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Rettungsaktion für den Soldaten Chasselas

Text: Pierre Thomas Fotos: Philippe Dutoit

Louis-Philippe Bovard mit seinen zwei «neuen Chasselas» im Conservatoire von Rivaz.

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Das Conservatoire von Mont-sur-Rolle, Teilansicht. Didaktische Tafeln erklären den Besuchern Sinn und Zweck der Conservatoires.

Er ist mit Abstand die Hauptsorte des Waadtlands. Und bleibt flächenmässig die wichtigste Weissweinsorte der Schweiz. Der als neutral geltende Chasselas setzt auf seine Biodiversität. Ein Versprechen für die Zukunft!

2008, als Louis-Philippe Bovard mit seinem Projekt des Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz den mit 30 000 Franken dotierten Preis der Waadtländer Pensionskasse gewann, haben einige milde gelächelt. Ein hübsches Schaufenster für diesen Winzer, der immer eine Idee voraus ist! Zehn Jahre später kommt eine Neuheit auf den Markt: der Villette Bois rouge 2018, im Keller von Cully in kleinen Fudern ausgebaut. Nun, ehrlich gesagt, er stammt nicht nur vom «Bois rouge», sondern zur Hälfte vom «Giclet». Also von zwei alten ChasselasTypen, die als «Fendant» oder «Giclet» bezeichnet werden, je nachdem, ob sich die Haut der Traubenbeeren unter dem Druck der Finger spaltet und ein festes Fruchtfleisch freigibt (Fendant) oder ob die Beeren sehr saftig sind und sich spritzend öffnen (Giclet). Der Giclet, neu angepflanzt und reinsortig abgefüllt, besitzt mehr Säure und hat Bovards Zürcher Agenten Zweifel verführt, der ihn diesen Herbst als «Vase 6» in den Verkauf bringt. Im Alter von 85 Jahren proklamiert der «Baron des Dézaley»: «Ich glaube daran! Wir müssen uns in diese Richtung bewegen. Hin zu einem Weisswein, der den biologischen Säureabbau gemacht hat, aber eine schöne Frische bewahrt.» Und stellt fest: «Wegen der Klimaerwärmung trägt der Chasselas zu viele Trauben, wenn er auf Drahtrahmen erzogen wird. Die Ziele haben geändert, so wie der Geschmack der Konsumenten.»

Pully, das Mekka des Chasselas

Lösungsansätze, um das Problem zu lösen, hat er im Conservatoire Mondial du Chasselas von Rivaz gefunden, unter Leitung von Agroscope, seinem wissenschaftlichen Partner. Auf der Versuchsdomäne von Caudoz, in Pully, ist es den Forschern im Lauf der Jahre gelungen, 381 Klone der Sorte Chasselas zusammenzutragen, die mit

ihrer frühen Reife den Weinbaukalender kalibriert. Das ist weltweit die grösste Chasselas-Kollektion, darunter auch Klone, die aus Frankreich repatriiert wurden. Es fehlen lediglich sieben oder acht deutsche Varietäten aus der Region von Baden, unweit von Basel, auf dem rechten Rheinufer, zur absoluten Vollständigkeit.

Das Waadtland ist die grösste Region der Erde, in der sich der Chasselas als Wein- und nicht als Tafeltraube entfaltet, auf mehr als einem Drittel der weltweit für die Weinproduktion angebauten 6000 ha Chasselas (Elsass, Pouilly-sur-Loire, Savoyen, Baden, ganz wenig in den USA, in Mexiko und in Kanada, im Süden von Chile und in Ost-

Wegen der Klimaerwärmung trägt der Chasselas zu viele Trauben, wenn er auf Drahtrahmen erzogen wird. Die Ziele haben geändert, so wie der Geschmack der Konsumenten.

Louis-Philippe Bovard

europa). 2005 wurde der Chasselas als wichtigste Sorte vom Pinot Noir entthront, doch er bleibt die weisse Hauptsorte der Schweiz, vor allem in der Romandie, auch wenn er von 5577 ha im Jahr 1994 (fast 80% der weissen Sorten und 37,5% der Schweizer Rebfläche) auf 3672 ha im Jahr 2018 (weniger als 60% der weissen Rebsorten und 25% der Schweizer Rebfläche) geschrumpft ist. Das Wallis hat fast 1000 ha Chasselas verloren (und pflegt noch 822 ha), während er in der Waadt um 437 ha auf heute 2264 ha abnahm und rund 19 Mio. Liter Wein ergibt, alle Qualitäten zusammengerechnet, also 68% der insgesamt 28 Mio. Liter Wein der Ernte 2019.

Eine omnipräsente Selektion

Wenn sich also niemand darum kümmert, jetzt und hier, dann ist die Zukunft des Chasselas so unklar wie seine Herkunft… Trotz DNA-Tests konnten seine Eltern nicht aufgespürt werden, der Chasselas ist also ein Waisenkind, aber «einer der unsrigen», das beweisen schon die ersten Texte, die ihn erwähnen, im 16. Jh., wie es der Genetiker José Vouillamoz nachgewiesen hat. Und es ist seine grosse Vielfalt in den Waadtländer Rebbergen im 19. Jh., die zur Annahme führte, die Sorte habe sich an den Ufern des Lac Léman multipliziert, also da, wo sie geboren wurde und prosperierte.

Nach der Phylloxera und den Krisen der 1930er-Jahre ermutigte seine Wankelmütigkeit bei der entscheidenden Rebblüte die Forscher dazu, regelmässigere Klonen zu selektionieren. Daran arbeiteten sie seit 1923. Zu Ende der 1940er-Jahre wurde der Klon 14/33-4, genannt «haute sélection», geboren, und zwar auf der Domaine du Caudoz. Der Frost des Jahres 1956 zerstörte die Rebberge fast vollständig, sodass diese «haute sélection», die hohen Ertrag garantierte, die Rebberge kolonisierte – und das zu einem Moment, als die Schweiz auch den einfachsten Weisswein mittels Protektion schützte. Heute ist dieser produktive Klon zwischen Founex und Bex mit Abstand der am häufigsten angepflanzte.

In den 1990er-Jahren, unter der Ägide von Jean-Louis Simon, entnimmt Changins Rebstöcke in Rivaz und leitet eine erste Diversifizierung der Klone ein. Blaise Duboux

Chasselas Must Be Saved

It is by far the leading grape variety in the Vaud vineyards and is Switzerland’s champion white in terms of acreage. With its reputation for producing neutral wines, the challenge for the future is to focus on biodiversity.

When in 2008 Louis-Philippe Bovard won first prize and was awarded 30,000 francs in the Retraites Populaires vaudoises competition for his project to create a Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, he was not taken seriously. Ten years later in his winery in Cully, he produced a novelty, matured in small oak barrels: Villette Bois rouge 2018. In fact, not entirely Bois Rouge but half Giclet. It is made from two very old types of Chasselas, namely Fendant and Giclet depending on whether when pressed between the fingers the wine grape is fleshy and splits (fendre to split), or the juice squirts (gicler to squirt). The newly planted and more acidic Giclet impressed his Zurich agent, Zweifel, who will be marketing it this autumn under the label Vase 6. The 85-year-old Bovard, known as the Baron of Dézaley, firmly believes that the direction we should be taking is to produce a white wine that goes through a secondary malolactic fermentation yet retains its freshness. He points out that “With global warming, Chasselas grapevines grown on a trellis have become too fruitful. Our objectives have changed and so have consumer tastes”.

aus Epesses, Präsident von Arte Vitis, erinnert sich daran. Und nicht ohne Grund: Er hat seine Diplomarbeit als Önologe über diese Versuche geschrieben! «Die Unterschiede waren statistisch sehr schwer nachzuweisen.» Zwanzig Jahre später gelang es Jean-Laurent Spring, Chef der Gruppe Weinbau bei Agroscope, neue Klone zu selektionieren, aufgrund der Beobachtung von 180 Klonen der Kollektion. Diese neuen Selektionen mit den Nummern RAC 72 bis 75 sollten den Winzern via Rebschulisten ab jetzt zur Verfügung stehen. Sie gesellen sich zu den RAC 4 bis 8 aus den 2000er-Jahren und erhöhen die Zahl der verfügbaren Chasselasklone damit auf zehn. Stoff also, um nuanciert arbeiten zu können, wenn das die Winzer denn wollen…

Besser noch: Die Forschung hat polyklonale Selektionen herausgearbeitet, die dieses Jahr in Rivaz gepflanzt wurden; bei ihnen kann die Produktivität gewählt werden (schwach, mittel oder gross), ihre Säure ist lebhafter und sie können mehr Stickstoff enthalten. Der letzte Punkt ist interessant. Denn wenn es dem Most an Stickstoff fehlt, dann verleiht ein durch dieses Defizit erzeugtes Molekül dem Wein gefährliche Aromen, wie der Önologe Richard Pfister erklärt: «Dieses Molekül sorgt für Bitterkeit und Adstringenz, kombiniert mit komplexen Noten, die teilweise positiv wirken, trotz der Tatsache, dass der Wein vorzeitig altern wird: Akazienblüten, Möbelpolitur, Lindenblüten, Weissdorn, Heu, frisch geschnittenes Gras, feuchte Wäsche. Es hat auch einen verhüllenden Effekt auf die anderen aromatischen Moleküle und reduziert folglich Intensität und Komplexität des Buketts. Zudem führt es zu einem Stress der Hefen während der Gärung, wenn der assimilierbare Stickstoff im Most nicht korrigiert wird. Sprich: zu reduktiven Noten.» Und Reduktion ist einer der klassischen Fehler, die man in Chasselasweinen entdecken kann.

Ein zweites Konservatorium in der Waadtländer Côte

Das als Stiftung organisierte Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, das einen halben Hektar umfasst, besitzt seit vier Jahren eine Replik in Mont-sur-Rolle, bei Laura Paccot, in der Lage Petit-Clos, welche die junge Winzerin von ihrer Grossmutter mütterlicherseits geerbt hat. Die ersten Vinifikationsversuche mit den vielversprechends-

Laura Paccot kultiviert in Mont-sur-Rolle ihre verschiedenen Chasselasklone gemäss biodynamischen Regeln.

An important centre for Chasselas in Pully

Together with Agroscope research station, he found a way for approaching the problem thanks to the Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz. At the Caudoz experimental estate in Pully, researchers have assembled 381 clones of this variety whose early ripening serves to calibrate the winegrowing calendar. It is the largest collection of different Chasselas wine grapes in the world and includes clones brought back from France. To complete the collection, only seven or eight German varieties from the Baden region, downstream from Basel, on the right bank of the Rhine, are missing.

The Vaud vineyards are also the largest region in the world planted to the Chasselas wine grape, accounting for more than a third of the 6,000 ha considered suitable for wine growing (alongside Alsace, Pouilly-sur-Loire, Savoie, Baden, some areas in the USA and Canada, in southern Chile and Eastern Europe). Although it lost its place as the leading Swiss variety to Pinot Noir in 2005, Chasselas is still the leading white variety in Switzerland, especially in the French-speaking part, even though its cultivated area dropped from 5,577 ha in 1994 (almost 80% of white varieties and 37.5% of Swiss vineyard acreage) to 3,672 ha in 2018 (less than 60% of white varieties and 25% of Swiss vineyard acreage). The Valais region has dropped by 1,000 ha to 822 ha while in the Vaud area, after declining by 437 ha, there are still 2,265 ha planted to Chasselas, which in 2019 produced 19m litres of wine, that is 68% of the national total of 28m litres.

Die beiden Wissenschaftler Olivier Viret (links) und Jean-Laurent Spring engagieren sich in der Evolution der wichtigsten Schweizer Weissweinsorte. ten Klonen starten dieses Jahr, nächstes Jahr sollen die polyklonalen Selektionen gepflanzt werden, in einer Versuchsparzelle von fast einem Hektar. Die beiden Standorte Rivaz und Mont-sur-Rolle können besichtigt werden: Informationstafeln und die Namen der betreffenden Klone am Anfang jeder Rebzeile erklären, worum es geht.

So wird man die Entwicklung der Pflanzen unter unterschiedlichen Boden-, Klima und Weinbaubedingungen vergleichen können, gemäss Integrierter Produktion kultiviert im Lavaux, biodynamisch in der Côte. Dieses Jahr publiziert Jean-Laurent Spring einen Vergleich der wichtigsten Chasselasklone unter besonderer Berücksichtigung der beiden Konservatorien. «Wir schreiben die Geschichte des Chasselas neu», fasst Olivier Viret zusammen, der Weinbauspezialist, der von Changins nach Marcelin gewechselt hat, vom Bund zum Kanton also. In Erwartung weiterer Kreuzungen zwischen Chasselas und einer resistenten Sorte, um in direkter Linie zu Divico und Divona eine neue weisse Rebsorte zu schaffen, die wenig oder gar keine Behandlungen im Rebberg verlangt, eine Art «Superchasselas», mit dem Zeithorizont von 2035. Doch er wird – wissenschaftlicher Ethik geschuldet – nicht den Namen Chasselas tragen, auch wenn mehr als 50% seines Genoms auf den Chasselas zurückgehen…

The ever-present, high selection clone

Chasselas is an orphan grape variety of unidentified parents, despite DNA testing. However, it is an indigenous variety, first referred to as such in sixteenth-century texts and later confirmed by the geneticist José Vouillamoz. In the nineteenth century, the great diversity of grape types in the Vaud vineyards led to the belief that the wine grape had multiplied around the Lake of Geneva, in the region where it had originated and prospered. After the phylloxera epidemic and following the crises in the 1930s, researchers had observed its versatility, especially in the key flowering period in the spring, and were focusing on selecting more regular grape-vine clones. By the end of the 1940s the 14/33-4 high-selection clone was created at the Caudaz experimental estate. When in 1956 frost destroyed the vineyards, this high yielding and production enhancing clone was widely planted, at a time when Switzerland was restricting imports of white table wine. Still today, from Founex to Bex, this clone is by far the majority wine grape.

In the 1990s, under the auspices of Jean-Louis Simon, Changins, researchers took cuttings from vine stock in Rivaz and started clonal diversification. Blaise Duboux, from Epesses, the president of Arte Vitis, remembers this for the good reason that he based his oenology diploma work on those trials! “It was very difficult to demonstrate the differences statistically”, he explains. Twenty years later, Jean-Laurent Spring, head of the Agroscope viticulture group, selected new clones, based on the observation of 180 clones in the collection. These new numbered selections should now be available to wine growers at nurseries, thus bringing the number of available Chasselas clones to ten.

Christian Dupuis, Winzer und Rebschulist in Féchy.

Das Terroir ist wichtiger als der

Klon. Der Chasselas saugt sich voll mit dem Terroir, er ist wie ein Schwamm der Mineralität. Wenn der Boden nichts ausdrückt, ergibt er nur kleine Weine.

Blaise Duboux, Präsident von Arte Vitis

Biologischer und biodynamischer Anbau ändern die Ausgangslage!

Die wichtigste Schnittstelle in der Umsetzung all dieser von den Wissenschaftlern bestätigten Versuche sind die Rebschulisten. Es gab eine Zeit, da vermehrte (fast) jeder Winzer seine besten Rebstöcke mittels eigener Selektion. Auf der Domaine de la Colombe, bei der Familie Paccot, hielt man das so bis in die 1970er-Jahre. Unterhalb von Féchy pflegt Christian Dupuis seine Rebschule, neben seinem Weingut, auf dem er vier verschiedene Chasselas von unterschiedlichen Parzellen anbietet. In Allaman verfügt er über eine kleine Kollektion von zehn Chasselas und pflegt seine massale Selektion, die er Kollegen anbietet, vor allem als Ersatz von «fehlenden» Rebstöcken (Stöcken, die nichts mehr produzieren) oder wenn eine ganze Parzelle neu bestockt wird. Blaise Duboux macht in Villette dasselbe, mit alten Rebstöcken, die er beim Vater eines Kollegen sichergestellt hat. Beide, Dupuis und Duboux, sind sich einige: «Sowohl der 14/33-4 als auch der RAC 4, der davon abstammt, sollten nicht unterschätzt werden. Sie haben ihr letztes Wort noch nicht gesprochen!» Der Lavaux-Winzer, der seine Reben biodynamisch bewirtschaftet, erklärt, eine nach IP-Regeln als grosszügig bekannte Selektion könne durchaus einen geringeren Ertrag erbringen, wenn sie biologisch oder

Another conservatory in the La Côte region

Four years ago, the Conservatoire Mondial du Chasselas in Rivaz, set up as a foundation, with a surface area of half a hectare, was replicated in Mont-surRolle, at Laura Paccot’s Petit Clos plot that she had inherited from her grandmother. The first winemaking tests using superior quality clones are due to begin this year, and next year polyclonal selections will be planted on an experimental plot of approximately one hectare. Both the Rivaz and the Mont-sur-Rolle sites can be visited. Information panels have been set up and signs at the beginning of each line of grapevines indicate the relevant Chasselas clone.

It will now be possible to compare the evolution of plants cultivated under different soil, climatic and cultural conditions, using integrated production methods in Lavaux and biodynamic methods in the La Côte region. In the meantime, there will be other crossings of Chasselas and disease resistant varieties in the search for a new white grape variety requiring little treatment or none at all - a kind of Super-Chasselas by say 2035!

Respect for the grape now takes precedence over oenological manipulations, particularly with the growth of organic and biodynamic farming and winemaking specifications that limit inputs.

The terroir comes before the grape variety

In Vaud, just as in Bourgogne but not in Alsace, the history of winemaking shows that the place of production overshadows the grape variety. That is why the term Chasselas is very rarely seen on labels! “The terroir is more important than the clone. Chasselas soaks it up, it’s

Gilles Cornut, technischer Direktor der Cave de la Côte, welche sich mit ihren Chasselas profiliert hat.

biodynamisch kultiviert werde. «Derselbe Klon ergibt auf verschiedenen Bodentypen andere Trauben», vervollständigt Christian Dupuis. Zudem besteht weiterhin das Misstrauen der Winzer gegenüber einer «Klonselektion», für die ein einziges Individuum identisch vervielfacht wird, im Gegensatz zur zufälligeren «massalen Selektion» mit mehreren Individuen, auf die sich die Risiken verteilen: «2016 haben unsere massalen Selektionen dem Falschen Mehltau besser widerstanden als die klonalen», bestätigt Blaise Duboux. Die neuen «polyklonalen (oder dirigierten massalen) Selektionen», die eine Familie von Individuen vereinigen, sollten dieses Risiko wettmachen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Wahl der Unterlagsrebe, je nach Fruchtbarkeit des Bodens. 53% der von den Genossenschaftern der Cave de la Côte kultivierten Fläche, also 225 Hektar, sind mit Chasselas bestockt. Der technische Direktor der Cave, Gilles Cornut, bestätigt die Vorherrschaft des RAC 4. Für den Rebschulisten Claude Lapalud aus Etoy vinifiziert die Cave einen Chasselas aus seiner eigenen Selektion, dem «Klon 72», mächtiger, mit mehr Schmelz, aber auch rustikaler als ein zweiter Wein aus massaler Selektion. Die «Schweizer Kellerei des Jahres 2019» hat, wir erinnern uns, ihren Titel beim Grand Prix du Vin Suisse dank zwei Chasselas gewonnen. Es gibt, nicht nur im Keller, verschiedene Arten, die Weinstile zu variieren, gleichgültig, aus welcher Rebsorte der Wein gekeltert wird. Auch wenn der Respekt vor den Trauben heute mehr Gewicht hat als önologische Manipulationen, dank der Entwicklung des biologischen und biodynamischen Weinbaus und der strengen Pflichtenhefte bezüglich der Hilfsmittel im Keller. Und im Namen des Respekts vor dem Terroir!

Das Terroir dominiert die Rebsorte

Im Waadtland tritt die Rebsorte hinter den Produktionsort zurück, ähnlich wie im Burgund und im Gegensatz zum Elsass. Deshalb wird der Chasselas kaum auf den Etiketten erwähnt! «Das Terroir ist wichtiger als der Klon. Der Chasselas saugt sich voll mit dem Terroir, er ist wie ein Schwamm der Mineralität. Wenn der Boden nichts ausdrückt, ergibt er nur kleine Weine», unterstreicht Blaise Duboux. Was Gilles Cornut, Präsident des Waadtländer Branchenverbands, bestätigt: «Das Terroir beeinflusst den Chasselas viel mehr als die Klonselektion.» Christian Dutruy in Founex, Präsident der Schweizer Rebschulisten, sieht das genauso: «Es ist nicht der Klon, der den Chasselas retten wird!» Er und sein Bruder Julien sind «grosse Chasselas-Fans», auch wenn dieser nur 15% ihrer Produktion ausmacht. Sie bieten zwei Versionen an – der Sortennamen prangt gut sichtbar auf der Etikette – einmal als «Tradition», einmal als «Cuvée spéciale» auf

a sponge for minerals. If the soil has no qualities, it produces poor quality wine”, stresses Blaise Duboux, president of Arte Vitis. Gilles Cornut, president of the Interprofessional Community of Vaud Wine, confirms: “Chasselas is influenced more by the terroir than by clonal selection”. And the president of Swiss Nursery Gardeners, Christian Dutruy of Founex, drives the point home: “It’s not the clone that’ll save Chasselas!” He and his brother Julien are “great fans of Chasselas”, even though it represents only 15% of their production. They offer two wines, both labels carry a clear mention of the grape variety, one is tradition the other cuvée spéciale on lees, and sans orientation clonale (no clonal selection). And this nursery gardener who is also a winegrower confirms that: “When we switched to organic farming, Chasselas gave us the most problems. It’s a grape variety that has always been extremely sensitive to disease”.

A survey of the Swiss-German consumer

The economic challenge facing Chasselas lies elsewhere. “It needs to adapt to current tastes”, points out Sylvie Camandona, marketing and export manager at Cave de La Côte, while Christian Dutruy adds, “so that consumers in Zurich and Basel can be proud of our Chasselas, and recognise it as a Swiss speciality!” Laura Paccot makes the point that “Consumers want indigenous grape varieties. That’s what our importer in New York is also asking for. It’s an elegant white wine, discreetly aromatic and with a good balance between acidity and alcohol. I have great faith in it. It’s rather like the French Jura wines: they stayed the course and are now enjoying worldwide success”.

den Feinhefen, aber «ohne Augenmerk auf den Klonen». Der Winzer und Rebschulist erzählt: «Als wir auf Bioanbau umstellten, hat uns der Chasselas am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Er bleibt eine Rebsorte, die extrem anfällig ist auf Krankheiten.»

Deutschschweizer Konsumenten werden befragt

Die ökonomischen Herausforderungen muss der Chasselas anderswo bestehen. «Man muss ihn dem heutigen Geschmack anpassen», fordert Sylvie Camandona, verantwortlich für Marketing und Export bei der Cave de La Côte, während Christian Dutruy ergänzt: «An dem Tag, wenn Zürcher und Basler stolz sind auf unseren Chasselas, dann wird er zu der Schweizer Spezialität!» Und Laura Paccot doppelt nach: «Die Konsumenten wollen autochthone Rebsorten. Unser Importeur in New York verlangt das von uns. Der Chasselas ist ein eleganter, wenig aromatischer Weisswein, ausgewogen und mit einer guten Balance zwischen Säure und Alkohol. Ich glaube an ihn: Was hat man nicht alles über die (französischen) Juraweine gesagt. Doch sie haben sich nicht vom Kurs abbringen lassen und feiern nun internationale Erfolge…»

Wie als Echo auf diese Herausforderung, die weit über die Rebsorte hinausgeht und das Image des Weins betrifft, hat die Vereinigung zur Promotion des Chasselas mit Sitz in Aigle, Organisatorin des Mondial du Chasselas (siehe Seite 43), beschlossen, ein nationales Projekt rund um die schweizweite Akzeptanz des Chasselas zu lancieren. Pascale Deneulin, Forscherin in Changins, erklärt: «Wir wollen wissen, warum die Deutschschweizer keinen Chasselas (mehr) trinken.» Zu diesem Zweck arbeiten zwei Deutschschweizer Institute, die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen (BE) und die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil zusammen mit Changins. Ko-finanziert vom Bundesamt für Landwirtschaft – die Arbeiten zur Rebsorte wurden vom Bund auch im Rahmen des «Nationalen Aktionsplans zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen» unterstützt –, umfasst diese Studie mit einem Budget von 100 000 Franken zwei Teile. Im ersten Teil sollen diesen Herbst Gruppenbefragungen stattfinden, um neue oder regelmässige Weissweinkonsumenten zu befragen. Detaillierte Fragebogen sollen das Image des Chasselas in der Schweiz erforschen. Ein Soziologe aus Zollikofen wird seine Schlussfolgerungen daraus ziehen. In einer zweiten Etappe sollen nächstes Jahr Chasselas mit verschiedenen aromatischen Profilen Konsumentenjurys vorgesetzt werden, um deren Geschmack und deren Vorlieben zu ergründen. Pascale Deneulin versichert: «Wir wollen Resultate, die der Branche etwas nützen.» Das ist der Preis, den man bezahlen muss, wenn man den «Soldaten Chasselas», den ökonomischen Hauptdarsteller des Waadtländer Weinbaus, retten will.

Als wir auf Bioanbau umstellten, hat uns der Chasselas am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Er bleibt eine Rebsorte, die extrem anfällig ist auf Krankheiten.

Christian Dutruy aus Founex, Präsident der Schweizer Rebschulisten

In a move that reflects the marketing challenge concerning the wine’s image, the Association for the Promotion of Chasselas, which organises the Mondial du Chasselas, is launching the first national survey to assess people’s acceptance of Swiss wines. Pascale Deneulin, a researcher at Changins explains: “We want to find out why the German-speaking Swiss do not drink or have stopped drinking Chasselas”. Two Swiss German institutions, the School of Agricultural, Forest and Food Sciences in Zollikofen (BE) and the Zurich University of Applied Sciences in Wädenswil, will be working on the project together with Changins. The study co-financed by the Federal Office of Agriculture – the work carried out on grape varieties also benefited from Federal aid in the framework of the National Action Plan for the Conservation and Sustainable Use of Phytogenetic Resources – has a budget of CHF 100,000 and is divided into two phases. The first, to be carried out this autumn, will consist of focus group interviews with both new and regular white wine drinkers, and detailed questionnaires aimed at understanding the image of Chasselas among the swiss people. The results will be delivered by a sociologist from the Zollikofen school. In the second phase, to be held next year, consumer panels will be asked to assess Chasselas wines with different aroma profiles, in order to identify their tastes and preferences. Pascale Deneulin assures us that useful results for the wine sector will be obtained. And that is how our Chasselas wine, a major economic player in the wine industry of Vaud, will be saved.

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