heuma R Management rheumatologie/ Osteologie
Offizielles Mitteilungsorgan des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen e. V. (BDRh)
Ausgabe 2/2011
Neues Versorgungsgesetz ist ein Schritt nach vorne Annette Widmann-Mauz
Weiterbildung zum Facharzt für Rheumatologie Wie Deutschland und Europa zusammenwachsen
Strukturvertrag nach §73a SGB V zur Rheumaversorgung in Brandenburg Patienten können auf deutlich bessere Versorgung hoffen
Rheumatoide Arthritis Sind die neuen provisorischen ACR/EULARRemissionskriterien bereits für die Anwendung in der Praxis geeignet?
Rheuma Update 2011 Die Highlights aus Wiesbaden
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3 Editorial
Neues Versorgungsgesetz ist ein Schritt nach vorne „Fragen bleiben jung. Antworten altern rasch“ – diese Einsicht des Schweizer Schriftstellers Kurt Marti gilt besonders für die Dynamik unseres Gesundheitssystems. Wir wollen neue und tragfähige Antworten geben, um auch künftig allen Menschen eine qualitativ hochwertige wohnortnahe und bezahlbare Versorgung auf dem aktuellen Stand des medizinisch-technischen Fortschritts zu ermöglichen.
Mit der erfreulich steigenden Lebenserwartung folgen die Auswirkungen des demografischen Wandels. Krankheitsbilder wie rheumatoide Arthritis werden deutlich zunehmen. Auch unsere medizinischen Versorgungsstrukturen verändern sich. Bereits heute verfügen wir nicht mehr in allen Fachbereichen und Regionen über genügend Ärztinnen und Ärzte. Besonders auf dem Land folgen kaum Nachfolger, wo Ärzte altersbedingt ausscheiden. Ob in Ballungszentren oder auf dem Land, gerade für ältere und chronisch kranke Menschen ist eine wohnortnahe Versorgung lebensnotwendig. Annette Widmann-Mauz, MdB Mit dem Versorgungsgesetz richten wir die medizinische Versorgung nun stärker an der Bedarfsrealität der Patienten und an den Erwartungen unserer freiberuflichen Ärztinnen und Ärzte aus. Neben einer insgesamt leistungsgerechteren und stärker regionalisierten Honorierung werden wir durch finanzielle Anreize und Bürokratieabbau die Niederlassung in ländlichen oder strukturschwachen Regionen erleichtern. Dies wird über Preiszuschläge für Leistungen, den Wegfall von Mengenbegrenzungen sowie flexiblere und familienfreundlichere Niederlassungsbedingungen erfolgen. Ärztinnen und Ärzte, die sich in unterversorgten Bereichen niederlassen, sollen später bei der Nachbesetzung überversorgter Gebiete besonders berücksichtigt werden. Zudem erhalten die Länder mehr Mitwirkungsrechte für eine ausgewogene und auf regionale Besonderheiten zielende Bedarfsplanung. Die Entlastungen in der vertragsärztlichen Versorgung sollen künftig auch dazu beitragen, Patienten innerhalb zumutbarer Wartezeiten zu behandeln. Dies muss auch von den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen verstärkt kommuniziert werden. Ein mir zentrales Anliegen ist die Nachwuchsgewinnung. Um die Länder bei der Schaffung von mehr Medizinstudienplätzen zu unterstützen, sind befristete Bundeszuschüsse, erweiterte Zulassungskriterien sowie eine sog. Landarztquote und entsprechende Stipendien die richtige Antwort. Der ambulante Versorgungsbereich muss dabei intensiver in die ärztliche Ausbildung einfließen.
Der Bund hat in den letzten Jahren bei Prävention, Versorgung und Forschung vielseitige Anstrengungen unternommen, um die Versorgungssituation von chronisch kranken Rheumapatienten zu verbessern. Darunter fallen umfassende Forschungsprojekte u. a. im Bereich rheumatisch-entzündlicher, muskuloskelettaler und seltener Erkrankungen, die die Ausbildung und Forschung an bundesweit fünf universitären Lehrstühlen für Rheumatologie unterstützen. Mit Blick auf die gute Vernetzung regionaler Rheumazentren wird auch die Notwendigkeit einer insgesamt engeren Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen deutlich. Darum wollen wir die spezialfachärztliche Versorgung durch einheitliche sektorenübergreifende Qualitätsstandards verbessern und auf eine analoge Vergütungssystematik umstellen. Davon profitieren gerade auch Menschen mit schweren rheumatologischen Erkrankungen, die leider noch allzu oft zwischen Praxis und Krankenhaus hin- und herpendeln müssen. In seiner Summe bietet das neue Versorgungsgesetz also eine Vielzahl guter und zukunftsweisender Ideen, Anreize und Antworten für eine bedarfsgerechtere Versorgungslandschaft, die auch vom Berufsverband Deutscher Rheumatologen mit gutem Gewissen mitgetragen werden können. � Annette Widmann-Mauz (CDU), MdB Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit
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Inhalt
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Weiterbildung zum Facharzt für Rheumatologie Weiterbildung zum Facharzt für Rheumatologie
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Der Rheumatologe aus europäischer Sicht: Wie Deutschland und Europa zusammenwachsen Prof. Dr. med. Jürgen Wollenhaupt
Strukturvertrag nach §73a SGB V zur Rheumaversorgung in Brandenburg
Erster Strukturvertrag nach §73a SGB V zur Rheumaversorgung
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Rheumatoide Arthritis
25
Neue ACR/EULAR-Klassifikationskriterien auf dem Prüfstand
Rheumatoide Arthritis
26
Sind die neuen provisorischen ACR/ EULAR-Remissionskriterien bereits für die Anwendung in der Praxis geeignet? Prof. Dr. med. Klaus Krüger
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Rheuma-Patienten können auf deutlich bessere Versorgung hoffen
Fortschritte in der Rheumatologie 2010
28
Neue Erkenntnisse zur TNF-Blockade
Kleinanzeigen
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Start-up Ausschreibung 2011
13
Termine
14
Recht und Steuern
16
Serie Sie fragen – Experten antworten
17
Erste Ergebnisse aus CAPEA auf dem EULAR-Kongress 12
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Aufruf zur Teilnahme und Rekrutierung
RA Christian Koller
Deutsche Rheuma-Liga Behandlung ohne Barrieren
Hätten Sie mal Zeit für mich?
Rheumatoide Arthritis
20
Zeitmanagement als Spaßfaktor für die Arztpraxis
Im Gespräch: Prof. Dr. Michael Hammer Praxisrelevante Tipps zu Methotrexat 1 – Pitopia
22
34
Schnelle Wirkung mit Abatacept als First-line-Biologikum innerhalb von zwölf Wochen
Dipl.-Psych. Gisela Westhoff, Dr. med. Edmund Edelmann
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Inhalt
o 2
Kritische Bewertung der neuen ACR/EULAR-Remissions26 kriterien für RA Immunologie
36
RheumaPreis 2011
36 55
Start frei für die dritte Runde
Neues aus der Grundlagenforschung
Osteologie-Kongress 2011
Immunologie: Neues aus der Forschung
54
Impressum
59
Interdisziplinarität und Netzwerke sind gefragt!
RheumaUpdate 2011 – Wiesbaden Rheumatische Erkrankungen
40
Problemfall Augenbeteiligung
Rheumatoide Arthritis
42
Pulmonale Komplikationen beachten Kardiovaskuläres Risiko rasch erhöht
43
Aktuelles zu neuen Therapieansätzen
44
rheumatische Erkrankungen
45
Infektionen im Fokus
Spondyloarthritiden
48
Neue Erkenntnisse zur Therapie
Rheumatologie
50
Update zur Bildgebung
ANCA-assoziierte Vaskulitiden Neue Therapiestudien 2 – Martin Väth, Uni Würzburg
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8
Weiterbildung zum Facharzt für Rheumatologie
Der Rheumatologe aus europäischer Sicht: Wie Deutschland und Europa zusammenwachsen Lange Zeit war Deutschland aus internationaler Perspektive ein Sonderfall: Bei uns existierte eine für europäische Verhältnisse ungewohnte Zweiteilung der Rheumatologie als einer Subdisziplin sowohl der Inneren Medizin als auch der Orthopädie.
Rheumatologie in Deutschland und Europa In der überwiegenden Mehrzahl der europäischen Staaten gab es demgegenüber den Facharzt für Rheumatologie, der sich der Versorgung eines breiten Spektrums rheumatischer Erkrankungen und Syndrome annahm. Rheumatologen im Ausland waren dort nach einer Phase der internistischen, wir würden sagen allgemein-internistischen Basis-Weiterbildung die Spezialisten für die entzündlich-rheumatischen Gelenk- und Systemerkrankungen, also die Arthritiden, Spondyloarthritiden, Kollagenosen und Vaskulitiden. Die Orthopädie wird im europäischen Ausland generall als „orthopedic surgery“ verstanden und ist oft rein operativ ausgerichtet. Demgegenüber sind konservativ orthopädische Leistungen verschieden organisiert, teilweise in Händen von „general practitioner“, Chirotherapeut, Facharzt für Physikalische Medizin – oder auch zusätzliche Aufgabe des Rheumatologen.
European Board for Rheumatology der UEMS Ausgehend von dieser „europäischen Vielfalt“ hat sich das Boards for Rheumatology des europäischen
Empfehlungen der UEMS Section for Rheumatology zur Weiterbildung • Minimum der Weiterbildungszeit 6 Jahre nach der Approbation • Minimum von 2 Jahren „Common Trunk“ in allgemeiner Innerer Medizin • Minimum von 3 Jahren in spezialisierter rheumatologischer Wei terbildung • Fakultativ 1 von 6 Jahren in der Forschung oder in der Rheuma tologie verwandten Fächern • Training Visits in andere Länder werden empfohlen • Zeit für wissenschaftliches Arbeiten einschl. Publikationstätigkeit und Kongressbesuche sollte eingeräumt werden
Tab. 1: Facharztweiterbildung zum Rheumatologen in Europa
Prof. Dr. med. Jürgen Wollenhaupt Facharztverbandes UEMS (Union Européenne des Medicines specialisée) in den vergangenen Jahren ausführlich mit dem Berufsbild des Rheumatologen in Europa beschäftigt. Die offiziellen Empfehlungen zur Weiterbildung zum Facharzt für Rheumatologie, die die UEMS in den vergangenen Jahren erarbeitet hat, sind inzwischen von fast allen europäischen Mitgliedsländern durch ihre Fachgesellschaften ratifiziert worden, darunter auch von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Dieses Framework fasst die der spezialisierten Weiterbildung zugrundeliegenden Rahmenbedingungen zusammen, die das gemeinsame Fundament oder Ziel einer Europäisierung der Facharztweiterbildung formulieren. Davon unberührt bleibt das souveräne Gestaltungsrecht jedes Mitgliedsstaates zur Definition seiner eigenen Weiterbildungsordnung, die im Prinzip auch sehr weitgehend von der europäischen Idee abweichen könnte.
Der Rheumatologe nach europäischem Verständnis Die Grundzüge des „europäischen Rheumatologen“ fasst Tabelle 1 zusammen. Sie entstammen den „Requirements for the Training of Medical Specialists in the Specialty of Rheumatology in the EU“ und dem „European Rheumatology Curriculum Framework“, die im Wortlaut auf der Homepage der Sektion Rheumatologie der UEMS nachzulesen sind (www.uems-rheumatology-net). Schon diese Übersicht deutet an, dass in Europa ein gemeinsamer Wille erkennbar ist, die Rheumatologie als ein aus der allgemeinen Inneren Medizin
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Desweiteren finden sich interessante, für Deutsche ungewöhnliche Weiterbildungsinhalte: Neben den Fachkenntnissen soll der Facharzt seine Fähigkeiten als „Communicator“ und „Collaborateur“ schulen, indem in der Kommunikation mit Betroffenen geübt und in der Zusammenarbeit mit Kollegen und Assistenzberufen trainiert wird. Auch die Rolle als „Manager und Medical Leader“ eines Teams z. B. in der Praxis und als gesundsmedizinischer Gesprächspartner („Health Advocat“) sollen fester Bestandteil der Weiterbildung sein. Schließlich zählen die eigenen Fähigkeiten in der Lehre und Wissensweitergabe an Kollegen, Assistenzberufe und Patientengruppen ebenso zu diesen Weiterbildungsinhalten wie auch die Verpflichtung zu ethischen Verhaltensweisen und Übernahme sozialer Veranwortung der eigenen beruflichen Tätigkeit. Über die Inhalte der Weiterbildung hinaus schildern die angesprochenen Dokumente ausführlicher als in Deutschland üblich die Anforderungen an TrainingsCenter und Weiterbilder, führen bereits die Verpflichtung zu Log-Büchern und Lehrplänen auf und fordern eine umfassende kontinuierliche Betreuung der Weiterbildungskandidaten durch Mentoren.
Deutscher und europäischer Rheumatologe im Vergleich Vergleicht man unsere aktuelle Weiterbildungssituation mit den europäischen Zielvorgaben, zeigen sich viele Übereinstimmungen, aber auch Besonderheiten: Die Weiterbildungszeiten und fachlichen Inhalte für den Rheumatologen europäischer Prägung und den deutschen Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie sind kompatibel. Die bei uns vorgegebenen drei Jahre Common Trunk in allgemeiner Innerer Medizin plus drei Jahre Rheumatologie entsprechen den europäischen Vorstellungen einer sechsjährigen Gesamtweiterbildungszeit, einer mindestens zweijährigen Common Trunk-Zeit und einer mindestens dreijährigen Rheu-
matologischen Weiterbildungszeit. Allerdings können Zeiten für Weiterbildung in der Rheumatologie nahen Gebieten oder in der Forschung in Deutschland nicht der Weiterbildungszeit angerechnet werden.
Orthopädische und Kinder-Rheumatologie Die orthopädische und die pädiatrische Rheumatologie sind bisher nicht angesprochen worden. Dies beruht auf einer wesentlich komplizierteren Zuordnung dieser Bereiche in die europäischen Gremien. Die „UEMS Specialist Section of Orthopaedics and Traumatology“ umfasst hier formal auch die Inhalte der Rheumaorthopädie. Allerdings finden sich hier keine der deutschen Zusatzweiterbildung für Orthopädische Rheumatologie vergleichbaren Curricula. Auch für die Kinder-Rheumatologie bestehen keine direkt übertragbaren Fachaktivitäten. Beide Zusatzweiterbildungen werden aber sicher ihre Interessen auch auf europäischer Ebene harmonisieren. �
Die Rheumatologie in Europa wächst zusammen. Denn aufgrund der analogen Weiterbildungsstruktur werden deutsche Fachärzte für Innere Medizin und Rheumatologie im europäischen Ausland ihren Beruf als Fachärzte für Rheumatologie ausüben dürfen. Umgekehrt können entsprechend qualifizierte Rheumatologen in Deutschland akkreditiert und berufstätig werden. Auch wenn die Facharzturkunde eines Landes noch nicht für die freie Niederlassung ausreicht, sondern eine behördliche Einzelfallprüfung notwendig ist, hat sich die Situation eines freieren Austausches von Rheumatologen zwischen den Mitgliedsländern der EU wesentlich verbessert. Zukünftig werden Angebot und Nachfrage die Berufsausübung europaweit regeln und in Deutschland nachwachsende Rheumatologen werden im europäischen Ausland arbeiten. Umgekehrt können bei weiterbestehendem Rheumatologen-Mangel in Deutschland im Ausland weitergebildete Kollegen tätig werden, sei es im Klinikbereich oder in rheumatologischen Praxen.
Prof. Dr. med. Jürgen Wollenhaupt Chefarzt der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie Schön-Klinik Hamburg-Eilbek Dehnhaide 120, 22081 Hamburg wollenhaupt@rheumatologikum.de
Ausblick
abgeleitetes Spezialfach zu verstehen. Hier spiegelt sich eine aktuelle Versorgungswirklichkeit wider, die europaweit den Rheumatologen als den Spezialisten für die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen versteht. Inhalte der Weiterbildung sind die Diagnostik, pharmakologische Behandlung, Injektions- und Infiltrationstherapie, Physikalische Medizin und sozialmedizinische Betreuung. Abweichend von unserem Verständnis einer fachbezogenen rein klinischen Weiterbildung ist es in vielen Ländern selbstverständlich, dem angehenden Spezialisten während seiner Weiterbildung auch wissenschaftliches Arbeiten und „über den Tellerrand hinaus schauen“ zu ermöglichen. Dies stärkt die langfristige Beurteilungskraft und Kritikfähigkeit gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und Innovationen.
10 Strukturvertrag nach §73a SGB V zur Rheumaversorgung in Brandenburg
Rheuma-Patienten können auf deutlich bessere Versorgung hoffen Auf eine deutlich verbesserte strukturierte Versorgung können rheumakranke Versicherte der AOK in Brandenburg hoffen, nachdem der innovative Strukturvertrag zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg und der AOK Nordost zu Beginn des Jahres 2011 in Kraft getreten ist. Zustande kam dieser Vertrag unter fachlicher Mitwirkung des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen (BDRh), Landesverband Brandenburg.
Die noch im Rheumaplan des Landes Brandenburg 2009 dokumentierten, und auf dem Gesundheitspolitischen Forum im Februar 2010 in Potsdam öffentlich diskutierten, gravierenden Mängel in der Rheumaversorgung werden mit diesem Strukturvertrag zu einem großen Teil beseitigt. Das unterstreicht Werner Dau, Präsident des Landesverbandes Brandenburg der Deutschen Rheuma-Liga.
Modellhafter Vertrag für strukturierte Rheumabehandlung „Gerade weil dieser Vertrag die aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie bei entzündlichem Rheuma abbildet, die rheumatologische Fachassistenz anerkennt und einen kontinuierlichen, kooperativen Ansatz zwischen Haus- und Fachärzten vorsieht, wird erstmals einer umfassenden Versorgung der Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) oder Spondyloarthritiden (SpA) Rechnung getragen“, erläutert Dr. Joachim-Michael Engel als Vorstandsmitglied des BDRh Brandenburg, der gemeinsam mit Dr. Michael Zänker, Bernau, und Martin Bohl-Bühler, Potsdam, maßgeblich an der Entstehung des Vertrages beteiligt war: „Das ist der erste Vertrag dieser Art in Deutschland und damit modellhaft für eine strukturierte Rheuma-
behandlung unter dem erklärten Ziel frühzeitiger Diagnosestellung und Schuberkennung sowie aggressiver Therapie zur Remissionsinduktion.“ Die im Strukturvertrag formulierten Leistungen umfassen neben der strukturierten Zuweisung durch den Hausarzt und schnellem Untersuchungstermin beim Rheumatologen nicht nur den unverzüglichen Beginn der Therapie, einschließlich engmaschiger Kontrolluntersuchungen und Infusionstherapien, sondern auch die Unterstützung des Rheumatologen durch die rheumatologische Fachassistenz. Jede dieser Positionen wird den beteiligten Haus- und Fachärzten gesondert – außerhalb der Gesamtvergütung und RLV – über Sonderziffern honoriert. Für die Information der Patienten wird die Durchführung der strukturierten Patienteninformation StruPI des BDRh vergütet. Zur Dokumentation und gegenseitigen Information zwischen Facharzt und Hausarzt erhält jeder teilnehmende Rheumapatient einen persönlichen Rheumapass. Im Leistungspaket der Rheumatologen enthalten sind außerdem die gezielte Verordnung von Reha-Maßnahmen und die Überprüfung rheumagerechter Hilfsmittel. Neben der nachhaltigen Remissionsinduktion und Verbesserung der Lebensqualität sind besondere Ziele dieses Strukturvertrages Arbeitsunfähigkeit zu vermindern und Krankenhausaufenthalte wegen der rheumatischen Krankheit entbehrlich zu machen. Langfristiges Ziel sind nicht zuletzt auch nachhaltige Kostensenkungen in der Behandlung von RA und SpA. Vorerst auf ein Jahr begrenzt, setzt dieser neue Strukturvertrag auf stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein gezieltes Fallmanagement unter besonderer Berücksichtigung der Versorgungsstrukturen des Flächenlandes Brandenburg, so Dr. Hans-Joachim Helming, Vorsitzender der KV Brandenburg: Für NichtRheumatologen ist es oft schwierig, zu erkennen, ob eine rheumatische Erkrankung vorliegt und um welche es sich handelt. Der Hausarzt soll durch Schulungen und strukturierte Überweisungsbögen unterstützt Bild: Pitopia
11 werden, frühzeitig die Anzeichen einer entzündlichen Rheumakrankheit oder einen erneuten Entzündungsschub zu erkennen. „Durch die frühzeitige Diagnose können Spätfolgen wie Gelenk- oder Organschäden vermieden werden. Die Lebensqualität der Versicherten erhöht sich damit beträchtlich", betont Frank Michalak, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordost.
schale vergütet. Der Rheumatologe erhält eine Akutpauschale für die zeitnahe Terminvergabe. Weitere Pauschalen sind vorgesehen für die leitliniengerechte Behandlung nach hohen Qualitätsstandards. Zusätzlich müssen die Hausärzte jährlich vier, die Fachärzte jährlich 30 Fortbildungspunkte Rheumatologie nachweisen.
