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INTERVIEW GORDEN WAGENER & MICHAEL MAURER

Erlaubt ist, was schmeckt

Eins haben alle Craft-Beer-Sorten gemein: Bei der Herstellung gibt es keine Regeln. Durch kreative Ansätze und spezielle Kniffe in der Verarbeitung werden Bierspezialitäten kreiert, die sich durch individuelle Geschmacksprofile und eine abwechslungsreiche Stilistik auszeichnen. Niemand muss sich an Braugesetze oder ähnliche Rezepte halten. Lediglich die deutschen Hygienebestimmungen sollten befolgt werden. Ansonsten stehen jedem Brauer das Vorgehen und die Zutaten vollkommen frei. Gebraut wird, was einem selbst oder den Kunden schmeckt. Interessant wird es vor allem immer dann, wenn der Braumeister einen unkonventionellen Weg geht. Sehr beliebt ist es zum Beispiel, Biere ähnlich wie Rum oder Cognac in Fässern reifen zu lassen. Gerade wenn dazu ehemalige Whisky- oder CognacEichenfässer genutzt werden, erhalten die entstandenen Biersorten meist eine besondere Note, die fast in eine fruchtige Richtung geht. Dabei entsteht eine absolut nachhaltige und aufregende, andere, neue Bier- und Getränkevielfalt als Alternative zu etablierten Massenbieren und Getränken. Die junge Braugeneration steht für geschmacksintensive und charakterstarke Biere nebst alkoholfreien Sorten, für Abwechslung im Sortiment, Experimentierfähigkeit und neue Technologien. Und ganz nebenbei arbeiten viele zudem an der Verbesserung bereits bekannter Sorten. Sehr im Trend befindet sich zurzeit beispielsweise das Sauerbier. Ganz ohne süßen Sirup hergestellt, findet der saure Biergenuss tatsächlich einen immer größeren Freundeskreis. Nach einer ersten Probe können wir bestätigen, dass gerade ein saures Bier nicht jedermanns Geschmack ist. Je nach Bierstil kann Craft Beer malzig und nach Kaffee sowie Schokolade schmecken (Porter und Stout), sauer (Gose, Berliner Weisse, belgische Biere wie Labic etc.) oder bitter (IPAs). Mit ganz viel Wohlwollen erkennen wir, wie vielfältig Craft Beer sein kann. Und ja, es geht nicht darum, dass das Bier am Ende allen Menschen schmeckt. Darüber hinaus gibt es freilich Bierstile, die die Verwendung weiterer Zutaten verlangen, wie Kräuter und Gewürze – Witbier wird zum Beispiel mit Orangenschalen und Koriandersaat gemacht, oder auch frische Früchte.

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Solche Bierstile, die in der Craft-Beer-Szene durchaus gebraut werden (Stichwort: mutig und kreativ) verstoßen schon gegen das Reinheitsgebot – was allerdings im größten Teil Deutschlands, überall nämlich außer in Bayern und Baden-Württemberg, kein Problem ist. Es gibt einen Paragrafen im Vorläufigen Biersteuergesetz, demnach der Brauer einen Antrag auf das „Brauen besonderer Biere“ stellen kann, der in aller Regel auch bewilligt wird. Nur im Süden gibt es diesen Paragrafen nicht. Daher lässt sich auch kein typischer Craft-Beer-Geschmack bestimmen. Stattdessen gibt es unzählige Sorten und Geschmacksrichtungen, sodass vermutlich für jeden etwas dabei sein sollte.

Es braucht immer Geduld, Erfahrung, Wissen und Präzision, bis ein Bier entstehen kann, das zugleich überrascht, begeistert und Lust auf mehr macht – ja, einfach schmeckt. Immer ein unvergleichlicher Moment, der bleibt. Jedoch haben mittlerweile die meisten Hersteller die Zeichen der Zeit erkannt: Nachhaltigkeit, Qualität, Geschmack und Vielfalt. Denn der Erfolg von Craft Beer ist in Deutschland auch vielen großen Brauereien nicht verborgen geblieben. Während die großen Unternehmen in den Vereinigten Staaten den Trend verpasst haben oder kein Interesse an kleinen Absatzmengen mit entsprechend knappen Gewinnmargen zeigten, sieht dies hierzulande etwas anders aus. So entstehen aktuell nicht nur in vielen Städten Deutschland neue Mikro-Brauereien, es gehen auch immer mehr etablierte Unternehmen in den Markt.

