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Stray“: Gerechtfertigter Hype oder Sommerloch-Lückenfüller

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Stray Schnurr-Alarm

Als Adventure-Fan kommt man aktuell kaum daran vorbei: „Stray”. Ist der Hype um das Spiel gerechtfertigt oder doch nur ein Sommerloch-Lückenfüller?

Genüsslich die Krallen am Teppich wetzen, dann mit einem eleganten Sprung auf den Schreibtisch. Über die PC-Tastatur rennen. Ein paar Bücher runterschmeißen. Dann wird’s aber auch schon Zeit für ein ausgedehntes Nickerchen. Ach, das tut gut. Ja, so eine Katze kann man schon beneiden. Gamer, die sich immer schon mal als gewieftes Fellknäuel versuchen wollten, haben nun mit „Stray” die Gelegenheit dazu. Im Mittelpunkt: ein Abenteuer, das nicht mit Emotionen geizt.

Aber beginnen wir von vorn. Am Anfang des Spiels geht es eher gemächlich zu. Eine Katze oder ein Kater – genau weiß man es nicht, da das Tier namenlos ist – streunt gemeinsam mit anderen Katzen durch die Gegend. Doch durch einen Sturz wird das Tier von seinen Freunden getrennt. Es landet in einer düsteren, von Robotern bevölkerten und ziemlich versifften Stadt.

Das Ziel ist an sich einfach: Wir müssen einen Weg finden, um aus den Slums auszubrechen. Wie das in AdventureSpielen so ist, gilt es also, Aufgaben und Rätsel zu lösen. Die sind meist recht einfach zu knacken, subtile Hinweise in Form von richtungsweisenden Pfeilen auf Leuchtreklamen erleichtern die Orientierung. Die Hindernisse, die einem in der Open-World begegnen, sollte man aber nicht unterschätzen. Herumfliegende Drohnen mit Dartpfeilen und Rudel von Robo-Ratten – die hie und da im Spiel lauern – haben mich an manch einer Stelle fast dazu gebracht, das Gamepad aus dem Fenster zu schmeißen. Ein solches wird zum Spielen des Indie-Adventures am PC übrigens dringend empfohlen. Das ist auch nachvollziehbar. Denn beim Herumstreifen durch die Gassen, beim Stöbern in den Wohnungen oder beim Balancieren über die Dächer reicht zwar auch eine Tastatur, doch beim Anvisieren und Springen kann es, wenn es aufgrund von Verfolgern ratzfatz gehen muss, schon mal – zumindest bis man eine Waffe zum Töten der Kreaturen ergattert – eng werden. Und wer will schon aufgefressen werden von Zurks, also den verfressenen Robo-Ratten?

Aber auch mit Controller ist die Kamerasteuerung bei einem solchen Adrenalinschub etwas hakelig, – und so geht die Flucht, wie bereits erwähnt, trotzdem auch gerne mal nach hinten los. Gut, dass es Rücksetzpunkte mit fairen Abständen gibt, anhand derer man nach einem „Game Over“ einfach wieder neu starten kann. Insgesamt läuft das Spiel auf dem PC bis auf diese Problemchen und ein paar kleinere Ruckler recht flüssig.

Einen dicken Pluspunkt gibt es für die grafische Umsetzung des Spiels. Da gibt es nichts zu meckern, die Stadt ist – Cyberpunk-Atmosphäre lässt grüßen – eine echte Augenweide. So dunkel und dystopisch diese auch daherkommt, so liebevoll sind die Details, die einem das Gefühl geben, auf einer echten Entdeckungstour zu sein. Inspiriert haben sich die Macher dafür an Kowloon Walled City, einem Stadtteil von Hong Kong. Und in der virtuellen Variante gibt es allerhand zu tun. In den dunklen verwinkelten Ecken der Stadt gibt es allerlei Sammelmaterialien, mit denen man die Roboter beglücken kann. Zum Beispiel Notenblätter für einen Musikanten, der die Lieder dann auf seiner Gitarre spielt, während wir uns auf ganz katzentypische

Auch mit Controller ist die Kamerasteuerung bei einem solchen Adrenalinschub etwas hakelig.