Mit Interdisziplinarität zu mehr Versorgungsqualität
Ziel dieses Vertrages, der die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit beschreibt, ist auch die Aufnahme in den Landesrheumaplan 2012 des Landes Brandenburg, der derzeit von einem Fachbeirat bei der Rheuma-Liga erstellt wird. �
Bei Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung überweist der Hausarzt an den Rheumatologen. Dazu muss er vorher einen Befundbogen ausfüllen. Dort werden Laborwerte und Röntgenbefunde eingetragen. Auch ein Rheuma-Check gehört dazu. Die Übernahme dieser Voruntersuchungen durch den Hausarzt entlastet den Facharzt und setzt zeitliche Kapazitäten frei. Das wiederum ermöglicht es dem Rheumatologen, dem Versicherten spätestens 14 Tage nach Überweisung einen Termin zu geben. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass vor allem Patienten mit einem begründeten Verdacht auf Rheuma beim Spezialisten vorstellig werden. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und das gezielte Fallmanagement werden durch die Kassenärztliche Vereinigung mit diesem Vertrag weiter verbessert. Mehr Versorgungsqualität und eine höhere Wirtschaftlichkeit sind unsere Ziele", betont Dr. Helming. „Daran werden die Vertragspartner den Rheumavertrag auch messen.“ „Den entsprechenden logistischen Mehraufwand bekommt der Hausarzt mit einer Früherkennungspau-
Für interessierte Kollegen nachzulesen ist der Vertrag auf der Internet-Seite der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, www.KVBB.de: Rheumatologische Versorgung: Vertrag zur Förderung der ambulanten medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Rheumatologie Gebührennummern: Leistungen des Hausarztes SNR 93420, 93421, 93422 Leistungen des Rheumatologen SNR 93425, 93426, 93427, 93428, 93429, 93430 Leistungen des Rheumatologen zusätzlich bei Infusionstherapie SNR 93431 Quellen: Pressemitteilung der Deutschen Rheuma-Liga Brandenburg, Pressemitteilung der KV Brandenburg, InternetSeite der KVBB
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12 Erste Ergebnisse aus CAPEA auf dem EULAR-Kongress
Aufruf zur Teilnahme und Rekrutierung Zwischenbericht zu CAPEA – eine Beobachtungsstudie des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums (DRFZ), des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) und der Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Kooperativen Rheumazentren (AGRZ).
Die Früharthritis-Studie CAPEA (Course And Prognosis of Early Arthritis) schließt seit Juli letzten Jahres Patienten mit einer Symptomdauer von maximal sechs Monaten ein, um die Bedeutung früher Krankheitszeichen für den langfristigen Verlauf zu untersuchen. Dabei soll auch beantwortet werden, wie viele frühzeitig behandelte Patienten unter den Bedingungen der rheumatologischen Regelversorgung eine (anhaltende) Remission erreichen. Noch ist die Studie weit davon entfernt, diese Fragen beantworten zu können. Auswertungen erster Baseline-Daten werden aber bereits auf dem diesjährigen EULAR-Kongress in London auf drei Postern präsentiert.
Drei CAPEA-Poster in London Ein erstes Poster zeigt, dass die neuen ACR-Kriterien zur Klassifikation der rheumatoiden Arthritis (RA) nur begrenzt mit der Einschätzung der Rheumatologen übereinstimmen: Ein Viertel der CAPEA-Patienten, bei denen die Rheumatologen mindestens zweimal eine RA diagnostizierten, erfüllten die neuen ACR/ EULAR-Kriterien nicht. Zwar wären nach den alten ACR-Kriterien noch weniger Patienten richtig als RA klassifiziert worden (insgesamt 60 %), doch werden 1.600 1.400 1.200
Soll n Patienten n aktive Zentren
1.000 800
n=625
600 400 200
Dipl.-Psych. Gisela Westhoff
Dr. med. Edmund Edelmann
auch die neuen Kriterien dem Anspruch, diejenigen Patienten sicher zu identifizieren, die ein hohes Risiko für eine RA tragen, nur unzureichend gerecht (Poster THU0337). Zudem folgen die Rheumatologen bei ihren Therapieentscheidungen offensichtlich sehr viel eher ihren klinischen Erfahrungen als den neuen Kriterien, die die Einleitung einer DMARD-Therapie bei ≥6 Punkten implizieren. Nach drei Monaten wurden nur 69 % der Kriterienpositiven, aber 92 % der klinisch diagnostizierten RAPatienten mit DMARDs behandelt (Poster THU0338). Demnach scheinen die neuen Kriterien im klinischen Alltag eher eine geringe Bedeutung zu haben. Ihre Funktion dürfte vor allem darin bestehen, nach standardisierten Kriterien vergleichbare Früharthritis-Populationen für klinische Studien zu bilden. Ein weiteres Poster unterstreicht die Wirkung von Glukokortikoiden auf Fatigue (Poster THU0336). Von den bei Studieneintritt DMARD-naiven Arthritis-Patienten nahm knapp ein Viertel seit mindestens einer Woche orale Glukokortikoide. Diese Patienten hatten nicht nur deutlich kürzere Morgensteifigkeit, sondern berichteten auch über deutlich geringere körperliche oder geistige Fatigue.
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Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Febr. März April Mai Juni Juli
Abb.: CAPEA-Rekrutierungsverlauf seit Juni 2010: kumulierte Patientenzahlen und Zahl aktiver Zentren von 123 Zentren mit Kooperationsvereinbarung.
Wie in vielen anderen Studien war die Stärke der Fatigue nur minimal mit der Krankheitsaktivität assoziiert und ihre Besserung somit nicht mit der Linderung der Krankheitsaktivität zu erklären. Glukokortikoide könnten demnach bei Patienten mit starker Fatigue
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CAPEA braucht mehr Patienten! Doch um zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen und vor allem, um in etwa vier Jahren die Hauptfragestellungen beantworten zu können, müssen zunächst genügend Früharthritis-Patienten in die Studie aufgenommen werden. Im März war CAPEA mit 625 Studienteilnehmern noch weit vom ehrgeizigen Ziel entfernt, die Rekrutierung im Sommer 2011 mit 1.500 Patienten abschließen zu können. Das liegt nicht daran, dass die bisher beteiligten kooperierenden Einrichtungen nicht engagiert Patienten für die Studie dokumentierten, sondern daran, dass ein Drittel der Einrichtungen trotz Kooperationsver-
einbarung noch gar nicht angefangen hat. Interessierte Kolleginnen und Kollegen sind nach wie vor herzlich eingeladen, an CAPEA teilzunehmen. Interessenten wenden sich bitte an G. Westhoff, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin, Tel. 030/ 28460637 oder westhoff@drfz.de. �
CAPEA ist eine riesige Chance, international eine führende Rolle bei der Erforschung wichtiger Aspekte der rheumatoiden Arthritis einzunehmen. Es wird in absehbarer Zeit nicht erneut möglich sein, eine so große Früharthritis-Kohorte mit so vielen beobachteten Dimensionen aufzubauen. Es wäre schade, wenn die Studie an der Fallzahl scheiterte.
Dipl.-Psych. Gisela Westhoff, Dr. med. Edmund Edelmann
Start-up Ausschreibung 2011 Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) schreibt gemeinsam mit dem Kompetenznetz Rheuma 2011 gezielt innovative Forschungsprojekte aus.
Die Förderung erfolgt nach folgenden Kriterien: • neue, innovative Forschungsansätze • deutlicher Bezug zur Rheumatologie • keine Fortsetzung bzw. Teilaspekte laufender Ar beiten • nur ein Projektantrag pro Arbeitsgruppe, nur ein Antragsteller pro Antrag • Alter des Antragstellers max. 38 Jahre (Antragstellung bis max. 5 Jahre nach abgeschlossener Promotion möglich, die Elternzeit wird nicht angerechnet) • Förderungszeitraum: 12 Monate • keine zweite Förderung früherer Start-up Preisträ ger • keine Förderung bereits eingereichter Start-up Pro jekte aus den vergangenen Jahren. Die von der Firma Pfizer Pharma GmbH unterstützte Start-up Förderung sieht sich als eine Anschubfinanzierung für innovative Projekte talentierter Jungwissenschaftler. Da oft wegen mangelnder Vorarbeiten für neue Ideen anderweitig keine Finanzierung beantragt werden kann, soll die Start-up Förderung die Voraussetzungen für einen anschließenden DFG-Antrag (oder vergleichbare Förderung) schaffen. Die Chancen auf realistische Folgefinanzierung werden bei der Begutachtung der Anträge gewertet. Neben dem zu erwartenden Erkenntnis-
gewinn und der wissenschaftlichen Bedeutung soll ein Zeitplan über die beantragte Projektlänge hinaus die Weiterführung des Projektes deutlich skizzieren. Mit dem Forschungsprogramm können Projekte für 12 Monate gefördert werden. Die Projektförderung kann bis zu 50.000 Euro betragen. Die beantragten Personal- und Sachmittel sind im Antrag durch das Arbeitsprogramm zu begründen. Personalmittel für den Antragsteller sowie Anschaffungskosten für Geräte werden nicht bewilligt. Der Antragsteller soll selbständiges wissenschaftliches Arbeiten anhand seiner Erstautorenpublikationen der letzten drei Jahre belegen. Das Arbeitsumfeld des Antragstellers sollte die notwendigen personellen, institutionellen, räumlichen und apparativen Voraussetzungen bereit stellen. Der Antragsteller muss Mitglied der DGRh sein (Antrag auf Mitgliedschaft wird akzeptiert). Eine Teilfinanzierung bereits anderweitig geförderter oder zur Förderung beantragter Projekte ist nicht möglich. Bewerbungsschluss ist der 31. Mai 2011. � Weitere Informationen zur Form der Bewerbung sowie Inhalten: www.dgrh.de
Kompakt
die Symptomatik bessern – zunächst offenbar unabhängig von der Krankheitsaktivität. Ob die Effekte früh eingesetzter Glukokortikoide nachhaltig sind, wird im weiteren Verlauf untersucht.
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6.-8. Mai 2011, Baden-Baden Rheumatologische Fachassistenz Aufbaukurs rheumatologische Pflege Fachliche Leitung: Prof. Dr. Christoph Fiehn, Baden-Baden
28. Mai 2011, Nürnberg Nordic Walking bei rheumatoider Arthritis und Spondylitis Fachliche Leitung: Peter Lommer
7. Mai 2011, Brandenburg Train-the-Trainer: StruPI RA - Strukturierte Patienteninformation rheumatoide Arthritis Fachliche Leitung: Dr. Florian Schuch, Erlangen, Prof. Dr. Ina Kötter, Tübingen
29.-31. Mai 2011, Riccione 34th Congress of the Italian Association for the Study of Pain Fachliche Leitung: Alessandro Fabrizio Sabato
11 Mai 2011, Bad Nauheim 2. Deutscher Lupus Tag 2011 der Lupus Stiftung Deutschland und des Rheumazentrums Gießen/Bad Nauheim
4. Juni 2011, Köln Rheumatologie für Primärärzte Fachliche Leitung: Prof. Dr. Ekkehard Genth, Aachen, Rheumaklinik und Rheumaforschung
13.-14. Mai 2011, Leipzig 6. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen Fachliche Leitung: Dr. Edmund Edelmann, Prof. Dr. Jörn Kekow
18. Juni 2011, Dortmund Rheumatolgische Fachassistenz – Grundkurs Fachliche Leitung: Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle, Rheuma in der Praxis
14. Mai 2011, Baden-Baden Rheumaforum 2011 Fachliche Leitung: Prof. Dr. Christoph Fiehn, Baden-Baden
22. Juni 2011, Halle (Saale) Arbeitskreis Rheumatologie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Gernot Keyßer, Halle/ Saale
14. Mai 2011, Oberammergau 33. Ärztliche Fortbildungstagung des Rheumazentrums Oberammergau Fachliche Leitung: Dr. Diethard Kaufmann 18. Mai 2011, Halle (Saale) Arbeitskreis Rheumatologie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Gernot Keyßer, Halle/Saale 21. Mai 2011, Jena 16. Thüringer Rheumatologie-Symposium Fachliche Leitung: PD Dr. Peter Oelzner, Jena
Termine
21. Mai 2011, München Treffpunkt Rheumatologie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle, Rheuma in der Praxis 25.-28. Mai 2011, London EULAR Annual European Congress of Rheumatology 2011 Fachliche Leitung: Prof. Dr. Paul Emery 27. Mai 2011, Nürnberg Grundlagenseminar IC-Wirbelsäule Pathophysiologische Grundlagen der Bewegungstherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen an der Wirbelsäule Fachliche Leitung: Ute Donhauser-Gruber
25.-26. Juni 2011, Essen Rheumatologische Fachassistenz Refresh- und Updatekurs Fachliche Leitung: Dr. Florian Schuch, Erlangen 29. Juni 2011, Düsseldorf Rheumadialog Fachliche Leitung: Prof. Dr. Matthias Schneider, Düsseldorf 2. Juli 2011, Herne 11. Symposium Rheumatologie im Ruhrgebiet Fachliche Leitung: Prof. Dr. Jürgen Braun, PD Dr. Martin Rudwaleit, Prof. Dr. Christof Specker 13.-16. Juli 2011, Potsdam 8. Sommerakademie Fachliche Leitung: Prof. Dr. Ina Kötter, Dr. J. Mattar, Dr. C. Richter Genauere Informationen zu den Terminen erhalten Sie bei der Rheumatologischen Fortbildungsakademie GmbH, Tel: 030/2404840, E-Mail: info@rhak.de, www.rheumaakademie.de
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Recht und Steuern
Nachweis von Krankheitskosten zur Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen
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Entstehen Mehraufwendungen „zwangsläufig“ – d. h. solche Aufwendungen, denen man sich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann – können diese als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Berücksichtigungsfähig sind Kosten, soweit diese nicht z. B. von einer Versicherung oder Krankenkasse erstattet werden und eine so genannte zumutbare Belastung (zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte) übersteigen. „Echte“ Krankheitskosten gelten ohne Rücksicht auf die Art und Ursache der Erkrankung als „zwangsläufig“ im Sinne dieser Vorschrift. Bei Aufwendungen für vorbeugende Maßnahmen (z. B. Badekuren, Frischzellen oder AyurvedaBehandlung) oder Maßnahmen, die nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können (z. B. Fettabsaugung, Schadstoffvermeidung durch Asbestbeseitigung an Gebäuden oder neue Möbel wegen Formaldehydemission), gelten strengere Anforderungen. Für die Anerkennung derartiger Aufwendungen verlangten Rechtsprechung und Finanzverwaltung bislang, dass die medizinische Notwendigkeit durch ein vor Beginn der Maßnahme einzuholendes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. eines Attests durch einen öffentlich-rechtlichen Träger nachgewiesen wird. An diesen strengen Nachweisanforderungen hält der Bundesfinanzhof nicht mehr fest. Nach Auffassung des Gerichts kann der Nachweis nicht nur durch ein „amtsärztliches“ Gutachten geführt werden; ebenso wenig muss dieses „vor“ Beginn der Behandlung eingeholt werden. Das bedeutet, dass die Anerkennung entsprechender Aufwendungen nicht mehr nur deshalb versagt werden kann, weil diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Bundesfinanzhof weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Beurteilung, ob „begünstigte“ Krankheitskosten vorliegen, durch die Beweiswürdigung der Finanzämter bzw. Finanzgerichte zu erfolgen hat. Der Steuerpflichtige hat dafür entsprechende Nachweise zu erbringen; er kann dies auch später und mit Hilfe „aller geeigneter“ Beweismittel tun. Das Gericht stellt aber auch klar, dass weder Finanzamt noch Finanzgericht über entsprechende Sachkunde verfügen, sodass im Zweifel nur ein von Amts wegen in Auftrag gegebenes Gutachten über die medizinische Indikation der Maßnah3 me entscheiden kann. � 3 – Pitopia
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Einkunftsgrenzen bei Kindern über 18 Jahre Kinder können nach Vollendung des 18. Lebensjahres im Hinblick auf den Kinderfreibetrag und das Kindergeld berücksichtigt werden, wenn sie sich noch in der Berufsausbildung befinden. Eine Berücksichtigung erfolgt bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Übersteigen die Einkünfte und Bezüge des Kindes eine Einkunftsgrenze von 8.004 Euro, entfallen sowohl Kindergeld als auch steuerliche Vergünstigungen für die Eltern. Bereits ein geringfügiges Überschreiten dieser Grenze führt zum vollständigen Wegfall der Kindervergünstigungen. Dabei sind folgende Punkte zu beachten: Bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes können die mit den Einnahmen im Zusammenhang stehenden Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend gemacht werden; dies gilt ebenfalls für Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausbildung (z. B. Fahrten zur Universität, Studiengebühren, Arbeitsmittel). Be-
zieht das Kind ausschließlich Arbeitslohn, ist dieser mindestens bis zur Höhe von 8.924 Euro (8.004 Euro plus 920 Euro Arbeitnehmer-Pauschbetrag) unschädlich. Darüber hinaus mindern die gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) bzw. zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung die Einkünfte. Ein Abzug von weiteren Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen kommt dagegen nicht in Betracht. Zu beachten ist ferner, dass Kapitaleinkünfte des Kindes zu berücksichtigen sind. Sie werden aber um den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 Euro vermindert. Das bedeutet, dass Kapitalerträge künftig zumindest bis zu dieser Höhe ohne Auswirkungen auf die Kindervergünstigungen bleiben; bezieht das Kind keine anderen Einkünfte, sind Kapitalerträge mindestens bis zu einer Höhe von 8.805 Euro unschädlich. � Quelle: Steuer-Informationsbrief 2/2011
Serie
Sie fragen – Experten antworten
Thema: Einsichtsrecht PKV Frage: Mit einem Privatpatienten ist vereinbart, dass die Abrechnung direkt mit dem Versicherer erfolgt. Darf dieser die Krankenakte anfordern oder Einsicht nehmen? Antwort: Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht dürfen Sie die Behandlungsunterlagen an Dritte grundsätzlich nicht weitergeben. Etwas anderes gilt nur, wenn Sie per Gesetz von Ihrem Patient von der ärztlichen Schweigepflicht befreit wurden. Das Gesetz sieht zwar in zahlreichen Bestimmungen wie beispielsweise in § 136 SGB V (gegenüber den Kostenträgern zur Qualitätssi-
cherung) oder in § 275ff SGB V (gegenüber dem MDK zur Überprüfung und Begutachtung) ein gesetzliches Einsichtsrecht vor. Diese Vorschriften gelten jedoch nicht für Private Krankenversicherungen. Somit bedarf es der Entbindungserklärung durch den RA Christian Koller Patienten. Inwieweit diese gegenüber der Versicherung erklärt wurde, z. B. in dem zugrundeliegenden Versicherungsvertrag, sollte im Zweifelsfall von Ihnen erfragt werden bzw. muss seitens der Versicherung mitgeteilt werden.� Kontaktadresse Rechtsanwalt Christian Koller Kanzlei Tacke Krafft, Am Rindermarkt 3 und 4, 80331 München
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Behandlung ohne Barrieren Seit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen ist der Begriff Barrierefreiheit in aller Munde. Die Ratifizierung der UN-Konvention hat dazu geführt, dass die Betroffenen-Perspektive im Vordergrund steht: Ein Mehr an Mobilität, ein Mehr an barrierefreiem Raum bedeutet ein Mehr an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und: Barrierefreier Raum kommt allen zugute – nicht nur Menschen mit Einschränkungen der Mobilität.
Mit der Verpflichtung zur Umsetzung der Konvention gehören auch alle baulichen Barrieren auf den Prüfstand. Dies betrifft nicht nur bauliche Gegebenheiten bei öffentlichen Gebäuden und Plätzen sondern auch die Sanierung bzw. Schaffung von Wohnraum sowie die Beseitigung von Kommunikationshemmnissen. Konzepte, Hilfestellungen und DIN-Normen zu den Anforderungen an die Barrierefreiheit gibt es reichlich. In punkto Informationen zur Barrierefreiheit und in punkto der Umsetzung von Barrierefreiheit gibt es noch reichlich Verbesserungsbedarf.
Vielfach ermöglichen einfache Maßnahmen bereits große Erleichterungen für Rheumapatienten Da die rheumatische Erkrankung in vielen Fällen mit einer Einschränkung der Mobilität einhergeht, sind die Betroffenen darauf angewiesen, dass die besuchte Praxis des Arztes oder Therapeuten barrierefrei gestaltet ist. Dabei umfasst die Barrierefreiheit nicht nur das schwellenfreie Betreten der Praxisräume selbst, sondern beispielsweise auch das Öffnen von Türen. Das Öffnen der Tür setzt häufig die Fähigkeit voraus, Drehknöpfe bedienen zu können – für Rheumatiker mit einer eingeschränkten Greiffunktion der Hand schlichtweg nicht leistbar. Ein (automatischer) Türöffner, der eine einfache Bedienbarkeit ohne viel Kraftaufwand gewährleistet, erleichtert rheumakranken Menschen diese Tätigkeit. Ob genug Bewegungsfläche vor und hinter den Türen vorhanden ist oder ob die Trittfestigkeit durch rutschhemmende Bodenbeläge gegeben ist – unter dem
Begriff Barrierefreiheit lassen sich viele Maßnahmen fassen. Nicht immer erfordern diese Hilfen große und teure Umbauten der Praxis- oder Therapieräume. So ist der Stuhl in der Umkleidekabine eine Möglichkeit, um beispielsweise das Aus- und Ankleiden zu erleichtern. Ausführliche und weitergehende Informationen, was sich hinter dem Begriff Barrierefreiheit verbirgt und Tipps, wie Barrieren in der Arztpraxis abgebaut werden können, finden sich auf der Internetseite http:// nullbarriere.de/arztpraxis-barrierefrei.htm. Weitere Anregungen finden sich auch auf der Homepage des Landesbehindertenbeauftragten NordrheinWestfalens, der einen Flyer „Barrierefrei zum Arzt“ erstellt hat (http://www.lbb.nrw.de/2/im-mittelpunkt/ barrierefreie-arztpraxen/index.php). Die Deutsche Rheuma-Liga hat ihre grundlegenden Anforderungen an die Barrierefreiheit in einem Positionspapier dargelegt (http://rheuma-liga.de/stellungnahmen). Eine Forderung der Deutschen Rheuma-Liga lautet, dass bei der Neuzulassung von Arzt- und Therapieeinrichtungen die barrierefreie Zugänglichkeit und Ausstattung der Praxisräume Zulassungsvoraussetzung werden muss. �
Sabine Eis Gesundheits- und Sozialpolitik Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V. Maximilianstr. 14 53111 Bonn
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Hätten Sie mal Zeit für mich?
Zeitmanagement als Spaßfaktor für die Arztpraxis
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Der Umgang mit Menschen, oft schwierigen weil kranken, ist eine tägliche große Herausforderung für uns. Vor allem, wenn ich diesen Umgang in ein Zeitraster, meine Sprechzeiten, einbinden will. Menschen sind keine Maschinen, also kann man den Umgang mit ihnen zeitlich ganz schlecht planen. Wenn wir bedenken, dass auch der niedergelassene Arzt und sein Praxisteam Menschen sind, manchmal sogar auch schwierige, rechnen wir mit einem Zeitproblem, wenn wir professionell mit Patienten, Team und Kollegen umgehen wollen. Das muss alles nicht sein, wenn wir eine ambitionierte Teamleiterin oder Praxismanagerin an unserer Seite haben, die sich Techniken zum Zeitmanagement erworben und erarbeitet hat und diese in Abstimmung mit dem Praxisinhaber umsetzt. Weiterbildungsreihen und Seminare hierzu bietet der Autor unter seinen Kontaktdaten im Anhang an.
„Hätten Sie mal Zeit Herr Doktor, (oder Fräulein Tanja)?“ – „Sie müssen sich noch ein wenig gedulden!“ Ein Kurzdialog, den wir alle ganz weit weg drängen möchten, in dem wir uns aber immer wieder verfangen. Warum haben wir in diesem Moment keine Zeit, warum nehmen wir sie uns nicht einfach? Weil Arbeit auf uns wartet, die aus jetziger Sicht bis zum Ende des heutigen Arbeitstages nicht erledigt sein wird. Zeitmanagement befasst sich aber nicht nur mit Sprechzeiten, einem 8-, 10-, 12-, 14- oder 16-Stunden-Arbeitstag, sondern mit allen 24 Stunden eines Tages, multipliziert mit der Anzahl Tage meiner Lebenserwartung. Auch wenn uns letztere Multiplikation nur zu einem Näherungswert führt, gestützt auf Statistiken, gilt:
„Heute beginnt der erste Tag vom Rest meines Lebens“ Unter dieser Einsicht beschäftigt sich Deutschlands führender ZeitmanagementExperte, Prof. Dr. Lothar Seiwert mit der „Work-Life-Balance“, einerseits ein Dialog zwischen den beiden griechischen Zeit-Gottheiten Chronos (quantitativ) und Kairos (qualitativ), andererseits ein gutgemeinter und trotzdem guter Rat: „Zeitmanagement umfasst weitaus mehr, als Posteingänge nach Prioritäten zu sortieren. Zeitmanagement ist Selbstmanagement und aktive Lebensgestaltung. Zeitsouveränität bedeutet, innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen, die wir jedoch auch verändern können, unsere Zeit und damit unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen und Wünschen zu gestalten. Zeitmanagement in einer beschleunigten Welt bedeutet, Rhythmus statt Tempo zu leben und sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist, sowohl beruflich, als auch privat.“ Zurück zur niedergelassenen Arztpraxis: Egal wie wir die Balance zwischen Berufs- und Privatleben herstellen, die von uns veranschlagten Zeiten, in denen wir unsere Praxis betreiben, müssen so effektiv wie möglich genutzt werden, um Zeit frei zu machen – nicht unbedingt um mehr Patienten behandeln zu können – sondern um Ruhe und Souveränität zu gewinnen. Das wahre Kernproblem des Zeitmanagements liegt darin, dass wir in der Dringlichkeit des Arbeitsalltags vornehmlich in operative Hektik zu verfallen drohen und so unsere Lebensprioritäten leicht aus dem Auge verlieren.
21 Jeder um uns herum will alles sofort, am liebsten schon vorgestern. Um die wirklich wichtigen Dinge wollen wir uns dann kümmern, wenn wir endlich einmal „Zeit haben“ und diese persönliche Auszeit haben wir im Grunde genommen: Nie!
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Es gibt Wichtigeres als Dringlichkeit. Aber häufig braucht es Dringlichkeit, wenn man das Wichtige schaffen will
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Operatives Zeitmanagement mit Terminkalender, Zeitplanbuch oder Organizer kuriert an den Symptomen herum, bekämpft aber keineswegs die wahren Ursachen des Zeitproblems! Diese Tools helfen uns zunächst, unseren beschleunigten Arbeitsalltag besser in den Griff zu bekommen. Wir planen regelmäßig unseren Tag, setzen eindeutige Prioritäten und gehen konsequenter mit Störfaktoren und Zeitdieben um. Ein so praktiziertes Zeitmanagement ist geeignet, unsere Effizienz nachhaltig zu verbessern, nämlich das, was wir tun, richtig zu tun. Wenn wir uns jedoch auf die falschen Aktivitäten konzentrieren, sind wir weiterhin im Zeitstress, jedoch wesentlich professioneller organisiert. Offen bleibt, was wir in dieser Zeit tatsächlich erreichen – und das ist keine Frage der Effizienz, sondern der Effektivität. Schon der amerikanische Managementguru Peter F. Drucker forderte in den sechziger Jahren sich vornehmlich auf die entscheidenden Prioritäten zu konzentrieren („First Things First“). Effektivität bedeutet daher die richtigen Dinge zu tun.
EFFEKTIVITÄT versus EFFIZIENZ Effizienz heißt, die Dinge richtig tun. Effektivität heißt, die richtigen Dinge tun. Unseren Praxisablauf effektiver gestalten heißt somit u. a.: • Bestelltermine nicht über die Anzahl Patienten mit festem Zeitfenster zu verteilen, sondern nach Patient und zu erwartender (individueller) Behandlungszeit • Als Grundlage dazu mit der Praxismanagerin eine Behandlungszeit-Analyse erstellen • Eine Patientenfrequenz-Analyse erstellen lassen (Wochentage, Uhrzeit, Privat, Kasse, mit/ohne Termin etc.) • „Pufferzeiten“ einplanen – Angst vor nicht nament lich verplanten Zeiten ablegen • Anwesenheit des behandelnden Arztes von der ersten Sprechzeiten-Minute an • Eliminieren von identifizierten „Zeitfressern“ • Prioritäten nach Wichtigkeit und Dringlichkeit fest legen
Mut zum Delegieren aufbringen Regeln für das Stören/Unterbrechen der Konsultation festlegen „Theken-Tourismus“ abschaffen (die Anmeldung wird von unserer Mitarbeiterin bestens gelenkt, wir haben da nichts verloren) Der abgestürzte PC ist ein Fall für unseren IT-Betreuer, nicht für den Rheumatologen ambitionierte Mitarbeiterinnen zur zweiten Führungskraft (Teamleiterin) aufbauen.
All das ist machbar durch die Einbindung einer unternehmerisch denkenden, gut aus- und weitergebildeten Fachkraft als zweite Führungsebene, einer Praxismanagerin. Dort, wo wir zwischenzeitlich Absolventinnen unserer Weiterbildung zur Praxismanagerin wieder in ihre Praxen entlassen haben, hören wir immer häufiger als Feedback der Praxisinhaber: „Praktiziertes Zeitmanagement heißt, wir beherrschen die Zeit, nicht die Zeit uns. Der Umgang mit Patienten, Team und Kollegen in der von uns beherrschten (gegebenen und genommenen) Zeit wird zum absoluten Spaßfaktor in unserem Praxisablauf!“ Zeitmanagement kann so zu einem wichtigen Teil unseres Lebensmanagements werden. � Literaturübersicht / Quellennachweis Seiwert, Lothar J.: Mehr Zeit für das Wesentliche, MVG, Landsberg, 2001 Drucker, Peter: Die ideale Führungskraft, Econ, Düsseldorf, 1971 Baitinger, Dieter: Zeitmanagement und Umgang mit Stress, Weiterbildung zur Praxismanagerin, Business School für Management und Vertrieb, München, 2011 Durchführung von Weiterbildungsreihen zur Praxismanagerin und Führungsmanagement für niedergelassene Ärzte durch: Dieter Baitinger Bereichsleiter Praxismanagement Business School für Management & Vertrieb München Neumarkter Straße 21 D-81673 München Tel.: 089/237096-30 Fax: 089/237096-31 www.bs-muc.de Direktkontakt: dieter.baitinger@bs-muc.de Tel.: 08857/899341 Mobil: 0170/1693911 Carl-Orff-Str. 3, 83671 Benediktbeuern
22 Im Gespräch: Prof. Dr. Michael Hammer
Praxisrelevante Tipps zu Methotrexat Besonders in höherer Dosis wird Methotrexat (MTX), der Goldstandard in der Behandlung rheumatologischer Erkrankungen, bevorzugt parenteral als subkutane (s.c.) Injektion mit einer Fertigspritze verabreicht. Dabei konnte die optimale Dosis im Bereich zwischen 10 und 30 mg Methotrexat bisher nur in 5 mg-Schritten frei gewählt werden. Erstmals sind nun auch Fertigspritzen in den Zwischendosierungen 12,5 mg, 17,5 mg, 22,5 mg und 27,5 mg verfügbar. Welche Vorteile sich daraus für den behandelnden Arzt und die Patienten ergeben, erläutert Prof. Dr. med. Michael Hammer, Chefarzt der Klinik für Rheumatologie, St. Josef-Stift Sendenhorst.
Herr Prof. Hammer, worin sehen Sie die größten Vorteile von parenteralem MTX in den neuen Zwischendosierungen? Jeder Rheumapatient hat eine ganz individuelle Erkrankung mit einer ganz spezifischen Krankheitsaktivität und möglichen Limitationen hinsichtlich der Nieren- und Leberfunktion. Aus diesem Grund benötigt man auch jeweils ganz individuelle Dosierungen, um den Patienten auf die im Einzelfall für ihn optimale Dosierung einzustellen. Durch die neuen Zwischendosierungen wird jetzt auch auf parenteralem Wege eine vereinfachte Eskalation oder auch Reduktion der MTX-Dosis in 2,5 mg-Schritten möglich. Vorteile ergeben sich durch die neuen Zwischendosierungen aus einer vereinfachten Umstellung von der oralen auf die parenterale MTX-Applikation, was auch insgesamt die Motivation für die s.c.-Fertigspritze weiter erhöhen dürfte. Früher musste man bei Patienten, die z. B. oral auf eine optimale Dosis von 12,5, 17,5 oder 22,5 mg eingestellt waren, bei gewünschter 1:1-Umstellung auf eine parenterale Dosis die Dosierung höher oder niedriger wählen. Jetzt ist – auch wenn natürlich die höhere Bioverfügbarkeit von s.c.-Injektion gegenüber der oralen MTX-Gabe zu berücksichtigen ist – eine direkte Umstellung möglich, wodurch man für die Patienten einsichtig wieder die gewohnte Dosierung hat. Zudem kann man sich bei Patienten mit einer Unverträglichkeit gegenüber MTX als Tablette nach erfolgreicher Umstellung auf eine s.c.-Fertigspritze langsam in 2,5 mg-Schritten an die individuell optimale Dosierung herantasten. So könnte man z. B. für vier Wochen 17,5 mg geben, dann für vier Wochen 20 mg und wenn die Krankheitsaktivität es erfordert, dann nochmal um 2,5 mg steigern. Für den Patienten kann ein solches behutsames Vorgehen von Vorteil sein, zugleich senkt man auf diese Weise das Nebenwirkungsrisiko. Unter MTX kommt es auch recht häufig zu einem Anstieg der Leberenzyme, der eventuell eine Reduktion
Prof. Dr. med. Michael Hammer der Dosis um z. B. 5 mg erfordert. Nach Normalisierung der Leberfunktion kann die Dosis idealerweise in 2,5 mg-Schritten wieder vorsichtig gesteigert werden. Ich würde auch hier ca. vier Wochen lang eine Zwischendosis verabreichen und dabei die Verträglichkeit prüfen, bevor ich wieder auf die angestrebte Zieldosis gehen würde. Welche Möglichkeiten eröffnen sich hinsichtlich einer vorsichtigen Dosisreduktion? Ein wichtiges Problem ist die langfristige Compliance bei gutem Therapieansprechen. Viele Patienten beschäftigen sich mit der Frage, ob die MTX-Dosis reduziert werden kann, wenn es ihnen deutlich besser geht. Oft genug ist dies nicht möglich, da bereits eine um 5 mg niedrigere MTX-Dosis ein höheres Rezidivrisiko mit sich bringen kann. Da eine gute Compliance unverzichtbar für eine erfolgreiche Therapie ist, stellt die Möglichkeit einer individuell an die Schwere der Erkrankung und den Krankheitsverlauf adaptierten Feindosierung einen Fortschritt dar. So ist jetzt sowohl bei einer MTXMonotherapie oder auch im Rahmen einer Kombinationstherapie mit anderen DMARDs oder TNF-αBlockern eine weniger riskante Dosisreduktion in 2,5 mg-Schritten möglich.
23 Wie wurde bisher verfahren, wenn parenterale Zwischendosierungen gewünscht waren? Als „Notlösung“ wurde z. B. eine MTX-Fertigspritze mit einer 2,5 mg-Tablette kombiniert. Auch die wöchentlich wechselnde Gabe von Fertigspritzen zweier unterschiedlicher Wirkstärken (z. B. alternierend 10 mg/15 mg) wurde ausprobiert, um den Mittelwert (dann 12,5 mg) beider Dosierungen zu erreichen. Beide Vorgehensweisen beinhalten ein Risiko der Fehlanwendung durch Verwechslung. Auch eigenmächtige Änderungen der Dosis von Seiten der Patienten wurden dadurch begünstigt. In welchen Fällen ist eine individuelle Feindosierung zu Therapiebeginn sinnvoll? Zu erwägen ist ein solches Vorgehen bei Patienten mit Komorbiditäten und einer Unverträglichkeit gegenüber früher eingesetzten Basismedikamenten, insbesondere wenn z. B. schon einmal Leberwerterhöhungen aufgetreten sind oder bei Patienten, die schon einmal eine leichte Einschränkung der Nierenfunktion hatten. Eine behutsame Steigerung der MTX-Dosis in 2,5 mg-Schritten kann aber auch bei gegenüber einer MTX- oder generell immunsuppressiven Therapie sehr empfindlichen bzw. skeptischen Patienten eine Rolle spielen, so dass man im Sinne einer vertrauensbildenden Maßnahme mit einer Dosis von 10 mg einsteigt und dann die Dosis langsam alle 2-4 Wochen um 2,5 mg steigert, wenn der Patient es verträgt und akzeptiert.
Welchen zusätzlichen Nutzen bringen die Zwischendosierungen für das Arzt-Patienten-Verhältnis? Der Stellenwert einer individuell optimierten Therapie im Sinne einer personalisierten Medizin gewinnt stetig an Bedeutung. Mit den jetzt erhältlichen Fertigspritzen in Zwischendosierungen wurde eine Lücke in der MTX-Therapie geschlossen, von der die Patienten profitieren können. Dass man nun auch parenteral optimal die MTX-Dosierung auf die Bedürfnisse des Patienten mit der jeweiligen Krankheitssituation bzw. -aktivität und entsprechend etwaiger Komorbiditäten oder Unverträglichkeiten anpassen kann, ist ein Fortschritt. Für den Patienten bedeutet dies eine geringere Medikamentenbelastung, gesteigerte Akzeptanz der Therapie sowie den Wegfall komplizierter „Notlösungen“. Der Arzt kann nun frei alle Feindosierungen aus dem kompletten Bereich zwischen 10 und 30 mg frei wählen, was wiederum eine bessere Compliance seitens der Patienten verspricht. � Herr Prof. Hammer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Prof. Dr. med. Michael Hammer Chefarzt der Klinik für Rheumatologie, St. Josef-Stift Sendenhorst Westtor 7, 48324 Sendenhorst
Therapie mit Methotrexat
Unterschätzte Wirksamkeit im Vergleich zu Biologika? Mit der Frage nach den Therapieeffekten von Methotrexat (MTX) als am häufigsten eingesetzten DMARD im Vergleich zu modernen Biologika setzten sich zwei Übersichtsarbeiten aus dem vergangenen Jahr auseinander.