Craft Beer macht nur einen sehr geringen Teil des in Deutschland getrunkenen Bieres aus

Viele der kleinen Brauereien haben jedoch den Vorteil, dass sie keine große Entwicklungsabteilung unterhalten müssen. Auch können sie sich aufgrund des bedeutend schwächeren Wettbewerbsdrucks eher Innovationen erlauben. Oftmals betreiben sie gar keine professionelle Brauerei. Stattdessen werden freie Kapazitäten mittelständischer Brauereien genutzt oder günstig eigene Anlagen aus ausrangierten Kesseln der Milchwirtschaft gebaut. Diese Unternehmer lassen sich jeden Tag neu inspirieren und machen ihr erworbenes Wissen, ihre Erfahrung und Faszination in ihren Bieren erlebbar. Und das scheint etwas anderes zu sein als die großen Brauereien widerspiegeln. Es geht weniger um die perfekte Schaumkrone oder den richtig platzierten Bierdeckel – es geht um das ursprüngliche Erleben. Wörtlich übersetzt heißt Craft Beer ja „handwerklich gemachtes Bier“. Craft Beer? Craft Bier? Kraftbier? Hmpf. Sagt nicht sonderlich viel aus. Stimmt auch noch nicht einmal, denn unter uns: Es gibt genügend Craft-BeerBrauer, die ihre Sudhäuser über ihr Smartphone und Handy-App steuern. Handwerklich im Sinne von „da schleppt einer Malzsäcke und rührt mit einem Holzpaddel in der Maische“ ist das eher nicht. Aber durch dieses Image beschert der Trend Craft-Bier auch den bestehenden Brauereien einen Aufwind, weil er die Lust auf regionale Sorten anregt. Für viele der mittelständischen Unternehmen ist der neue Trend nun eine Bestätigung der bereits vorhandenen Strategie. Für sie ist die Verwendung hochwertiger Zutaten für das Brauen der Biere schon lange Tradition und gehört zum Erfolgsrezept. Ginge es allein um Größe, Tradition und vielleicht sogar um den Aspekt der Handwerklichkeit, wäre dem auch nur schwer etwas entgegenzusetzen. Allerdings würde man so übersehen, dass es bei Craft Beer und der Bewegung dahinter eben auch um Aufbruch und Abkehr von alten Mustern geht. Nicht umsonst spricht man oft von der „Craft Beer Revolution“: Weil es hier darum geht, das alte Produkt Bier neu zu erleben. Neu zu brauen und neu zu trinken. Wenn jemand seit 270 Jahren das eine, selbe „Helle“ braut, so wie das schon der Vater vom Vater vom Vater gemacht hat, dann ist das nicht „craft“ im Sinne der Erfinder. Und etwas ganz Entscheidendes wird dabei auch klar: Es braucht die Begeisterung für Produkte und für Menschen, es braucht Genießen, Erleben und Begeistern. Am Ende profitiert jedoch besonders der Biertrinker selbst vom Craft Beer: Niemals zuvor gab es so eine breite Bierauswahl wie heute!

Dass Bier lange Zeit nahezu ein reines Männergetränk war, scheint mit der größeren Varianz vor einem Ende zu stehen: Immer mehr Frauen entdecken, welche Möglichkeiten im Bier stecken und wissen diese zu schätzen

VISIONEN

SIND DER ANTRIEB VON MORGEN

Text: Joachim Fischer · Fotos: Nico Vetter, PR

Gorden Wagener und Michael Mauer gelten als zwei herausragende Persönlichkeiten, sowohl in ihren Unternehmen als auch im gesellschaftlichen Leben. Der eine ist aktuell Chief Design Officer der Daimler AG, der andere Leiter Style Porsche bei der Porsche AG. Für die aktuelle Ausgabe des RETROWELT Magazins hat sich Joachim Fischer mit den führenden Kreativen der Marken über Design, Automobile und Wünsche unterhalten. Über perfekte Linien und diesen Augenblick, in dem man intuitiv weiß, was richtig ist, über die Theorie des Autodesigns und den kreativen Flow. Worte, die den Betrachter faszinieren, die Wünsche wecken – allen voran den Wunsch, selbst ein Auto der beiden Marken zu besitzen oder zumindest einmal zu fahren.

