2 minute read

Live-Erlebnis in Zeiten der Pandemie

The Passion of Andrea 2

Live, unbedingt?

Mit drei Luxemburger Kreationen und neun Koproduktionen ist Luxemburg in Avignon so präsent wie nie zuvor.

Hurra! Frankreich ist kein Covid-19-Risikogebiet mehr. Trotzdem müssen Personen über elf Jahren in geschlossenen Räumen sowie bei Menschenansammlungen oder auf Märkten weiterhin einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Die Auslastung von Restaurants und Cafés ist auf 50 Prozent begrenzt, und an einem Tisch dürfen maximal sechs Leute Platz nehmen. Auch in Museen, Bühnenhäusern und anderen Kultureinrichtungen sind nach wie vor strenge Hygieneauflagen zu beachten. Schlimm? Wieso? Sollten wir uns nicht wahnsinnig darüber freuen, dass wir uns wieder in Richtung „Normalität“ bewegen? Oder wird dieses Gemeinschaftsgefühl, das Künstler und Zuschauer im analogen Raum verbindet, etwa überschätzt?

Kultur findet wieder live statt. Dabei stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, über Pay TVAngebote nachzudenken.

Ja und nein. So toll es ist, erneut an Live-Veranstaltungen teilzuhaben, die Maskenpflicht und das Distanzwahren lassen keine sozialen Kontakte zwischen den Zuschauern zu. Man kann sich demnach nicht wirklich mit anderen austauschen. Nicht in der Pause (falls es überhaupt eine gibt) und nicht nach einem Konzert oder einer Theatervorstellung, denn die Hausbars bleiben bis auf Weiteres leider geschlossen. Und so hasten fast alle unverzüglich zum Parkplatz und nach Hause. Als hätte man dieses Zuhause nicht längst satt. Freunde und Bekannte können sich selbstverständlich in einem Café zu einem Absacker verabreden, doch was ist mit Solo-Theaterbesuchern?

Als vor gut einem Jahr der Kulturkanal KUK geboren und Kultur plötzlich in den eigenen vier Wänden hör- und spürbar wurde, war ich anfangs skeptisch, aber da die hässliche D.I.Y.-Ästhetik mittlerweile überwunden ist, macht das Streamen und Entdecken neuer Projekte und Formate richtig Spaß. Ich wünsche mir sogar mehr davon und befürchte gleichzeitig, dass ich und andere sich daran gewöhnen könnten, das Wohnzimmer dem Theater- oder Konzertsaal und die Jogginghose den Ausgehjeans vorzuziehen. Irgendwie hat die Pandemie behäbiger gemacht. Doch jetzt zum eigentlichen Thema: das Theaterfestival in Avignon.

Mit Fabio Godinhos Inszenierung von Mihaela Michailovs „Sales Gosses“ sowie den Tanzstücken „The Passion of Andrea 2“ von Simone Mousset und „Hidden Garden“ von Jill Crovisier werden im „Off“ drei Luxemburger Kreationen aufgeführt. Dazu kommen vier Koproduktionen, eine „Journée professionelle Grand Est/Luxembourg“, auf welcher „Esch2022“ vorgestellt wird, und mehrere Koproduktionen im „Inn“. Die „Theater Federatioun“ und KulturLX sind ebenfalls vor Ort, um die Werbetrommel zu rühren – kurzum: Nie zuvor war Luxemburg derart präsent. Was großartig ist, denn erstens kommt die Vielfalt künstlerischen Schaffens gebührend zum Ausdruck, zweitens dürfen Schauspieler und Tänzer endlich wieder den Live-Moment auskosten, drittens ist das 1947 gegründete Festival von Avignon eines der bedeutendsten zeitgenössischen Festivals für Theater-, Gesangs- und Tanzvorführungen. Dort vor Publikum zu performen, ist schon etwas Besonderes. Was wird nun aus dem KUK? In einer höchst interessanten Stellungnahme zum ersten Geburtstag des Kulturkanals schreibt Claire Thill, dass man gerade jetzt wieder reagieren, neue Fragen aufwerfen und sich kreativ mit der momentanen Situation auseinandersetzen müsse. Womit die Künstlerin hundertprozentig Recht hat.

Vielleicht wäre es sinnvoll, in naher Zukunft darüber nachzudenken, Pay TV-Angebote für Kultur ins Leben zu rufen. Oder sind Sky, Canal+ und Co. etwa umsonst? Eben. Der Zuschauer hätte dann die Wahl. Entweder begnügt er sich mit dem virtuellen Rechteck seines Computerbildschirms oder er kauft sich ein Ticket. Auch Kunstschaffende und (Ko)produzenten könnten vom Bezahlfernsehen profitieren. Vieles wäre möglich. So wie während der Covid-19-Krise vieles möglich gewesen ist. Die KUK-Macher haben diesbezüglich wertvolle Denkanstöße geliefert. Diese gilt es zu nutzen. Zum Nutzen aller, versteht sich.

Text: Gabrielle Seil  Fotos: Sven Becker, Bohumil Kostohryz (2)

This article is from: