaut hat, kennt aus eigener Anschauung, was beispielsweise ein Berater gar nicht kennen kann“, meint Lenga. Lenga dient dem OMV im Ehrenamt, wie er betont – seine Brötchen verdient der Jurist bei dem Baustoffunternehmen Knauf, und das in der
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russischen Hauptstadt. Sein Arbeitgeber hält das Engagement seines Moskauer Strategen für wichtig – und zwar für so wichtig, dass die Vereinsarbeit zum Teil vom Arbeitgeber mitgetragen wird, durch Freistellung oder Reisekostenübernahme beispielsweise. Die Müllers der Deutschen Wirtschaft „Wir haben den Mittelstand nicht erst letztes Jahr gefunden, wie manch andere Organisation“, betont Lenga. Seit 20 Jahren ist der OMV nichtstaatlicher, freiwilliger Kümmerer der kleinen und mittleren Unternehmen, lauter „Müllers der deutschen Wirtschaft, die zugleich das wirtschaftliche Rückgrat darstellen“, so der Vereinsvorsitzende. In Russland die Müllers zu erklären, ist nicht immer einfach, da das Land von den gigantischen
Kombinatsstrukturen der sozialistischen Ära geprägt ist und in seiner Geschichte keinen bemerkenswerten Mittelstand gekannt hat. „Aber wir als Verein machen schon klar: Wollt ihr die Großen, die viele große Pläne schmieden und am Ende vielleicht doch nicht investieren, oder lieber die Kleinen, die wirklich etwas aufbauen wollen?“ Am Ende ist das Votum dann meist eindeutig. Konkurrenten profitieren voneinander Lenga, der selbst seit 1992 in Moskau lebt – und zwar nicht in einem Compound für Expats, sondern mittendrin in der russischen Welt – weiß um die Kraft, die sein Verein hat: „Wenn ein kleines Unternehmen Kontakte mit Gebietskörperschaften sucht, dann gibt es nicht immer eine positive Resonanz. Wenn aber der Verein dahintersteht,
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Dr. Gerd Lenga, Vorsitzender des Ost- und Mitteleuropa Vereins e.V., im Gespräch mit Dilshod Khamidovich Akhatov, dem ehemaligen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Usbekistan in Deutschland.
klappt es schon eher.“ Er erinnert sich an Rundtischgespräche von Politikern und Unternehmen, die plötzlich Bewegung in Fragen gebracht haben, die zuvor komplett festgefahren schienen. Um vom OMV zu profitieren, muss man nicht unbedingt gleich Mitglied werden: „Das würde ich ja auch nicht wollen“, stellt der Vereinschef klar. „Da möchte ich schon erst wissen: Bringt mir das was? Und wenn es sich lohnt, sind die Leute auch viel eher bereit, nicht nur zahlendes, sondern wirklich aktives Mitglied zu werden.“ Von dieser Einstellung lebt das Vereinsleben, und ausgehend von den aktiven Mitgliedern haben sich themenbezogene Arbeitskreise gebildet – für das Gesundheitswesen, für Agrarwirtschaft beispielsweise, für Wasser- und Abfallwirtschaft. Dort treffen sich auch Konkurrenten – und profitieren voneinander. Über Mangel an Zulauf kann sich der Verein jedenfalls nicht beklagen. Schreck bei Hotelrechnung Aus den Interessen der Vereinsmitglieder ergeben sich auch die Fachseminare und Veranstaltungen – darunter der jährliche Wirtschaftstag Osteuropa. 2013 findet der am 10. Dezember in Berlin statt,
und zwar in den Räumen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie. Im Mittelpunkt stehen die Panels mit den Themen Gesundheitswirtschaft, Logistik, Recht und Steuern. Im vergangenen Jahr war das Wirtschaftsministerium Gastgeber für diesen wichtigsten Termin im Vereinskalender. „Gerade die kleineren Unternehmen müssen für ein Engagement in Russland genau wissen, was auf sie zukommt“, erläutert der Vereinsvorsitzende, denn: „Allein wer zur Kontaktanbahnung nach Moskau reist und ein paar Tage im Hotel übernachtet, kann beim Blick auf die Rechnung schon einen Schock bekommen.“ Was allgemein in Russland gilt: Zeit einplanen für die Kontaktanbahnung und einen langen Atem haben, sei für große Unternehmen in der Regel durchzustehen, die zudem auch mit mehr Ressourcen Lobbyarbeit treiben könnten. Für die Kleinen könne das allerdings an die Substanz gehen. „Als Unternehmer muss man das einfach wissen, muss man sich des langen Vorlaufs bewusst sein. Wenn das klar ist, kann man sich darauf einstellen. Ist man in der Lage, das durchzustehen, gibt es hier am Ende tatsächlich auch gute Verdienstchancen“, erklärt Gerd Lenga.
Ungezwungenes Projektanschieben Dem Austausch der Teilnehmer wird breiter Raum eingeräumt – schließlich trägt das Netzwerken oft sehr konkrete Früchte: „Einmal habe ich in Zentralasien für eine Fir ma Ländereien für den Rohstoffabbau erworben, die zum Teil als landwirtschaftliche Flächen gewidmet waren. Ein anderes Vereinsmitglied hat deshalb begutachtet, was man dort anbauen könnte. Das wurde angegangen, und bei einer Vereinsveranstaltung kam dann noch ein Landmaschinenhersteller dazu, der ebenfalls Interesse zeigte, dort zu investieren.“ Diese Konstellation bildete sich beim Sommerfest des Ost- und Mitteleuropavereins aus: Eine ungezwungene Feier unter Gleichgesinnten, bei der nicht nur geredet, sondern konkrete Projekte angeschoben werden. Vereinsmeierei mit Mehrwert.
www.o-m-v.de
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„Zeit, sich der Heroen zu erinnern“ Generalkonsul Vyacheslav A. Logutov vertritt die Russische Föderation in Leipzig seit Dezember 2010. Zuvor hatte der gebürtige Moskauer im Dienst in Bangkok, Washington und New York gewirkt. REGJO sprach mit ihm über Leipziger Erinnerungsorte, über das neue Denkmal für drei Konsuln und über die Aufgaben des Konsulats.
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Beim 100-jährigen Jubiläum der Gedächtniskirche: Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, Erzbischof Longin von Klin, der russische Botschafter Wladimir M. Grinin und der Leipziger Generalkonsul Vyacheslav A. Logutov (v.l.n.r.).
Text: Kira Svintsitskaya und Jana Dichelle Fotografie: jost, Swen Reichhold, Kira Svintsitskaya
In diesem Jahr feiert das Konsulat sein 230-jähriges Jubiläum. Könnten Sie uns den Verlauf seiner Geschichte grob skizzieren?
Vyacheslav A. Logutov: Gern. Gegründet wurde das Konsulat 1783 von Kaiserin Katharina II. Es gab Phasen, in denen die Verbindung abriss – zum ersten Mal schloss das Konsulat nach dem Einmarsch der napoleonischen Truppen im Jahr 1806, dann wieder mit Beginn des Ersten Weltkrieges, diesmal für 40 Jahre bis zum Jahr 1954. Seither wechselten sich 15 Generalkonsuln ab. Es zerfiel die Sowjetunion, Deutschland wurde vereinigt. Heute besteht durch das Generalkonsulat eine echte Verbindung zwischen Russland und Mitteldeutschland. Es ist an der Zeit, uns der Heroen dieser Geschichte zu erinnern und die denkwürdigen Ereignisse zu feiern. Davon gibt es in diesem Jahr besonders viele. Sie haben ja anlässlich des Jubiläums auch ein Denkmal eingeweiht. Wie kam denn die Denkmalsidee in die Welt, und wie hat sich das Konsulat insgesamt auf das Jubiläum vorbereitet?
Die Vorbereitung war sehr intensiv. Am Anfang stand eine Broschüre, die der Leipziger Slawistikprofessor Erhard Hexelschneider über die Geschichte des Konsulats verfasst hat, und daraufhin entstand auch ein kleines Museum in unserer diplomatischen Einrichtung. Hinzu kamen die
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Recherchen des Friedhofsforschers Alfred E. Otto Paul, der die Grabstätten drei russischer Konsuln ausfindig gemacht hat. Auf dem Denkmal, das Sie ansprachen, sind nun die Namen dreier Konsule eingemeißelt, die in Leipzig wirkten und begraben liegen. Das sind der erste russische Konsul, Fjodor Saposhnikow, gestorben 1789 und in Leipzig
begraben, außerdem Iwan Schwarz und Ernst tom Have. Zeilen aus einem Gedicht des russischen Dichters Fjodor Tjutschew, der ebenfalls als Diplomat in Deutschland wirkte, zieren das Monument. Sie besagen: „Dem, der mit jedem Wort und jeder Tat seine Heimat stets vertrat, der ihr sein Leben schenkte, sein Herz, sein Blut und seinen Geist“.
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Das Denkmal haben wir am 17. Oktober eingeweiht. Die Einweihung wurde dem 100. Jubiläum der Russischen Gedächtniskirche in Leipzig gewidmet. Anwesend waren der Botschafter der Russischen Föderation in Deutschland Wladimir Michailowitsch Grinin, Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, Vertreter des Klerus und der Öffentlichkeit. Was lässt sich über die Persönlichkeiten dieser drei Konsuln sagen?
Diese Konsuln waren würdige Diplomaten, die ergeben dem Russischen Kaiserreich dienten. Saposhnikow war ein gebildeter Mann mit einer hervorragenden Ausbildung und glänzenden Deutschkenntnissen. Konsul Johann Schwarz war während seiner Tätigkeit Anlaufpunkt für viele seiner Landsleute, auch für Studenten der Leipziger Universität. Während des Krieges mit Napoleon blieb er in Leipzig, obwohl das Konsulat offiziell geschlossen war. Ernst tom Have, der dritte Konsul in dieser Reihe, war ein gebürtiger Hannoveraner, diente aber am Zarenhof in Petersburg und vertrat unser Land in den diplomatischen Missionen in Genua und Turin, bevor er nach Leipzig entsandt wurde.
Zwei der drei Nachnamen klingen deutsch…
Ja, und das sind sie auch. Zu den damaligen Zeiten waren oft Deutsche im diplomatischen Dienst Russlands tätig und vollbrachten auch kriegerische Heldentaten. Die deutschen Familiennamen der Oberbefehlshaber der Verbündeten sind in Leipziger Straßennamen verewigt: Berclay de Tolly, Wintzingerode, Wittgenstein, Osten-Sacken. Sie waren es, die die alliierte Armee, darunter 127.000 Russen, gemeinsam mit den Generälen Dochturow, Newerowskij und Gortschakow zum Sieg führten. In Leipzig gibt es ja mehrere Orte der Erinnerung…
Ja, mit der russischen Gedächtniskirche des Heiligen Alexij, dem Denkmal für Oberstleutnant Jurgenew, dem Grab des Unbekannten Soldaten und nun auch dem Denkmal für die drei russischen Konsuln besteht ein würdiges Ensemble. Es ist zum Zentrum der russischen militärischen, geistlichen und diplomatischen Ehre geworden. Der Grabstein des Unbekannten Soldaten ist dank einer Initiative der Stadt Leipzig durch einen Neuen ersetzt worden. Und auch die zweite Geburt der Kirche konnten wir in diesem Jahr begehen: Die
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Stadt Moskau hat 250.000 Euro für die Rekonstruktion bereitgestellt. Mitarbeiter des russischen Konsulats in Leipzig haben auch ihren finanziellen Beitrag geleistet. Bald wird die Kuppel der Kirche in neuem Glanz erstrahlen. Welche Besonderheiten birgt denn das Innere der Kirche?
Die Kirche ist bekannt für die Ikone der Gottesmutter von Smolensk – eine Kopie der Ikone, die der Feldmarschall Kutusow am Vorabend der Schlacht von Borodino zusammen mit seiner ganzen Armee angebetet hat. Sie ist ein Geschenk der Donkosaken an die Kirche, die sich im Krieg gegen Napoleon sehr verdient gemacht haben. Welche Schwerpunkte setzen Sie sich für Ihre eigene Tätigkeit?
Alle Aspekte unsere Tätigkeit sind wichtig, vom Schutz der Rechte und Interessen von Staatsbürgern der Russischen Föderation bis hin zur Entwicklung der kulturellen, der wissenschaftlichen und der Handelsbeziehungen mit Deutschland. Ich nehme mich besonders der hier befindlichen russischen Kriegsgräber an. Gemeinsam mit dem
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POLITIK
Erzbischof Longin von Klin, Leiter der Ständigen Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland (großes Bild). Kleines Bild: Die Orenburger Kosaken bei den Jubiliäumsfeierlichkeiten.
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. haben wir in den vergangenen Jahren alle 308 Gräber in Sachsen und Thüringen inventarisiert und katalogisiert. Wir gedenken in Ehren der im Großen Vaterländischen Krieg Gefallenen. Am 8. Mai, dem Vorabend des Tages des Sieges, führt das Generalkonsulat traditionell einen feierlichen Empfang durch. Dabei sind Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges unsere Hauptgäste. Visa für Russland auszustellen – das ist ja ebenfalls eine wichtige Aufgabe Ihrer diplomatischen Einrichtung. Lassen sich da neue Tendenzen erkennen?
Durchaus: Mittlerweile reisen deutsche Staatsbürger gerne nach Russland, vor allem nach Moskau, Sankt Petersburg, zum Baikalsee oder in den Kaukasus. Deutsche unternehmen auch gerne Reisen mit der transsibirischen Eisenbahn. Zunehmend wichtiger sind aber auch Visa für die Wirtschaft: Der russische Markt bietet viele Entfaltungsmöglichkeiten, und so stellen wir jetzt öfter Arbeitsvisa für Unternehmensgründungen und Investitionen in Russland aus. An hochqualifizierte Fachkräfte, die von russischen Unternehmen gerne eingestellt werden, vergeben wirVisa für drei Jahre.Wir bemü-
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hen uns, die Beziehungen zwischen russischen und mitteldeutschen Geschäftsleuten zu festigen, auch mit dem deutsch-russischen Wirtschaftsstammtisch, den das Konsulat gemeinsam mit der IHK Leipzig organisiert. Eingeladen werden Vertreter russischer und deutscher kleiner und mittelständischer Unternehmen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der russischsprachigen Community in Sachsen und Thüringen?
Wir arbeiten eng mit den Vereinen unserer Landsleute zusammen. Unsere Aufgabe ist es, sie in ihren sozialen, humanitären, in ihren Sprach-, Bildungsund Arbeitsrechten zu unterstützen. Es ist besonders wichtig, die russische Sprache zu fördern. Ich freue mich auf die Jahre 2014/15, die als Kreuzjahre der russischen Sprache und Literatur in Deutschland und der deutschen Sprache und Literatur in Russland ausgerufen wurden. Die in Deutschland aufgewachsenen Kinder dürfen ihre Wurzeln nicht vergessen. Das Generalkonsulat schenkt Vereinsbibliotheken Bücher aus Russland. Das DeutschRussische Kulturinstitut e.V. in Dresden und der Puschkin-Club e.V. in Chemnitz sind besonders
hervorzuheben: Beide verfügen über große Bibliotheken russischer Autoren, organisieren Konzerte, Ausstellungen und Poesie-Treffen. In Leipzig waren ja auch einige bekannte Russen zu Gast…
Stimmt, Leipzig bewahrt die Erinnerungen an viele berühmte Persönlichkeiten aus Russland. Vierzehn Straßen in Leipzig sind nach russischen Schriftstellern benannt. Sechs von ihnen, Michail Lomonossow, Iwan Turgenew, Lew Tolstoi, Fjodor Dostojewski, Iwan Gontscharow und Nikolai Ostrowski waren zu Besuch in dieser Stadt. Pjotr Tschaikowski und der Pianist Anton Rubinstein gaben im Leipziger Gewandhaus Konzerte. Leipzig behält auch unsere Zaren Peter I. den Großen und Alexander I. im Gedächtnis. Wie Sie sehen, ist Russland mit Deutschland historisch sehr eng verbunden. Und die Geschichte zeigt: Wenn die kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Deutschland gut sind, wirkt das auf die Verbindung mit Europa insgesamt zurück. Leipzig.mid.ru
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KULTUR
„Leipzig hat in Russland einen guten Klang“ Eine ellenlange Liste auf der Stadthomepage ist nur einem Thema gewidmet: Den Beziehungen Leipzigs zu Russland. Das Völkerschlacht-Jubiläum mit seinen zahlreichen Begängnissen steht obenan, angeführt sind ebenso die Kontakte der Leipziger Messe und verschiedener Firmen in das Riesenreich. Ein Gespräch mit Gabriele Goldfuß und Heiderose Heßke, die im städtischen Auftrag die internationalen Netzwerke pflegen, über alte und neue Verbindungslinien und deren Pflege. Text: Jana Dichelle Fotos: jost
Frau Heßke, Ihnen obliegt es, die Fäden Leipzigs nach Russland in der Hand zu halten. Sind das eigentlich alte Fäden aus Vorwendezeiten, oder sind die alle ganz neu gespannt?