Dann bitte ganz konkret: Wie schaffen sie und ihre Teams es, dem Zeitgeist vorauszueilen? Und wie genau sieht das aus?

Wagener: Dem Zeitgeist vorauseilen, ihn zu erfinden, ist der Kern unserer Arbeit. Die Vergangenheit steht in Büchern, wir Designer schreiben die Geschichte von morgen. Das ist für mich das Größte an unserem Beruf. Wir haben uns schon vor Jahren eine Design-Philosophie gegeben: Wir nennen sie Sensual Purity und arbeiten in jedem Projekt danach. Sensual Purity gibt den Stil unseres Hauses vor, den wir pflegen und beständig weiterentwickeln. Immer mit dem Ziel, das Besondere zu gestalten – den X-Factor, wie wir sagen. Wir haben uns ein tiefes Verständnis der Marke und unseres Luxus erarbeitet, der in jedem Auto sichtbar wird: Der neue EQS ist das beste Beispiel dafür.

Mauer: Was denkt der Designer am Morgen? Er denkt an morgen. Ein Wortspiel mit viel Wahrheitsgehalt. Die Aufgabe des Gestalters ist es, den Blick über das Jetzt hinaus in die Zukunft gerichtet zu halten – und das im Prinzip ständig. Es wird zu seinem inneren Wesen. Betrachtet man das Denken eines Designers im Detail, wird man sogar feststellen, dass er tatsächlich nicht im Heute lebt, sondern grundsätzlich eine Spur voraus ist. Dabei ist es bei Porsche weiterhin von großer Wichtigkeit, die Formen der Vergangenheit zu kennen und ihre Wirkungsweise analysiert zu haben. Designer denken oft weit voraus, aber nie geradlinig: Sie denken – nennen wir es eher: „turbulent“. Das gilt ganz allgemein und insbesondere für Stylisten in der Automobilindustrie.

Designer – ob sie nun Automobile gestalten oder Produkte – leben immer in der Zukunft. Und dazu passt einmal mehr, dass die Evolution des Automobildesigns in naher Zukunft deutlich an Fahrt aufnimmt. Neue Features und Funktionen erlauben den Kreativen noch größere Freiheiten als bisher. Während die Entwicklungsschritte in puncto Automobildesign in den vergangenen Jahren weniger radikal ausfielen, steht die Gestaltung von Fahrzeugen dank neuer Technologien vor einer Art Zäsur.

Herr Wagener, Herr Mauer: Wie lebt es sich so in der Zukunft?

Wagener: Hervorragend, auch in den aktuell herausfordernden Zeiten und ganz digital. Im Design arbeiten wir seit langem sehr digital rund um den Globus, da braucht es für „out of office“Aktivitäten keine Eingewöhnung. Trotzdem würde ich gerne wieder mehr in unseren Studios vor Ort mit meinem Team gemeinsam an neuen Modellen arbeiten und mich direkt mit ihm austauschen. Design lebt auch vom Dialog und wir Designer reden ja alle gern und viel (lacht).

Mauer: Die Herausforderungen waren groß. Wegen Corona sind aktuell noch nicht alle Kollegen wieder vollständig aus dem Homeoffice zurückgekehrt. Für uns Designer ist der persönliche Austausch sehr wichtig – unsere Arbeit ist weniger rein digital möglich als das in anderen Bereichen der Fall ist. Ich stimme Gorden zu, der Dialog und Austausch untereinander sind für uns sehr wichtig. In den Ausgaben von RETROWELT treffen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem äußerst ansprechenden Editorial aufeinander. Was ist für Sie das besondere am Design von Porsche in all den Dekaden?

Mauer: Wir haben über Tradition gesprochen. Mit dem Hintergedanken, dass jedes Kind einen Porsche (oder VW Käfer) zeichnen kann. Mit der damals revolutionären Form des Wagens folgte Porsche den Regeln der Aerodynamik – ohne Extravaganz. Er überzeugte durch eine schlichte Form, die selbstverständlich wirkt. Man würde nie auf den Gedanken kommen, dass bei jedem Modell und jeder Dekade hier Designer um jede Linie gerungen hätten. Aber wie immer, wenn etwas ganz leicht wirkt, steckt meist viel Arbeit dahinter.

