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Constellations“: Blick auf die digitale Kunst
Metz by night
In diesem Sommer lädt die Stadt Metz erneut zu einer Reise in den Kosmos ein. Vom Sainte-Croix-Hügel bis zum Inselviertel wirft das Festival „Constellations“ einen neuen Blick auf die digitale Kunst von heute.
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Im Temple Neuf unterhalten sich Außerirdische in einer unverständlichen Sprache. Über der Terrasse des Opern- und Theaterhauses schwebt eine sich ständig verändernde Lichtwolke. Der Fabert-Garten ist von rätselhaften Objekten erobert worden, während die Saint-Clément-Kirche ihre neoklassische Fassade opfern musste und die Eglise des Trinitaires von wellenförmigen Spiegelungen heimgesucht wird, die einen ganz schwindelig im Kopf werden lassen. Wird in Metz etwa ein SF-Thriller gedreht?
Nein, versichert uns ein Ortskundiger. Das „Festival International d’arts numériques“ hat das Herz der Stadt erneut gefangen genommen. Thema der diesjährigen vierten Ausgabe, die rund 20 digitale Kreationen vereint, ist das Wasser im öffentlichen und gelebten sowie im virtuellen Raum. Wasser als Quelle der Fantasie und der Vorstellung eines möglichen Lebens im Weltall. Auf dem Mars, zum Beispiel. Unsinn? Nicht unbedingt. Immerhin haben neue wissenschaftliche Beobachtungen der NASA das Vorhandensein von flüssigem Wasser auf der Oberfläche des roten Planeten (dem der Brite Luke Jerran eine aus Bildern, Licht und Klängen bestehende Installation gewidmet hat) belegen können. Woher dieses dunkle Linien bildende Wasser kommt, hat man zwar noch nicht herausgefunden, dennoch erinnert die rezente Erkenntnis an den Blockbuster „The Martian“, in dem Matt Damon nach einem Unfall auf einer Mission auf dem äußeren Nachbarn der Erde zurückgelassen wird und fortan um sein Überleben kämpfen muss. Und was tut der clevere Astronaut? Er mischt Marsboden mit seinen Exkrementen und pflanzt Kartoffeln an.
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Thema der vierten Festivalausgabe, die rund 20 digitale Kreationen vereint, ist das Wasser im gelebten und virtuellen Raum.
Ähnlich schwierige Zeiten hat Metz zum Glück hinter sich. Wie sich die keltische Siedlung im Verlauf der Jahrhunderte zu einer europäischen Metropole gemausert hat, kann man in Geschichtsbüchern nachlesen. Davon, dass die Stadt, die an der Mündung der Seille in die Mosel liegt, in diesem Sommer als internationale Hauptstadt der digitalen Künste gefeiert wird, sollte man sich vor Ort überzeugen – und (wenn möglich) an einer Führung teilnehmen. Denn so beeindruckend verschiedene Projekte und Inszenierungen auch sind, die meisten sind Teil einer umfassenden Reflexion, die nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick zu erkennen ist. So ist die aus
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Cosmic Uroboros von C4RTO & Ena Eno
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Flux von Scale
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Mars von Luke Jerran
6.000 recycelten Glühbirnen zusammengesetzte interaktive „Cloud“ der beiden Kanadier Caitlind r.c. Brown und Wayne Garrett ein Hinweis darauf, vernünftiger mit Haus- und Stadtmüll umzugehen, während die Installation „EXO“ des spanischen Künstlerkollektivs Playmodes eine abstrakte Alien-Sprache definiert und darüber hinaus eine Metapher für die Bemühungen um mehr Dialogbereitschaft zwischen Menschen verschiedener Kulturen darstellt. Allerdings gibt es auch Kreationen, die einfach nur wunderschön sind.
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„Reflexion“ von Petr Vacek und Adam Cigler ist ein solcher Blickfang. Die Installation besteht aus 91 sich bewegenden Spiegeln und verwandelt die Eglise des Trinitaires in einen einzigartigen Ort der Bewegung. Dabei stellt ausgerechnet dieses Kunstwerk komplexe Fragen: Sind wir Teil einer verankerten Gesellschaft oder sind wir lediglich ein winziges Bildelement einer gigantischen digitalen Rastergrafik? Werden wir manipuliert von nicht sichtbaren Einflüssen oder haben wir uns längst integriert? Antworten gibt es keine. Feststeht lediglich, dass man für die Dauer des Besuchs der Kirche eins wird mit vielen anderen, was ein Gefühl von Verbundenheit bewirkt. Und von Größe.
Jeder einzelne Künstler und jedes multidisziplinäre Kollektiv möchte mit seinem Festivalbeitrag beweisen, dass ihr Schaffen nicht allein der Unterhaltung dient, sondern digitale Kunst definitiv zeitgenössische Kunst ist. Video-Mappings, immersive und interaktive Installationen, Laser-Bühnenbilder… Ein Raum ist nicht mehr „nur“ ein Raum, sondern kann auf höchst unterschiedliche Weise verändert und daher stets anders wahrgenommen werden. Genau darum geht es bei „Constellations“.
Zusätzlich zur Nachttour bietet die Stadt Metz noch zwei weitere Kulturspaziergänge im öffentlichen Raum an: die Street Art-Route und der „Arts & Jardins“-Parcours. Insgesamt kann man zwölf Kilometer Kunst von 86 Künstlern aus 30 Ländern entdecken – und eine Menge dazulernen. Vor allem aber macht es Spaß, Teil eines Kunstwerks zu werden. Sowohl bei der bereits erwähnten „Cloud“ als auch bei der Installation „Flux“ in der Maison de la Région bestimmt das Publikum die Bewegungen des Lichts und des Klangs. Spätestens in dem Moment beginnt man darüber zu grübeln, wie das alles bloß möglich ist. Aber eigentlich müssen sich lediglich diejenigen wundern, die (wie ich) von Computerprogrammierung und Robotik, von Tonkunst und Motion Design, von Kinetik und komplexen 3D-Technologien nicht die geringste Ahnung haben und daher aus dem Staunen nicht herauskommen. Was wiederum gut so ist.
Text: Gabrielle Seil Fotos: Philippe Gisselbrecht/Ville de Metz