Heiderose Heßke: Sowohl als auch. Manches war nach der Wende abgerissen, aber wir konnten an einigen Stellen wieder anknüpfen. Persönliche Beziehungen spielen da eine wichtige Rolle. Wir profitieren davon, dass Leipzig in Russland einen guten Klang hat. Vor allem an die Messen, wie sie früher Drehscheibe des Handels der sozialistischen Länder waren, erinnern sich in Russland noch viele. So ist es nicht verwunderlich, dass sich gerade die Leipziger Messe im russischen Markt etablieren konnte: Zum zweiten Mal läuft jetzt im Oktober in Moskau die Denkmal-Messe. 40 Jahre reichen inzwischen auch die Erdgaslieferungen aus
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Russland zurück, die mit der Verbundnetz Gas AG einen starken Partner in Leipzig haben. Leipzig hat doch aber in Russland gar keine Städtepartnerstadt…
Heiderose Heßke: Nein, aber es ist auch nicht unbedingt nötig, Partnerstädte zu sammeln. Wir haben Kooperationsvereinbarungen auf einzelnen Gebieten. Zum Beispiel arbeiten wir mit Moskau zusammen auf den Gebieten Stadtentwicklung oder der Berufsausbildung, Servicedienste für die Bürger und im Wissenschafts- und Innovationsbereich. Mit der Stadt Woronesch, knapp 500 Kilometer südlich von Moskau, gibt es ein Projekt zur Modernisierung der Abfallwirtschaft, woran sich Leipziger Unternehmen mithilfe europäischer Programme beteiligen. Hinzu kommen gemein-
same Projekte für den öffentlichen Personennahverkehr, die Aus- und Weiterbildung, den Wohnungsbau und Plattenbausanierung. Nach Rostov pflegt der Leipziger Unternehmerverband VKG eigene Kontakte. Kontaktpflege, Netzwerk – das sind ja recht abstrakte Begriffe. Entsteht dabei tatsächlich ein Mehrwert?
Gabriele Goldfuß: Das klingt immer so trocken, oder als würden wir aus Spaß an der Freude in der Weltgeschichte umherreisen.Tatsächlich ist das ein hocheffizientes Mittel, sich anderswo Rat zu holen – und kostet obendrein nicht viel. Wenn sich zum Beispiel die Stadtentwickler, Kulturmanager oder Wirtschaftsförderer gegenseitig über die Schultern schauen und sich austauschen im Sinne von: Dieses hat bei uns geklappt, aber jenes würde
Heiderose Heßke (oben) und Gabriele Goldfuß: „Netzwerkarbeit ist preisgünstiger als jedes Consulting.“
Inspirierende Atmosphäre für Marken und Emotionen. mp realisiert Messestände – weltweit.
ich nicht wieder machen, das ging bei uns aus bestimmten Gründen nicht, aber vielleicht passt es bei Euch – dann ist das auf jeden Fall preisgünstiger als jedes Consulting-Programm und kann tatsächlich die regionale Entwicklung beflügeln. Hinzu kommen Kontakte zu Vereinen und Institutionen wie dem Generalkonsulat, ohne die manches schlichtweg nicht denkbar wäre. Russisch hört man in Leipzig immer häufiger, weil die Zahl der russischsprachigen Zuwanderer steigt. Aber in unseren Schulen spielt die Sprache kaum mehr eine Rolle…
Gabriele Goldfuß: Ja, es werden immer mehr Leipziger Bürger mit russischen Wurzeln. Sie prägen zunehmend die kulturelle Landschaft der Stadt, sei es in der jüdischen Gemeinde, in Vereinen oder an den Musikschulen. Auf der anderen Seite finden wir es schade, dass die russischen Sprachkenntnisse bei den Leipzigern nachlassen. Inzwischen überholen uns die westdeutschen Städte, was den Russischunterricht angeht.Vielleicht sollte da in den Schulen ein Umdenken einsetzen. www.leipzig.de/leipzig-international
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POLITIK
Präsident Putin und Bundeskanzlerin Merkel beim 12. Petersburger Dialog 2012
Langes Zwiegespräch Der Petersburger Dialog fördert seit 2001 den Kontakt der Zivilgesellschaften zwischen Deutschland und Russland. Text: Helge-Heinz Heinker Fotografie: Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch
Es gibt ihn seit über zwölf Jahren, den Petersburger Dialog. Die Öffentlichkeit kennt diese Runden meist nur, weil am Rande der jährlichen Treffen, die abwechselnd in Deutschland und Russland stattfinden, deutsch-russische Regierungskonsultationen laufen; Bilder davon schaffen es allemal bis in den Fernseh-Nachrichtenstrom. Nimmt man das russische Umbruchjahr 1991, so gibt es den Petersburger Dialog nun schon auf mehr als der Hälfte der historischen Wegstrecke. Das ist, gemessen am politischen Alltagsgeschäft, eine halbe Ewigkeit und eine günstige Ausgangslage für konkrete Ergebnisse auf den acht großen Themenfeldern, die beackert werden – von der Politik über die Wirtschaft bis zu den Kirchen in Europa. Mit dem Deutsch-Russischen Jugendaustausch oder dem Deutsch-Russischen Rohstoffforum werden nützliche Nebenwirkungen greifbar. Russland ist bereits erfreut, wenn der Gesprächsfaden nicht abreißt, Deutschland ist pragmatischdrängender und will schneller konkrete Resultate.
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In dieser Konstellation ist Diplomatie vonnöten. Das wissen jene Wirtschaftsvertreter, die auf dem russischen Markt erfahren haben, dass derjenige weiterkommt, der den frontalen Vorstoß meidet und Verständnis für die russische Gefühlslage aufbringt, dass der Weltmachtstatus durch den Epochenbruch der Jahre 1989/90 erschüttert wurde. Petersburger Dialog – der Titel ist Programm. Namenspatron ist die alte russische Hauptstadt, die ihr schönes Gesicht dem Westen betörend zuwendet. Initiiert wurden die zivilgesellschaftlichen Dialogrunden von den beiden damaligen Spitzenleuten Gerhard Schröder und Wladimir Putin. Schirmherren des Dialogs sind jeweils der amtierende deutsche Bundeskanzler, und das waren seit 2001 nur Gerhard Schröder und Angela Merkel, sowie der amtierende russische Präsident, und auch auf dieser Seite stehen nur zwei Namen – Wladimir Putin und Dmitri Medwedew. Finanziell unterstützt wird der Dialog auf deutscher Seite vom Auswärtigen Amt und von
Stiftungen und Unternehmen, auf russischer Seite sorgt vor allem das Moskauer Außenministerium dafür, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt. An diesem Punkt gerät der Dialog derzeit ins Stottern. Deutsche Firmen streben zügig Ergebnisse auf dem russischen Markt an, die Stiftungen grummeln über die „gelenkte Demokratie“ in Putins Reich. Beide haben inzwischen andere Kanäle nach Russland, um ihre Interessen durchzusetzen. Da versiegen sicher geglaubte Geldflüsse. Hinzu kamen die langen Koalitionsverhandlungen in Berlin, die dazu führen, dass am Rande des Petersburger Dialogs im Dezember 2013 in Kassel erstmals keine deutschrussischen Regierungskonsultationen stattfinden. Der Petersburger Dialog wird weitergehen, aber seine Gesprächskultur bedarf dringend der Auffrischung.
www.petersburger-dialog.de
WIRTSCHAFT
REGJO
UNTERNEHMEN
MESSEN
GESELLSCHAFT
Engagiert
„Guter Austausch“
Schöner Charme
90 Unternehmer engagieren sich im Ver-
Messeprojekt mischte früh am rus-
Club International: Stillvoll über Grenzen
sischen Messemarkt mit und profitiert
hinweg
ein Gemeinsam für Leipzig für ihre Stadt.
Bild: Regina Katzer
Bild: Messeprojekt GmbH
Bild: Gemeinsam für Leipzig e. V.
bis heute.
Gemeinsam kann man mehr erreichen, das beweist Gemeinsam für Leipzig. Wolf Winkler, Vorstandsmitglied des Vereins zur Förderung des Mittelstandes in der Region Leipzig, erklärt: „Wir tun etwas für die Stadt, indem wir Wirtschaftsförderung betreiben, aber auch soziale, kulturelle und sportliche Projekte fördern.“ Die Preisverleihung der Leipziger Lerche beim Neujahrsempfang 2014 ist Höhepunkt imVereinskalender. Seit 2006 stiftet der Verein den Preis, der Personen ehrt, „deren Herz für Leipzig schlägt, die für diese Stadt und ihre Bürger würdige Vertreter sind, die diesen Geist von Leipzig nach außen tragen.“ Zu den bisherigen Gewinnern zählen etwa Wolfgang Tiefensee, der Direktor des Leipziger Zoos Jörg Junhold und zuletzt der österreichische Unternehmer Dietrich Mateschitz, der mit RB Leipzig viel Energie in die hiesige Fußballszene brachte. „Mit der Verleihung der 9. Leipziger Lerche sollen nicht nur vergangene Taten gewürdigt werden, sondern zu neuen angespornt werden“, so Winkler. RED ☐
Björn-Hendrik Duphorn, Mitglied der Geschäftsleitung von Messeprojekt , spricht von „bilateralen Beziehungen, bei denen alle profitieren“, wenn man ihn nach dem Engagement der Messebauer in Russland fragt. Messeprojekt baut seit der Gründung 1991 in Leipzig weltweit Messestände in allen Größen, Formen, Farben und Materialien. „Als sich vor 12 Jahren noch keiner in den russischen Messemarkt traute, hatten wir keine Berührungsängste und zudem Mitarbeiter, die russisch sprachen – so fing es an.“ Man gewann in zweierlei Hinsicht. Zum einen knüpfte Messeprojekt Partnerschaften mit Unternehmen vor Ort und zum anderen gewannen sie große Aussteller als Kunden. Im Jahr 2012 baute man etwa einen 3.300 Quadratmeter großen Gemeinschaftsstand von BMW und Mini zur MIAS in Moskau. Kunden schätzen die jahrelangen Erfahrungen und Kontakte auf den Messemärkten im Osten. Auch Bosch und Siemens gewann man über die Expertise im Russlandgeschäft. „Es ist ein guter Austausch und wir wollen das auf jeden Fall weiterführen“, resümiert Duphorn. JK ☐
In der Bibliothek der Gründerzeit-Villa des Verlegers Hermann Julius Meyer in Leipzig: Schummriges Licht, Laternenschein von draußen, ein knarzender Holzfußboden, das Knistern des Kamins im Foyer. Die heimelige Wohnzimmer-Atmosphäre gehört heute zu einem Verein, der sich die Internationalität auf die Fahnen geschrieben hat. 1996 ins Leben gerufen, will der Club International e.V. die Völkerverständigung fördern, unterschiedliche Kulturen zusammenbringen und Plattform des intellektuellen Gedankenaustauschs sein. DieVilla in der Käthe-Kollwitz-Straße gehörte einst dem Verleger Meyer, dessen Lexika Weltgeltung besaßen, der hier sein philanthropisches Wesen auslebte. Das Haus ist im Stile eines italienischen Palazzo gebaut: ein antikisierender Portikus, ein holzvertäfelter Windfang, Kassettendecken in Bierlasurtechnik, Kronleuchter und als Kontrast bunte Gemälde in Neonfarben – und nach seiner Restaurierung atmet das Haus wieder den Charme und die bürgerliche Hochkultur aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. JS ☐
www.gemeinsam-fuer-leipzig.de
www.messeprojekt.de
www.club-international.de
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ADEL
Seine Kaiserliche Hoheit Thronfolger Kaisersohn und Großfürst von Russland, Georgii Mihalovich Romanov, Vizepräsident der IC Solev, Andrey Golubev, der Berater der Kanzlei des Russischen Kaiserlichen Hauses Yuri Myshonkov, und der Erste Vorstand der Russischen Adelsversammlung, Alexander Korolov-Pereleshin(v.l.n.r.).
Festlicher Abend und hoher Besuch
Am ereignisreichsten Wochenende des Jahres für das offizielle Leipzig – dem des Gedenkens an die Völkerschlacht – lud die PeterDegner-Stiftung zum Empfang in den Club International. Text: Jana Dichelle Fotografie: Daniel Tieg
Für den festlichen Ausklang dieses 18. Oktober, an dem ein protokollarischer Höhepunkt den nächsten gejagt hatte, zählten auch Benita Goldhahn, Vizepräsidentin des Club International, Andrey Golubev, Vizepräsident des Moskau IC Solev, Kai-Uwe Döhler, Geschäftsführer der Connection Company und Claus-Peter Paulus, Geschäftsführer des REGJO-Verlags, zu den Gastgebern. Der extensive Festkalender hatte derweil alles im Griff – und begründete auch die verspätete Ankunft des Ehrengastes des Abends, des in Madrid lebenden Sprosses der einstigen Zarenfamilie Romanow, Großfürst Michaiil Georgi Romanow, Sohn von Maria Wladimirowna, Großfürstin von Russland und Franz Wilhelm, Prinz von Preußen. Orchester und Cellosolist Derweil unterhielten sich die ungefähr 100 Gäste bei Kaminfeuer und klassischer Musik: Impressario Peter Degner war es gelungen, das RobertSchumann-Sinfonieorchester unter der Leitung von Erik Schober, den spanischen Cellovirtuosen
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Fermin Villanueva und die Leipziger Pianistin Anja Halefeldt für die musikalische Gestaltung des Abends zu verpflichten. Mit der Ankunft des Großfürsten senkten sich die Stimmen, es folgte ein Blitzlichtgewitter.Veranstaltungsmanager Peter Degner zitiert später den Ehrengast: „Der Großfürst war sehr angetan und empfand den Abend als den Höhepunkt seines Leipzig-Aufenthalts.“ Aromen und Sympathien Die Gäste standen derweil in kleinen Grüppchen beieinander; Russisch und Deutsch wurde gleichermaßen gesprochen. Visitenkarten wechselten die Besitzer, und mit ihrem Catering stimmte die Firma Lübberts thematisch auf das Jahr 1813 und die Nationen ein, die an der Völkerschlacht beteiligt waren: Es gab unter anderem grünen Speck mit Kaviar, Zwiebelkuchen mit Kräuter-frischkäse, Borschtsch mit Kümmelbrot, Saumagen mit Rotweinsauce und Maronenpüree; als Dessert wurden Apfel-Calvados-Küchlein mit Mandeleis gereicht. „Damals wie heute werden Kooperationen noch
immer über die gemeinsamen Sinne von Aromen und Sympathien verbunden“, philosophierte KaiUwe Döhler, der für das Catering verantwortlich zeichnete. „Herzlicher Umgang“ Auch Gläser wurden gefüllt – unter anderem solche für Wodka, denn eine Verkostung des russischen Nationalgetränks war ebenfalls geboten: Torsten Junghans, ansonsten mit seinerVodkaria in der Gottschedstraße zu Hause, versorgte die Gäste des Club International mit einer großenVielfalt an Hochprozentigem. REGJO-Geschäftsführer Claus-Peter Paulus freute sich über den Verlauf des Abends, dem intensive russisch-deutscheVorbereitungen vorausgegangen waren: „Die Festlichkeit zeigt, wie Menschen – welcher Nation auch immer, adelig oder bürgerlich – herzlich und offen miteinander umzugehen verstehen.“
SPORT
REGJO
Schon bei den vorangegangenen olympischen Winterspielen im kanadischen Vancouver 2010 präsentierte sich Sotschi.