Der Begriff Design wurde erstmals von Giorgio Vasari im 16. Jahrhundert erwähnt als „Disegno“, was so viel wie Skizze, aber auch künstlerische Idee eines Werkes bedeutet. Das „Disegno interno“ beinhaltet das Konzept, das „Disegno esterno“ das vollendete Kunstwerk selbst. Wie würden sie Design definieren?

WIE ALLE DESIGNER WOLLEN WIR IKONEN SCHAFFEN, DER NÄCHSTE ENTWURF SOLL NOCH BESSER WERDEN, DAS TREIBT UNS ALLE AN

Gorden Wagener

... und bei Mercedes?

Wagener: In einem Wort: Begehrlichkeit. Jeder Mercedes muss ein Kribbeln auslösen, es muss sich anfühlen wie Schmetterlinge im Bauch, wenn wir uns verlieben. Wenn Sie jede Fahrt genießen, auf dem Parkplatz auf ihr Auto angesprochen werden und Daumen hochgehen beim Vorbeifahren, dann haben wir alles richtig gemacht.

Mauer: Genau um diese Art der „Likes“ wetteifern wir ja ständig.

Ich bin überzeugt, dass Sie beide im tiefsten Inneren für dasselbe brennen. Beneiden Sie Ihre Kollegen von früher?

Wagener: Ein bisschen um ihre technischen Freiheiten vielleicht. Wir haben heute viele Regularien, Gesetze und Vorschriften, die es zu beachten gilt. Die Unterschiede zu früher sind vielfältig: Wir haben viele technische Hilfsmittel, die uns helfen, noch präziser und feiner zu arbeiten. Wir arbeiten strategischer als unsere Vorgänger, unser Vorstand versteht Design und als Asset genießt Design, zumindest bei Mercedes, viel Aufmerksamkeit im Unternehmen und darüber hinaus. Zu guter Letzt: Wir gestalten analoges und digitales Design, da hat sich eine ganz neue Erlebniswelt für den Kunden aufgetan. Nehmen Sie MBUX, unser digitales Betriebssystem – an solche Möglichkeiten war vor 20, 30 Jahren gar nicht zu denken. Wir prägen mit jedem Produkt aktiv die Zukunft der Marke, da hat sich viel verändert. Ich muss mich korrigieren: Nein, eigentlich beneide ich unsere Kollegen von früher nicht. Mauer: Dem kann ich mich nur anschließen. Zudem, so glaube ich, hat sich so dramatisch viel gegenüber früher nicht verändert. Wir versammeln uns alle immer noch um das Feuer, das für das beste, schönste und begehrlichste Design brennt. Dabei ist die Technik zweitrangig, auch wenn wir heute durch die Computerprogramme unendlich mehr Möglichkeiten haben. Aber ich persönlich setzte mich immer noch gerne hin und skizziere einfach mit dem Bleistift los.

Mauer: Design ist die Klarheit ihrer Positionierung und die darin liegende Kraft, sich immer wieder neu entdecken zu dürfen. Design ist auch erster Botschafter der Marke und fasst die Kernelemente der Marke zusammen, um nicht den Verstand, sondern die Herzen der Kunden anzusprechen – und das kann eine ziemliche Herausforderung sein. Autos werden sich technisch immer ähnlicher werden. Das Design wird langfristig die Differenzierung schaffen.

Wagener: Design macht Produkte in ihrer physischen, aber auch digitalen Form wunderschön und begehrenswert. Design inszeniert Technologie, die sonst im Verborgenen schlummert und emotional schwer zugänglich ist. Design prägt und gestaltet Marken. Ich erkläre uns als Verführer. Unsere Kunden sollen mit dem Ergebnis unserer Arbeit sehr lange glücklich sein. Design ist die emotionale Bindung zwischen uns als Marke, dem Produkt und dem Kunden. Design verkauft Autos, zumindest bei Mercedes, da ist das Design ein maßgeblicher Kaufgrund.

Wir reden über etwas Schönes. Wir reden auch über die Sinnlichkeit, die ein Auto immer haben, die Begehrlichkeit, die es wecken muss.

Die Welt des Designs ist zunehmend digital geworden, doch am Anfang jedes neuen Porsche steht die Skizze. Ganz analog mit Stift auf Papier erstellt.

GORDEN WAGENER

Chief Design Officer der Daimler AG

Unter seiner Leitung wurde die neue Designphilosophie der sinnlichen Klarheit entworfen, welche einen modernen Luxus definiert. Sie verkörpert die beiden Ausprägungen „hot“ und „cool“ und bringt damit einen wesentlichen Aspekt der Marke Mercedes-Benz – die Bipolarität aus Emotion und Intelligenz – exakt auf den Punkt.

Gorden Wagener leitet seit Mitte 2008 den weltweit tätigen Designbereich der Daimler AG. Um die Bedeutung und die Verantwortung der Rolle des Designs für das Unternehmen, seine Produkte und die globalen Marken zu stärken, wurde er im November 2016 zum Chief Design Officer im Range eines Executive Vice President ernannt. Für ihn ist Design markenprägend und er hält einen ganzheitlichen Gestaltungsansatz für essentiell, da sowohl die Produkte als auch die Marken der Daimler AG perfekt inszeniert werden müssen. Sein international aufgestelltes Team gestaltet sämtliche Marken und Produkte des Unternehmens, von den Automobilen bis hin zum holistischen Corporate Design aller Konzernmarken. Im Fokus seiner Arbeit steht die Hauptmarke Mercedes-Benz. „Nicht in Vergangenheit zu verharren, sondern die eigene Identität für die Zukunft weiterzuentwickeln, das ist unsere Aufgabe. Die Essenz zu bewahren und in eine Designsprache zu übersetzen, die in der Zukunft verstanden wird. Auch wer 2030 zum ersten Mal in einem Porsche sitzt, soll es spüren: das Porsche-Gefühl, die 911-Gene“, so Michael Mauer.

Michael Mauer hat in seiner 35-jährigen Designerkarriere schon viele Autos gestaltet. In den Neunzigern war er für Mercedes SLK, SL und A-Klasse mitverantwortlich, wurde 1999 Smart-Designchef. 2000 ging er in derselben Position zu Saab und ist seit 2004 Leiter des Porsche-Designbereichs. Unter seiner Leitung entstanden beispielsweise die erste und zweite Generation des Panamera, der 918 Spyder, die zweite und dritte Generation des Cayenne, die siebte und achte Generation des 911 und der erste rein elektrisch betriebene Sportwagen der Marke – der Porsche Taycan. Von Ende 2015 bis Anfang 2020 war Mauer zusätzlich mit der Leitung des Konzernbereichs Design des Volkswagen Konzerns betraut.

MICHAEL MAUER

Leiter Style Porsche der Porsche AG

Was ist der weitverbreitetste Irrtum über Designer?

Wagener: Dass wir alle den ganzen Tag in schwarzen Rollkragenpullovern rumlaufen.

Mauer: Das ist eine spannende Frage. Ich glaube, es ist ein Irrtum, uns Designer nur als Künstler zu sehen. Wir werden oftmals unterschätzt, außerhalb der Wahrnehmung sind wir aber ein ernstzunehmender Teil eines industriellen Prozesses.

Herr Mauer, was würden Sie denn spontan hier Herrn Wagener fragen wollen?

Mauer: (lacht) Schon zu meiner Zeit war es beeindruckend zu erkennen, wie man bei Mercedes einerseits für Volumen steht und anderseits den Designanspruch so hoch als möglich halten möchte. Ich glaube, dass Gorden hier Trends erkennt und setzt und dass er es versteht, diese zu einem Erfolg zu formen.

Herr Wagener, ich formuliere eine Frage daraus: Was macht Mercedes zu einem Erfolg? Sie haben mit Ihren Entwürfen eine Vielzahl an Preisen und Auszeichnungen gewonnen. Was treibt Sie zu solchen Höchstleistungen an?

Wagener: Wenn ich Ihnen alles verrate, bin ich raus (Wagener lacht laut). Im Ernst: Bei uns dachten alle, sie wissen, was einen Mercedes ausmacht – seit Generationen. Dann kam 2008 ein 39-jähriger Nobody und schreibt mit seinem Team eine DesignPhilosophie auf. Erst haben alle Externen gelacht, aber wir haben durch Design aus dem tradierten Luxus einen modernen Luxus geschaffen, der weltweit begehrt wird. Heute verkaufen wir erfolgreich die unterschiedlichsten Modelle, die als Mercedes ganz bewusst gekauft werden. Wir erschaffen mit MBUX eine digitale Interaktion zwischen Mensch und Maschine, das ist ein tolles Gefühl. Am Ende ist es das tiefe Verständnis der Marke, das unseren Erfolg ausmacht. Dabei sind mir Preise nicht egal, aber sie sind mir nicht so wichtig, denn ich bin überzeugt von dem, was wir tun. Als Bestätigung für das ganze Team finde ich sie klasse, weil das Lob dann von außen kommt. Ich bin unendlich stolz auf das gesamte Team. Und wie alle Designer wollen wir Ikonen schaffen: Der nächste Entwurf soll noch besser werden – das treibt uns alle an.

Wenn ich einmal nicht weiterkomme schnüre ich meine Laufschuhe oder bin in einem Museum anzutreffen. Bei Stefan Bogner habe ich traumhafte Ski-Fotos von Ihnen gesehen, Herr Mauer. Sind Skifahren und die Stille der Natur Ihr Ausgleich?

Mauer: Skifahren ist für mich eine perfekte Möglichkeit, meinem Unterbewusstsein die Möglichkeit zu geben, Dinge zu verarbeiten und neue Ideen zu entwickeln. Skifahren, die Natur und die Berge, das ist alles so weit weg von der Automobilindustrie. Am Ende könnte man auch sagen, Skifahren ist perfekt dazu geeignet, das Gehirn maximal mit Sauerstoff zu versorgen. Für mich ist das DER Treibstoff für Kreativität... Herr Wagener, bei Ihnen weiß ich, das Sie beim Surfen anzutreffen sind. Wo kann Surfen einem Designer bei Mercedes helfen?

Wagener: Beim Fokussieren auf einen Punkt, auf die eine Welle. Beim Surfen gibt es nur dich, die Welle und Natur. Und je nach Welle, Wind und Wetter auch besser keinen Fehler. Ich bekomme beim Surfen den Kopf frei, bin ganz bei mir und in der Natur. Wenn ich danach auf den Strand gleite, fühle ich mich wie neugeboren. Aktuell ist das ein bisschen schwierig, weil ich kaum unterwegs bin, also behelfe ich mir mit Mountain-Biken, Laufen und Ölmalerei. Außerdem bleibt gerade mehr Zeit für die Familie, das ist für mich Vielreisenden auch großartig.

DAS WICHTIGSTE IST IMMER NOCH DIE KREATIVITÄT, UND DIE KOMMT NICHT AUS DIGITALEN ZEICHENSTIFTEN ODER INTELLIGENTEN FRÄSMASCHINEN, SONDERN AUS DEN KÖPFEN DER DESIGNER

Michael Mauer

Zuletzt stelle ich all meinen Interviewpartnern immer eine ähnliche Frage: Herr Wagener, wohin würden Sie gerne mit Herrn Mauer auf Ausfahrt gehen? Welche Route würden Sie wählen?

Wagener: Das ist schnell erzählt: Wenn es nach mir geht, treffen wir uns in Stuttgart, und fahren gemeinsam elektrisch nach München zur IAA Mobility. Da unsere beiden Marken coole elektrische Modelle im Portfolio haben, losen wir einfach aus, wer fährt und dann plaudern wir die ganze Fahrt über das, was uns beide verbindet: viele Jahre bei Mercedes, noch mehr Jahre im Automobildesign. Abends stoßen wir beide in München darauf an und freuen uns, dass wir wieder viele Kollegen, viele Journalisten, noch mehr Besucher und viele tolle Automobile zu sehen bekommen.

... und Sie, Herr Mauer? Wohin fahren Sie mit Herrn Wagener?

Mauer: Ein Porsche ist immer auch ein Auto fürs Direkte, für die schnelle Kurve. Damit ist die Route ganz eindeutig: in die Berge! Schöne Alpenpässe, kurvige Straßen. An der Seite ein Mensch, der diese Leidenschaft teilt.

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