Nach den Daten einer Arbeit von Rau et al. sind demnach Biologika und MTX bei RA insgesamt ähnlich effektiv (Clin Exp Rheumatol 2010; 61: 58-64). Wahrscheinlich wird die Wirksamkeit von MTX gerade in klinischen Studien sogar unterschätzt, da es zu Beginn zu niedrig dosiert und nur langsam eskaliert wird. Aufgrund des Studiendesigns mit Intention-to-teat (ITT)Analyse und Last-Observation-Carried-Forward (LOCF) fallen die Ansprechraten durch das frühe Beenden der MTX-Therapie bei fehlender Möglichkeit zur Beurteilung der Wirksamkeit womöglich schlechter aus. Eine weitere Arbeit von Pincus et al. führt eine Reihe von Gründen an, die zur Unterschätzung der Effektivi-
tät und Verträglichkeit von MTX führen können (Clin Exp Rheumatol 2010; 61: 68-79). So werden zum einen Informationen von Patienten an Ärzte aufgelistet, die potentielle Nebenwirkungen übertrieben, möglicherweise zu häufige Blutuntersuchungen und ein übertriebenes kategorisches Alkoholverbot. Zudem wird auf die nur eine Minderheit repräsentierende Studienpopulation und das häufige Step-up-Design mit MTX-Teilversagern hingewiesen. Bislang mitunter unflexible Dosierungsschemata und die Notwendigkeit zum Studienabbruch bei nur geringen, klinisch nicht signifikanten Leberwerterhöhungen überbewerten womöglich die Toxizität und mindern die potentielle Effektivität. �
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25 Rheumatoide Arthritis
Neue ACR/EULAR-Klassifikationskriterien auf dem Prüfstand Die vom American College of Rheumatology (ACR) und der European League Against Rheumatism (EULAR) entwickelten neuen Klassifikationskriterien für die Rheumatoide Arthritis (RA) von 2010, die die alten Kriterien der American Rheumatology Association (ARA) von 1987 ersetzen, sind vor allem deshalb entwickelt worden, um auch Patienten mit entzündlichen Arthritiden im Frühstadium möglichst rasch zu identifizieren und nach Diagnosestellung schnell einer adäquaten Therapie zuzuführen.
Britische Rheumatologen um Dr. Raza Karim, Birmingham, untersuchten nun in einer aktuellen Studie die Leistungsfähigkeit der im vergangenen Jahr publizierten Kriterien1,2 bei Patienten mit früher Synovitis im Vergleich zu den Kriterien von 1987. Analysiert wurden die Daten von Patienten, die innerhalb von drei Monaten nach Auftreten einer entzündlichen Arthritis untersucht werden konnten. Im Rahmen eines 18-monatigen Follow-up wurde anschließend der Krankheitsverlauf dokumentiert.3 Von den in die Studie eingeschlossenen 265 Patienten wurde bei 60 Personen eine alternative Diagnose gestellt. Aus dem verbleibenden Kollektiv von 205 Patienten erfüllten zu Baseline 20 % sowohl die ARAKriterien von 1987 als auch die gemeinsamen ACR/ EULAR-Kriterien aus 2010, andererseits erfüllten 3 % nur die Kriterien von 1987 und 22 % erfüllten nur die Kriterien von 2010. Mit den neuen im Vergleich zu den alten Klassifikationskriterien wurden zu Studienbeginn mit 65 vs. 40 (62 vs. 38 %) signifikant mehr Patienten identifiziert, die im weiteren Verlauf von 18 Monaten eine Therapie mit DMARDs benötigten (p<0,001). Dies traf insbesondere mit 50 vs. 31 Patienten (68 vs. 42 %) auf eine Behandlung mit Methotrexat zu (p<0,01). Zugleich wurden jedoch mit den neuen Kriterien mit 16 vs. 5 Fällen (8 vs. 2 %) vergleichsweise mehr Patienten mit RA erfasst, deren Erkrankung wieder verschwand,
ACR und EULAR RA-Klassifikationskriterien 2010
Die Klassifikation einer gesicherten RA beruht auf: • Synovitis in mindestens einem großem Gelenk • Fehlen einer alternativen Diagnose, die die Synovitis erklären könnte • Mindestens 6 (von möglichen 10) der individuellen Scores in den folgenden vier Gebieten:
- Gelenkbeteiligung: Anzahl und Lokalisation (0-5)
- Serologie: Rheumafaktor, ACPA (0-3)
- Akute Phase Proteine: CRP, BSG (0-1)
- Symptomdauer: <6 Wochen, ≥6 Wochen (0-1)
ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt DMARDs benötigt worden wären (p=0,01). �
Die ACR/EULAR-Klassifikationskriterien aus dem Jahr 2010 ermöglichen im Vergleich zu den alten ARA-Kriterien bei Anwendung früh nach Symptombeginn eine deutlich schnellere Identifizierung von Patienten, die im Verlauf einer DMARD-Therapie bedürfen. Zwar gilt es zu beachten, dass die neuen Kriterien bei einer kleineren Patientengruppe in sehr frühen Krankheitsstadien womöglich auch zu einer Überdiagnose führen können – dennoch dürften die Vorteile der neuen Kriterien potentielle kleinere „Nachteile“ bei weitem aufwiegen.
Quellen: 1 Arthritis Rheum 2010; 62: 2569-2581 2 Ann Rheum Dis 2010; 69: 1580-1588 3 Ann Rheum Dis 2011; doi:10.1136/ard.2010. 143560
Kompakt
Die Problematik der alten ARA-Kriterien bestand maßgeblich darin, dass diese vor allem auf Patienten in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium zutrafen – also zu einem Zeitpunkt, wo es schon zu einer erheblichen Gelenkdestruktion gekommen ist und auch moderne Therapieoptionen nur noch eine eingeschränkte Wirksamkeit entfalten können. Wenngleich es sich auch bei den neuen ACR/EULAR-Kriterien nicht um Diagnosekriterien im engeren Sinne handelt, dürften sie doch helfen, RA-Patienten in deutlich früheren Krankheitsstadien zu erfassen und schnellstmöglich eine konsequente Therapie einzuleiten (s. Abb.).
26 Rheumatoide Arthritis
Sind die neuen provisorischen ACR/ EULAR-Remissionskriterien bereits für die Anwendung in der Praxis geeignet? Eine der erfreulichen Entwicklungen in der modernen Rheumatologie ist sicherlich, dass wichtige Projekte zunehmend gemeinsam von europäischen und amerikanischen Experten erarbeitet werden. Nach der Publikation der ACR/EULAR-Klassifikationskriterien für die RA hat sich eine gemeinsame Arbeitsgruppe beider Institutionen nun das Thema Remission vorgenommen.
In der vorigen Ausgabe von „Rheuma Management“ wurde bereits über die Vorstellung der neuen, auf Basis dieser Zusammenarbeit entstandenen provisorischen Remissionskriterien beim letzten ACR-Kongress in Atlanta berichtet. Kürzlich ist nun die ausführliche Publikation der Kriterien erfolgt (Ann Rheum Dis 2011; 70: 1-10), Anlass genug, um zu prüfen, ob diese neuen Kriterien (s. Tab.) bereits jetzt die vertraute DAS28-Remission in der Praxis ersetzen sollten.
Schwächen des „alten“ Remissionskriteriums Unbestritten ist, dass unsere jetzige Definition der Remission (DAS28 ≤2,6) erhebliche Schwächen aufweist. Eine unproportionale Übergewichtung des Tender Joint Count (TJC) sorgt einmal für Unzuverlässigkeit bei Patienten mit reinen Schmerzproblemen („falsch“ hoher DAS-Wert trotz möglicherweise geringer Krankheitsaktivität), andererseits für die Unterschätzung von Gelenkschwellungen. Im Extremfall könnte eine Remission trotz Vorhandenseins von sechs geschwollenen Gelenken errechnet werden. Nimmt man somit die Remission in der jetzigen Form zum Maßstab für das Absetzen von Medikamenten, so wird eine Reihe von Patienten mit Recht dagegen pro-
1) Tender Joint Count ≤1
2) Swollen Joint Count ≤1
3) Patient Global Assessment ≤1 (10-Punkte-Skala)
4) CRP ≤1 (mg/dl)
Zweite Möglichkeit: SDAI ≤3,3 – in der klinischen Praxis alternativ Anwendung eines CDAI ≤2,8 möglich. SDAI: TJC, SJC, CRP, Patients’s Global Health Assessment, Physician’s Global Health Assessment – beim CDAI Weglassen des CRP.
Tab. 1: Die neuen ACR/EULAR-Remissionskriterien
Prof. Dr. med. Klaus Krüger testieren, weil sie sich nicht wirklich optimal behandelt fühlen. Eine Schwäche des DAS28 im Vergleich zum ursprünglichen DAS44 ist die Vernachlässigung des Fußskelettes, welches immerhin in ca. 10 % der frühen Fälle eindeutig im Vordergrund steht. Schließlich würde man sich für eine wirklich komplette Remission auch das Sistieren radiologischer Veränderungen und einen stabilen Funktionsstatus wünschen – beides ist in der DAS-Definition ebenfalls nicht enthalten.
Fallstricke der neu vorgeschlagenen Kriterien Schaffen hier die neuen Kriterien Abhilfe? Unbestritten wird durch sie ein Mehr an Krankheitskontrolle verlangt. Des Weiteren ist als Verbesserung zu vermerken, dass der Swollen Joint Count (SJC) nunmehr gleich gewichtet wird wie der TJC. Weitere bisherige Schwächen wie die Ausklammerung des Fußskelettes, der Radiologie und des Funktionsstatus bleiben jedoch bestehen. Als ein gehöriges Problem erweist sich das Global Health Assessment durch den Patienten (PGH): Der geforderte Wert von maximal eins (entsprechend 10 mm auf der VAS) wird selbst bei bestens kontrollierter RA von den allerwenigsten Patienten erreicht, da hier fast immer Faktoren Einfluss nehmen, die nicht der Krankheit zuzuordnen sind. In einer Pilot-Querschnittsuntersuchung mit Patienten in DAS-Remission erfüllten nur 20 % in unserer Praxis
auch die neuen Kriterien, fast immer war das PGH die Ursache. Und in der Tat: Es ist zu hinterfragen, ob der Patientenbezug stimmt. Die neuen Kriterien sind zunächst einmal von einer in sich geschlossenen Expertengruppe ohne Mitwirken von Patienten erarbeitet worden. Daraus ist nicht automatisch abzuleiten, dass sie auch tatsächlich genau den Level an Aktivität bzw. Beschwerdefreiheit treffen, den der Patient für akzeptabel hält – dies muss nachgebessert werden. Darüber hinaus entstammen die der Erarbeitung zugrundeliegenden Daten randomisiert-kontrollierten Studien, deren Krankengut bekanntlich nicht mit dem identisch ist, welches in der rheumatologischen Praxis behandelt wird. �
Die Kriterien sind in der Tat präliminär und im Moment nur in klinischen Studien anzuwenden, wie im Titel der Publikation vorgegeben. Für ihre Anwendung im klinischen Alltag ist die Zeit noch nicht gekommen – vorerst müssen wir uns mit der alten DAS-Definition begnügen, wenn es um das Erreichen des Therapieziels Remission geht.
Kompakt
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Prof. Dr. med. Klaus Krüger Internist - Rheumatologe Praxiszentrum St. Bonifatius St. Bonifatius St. 5, 81541 München Tel. 089/6914222, Fax: 089/6914230
Frühe Therapie erhöht Chance auf Remission Dass Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA) unabhängig davon, ob zu Beginn DMARDs oder TNF-Blocker verordnet werden, eine umso höhere Wahrscheinlichkeit für eine Remission aufweisen, desto kürzer die Krankheitsdauer war respektive desto früher die Therapie gestartet wurde, belegen neue Daten aus dem „Consortium of Rheumatology Researchers of North America” (CORRONA)Register. Laut den US-amerikanischen Experten um Dr. Jeffrey D. Greenberg, New York, zeigt sich erneut die langfristige Effektivität einer frühen, aggressiven Therapiestrategie.
In der Gruppe mit Erstverordnung eines DMARDs erreichten 21,3 % der Patienten mit einer Krankheitsdauer ≤5 Jahre eine Remission gemäß CDAI (≤2,8) im Vergleich zu 19,6 bzw. 13,5 % der Teilnehmer mit einer Krankheitsdauer von 6-10 Jahren bzw. von ≥11 Jahren (p<0,0001), in eine anhaltende Remission gelangten 10,2, 8,8 bzw. 2,5 % der Patienten aus der DMARD-Gruppe (p<0,001). Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich für die neu mit TNF-Blockern behandelten Patienten mit entsprechenden CDAI-Remissionsraten von 22,3, 17,7 sowie 12,8 % (p<0,001). Dies galt gleichfalls für die nach ≤5, 6-10 oder ≥11 Jahren erreichte anhaltende Remission gemäß CDAI mit Raten von 9,7, 9,5 und 4,2 % (p<0,001). Die Ergebnisse zwischen den Gruppen waren auch nicht verschieden, wenn als Remissionskriterium der DAS28 herangezogen wurde.
In adjustierten Analysen für beide Behandlungsgruppen zeigte sich, dass ein Anstieg der Krankheitsdauer um fünf Jahre mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für eine Remission assoziiert war: Für die Remission gemäß CDAI wurde für die DMARD-Patienten eine Odds ratio (OR) von 0,91 berechnet, für die Patienten mit Anti-TNF-Therapie eine OR von 0,88. Auch hier zeigten sich mit ORs von 0,61 und 0,85 wiederum keine relevanten Unterschiede für die DAS28-Remission. �
Eine frühe und aggressive Therapiestrategie mit DMARDs und/oder Biologika erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine Remission. Die Zahl von Patienten in andauernder Remission war 50 % niedriger als derjenigen mit einer temporären Remission – viele Patienten bewegen sich also unabhängig vom gewählten Kriterium CDAI oder DAS28 „in und aus“ der Remission – dies gilt es in künftigen Studien im Auge zu behalten.
Quelle: Arthritis Care Res 2011; doi: 10.1002/acr.20452
Kompakt
Alle eingeschlossenen Patienten waren de novo entweder auf eine Therapie mit DMARDs (n=1.646), zumeist MTX, oder auf die TNF-Inhibitoren Adalimumab, Etanercept oder Infliximab (n=3.179) eingestellt worden. Als Kriterien für eine Remission während des 1-jährigen Follow-up dienten ein CDAI ≤2,8 und ein DAS28 <2,6, eine anhaltende Remission war definiert als das Vorliegen einer solchen Remission bei zwei sukzessiven Visiten.
28 Fortschritte in der Rheumatologie 2010
Neue Erkenntnisse zur TNFα-Blockade Durch die Einführung der TNFα-Blocker gelangen in der Rheumatologie zuvor kaum für möglich gehaltene Therapieerfolge, die gerade bei der Rheumatoiden Arthritis (RA) bei früher, konsequenter Behandlung sogar eine länger andauernde arzneimittelfreie Remission ermöglichen können. Diesen Fortschritten wurde im vergangenen Jahr mit neuen Diagnosekriterien und Therapieempfehlungen Rechnung getragen. Die beiden TNFα-Hemmer Infliximab und Golimumab bieten langfristig hohe Wirksamkeit und ein breites Zulassungsspektrum in den rheumatologischen Indikationen von der RA über die Ankylosierende Spondylitis (AS) bis zur Psoriasis-Arthritis (PsA).
TNFα-Inhibitoren wie das lange etablierte, hochwirksam i.v. zu applizierende Infliximab (Remicade®) und das neuere, einmal monatlich s.c. zu verabreichende Golimumab (Simponi®) mit hohem Patientenkomfort haben die Therapie rheumatischer Erkrankungen nachhaltig bereichert. Neben der Hemmung der Entzündungsaktivität werden eine verminderte Knochendestruktion, verbesserte Lebensqualität, geringere körperliche Beeinträchtigung, weniger krankheitsbedingte Fehltage und sogar eine reduzierte Mortalität erreicht. Vor Jahren noch undenkbar, sind heute die klinische Remission und sogar länger dauernde arzneimittelfreie Remissionen realistische Therapieziele bei der RA. Die mit TNFα-Blockern und anderen Biologika erreichten Fortschritte führten zu einem Paradigmenwechsel, der inzwischen auch Einzug in die Therapieleitlinien gehalten hat und maßgeblich die Forderung nach einer sehr frühen Diagnose beinhaltet, um die neuen Behandlungschancen optimal zu nutzen. Nach Prof. Dr. Klaus Krüger, München, sticht das Jahr 2010 durch eine Reihe neuer sowie aktualisierter Kriterien und Empfehlungen heraus, wobei insbesondere die gemeinsamen ACR/EULARKlassifikationskriterien für die RA einen Meilenstein bedeuten, da sie im Gegensatz zu den alten ARA-Kri-
7-Jahres-Ergebnisse der BeSt-Studie 28 % Patienten in Remission (DAS44 <1,6) 17 % Patienten in arzneimittelfreier Remission (DAS44 <1,6)
28 %
17 % 31 %
24 % Patienten mit anderer Therapie
24 %
31 % Patienten mit Therapieansprechen (DAS44 ≤2,4)
Completers analysis (97/128 Patienten), Behandlungsgruppe 4 mit initial Infliximab + MTX
Abb. 1: Arzneimittelfreie Remission nach sieben Jahren unter initialer Kombination Infliximab plus MTX (mittl. Remissionsdauer 31 Monate)3
terien von 1987 eine sehr frühe Identifizierung von RA-Patienten erlauben.1 „Mit diesen neuen Kriterien kommen wir unserem erklärten Ziel einer raschen Diagnosestellung und damit früherem Therapiebeginn deutlich näher“, so Krüger.
Therapiefreie Remission bei RA – realistisches Behandlungsziel Einen weiteren Schritt nach vorne bedeuten auch die neuen EULAR-Therapieempfehlungen zum Einsatz synthetischer und biologischer DMARDs bei RA.2 „Die wichtigsten Prinzipien sind die unmittelbare Therapieeinleitung nach Diagnosestellung, ein am konkreten Therapieziel Remission orientiertes Vorgehen und die regelmäßige Anpassung der Behandlung bis zum Erreichen dieses Ziels“, erläuterte Krüger. Im Fokus stehen neben der klinischen Remission der Erhalt der körperlichen Funktions- und Arbeitsfähigkeit sowie die Vermeidung struktureller Gelenkschäden im Sinne einer radiologischen Progression. Erscheint eine Remission nicht erreichbar, gilt es zumindest, die Krankheitsaktivität auf ein Minimum zu reduzieren. In der ersten Therapiestufe wird nach Krügers Worten der Einsatz von Methotrexat (MTX) in Kombination mit einem Glukokortikoid empfohlen. Wird nach drei bis sechs Monaten keine Remission erreicht, ist in einem zweiten Schritt ein Therapiewechsel vorgesehen, wobei dann für Patienten mit deutlich erhöhtem CRP-Wert, positivem RF- und/oder Anti-CCP-Status sowie hohem Erosionsscore – und somit ungünstiger Prognose – die Kombination aus TNFα-Blocker und MTX empfohlen wird, während für Patienten mit besserer Prognose zunächst eine Kombination mehrerer synthetischer DMARDs vorgeschlagen wird. „Gelingt auch unter einer DMARD-Kombination keine Remission, muss die Therapie in einem dritten Schritt spätestens dann auf die Kombination aus einem TNFαInhibitor plus MTX umgestellt werden“, führte Krüger weiter aus. Bei Versagen des ersten TNFα-Blockers kann entweder auf einen zweiten TNFα-Inhibitor oder ein anderes Biologikum gewechselt werden.
