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Frust oder Liebe
Wie finde ich meinen Wunschpartner? In der Realität oder digital? Viele entscheiden sich für Online-Dating-Apps wie Tinder und Bumble. Natürlich bringt dies nicht nur Positives. revue ist zusammen mit der Gründerin der Partnervermittlung „Luxdates“ dem Dating-Leben in Luxemburg auf den Grund gegangen.
„In Wirklichkeit bekommt man schneller einen Eindruck, wie die Person in Wirklichkeit ist“ – „Ich fühlte mich durch das Schreiben wohler und konnte mehr aus mir rausgehen.“ Unterschiedlicher können die beiden Aussagen nicht sein. Im Gespräch mit zwei verschiedenen Personen wurde klar, dass Online-Dating nicht für jeden das Richtige ist. Doch warum entscheiden sich viele Leute dafür, auf Online-Plattformen die große Liebe zu finden?
Laut Claudia Neumeister von „Luxdates“ halten immer mehr Menschen an strikten Idealen fest, wie der zukünftige Partner sein soll. „Menschen laufen mit einer Idee von einem Idealpartner durch die Welt und kriegen auch vorgegaukelt, dass dieser Idealpartner irgendwo da draußen auf sie wartet“. Durch diese festgefahrene Vorstellung wird nicht mehr hinterfragt, was eigentlich eine Beziehung ist, beziehungsweise wie diese funktioniert. Vor allem wird sich nicht damit beschäftigt, welche Leute es wirklich gibt und welche draußen in der Realität rumlaufen.
Natürlich finden auch Personen ihre Liebe auf den Online-Dating-Plattformen. Jedoch sollte man sich darüber im Klaren sein, wenn man solche Apps benutzt, um was es sich eigentlich handelt. Jede Webseite und jede App, sei es Tinder, Bumble oder Badoo, sie alle haben eins gemeinsam: einen bestimmten Algorithmus. Dieser ist so programmiert, dass die User dranbleiben müssen. Das Hauptziel dieser Dienste ist somit nicht, ihnen den perfekten Partner zu finden, sondern ihr Ziel ist es, in erster Linie die User so lange wie möglich dazu zu bringen, die Plattform zu nutzen. Sie werden in dem Moment zum Produkt, und viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sich hinter dieser vermeintlichen Vielfalt an potenziellen Partnern eine Geschäftsidee verbirgt.
Dieser konstante Drang, weiter auf den Online-Plattformen zu suchen, ist totaler Stress. Es ruft das Phänomen namens „Fomo“ hervor – die „Fear of missing out“. Die Leute wollen nicht eine Person verpassen, weil diese vielleicht der Idealpartner ist. Die meisten Dating-Apps, wie zum Beispiel Tinder, funktionieren mit einem Radius. Die User können den beliebig einstellen, und die App sucht nach anderen Usern, die sich in diesem Radius befinden. Sobald man an einem neuen Ort ist, werden einem natürlich wieder neue User vorgeschlagen. Dies bewirkt, dass
Menschen
Claudia Neumeister
die Leute einen konstante Drang entwickeln, wieder auf die App zu gehen, denn es könnten ja wieder neue potenzielle Partner vorgeschlagen werden, die den eigenen Idealen entsprechen. Neben dem Aufbau der Dienste ist auch das ganze Kommunikationsmodell an sich purer Stress. Sie müssen den Leuten schreiben und erzählen immer wieder die gleiche Geschichte. Und bekommen überwiegend die gleichen Antworten. Darüber hinaus existiert stets eine Erwartungshaltung bezüglich der Antwort.

Wenn die eine Person nicht sofort antwortet, entsteht sofort Kopfkino, und man stellt sich die unterschiedlichsten Fragen: „Findet er/sie mich nicht mehr interessant, hat sie/er einen Anderen oder einen Besseren gefunden?“ Durch diese Erwartungshaltung hat man das Gefühl, auch immer direkt antworten zu müssen, jedoch befinden sich die Menschen nicht in einem luftleeren Raum, sondern haben ein Leben neben dem Dating. Meistens jedenfalls. Das vergleichende Element: „wie sehe ich aus?“ oder „sind die anderen besser aussehend?“ spielt in dem Kontext natürlich auch eine große Rolle. Diese Fragen stellen sich manche Nutzer tagtäglich, was erneut Stress aufbaut.
