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Babybauch Art“ von Nathalie Leger
Für die Ewigkeit
Für werdende Mütter ist die Schwangerschaft eine Zeit voller Erwartungen, Vorfreude und Ungewissheiten, die viele Eltern verewigen möchten. Nathalie Leger macht aus kugelrunden Babybäuchen Gipsabdrücke.
„Jeder Babybauch hat seine ganz eigene Geschichte“, sagt Nathalie Leger. „Für eine werdende Mutter ist das eine sehr tiefgründige Angelegenheit. Es ist nicht nur ein Gipsabdruck, es ist eine Erinnerung, die sie immer wieder in die Zeit der Schwangerschaft zurückversetzt. Sie an dieses einmalige Gefühl erinnert, ein Baby in sich zu tragen. Ich glaube, das können nur wir Frauen verstehen“, meint sie lachend.
In ihrem Atelier im Dachboden gibt es kaum Platz um sich zu bewegen, und wer nicht aufpasst, stößt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch den Kopf an der Decke, doch hier fühlt sie sich wohl, in ihrem Reich. 150 BabybauchAbdrücke häufen sich in allen Ecken und alle warten darauf, in ein 3D-Gemälde oder eine Skulptur verwandelt zu werden. Sie nennt sie liebevoll „Butzewunneng“. „Ech verzauberen Butzewunnegen“, meint sie ganz begeistert. „Es gibt zahlreiche Möglichkeiten und der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.“
Die dreifache Mutter fällt durch ihre muntere und lockere Art auf. Sie strahlt eine sehr spontane Begeisterung aus, vermischt mit einer fast kindlichen Schüchternheit. Ich würde sie als authentisch beschreiben, wie es Kinder sein können. Es ist regelrecht erfrischend ihr zuzuhören, wenn sie darüber berichtet, dass sie am Gipsabdruck spüren kann, welche Position das Baby gerade im Bauch seiner Mutter beim Abdruck hatte. „Das ist ein wunderschönes Gefühl. Das ist einfach unbeschreiblich. Es kann der Kopf, der Rücken oder der Po sein.“
Für einen Außenstehenden sehen die zahlreichen weißen Abdrücke, die noch grob und ungeschliffen im Atelier gelagert sind, eher unpersönlich aus, zumal es so viele sind. Doch für Nathalie hat jeder Abdruck seine ganz eigene und persönliche Geschichte, die ihr von der werdenden Mutter anvertraut wurde. Es entsteht, bereits bei der ersten Begegnung, eine sehr innige Beziehung. „Es ist fast immer ein sehr emotionaler Augenblick“, sagt Nathalie. „Sie verraten mir sehr viel über ihre Schwangerschaft, ihre Gefühle und manchmal sogar ihre Ängste. Andere verraten mir den Namen ihres Babys, bevor überhaupt jemand aus der Familie darüber Bescheid weiß. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie mir vertrauen.“
Die Stimme wird zögerlich. Es fällt ihr schwer zu erwähnen, dass manche ihrer Kreationen nicht mit einem Happy End verbunden sind. Die Tränen steigen der dreifachen Mutter in die Augen. Sie schweigt einen Augenblick, fährt
Es ist eine sehr tiefgründige Angelegenheit für eine werdende Mutter.
Nathalie Leger
Nathalie Leger
dann aber mit gebrochener Stimme fort. Den Verlust eines Kindes hat sie selbst erlebt.Sie kennt diesen unbeschreiblichen Schmerz. „Mir hat es sehr geholfen, darüber zu reden und ich bin überzeugt, dass ich anderen Frauen dementsprechend das Gefühl geben kann, dass sie nicht allein mit ihrem Schicksal sind, denn es bleibt leider ein Tabuthema.“ Ein Gipsabdruck, gerade wenn ein Kind gestorben ist, kann für die Eltern ein Erinnerungsstück sein, das ihnen hilft ihre Trauerarbeit zu erleichtern. „Es ist schwer zu beschreiben, aber ich bin fest davon überzeugt, dass diese Aktivität mein Lebensweg ist“, betont Nathalie. „Es ist mehr als eine Leidenschaft, es ist als würde ich gebraucht!“
Wer hätte das vor einigen Jahren geahnt? Wahrscheinlich niemand. Aus der ehemaligen Schülerin der „Ecole d’hôtellerie et de tourisme du Luxembourg“ (EHTL) in Diekirch wurde keine Sterneköchin sondern eine Künstlerin. „Als ich meine älteste Tochter Amy erwartete, kam mir plötzlich die Idee, meinen runden Babybauch mit einem Gipsabdruck zu verewigen. Am 29. November 2013. Das Datum werde ich nie vergessen“, erinnert sich die stolze Mutter. Freundinnen und Bekannte waren begeistert und wollten ihren eigenen Abdruck. Aus dem Hobby wurde ein Beruf. „Nach meiner zweiten Schwangerschaft, 2016, bin ich nach dem Elternurlaub nicht mehr zurück an meinen alten Arbeitsplatz und habe mich selbstständig gemacht."
Die Kundschaft ließ nicht lange auf sich warten. Die Wartezeit vom Gipsabdruck zum echten Kunstwerk beträgt mittlerweile ein Jahr. So groß ist die Nachfrage. „Der Abdruck sollte am besten während der vier bis fünf letzten Wochen der Schwangerschaft gemacht werden“, verrät die Expertin. 80 Prozent ihrer Kundinnen machen ihren Gipsabdruck zu Hause, meistens mit Hilfe ihres Mannes oder einer vertrauten Person. Abformsets mit hautverträglichen Gipsbinden lassen sich im Handel problemlos finden. unnachahmlichen Stil zu verpassen, der mit den Gestaltungswünschen der Kunden übereinstimmt, wird mit viel Geschicklichkeit geklebt, geschliffen und mit reichlich Farbe herumgespritzt. „Bis zu 80 Schichten Farbe werden für ein Gemälde benötigt“, betont sie. Diese Technik, die professionale Maler als „Schüttung“ bezeichnen, besteht darin, das Gemälde mit flüssiger Farbe reichlich zu übergießen, sie nach Belieben zu verteilen und anschließend trocknen zu lassen. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis der gewünschte Farbeffekt entstanden ist.
Jede Kreation ist das Resultat vieler aufwändiger Arbeitsschritte. „Gute Qualität ist mir sehr wichtig. Vor allem aber ist jede Kreation mit reichlich vielen Emotionen verbunden. Das kann ich garantieren“, meint die tüchtige Babybauch-Künstlerin. Jede Abformung ist ein handgemachtes Unikat und eine einzigartige Erinnerung. Das Konzept sorgt auf jeden Fall für Begeisterung und für Gespräch. Allein auf den sozialen Netzwerken folgen Nathalie Leger ungefähr 3.800 BabybauchBegeisterte und so unglaublich es auch klingen mag, wird sie in einigen Monaten zusammen mit ihrem Mann und den drei Kindern in ein neues Haus ziehen, weil in der aktuellen Wohnung nicht mehr ausreichend Platz für die zahlreichen Gipsabdrücke ist. „Ich brauche ein größeres Atelier“, meint sie amüsiert. „Der Umzug war die einzige Lösung.“