29
Bei dem in der klinischen Praxis recht großen Kollektiv von RA-Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf MTX wird dann häufig mit einem TNFα-Inhibitor kombiniert. „In der GO-FORWARD-Studie konnten für Golimumab anhaltende und im Verlauf über zwei Jahre noch steigende ACR20/50/70-Ansprechraten nachgewiesen werden“, erläuterte Schulze-Koops (s. Abb. 2).4, 5 Dabei kam es in einer MRT-Substudie unter Golimumab 50 mg plus MTX im Vergleich zu MTX alleine bereits nach 12-24 Wochen zu einer signifikanten Reduktion der mittels RAMRIS-Score bestimmten Entzündung.6 Dass diese Kombination auch früh nach 24 Wochen zu einer signifikanten Hemmung der radiologischen Progression führt, zeigen gleichfalls auf dem ACR-Kongress 2010 präsentierte Daten einer japanischen Studie.7
Update zur TNFα-Blockade bei AS und PsA „Die anhaltende Wirksamkeit von TNFα-Blockern wie Infliximab und Golimumab wurde auch bei AS und PsA vielfach dokumentiert“, führte Schulze-Koops weiter aus. So bewirkte Golimumab 50 mg bei AS-Patienten in der GO-RAISE-Studie ein anhaltendes ASAS40-Ansprechen bis Woche 104.8 Unter Golimumab kam es bereits frühzeitig zu einer Reduktion der Krankheitsaktivität im BASDAI-Score sowie zu Verbesserungen der mittels BASMI erfassten Wirbelsäulenfunktion. Die nach 24 Wochen erzielten klinischen Verbesserungen waren bei den meisten Patienten auch nach zwei Jahren nachweisbar.8
2-Jahres-Ergebnisse der GO-FORWARD-Studie 80 Patienten (%)
Dass heute mit Infliximab bei einem Teil der Patienten nicht nur eine kurzfristige klinische Remission, sondern tatsächlich auch langfristig sogar eine arzneimittelfreie Remission möglich ist, zeigen nach Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, München, die aktuellen Ergebnisse der niederländischen BeSt-Studie, in der vier verschiedene Starttherapien randomisiert eingeleitet und dann je nach Therapieerfolg beibehalten oder eskaliert wurden. Von jener Gruppe, die zu Beginn aggressiv mit Infliximab plus MTX behandelt wurde, befanden sich nach sieben Jahren 45 % der noch teilnehmenden Patienten (n = 97/128) in Remission (DAS44 <1,6), darunter 17 % in arzneimittelfreier Remission – und dies bei einer mittleren Remissionsdauer von 31 Monaten (s. Abb. 1).3 „Damit ist Infliximab der bisher einzige TNFα-Blocker, für den das Erreichen und der Erhalt einer arzneimittelfreien Remission eindeutig belegt wurde“, so Schulze-Koops. Zudem belegt die Studie eindrücklich, dass die frühe Suppression der Krankheitsaktivität mit Infliximab plus MTX den Umfang der Gelenkschäden – gemessen anhand der Progression des vdHS-Scores – nach sieben Jahren entscheidend reduziert.
ACR 20 p<0,001
ACR 50
59,6
60
ACR 70
71,9 57,3 p<0,001
40
37,1
p<0,001
27,8
0
30,3
20,2
20
13,5 5,3
Woche 24
Woche 104
ACR-Ansprechraten mit Golimumab +MTX in Woche 24 und 104
Woche 24
Woche 104
Woche 24
Woche 104
Placebo+MTX (n=133) Golimumab 50 mg (initial)+MTX (n=89)
Abb. 2: ACR-Ansprechen unter Golimumab plus MTX (ITT-Analyse, LOCF)4, 5 Positive Langzeitdaten für die beiden TNFα-Antagonisten konnte Schulze-Koops auch für die PsA vorstellen. So wurde für Golimumab 50 mg in der GO-REVEAL-Studie ein anhaltendes ACR-Ansprechen über zwei Jahre dokumentiert.9 Überdies belegen aktuelle Daten vom ACR 2010 eine langfristige Hemmung der radiologischen Progression durch Golimumab 50 mg. In Kombination mit MTX kam es binnen zwei Jahren zu einer durchschnittlichen Reduktion des vdHS-Scores um 0,39 Punkte.10 Bemerkenswert ist nach Schulze-Koops zudem die Besserung der Hautsymptomatik: „Nach zwei Jahren erreichte etwa jeder zweite Patient unter Golimumab 50 mg ein PASI90-Ansprechen.“11 Abschließend verwies der Münchner Rheumatologe auf aktuelle Daten aus dem CORRONA-Register, in dem PsA-Patienten erstmalig auf einen TNFα-Blocker eingestellt und anschließend mindestens zwei Jahre nachverfolgt wurden. Obwohl die meisten Patienten auf dem jeweiligen TNFα-Hemmer blieben, war die Therapieabbruchrate unter Infliximab geringer als mit Etanercept oder Adalimumab.12 � Quelle: Meet-the-Expert von Essex Pharma, einem Unternehmen der MSD-Gruppe, im Rahmen des TNFαForums, München, 21. Januar 2011 Literatur: 1 Aletaha D et al., Arthritis Rheum 2010; 62: 2569-2581 2 Smolen J et al., Ann Rheum Dis 2010; 69: 964-975 3 Dirven L et al., ACR 2010; Abstr. 334 4 Keystone E et al., Ann Rheum Dis 2009; 68: 789-796 5 Keystone E et al., EULAR 2010; SAT0134 6 Conaghan PG et al., ACR 2010; Abstr. 1097 7 Tanaka T et al., ACR 2010; Abstr. 1815 8 Braun J et al., EULAR 2009, SAT0268 9 Kavanaugh A et al., ACR 2009; Abstr. 512 10 Kavanaugh A et al., ACR 2010; Abstr. 1943 11 Kavanaugh A et al., EULAR 2010; SAT0299 12 Chakravarty EF et al., ACR 2010; Abstr. 1960
30 Rheumatoide Arthritis
Neue Daten aus Früharthritis-Kohorte Grundvoraussetzung für eine personalisierte Medizin bei früher Arthritis ist eine möglichst adäquate Vorhersage des später zu erwartenden Outcomes. Während es bei früher undifferenzierter Arthritis entscheidend darauf ankommt, korrekt zu prognostizieren, ob sich später einer Rheumatoide Arthritis (RA) entwickeln wird, beeinflusst bei einer bereits bestehenden RA die Einschätzung des Schweregrads des Krankheitsverlaufs maßgeblich die individuelle Therapiestratifizierung.
Im Ergebnis waren die prognostischen Faktoren für die Erfüllung der ACR 1987 RA-Kriterien und das Persistieren einer Arthritis bei UA-Patienten weitestgehend vergleichbar. Als signifikante Risikofaktoren für schwere Gelenkdestruktionen wurden ein höheres Alter (p<0,001), männliches Geschlecht (p<0,001), längere Symptomdauer bei Erstvorstellung der Patienten (p=0,048), die Beteiligung der unteren Extremitäten (p<0,001), der BMI (p<0,001), hohe Akute-PhaseReaktanten (CRP, BSG), das Vorliegen von IgM-RF (p<0,001), Anti-CCP2-Antikörpern (p<0,001), Anti-
MCV-Antikörpern (p<0,001) und HLA-DRB1 Shared Epitop-Allelen (p=0,001) ausgemacht. Zwar war ein hoher BMI mit einer niedrigeren Rate der Gelenkdestruktion assoziiert, zugleich aber auch mit einem höheren Risiko für das Persistieren der Erkrankung. Mit den etablierten prädiktiven Faktoren konnten nach Berechnung der Autoren letztlich nur 32 % der Abweichungen bei der Gelenkdestruktion erklärt werden. �
Prädiktive Faktoren für die Entwicklung einer RA, die bereits zur Vorhersage bei undifferenzierter Arthritis genutzt wurden, sind weitgehend identisch zu jenen Prädiktoren für das Persistieren einer Arthritis. Jedoch kann bei RA das Ausmaß der Gelenkzerstörung nur partiell durch die etablierten Risikofaktoren erklärt werden. Zu einer wirklich individuellen Steuerung der medikamentösen Therapie bei RA-Patienten bedarf es daher der Identifizierung weiterer Faktoren für den Krankheitsverlauf.
Quelle: Rheumatology 2011; 50: 93-100
Hohe Lipidspiegel bei RA eher kardioprotektiv? Dass bei RA hohe Lipidspiegel nicht mit einem zusätzlich erhöhten kardiovaskulären Risiko gleichzusetzen sind, sondern dieses im Gegenteil sogar zu reduzieren scheinen, zeigten US-amerikanische Rheumatologen um Dr. Sherine E. Gabriel, Rochester, in einer retrospektiven Kohortenstudie. So wiesen ausgerechnet RA-Patienten mit niedrigem, nicht jedoch solche mit einem erhöhten Gesamt- und LDL-Cholesterin ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auf.
Im Rahmen der retrospektiven populationsbasierten Kohortenstudie wurden die Daten von 651 Patienten der Mayo Clinic und weiterer Institute in und um Rochester im US-Bundesstaat Minnesota ausgewertet, bei denen zwischen Januar 1988 und Dezember 2007 die Neudiagnose einer RA erfolgte. Das durchschnittliche Alter der Kohorte betrug 55,8 Jahre, 69 % waren Frauen und 67 % Rheumafaktor (RF)-positiv. Über
einen Follow-up-Zeitraum von acht Jahren wurden sowohl die Lipidwerte der Patienten als auch Inflammationsmarker wie die Blutsenkung (BSG) und C-reaktives Protein (CRP) erfasst und – adjustiert auf Alter, Geschlecht und Jahr der RA-Diagnosestellung – mit dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse wie Angina pectoris, Hospitalisierung aufgrund eines Myokardinfarkts, koronare Revaskularisation oder Herzinsuf-
Kompakt
Um genauere Erkenntnisse zur Bedeutung bestimmter prädiktiver Faktoren für die Entwicklung und den weiteren Verlauf einer RA zu gewinnen, haben niederländische Rheumatologen um Dr. Diederik P. C. de Rooy, Leiden, die Basisdaten von 570 Patienten mit undifferenzierter Arthritis (UA) und 676 RA-Patienten der bekannten Leiden Früharthritis-Kohorte ausgewertet. Die für die Abschätzung des Krankheitsausgangs herangezogenen Parameter umfassten die Erfüllung der RA-Kriterien des ACR (damals ARA) 1987 und das Persistieren einer Arthritis bei UA-Patienten sowie die Rate radiologisch nachweisbarer Gelenkschäden und das Erreichen einer anhaltenden DMARD-freien Remission bei RA-Patienten.
31
Bei RA-Patienten mit einem Gesamtcholesterin <4 mmol/l (155 mg/dl) oder einem LDL-Cholesterin <2 mmol/l (77 mg/dl) – dies traf auf bis zu 5 % der Kohorte zu – stieg das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse bei weiterem Absinken dieser Werte um 1 mmol/l nämlich deutlich auf das 2,6- bis 3,3-Fache an. So zeigte sich eine signifikante nicht-lineare Assoziation zwischen Gesamtcholesterin und kardiovaskulärem Risiko mit einem 3,3-fachen Anstieg des Risikos bei einem Gesamtcholesterin <4 mmol/l, jedoch keinem erhöhten Risiko bei Werten ≥4 mmol/l (p=0,57). Auch ein niedriges LDL-Cholesterin <2 mmol/l war mit einem
allerdings geringeren Anstieg des kardiovaskulären Risikos assoziiert (p=0,10), wiederum fand sich kein erhöhtes Risiko bei LDL-Werten ≥2 mmol/l (p=0,76). Keine solche paradoxe Beziehung zum kardiovaskulären Risiko zeigte sich hingegen für die Höhe der Triglyzeridwerte. Insgesamt war eine BSG >30 mm/h mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert, insbesondere aber bei Patienten mit einem niedrigen LDL-Cholesterin. �
Die Ergebnisse belegen eine signifikante Assoziation zwischen systemischer Inflammation und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen bei RA-Patienten. Dabei besteht bei RA eine reverse Beziehung zwischen dem Lipidspiegel und dem kardiovaskulären Risiko, da letzteres bei niedrigem Gesamt- und LDL-Cholesterin paradoxerweise erhöht ist. Die genauen Ursachen für diesen Befund gilt es noch zu evaluieren.
Kompakt
fizienz sowie der Mortalität in Beziehung gesetzt.Im Ergebnis zeigte sich durchaus erwartungsgemäß, dass bei RA-Patienten pro Anstieg der BSG um 10 mm/h ein signifikant erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu verzeichnen war (Hazard ratio, HR 1,2). Ein ähnlicher Befund ergab sich – wenngleich nicht statistisch signifikant – für das CRP (p=0,07). Interessanterweise wiesen die Rheumatologen zugleich aber erstmals in einer großen Längsschnittstudie für RA-Patienten mit Bezug zur Entzündungsaktivität ein Lipidparadox nach.
Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 482-487
TNF-Blockade wirkt zunächst im Gehirn Dass die Wirksamkeit von TNF-Blockern auf die Krankheitsaktivität bei der RA so rasch einsetzt, ist nach den Erkenntnissen deutscher Mediziner um Prof. Dr. Georg Schett, Erlangen, nicht in erster Linie auf eine schnelle Reduktion der Gelenkentzündung zurückzuführen, sondern vielmehr über eine ZNS-vermittelte verringerte Schmerzempfindlichkeit.
Mithilfe einer speziellen Aufnahmetechnik für die funktionelle MRT (fMRI) an narkotisierten Mäusen, die PD Dr. Andreas Hess und Prof. Dr. Kay Brune entwickelt haben, konnte jetzt nachgewiesen werden, dass TNFα zwischen Immunsystem und Gehirn vermittelt und dabei auch die Schmerzwahrnehmung entscheidend beeinflusst. Diesen Effekt konnten die Forscher auch beim Menschen beobachten. Binnen 24 h nach der Neutralisierung von TNF-α durch die Infusion eines TNF-Blockers kommt es dabei zu einer Blockierung der
nozizeptiven ZNS-Aktivität im Thalamus und somatosensorischen Kortex, ebenso wird die Aktivierung des limbischen Systems gehemmt. Während sich somit über die fMRI bereits eine deutliche Schmerzlinderung nachweisen lässt, sind Entzündungsmarker wie die Gelenkschwellung oder Akute-Phase-Proteine so früh nach der Anti-TNF-Therapie noch nicht beeinflusst. �
Die TNF-Hemmung verringert zunächst sehr rasch die Schmerzempfindlichkeit im Gehirn und bessert hierüber den Krankheitszustand der Patienten. Erst nachfolgend kommt es zur Reduktion der Gelenkentzündung. Mittels moderner bildgebender Verfahren wie der fMRI könnten künftig neue Therapien gegen chronische Erkrankungen wie z. B. die RA entwickelt und analysiert werden.
Quelle: PNAS 2011; 108: 3731-3736
Kompakt
Für ihre Studie untersuchten die Forscher RA-Patienten, sowie Mäuse, die aufgrund eines Gendefektes eine ganz ähnliche Erkrankung zeigen. Neben der Gelenkentzündung kommt es bei Menschen wie auch Mäusen zu starken Schmerzen und überdies vielfach zu Fatigue, Schlafstörungen und Depressionen. Bekannt war bisher, dass diese Symptome im ZNS entstehen. Wie jedoch die Immunabwehr und die Entzündung in den Gelenken das Nervensystem beeinflussen, war bisher nicht genau geklärt.
32 Rheumatoide Arthritis
Erhöhtes Infektionsrisiko älterer Patienten Mit Glukokortikoiden behandelte RA-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen. Dass bei älteren Patienten eine solche Assoziation auch zu leichten Infektionen vorliegt, zeigten in einer aktuellen Kohortenstudie britische und kanadische Wissenschaftler um Dr. Will G. Dixon, Manchester (England).
In der Studie wurden die Daten einer kanadischen Kohorte von 16.207 RA-Patienten über 65 Jahre aus dem Bundesstaat Quebec ausgewertet, wobei leichte Infektionen als Erstauftreten einer Infektion oder als Verordnung von Antiinfektiva definiert waren. Erfasst wurden zudem Daten zur Verschreibung von Glukokortikoiden und DMARDs. Darauf basierend wurde eine genestete Fall-Kontroll-Analyse unter Berücksichtigung von Medikamentenverordnungen innerhalb von 45 Tagen nach dem Indexereignis durchgeführt.
Infektionen unter einer Kortisontherapie. Dieses Risiko erwies sich als dosisabhängig mit einem RR von 1,1 bei <5 mg/Tag Prednisolon, aber einem RR von 1,85 bei Prednisolon-Dosierungen >20 mg/Tag. Insgesamt war das Infektionsrisiko unter Kortison einschließlich niedriger Dosierungen sogar ein wenig höher als unter MTX (adj. RR 1,0).
Im Ergebnis war die Therapie mit Glukokortikoiden vor allem in höheren Dosierungen bei älteren RAPatienten mit einem erhöhten Risiko für leichte InBei 13.634 Personen trat im Verlauf eines Follow-up fektionen assoziiert. Obgleich das relative Risiko eher von 28.695 Patientenjahren (PJ) eine leichte Infektion gering erscheint, ist mit einer zusätzlichen Infektion auf, entsprechend einer Inzidenzrate von 47,5/100 PJ. bei jedem 13. Patienten, der ein Jahr mit Kortison Die nicht-adjustierten Raten für das Auftreten leichter behandelt wurde, das absolute Risiko doch recht � Infektionen betrug für Patienten mit Glukokortikoid- hoch. Exposition 52,4/100 PJ, für solche ohne Glukokortikoide 38,8/100 PJ. Daraus berechnet sich ein adjustiertes Quelle: Ann Rheum Dis 2011, doi:10.1136/ard.2010. relatives Risiko (RR) von 1,2 für das Auftreten leichter 144741
Krankheitsaktivität beeinflusst Infektionsrisiko US-amerikanische Rheumatologen um Dr. Daniel E. Furst, Los Angeles, konnten anhand der Daten des „Consortium of Rheumatology Researchers of North America“ (CORRONA)-Registers eine Assoziation zwischen der hoher RA-Krankheitsaktivität und einem erhöhten Infektionsrisiko nachweisen.
Bei mindestens sechs Monate stabil auf eine Therapie mit DMARDs, Biologika und Glukokortikoiden eingestellten RA-Patienten wurde das Auftreten von Infektionen mit der mittels CDAI und DAS28 bestimmten Krankheitsaktivität ins Verhältnis gesetzt. Anschließend wurde in einer auf Begleitfaktoren adjustierten Regressionsanalyse die Incidence Rate Ratio (IRR) bestimmt. Aus der Gesamtkohorte erfüllten letztlich 6.242 Patienten die geforderten Einschlusskriterien. In diesem Kollektiv mit insgesamt 7.290 Patientenjahren wurden 2.282 Infektionen dokumentiert. Die adjustierte Analyse ergab eine eindeutige Assoziation zwischen der Krankheitsaktivität und einer erhöhten Infektionsrate. Pro Anstieg des DAS28 um 0,6 Punkte wurde eine signifikant um 4 % erhöhte Infektionsrate er-
mittelt (IRR 1,04, p=0,01) und sogar ein Anstieg um 25 % hinsichtlich von Infektionen, die eine stationäre Behandlung erforderten (IRR 1,25, p=0,03). Beim CDAI stieg die Infektionsrate bei geringer Krankheitsaktivität (CDAI <10) pro Anstieg um 5 Punkte signifikant um 12 % (IRR 1,12, p=0,003). Bei einem Score ≥10 kam es hingegen bei zunehmender Krankheitsaktivität nicht zu einem weiteren Anstieg der Infektionsrate. Hinsichtlich der Assoziation zwischen CDAI und stationär zu behandelnden Infektionen zeigte sich ein ähnlicher Trend, der jedoch nach einer multivariaten Analyse nicht statistisch signifikant war (CDAI <10: IRR 1,56, p=0,08). � Quelle: Ann Rheum Dis 2011; 70: 785-791
33 Systemischer Lupus erythematodes
BLISS-52 belegt Effektivität von Belimumab Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) handelt es sich um eine heterogene Autoimmunerkrankung, die mit einer B-Zell-Hyperaktivität, Autoantikörpern und erhöhten B-Lymphozytenstimulator (BLyS)-Konzentrationen assoziiert ist. Die Effektivität und Sicherheit des spezifisch BLyS-hemmenden, vollständig humanen monoklonalen Antikörpers Belimumab wurde in der multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Phase III-Studie BLISS-52 von einer internationalen Studiengruppe um Prof. Dr. Michelle A. Petri, Baltimore (USA), bei Patienten mit aktivem SLE untersucht.
Als primärer Effektivitäts-Endpunkt war die Verbesserung des SLE Responder-Index (SRI) nach 52 Wochen im Vergleich zum Studienbeginn definiert worden. Zur Erfüllung dieses Kriteriums bedurfte es einer Reduktion ≥4 Punkten im SELENA-SLEDAI-Score, keinem neuen Punkt im BILAG A-Score, nicht mehr als einem neuen Punkt im BILAG B-Score und keiner Verschlechterung (Anstieg <0,3) im PGA-Score.
erhalten. Schließlich konnten die Daten von 865 Teilnehmern für die ITT-Analyse ausgewertet werden. Im Ergebnis wurden nach 52 Wochen mit Belimumab sowohl in niedrigerer (1 mg/kg: 51 %, Odds ratio, OR 1,55, p=0,0129) als auch höherer Dosierung (10 mg/kg: 58 %, OR 1,83, p=0,0006) im Vergleich zu Placebo (44 %) signifikant höhere SRI-Ansprechraten erreicht. Signifikante Vorteile für beide BelimumabTherapiegruppen gegenüber Placebo wurden auch hinsichtlich der Einzelkomponenten des Endpunkts dokumentiert: Reduktion des SELENA-SLEDAI (≥4) 53 vs. 58 vs.46 %, keine Verschlechterung in den BILAG A- und B-Domänen (78 vs. 81 vs. 73 %) und keine Verschlechterung im PGA-Score (79 vs. 80 vs. 69 %). Die Rate unerwünschter Ereignisse war für alle drei Therapiearme vergleichbar. Schwere Infektionen traten bei 8, 4 und 6 % der Patienten auf, schwere Infusionsreaktionen bei je <1 % (Belimumab) und zu 0 % unter Placebo. Erfreulicherweise wurden keine maligne Erkrankungen dokumentiert. �
Insgesamt hatten 867 Patienten Belimumab 1 mg/kg (n=289) oder 10 mg/kg (n=290) oder Placebo (n=288)
Quelle: Lancet 2011; 377: 721-731
In die 52-wöchige Studie wurden seropositive Patienten über 18 Jahre eingeschlossen, die einen Wert ≥6 im SELENA-SLEDAI-Index haben mussten. Die Patienten wurden in einem 1:1:1-Studiendesign auf Belimumab 1 oder 10 mg/kg oder Placebo randomisiert und erhielten zusätzlich zu einer Standardversorgung eine einstündige Infusion an den Tagen 0, 14 und 28 und dann alle 28 Tage bis Woche 48. Die Zuordnung der Patienten auf die Therapiearme war sowohl für die Patienten, Prüfärzte als auch die Studienkoordinatoren verblindet.
Belimumab in den USA für SLE zugelassen Mit Belimumab (Benlysta®) hat die US-amerikanische FDA erstmals seit einem halben Jahrhundert ein neues Medikament spezifisch zur Behandlung des systemischen Lupus erythematodes (SLE) zugelassen – zugleich handelt es sich um das erste für SLE zugelassene Biological. Der vollhumane, monoklonale BLyS-Antikörper darf bei Patienten eingesetzt werden, die unter einer Standardtherapie mit Kortikosteroiden, Antimalariamitteln, Immunsuppressiva und NSAR keine ausreichende Besserung erzielen. Bereits im November letzten Jahres hatte sich ein Gutachtergremium der FDA mit 13:2 Stimmen trotz einer in den Zulassungsstudien mit 1.684 Patienten eher begrenzten Effektivität und aufgrund einer im Ver-
gleich zu Placebo erhöhten Mortalität und erhöhtem Risiko für schwere Infektionen nicht unerheblicher Sicherheitsbedenken für die Zulassung von Belimumab ausgesprochen. Dies ist sicher auch vor dem Hintergrund der derzeit eher als suboptimal zu bezeichnenden Therapieoptionen bei SLE zu sehen, weshalb die meisten Experten die jetzt erfolgte Zulassung auch sicher begrüßen werden. Kontraindiziert ist Belimumab bei Patienten mit ZNS- und Nierenbeteiligung, ebenso darf unter der Therapie keine Impfung mit Lebendimpfstoffen erfolgen. Mit einem entsprechenden Entscheid seitens der europäischen Zulassungsbehörde EMA wird in Bälde gerechnet. � Quelle: Pressemitteilung der FDA, 9. März 2011
34 Rheumatoide Arthritis
Schnelle Wirkung mit Abatacept als First-line-Biologikum innerhalb von zwölf Wochen Aufgrund positiver Studiendaten ist der selektive T-Zell-Costimulationsmodulator Abatacept mittlerweile auch für die First-line-Therapie der Rheumatoiden Arthritis (RA) in Kombination mit Methotrexat (MTX) bei Patienten mit mäßiger bis schwerer RA und unzureichendem Ansprechen auf ein oder mehrere DMARDs einschließlich MTX oder einen TNF-α-Inhibitor zugelassen. Abatacept zeichnet sich durch einen schnellen Wirkeintritt und lang anhaltende Wirksamkeit aus.
Gerade bei frühem Einsatz in der First-line-Therapie zeichnet sich Abatacept (Orencia®) durch eine schnelle, aber auch andauernde und sich im Zeitverlauf noch zunehmende Wirksamkeit im Sinne einer Verringerung der Krankheitsaktivität, reduzierten Progression der Gelenkschädigung und verbesserten körperlichen Funktionsfähigkeit aus.1,2,3 Als der erste und einzige für diese Indikation zugelassene selektive T-Zell-Costimulationsmodulator verhindert Abatacept die vollständige Aktivierung der T-Zellen, die bei der RA eine zentrale Rolle bei der Regulation des Immunsystems spielen und maßgeblich für die nachgeschaltete Autoimmunreaktion, wie die Ausschüttung von TNF-α, IL-6 sowie die B-Zell-Aktivierung, verantwortlich sind. Dadurch greift Abatacept besonders früh und zentral in die Entzündungskaskade ein.
Patienten (%)
Durch die Einführung der Biologika wurde die RATherapie nachhaltig revolutioniert, da jetzt auch eine klinische Remission und Stopp der radiologischen Progression zu realistischen Behandlungszielen geworden sind. Voraussetzungen hierfür sind eine frühzeitige Diagnose und eine möglichst früh einsetzende und sich am Erreichen einer Remission oder zumindest niedri-
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Veränderung des Disease Activity Score (DAS)28 ≥1,2 85 % 75 % 57 % 49 %
44 % 28 %
Abatacept + MTX Placebo + MTX
0
0,5
1
2
3 Monate
4
5
6
Kremer JM, Westhovens R, Le Bars M et al., ACR Meeting 2008; Poster 378
Abb. 1: AIM-Studie: Nach MTX-Versagen frühere Reduktion der Krankheitsaktivität gemäß einer Veränderung des DAS28 ≥1,2 mit Abatacept gegenüber MTX1
gen Krankheitsaktivität orientierenden Therapie. Im Vordergrund steht weiterhin der frühzeitige Beginn mit einem DMARD, in der Regel mit MTX. Dennoch kann hierdurch oft nur eine Verzögerung der Krankheitsprogression erreicht werden, auch kommt es nicht selten zu einem Therapieversagen aufgrund von Ineffektivität oder Unverträglichkeit. Gemäß den neuen EULAR-Therapieempfehlungen sollte bei Versagen des ersten DMARDs – definiert als kein Erreichen einer Remission – bei Patienten mit niedrigerem Progressionsrisiko eine DMARD-Kombination eingesetzt werden, bei solchen mit hohem Risiko hingegen gleich die Kombination aus DMARD und Biologikum. Wird auch unter mehreren DMARDs keine Remission erzielt, sollte spätestens dann eine Kombination mit einem Biologikum erfolgen.4
Anhaltende und über sieben Jahre zunehmende Wirksamkeit von Abatacept Die Zulassungserweiterung von Abatacept als FirstLine-Biologikum nach unzureichendem Ansprechen auf DMARDs basiert sowohl auf Daten der AGREEStudie mit MTX-naiven RA-Patienten, als auch auf offenen Langzeitverlängerungen mehrerer klinischer Studien mit RA-Patienten mit inadäquatem Ansprechen auf MTX (AIM, ATTEST, Phase IIb-Studie) oder TNF-α-Inhibitoren (ATTAIN, ARRIVE). Hierbei hatte sich gezeigt, dass mit Abatacept eine vergleichbare Kurzzeit- und auch dauerhaft hohe Langzeitwirksamkeit für bis zu sieben Jahre erreicht werden kann, wenn es in Kombination mit MTX bereits frühzeitig in der RABehandlung zum Einsatz kommt.2,3,5 In der AGREE-Studie mit MTX-naiven Patienten mit früher RA und ungünstiger Prognose gelangten nach einem Jahr unter Abatacept plus MTX 41,4 % in eine DAS28-Remission im Vergleich zu 23,3 % der mit einer MTX-Monotherapie behandelten Patienten (p<0,001).6
35
Ähnlich positive Resultate lieferte die ATTAIN-Studie bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf TNF-α-Inhibitoren. Nach sechs Monaten erreichten unter Abatacept plus DMARDs gegenüber DMARDs alleine 20 vs. 4 % ein ACR50-Ansprechen (p<0,001).10 Auch wurde eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität durch Abatacept plus DMARDs beobachtet. Im Vergleich zu DMARDs alleine zeigte sich gemäß des Short-Form-36-Health-Surveys (SF-36) sowohl eine verbesserte körperliche Funktion (44,9 vs. 24,6 %), weniger Schmerzen (54,9 vs. 24,6 %) und ein besseres physisches Befinden (44,6 vs. 23,1 %).11 Der Nutzen von Abatacept konnte somit in einem breiten Spektrum von RA-Patienten mit und ohne vorherige DMARD-Therapie sowie bei TNF-Versagen nachgewiesen werden.
Einfache Anwendung und günstiges Nebenwirkungsprofil Die Applikation von Abatacept erfolgt alle vier Wochen als 30-minütige Kurzinfusion mit fester Dosierung, wodurch dem Arzt ein gutes Patientenmonitoring ermöglicht wird, das wiederum die Compliance unterstützt. Auch bei Abatacept sind 12-wöchige Intervalle zur Wirkungskontrolle sinnvoll. Abatacept verfügt über eine gut dokumentierte Sicherheit über inzwischen 11.000 Patientenjahre.12 Insgesamt traten in den Studien zur RA-Therapie ähnlich viele unerwünschte Arzneimit-
Offene Verlängerungsphase
80 60 40
83,6 % ACR 20 73,3 % 61,1 % ACR 50 43,7 % 39,6 % ACR 70 22,2 %
20 0 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5 Jahre
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
Abb. 2: Ansteigendes ACR-Ansprechen über fünf Jahre unter Abatacept in einer offenen Langzeitverlängerung der AIM-Studie2 telwirkungen unter Abatacept und Placebo auf. Die dabei beispielsweise in der AIM-Studie am häufigsten genannten (>5 % in beiden Gruppen) waren Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Übelkeit. Schwerwiegende Infektionen wurden nur bei 2,5 % der Patienten beobachtet.7 �
Vor allem bei frühem Einsatz in der First-lineTherapie nach unzureichendem Ansprechen auf MTX zeichnet sich Abatacept bei guter Therapiesicherheit durch eine schnelle, andauernde und sich im Zeitverlauf noch steigernde Wirksamkeit sowie eine hohe Retentionsrate aus. Durch seinen innovativen Wirkansatz mit frühem Eingreifen in die Entzündungskaskade erweitert Abatacept das Therapiespektrum bei RA und trägt zu einer höheren Lebensqualität bei. Die Patienten profitieren langfristig von einer reduzierten radiologischen Progression und verbesserten körperlichen Funktionsfähigkeit.
Quellen: 1 Kremer JM, Westhovens R, Le Bars M et al., ACR Meeting 2008; Poster 378 2 Kremer J, Russell AS, Emery P et al., EULAR Abstract 2009 3 Westhovens R, Kremer J, Emery P et al., EULAR Abstract 2009 4 Smolen J et al., Ann Rheum Dis 2010; 69: 964-975 5 EPAR Orencia: http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/ document_library/EPAR_-_Scientific_Discussion_-_Variation/human/000701/WV500095025.pdf 6 Westhovens R et al., Ann Rheum Dis 2009; 68: 1870-1877 7 Kremer JM et al., Ann Intern Med 2006; 144: 865-876 8 Kremer JM et al., Ann Rheum Dis 2008; 67(Suppl2): 609 9 Genant HK et al., Ann Rheum Dis 2008; 67(Suppl2): 193 10 Genovese MC et al., N Engl J Med 2005; 353: 1114-1124 11 Westhovens R et al., Rheumatology 2006; 45: 1238-1246 12 Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG. ORENCIA® SmPC. 2010: 1-16
Kompakt
In einer offenen Verlängerungsphase der AIM-Studie konnte das ACR-Ansprechen im Verlauf weiter gesteigert werden, so betrug die ACR70-Response nach fünf Jahren 39,6 % im Vergleich zu 32,4 % nach einem Jahr (s. Abb. 2).2 Überdies zeigte sich eine Verbesserung der körperlichen Funktion, der Lebensqualität und geringere radiologische Progression.8,9 Zudem wurde für Abatacept eine anhaltende und über sieben Jahre zunehmende Wirksamkeit dokumentiert. So erreichten in einer Phase IIb-Studie nach einem Jahr 48,2 % und nach sieben Jahren 69,7 % der mit Abatacept behandelten Patienten eine niedrige Krankheitsaktivität und jeweils 25,3 bzw. 51,5 % eine Remission.3
DB-Phase
100 ACR-Ansprechen (%)
In der AIM-Studie mit MTX-Versagern konnte mit Abatacept plus MTX im Vergleich zu einer MTX-Monotherapie bei 75 % der mit Abatacept behandelten Patienten nach 12 Wochen eine klinisch bedeutsame Veränderung des DAS28 (Disease Activity Score) um ≥1,2 gegenüber 49 % unter Placebo erreicht werden – bereits nach einem Monat bestand mit 44 vs. 28 % eine signifikante Differenz zugunsten von Abatacept (je p<0,0001) (s. Abb. 1).1 Auch konnte nach 12 Monaten bei 28,8 vs. 6,1 % (p<0,001) der Patienten ein ACR70-Ansprechen erzielt werden.7
36 Immunologische Forschung
Überraschende Erkenntnisse zu Eosinophilen Granulozyten Das immunologische Gedächtnis spielt bei Autoimmunerkrankungen wie etwa der Rheumatoiden Arthritis (RA) eine wichtige Rolle. Einen wichtigen Puzzlestein zum Verständnis der Rolle der Eosinophilen Granulozyten konnte nun eine Arbeitsgruppe um PD Dr. Claudia Berek vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) beitragen.
Stromazellen des Knochenmarks bilden Überlebensnischen für Gedächtnis-Plasmazellen, die kontinuierlich Antikörper gegen als feindlich eingestufte Strukturen bilden. Das Knochenmark quasi als Sitz des immunologischen Gedächtnisses bildet das Umfeld, in dem die Gedächtniszellen für viele Jahre überleben können. Welche Faktoren dies konkret gewährleisten, war weitgehend bekannt. Völlig unerwartet war die jetzige Entdeckung im Mausmodell, dass Eosinophile Granulozyten die Hauptquelle für diese Faktoren und damit essentiell für das Überleben der Gedächtnis-Plasmazellen sind. „Dass sie Plasmazellen unterstützen, ist eine vollkommen neue Erkenntnis“, so Berek. In ihren aktuellen Untersuchungen konnten die Forscher zeigen, dass Eosinophile mindestens zwei überlebenswichtige Faktoren für die Plasmazellen bereitstellen – den Proliferationsfaktor APRIL und Interleukin-6 (IL-6). „Entfernt man die Eosinophilen aus der Überlebensnische der Gedächtniszellen im Knochenmark, werden sie in die Apoptose getrieben“, so Berek. „Gibt man dagegen
wieder Eosinophile hinzu, nimmt die Zahl der Gedächtnis-Plasmazellen im Knochenmark sofort wieder zu.“ Falls diese an Mäusen entschlüsselten Mechanismen auch im Menschen eine Rolle spielen, würde sich z. B. für Autoimmunerkrankungen ein neuer Therapieansatz ergeben. Bei diesen Krankheiten stellen Plasmazellen, die kontinuierlich gegen körpereigene Strukturen gerichtete Antikörper bilden, das Problem dar. „Ihre Ausschaltung durch gezieltes Entfernen der Eosinophilen wäre eine interessante neue Therapiemöglichkeit, um das überaktive Immunsystem wieder zur Ruhe zu bringen“, betont Berek mit Blick auf die Bedeutung der neuen Forschungsergebnisse. Zunächst soll jetzt im Mausmodell überprüft werden, ob sich bei Mäusen mit spontan auftretenden Autoimmunerkrankungen durch Entfernen der Eosinophilen das Auftreten der Erkrankung hinauszögern bzw. der Krankheitsverlauf abmildern lässt. � Quelle: Nature Immunol 2011; 12: 151-159
Neuer Auslöser für Autoimmunerkrankungen entdeckt Deutschen Forschern um Prof. Dr. Falk Nimmerjahn, Erlangen, ist es gelungen, ein Eiweißmolekül zu identifizieren, das eine Fehlsteuerung im Immunsystem auslöst. Die jetzt gewonnenen Ergebnisse könnten Einfluss auf die Entwicklung neuer Therapien für Autoimmunerkrankungen wie die Rheumatoide Arthritis (RA) oder Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) haben.