Olympia bleibt ein Ort zum Träumen Sotschi 2014 – ein Badeort an der „Russischen Riviera“ revolutioniert sich, um im Rampenlicht zu brillieren und auch nach den Winterspielen auf der großen Bühne mitzumischen Text: Frank Willberg Fotografie: lorea2006/flickr.com und Foreign and Commonwealth Office/flickr.com
Des Menschen Streben nach Größe und Ewigkeit – auch oder gerade in ungesunde Dimensionen – wird von Olympischen Spielen nahezu idealtypisch verkörpert.Als Völker verbindendes Fest und Anhängsel der Weltausstellung ist es in der Neuzeit gestartet. Und Olympia hat mit seiner einzigartigen Atmosphäre und dem friedlichen Wettstreit seither nicht nur Millionen Menschen begeistert – es hat einigen Austragungsorten wie München 1972 und Barcelona 1992 zu einer Entwicklung verholfen, von der nun andere träumen. Die aktuellen Träumer heißen Sotschi, Rio und Pjöngjang. Tropisch, teuer, traumhaft? Am 7. Februar 2014 beginnen die XXII. Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi. Es
werden mit voraussichtlich 40 bis 50 Milliarden Euro die mit Abstand teuersten Spiele aller Zeiten werden, und das obwohl Sommerspiele an sich wesentlich aufwändiger sind. Peking und London blieben unter der 30-Milliardenmarke.Aber als das Internationale Olympische Komitee (IOC) dem Kurort Sotschi vor sechs Jahren den Zuschlag erteilte, existierten die Sportstätten nur auf dem Reißbrett beziehungsweise als Computeranimation. Wenn die Welt in wenigen Monaten auf Sotschi blickt, sieht sie Wintersport unter Palmen am Schwarzen Meer, in einer Küstenregion, die im Januar/Februar subtropische 10 bis 15 Grad aufweist. Der beginnende Kaukasus, 70 Kilometer östlich in der Schneeregion um Krasnaja Poljana, ist zumindest 600 Meter hoch.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt? Sotschi strebt nach nachhaltigem Glanz. Geplant ist noch 2014 ein G8-Gipfel, die Formel 1 startet auf einem nigelnagelneuen Kurs den Grand Prix von Russland, dazu kommt die Fußball-WM 2018. Die immensen Kosten rufen Kritiker auf den Plan; Umweltbelastungen und der Unterhalt der Sportstätten nach den Spielen werden in den offiziellen Zahlen gern vergessen. Das IOC unterschlägt sogar Infrastrukturmaßnahmen. Süffisant listet die Anti-Olympia-Organisation Nolympia den finanziellen Ruin der vorigen Austragungsorte Nagano, Turin und Vancouver auf. Dazu kommen die „Weißen Elefanten“ – eigens für die Spiele errichtete Sportanlagen, die nach nicht einmal drei Wochen nicht mehr genutzt und benötigt werden.
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REGJO
SPORT
REKORDE
Vier Mal Olympia Thüringerin Andrea Henkel strebt nach neuem Ruhm in Sotschi
Englands Außenminister Jeremy Browne (r.) reicht das olympische Feuer weiter. Es ist der 9. August 2012, als der Präsident und Geschäftsführer des Organisationskomitees Sotschi 2014, Dmitry Chernyshenko, die Flamme in London in Empfang nimmt.
Der Gigantomanie sind weiter Tür und Tor geöffnet – immer größer, telegener und werbeträchtiger soll es sein. IOC-Präsident Jacques Rogge ist die angekündigte Reform von Olympia schuldig geblieben – die Spiele sind die Haupteinnahmequelle des IOC, und solange die Bewerber Schlange stehen, wird der finanzielle Kollaps in Kauf genommen, etwa in Athen. Und solange hat auch ein dezentrales Olympiakonzept wie das von Leipzig keine Chance. Zwischen Vision, Hoffnung und Kommerz Sotschi 2014 eifert gemeinsam mit Rio de Janeiro dem Barcelona-Modell nach: Öffentlichkeitswirksame Großveranstaltungen sollen den Glamour verstetigen, den Ruf Sotschis angenehm ins Langzeitgedächtnis befördern.Wird die neue Infrastruktur sportlich, wirtschaftlich und touristisch gut ausgelastet, kann unterhalb des olympischen Leuchtturms etwas nachwachsen, das den Aufwand rechtfertigt. Planen lässt sich das nicht. Es bleibt eine Hoffnung. Nachhaltige Mühen für nachhaltigen Erfolg Und für diese Hoffnung werden Berge versetzt. Mehr als 70.000 Bauarbeiter stampfen ein Win-
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tersportzentrum praktisch aus dem Nichts, es entstehen 260 Kilometer Straßen neu. Bei den Sportanlagen ist Nachhaltigkeit durchaus ein Thema: Das Olympiastadion ist 2018 als Spielstätte der WM vorgesehen, die Schaiba-Eisarena wird nach den Spielen abgebaut und andernorts wieder errichtet, die Adler-Arena dient hinterher als Messehalle, während der Eisberg-Eislaufpalast in eine Radrennbahn umfunktioniert wird. Das RusSki-Gorki-Skisprungzentrum soll nach 2014 als nationales Trainingszentrum dienen und die ganze Region ein exklusives Wintersportressort werden. In Sotschi, dem wohl beliebtesten russischen Urlaubsort, will Mütterchen Russland eine gute Gastgeberin sein. Es sind erst die zweiten Olympischen Spiele in Russland, angesichts des westlichen Boykotts 1980 in Moskau eigentlich die ersten.Wenn dann Sotschi Davos oder Courchével den Rang abläuft, könnte der Hochglanzwerbeslogan „Gateway to the Future“ (Tor zur Zukunft) wahr werden.
Text: Frank Willberg Fotografie: Günter Hentschel/flickr.com
Seit 23 Jahren steht die Biathletin Andrea Henkel auf den Brettern, die für sie die Welt bedeuten. Seit 15 Jahren zählt sie zum Weltcupteam, de facto der BiathlonNationalmannschaft. Zwei Goldmedaillen bei Olympia, acht bei Weltmeisterschaften und zehn weitere Medaillen verleihen ihr das Prädikat „beständigste deutsche Biathletin“. In der kommenden olympischen Saison feiert sie ihren 36. Geburtstag. Im Vorjahr stand sie im Gesamtweltcup auf dem Bronzetreppchen und ist amtierende Staffelweltmeisterin. Andrea Henkel, die aus Ilmenau stammt und beim Großbreitenbacher SV von Gerald Hönig trainiert, ist so etwas wir die Birgit Fischer des Wintersports. Während es die Kanutin auf sechs Olympiateilnahmen brachte, will Andrea Henkel das vierte Mal zu den Olympischen Winterspielen. Nur Sportschützen, Segler oder Springreiten waren noch öfter bei Olympia. In Sotschi strebt die Sportsoldatin erneut nach Edelmetall. Vielleicht wird sie auch zum vierten Mal Thüringens Sportlerin des Jahres.
SPORT
REGJO
Mediengold aus Leipzig Olympische Fernsehübertragungen 2014: Die Leipziger Marketing- und Kommunikationsagentur BS-Mediagroup vertreibt Werbeminuten im russischen Fernsehen Text: Sebastian Jablonowski Fotografie: BS Mediagroup
Es ist nicht mehr lang hin bis zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi, die Vorbereitungen für den Februar 2014 laufen auf Hochtouren. Und nicht nur der Kurort am Schwarzen Meer, auch die Berger & Severyuk Mediagroup GmbH in Leipzig fiebert den Spielen entgegen: Die Agentur hat sich mit Werbeblöcken russischer Sender eingedeckt, die sie Interessenten in ganz Europa zur Schaltung anbietet. Auf allen Kanälen „Russlands 145 Millionen Einwohner wird ein Medienspektakel erwarten“, erklärt Denis Severyuk, Geschäftsführer der Agentur. „Wenn man die Spiele der letzten Jahre als Indikator
heranzieht, wird man, was die Einschaltquoten angeht, eines sicher sagen können: Sie werden steigen. Olympia hat sich von einer eher geruhsamen Abfolge von Ergebnisverkündungen zu einem TVEreignis erster Güte entwickelt. Und gerade in den Gastgeberländern können sich die Menschen dem olympischen Fieber definitiv nicht entziehen.Was für uns natürlich bedeutet, dass die Werbeplätze massiv aufgewertet werden.“ Und dafür hat BS-Media vorgesorgt: In allen relevanten Programmen der staatlichen Fernsehanstalt Russlands hat das Unternehmen Werbeminuten akquiriert – bei Moja Planeta, Nauka 2.0 ebenso wie bei Sport 1 & 2, Bojzovskij Klub, Strana, Sarafan, Russkij Roman & Bestseller, Rossija HD, Istorija, Moskva 24 und Doverie. Hinzu kommen
Verträge mit staatlichen und privaten Radiosendern. „Die Werbeblöcke stehen uns zum Verkauf zur Verfügung“, erläutert Severyuk. Win-Win-Win Diese Praxis habe sich bewährt – für die Fernsehsender, aber auch für die Kunden: „Die Erfahrung lehrt: Wenn die Sender mit jedem Kunden einzeln verhandeln müssen, läuft der Personalaufwand leicht aus dem Ruder. Denn dann muss die kleinste Notiz übersetzt werden. Demgegenüber können wir das schneller und einfacher erledigen. Mit unseren Kunden kommunizieren wir auf Deutsch oder Englisch, mit den Fernsehanstalten auf Russisch. Weder die Kunden noch die Mitar-
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SPORT
Besarioni Kamarauli, Managing Partner und Denis Severyuk, Geschäftsführer der B&S Mediagroup.
beiter beim Sender müssen sich verbiegen.“ Hinzu komme ein gewisser Preisvorteil für die Kunden: Weil BS-Media größere Kontingente an Minuten aufgekauft habe, seien gute Konditionen erhandelt worden. Am Ende sei es möglich, dass die Werbekunden für mehr Leistung weniger bezahlen. „Und wir haben ebenfalls daran verdient. Quasi eine Win-Win-Win-Situation“, freut sich der Agenturchef, dem bewusst ist, dass deutsche und europäische Unternehmen heute stärker denn je in den russischen Markt drängen. Olympisches Fieber, Leipziger Schreibtisch Für die Agentur bedeutet das gleichsam olympisches Mediengold, und den Erfolg verdankt das Unternehmen seinem langen Atem: „Es ging nicht von Null auf Olympia“, erinnert sich Severyuk. „Wir haben ebenso klein angefangen wie alle anderen auch. Und genug Lehrgeld zahlen müssen – wortwörtlich. Einer unserer ersten Aufträge für einen russischen Sender fuhr uns ordentlich in die roten Zahlen. Mit viel Mühe haben wir uns wieder hochgekämpft – und weiter gemacht.“ Hinschmeißen ist seine Sache nicht: „Wer ans Aufhören denkt, hat in unserer Branche schon verloren.“ Das Durchhalten hat sich gelohnt: Nun werden auf allen russischen Kanälen Werbespots laufen, die über Severyuks Leipziger Schreibtisch gegangen sind. „Durch diese Akquise sind wir sehr breit aufgestellt“, betont der Agenturleiter. „Ganz gleich, ob
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der Zuschauer nun auf Sport 1 die Spiele verfolgt oder sich auf einem anderen Sender eine Dokumentation ansieht: Die Werbung haben in jedem Fall unsere Kunden geschaltet.“ Heiße Phase für die kalten Spiele Um die Zuschauerzahlen hochzurechnen, greift Managing-Partner Besarioni Kamarauli auf Erfahrungen vergangener Olympiaden zurück: „Im Jahr 2010 haben es die Winterspiele von Vancouver sogar geschafft, die Champions League zeitweise vom deutschen Einschaltquotenthron zu stoßen. Das ist einmalig in der bisherigen Fernsehgeschichte.“ Und nicht nur die Deutschen, auch die Russen seien verlässliche Fans der Spiele – zumal, wenn sie daheim stattfinden. „Die Augen der Russen werden ab dem 7. Februar auf Sotschi gerichtet sein – und somit auf die Werbung unserer Kunden. Ebenso wie in Deutschland und dem Rest der Welt wird der Hype in der Russischen Föderation nicht ausbleiben.Wir rechnen mit exzellenten Einschaltquoten“, prognostiziert Kamarauli. Sein Unternehmen ist jedenfalls bestens präpariert für „die heiße Businessphase für die kalten Spiele“, wie er es ausdrückt. Und die beginnt jetzt. Kamarauli rät den Firmen aus Mitteldeutschland, das Feld nicht allein den großen Unternehmen zu überlassen. „Wir empfehlen Interessenten, sich frühzeitig zu melden. Denn die Werbeplätze sind erwartungs- und erfahrungsgemäß schnell an
die großen Brands vergeben. Im Moment haben auch kleinere Unternehmen noch gute Möglichkeiten, sich Werbeminuten zu sichern“, erklärt Severyuk, der sich die Chance ebenfalls nicht entgehen lässt: „Wir nutzen natürlich auch einige Sekunden, um für unsere Agentur zu werben. So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder.“ Überzeugte Leipziger Und welche Rolle spielt Leipzig als Unternehmensstandort? Denis Severyuk: „Leipzig als Stadt war und ist für uns immens wichtig. Für unsere Kunden und Partner in Deutschland ebenso wie im Ausland ist der persönliche Kontakt wichtig, und die Treffen sind durch E-Mail und Videokonferenzen nicht zu ersetzen. Unsere Gäste führen wir gern in die Stadt, die begeistert aufgenommen wird. So arbeitet Leipzig durch seine Kultur, seine Vielfalt und Geschichte für uns und sorgt für ein überaus angenehmes und entspanntes Gesprächsklima. Das ist für uns viel wert.“
www.bs-mediagroup.com
KULTUR
REGJO
Oben: Eintrag im Gästebuch: Pjotr Tschaikowski und seine Musikerfreunde verewigten sich 1888 in dem Buch, das heute im Tresor gelagert wird. Links: Blick in den großen Keller. Rechts: Diese Aufnahme zeigt Alexander Siloti und Peter Iljitsch Tschaikowski. Sie entstand bei einem Leipzig-Besuch am 7. Januar 1888.
Auerbachs Keller: Tschaikowski war da In Leipzig traf Russlands Starkomponist auf Johannes Brahms, Edvard Grieg und Ferruccio Busoni – und er weilte auch im Traditionslokal im Herzen der Stadt. Text: Bernd Weinkauf Fotografie: Auerbachs Keller, Bernd Weinkauf, Historische Aufnahme aus Wolfgang Glaab: Tschaikowsky in Leipzig. Leipzig: Lehmstedt Verlag, 2012.
Im Laufe von fast fünf Jahrhunderten haben auch zahlreiche Gäste aus Russland Auerbachs Keller besucht. Kaufleute, die ihre wertvollen Pelze auf den Leipziger Messen verkauft haben, Studenten, die an der Universität lernten, Politiker, Militärs, Wissenschaftler und immer wieder Künstler. Als Pjotr Iljitsch Tschaikowski in den letzten Tagen des Dezember 1887 in Leipzig eintraf, war er hier schon ein bekannter Künstler. Das war dem Musikverleger Pjotr Iwanowitsch Jurgenson zu danken. Er gilt als Entdecker und Förderer des Musikers, denn dessen Kompositionen hat Jurgenson seit 1886 gedruckt und in den Handel gebracht. Weil er von dem Erfolg russischer Musik in der Musikstadt Leipzig überzeugt war, hatte er hier eine Filiale seines Verlags eingerichtet. Den Neujahrstag 1888 verbrachte Tschaikowski bei demViolinisten Adolph Davidowitsch Brodsky
in dessen Leipziger Wohnung. Am 2. Januar trafen sie sich mit dem Pianisten Alexander Iljitsch Siloti in Auerbachs Keller. Tschaikowski war auf einer Konzertreise durch Europa, bei der er vor allem als Dirigent auftrat. In Leipzig dirigierte er am 5. Januar 1888 im berühmten Gewandhaussaal die Uraufführung seiner Suite Nr. 1 „Marche miniature“. Als er einige Tage später das Orchester auch in der Leipziger Oper spielen hörte, war er von dessen musikalischer Leistungsfähigkeit vollends begeistert. Er schrieb in seinen Erinnerungen, es könne „donnern wie tausend Trompeten von Jericho“ aber auch „girren wie ein Täubchen“. Konzertmeister dieses hoch gelobten Orchesters war der russische Geiger Brodsky. In dieser Funktion hatte er in der Leipziger Musikszene eine herausgehobene Stellung und stand in Kontakt mit vielen bekannten Musikern. So konnte er Tschaikowski
in Leipzig mit Johannes Brahms, Edvard Grieg und Ferruccio Busoni bekannt machen. Ob sie sich alle in Auerbachs Keller getroffen haben, wissen wir leider nicht, aber es ist zu vermuten, denn hier war der Treffpunkt aller bedeutenden Künstler in der Stadt. Und auch heute zieht das Restaurant russische Besucher an: Goethe wird in Russland stark rezipiert, und da er im ersten Teil seiner Fausttragödie seinen Mephisto die zechenden Studenten gerade hier verzaubern ließ, gehört Auerbachs Keller unbedingt zum Besuchsprogramm. Russische Gäste folgen zudem einem amerikanischen Ranking, in dem Auerbachs Keller auf Platz 5 der 10 bekanntesten Gaststätten der Welt gehandelt wird. www.auerbachs-keller-leipzig.de
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Im offenen Wagen durch die Stadt: Juri Gagarin während seines Besuchs in Erfurt im Oktober 1963.
