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Keine Gewalt ist auch keine Lösung

Die „Grand Theft Auto“-Franchise ist eine der prägendsten Reihen der Videospielgeschichte. Während Fans ungeduldig auf den sechsten Teil warten, lohnt sich ein Rückblick auf ein Phänomen, das auch wegen der politischen Unkorrektheit einen großen popkulturellen Erfolg feiert.

Es gibt zwar immer noch die Sorte von Menschen, die unbeirrt und sehr hartnäckig an ihrer subjektiven Idee festhält, dass Videospiele Kinderkram sind und dass kein Mensch über 30 mehr zu einem Controller greift. Dieser Gedankengang ist dabei genauso hanebüchen wie veraltet, denn Games sind, neben dem nicht zu leugnenden wirtschaftlichen Aspekt, unlängst ein fester Bestandteil der modernen Unterhaltungskultur, genau wie Kino, Musik, Bücher und Fernsehen auch. Nicht zuletzt, weil die Branche mit beachtlicher Regelmäßigkeit Spiele abwirft, bei der die Atmosphäre, der Plot, die Action und der Soundtrack sich nicht hinter hochgejazzten Hollywood-Blockbustern zu verstecken brauchen. Figuren oder Spiele, welche die Kulturgeschichte maßgeblich beeinflusst haben und längst Kultstatus genießen, gibt es auch deshalb immer mehr.

Man braucht nur an Figuren wie Mario oder Sonic zu denken, die die Kindheit von mehreren Generationen (mit-) geprägt haben. Bei den Videospielreihen, die dies auch taten und tun, denken viele sicherlich an den EA Sports-Klassiker „Fifa“. Die Fußball-Simulationen, die für „Electronic Arts“ mittlerweile zu einer nicht enden wollenden Geldquelle geworden ist. So gilt der Teil „Fifa 22“ als das aus kommerzieller Sicht gesehen erfolgreichste Spiel in der 30-jährigen Historie von EA. Relativ schnell dürften aber auch viele die GTA-Reihe (steht für „Grand Theft Auto“, zu Deutsch „schwerer Autodiebstahl“) von Rockstar Games nennen, die seit Ende der 1990er erscheint und zu einem regelrechten PopPhänomen wurde.

Mitte der 90er sah es für die Brüder Sam und Dan Houser, die Rockstar Games-Gründer – zu Beginn hieß ihre Firma noch DMA Design –, nicht danach aus, als würden sie die Videospielwelt revolutionieren. Beide tüftelten an einem Spiel, das auf den Namen „Race’n’Chase“ hörte. Aus der Vogelperspektive heraus schlüpfte man in die Rolle eines Polizisten, der brav bei den Ampeln anhielt, Vorfahrt gewährte und nur das Blaulicht einschalteten durfte, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer seinem Bleifuß nachgab und Geschwindigkeitsbegrenzungen in etwa dermaßen respektierte, wie das durchschnittliche Reality-TVFormat die menschliche Intelligenz. So beschreibt es zumindest der New-YorkTimes Journalist David Kushner in seinem Buch „Jacked“. Homer Simpsons hätte von seinem beigefarbenen Sofa aus für „Race’n’Chase“ sicherlich nicht viel mehr als ein langgezogenes „boooring“ übriggehabt.

Auch die Macher selbst merkten schnell, dass man mit diesem „Law & Order“-Ansatz wohl kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken kann, außer vielleicht zwölfjährige, pickelige Pubertierende, die irgendwie noch immer davon träumen, eine Karriere als Gesetzeshüter einzuschlagen. Sam Houser entschied sich daraufhin, den Code umzuprogrammieren, damit man als Verbrecher statt als Polizist so richtig die Sau rauslassen konnte, sprich man konnte Fahrzeuge von der Straße drängen, Ampeln umfahren, Autos klauen und der Spieler arbeitet für rivalisierende Banden. Zusätzlich setzte das Spiel auf das „Open World“-Prinzip, das dem Spieler absolute Bewegungsfreiheit garantierte. Eine Revolution in der Videospielwelt. Das Spiel, das ab 1997 unter dem Namen „Grand Theft Auto“ vertrieben wurde, wurde deshalb auf Anhieb ein Riesenerfolg. 100.000 Kopien gingen damals über die Ladentheke.

