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Beelitz Heilstätten –Historischer Rückblick
Auch wenn Beelitz, das 50 Kilometer südwestlich von Berlin in einem Waldgebiet liegt, vielen nur als Spargel-Stadt bekannt ist, hat es historisch etwas ganz Besonderes zu bieten: die Beelitz-Heilstätten.
Auf einem riesigen Areal entstand hier ab 1898 die größte Lungen-Heilstätte Deutschlands, welche nach ihrem Stilllegen zu einem beliebten Ort für LostPlace-Fotografen wurde. Um die Jahrhundertwende gab es in Berlin eine große Wachstumsphase und der Wohnraum wurde knapp. So kam es, dass oft mehrere Familien oder Arbeiter sich eine Wohnung teilen mussten und man auf sehr engem und dunklem Raum auch in Hinterhöfen lebte. In den Wohnräumen herrschte Feuchtigkeit, was die beste Voraussetzung für Tuberkulose war. Fast jeder dritte Berliner soll an dieser Lungenkrankheit gestorben sein.


Den Tuberkulose-Bazillus fand Robert Koch bereits 1882, doch es dauerte bis 1943, bis ein spezielles Antibiotikum herauskam. Da es noch keine Medikamente gab, wurden in dieser Zeit viele Heilstätten in Deutschland gebaut, wo die Patienten unter strengen Auflagen versorgt wurden. Man versuchte die Krankheit durch Ortswechsel, Waldluft, Ernährungsumstellung oder Freiluftliegekuren zu behandeln. Da es sich nicht um medizinische Krankenhäuser handelte, nannte man sie Heilstätten. Großer Wert wurde auf die Architektur und die neuesten Technologien gelegt. Da die Naturverbundenheit ebenfalls eine wichtige Rolle spielte, entschied man sich als Standort für das Waldgebiet um Beelitz. Um gut erreichbar zu sein, baute man die Heilstätten kurzerhand um den Bahnhof herum.
Da das ganze Areal streng getrennt nach Männern und Frauen sein sollte, mussten die meisten Gebäude doppelt gebaut werden, der Frauenteil westlich, der Männerteil östlich der Hauptstraße. Im nördlichen Teil der Anlage entstanden die Heilstätten, im südlichen die Sanatorien. 1902 wurde der erste Teil fertiggestellt. Dieser bestand aus den Heilstätten, den
Sanatorien, dem Verwaltungsgebäude, einer Anstaltskirche und einem Heizkraftwerk. In den Jahren 1905-1908 kamen größere Pavillons, zusätzliche FreilichtLiegehallen, neue Bäderanlagen, eine Bäckerei, eine Fleischerei, ein Postamt und Ärztewohnhäuser dazu.

Mit 1.200 Patienten und 500 Angestellten wurden die Beelitz-Heilstätten zur größten Heilanstalt im Deutschen Reich und konnte sich fast selbstständig versorgen. Die Einrichtungen wurden nach Arbeitsaufteilung unter den Geschlechtern gebaut. Die Wasch- und auch Kochküchen auf der Frauenseite sowie die Werkstätten und das Heizkraftwerk auf der Männerseite. Im 1. Weltkrieg wurde die Anlage als Lazarett vom Roten Kreuz benutzt. Wohl bekanntester Patient war Adolf Hitler, der 1916, nachdem er durch eine Granate am linken Oberschenkel verletzt worden war, als verwundeter Soldat zwei Monate hier verbrachte.
Zwischen 1926 und 1930 kamen dann ein Chirurgie-Gebäude und eine neue Wäscherei hinzu, bevor Beelitz im Zweiten Weltkrieg wieder als Lazarett benutzt wurde. Zu Kriegsende wurde das Areal zwischen Deutschen und Russen umkämpft, da die deutschen Soldaten ihre im Lazarett verbliebenen Kameraden evakuieren wollten. Schließlich fielen die


Heilstätten an die Russen, die während der DDR-Zeiten dort das größte russische Militärkrankenhaus außerhalb Russlands betrieben. In den Jahren 1990/91 verbrachten Erich und Margot Honecker eine Zeit lang in Beelitz, bevor sie von dort aus nach Moskau ausgeflogen wurden, 1994 wurden die letzten russischen Truppen abgezogen und die gesamte Anlage in schlechtem Zustand hinterlassen. Im Juni 1996 kam der gesamte Komplex unter Denkmalschutz.
Im gleichen Jahr öffnete in der denkmalgerecht sanierten Männer-Heilstätte eine neurologische Rehabilitationsklinik. Der Rest des Areals wechselte in den folgenden Jahren öfters die Besitzer, wobei immer wieder kleine Teile saniert und bezogen wurden. Ein Großteil blieb sich aber selbst überlassen und wurde so zu einem Paradies für Diebe, Abenteurer, Fotografen und Graffiti-Künstler, so dass das Areal schließlich abgesperrt werden musste.
In den vergangenen Jahren bot die Berliner Firma go2know, die sich auf Fototouren an verlassenen Orten („Lost Places“) in Deutschland spezialisiert hat, mehrmals im Jahr Fototouren zu den verlassenen Gebäuden der Männeranstalt an. 2015 eröffnete auf dem Areal der Heilstätte für Frauen ein Baumkronenpfad, auf dem man dem Hauptgebäude, das kurz vor Ende des Kriegs abgebrannt und nie wieder in Stand gesetzt worden war, in 23 Meter Höhe beim Verwildern zusehen kann. Derweil wurden auf dem Gelände des Frauensanatoriums wischen 2016 und 2019 sämtliche Gebäude saniert. Mittlerweile ist dieser Bereich der einzige, der komplett wiederhergestellt wurde.


Das Sanatoriumsgelände für Männer wurde ab 1996 als Filmkulisse für mehrere Filme benutzt, unter anderem „Männerpension“, „Der Pianist“ und „Operation Walküre“, für den sich Tom Cruise täglich per Hubschrauber zum Dreh fliegen ließ. Auch diverse Musikvideos wurden dort gedreht, wovon das bekannteste sicher „Mein Herz brennt“ von der Berliner Band Rammstein ist. Aus dem Musikvideo

„Seven Deaths of a Bird“ von Meret Becker findet man heute noch im Eingang des Badehauses ein altes Piano, welches damals als Requisit diente und danach ein beliebtes Fotomotiv wurde. Im Jahr 2015 wurden für die Dreharbeiten zu dem Horrorstreifen „A Cure for Wellness“ große Teile des Sanatoriums sowie das Badehaus unter Überwachung des Denkmalschutzes renoviert und teilweise in den Originalzustand zurückversetzt. 2020 schlussendlich wurde einem neuen Bebauungsplan zugestimmt. So entsteht im Moment eine neue Stadt auf dem Areal, wodurch in den Beelitz-Heilstätten endlich wieder neues Leben einkehren wird.


Text und Fotos: Georges Noesen


Möchte man das Areal besuchen, so werden Führungen, Foto-Touren und diverse Events angeboten.
Infos unter: baumundzeit.de www.kulturbhs.de