Bis heute ein Idol Vor 50 Jahren besuchten die Kosmonauten Juri Gagarin und Walentina Tereschkowa die Region. In Erfurt erinnert das deutschlandweit vermutlich einzige Gagarin-Denkmal daran. Dank Bürgerengagements kann sich das Areal um die Büste des Bildhauers Lew Kerbel heute wieder sehen lassen. Text: Andreas Klossek Fotografie: Stadtarchiv Erfurt, Andreas Klossek
Seine Pioniertat am 12. April 1961 dauerte lediglich 106 Minuten. Seine Tournee durchs In- und Ausland nach seiner Rückkehr aus dem Orbit glich hingegen einer Langzeitmission: Alle wollten Juri Gagarin sehen, den ersten Menschen im All, die lebende Weltraumikone. Viele wollten am Glanz des ersten bemannten Raumfluges teilhaben. Abertausende sind auf den Beinen, als Gagarin im Oktober 1963 für wenig mehr als einen Tag den Süden der DDR besucht – an seiner Seite Walentina Tereschkowa, die erst vier Monate zuvor an Bord der Wostok 6 als erste Frau die Erdumlaufbahn umkreist hat.Während „Walja“ sich in der Filmfabrik Wolfen und in der Landsberger LPG „Vereinigte Kraft“ bei Bitterfeld die Ehre gibt, in der ESDA-Strumpffabrik im sächsischen Auerbach Ehrenmitglied einer nach ihr benannten Brigade wird und sich in Chemnitz, das damals noch KarlMarx-Stadt heißt, von 120.000 Einwohnern feiern lässt, ist Juri in den Bezirken Gera, Suhl und Erfurt zu Gast: bei den Zeisswerkern in Jena zum Beispiel,
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bei den Bergarbeitern im Kali-Werk Merkers im Thüringer Wald und in Erfurt im Betrieb Pressenund Scherenbau. Stadt im Kosmos-Fieber Überhaupt Erfurt: In der „Blumenstadt“ trieb die Gagarin-Euphorie damals besonders üppige Blüten: Die Juri-Gagarin-Oberschule, eröffnet im Jahr des Weltraumflugs, rief zu einem „kosmischen“ Kinderzeichenwettbewerb auf. In einer Fernsehshow in der Thüringenhalle signierte Gagarin die besten Einsendungen. Die Stadt machte ihm zur Erinnerung einen ledernen Samenkasten mit hundert Erfurter Samensorten zum Geschenk. Die Neuzüchtung einer Dahlie, dunkelrot blühend, wurde auf seinen Namen getauft. Ein Jahr später wurde eingedenk seines Besuchs sogar die zentrale Ringstraße um Erfurts Altstadtkern nach ihm benannt. Schließlich kam 1986, 25 Jahre nach Gagarins Flug ins All, an eben jenem Juri-Gagarin-
Ring ein Gagarin-Denkmal hinzu – genau gegenüber des 1980 eröffneten Interhotel Kosmos, das seine Gäste kulinarisch im Restaurant Galaxis und im 60 Meter hoch gelegenen Panorama-Café Orbit verwöhnte. Ein Geschenk aus Moskau Am 12. April wurde die Büste des einstigen Kosmoshelden enthüllt – von Sigmund Jähn, der im August 1978 als erster Deutscher ins Weltall geflogen war. Mit dabei war auch der sowjetische Bildhauer Lew Kerbel, der den Abguss seiner Plastik, die er für die Moskauer Allee der Kosmonauten geschaffen hatte, der Stadt Erfurt zum Geschenk machte. Eine „Manifestation für Frieden auf der Erde und im Kosmos“ sei die Einweihung gewesen, so stand es damals in der Zeitung. Doch die Kosmoseuphorie verblasste, manch zuvor glorifizierter Held wurde nach 1989 vom Sockel gestürzt. Die Erfurter Gagarin-Büste aber
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… und so sah es zur Einweihung am 12. April 1986 aus.
Erfurter Gagarin-Denkmal: Nach einem Vierteljahrhundert in neuem Gewand.
blieb nach der Wende an ihrem Platz, und der Gagarin-Ring behielt seinen Namen: Die persönliche Leistung Gagarins findet bis heute breite Anerkennung, jenseits des einstigen Pathos. Leistung bis heute anerkannt Das sieht auch Christian Zylka von der Fachhochschule Erfurt so. „Er war der Erste im All, die Wahrscheinlichkeit, auf die Erde zurückzukehren, damals nicht sehr groß“, verweist der promovierte Physiker und Mathematikprofessor mit großem Respekt auf die physische und nervliche Ausnahmesituation, der sich Gagarin damals stellte. Zum Glück und „mit vollster Berechtigung“ ist das Gagarin-Denkmal deshalb aus seiner Sicht erhalten geblieben. „Manche Erfurter wissen vielleicht gar nicht, was sie daran haben“, vermutet Zylka, dessen Arbeitsweg zur Hochschule am Denkmal vorbeiführt. Dass am Umfeld der Zahn der Zeit nagte
und eine zeitgemäße Gestaltung vonnöten war, stand ihm unmittelbar vor Augen: „Hier musste einfach etwas geschehen“, sagt er, und es schwingt jene Begeisterung mit, die den raumfahrtaffinen Hochschulprofessor schon zu Schulzeiten in den 1960er Jahren die Physik als berufliche Zukunft ins Auge fassen ließ. Denkmal mit „Raketenschweif“ Die Initialzündung bot sich ihm zur Erfurter Langen Nacht der Wissenschaften im November 2009. Zu Gast war auch Kosmonaut und Denkmalpate Siegmund Jähn. Das 50-jährige Jubiläum von Gagarins Weltraumflug 2011 bereits in Sichtweite, nutzte Zylka die Steilvorlage. Er referierte spontan zum Thema Schwerelosigkeit und rief vor voll besetztem Auditorium dazu auf, die Denkmalanlage umzugestalten. Mit Erfolg: Zylka holte Professorenkollegen der Landschaftsarchitektur, Sponsoren, die Erfur-
ter Deutsch-Russische Freundschaftsgesellschaft, den Förderverein seiner Hochschule und Erfurts Stadtverwaltung mit an Bord. In einem Studentenwettbewerb entstanden Umgestaltungsideen, im April 2012 legten Auszubildende des städtischen Gartenamtes Hand an. Inzwischen kann sich das Denkmal wieder sehen lassen. In diesem Jahr präsentierte es sich erstmals zur Freude vieler Passanten eingebettet in ein kleines kosmisch-florales Arrangement, verschlissene Gehwegplatten wurden durch Wegekies ersetzt, verschieden farbig blühende Stauden und Gräser ahmen einen Raketenschweif nach. Komplettiert werden soll das alte neue Denkmal zudem mit zwei Texttafeln, die in Deutsch, Russisch und Englisch über Gagarin, die Geschichte des Denkmals und seine Umgestaltung Auskunft geben. „Denn über kurz oder lang“, da ist Zylka sich sicher, „wird das kleine Ehrenmal bei Stadtführungen regelmäßig von interessierten ErfurtBesuchern angesteuert werden.“
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Bild Cut, 180 x 140 cm, テ僕 auf Leinwand, 2013
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Ein Überfluss aus Farben.
Das Atelier im Pfarrhaus Sie Pfarrerin, er bildender Künstler und im Garten eine Banja: Eine russisch-deutsche Familiengeschichte aus der sächsischen Provinz. Text: Jana Dichelle Fotos: Jana Dichelle, privat
Als Alexander Prokopiev ein kleiner Junge war, waren Buntstifte sein größter Traum. Sein älterer Bruder hatte welche bekommen, als er in die Schule kam. Und seither hatte Alexander, genannt Sascha, den eigenen ersten Schultag herbeigesehnt: Endlich ein Paket Holzbuntstifte! Er wurde nicht enttäuscht. Noch heute glänzen seine Augen, wenn er an das Glück des beschenkten Sechsjährigen denkt. Das war Ende der 60er Jahre in der Sowjetunion. Sascha Prokopiev wuchs mit seinen zwei Geschwistern in der autonomen Sowjetrepublik Tschuwaschien auf, in einem kleinen Holzhaus. Und das steht heute noch, fast 700 Kilometer östlich von Moskau, an der Wolga gelegen, wo Russland groß ist und der Zar weit. Öl statt Buntstifte Das Holzhaus ließ er hinter sich, heute lebt er in einem ehernen Pfarrhaus in der sächsischen Provinz, mit Mauern wie für die Ewigkeit. Seinen Namen hat er als Reminiszenz an seine Wurzeln um das Künstlerpseudonym Lexander Prokogh erweitert: So spricht sich sein Name auf Tschu-
waschisch. Und statt mit Buntstiften malt er in Öl, mit einem Überfluss an Farbtönen in allen nur denkbaren Nuancen, die er aus Tuben quetscht, aus Gläsern und Töpfen auf der Palette mischt. Kraftvoll setzt der jugendlich wirkende 50-Jährige den Pinsel an, routiniert überträgt er das Bild aus seinem Kopf auf die Leinwand. Seine Werke heute sind die eines reifen Mannes, tiefgründig und doppelbödig. Es war auf einer Zugfahrt 1994 nach Moskau, als Sabine Prokopiev ihren künftigen Mann traf. Sie kehrte gerade zurück zu ihrem freiwilligen sozialen Jahr in einem Moskauer Heim für schwer behinderte Kinder, „voller Elan und Plan“, wie sie heute sagt. Sie hatte eine Pause gebraucht von Elend und Trostlosigkeit und sich in Dresden bei den Eltern erholt. Jetzt saß ihr gegenüber im Abteil dieser junge Mann, der, wie sie erstaunt feststellte, sein Lächeln in den Schlaf hinübergerettet hatte. Zu verdanken war das den Grenzern: Sascha hatte Zweifel daran gehabt, durchgelassen zu werden, sie jedoch ließen ihn anstandslos passieren. Nach Hause – ein seliges Lächeln. „Die Zugfahrt hat uns viel Zeit geschenkt“, erinnert sich Sabine. Bevor sie ausstiegen, tauschten sie ihre Telefonnummern aus.
Brunnen, Holz und Garten Saschas Zuhause: Das war russisches Landleben, russische Einfachheit, bestimmt vom Takt der Jahreszeiten, vom Garten, in dem die Familie ihre hauptsächliche Nahrungsversorgung selbst anbaute. Die Mutter war Wäscherin in einem Internat, der Vater arbeitete als Traktorist, das Familieneinkommen war gering. Ihr Wasser holten sie vom Brunnen, ihr Abort stand im Hof, zum Heizen hackten sie Holz. „Es war ärmlich, und es war frei“, erzählt Sascha mit ausgebreiteten Armen, die ahnen lassen, was ihm Freiheit bedeutet. Er erinnert sich an die Lohntage, an denen die Männer des Dorfes zur Wodka-Ziehung mit Picknick in den Wald zogen. Wankten sie dann nach Hause, hinterließen sie am Ort des Gelages mal Kekse, mal ein Stück Wurst, und die Kinder freuten sich diebisch über die abfallenden Leckerbissen. Telefon zu Unzeiten Für Sabines Kindheit hingegen ist „wohlbehütet“ das passende Adjektiv: Traditionell, im sächsischen
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sächliches Beiwerk. Es war ein Kriegsveteran, der in der Nachbarschaft lebte und auf Sascha aufmerksam wurde. Zunächst auf seinen kraftvollen Tanz, später fiel ihm auf, dass der Junge auch malen konnte. Iwan Fjodoritsch schrieb den Jungen an der Kinderkunstschule ein, wo er drei Mal die Woche in die Geheimnisse der bildenden Kunst eingewiesen wurde: Malerei, Zeichnung, Bildkomposition. Und in der dritten Klasse begegneten ihm hier zum ersten Mal Wassermalfarben. Skulptur im Wald Folgerichtig wurde er nach der 9. Klasse zur vierjährigen künstlerischen Berufsausbildung in der Republikhauptstadt Tscheboksary zugelassen, wo klassische Malerei, Zeichnung, Interieur- und Graphikdesign auf dem Lehrplan standen. Unweigerlich folgten darauf zwei Armeejahre, und ab 1985 arbeitete er als Designer und Künstler für einen Betrieb. Dort hielt es den ambitionierten jungen Mann zwei Jahre, bis er des Studiums an der Stroganov-Hochschule in Moskau für würdig befunden wurde. Hier erlebte er die Umbruchjahre 1987 bis 1992 unablässig malend, skulpturierend, schaffend – und das Leben umarmend. An der Haltung der Eltern änderte das nichts, auch nicht, als er Werke aus seinem Studium mit nach Hause brachte. Einmal kam eine Nachbarin auf ihn zu, sagte, sie habe da eine Skulptur im Wald gefunden, auf der stehe sein Name. „Im Wald?“, stellte er den Vater zur Rede. Der gab zurück: „Was steht das Ding auf dem Dachboden herum?!“ Sascha übereignete das Werk der Finderin. Ikonen auf dem Fenstersims
Sascha mit Birkenzweigen in der Banja: Für evangelische Pfarrhäuser ungewöhnlich.
Pfarrhaus, die Eltern trugen dafür Sorge, dass die vier Mädchen ihre Talente entfalteten. Sabine übte sich früh auf der Geige, und sie ist dem Instrument bis heute treu. Pfarrerin ist sie wider besseres Wissen geworden: Dass es in diesem Beruf kein normales Familienleben gibt, dass Pfarrer arbeiten, wenn andere frei haben und das Telefon zu Unzeiten klingelt, all das kannte sie aus Erfahrung. Und genau das lebt sie heute, als Pfarrerin in den Kirchgemeinden St. Egidien und Bernsdorf, zwischen Chemnitz und Zwickau gelegen. „Russland hat mich verändert“, erklärt sie ihren Sinneswandel. „Warum so viel Leid? Ich wollte es wissen, wo ist da Gott?“ Die Abende nach der Arbeit im Kinderheim verbrachte sie oft bei zwei Menschen, denen sie im Haushalt zur Hand ging, die sie mit Menschlichkeit, Wissen und Fragen
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umgaben. „Eigentlich sollte ich ihnen helfen, aber es war wohl umgekehrt: Sie haben mich gerettet.“ Sie sprachen viel, und besonders beeindruckt war sie von dem belesenen, spastisch gelähmten Alexander Annissimowitsch, dessen Mutter ihn mit Zähnen und Klauen vor der Heimeinweisung bewahrt hatte. Er riet der jungen Deutschen, ihre Fragen zu klären. Sie folgerte: Ich studiere Theologie. Nutzlose Kunst Dass Sascha Künstler wurde, war ihm nicht an der Wiege gesungen. Den Eltern war es wichtig, dass die drei Kinder in Haus, Hof und Garten helfen. Musik,Tanz oder Malerei waren an sich zwar nicht schlimm, aber nutzlos fürs Überleben, also neben-
Was Sascha an Sabine beeindruckte, das war, „wie sie sich für wildfremde Menschen aufopferte. Diese Seite vom Leben, dass es so etwas gibt… Ich hatte ja immer nur Sinn für mein Eigenes, da bin ich eher ein egomanischer Künstler“, sinniert Sascha, der sich seit Sabines Theologiestudium wieder für die eigenen russisch-orthodoxen Wurzeln interessiert. Sabine lächelt dazu: „Es ist schon seltsam, dass und wie uns Gott uns zusammengeführt hat, so unterschiedlich, wie wir sind.“ Es war nicht Gott, sondern ihre Eltern, die die Tochter anhielten, die Partnerwahl zu überdenken: Die vielen Kontraste. Die andere Sprache, Kultur und Konfession. Das Künstlermilieu. Sabines Eltern wollten, dass es die Tochter nicht so schwer hat. „Das hätte ganz schön langweilig werden können“, schmunzelt die evangelische Pfarrerin, in deren Küche auch ein paar Ikonen den Fenstersims schmücken. Splitter um die ganze Welt Nach dem Studium lebte Sascha seinen Traum: „Damals schien uns, dass die ganze Welt uns gehört. Alle Grenzen sind offen, Amerikaner, Russen, Franzosen – jeder kann sich ausleben. Die Wende glich einer großen Explosion, und die Splitter gingen um die ganze Welt“, erinnert er sich mit
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Altar und Talar: Sabine Prokopiev im Dienst in ihrer Kirche. DEUTSCH-RUSSISCHE BEZIEHUNGEN
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Bild Beichte, 200 x 500 cm, テ僕 auf Leinwand, 2010: Suchscheinwerfer oder Gott?
Bild Visit, 200 x 300 cm, Tusche auf Papier, 2010: Die tschuwaschische Familie in der sテ、chsischen Kテシche.
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funkelnden Augen und raumgreifenden Armbewegungen.„Die ersten Jahre“, erklärt Sabine, „ist Sascha immer ohne meine Hilfe eingereist, als Künstler.“ Er, der talentierte, energiegeladene und hochkarätig ausgebildete Maler, arbeitete zunächst jahrelang als Kopist in Berliner Galerien, suchte Wohnraum, kämpfte mit der fremden Sprache, ums finanzielle Überleben. Das war, als Sabine in Leipzig und Berlin ihrem Theologiestudium nachging. War er zurück in Russland, schrieben sie Briefe und telefonierten. „Das war richtig teuer“, denkt Sabine an das Offline-Zeitalter zurück. Als sie dann verheiratet waren, die Kinder zur Welt kamen und das Geld knapp war, verdingte er sich als Porträtmaler auf den Straßen Berlins und an den Ostsee-Strandpromenaden. „Prostitution“ nennt er das heute, mit Schalk in den Augen, „aber wir Russen beherrschen eben die Zeichentechnik.“ Damals erging es den Künstlern nicht anders als den virtuosen Musikern, Zöglinge der besten Konservatorien, die angesichts der wirtschaftlichen Not in ihrer Heimat plötzlich in deutschen Fußgängerzonen aufspielten. Und auch in der bildenden Kunst kam so viel Exzellenz aus dem Osten, dass es den Kunstmarkt überforderte. Sascha Prokopiev spürt das bis heute: „Oft erlebe ich zuerst neugierige Blicke von Ausstellungsbesuchern, aber sobald sie erfahren, dass ich aus Russland komme, lässt das Interesse nach.“ Suchscheinwerfer oder Gott? Auf zwei Aquarellen, die in der Küche hängen, hat Sascha das Holzhaus mit dem Blumengarten davor
verewigt, in dem er aufgewachsen ist. Persönliche Bilder, gegenständlich, nichts für den Kunstmarkt. Aber das Mehrschichtige, Uneindeutige, liegt ihm auch, darin geht er auf: Da ist das Schwarz-WeißBild, das die heutige Familienküche zeigt, in der in durchscheinenden Konturen seine gesamte tschuwaschische Familie versammelt ist – Vater, Mutter, Großeltern, ein Nachbar, er selbst und die Geschwister als Kinder. „Ich trage meine Familie bei mir, sie sind in meinen Gedanken hier, ein bisschen wie Geister“, fasst er die Idee für das Bild zusammen, das er „Visit“ genannt hat. Im Bild „Beichte“ steht äußerst rechts ein Mensch gegen Ende seines Lebens, der vor den Altar tritt, vom Leben abgewetzt, mit angestoßenen Ecken. Hinter ihm liegt sein Lebensweg. Lichtstrahlen vom Himmel – oder sind es Suchscheinwerfer der Polizei? Das Schmutzige abgewaschen – doch die Brühe ist nicht braun, in ihr sind alle Regenbogenfarben enthalten. „So ist es eben: Auch im Schmutzigen steckt das gelebte Leben, und das ist wertfrei und gewollt“, philosophiert der Maler. Das Bild lässt den Betrachtern Raum, sich selbst wiederzufinden:Wo stehe ich, sehe ich Suchscheinwerfer oder Gott oder etwas ganz anderes? Noch nie ein Wohnzimmer Manchmal kollidiert das Familienleben mit Saschas schöpferischer Ungeduld. Das Atelier grenzt an die Küche, in der sich das Familienleben abspielt. Ein Wohnzimmer hatten die Prokopievs noch nie. Der größte Raum gehört der Kunst. Und hinter der nächsten Zimmertür liegt das „Pastorenzimmer“,
Der Künstler, die Staffelei, der schwungvoll geführte Pinsel: Lexander Prokogh bei der Arbeit.
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in dem Sabine die Bücher für ihre Predigten wälzt. Die drei Kinder sind fast immer dabei, und das stellt die Eltern mitunter vor Herausforderungen. „Sascha ist oft hin- und hergerissen. Denn er ist wirklich ein Familienmensch. Aber er will eben auch etwas schaffen“, weiß Sabine, für deren Arbeit das nicht minder gilt. Sie hatVerantwortung, erlebt Freud und Leid im Stundentakt: Konfirmandenunterricht, Trauergespräch, Krabbelgruppe, Bauausschuss-Sitzung, Frauenkreis, die Jubilarin in ihrer Feierrunde, Reli-Stunde, Kirchenvorstandssitzung… Selten enden die Arbeitstage vor der Tagesschau. Damit Familie und Beruf sich reiben, bräuchte es nicht einmal unbedingt zwei so kreative Berufe und drei kreative Kinder. Aber es hilft ungemein. Banja mit Birkenzweigen Russisch sprechen sie jedenfalls alle. Die Kinder wechseln ganz natürlich zwischen Mutter- und Vatersprache hin und her.Auch das Reisen ins Land ihres Vaters ist den beiden Älteren vertraut, die in der fünften und zweiten Klasse sind. Sie kennen das Leben im Holzhaus aus eigenem Erleben. Wenngleich Saschas Eltern inzwischen verstorben sind, bleibt das Reisen gen Osten. Und zu Hause? Russische Anarchie oder behütete Pfarrerstöchter? Die Musikschule gehört jedenfalls dazu, soviel steht fest. Die Älteste spielt Geige beim Nachwuchs des Landesjugendorchesters, die mittlere Schwester hat sich fürs Cello entschieden. Aber im Garten, riesig, russisch in seinen Ausmaßen, im angrenzenden Wald, da gibt es fast schon so etwas wie russische Freiheit. Und, dies ganz sicher eine Rarität für protestantische Pfarrhäuser: In diesem Garten steht eine „Banja“, von Sascha selbst gezimmert, darin ein Bollerofen, der die Schwitzhütte auf über 100 Grad Celsius einheizt. Das Banja-Ritual samt seinen Birkenzweigen genießen auch die Mädchen hin und wieder. Delfine und Wellen Und malen können sie auch. In der Küche hängen ihre Werke, eingerahmt und gleichberechtigt neben denen des Vaters. Darunter eines von Mila, das vor Energie strotzt: Anatomisch korrekt gemalte Delfine springen aus Wellen, die nicht einfach nur Wellenlinien sind, sondern perspektivisch vollendete Wogen. Mila hat sie mit Buntstiften gemalt.
www.lexander-prokogh.de
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Zwischen „Großer Messe“ und Kleingruppenballett Von der Bühne ans Pult: Früher hat sie im Leipziger Ballett getanzt, heute lehrt Irina Golubeva als Ballettmeisterin. REGJO besuchte sie zur ausgelassenen Etüdenstunde. Text: Tobias Prüwer Fotografie: jost
„Und hopsa – zwei, drei, hopsa ...“ – Zehn Mädchen springen zu fröhlicher Klaviermusik durch den lichtdurchfluteten Raum. Eben standen die in Weiß und Rosé gekleideten Kleinen noch artig im Kreis und begrüßten sich gegenseitig freundlich mit Vornamen. „Dürfen wir auch tanzen?“, fragt eins der Mädchen. Irina Golubeva versichert: „Natürlich üben wir heute wieder euren Tanz.“ Und schon rufen alle im Chor: „Jaaa!“ Nun flitzt das pastellfarbene Fastdutzend unter den Instruktionen und Hinweisen der Tanz- und Ballettlehrerin im Zirkel, hebt dabei die Knie hoch, zieht die Fersen ans Gesäß und schnellt in die Höhe. „Einen Kreis, kein Ei sollt ihr laufen“, ruft die Dirigentin vom Rand her lachend. Drill sieht anders aus – hier geht’s um den Spaß. Und der ist bei allen Beteiligten offensichtlich groß. Auch Irina Golubeva hat nichts vom Klischee der gestrengen Ballettmeisterin. Der zierlichen Frau mit den roten Haaren sieht man an, dass sie selbst einmal professionell Ballett getanzt hat, wenn sie den Kindern die Einzelbewegungen der Übungen vormacht. Nicht nur auf irgendwelchen Bühnen drehte die 1969 in der sowjetischen Stadt Perm geborene Goloubeva ihre graziösen Kreise. Ihr Lebenslauf enthält die Stationen einer beachtlichen Tänzerinnenkarriere: Goloubeva war Ensemblemitglied im Russischen Nationalballett, erste Solistin am Ballett Greifswald und danach Demi-Solistin am Ballett Leipzig. Hier war sie von 1995–2007 tänzerisch tätig und hat in dieser Zeit auch unter mit der Choreografie-Koryphäe Uwe Scholz gearbeitet. „Ich habe wahnsinnig viel von Uwe gelernt“, blickt sie auf die Zusammenarbeit für Inszenierungen wie „Große Messe“, „Schwanensee“, „Bach-Kreationen“ zurück. „Das waren künstlerisch meine fruchtbarsten Jahre.Was mich an ihm am meisten faszinierte, war seine Fähigkeit, Gruppen im Raum zu führen.“ Als sich dann abzeichnete, dass sie die Strapazen einer professionellen Balletttänzerin nicht auf ewig wird weiter auf sich nehmen können, suchte Goloubeva nach einer Alternative, die mit der Kunst nicht bricht. „Meine große Liebe zum Tanz wollte ich unbedingt aufrechterhalten“, so Goloubeva, die selbst mit neun Jahren das Ballett begann. „Und die Arbeit als Lehrerin ermöglicht es mir, meine Erkenntnisse und Erfahrungen weiterzugeben.“ Also absolvierte sie eine entsprechende Ausbildung in Berlin und machte sich dann in Leipzig als Kindertanz- und Kinderballettpädagogin selbstständig. Derzeit sind es vier Kindergruppen, die sie im Ariowitsch-Haus leitet.
Mitten im Gründerzeitviertel Gohlis gelegen, hat sie den Turnsaal des Zentrums für jüdische Kultur mit einer eigenen Horizontalstange zum Ballettsaal ausgestattet. Hier gibt sie Unterricht für Kinder von vier bis zehn. Mit so jungen Menschen kreativ zu arbeiten, bereitet ihr besondere Freude: „Ich habe zwei Töchter in dem Alter, die selbst mal getanzt haben und heute Sport treiben.“ Bei den tanzenden Mädchen im Ballettsaal sieht man individuelle Unterschiede beim Taktund Körpergefühl. Um deren Erwerb, ein Gespür für die eigenen Bewegungen, geht es beim Unterricht schließlich auch. Die Tanzstunden sind ja nur eine Vorbereitung auf einen eventuellen späteren Ballettunterricht. „Das ist hier kein Hochleistungssport“, erklärt die Lehrerin. „Wir gehen sehr spielerisch vor, denn das ist das Wichtigste. Und mit einem ganz sanften Übergang kann man ab acht, neun Jahren vorsichtig mit dem klassischen Unterricht beginnen.“ Als nächsten Schritt möchte Goloubeva eine Fördergruppe für besonders Begabte einrichten. Die Mädchen stehen nun an der Stange und absolvieren hier ihre Übungen: „Fahrstuhl hoch und Fahrstuhl runter.“ Noch sieht es wacklig aus, als aber die Musik erklingt, werden in den Hochund Runterbewegungen doch kleine Ballettetüden sichtbar. Beschränken auf Kindergruppen möchte Goloubeva ihrer Lehrtätigkeit nicht. Sie interessiert das Training mit allen Menschen, denn das fällt immer anders aus, meint sie: „Jede Altersgruppe hat ihre eigene Psychologie und erfordert einen besonderen Umgang mit ihr. Ich beobachte die Entwicklungen bei Kindern genauso gern wie bei Frauen, die mit Mitte 20 anfangen.“ Und wenn Damen im Rentenalter fordern, die Lehrerin solle das Tempo erhöhen, sie seien schließlich noch nicht so alt, dann lässt sich Goloubeva auch gern überraschen. „Hinsichtlich des Tanzes ist Leipzig eine wirklich gut entwickelte Stadt.Aber ich habe festgestellt, dass es nach dem Weggang der Palucca-Schule vor einigen Jahren keine Schule für klassisch-akademisches Ballett in der Stadt gibt“, sagt Goloubeva, die einige Jahre selbst eine Gastdozentur an der Palucca-Schule innehatte. In dieser Richtung will sie weiterarbeiten. Momentan gibt sie zusätzlich zu den Kindergruppen im Ariowitsch-Haus im Tanzstudio Tendance Unterricht für Groß wie Klein und leitet eine Seniorengruppe der Leipziger Opern-Ballettschule. Künftig möchte sie sich den Traum von einem eigenen Studio erfüllen und ist derzeit auf Raumsuche.
„Und zum Schluss, unser Tanz“ – „Ja!“, ruft der spontane Kinderchor. Zuerst gehen die zehn Mädchen den Bewegungsablauf trocken durch, dann startet die Musik. „Zwei mal drei macht vier – widdewiddewitt und drei macht neune! / Ich mach’ mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt ... / Hey, Pippi Langstrumpf hollahi-hollaho-holla-hopsasa / Hey, Pippi Langstrumpf, die macht, was ihr gefällt.“ Zum Lied der flippigen Astrid-Lindgren-Heldin stemmen sich die Tänzerinnen in freche Pose, verschränken die Arme vor dem Körper, zeigen eine lange Nase. Dann springen sie los, klatschen in die Hände, hopsen um die eigene Achse. Zwei, drei Mal gehen sie ihre kleine Choreographie durch, dann lässt langsam die Konzentration der Kleinen nach. 50 ausgelassene Minuten sind vergangen. Nach einem letzten Tänzchen erfolgt die Verabschiedung im Kreis. „Tschüss Irina.“
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„Russland gilt gerade als unglaublich exotisch“ Marion Dathe unterrichtet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation den Schwerpunkt Russland. Sie gehört zum Gründungsteam des Fachbereichs, der neben der russischen derzeit auch die Zielkulturen Lateinamerika, Ostasien, Skandinavien und die angelsächsischen Länder anbietet. Als Geschäftsführerin leitet sie zudem den Verein Interculture e. V., wo Studenten ihr Uni-Wissen in die Praxis umsetzen. REGJO sprach mit ihr über Verhandlungslabore, über Russisch in deutschen Unternehmen und über die Bedeutung von Klima und riesigen Entfernungen für die Freundschaft. Text: Jana Dichelle Fotografie: Andreas Klossek
Frau Dathe, als Sie 1993 im Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation die Zielkultur Russland etablierten, stand Russisch ja gerade nicht so hoch im Kurs. Wie ist das heute?
Stimmt, anfangs kamen fast alle Studenten mit acht Jahren Schulrussisch zu uns, und mitunter konnten sie es gut. Lehrveranstaltungen haben wir auf Russisch angeboten, allerdings hatte die Sprache ein Imageproblem. Heute kommen Studenten, die Russland unheimlich toll und exotisch finden, die aber dafür die Sprache nicht beherrschen, und die sind dann eben auch nicht „mal schnell“ auf Russland vorbereitet. Auf der anderen Seite gibt es auch Studenten, die zu den etwa vier Millionen russischen Muttersprachlern zählen, die heute in Deutschland leben. Sie – wozu auch immer – eindeutig einer Kultur zuzuordnen funktioniert nicht, kann nicht funktionieren. Weil es inzwischen viele Studenten mit buntem Migrationshintergrund gibt, liegt ein Schwerpunkt unserer Ausbildung heute im Diversity Management, um sich einem sinnvollen Umgang mit kulturell unterschiedlichen Biografien anzunähern. Als die sächsische IHK ihre Mitglieder im März 2013 danach befragte, welches Land für die Zukunft ihres Unternehmens wichtig sei, nahm Russland nach den EU-Ländern mit Abstand den ersten Rang ein. Betrachten wir die vielen russischen Muttersprachler, die in Deutschland leben, auf der einen und den Russlandboom in der Wirtschaft auf der anderen Seite: Finden beide zueinander?
Man müsste eigentlich meinen, die Unternehmen im Russlandgeschäft würden sich um russische Muttersprachler reißen, aber so einfach ist es nicht. Ein Hintergrund ist, dass in Russland oft noch mit argwöhnischen Blicken bedacht wird, wer das Land verlassen hat. Da gibt es häufig den Eindruck: „Als es uns schlecht ging, haben sie uns verlassen.“ Da muss man zunächst schnuppern: Freut der sich, dass da einer Russisch
spricht, oder ist der andere eher reserviert? Ich kenne beides: Fälle, in denen russischsprachige Mitarbeiter das Russlandgeschäft in deutschen Unternehmen beflügelt haben und Fälle, in denen das gar nicht funktioniert hat. Viel Fingerspitzengefühl, viel Geschick ist hier gefragt, wie allgemein im Russlandgeschäft, und wenn es klappt, dann können die Unternehmen mit ihren russischen Partnern wirklich authentisch verhandeln und langfristig kooperieren. Was halten Sie für das Wichtigste, das Sie Ihren Studenten mitgeben?
Dass die Studenten hier, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, an Fällen arbeiten können. Fallstudien und Verhandlungstrainings gehören bei uns zum Curriculum. Das ist kein trockener, weltfremder Lehrstoff, sondern simuliert reale Situationen unter Laborbedingungen. Dabei entstehen spontan Prozesse, und hinterher ist man genauso geschafft, als hätte man „in echt“ verhandelt. Nach getaner Verhandlung folgt die Analyse: Warum passiert was, wer hat was eingebracht, wo lief etwas schief? Dazu steigen wir tief in die Anthropologie ein, bis in die Konzepte der Kulturen. Wäre nicht eine übersichtliche Liste viel praktischer, in der steht, was man in der anderen Kultur zu tun oder zu lassen hat?
Solche Listen enthalten nur Stereotype, bestenfalls Orientierungen. Zuerst muss man von den eigenen kulturellen Erwartungen abstrahieren und die tieferen Gründe verstehen, die verschiedene Verhaltensweisen in der anderen Kultur oder beim Aufeinandertreffen von Kulturen bedingen. Schließlich kann nur enttäuscht werden, wer vorher unrealistische Erwartungen hatte. Und diese Erwartungen, die ja wiederum der eigenen Kultur entstammen, gehören als erstes auf den Prüfstand. Betrachten Sie beispielsweise die viel zitierte Ellenbogenmentalität
der Russen im Alltag einerseits, aber die tiefe, wahrhaft unverbrüchliche Freundschaft, die sich mit Russen entwickeln kann, die man gut kennenlernt. Das hat Wurzeln tief in der Kultur: In der unwirtlichen russischen Weite brauchte ich von jeher Unterstützung oder sogar Freunde, ohne die ich nicht überleben konnte. Hingegen wurden Neuankömmlinge zunächst beäugt – Freund oder Feind, wer konnte das schon wissen. Und das schlägt bis in die Geschäftswelt durch: Wer Geschäfte in Russland machen will, sollte zuvor Freundschaft schließen. Nur so gelangt man in die In-Group, in der Ehrlichkeit und absolutes Vertrauen herrschen. Wer hingegen in der ruppigen Out-Group bleibt, dem gelingt auch kein Geschäft. Die riesigen Entfernungen, das extreme Klima und – in jüngerer Vergangenheit – die stalinistische Diktatur prägten und prägen noch heute den Erfahrungsschatz in Russland, so, wie die Lebensbedingungen auf der ganzen Welt die Kultur prägen. Sie selbst haben in der Sowjetunion studiert. Um ein gängiges Vorurteil zu bedienen: Durften da nicht nur die ganz Überzeugten hin?
(winkt lachend ab) Das dachten viele: In der Sowjetunion hätten nur 150-Prozentige studieren dürfen. Dabei war ich nicht einmal in der Partei. Eigentlich hatte ich Physik studieren wollen. Dass ich russische Sprache, Kultur und Literatur belegt habe, hilft mir sehr in meiner heutigen Arbeit. Tja, und jetzt bin ich schon wieder über 20 Jahre hier.
www.interculture.de
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Rektor Professor Bernd Meyer vor der Tafel, die zu Ehren des 300. Geburtstages von Michael Wassiljewitsch Lomonossow im Innenhof der TU Bergakademie Freiberg angebracht wurde. Lomonossow berichtete häufig von seiner Zeit in Freiberg und kann als Botschafter beider Länder angesehen werden.
Vom kleinen zum großen Bruder zum Freund Das künftige Lomonossow-Haus der TU Bergakademie Freiberg ehrt den Gelehrten und baut die besonderen Beziehungen zu Russland aus. Text: Frank Willberg Fotografie: Frank Willberg, TU Bergakademie Freiberg
In der Moderne geht einiges verschütt, mäkelt mancher Zeitgenosse: Die Historie würde vernachlässigt, die Gegenwart erscheine beliebig, so dass der Zukunft die solide Basis abhanden komme. Das ist in Freiberg anders – besonders an der dortigen Bergakademie. Die sieht als älteste Montanhochschule der Welt ihrem 250. Geburtstag 2015 entgegen und wird dieser Tage im November mit reichlich politischer Prominenz das LomonossowHaus eröffnen. „Das ist eine der schönsten Entwicklungen, die ich hier begleiten durfte“, strahlt Rektor Professor Bernd Meyer mit der Spätsommersonne um die Wette. Elf Apartments für etwa 20 Studenten, Doktoranden und Mitarbeiter werden im vormaligen Nachbarhaus Johann Friedrich Henckels entstehen, in dessen metallurgischem Labor Michael Wassiljewitsch Lomonossow vor über 270 Jahren studierte. Neben einer Gedächtnisstätte für den
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großen Universalgelehrten und Begründer der russischen Wissenschaft Lomonossow wird ein Gemeinschaftsraum der weiteren deutsch-russischen Wissenschaftsbegegnung einen Ort geben. Aber was verleiht dieser Beziehung ihre besondere Stärke? Und warum kam Lomonossow ausgerechnet nach Freiberg? Im Unterschied zum Silbererz, das einst mit viel Schweiß unter Tage abgebaut wurde, so bedarf es heute keiner tief schürfenden Recherche, um die Geschichte freizulegen. Sächsische Wurzeln des russischen Bergbaus „Bergbau war die Quelle des Reichtums, der modernen Waffen. Bergbau war staatstragend“, bringt es Professor Meyer auf den Punkt. Das führte 1698 Peter I. höchstpersönlich ins stolze Freiberg im Erzgebirge. Der russische Zar und spätere
Kaiser machte sich selbst ein Bild vom Bergbau, kehrte zwölf Jahre später zurück und lotste etliche sächsische Bergleute nach Russland, um dort den Bergbau nach sächsischem Vorbild zu beginnen. Ein Beleg für die ersten Schritte steckt in der russischen Sprache, in die die deutschen Begriffe „Schacht“ und „Obersteiger“ Eingang fanden. Das engeVerhältnis Freibergs und seiner Bergakademie zu Russland rührt also vom Bergbau her. 1765 war die Gründung der Bergakademie laut Professor Meyer „ein internationales Signal, die Quelle des Reichtums mit Wissen zu versehen.“ Tausend Kilometer Wissensdurst Apropos Wissen. Die Legende besagt, dass Lomonossow gegen den Willen seines Vaters tausend Kilometer zu Fuß nach Moskau lief, um an der dortigen Geistlichen Akademie ein Stu-
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Der Rektor der Moskauer Lomonossow-Universität Victor Antonovich Sadovnichii, Rektor der TU Bergakademie Freiberg Professor Bernd Meyer und der damalige MISiS-Rektor Dimitri Liwanow (heute Bildungsminister Russlands) vor der Lomonossow-Büste auf dem gleichnamigen Platz.
Bergbau-Insignien in Freiberg: Die Stadt war im 16./17. Jahrhundert als Bergbauregion der Nabel Europas. Von Reichtum und Blüte legen die Bürgerhäuser der Altstadt samt Bergakademie noch heute ein beredtes und sichtbares Zeugnis ab.
dium aufzunehmen. Über die Stationen Sankt Petersburg und Marburg, wo er den humanistischen Philosophen Christian Wolff traf, wurde er 1739 ins erzgebirgische Freiberg entsandt, um bei Henckel Mineralogie, Bergbau und Hüttenwesen zu studieren. Von Alexander Puschkin stammt das Zitat, dass Lomonossow nicht nur die erste Universität Russlands geschaffen habe, sondern er selbst eine ganze Universität gewesen sei. Katharina II. von Russland rief acht Jahre nach der Freiberger Gründung und nach deren Vorbild das Sankt Petersburger Bergbauinstitut ins Leben. Und Lomonossow war es wie gesagt vorbehalten, in Moskau die erste russische Universität zu gründen, die bis heute seinen Namen trägt. Auch löste Russisch dank ihm Deutsch als Wissenschaftssprache in Russland ab und machte die Emanzipation komplett. Zu beiden Hochschulen pflegt die Freiberger Bergakademie, seit 1899 selbst im Rang einer Hochschule, intensive Beziehungen. Daraus wurde die Idee des Lomonossow-Hauses geboren.
Nicht allein im stillen Kämmerlein Wissenschaft ist ohne einen Austausch undenkbar. Aber Lippenbekenntnisse und etwaige unterzeichnete Verträge müssen stets mit Leben erfüllt werden, so wie zwischen Freiberg und Russland. Nach Lomonossow drängten bis zum Ersten Weltkrieg zum Teil mehr russische Studenten an die Bergakademie als deutsche. Erst 1933 verließ der letzte Freiberg. Und heute? „Die Kontakte sind wieder so intensiv wie vor der Wende“, schätzt Professor Meyer. „Unsere Professoren bekleiden hervorgehobene Positionen in Russland, bauen in Moskau eine neue Bergbau-Fakultät auf.“ Dazu kämen gemeinsame Bücherpublikationen sowie der jährliche Austausch von Studenten zu Feldpraktika und Kolloquien. Zusammenarbeit heißt Freundschaft Das Lomonossow-Haus in der Fischerstraße 39/41 wird der Kooperation neuen Auftrieb verleihen, wie es die Rektoren des Staatlichen Bergbauinsti-
tuts Sankt Petersburg Vladimir Litvinenko und der Freiberger Bergakademie Professor Meyer Anfang 2012 besprachen: „Der Plan an sich bestand bereits im Rektorat meines Vorgängers und reifte etwa zehn Jahre.“ Zur Blüte gelangte er dank der sich entwickelnden persönlichen Freundschaft zwischen den beiden Rektoren sowie der Familie Engel, die das vormalige Wohnhaus Schenckels für die Bergakademie von Grund auf neu aufbauen. Aber „Partnerschaft mit Russland heißt Freundschaft“, betont Professor Meyer. Und so erhielt er 950.000 Euro für die Sanierung und zudem völlig freie Hand. Ein Geschenk für den fortgesetzten Austausch und die gleichberechtigte Kooperation auf dem Gebiet der nachhaltigen Ressourcensicherheit. Die Bergakademie verpflichtet sich im Gegenzug, das Lomonossow-Haus mit Leben zu füllen und die nächsten 20 Jahre zu betreiben. Na dann, Glück auf! tu-freiberg.de
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BUCHEMPFEHLUNGEN
Bei Lichte besehen © VG Bildkunst, Joscha Steffens
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Diese Bilder aus der Kunstakademie in St. Petersburg entstammen der Reihe „Akademie Studien“ von Joscha Steffens.
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Dresden auf Kyrillisch In Prag findet man sie, in Karlsbad auch, und in Dresden sind sie im Kommen: Die Werbetafeln und Ausschilderungen in kyrillischen Buchstaben. Denn die Kurve, die
Anstieg um 17 Prozent Von Januar bis August 2013 wurden 31.329 Übernachtungen russischer Gäste gezählt – was einem satten Plus von 17,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Damit stellt Russland nun die fünftstärkste Gruppe der Auslandstouristen, im Vorjahreszeitraum lag das Land noch auf Rang sieben der Gästehitliste. Die Dresden Marketing GmbH hat eine „Arbeitsgemeinschaft Russland“ gegründet, in der sich Interessenten der Stadt zusammenfinden, und legt russischsprachige Publikationen vor, darunter ein Stadtführer, eine Hochglanzbroschüre und im Internet unter www. dresden-tourist.ru.
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Beliebt bei den Gästen sind die Museen der Staatlichen Kunstsammlungen, vor allem die Galerie Alte Meister mit der Sixtinischen Madonna. Hier wie auch im Hygienemuseum gibt es auf dem Audioguide einen Knopf für Russisch. Auch das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in der Albertstadt, das nach Plänen des Stararchitekten Daniel Libeskind umgebaut wurde, zieht die Besucher an. Russischsprachige Führungen gibt es immer samstags in der Semperoper und auf Anfrage in der Gläsernen Manufaktur. Die historische Stadtrundfahrt zu 22 Monumenten in Dresden führt russische Audioguides mit. Gästeführungen sind bei www.erleben-sie-dresden.de oder www. dresden-tours-russia.jimdo.com zu haben. Musikalisch interessierte Gäste finden sich 2013 im Jahresthema „Dresden. Ganz große Oper“ wieder, wobei das Wagner-Jubiläum im Mittelpunkt steht. „Tanz und Leidenschaft“ ist das Thema 2014, und auch der Semper-Opernball, der 2014 am 7. Februar stattfinden wird, ist als Glamourevent beliebt (www.semperopernball.de). Der Handel stellt sich ebenfalls auf die russischsprachige Klientel ein – vor allem mit Luxus-
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„Dresden trifft mit der besonderen Mischung aus Kultur, Geschichte, Einkaufsmöglichkeiten und der Schönheit der Stadt genau den Geschmack der russischen Besucher. Hinzu kommen die Direktfluganbindungen von Russland nach Dresden, die das Reiseaufkommen aus Russland zusätzlich befördern. Unsere Partner und wir freuen uns über das große Interesse, heißen jeden Gast aus Russland herzlich willkommen“, so Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Dresden Marketing GmbH.
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Entwicklung Ankünfte und Übernachtungen aus Russland
anzeigt, wie viele Besucher sich aus Russland ins Elbflorenz aufgemacht haben,
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waren wie Automobile, Uhren, Porzellan oder Innenausbau, viele Händler mit den Produktionsstätten direkt vor Ort. Für den Besucheransturm, der angesichts der langen Weihnachtsferien zu erwarten ist, bietet die Altmarktgalerie im Januar das Jolkafest. Russischsprachige Servicekräfte und Ausschilderungen gehören in vielen Geschäften, Hotels und Gaststätten dazu. Eine Besonderheit: Das Taschenbergpalais Kempinski wartet als einziges deutsches Hotel mit einer eigenen russischorthodoxen Kirche auf www.dresden.de/tourismus
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Zu Besuch im „Barocken Universum“: Irina Antonowa während der Besichtigung von Schloss Friedenstein.
Dialog von Schatzkammer zu Schatzkammer Thüringen hat die fulminante Wiedereröffnung des Herzoglichen Museums Gotha gefeiert. Dabei war die Präsidentin des Moskauer Puschkin-Museums für bildende Künste, Irina Antonowa. Weitere Kontakte und Kooperationen sollen folgen. Text: Andreas Klossek Fotografie: Andreas Klossek und Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Früher hätte wohl er allein im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Schließlich hat er diesen Prachtbau 1879 einst in die Welt gesetzt. Doch Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha ruht im oktagonalen Kuppelsaal des Herzoglichen Museums ganz in sich, über zwei Meter groß, fast 15 Zentner schwer, in Bronze gegossen und mit Würde tragend, das ihm an diesem Oktobersamstag nur geteilte Aufmerksamkeit zuteil wird.Teilen muss er sie an diesem für Gotha denkwürdigen 19. Oktober mit einem weit gereisten Ehrengast – Irina Antonowa, bis Mitte 2013 Direktorin, heute Präsidentin des Puschkin-Museums für bildende Künste in Moskau. Seit 1961 steht die 91-jährige „Grande Dame der russischen Museumswelt“ einer der ersten Kunstadressen Russlands und der Welt vor, gesegnet etwa mit einer der größten Impressionistensammlungen der Welt. Gekommen ist sie in die kleine thüringische Residenzstadt zur Neueröffnung des größten Kunstmuseum Thüringens, das fortan als Eingangstor zum „Barocken Univer-
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sum Gotha“ fungiert, in Sichtweite des imposanten frühbarocken Schlosses Friedenstein, das unter seinem Dach und dem der gleichnamigen Stiftung in drei weiteren Museen einzigartige Schätze aus Natur, Kunst und Geschichte präsentiert. Kunst in aller Vielfalt zu erleben Nach elf Millionen schwerer Sanierung hat das Herzogliche Museum auf 2.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche all die Preziosen wieder in sich aufgenommen, die das Herzoghaus in mehr als dreieinhalb Jahrhunderten zusammengetragen hat. Eine der ältesten Ägyptischen Sammlungen Europas, Statuen des weltberühmten französischen Bildhauers Jean-Antoine Houdon, exklusive japanische Lackkunst, edles Meißener Porzellan, exquisite Fächer und allen voran Meisterwerke deutscher und niederländischer Malerei, darunter Gemälde beider Cranachs, von Tischbein, Caspar David Friedrich und Paul Rubens.
Doch es ist mehr nur als eine Neueröffnung, es ist auch eine Lücke geschlossen worden, die der Zweite Weltkrieg in der Geschichte des Hauses hinterlassen hatte. In Kompensation für die von Deutschland zerstörten oder geraubten russischen Kunstwerke wurde im Frühjahr 1946 zunächst das Gros der Gothaer Kunstsammlungen in die Sowjetunion verbracht, auch Teile der Gemäldesammlung, von der sich Werke bis heute in Russland, darunter im Moskauer „Puschkin“, befinden. Bedeutung der Sammlung wieder sichtbar Der überwiegende Teil der Gothaer Schätze kehrte in den späten 1950er Jahren indes zurück, auch 62 Meisterwerke der Malerei. Doch das repräsentative, eigens für sie errichtete Neorenaissancegebäude wurde inzwischen als Naturkundemuseum genutzt, das benachbarte Schloss bot stattdessen behelfsweise über Jahrzehnte Obdach. Erst jetzt, nach fast 70 Jahren, verbreiten sie in den Ober-
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Oben: Gothas neue Schatzkammer: Das neu eröffnete Herzogliche Museum von Süden unten links: Besucheransturm am Eröffnungswochenende: 12.000 Gothaer und Gäste nahmen an den ersten beiden Tagen das neue Kunstmuseum begeistert wieder in Besitz. Unten rechts: Gelebter deutsch-russischer Museumsdialog: Stiftungsdirektor Martin Eberle, die Präsidentin des Moskauer Puschkin-Museums, Irina Antonowa, und Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (v.l.n.r.)
lichtsälen des Herzoglichen Museums wieder ihren alten Glanz, vor allem die Spitzenwerke aus dem 23 Gemälde umfassenden Cranach-Bestand und der wohl kostbarste Kunstschatz der Sammlung: das „Gothaer Liebespaar“ eines unbekannten Meisters vom Ende des 15. Jahrhunderts. Nach Einschätzung von Stiftungsdirektor Prof. Dr. Martin Eberle eröffnet die Neupräsentation für die Gothaer Sammlungen nun auch wieder die Chance, an ihren früheren, weltweiten Ruf als eine der ältesten und bedeutendsten deutschen Kunstsammlungen anzuknüpfen. An Verlust und Rückgabe von Kunstschätzen erinnert Dafür sei auch den Russen zu danken. „Mit der Rückgabe von Kunstwerken von Weltrang gab das russische Volk den Gothaern damals wieder die Kulturalität, den Stolz und das Selbstbewusstsein wieder“, so Antonova. Auch wenn über die Zukunft der bis heute in russischen Sammlungen verbliebenen Kunstwerke zwischen den Menschen
und der Politik beider Länder bis heute unterschiedliche Auffassungen bestünden, „sollten wir uns in Deutschland daran erinnern, wie viel Leid dem russischenVolk durch Plünderungen und Zerstörungen von Kunstschätzen während des Zweiten Weltkriegs zugefügt worden ist.“ Für die Präsidentin des Puschkin-Museums sind die Ruinen russischer Kulturstätten noch eigene Erfahrung. Sie sprach aber auch die Gothaer Verluste an, zeigte sich für einen Dialog zwischen beiden Museen aufgeschlossen und von den Friedenstein’schen Sammlungen und dem Ambiente des gesamten Schlosskomplexes beeindruckt: „Das neue Herzogliche Museum ist ein besonderes Ereignis nicht nur für Gotha, sondern für ganz Deutschland, die gesamte Stadt eine große Schatzkammer“, sagte sie. Museumsdialog soll ausgebaut werden Gerade diesen Eindruck wertet Stiftungsdirektor Martin Eberle als wichtigen Schritt in der seit zwei Jahren intensivierten Kooperation zwischen beiden Museen, habe man doch zeigen können, über
welche hervorragende Sammlungen und Bauten man im aus Moskauer Perspektive kleinen Städtchen Gotha verfüge. „Ich denke, wir haben diesen Test gut bestanden“, sagte er. Nachdem auf Arbeitsebene bereits Experten der Archäologischen, der Gemälde- und der Münzsammlungen in Austausch miteinander stehen, gibt es inzwischen auch erste Überlegungen zu wechselseitigen Ausstellungsprojekten. So besteht u.a. Interesse an Werken, die die Besonderheiten der Bestände des jeweils anderen spiegeln: die Sammlung von Cranach-Gemälden auf Gothaer, französische Malerei auf Moskauer Seite. Die Möglichkeit, den deutsch-russischen Museumsdialog zu vertiefen, besteht vielleicht schon Anfang nächsten Jahres: Dann könnte nach der Präsidentin auch die neue Direktorin des Puschkin-Museum, Marina Loschak, dem barocken Universum Gotha, dem bronzenen Museumsgründer Herzog Ernst II., vor allem aber den heutigen Sachwaltern der Gothaer Kunstschätze ihre Aufwartung machen. www.stiftungfriedenstein.de
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„Mehr Russisch in die Schulen“ Beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut in Dresden hat sich das erste Russische Zentrum angesiedelt – das Pendant zum Goetheinstitut. Ein Interview mit Wolfgang Schälike, Vorstandsvorsitzender des Vereins, über Dostojewskijs Wirkung auf den Landtag, über die Utopie von bilingualen Kindergärten und das gegenseitige Sprachenlernen. Text: Zita Pataki und Jan Heinrich Fotografie: DRKI Dresden
Das Deutsch-Russische Kulturinstitut besteht seit 20 Jahren. Was stand am Anfang?
Der Leseclub. Nach der Wende waren sowjetische Zeitschriften teuer geworden; vor allem binationale Familien waren dankbar für Presseerzeugnisse, die wir besorgt haben – gemeinsam mit der Gesellschaft Sachsen-Osteuropa e.V. und dem Stab der russischen Armee, über den wir auch russisches Fernsehen empfangen konnten. 1992 zogen wir in das denkmalgeschützte ehemalige Armeewohnheim, das wir selbst renoviert haben. Aus dem Dresdner Haus der DSF (Gesellschaft für DeutschSowjetische Freundschaft, in der DDR eine Massenorganisation – d. Red.) konnten wir Inventar übernehmen, darunter ein Klavier.Ab 1993 holten wir Literaten zu Vorträgen nach Dresden – darunter Tschingis Aitmatow, Jewgenij Jewtuschenko, Bulat Okudshawa und Anatolij Pristawkin. Und in diesem Jahr ist der Verein nun 20 Jahre alt. Mit Lesungen, Ausstellungen, Filmen, Theaterstücken und politischen Gesprächen bildet der Kulturdialog jetzt den Mittelpunkt unserer Arbeit. Besonders haben Sie sich ja Dostojewskij verschrieben…
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…ja, denn er lebte hier in Dresden am längsten außerhalb Russlands, und wir sind besonders stolz auf das Dostojewski-Symposium von 1996, das wir anlässlich seines 175. Geburtstags einberufen hatten, zu dem 100 führende Slawisten und Experten anreisten. Damals entstand die Idee für ein Dostojewski-Denkmal, das zehn Jahre später, im Jahr 2006, Realität werden sollte. Das Denkmal steht heute am Elbufer, und der Dichter richtet den Blick gen Landtag. Ein schönes und anregendes Bild: Die Abgeordneten können sich am Anblick Dostojewskijs erfreuen, der Dichter kann über den Blickkontakt aber auch gleichsam in ihr Gewissen vordringen. Auch unsere Dostojewskij-Bibliothek führt den Dichter im Namen; mit über 20.000 Medien ist sie eine der größten öffentlichen russischsprachigen Bibliotheken in Deutschland. Wer unterstützt Ihre Arbeit?
Vom Dresdner Kulturamt kommt eine kleine Förderung – das ist selten für Vereine, die dem deutschrussischen Kulturdialog dienen, eine Auszeichnung für uns. Daneben gibt es Projektmittel – beim Dostojewskij-Symposium beispielsweise vom Auswärtigen Amt und der Bertelsmann-Stiftung.
Beim Denkmal wiederum war die VerbundnetzGas AG Hauptsponsor. Das Europareferat der Stadt unterstützt Projekte der Städtepartnerschaft. Das geht bis zum Bäcker, der uns die Brötchen fürs Buffet spendiert. Kommt auch Unterstützung aus Russland?
Ja, Russland hat begonnen, seine nationale Kultur und Sprache im Ausland zu fördern, und die Moskauer Stiftung „Russkiy Mir“, zu Deutsch „Russische Welt“, ist seit 2009 fester Kooperationspartner. Sie hat in unserem Verein das erste russische Zentrum im deutschsprachigen Kulturraum angesiedelt. Mit dieser Hilfe finanzieren wir auch eine Fachkraft für russische Sprache.Von so einer Verbindung hätten wir bei der Vereinsgründung nicht zu träumen gewagt. Gibt es noch andere Partner in Russland?
Jede Menge. Wir tauschen uns aus mit Stiftungen, Instituten, arbeiten mit Verlagen, aber auch Stadtverwaltungen, besonders mit der Dresdner Partnerstadt St. Petersburg. Von der Zusammenarbeit mit Kaliningrad zeugt unsere Wanderausstellung
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Vorn: Wolfgang Schälike, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Kulturinstituts. Hinten links: DRKI-Gebäude. Rechts: Dostojewski auf dem Sockel.
Preußen und Russland in den Napoleonischen Kriegen. Wir pflegen Beziehungen nach Moskau, Nowosibirsk und Wladiwostok. In den Provinzstädten ist es meist leichter, Projekte anzugehen, weil es dort weniger bürokratisch zugeht. Widmet sich der Verein selbst der Forschung?
Ja, wir suchen beispielsweise nach alten und neuen russischen Spuren in Dresden, die wir auf Plakaten, in Broschüren und Filmen dokumentieren. Wir engagieren uns für die Vermittlung von Russisch in der Schule, etwa bei der Konferenz zu Perspektiven und Potenzialen des Russischunterrichts, die wir zum 11. Deutschen Slawistentag 2012 an der TU Dresden ausgerichtet haben. Dabei entstand ein Sammelband, dem ein neuer Lehrfilm in Deutsch und Russisch beiliegt. Sie begegnen also dem Niedergang des Russischunterrichts an Schulen in Deutschland?
Ja, wir wollen, dass Russisch in Dresden und in Sachsen als eine der Weltsprachen wieder mehr Gewicht bekommt. Wir fördern die Zweispra-
chigkeit bei Kindern mit russischsprachigem Migrationshintergrund. Ich hoffe: Die Zweisprachigkeit in Schulen und Kindergärten ist eine Vision, keine Utopie. Heute schon bieten wir Russischkurse und Projektstunden für Schüler an, und wir bilden Lehrer fort. Warum ist das eigene und das gegenseitige Sprachenlernen aus Ihrer Sicht so wichtig?
Europa und Russland bilden eine kulturelle Einheit. Sehen Sie die russischen Einwanderer: Da gibt es kein Integrationsproblem, denn sie sind europäisch geprägt. Europa hat Russland in der Geschichte stark beeinflusst, aber wenn Sie an das Ballett, die Musiker, Dichter und bildenden Künstler denken, dann ist auch Russlands Einfluss auf Europa nicht wegzudenken. Die Russen sind nach wie vor kulturell sehr interessiert, doch die „McDonaldisierung“ der Kultur ist auch dort eine Gefahr. Diesen Begriff hat übrigens der Lyriker Jewgenij Jewtuschenko geprägt, unser Gast und Freund, der gerade 80 Jahre alt wurde. Was schätzen Sie an der russischen Mentalität?
Improvisation ist eine große Stärke der Russen,
und auch, vieles nicht so verbissen zu nehmen. Und die Russen sind weltoffener, interessierter an Deutschland als die Deutschen an Russland. vom Moskauer Bildhauer Alexander Rukawischnikow geschaffene Denkmal Dostojewskijs feierlich enthüllt. Die Festreden hielten die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Angela Merkel, der Staatspräsident der Russischen Föderation Wladimir Putin und der Schirmherr des Projektes, der damalige Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Georg Milbradt.
www.drki.de
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Wagner in Leipzig und Kaliningrad Einst weilte Wagner im heutigen Kaliningrad. Der Leipziger Richard-Wagner-Verband pflegt eine besondere Brücke in die russische Stadt, in der heute wieder Wagner-Werke erklingen. Text: Zita Pataki Fotografie: Richard-Wagner-Verband Leipzig
Richard Wagner hielt sich in der Stadt an der Pregel 1836/37 um die elf Monate auf. Sein Aufenthalt war weder geplant noch – ebenso wie seine dort verfasste Komposition „Rule Britannia“ – von Erfolg gekrönt. Auf der Flucht vor Magdeburger Gläubigern folgte der Leipziger Komponist damals seiner Liaison, der Schauspielerin Minna Planer, die er 1834 in Bad Lauchstädt kennen gelernt hatte. Planer hatte hier eine Anstellung am Theater gefunden und das Paar mietete – der finanziellen Lage geschuldet – eine kleine, schlecht beheizbare Wohnung am Steindamm. Minna kehrt Wagner den Rücken Trotz oder gerade wegen häufiger Streitigkeiten (und Angst vor einem Ende der Beziehung) beschlossen beide, am 24. November 1836 in der Tragheimer Kirche zu heiraten.Wagner hatte tags zuvor noch am Stadttheater in einer fulminanten Aufführung Aubers „Die Stumme von Portici“ dirigiert. Das Glück der Eheleute stellte sich nicht ein, obgleich Richard am 1. April endlich die ersehnte Anstellung am Stadttheater erhielt.
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Thomas Krakow, Vorsitzender des Leipziger Richard-Wagner-Verbands, kennt die Hintergründe: „Nach nur vier Wochen schloss das Theater wegen Zahlungsunfähigkeit; Richard Wagner verlor nicht nur die Arbeit, sondern auch die Frau. Minna kehrte, entnervt und der ständigen Geldsorgen leid, ihm und der Stadt den Rücken und ging zurück nach Sachsen. Im bühnenreifen Leben Richard Wagners hatte sich wieder einmal hinter einem Akt der Vorhang geschlossen.“ Von Gastfreundschaft überwältigt Auf diesen Spuren reiste der Leipziger RichardWagner-Verband 2013 zum dritten Mal nach Kaliningrad. Bereits die erste Reise im Jahr 2010 hatte Krakows Erwartungen übertroffen: „Das Sinfonieorchester des Mitteldeutschen Rundfunks ließ während der Kulturbrücke Kaliningrad das Vorspiel zum 3. Aufzug des Lohengrin im wieder aufgebauten Dom erklingen, und das wurde im Fernsehen übertragen. Die Gastfreundschaft der Russen war sprichwörtlich.“
Im Gespräch mit dem Wiederaufbauleiter und heutigen Direktor des Doms, Igor Odinzow, erinnerte Krakow an den 175. Hochzeitstag Richard und Minna Wagners. Im September 2011 reiste er abermals mit vierzig Leipzigern nach Kaliningrad, um eine Bronzetafel zur Erinnerung an den Aufenthalt Wagners im Dom zu enthüllen. Das Beste an der Reise kam zum Schluss: „Igor Odinzow verkündete die jährliche Abhaltung eines Wagnerkonzerts im September.“ Und so erlebten die Leipziger Gäste bei ihrer dritten Reise im September 2013 die Hallenarie im wiedererstandenen Dom. Bei dieser Gelegenheit verlieh Thomas Krakow dem Kaliningrader Dombaumeister die Ehrenmitgliedschaft im Richard-Wagner-Verband Leipzig – vor der Gedenktafel für Richard Wagner.
www.wagner-verband-leipzig.de
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Die Geschichte eines Aufrechten Sergej Lochthofens Vater durchlebte Stalins Gulags. Der Sohn schreibt in seinem Buch „Schwarzes Eis“ gegen das Vergessen an. Text: Jana Dichelle Fotos: Joscha Steffens
Wer Sergej Lochthofens Buch liest, dem bleibt ein Wechselbad der Gefühle nicht erspart. Die Geschichte seines Vaters Lorenz Lochthofen, die Sachbuch werden sollte, aber dann doch Roman wurde, ist aufwühlend: Ein Schlosser, Kommunist aus dem Ruhrgebiet, der vor den aufstrebenden Nazis 1930 ins Moskauer Exil flieht, dort studiert, als Kulturredakteur in einer wolgadeutschen Zeitung arbeitet – und 1937 von Stalins Schergen während der berüchtigten „Säuberungen“ eingesperrt wird. Es folgen eine 22 Jahre währende Verschleppung durch NKWD-Gefängnisse und Lager, es ist die Geschichte von Verbannung, vom allgegenwärtigen Tod – und vom wieder und wieder um Haaresbreite geglückten Entrinnen.
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1958 kehrte er mit seiner Frau und den beiden in der arktischen Lagerregion Workuta geborenen Söhnen zurück nach Deutschland, in den Osten – denn Lorenz Lochthofen hatte auf dieser unfreiwilligen Odyssee wohl Stalin zu hassen gelernt, jedoch seine Ideale nicht eingebüßt. Von nun an spielt die Geschichte im Thüringischen, Lorenz Lochthofen stieg rasant auf, wiederum vom einfachen Schlosser zum Werkleiter des Büromaschinenwerks Sömmerda und zum ZK-Mitglied. Dort blieb er der einzige „Ehemalige“, der den Gulag durchlitten hatte, und er blieb, den Schilderungen des Sohnes nach, ein Aufrechter. 1967, keine zehn Jahre nach der Einreise aus der Sowjetunion, war er gesundheitlich so angeschlagen, dass er sich aus
dem öffentlichen Leben zurückzog. Er starb im September 1989. „Es kann jeden treffen“ Wer Sergej Lochthofen trifft, ahnt, was den Vater – neben dem schieren Glück – durch die menschenfeindlichen Lebensphasen gebracht haben mag: Der ehemalige Chefredakteur der Thüringer Allgemeine fällt auf durch seine aufrechte Haltung. Und die bleibt auch beim Sohn kein rein körperliches Merkmal: Er büßte seinen Chefredakteursposten ein, weil er seine Ideale vom Zeitungsmachen nicht zugunsten der Verlagsraison verraten wollte. Ob er manchmal das Gefühl hat, dass sich
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die Geschichte – wenn auch aus ganz anderen Gründen – wiederholt, wenn es in zwei Generationen zwei ehemalige Chefredakteure gibt? „Es ist noch heute so, dass Menschen Menschen vernichten können, dass man aus der Bahn geworfen werden kann. Es ist eine Tatsache: Den Kapitalismus gibt es wirklich, und er kann jeden einzelnen treffen“, sagt Sergej Lochthofen, der einst für seine Zeitung gelebt hat und jetzt als „der Publizist“ weiterhin gerne von Journalisten angerufen wird, um „die Stimme des Ostens“ zu geben. Doch ohne seinen, wie er es selbst nennt, „schwungvollen Abgang“ aus dem Chefsessel der TA wäre wohl „Schwarzes Eis“ nicht, oder noch nicht, in die Welt gekommen: „Notizen hatte ich mir schon als Jugendlicher gemacht. Mein Vater war ja auch Journalist, und ihm war schon klar, dass er da eine Geschichte hatte, die des Erzählens wert war.“ Die Notizen sammelte der Sohn in den 60er und 70er Jahren auf Packpapier, das er zwischen russischen Zeitschriften vor der Stasi sicher wähnte. Was aus heutiger Sicht fast schon paranoid wirkt, war laut Lochthofen eine wohl begründete Vorsichtsmaßnahme: „Es gab ja Fälle, in denen schon das Sammeln von Informationen für die Akteure verhängnisvoll sein konnte.“ Junges Publikum in Russland Das Packpapier hat sich zu einem Wälzer gemausert. „Wenn ich das Buch heute sehe, denke ich manchmal: Was, ich soll das geschrieben haben? Da schreibt man und schreibt und schreibt, und
am Ende liegt da so ein dicker Band… Mein Vater konnte es nicht aufschreiben, er befürchtete, nur missverstanden zu werden.“ Inzwischen ist das Buch, das Bestsellerstatus erlangt hat und auf den einschlägigen Webseiten mit fünf Sternen gehandelt wird, weit gereist – und zwar zu den Urgründen seiner Existenz: Im Sommer 2013 flog es mit seinemVerfasser auf Einladung des Goetheinstituts und im Rahmen des deutsch-russischen Freundschaftsjahres nach Sibirien. Krasnojarsk, Tomsk, Nowosibirsk, Omsk waren die Stationen, und die Ortsnamen hallen in der Familiengeschichte wider: Sergej Lochthofens Großvater mütterlicherseits, dessen Verschleppung durch Stalins Lager ebenfalls in Workuta endete, hatte an all diesen Orten unfreiwillig Station gemacht. Der Enkel las vor jungem Publikum, das sich zahlreich in den Bibliotheken und Schulen zur Lesung eingefunden hatte. „Viel jüngere Menschen als hier“, sinniert Sergej Lochthofen, „in Deutschland sind es meist die Älteren, die Antworten suchen auf ihre Fragen. In Russland dagegen kamen mehr die deutschaffinen Jugendlichen.“ „Stalin war ein Großer“ Und es kam ein Radiosender, der den russischsprechenden Deutschen in eine Live-Show einlud, um ihn Hörerfragen beantworten zu lassen. Die Sendung erreicht ihren Höhepunkt, als eine Hörerin den Gast zur Rede stellt:Wie er dazu käme, Stalin so schlecht zu machen? Schließlich habe er den Krieg gegen die Deutschen gewonnen! Woraufhin
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Lochthofen der Hörerschaft ins Gewissen redet: „Ein kranker Diktator bringt Millionen von Euch um, und ihr seid ihm auch noch dankbar? Und war es nicht Stalin, der vor Kriegsbeginn alle Generäle ermorden ließ? Umgekehrt ist es, Stalin hat Russland Millionen zusätzlicher Opfer gekostet.“ Der Studiogast nahm die eisige Atmosphäre in Kauf, die daraufhin im Raum herrscht. Die Moderatorin gibt ihm mit auf den Weg: „Mich haben Sie nicht überzeugt. Stalin war ein Großer.“ Kaschierte Flecken Es klingt wie der Epilog auf das Buch, ein Plädoyer wider das Vergessen, wider das Übertünchen der hässlichen Flecken. „Oft haben mich bei Lesungen Zuhörer angesprochen, deren Väter oder Mütter oder Großeltern auch durch diese Hölle gegangen sind, und die es bereuen, nichts davon aufgeschrieben zu haben.“ Für Sergej Lochthofen selbst hat das Aufschreiben inzwischen die Epoche gewechselt. Jetzt befragt er Zeitzeugen, wie das eigentlich war in den 70er Jahren mit der Biermann-Ausbürgerung, damals, als er selbst in Leipzig studiert hat. Und obwohl das nicht so lange her ist, muss er – ein wenig ungeduldig – feststellen: Erleben ist nicht gleich Erinnern, lebendige Erinnerung kann er nicht von allen erwarten. Denn manch einer hat die dunklen Flecken längst gelöscht.
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BUCHEMPFEHLUNGEN KULTUR
Leseprobe Der Kosake lehnte sich weit aus dem Sattel und schlug die Pika in das Tor. Von der Wucht der Lanze flog es auf und gab den Weg frei für die beiden Reiter. Eines der Pferde wollte nicht gehorchen, es musste mit einem Peitschenhieb auf den Hof gezwungen werden. Während sein Reiter das Tier zu beruhigen suchte, winkte der andere die Tagelöhner heran, die um einen schmutzigen Karren versammelt auf der Straße warteten. Die Männer schleppten Eimer voller Kalk am Haus und seinen Bewohnern vorbei in den Garten zur Jauchengrube. Sie verstreuten die weißgelben Klumpen und machten sich eilig davon. Pawel schaute den Reitern nach, deren Silhouetten sich scharf gegen den Abendhimmel über der Steppe abzeichneten. Die Fähnchen an den Spitzen ihrer Lanzen wehten im Wind. 1892 war das Jahr der großen Choleraepidemie in Jusowka. Der Kalk, den die Kosaken brachten, sollte die Seuche im Kohlerevier am Don eindämmen. Das ist die älteste Erinnerung unserer Familie, die ich kenne. Mit meinem Großvater, Pawel Alexandrowitsch Alförow hatte ich am Abend in der Kate auf der Krim einen Kessel Tee getrunken, während wir nach den ersten Bildern seiner Kindheit suchten.Wir kramten in den Geschichten seines Lebens und kamen von seiner Geburt 1890 unter dem Zaren zu Lenin und Trotzki, denen er in den Wirren des Bürgerkrieges als Revolutionskommissar begegnete.Wir sprachen über Stalin, der ihn für mehr als dreißig Jahre in Straflager sperren ließ. Seine Erlebnisse sind Teil der Erinnerung unserer Familie, die über drei Generationen hinweg mit deutscher und russischer Geschichte verflochten ist. Neben dem Leben meines Großvaters sind es vor allem die Erzählungen meinesVaters, Lorenz
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Lochthofen, die für uns Nachgeborene prägend waren. Von ihm handeln die folgenden Seiten ganz maßgeblich. Seine Geschichte beansprucht dabei keineswegs exemplarische Aussagekraft für die unzähligen Schicksale im Wüten der Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie ist vielmehr ein individuelles Exempel für die Launen, denen so viele Leben zwischen Grauen und Davonkommen in einer heute unwirklich fern erscheinenden Zeit ausgesetzt waren. Lorenz Lochthofen floh Anfang der dreißiger Jahre nach einem Zusammenstoß mit der SA aus dem Ruhrgebiet nach Moskau. Er wurde vom berüchtigten Vorläufer des KGB, dem NKWD, verhaftet und kehrte nach Jahren in den Lagern der russischen Arktis als einer der wenigen Überlebenden des Gulag in den sozialistischen Teil Deutschlands zurück. In der DDR des Kalten Krieges blieb er trotz einigen Erfolges als Wirtschaftsführer Zeit seines Lebens ein „Ehemaliger“. Beargwöhnt, weil er die Arbeitslager der „Eigenen“ überlebt hatte. Verdächtigt bis nach dem Tod. Den Zeiten misstrauend, in denen allein schon das „Sammeln von Nachrichten“ Menschen hinter Gitter brachte, hielt ich meine Gespräche mitVater und Großvater auf unscheinbaren Zetteln, auf Packpapier fest und verbarg die Texte in einem Stapel der Literaturzeitschrift „Nowy Mir“. Darauf hoffend, dass sich kein Stasimitarbeiter die Mühe machen würde, die „Russenhefte“ zu durchwühlen, halfen mir diese Notizen Jahrzehnte später, Ereignisse und Gespräche zu rekonstruieren und Lücken durch Recherchen zu schließen. Dieses Buch, wiewohl den Fakten der Zeitläufte verpflichtet, lebt in jeder Zeile vor allem anderen vom Talent meines Vaters, packend zu erzählen. Ein Talent, das neben dem schieren
Glück im großen Unglück einer Odyssee der Gefangenschaft mindestens so wichtig war, wie die Fähigkeit, mit eigenen Händen für ein Überleben unter unmenschlichen Bedingungen zu sorgen. Die Überlieferungen meines Vaters und meines Großvaters sind ergänzt um mein eigenes Erleben einer Kindheit in Workuta. Ich kenne das Heulen des Schneesturms um die Lagerzäune und erinnere mich an das Krachen des schmelzenden Eises im kurzen Frühling. Beim Schreiben konnte ich mich neben der Kenntnis der Orte auch auf das Zeugnis handelnder Personen stützen, die mir seit meiner Kindheit vertraut sind. Freunde meines Vaters, die sich lange beharrlich weigerten, vom „Aufbau des Sozialismus in der Arktis“ zu sprechen, fanden Jahrzehnte später in Bad Liebenstein Worte für ihre Erlebnisse. In dem kleinen Kurort im Thüringer Wald verbrachte mein Vater von Krankheit gezeichnet die letzten Jahre seines Lebens, und immer wieder waren hier Weggefährten, Überlebende „von dort“ zu Gast. „Schwarzes Eis“ ist eine Erinnerung an das große Experiment, das 1917 begann und siebzig Jahre später im völligen Zusammenbruch endete. Es ist eine Geschichte aus einem Jahrhundert voller Aufbruch und Hoffnung, aber auch voller Willkür, Grausamkeit und Blut. Es ist die Geschichte meiner Familie.
Sergej Lochthofen, „Schwarzes Eis“ Copyright © 2012 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburgw
BUCHEMPFEHLUNGEN
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Erbarmungslose Liebeserklärung
Ungeschliffene Lebenserinnerung
Schonungslose Analyse
Irina Liebmann verarbeitet in ihrem Buch drei Anläufe, mit Russland – dem Land ihrer Mutter, dem Land ihrer eigenen frühen Kindheit – ihren ganz persönlichen Frieden zu schließen. Dabei gleicht die Berlinerin zunächst einer Nichtschwimmerin: Ängstlich, vorurteilsbeladen macht sie sich auf, hält sich, ohne jeden Anschluss in einem anonymen Moskauer Wohnblock untergebracht, mühsam über Wasser und rettet sich schließlich, ohne sich freigeschwommen zu haben, an das rettende Ufer, das vertraute Berlin. Doch sie will es wissen und unternimmt zwei weitere Versuche: Einen im Winter, wobei sie auf den Spuren einer Ikone ihrem Ziel schon näherkommt, und einen im Sommer, den sie mit einer Freundin auf deren Datscha verlebt – und bei dem sie endlich eintaucht in das Leben, den Rhythmus, die Geschichte und die Gegenwart Russlands. Liebmann beschreibt den Prozess dieser Annäherung. Sie beschönigt nicht, sie idealisiert nicht, sie nimmt das Land am Ende in seiner ungeschminkten Widersprüchlichkeit an, wie es ist. Eine in ihrer Ehrlichkeit gleichsam erbarmungslose Liebeserklärung. JD
Der Zeitgut-Verlag nimmt sich der verdienstvollen Aufgabe an, Lebensgeschichten zu sammeln. Oral History nennen Historiker diese Form der Quellensammlung. In „Mein Herz blieb in Russland“ kommen Russlanddeutsche zu Wort, die heute in Deutschland leben. Das Buch versammelt 33 subjektive Augenzeugenberichte. Sie bezeugen, wie die große Weltgeschichte auf kleine Familienwelten wirkt, wie grausame und glückliche Zeiten kommen und gehen. Lebensgeschichten, die berühren, die auf ein gutes Ende hoffen lassen, das nicht immer eintritt, Geschichten, die man sich nicht ausdenken kann, weil das Leben sie schrieb. Hörbar sind die individuellen Stimmen, die das kollektive Erleben spiegeln. Sie sind sensibel lektoriert, literarisch ungeschliffen, eine jede steht für ein Leben oder eine Familie.Vielleicht dienen sie als Rohmaterial für Romane oder Filme oder historische Dokumentationen.Vielleicht steht jede einzelne auch einfach für sich selbst. JD
Alexander Rahr umschifft in seinem Buch keines der Themen, die das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland prägen – auch kein schwieriges. Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag: „Russland die Demokratie zu lehren ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Das Land ist viel zu stolz, um die Schulbank zu drücken. Und der Westen eignet sich auch nicht als vorbildlicher Lehrmeister.“ In 13 Kapiteln, von denen jedes (vom Ausblick abgesehen) mit einer Frage beginnt, analysiert er Fragen wie: Wie wichtig ist Russland? Wer regiert Russland? Wie abhängig sind wir von Russland? Er sieht das westliche Verhältnis zur wieder aufstrebenden Großmacht im Osten derzeit in einer kritischen Phase, in der sich entscheidet, welche Qualität die Beziehungen künftig annehmen werden – wobei zwischen den Polen Konfrontation oder Partnerschaft alles möglich scheint. Rahr, der bereits eine ganze Reihe von Russland-Analysen vorgelegt hat, warnt jedenfalls: „Für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand wird es entscheidend sein, wie wir unser Verhältnis zu Russland gestalten.“ JD
Irina Liebmann Drei Schritte nach Russland Berlin Verlag ISBN 978-3-82701-138-1 Gebunden, 160 Seiten, 16,99 EUR
Larissa Dyck, Heinrich Mehl (Herausgeber) Mein Herz blieb in Russland – Russlanddeutsche erzählen aus ihrem Leben Zeitgut Verlag ISBN 978-3-86614-145-2 Gebunden, 448 Seiten, Euro 12,90
Alexander Rahr Der kalte Freund – Warum wir Russland brauchen: Die Insider-Analyse Hanser Verlag München ISBN 978-3-44642-438-8 Gebunden, 298 Seiten, 19,90 Euro
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Impressum ISSN 419860910490
Chemnitz | Dessau-Roßlau | Gera | Halle | Jena | Leipzig | Zwickau
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Hauptredaktionsschluss: 10. November Anzeigenschluss: 30. Oktober Erscheinungstermin: Dezember 2013 Herausgeber: REGJO – Das Magazin Magazinverlag Mitteldeutschland GmbH Moschelesstraße 7, Steche-Haus, 04109 Leipzig Telefon: (03 41) 975 60 39, Telefax: (03 41) 974 72 58 REGJO ist eine eingetragene Marke (39867052) der REGJO – Magazin Verlag Mitteldeutschland GmbH www.regjo-mitteldeutschland.de, info@regjo-leipzighalle.de Redaktionsleitung: Jana Dichelle Redaktion: Jana Dichelle, Juliette Kaiser Autoren: Andreas Klossek (Thüringen), Frank Willberg, Dr. Zita Pataki, Tobias Prüwer, Jana Dichelle, Thomas Krakow, Bernd Weinkauf, Sergey Nikitin, Jan Heinrich, Kira Svintsitskaya Lektorat: Franziska Reif Anzeigen: Claus-Peter Paulus, Steffi Emde, BS Media Group Vertriebspartner: SIBLOG Logistik GmbH Übersetzungen: Maria Weikum, Kira Svintsitskaya, Anastasia Ostretsova, Elena Inosemzewa, BS Media Group Art Direction & Layout: TRNDLB, BS Media Group Fotografie: Joscha Steffens, Swen Reichhold, Andreas Klossek, Sophia Kesting, Jana Dichelle, Frank Willberg, Kira Svintsitskaya, istockphoto.com Titelbild: Joscha Steffens Distribution/Marketing: Daniel Tieg Messen und Kongresse: Daniel Tieg, Anja Bonitz Schlussredaktion: Jana Dichelle Geschäftsleitung, Herausgeber: Claus-Peter Paulus (V.i.S.d.P.) Druck: Silber Druck OHG Geprüfte Auflagen und Verbreitung: Auflage und Verbreitung: Es gilt der Mediaplan 2013. Besonderheit der Ausgabe ist die russischsprachige Ausgabe, die parallel erscheint. Kooperationspartner:
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