Art neben ihm auf ein Kissen kuscheln und einschlafen können.

Wir sind auf dieser Reise übrigens nicht alleine unterwegs. B-12, eine Drohne, die wir im Laufe des Spiels kennenlernen, fungiert als Übersetzer zwischen den Robotern und dem Katzentier. Außerdem bekommen wir von B-12 einen Rucksack zum Tragen von nützlichen Gegenständen. Im Gegenzug helfen wir dem kleinen Kerl, der unter Amnesie leidet,

Einen dicken Pluspunkt gibt es für die grafische Umsetzung des Spiels.

seine Gedächtnislücken zu füllen. Wie bei einem Puzzle werden die Erinnerungen, die man an verschiedenen Stellen im Spiel findet, Stück für Stück zusammengetragen. Wer auf Errungenschaften steht: Lässt man die Katze diverse Aktionen oft genug ausführen, etwa maunzen, wird dies auch mit speziellen – und teils skurrilen – Auszeichnungen belohnt. Neugier ist der Katze Tod etwa. Die schaltet man frei, wenn sich die Katze beim neugierigen Herumstöbern eine Papiertüte überstreift – und die dann erst mal wieder loswerden muss.

Kurz: Es wird – auch dank der vielen Nebenmissionen – auch nach mehreren Stunden Spielzeit nicht langweilig. Man will einfach herausfinden, was passiert ist in der Stadt, und warum es keine Menschen mehr dort gibt. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber es wird sehr emotional – und es werden auch nach Beendigung des Spiels ein paar Fragezeichen bleiben.

Das Durchspielen der Geschichte ist nach etwa acht bis zehn Stunden abgeschlossen – das hängt aber sehr stark davon ab, ob man nur die Hauptgeschichte lösen will oder auch Nebenmissionen erledigt. Aber egal, wie man sich entscheidet, „Stray” ist definitiv mehr als ein Sommerloch-Lückenfüller und für Fans von Abenteuerspielen, die Katzen mögen, eine mehr als nur nette Abwechslung. Und wer weiß, vielleicht wird es ja noch eine Fortsetzung geben. Wünschenswert wäre es allemal.

Text: Cheryl Cadamuro Fotos: Annapurna Interactive

GUT ZU WISSEN

Viv und Koola, die Gründer von BlueTwelve Studio – die zu Beginn des Projekts noch bei Ubisoft tätig waren – begannen 2015 mit den Arbeiten am Spiel, das anfangs Project_HK hieß. Für die Umsetzung der Animationen inspirierten sich die Macher an Murtaugh und Riggs, ihren beiden Katzen. Mit Annapurna Interactive fanden die beiden 2016 schließlich einen Publisher, der sie bei der Umsetzung unterstützte. Im selben Jahr wurde auch BlueTwelve Studio gegründet. Eigentlich sollte Stray, das 2020 offiziell mit einem Trailer vorgestellt wurde, im Oktober 2021 erscheinen, der Release wurde aber auf 2022 verschoben. Das Spiel ist am 19. Juli für PC sowie PS4 und PS5 erschienen und erntet am laufenden Band überaus positive Bewertungen. Auf Steam etwa sind 97 Prozent der insgesamt 57.309 abgegebenen Bewertungen (Stand 4. August) positiv. Und wer vom Spiel nicht genug bekommen kann: Auf Twitter gibt es – unter dem Hashtag Stray – nicht nur coole Fan-Art-Projekte zu sehen, sondern auch eine ganze Reihe mit Bildern von Katzen, die es sich vor dem Bildschirm ihrer Untertanen gemütlich gemacht haben und sich das Spiel ganz genau anschauen.

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