Claudia Neumeisters Erkenntnissen nach, existieren in Luxemburg häufig relativ festgefahrene Kreise, in denen sich die Leute aufhalten. Diese überschneiden sich jedoch nicht wirklich. Zusätzlich ist Luxemburg eine Großregion, in der es viele Pendler gibt. Die Chance, da den Richtigen zu treffen, gestaltet sich für manche Personen laut Claudia recht schwierig. Deswegen hat sie sich entschieden, „Luxdates“ zu gründen. Die Partnervermittlung agiert nach einem komplett analogen Prozess. Interessenten kontaktieren sie zuerst, danach kommt es zu einem Erstgespräch. Das dauert in der Regel zwischen 60 und 90 Minuten. „Es ist im Prinzip ein erstes Date.“ Während dem Gespräch geht Claudia Neumeister auf die Vergangenheit der Person ein, auf die Beziehungshistorie, auf mögliche Verhaltensmuster und hinterfragt natürlich auch, was gefordert ist als Wunschpartner, und gibt diesbezüglich ihre persönliche Einschätzung, ob die Erwartung überhaupt realistisch ist. Danach begibt sich Claudia auf die Suche.
„Luxdates“, sagt die Chefin, hebe sich aus einem bestimmten Grund von der Konkurrenz ab, und zwar kenne sie alle ihre Kunden persönlich. Sie führt mit ihnen intensive Gespräche: „Ich weiß, was sie antreibt. Ich weiß, welche Werte sie haben und ich weiß ungefähr, wer zu ihnen passt und stelle sie einander vor.“ Ihr Kredo ist, dass sich die Kunden schnellstmöglich treffen sollen und sich mindestens zweimal treffen. Dieses Prinzip mit nur einem Date, und dann nie wieder, ist so eine Philosophie, die Claudia Neumeister überhaupt nicht teilt.
Die Verbindung zwischen zwei Menschen, sagt sie, sei ein entscheidender Bestandteil, um irgendwann auch eine Beziehung darauf aufbauen zu können. Durch fehlende persönliche Treffen und Gespräche, könne so eine Verbindung nicht entstehen. Vor allem in bereits bestehenden Beziehungen merke man die fehlende Verbindung und den Drang der angeblichen Vielfalt, wie bereits angedeutet. Es komme zum Beispiel zu irgendeinem ganz banalen Streit, und sofort hinterfragten die Betroffenen gleich die ganze Beziehung. Somit würde sich oft schnell getrennt, weil es da draußen ja anscheinend noch ganz viele andere potenzielle Partner gebe. Dies habe zum Effekt, dass es zu seriellen Kurzbeziehungen käme, in denen keine emotionale Bindung entsteht und auch keine emotionale Resilienz, um ernste Themen anzugehen. „Ich habe nichts gegen Dating-Apps, wie Tinder und co. Ich kenne auch zahlreiche Paare, die sich so kennengelernt haben“, sagt Neumeister. Auf diesen Plattformen entsteht der allererste Kontakt, es ist laut Claudia so eine Art „virtuelle Kneipe“. Auf diesem Kontakt soll man sich aber nicht ausruhen. Denn nur durch das Aussehen auf den Bildern und dem gemeinsamen Schreiben werden nicht alle Kommunikationsebenen bedient. So kann keine echt persönliche, emotionale Verbindung entstehen. Somit soll dieser virtuelle Kontakt so schnell wie möglich in die reale Welt übertragen werden, um dort eine echte Bindung pflegen zu können.
Wegen Corona dachten viele Menschen, der persönliche Kontakt würde mehr und mehr verschwinden, die OnlinePräsenz stetig verstärkt werden. Jedoch merkt Claudia Neumeister, dass eher das Gegenteil momentan und in Zukunft stattfinden wird. Gerade wegen der jahrelangen Pandemie würden sich die Menschen jetzt wieder öfter treffen und persönliche Kontakte pflegen. Natürlich würde das Online-Dating nicht komplett aussterben, aber es sei zu bemerken, dass die reellen Interaktionen wieder mehr in den Vordergrund rücken.

Text: Dana Conrardy
Fotos: Tim Douglas, cottonbro, Ketut Subiyanto (alle Pexels), Chris Karabach