Der zweite Teil der Reihe erschien 1999. Zwar änderte sich kaum etwas am Spielprinzip, doch die Rockstar-Macher nahmen einige Änderungen vor, die nachher den Kult-Charakter der Serie ausmachen sollten. So reagieren zum Beispiel die Polizei und die im Spiel implementierten Banden auf die Taten des Spielers. Spielkritiker lobten immer wieder das nicht-lineare Gameplay, selbst wenn die Grafik zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zeitgemäß wirkte. Es gab auch bereits Stimmen, die sich an der Brutalität des Spiels störten und scheinbar schon damals den ironischen Ansatz des Geschehens nicht raffen wollten. Das sollte Rockstar Games aber nicht daran hindern, ihrer Franchise weitere wegweisende Highlights in Sachen Gameplay hinzuzufügen.

So verabschiedete man sich ab dem dritten Teil (der erschien 2001) von der Vogelperspektive, führte eine 3DSpielwelt ein, bei der die Spielfigur aus der „Third Person“-Perspektive gesteuert wird und baute Zwischensequenzen ein, die sich an bekannten Mafia-Filmen orientierten. Die Aktionen des Spielers wirken sich in „GTA III“ noch einmal verstärkt auf den Verlauf der Handlung aus. Wenn man zum Beispiel den Mafiaboss Salvatore Leone mit einem Kugelhagel von seinem irdischen Leben befreit, wird der Spieler jedes Mal, sobald er den Stadtteil Saint Mark’s betritt, von MafiaMitgliedern attackiert, die aus Rachegelüsten nicht davor zurückschrecken, die Luft mit jeder Menge Blei zu schwängern. Genial ist auch der zu Verfügung gestellte Soundtrack. Die Idee von Radiostationen, zwischen denen der Spieler hin und her schalten kann, wurde erweitert und qualitativ stark verbessert. Verbesserungen prägten auch in den nächsten Teilen das Spiel und führten dazu, dass GTA-Spiele nicht nur mehr missionsgesteuerte Shooter-Spiele sind, die mit Verfolgungsjagden angereichert werden. Der Spieler kann in den Welten nämlich unendlich viel Zeit mit anderen Dingen verplempern als nur dem zentralen Handlungsstrang.

Egal ob man mit einem MotocrossBike über Sprungschanzen brettert, einen Kampfjet auf einer Militärbasis klaut, sich mit einem Helikopter amüsiert oder die bisweilen unendlich wirkenden Nebenmissionen bewerkstelligt. So ist es nicht verwunderlich, dass der bisher letzte Teil der Reihe „GTA 5“ nach wie vor ein Renner ist.

Das Spiel erschien bereits im September 2013 und feiert damit in diesem Jahr sein zehntes Jubiläum. Wegen regelmäßiger Updates lässt sich das Spiel immer mal wieder in den Verkaufscharts blicken und Publisher „Take-Two“ gibt an, dass alleine der fünfte Teil sich bislang 175 Millionen Mal verkauft hat. Eine Verkaufszahl von dem die allermeisten Videospiele-Hersteller nicht mal in ihren kühnsten Fantasien träumen und der den Entwickler dazu verleitet, diese Milchkuh so lange zu melken wie es nur irgendwie geht.

Dass GTA6 „kommt,“ ist unlängst bestätigt und wird von vielen Spielern ungeduldig erwartet. Das Spiel befindet sich in Entwicklung und von vielen Gaming-Experten wird prognostiziert, dass Rockstar Games noch in diesem Jahr mit Enthüllungen zum neuesten Teil an die Öffentlichkeit gehen wird. Und dass das Spiel dann 2024 oder 2025 veröffentlicht werden soll, wahrscheinlich nur noch für Konsolen der neuesten Generation. Im September des letzten Jahres gab es zwar schon ein massives Leak, das zahlreiche Gameplay-Szenen zeigte, diese sind aber noch wenig aussagekräftig in Sachen Endresultat. Denn wenn nach rund 25 Jahren mittlerweile eines klar sein dürfte, dann der Tatbestand, dass Rockstar Games in ihrer Reihe keine halben Sachen machen.

Text: Hubert Morang

Fotos: Rockstar Games

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