Die deutschen Wissenschaftler haben sich gemeinsam mit US-amerikanischen Experten im Mausmodell mit Fresszellen befasst, die im Falle von Autoimmunerkrankungen beginnen gesundes Gewebe zu zerstören. Ursache dafür ist ein von den Forschern identifizierte Eiweißmolekül, ein zellulärer Fcγ-Rezeptor, der sich auf der Oberfläche der Fresszelle befindet und Immunglobulin G (IgG)-Autoantikörper erkennt, die an gesundes Gewebe gebunden sind. Das setzt eine
fatale Reaktion in Gang: Sobald der Fcγ-Rezeptor die IgG-Autoantikörper erkannt hat, werden die Fresszellen aktiviert und greifen z. B. gesunde Nerven- oder Gelenkzellen an. Die genaue Funktion der Autoantikörper ist unbekannt, jedoch treten sie immer im Zusammenhang mit Entzündungen im Körper auf. In Versuchen mit Mäusen stellten die Wissenschaftler fest, dass Autoantikörper verschiedener Immunglo-
37 bulin G-Subklassen (IgG 2a/IgG 2b) nicht mehr in der Lage waren, ihre zerstörerische Wirkung zu entfalten, wenn den Fresszellen der Fcγ-Rezeptor fehlte. Selbst in Anwesenheit hoher Mengen von Autoantikörpern kam es nicht mehr zu Entzündungen und Organschädigungen. Eine Blockade dieses Rezeptors könnte die fatale Wirkung von Autoantikörpern im Rahmen
verschiedener Autoimmunerkrankungen stoppen. Zukünftige Studien können sich nun darauf konzentrieren, Medikamente zu identifizieren, die gezielt diese Eiweißstoffe blockieren. �
Quelle: PNAS 2010; 107: 19396-19401
Regulatorische T-Zellen: Zielpunkte für Therapien Autoimmunkrankheiten wie die Rheumatoide Arthritis (RA) können entstehen, wenn das Immunsystem nicht richtig funktioniert. Neue Erkenntnisse über die Regulation der Immunabwehr und die Rolle, die regulatorische T-Zellen dabei spielen, haben jetzt deutsche Wissenschaftler um Dr. Josef Bodor und Prof. Dr. Edgar Serfling, Würzburg, gewonnen.
Eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Immunsystems spielen die regulatorischen T-Zellen. Erst seit etwa zehn Jahren ist bekannt, dass sie Fehlreaktionen des Immunsystems dämpfen. Im Körper von Patienten mit Autoimmunkrankheiten sind zu wenige von ihnen vorhanden. Mit der Frage, wie regulatorische T-Zellen genau die Immunreaktion steuern, beschäftigen sich weltweit viele Wissenschaftler, bieten die regulatorischen T-Zellen doch potenziell interessante Angriffspunkte für neue Therapien. So besteht etwa die Hoffnung, die Symptome von Autoimmunkrankheiten zu lindern, indem man die Zellen aktiviert.
Regulatorische T-Zellen können„normale“ T-Zellen ausschalten Schon im Jahr 2007 hatte eine Würzburger Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Edgar Serfling gemeinsam mit Mainzer Wissenschaftlern entdeckt, dass die regulatorischen T-Zellen mit den „normalen“ T-Zellen des Immunsystems kommunizieren können, indem sie kleine Verbindungstunnel zu ihnen anlegen und sie dann mit dem Botenstoff cAMP vollpumpen. Als Reaktion darauf teilen sich die „normalen“ T-Zellen nicht mehr und stellen die Produktion entzündungsfördernder Stoffe ein. Das bremst die Aktivität der gesamten Immunabwehr. Im Fall einer Autoimmunkrankheit wäre das ein durchaus erwünschter Effekt. Wie genau die regulatorischen die normalen T-Zellen ausschalten, konnten die Würzburger und Mainzer Forscher nun in einer kürzlich publizierten Arbeit nachweisen. Der übertragene Botenstoff cAMP führt in den normalen T-Zellen zur verstärkten Produktion eines Proteins, das viele Gene lahm legt. „Davon beBild: Martin Väth, Uni Würzburg
troffen ist auch das NFATc1-Gen, wodurch wiederum die Produktion von entzündungsfördernden Interleukinen gestoppt wird“, erklärt Prof. Serfling. Gezeigt wurde dies in zwei unterschiedlichen Mausmodellen für Interleukin-2 (IL-2). Dieser neu entdeckte Ablauf sei ein ganz wesentlicher Schritt bei der Regulation des Immunsystems. Als nächstes wollen die Wissenschaftler weitere molekulare Details klären. Möglicherweise trägt das von ihnen erarbeitete Wissen in der Zukunft dazu bei, dass sich bei Autoimmunkrankheiten neue Möglichkeiten der Behandlung eröffnen. � Quelle: PNAS 2011; 108: 2480-2485
Abb.: Eine regulatorische T-Zelle (mitte) hat sich eng an eine normale T-Zelle des Immunsystems geschmiegt und pumpt sie mit cAMP voll. In der „Nehmerzelle“ bewirkt das eine Abnahme des Proteins NFAT; die Färbung fällt darum weniger rot aus als bei der unbeteiligten T-Zelle am Bildrand links. Die gelbe Färbung der mittleren Zelle zeigt das Protein Foxp3 an – der Beweis, dass es sich tatsächlich um eine regulatorische T-Zelle handelt. Denn nur in diesem T-Zell-Typ kommt Foxp3 vor.
38 Therapie der Osteoporose
Neue Behandlungsoption am Horizont?
Aus vorhergehenden tierexperimentellen Studien konnte bereits eine antiresorptive Wirksamkeit von Nitrogylcerin abgeleitet werden, aber auch osteoanabole Effekte wurden vermutet. Den klinischen Nutzen von Nitrogycerin evaluierte die kanadische Arbeitsgruppe zwischen November 2005 und März 2010 in einer placebontrollierten Studie mit 243 postmenopausalen Frauen. Zwei Jahre lang trugen die Teilnehmerinnen (T-Score 0 bis -2 an den Lendenwirbeln) jeden Abend eine Nitrogylcerin (15 mg/Tag) oder Placebo enthaltende Salbe am Unterarm auf.
spezifischen alkalischen Phosphatase als Biomarker des Knochenaufbaus um 34,8 % und eine ebenso signifikante Abnahme von Urin-N-Telopeptid als Marker für den Knochenabbau um 54,0 % verzeichnet (je p<0,001). Mit 4,2 und 4,3 % waren die Raten schwerer unerwünschter Wirkungen in beiden Therapiearmen fast identisch. Jedoch wurde zumindest im ersten Monat unter Nitroglycerin (35,0 vs. 5,4 %) eine deutlich höhere Rate von Kopfschmerzen berichtet, � die jedoch im Lauf der Zeit rückläufig war.
Nach 24 Monaten kam es im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Steigerung der Knochenmineraldichte in den Lumbalwirbeln um 6,7 % (von 1,05 auf 1,14 g/cm2 vs. von 1,06 auf 1,08 g/cm2, p<0,001), der Hüfte um 6,2 % (von 0,92 auf 0,97 g/cm2 vs. von 0,93 auf 0,92 g/cm2, p<0,001) und dem Oberschenkelhals um 7,0 % (von 0,88 auf 0,93 g/cm2 vs. von 0,87 auf 0,86 g/cm2, p<0,001).
Erstmals konnte in einer randomisierten klinischen Studie bei postmenopausalen Frauen ein moderater Anstieg der Knochendichte durch die tägliche Anwendung einer Nitroglycerin-Salbe belegt werden. Inwieweit Nitroglycerin tatsächlich eine Rolle in der Prävention der postmenopausalen Osteoporose spielen könnte, bleibt aber so lange reine Spekulation, bis wirklich belastbare Daten hinsichtlich einer Reduktion der Frakturrate vorliegen.
Überdies wurde auch in Radius und Tibia mittels mehrerer Parameter wie z. B. der trabekulären Knochendichte und kortikalen Dicke eine signifikante Zunahme der Knochenmasse dokumentiert (je p<0,001). Zudem wurde ein signifikanter Anstieg der Knochen-
Quelle: JAMA 2011; 305: 800-807
Bisphosphonate reduzieren die Mortalität Dass eine antiresorptive Therapie mit Bisphosphonaten nicht nur das Frakturrisiko von älteren Osteoporose-Patienten über 60 Jahren reduziert, sondern auch die mit der Osteoporose einhergehende vorzeitige Mortalität senkt, konnten australische Experten um Jacqueline R. Center, Sydney, in einer prospektiven Kohortenstudie nachweisen.
Ziel der Studie war es zu untersuchen, inwieweit eine Behandlung der Osteoporose mit Bisphosphonaten, Hormontherapie und Calcium (z. T. plus Vitamin D) das Mortalitätsrisiko älterer Patienten beeinflussen kann. Die Wissenschaftler analysierten hierfür zwischen April 1989 und Mai 2007 eine Kohorte von 2.041 Teilnehmern der „Dubbo Osteoporosis Epidemiology Study“ im australischen Bundesstaat New South Wales, darunter 1.223 Frauen. Eine antiosteoporotische Therapie erhielten 362 Patienten (325
Frauen), von diesen erhielten 121 (106 Frauen) eine medikamentöse Therapie mit Bisphosphonaten über einen Zeitraum von drei Jahren, 77 eine Hormontherapie und 164 (142 Frauen) Calcium plus Vitamin D. Verglichen wurde das Outcome dieser Gruppen mit den Teilnehmern ohne Osteoporose und eine entsprechende Therapie. Bei Frauen zeigte sich unter der Therapie mit Bisphosphonaten im Vergleich zu keiner Behandlung
Ausblick
Kanadische Wissenschaftler um Dr. Sophie A. Jamal, Toronto, konnten in einer randomisierten klinischen Studie nachweisen, dass die tägliche abendliche Applikation einer Nitroglycerin-Salbe bei postmenopausalen Frauen signifikant die Knochendichte erhöht.
39
Bei den Männern zeigte sich in der BisphosphonatGruppe (1,0/100 PJ), nicht aber unter einer Gabe von Calcium/Vitamin D (3,1/100 PJ), eine niedrigere Mor-
talität im Vergleich zu unbehandelten Patienten ohne Osteoporose (4,3/100 PJ). �
Die prospektive Kohortenstudie zeigt bei älteren Frauen einen signifikanten Zusammenhang zwischen einem längeren Überleben und der Einnahme von Bisphosphonaten – und dies im Vergleich zu unbehandelten Patientinnen ohne Osteoporose. Auch bei Männern scheinen gewisse Vorteile hinsichtlich einer niedrigen Mortalität zu bestehen. Die genauen Ursachen für diesen Befund gilt es in weiteren Studien zu untersuchen.
Kompakt
mit 3,5/100 Patientenjahre (PJ) eine niedrigere Mortalitätsrate von 0,8/100 PJ, ebenso galt dies für die Hormontherapie (1,2/100 PJ), nicht aber für die Einnahme von Calcium und Vitamin D (3,2/100 PJ). Nach Adjustierung auf Faktoren wie Alter, Frakturrate, Knochendichte und Komorbiditäten blieb das für Frauen geringere Sterberisiko unter Bisphosphonaten bestehen (Hazard ratio, HR 0,3), nicht hingegen für die Hormontherapie (HR 0,8). Bei jenen 429 Frauen, bei denen im Verlauf eine Fraktur dokumentiert wurde, zeigte sich in der Bisphosphonat-Gruppe eine niedrigere Mortalität (adj. HR 0,3), selbst unter Einberechnung der unter dieser Therapie zu erwarteten reduzierten Rate subsequenter Frakturen.
Quelle: J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 1006-1014
Neue Erkenntnisse zu Bisphosphonaten
Die kanadische Arbeitsgruppe glich in ihrer Analyse die Daten von 205.466 Frauen im Alter über 68 Jahre mit diagnostizierter Osteoporose und BisphosphonatTherapie mit dem Risiko für bestimmte Frakturen ab. Es wurden 716 Frauen identifiziert, die zwischen April 2002 und März 2008 unter Bisphosphonaten eine subtrochantere (n=411) oder atypische (n=305) Femurfraktur erlitten hatten und mit 3.580 Kontrollpersonen verglichen.
häufigeren typischen osteoporotischen Femurfrakturen, deren Risiko unter Bisphosphonaten nach bis zu 3-jähriger Therapiedauer um 7 %, nach drei bis fünf Jahren um 14 % und nach mehr als fünf Jahren Bisphosphonat-Anwendung sogar um 24 % reduziert wurde. Somit fällt die Nutzen-Risiko-Bewertung auch für eine längerfristige Bisphosphonat-Therapie immer noch positiv aus. �
Tatsächlich erhöhte sich das Risiko für eine atypische Femurfraktur nach einer 3-5-jährigen BisphosphonatTherapie nicht signifikant um 59 % (Odds ratio, OR 1,59). Bei einer Therapiedauer von über fünf Jahren traten diese Frakturen jedoch signifikant häufiger auf als bei Frauen, die für weniger als 100 Tage Bisphosphonate eingenommen hatten (OR 2,74). Allerdings war bei den 52.595 Frauen mit über 5-jähriger Therapiedauer das absolute Risiko für solche Frakturen mit 0,13 % nach einem weiteren und 0,22 % nach zwei weiteren Jahren doch relativ gering. Dennoch ist bei längerer Bisphosphonat-Therapie mit einem weiteren Anstieg dieses Risikos zu rechnen. Demgegenüber stehen allerdings die mit 9.723 Fällen weitaus
Neuen Studiendaten zufolge erhöht sich unter einer langjährigen BisphosphonatTherapie geringfügig das Risiko atypischer Femurfrakturen, während aber gleichzeitig typische osteoporotische Frakturen immer stärker reduziert werden. Gerade bei Frauen mit einem eher niedrigen Ausgangsrisiko für eine osteoporotische Fraktur sollte nach einer langjährigen BisphosphonatTherapie das Nutzen-Risiko-Profil erneut sorgfältig abgewogen werden.
Quelle: JAMA 2011; 305: 783-789
Kompakt
Nach den aktuellen Ergebnissen einer bevölkerungsbasierten Fall-Kontroll-Studie kanadischer Experten um Dr. Laura Park-Wyllie, Toronto, scheint sich zu bestätigen, dass die langfristige Anwendung von Bisphosphonaten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung subtrochanterer oder atypischer Femurfrakturen assoziiert ist. Andererseits werden aber typische osteoporotische Frakturen durch eine Langzeitbehandlung mit Bisphosponaten auch nach fünf Jahren und länger deutlich reduziert.
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
40 Rheumatische Erkrankungen
Problemfall Augenbeteiligung: Störend bis visusbedrohend Für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sind in den meisten Fällen okuläre Manifestationen nur störend, sie können aber auch das Sehvermögen bis hin zur Erblindung vermindern und mit einer lebensbedrohlichen Systemerkrankung verbunden sein.
Darüber hinaus kann eine Augenbeteiligung die Aggressivität und damit den Erfolg der antirheumatischen Therapie beeinflussen, so Prof. Dr. Ina Kötter, Tübingen, bei ihrem Hot topic-Vortrag auf dem Rheuma Update in Wiesbaden. Strategien zur Behandlung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und Augenbeteiligung sollten deshalb in enger Zusammenarbeit von Rheumatologen und Ophthalmologen festgelegt werden.
Juvenile idiopathische Arthritis Die meist komplikativ verlaufende Uveitis anterior ist mit einem Anteil von acht bis 12 % die häufigste Augenbeteiligung bei Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis (JIA). Die ophthalmologischen Kontrollintervalle richten sich nach dem Uveitis-Subtyp bzw. der Prognose und sind mit drei Monaten bei der extended Oligoarthritis (mit der ersten Kontrolle noch vor dem sechsten Lebensjahr) am kürzesten. Die Therapie beginnt mit topischen und systemischen Glukokortikoiden (GC). Wird keine Reizfreiheit erzielt, folgen Methotrexat (MTX) oder Azathioprin (AZA), danach TNF-Blocker. Abatacept könnte eine – allerdings noch durch Studien abzusichernde – effektive Alternative zu Etanercept (ETA), Infliximab (IFX) und Adalimumab (ADA) sein.
Spondyloarthritiden Wichtigste extraartikuläre Manifestation bei Patienten mit Spondyloarthritiden (SpA) ist die (meist unilaterale) akute Uveitis anterior (in 30 bis 70 % der Fälle). Bei etwa 13 bis 19 % dieser Patienten reicht die Gabe topischer GC und Mydriatika (Scopolamin) nicht aus. In diesen Fällen sind subkonjunktival oder in die Orbita gegebene sowie systemische GC angezeigt. Besteht weiterhin Refraktärität bzw. ein komplikativer Verlauf, sollten zuerst AZA, MTX oder Ciclosporin-A (CSA) und nur bei HLA-B27-Positivität Sulfasalazin sowie nachfolgend TNF-Blocker eingesetzt werden.
Rheumatoide Arthritis Etwa 25 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) entwickeln eine Augenbeteiligung, am häufigsten ein sekundäres Sjögren-Syndrom, Skleritiden und Episkleritiden, sehr selten eine periphere ulzerative Keratitis und ein zentrales Ulcus corneae. Die Prognose für Visus und Gesamtüberleben bei Skleritis- und ulzerativer Keratitis-Patienten ist ungünstig. Eine Skleritis sollte mit systemischen NSAR behandelt werden, die nekrotisierende Form mit systemischen Immunsuppressiva (AZA, MTX, CSA). Bei Therapierefraktärität sind systemische GC plus steroidsparende Immunsuppresiva angezeigt. Unter TNF-Blockern können sich paradoxerweise Augenerkrankungen (Uveitis, anteriore ischämische Optikusneuropathie/AION) entwickeln. Bei einer Episkleritis sind topische Steroide gegebenenfalls plus NSAR, möglicherweise auch systemische GC erforderlich. Die eine frühe und aggressive Therapie erfordernde hohe Mortalität bei RA-Patienten mit ulzerativer Keratitis wird durch Immunsuppression mit Cyclophosphamid (CYC) deutlich gesenkt (53 % ohne, 6 % mit CYC). Bei Patienten mit ulzerativer Keratitis sind operative Eingriffe wegen der Rezidivgefahr nur unter intensivierter Immunsuppression sinnvoll, Keratoplastiken bei Perforation sind sehr komplikationsträchtig.
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
41
Kollagenosen Die Augentrockenheit der Patienten mit SjögrenSyndrom (SS) kann zur funktionellen Erblindung und Hornhautperforation führen. Zur Antiinflammation hat sich topisches CSA (plus Tränenersatz) am besten bewährt, gefolgt von Sialogoga in Kombination mit Hydroxychloroquin (HCQ), AZA und in schweren Fällen auch Rituximab (RTX), letzteres allerdings als off-label-use. Wegen des Risikos von Ulzeration und Perforation verbieten sich bei SS-Patienten refraktive operative Eingriffe.
Systemischer Lupus erythematodes Mit Ausnahme des Auftretens einer milden Keratokonjunktivitis in 60 % der Fälle kommt eine Augenbeteiligung bei Patienten mit systemischen Lupus erythematodes (SLE) eher selten vor. Die Therapie entspricht der der Grunderkrankung. Bei schweren Augenmanifestationen sollten initial i.v. und dann orale GC plus AZA, MTX, CSA oder Mycophenolat Mofetil (MMF) gegeben werden. Bei okklusiver Komponente und Anti-Cardiolipin-AntikörperNachweis sind eventuell Acetylsalicylsäure (ASS) oder sogar Marcumar angezeigt, in extremen Fällen CYC oder Biologika. Im Einzelfall war RTX bei CYC-refraktärer retinaler Vaskulitis effektiv. Okuläre Veränderungen finden sich bei 15 bis 88 % der Patienten mit primärem oder sekundärem Antiphospholipidsyndrom (APLS). Am häufigsten sind retinale Arterien- und Venenverschlüsse. Häufigste klinische Manifestation ist die Amaurosis fugax, auch eine AION ist beschrieben. Die Therapie umfasst die Gabe von ASS, orale Antikoagulation und bei retinalen Neovaskularisationen eine panretinale Laser-Photokoagulation.
Systemische Sklerose Zu 37 bis 79 % leiden Patienten mit systemischer Sklerose (SSc) unter einer Keratokonjunktivitis sicca, 29 bis 65 % unter Unbeweglichkeit der Augenlider bis hin zur Blepharophimose und zum Lagophthalmus. Es kommt zu retinalen Veränderungen, vermutlich in Assoziation mit der arteriellen Hypertonie (Cotton wool spots, Blutungen), zur choroidalen Hypoperfusion sowie in Einzelfällen zu Augenmuskelparesen.
Warnsignale der drohenden Erblindung sind Diplopie (in 6 bis 12 % der Fälle) und eine Amaurosis fugax, die bei 50 bis 64 % der unbehandelten RZA-Patienten nach etwa 8 Tagen zum bleibenden Visusverlust führt. Zu bedenken ist, dass in einer Patientengruppe in 20 % der Fälle eine okkulte okuläre RZA mit Erblindung ohne klinische Symptome vorlag. Nach vorheriger Sonographie ist eine Temporalarterienbiopsie angezeigt. Die i.v. GC-Stoßtherapie ist sofort, d. h. ohne das Ergebnis abzuwarten, einzuleiten. ASS, MTX und AZA zusätzlich zur anschließenden oralen GC-Gabe (mindestens 1 mg/kg Körpergewicht) sparen GC ein, in refräktären Fällen ist der Einsatz von CYC oder eines TNF-Blockers zu erwägen. Bei 30 % der Patienten mit Takayasu-Arteriitis (TA) finden sich hypertensive, bei 13,5 % TA-typische Fundusveränderungen. Die Therapie ist ähnlich der der RZA, allerdings sprechen nur 60 % der Patienten auf eine GC-Monotherapie an, 40 % benötigen weitere Immunsuppressiva und 23 % eine aggressivere Therapie z. B. mit CYC oder IFX. Eine Carotisrekonstruktion verstärkt die retinale Durchblutung und bessert den Visus. In 75 % der Fälle leiden Patienten mit ANCA-assoziierten Vaskulitiden an einer Skleritis, etwa 16 % an einer peripheren ulzerativen Keratitis und 10 % an einer Uveitis. Beim Morbus Wegener liegt der Anteil der Patienten mit orbitalen oder okulären Veränderungen zwischen 29 und 62 %, mit Skleritis zwischen 16 und 38 %. Eine nekrotisierende Skleritis ist ohne Immunsuppression mit einer Mortalität von bis zu 54 % assoziiert. Augenbeteiligungen bei Patienten mit mikroskopischer Polyangiitis (MPA) und mit Churg-Strauss-Syndrom (CSS) sind seltener als beim M. Wegener, eine orbitale Beteiligung wurde nur bei einem CSS-Patienten beschrieben. Die Therapien dieser Erkrankungen entsprechen weitgehend denen der Grunderkrankungen, eine Radiatio oder die operative Rekanalisation von Tränengängen kann im Einzelfall sinnvoll sein.
Vaskulitiden
Im Verlauf des Morbus Behçet (MB) kommt es zu einer Augenbeteiligung von über 50 %. Am häufigsten sind Panuveitis und bilaterale retinale Vaskulitis. Männer haben gegenüber Frauen ein doppelt so hohes Risiko des Sehkraftverlustes, von dem 20 bis 25 % aller Patienten betroffen sind. Zur Therapie empfehlen sich GC plus AZA oder CSA, bei Visusbedrohung α-Interferon (IFN) oder ein TNF-Blocker. Unter IFN war in über 50 % der Fälle ein rezidivfreies Absetzen möglich. �
Etwa 50 % der Patienten mit einer Arteriitis cranialis/ Riesenzellarteriitis (RZA) erleiden einen Visusverlust.
Quelle: 6. Rheuma Update, Vortrag „Hot Topic: Rheuma und Auge“, Wiesbaden, 19. März 2011
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
42 Rheumatoide Arthritis
Pulmonale Komplikationen stärker beachten Dass es bei RA-Patienten entscheidend darauf ankommt, eine mögliche pulmonale Beteiligung aufgrund der damit verbundenen schlechteren Prognose und erhöhten Mortalität frühzeitig zu erkennen, betonte Prof. Dr. Klaus Krüger, München, anlässlich des Rheuma Update 2011 in Wiesbaden.
Das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung einer ILD war bei RA-Patienten mit 7,7 % im Vergleich zu 0,9 % in der Kontrollkohorte fast um das 9-fache erhöht (Hazard ratio, HR 8,96). In besonderem Maße war dieses Risiko bei Männern, einer hohen Krankheitsaktivität und höherem Lebensalter bei Beginn der RA-Symptomatik gesteigert. Das Mortalitätsrisiko von RA-Patienten mit ILD war gegenüber jenen ohne etwa um das 3-fache erhöht (HR 2,86), die mittlere Überlebenszeit nach der ILD-Diagnose betrug nach Krüger lediglich 2,6 Jahre. Insgesamt wies die RA-Kohorte eine im Vergleich um 15,9 % höhere Mortalität auf, wovon ca. 13 % auf eine ILD zurückzuführen waren. In Anbetracht dieser Daten und der nicht seltenen Atemwegskomplikationen bei RA stellt sich die Frage, bei welchen Patienten eine frühe pulmonologische Durchuntersuchung angezeigt wäre. Wertvolle Hin-
weise hierzu lieferte laut Krüger im vergangenen Jahr eine systematische Erfassung bei 159 RA-Patienten ohne kardiovaskuläre Komorbidität mittels Fragebogen, klinischer Untersuchung sowie Lungenfunktionstests (Arthritis Res Ther 2010; 12: R104). 42 % der Patienten wiesen respiratorische Symptome auf, 28 % hatten eine pathologische Lungenfunktion, aber nur bei 6 % war eine pulmonale Vorerkrankung bekannt. Wichtigste Prädiktoren für eine pathologische Lungenfunktion waren ein chronischer Auswurf und Dyspnoe mit einer Wahrscheinlichkeit von zusammen 59,3 %, letztere wurde noch signifikant weiter gesteigert durch Rauchen, Seropositivität und eine Prednisolon-Therapie auf bis zu 97,7 %. �
Pulmonale Komplikationen sind bei RAPatienten keineswegs selten, woraus sich auch aufgrund der damit assoziierten schlechten Prognose die Forderung ableitet, zumindest jene Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren wie chronischem Auswurf, Dyspnoe, Rauchen, Seropositivität und Glukokortikoidtherapie auf jeden Fall einer Lungenfunktionsprüfung zu unterziehen, so das Fazit von Krüger.
Kompakt
Beispielhaft verwies Krüger in diesem Zusammenhang auf eine groß angelegte US-amerikanische Studie der Mayo Clinic in Rochester zur Inzidenz und Mortalität der interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) in einer bevölkerungsbasierten RA-Kohorte von 582 Patienten, deren Outcome mit einer gematchten Nicht-RA-Kohorte von 603 Teilnehmern über einen Follow-up-Zeitraum von im Schnitt 16,4 bzw. 19,3 Jahren verglichen wurde (Arthritis Rheum 2010; 62: 1583-1591).
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
43 Rheumatoide Arthritis
Kardiovaskuläres Risiko rasch erhöht Immer mehr wird man sich des mit der RA, aber auch mit anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie SLE, Spondylitis ankylosans oder Psoriasis-Arthritis einhergehenden exzessiv erhöhten kardiovaskulären Risikos bewusst. Die kardiovaskuläre Komorbidität ist nach Prof. Dr. Klaus Krüger, München, der wichtigste Treiber der Mortalität bei Rheumatikern – nicht umsonst gab es auf dem EULAR und ACR 2010 insgesamt 150 Beiträge allein zu diesem Thema.
Erhöhtes Risiko früh nach Krankheitsbeginn Beim Vergleich von 7.469 zwischen 1995 und 2006 diagnostizierten RA-Fällen und 37.024 gematchten Kontrollen aus der Normalbevölkerung konnten die Epidemiologen nach einem medianen Follow-up von 6,2 Jahren nachweisen, dass sich bereits 1-4 Jahre nach der Diagnose das Risiko für einen akuten MI um 60 % (Risk ratio, RR 1,6) und jenes für KHK um 50 % (RR 1,5) erhöht, lediglich das Risiko für tödlichen MI (RR 1,1) war nicht höher – ein ähnliches Bild zeigte sich fortgesetzt auch 5-12 Jahre nach der Diagnose. Schon im ersten Jahr war das MI-Risiko um 40 % erhöht – diese Erkenntnis ist laut Krüger neu und auch überraschend. Vergleichbare Ergebnisse lieferte das britische „Norfolk Arthritis Register“ mit einer Verdopplung des KHK-Risikos binnen sieben Jahren nach der Diagnose (Ann Rheum Dis 2010; 69: 1660-1664). Aus rheumatologisch-kardiologischer Sicht bedeutet dies, dass möglichst rasch sowohl die Aktivität der Grunderkrankung unter Kontrolle gebracht werden muss und zugleich konsequent bestehende kardiovaskuläre Risikofaktoren angegangen werden müssen, so Krüger. Dies untermauerte der Experte mit aktuellen Daten von 10.156 RA-Patienten aus dem CORRONARegister (Ann Rheum Dis 2010; 69: 1920-1925). Nach einem medianen Follow-up von 22 Monaten zeigte sich, dass sowohl die Krankheitsaktivität als auch die Anzahl traditioneller kardiovaskulärer Risikofaktoren zur Rate kardiovaskulärer Ereignisse beitragen, hier im Schnitt 3,98 pro 1.000 Patientenjahre (PJ). Diese stieg von 0 bei Patienten ohne Risikofaktoren und hohe Krankheitsaktivität bis auf maximal 7,47/1.000 PJ bei
solchen mit schwerer Krankheitslast und mindestens zwei zusätzlichen Risikofaktoren.
Medikamentöse Versorgung lässt zu wünschen übrig Dass diesen Erkenntnissen in der Praxis nur unzureichend Rechnung getragen wird, verdeutlicht die Tatsache, dass RA-Patienten – selbst nach bereits erlittenem MI – sogar schlechter und nicht etwa besser medikamentös versorgt werden. So zeigte eine niederländische Studie mit je 90 RA-Patienten und passenden Kontrollen in der Postinfarktsituation, dass die RA-Patienten sowohl signifikant seltener eine akute Reperfusion (Odds ratio, OR 0,27) als auch im Krankenhaus eine Sekundärprävention mit Betablockern (OR 0,42) oder Lipidsenkern (OR 0,21) erhalten (Arthritis Res Ther 2010; 12: R183). In diesem Zusammenhang betonte Krüger, dass auch Statine bei RA-Patienten eher zu selten als zu viel verordnet werden. In einer britischen Kohorte von 400 RA-Patienten erhielten je nach angelegtem Risikoscore 58,1-94,8 % der Teilnehmer mit hohem kardiovaskulären Risiko kein Statin (Ann Rheum Dis 2010; 69: 683-688). Die Daten aus einer kanadischen RA-Kohorte von 4.102 Patienten unter Statintherapie verdeutlichen zudem, dass das Absetzen des Statins im Vergleich zur Fortsetzung der Therapie mit einem signifikanten Anstieg der kardiovaskulären Mortalität (Hazard ratio, HR 1,60) assoziiert ist (Ann Rheum Dis 2011; doi:10.1136/ard.2010.142455). �
Bei RA besteht rasch ab Erkrankungsbeginn ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, zu dem sowohl die Krankheitsaktivität als auch traditionelle Risikofaktoren gleichermaßen beitragen. Paradoxerweise erhalten RA-Patienten mit MI seltener eine Reperfusionstherapie und adäquate Sekundärprävention, auch besteht eine eklatante Statinunterversorgung bei Risikopatienten – hier ist ein Umsteuern dringend erforderlich.
Kompakt
Nachdem zwei bevölkerungsbasierte Fall-KontrollStudien gezeigt hatten, dass das Risiko für einen Myokardinfarkt (MI) vor Beginn der RA-Symptomatik noch nicht erhöht ist, belegen nun aktuelle Daten der gleichen schwedischen Arbeitsgruppe aus dem „Swedish Early RA Register“, dass dies dann aber rasch nach Erkrankungsbeginn sehr wohl der Fall ist (J Int Med 2010; 268: 275-285).
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
44 Rheumatoide Arthritis
Aktuelles zu neuen Therapieansätzen Über aktuelle Studien zu neuen und experimentellen Therapieansätzen bei Rheumatoider Arthritis (RA) berichtete anlässlich des Rheuma Update 2011 in Wiesbaden Prof. Dr. Hubert Nüßlein, Nürnberg.
Dass bei RA nicht nur die B-Zell-Depletion mit dem bewährten Rituximab, sondern auch mit den neuen Anti-CD20-Antikörper Ofatumumab vielversprechend erscheint, geht aus einer Phase I/II-Studie hervor (Arthritis Rheum 2010; 62: 2227-2238). Bei zweimaliger Applikation wurden mit drei verschiedenen Dosierungen ACR20-Ansprechraten von 40-49 % versus Placebo mit 11 % erreicht. Laut Nüßlein hatten nach 24 Wochen 70 % der Patienten unter Ofatumumab ein moderates oder gutes klinisches EULAR-Ansprechen. Ob sich die Effektivität des neuen monoklonalen Antikörpers mit jener von Rituximab messen lassen kann, müssen weitere Studien aber erst noch zeigen. In einer weiteren Phase I/II-Studie wurde mittels eines rekombinanten Adenovirus-assoziierten Vektors ein TNF-Antagonisten-Gen in entzündete Gelenke injiziert (J Rheumatol 2010; 37: 692-703). In Anbetracht eines im Vergleich zu Placebo nur mäßigen Ansprechens bei zugleich hoher Nebenwirkungsrate wäre womöglich die intraartikuläre Applikation eines etablierten TNFAntagonisten die attraktivere Therapievariante, gab Nüßlein zu bedenken.
Fortschritte bei Kandidaten für orale Therapie Positive Daten wurden bei mit MTX- sowie TNF-Hemmern vorbehandelten RA-Patienten für den oralen JAK-Inhibitor Tofacitinib (vormals Tasocitinib) publiziert (Ann Rheum Dis 2010; 69: 413-416). Im Vergleich zu Placebo wurde mit Tofacitinib in Dosierungen von 5,15 und 30 mg eine 50%-ige Verbesserung des Schmerzes bei 44, 66 und 78 % vs. 14 %, eine klinisch bedeutsame Besserung des HAQ (≥0,3 Einheiten) bei 57, 75 und 76 % vs. 36 % und eine klinisch relevante Verbesserung der physischen und mentalen SF-36-Komponenten erzielt. Diese Effekte waren bereits nach sechs Wochen nachweisbar. Die überzeugenden klinischen Ergebnisse zu dem JAK-Inhibitor spiegeln sich jetzt, so Nüßlein, auch in diesen relevanten Daten zu Patient-Reported Outcomes (PROs) wider. Neuere Daten wurden auch zu dem SYK-Inhibitor Fostamatinib (R788) vorgestellt (N Engl J Med 2010; 363: 1303-1312). Bei Patienten mit MTX-Versagen zeigte sich mit beiden untersuchten Dosierungen eine signifikante Verbesserung des Ansprechens ge-
Prof. Dr. med. Hubert Nüßlein genüber Placebo gemäß ACR20 (67 bzw. 57 % vs. 35 %), ACR50 (43 bzw. 32 % vs. 19 %) und auch ACR70 (28 bzw. 14 % vs. 10 %). Häufige Nebenwirkungen waren Diarrhoe, Infektionen des oberen Respirationstraktes und Neutropenie sowie ein leichter Blutdruckanstieg. Nach Nüßleins Worten dürfte Fostamatinib somit neben dem JAK-Inhibitor Tofacitinib, dessen klinisches Studienprogramm mittlerweile weit fortgeschritten ist, die wohl aussichtsreichste Neuentwicklung eines oral verfügbaren RA-Medikamentes darstellen. In Pilotstudien mit RA-Patienten hingegen gescheitert sind zwei verschiedene oral verfügbare CCR5-Antagonisten (Arthritis Rheum 2010; 62: 3154-3160, Ann Rheum Dis 2010; 69: 2013-2016). Nachdem bereits zuvor die Blockade mit TCR1 ohne Erfolg blieb, scheinen die Chemokin-Rezeptoren insgesamt kein geeignetes Target für die RA-Therapie darzustellen.
Interleukin-17 als Target bestätigt Erfreulichere Daten lieferte eine „proof of concept“Studie zur Wirksamkeit des humanisierten monoklonalen IL-17-Antikörpers LY2439821 bei RA (Arthritis Rheum 2010; 62: 929-939). In dieser ersten zweiteiligen, randomisierten doppelblinden Phase I-Studie zeigte sich bereits nach einer Woche eine verglichen mit Placebo signifikante DAS-Verbesserung um 2,3-2,4 vs. 1,7. Auch die ACR20/50/70-Ansprechraten waren signifikant höher unter dem IL-17-Antikörper im Vergleich zu Placebo. Somit wird Interleukin-17 als relevantes Target in der Behandlung der RA bestätigt, sagte abschließend Nüßlein. �
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45 Infektionen bei rheumatischen Erkrankungen
Vor anti-TNF-Therapie routinemäßiges TB-Screening TNF-Blocker erhöhen signifikant das Tuberkulose (TB)-Risiko. Vor Einleiten einer TNF-Blocker-Therapie ist deshalb routinemäßig ein TB-Screening (mit Anamnese und intensiver klinischer Untersuchung) unabdingbar, außerdem zusätzlich eine Thorax-Röntgenaufnahme und ein IGRA (Interferongamma-Release Assay).
Ergibt das Tuberkulose-Screening, das z. B. nach den detailierten Empfehlungen im Konsensuspapier der TBNET (Tuberculosis Network – European Trials Group) durchgeführt werden kann, eine latente TB, ist vor Beginn der TNF-Blockade unabhängig vom eingesetzten TNF-Blocker und der rheumatischen Erkrankung eine Chemoprophylaxe erforderlich.
Infektionen unter immunsuppressiver Therapie Bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen ist nach Prof. Dr. Christian Kneitz, Rostock, davon auszugehen, dass es unter Glukokortikoiden (GC) im Low-dose-Bereich (<5 mg Prednisolon täglich) zu keinem gravierenden Anstieg des Infektionsrisikos kommt, höhere Dosierungen sind besonders bei älteren Patienten problematisch. Das Risiko schwerer Infektionen unter TNF-Blockern ist vor allem in den ersten sechs Monaten leicht erhöht. Das per se erhöhte Infektionsrisiko älterer Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) nimmt im Gegensatz zu Patienten mit chronisch-infektiösen Darmerkrankungen durch eine TNF-Blockade nicht weiter zu. Bei einer bereits früher unter DMARDs aufgetretenen Neutropenie und bei erniedrigter Leukozytenzahl ist eine Blutbildkontrolle vor dem Einleiten und regelmäßig während der TNF-Blocker-Therapie erforderlich. Unter Rituximab (RTX) kommt es bei RA-Patienten ähnlich wie unter TNF-Blockade in den ersten drei Monaten vermehrt zu Infektionen. Bei wiederholter Therapie wurde bisher kein Anstieg der Infektionsrate festgestellt. Zu beachten ist, dass erniedrigte IgGSpiegel (<6 g/l) vor Einleiten der RTX-Therapie mit einem erhöhten Infektionsrisiko assoziiert sind. Alle Studien mit dem CD-20-Antikörper Ocrelizumab, der ähnlich wie RTX B-Zellen depletiert, wurden wegen des Auftretens schwerer, auch tödlich verlaufender Infektionen beendet. In kontrollierten Studien und in einem aktuellen Cochrane Review zeigte der T-ZellCostimulationsblocker Abatacept bei RA-Patienten
Prof. Dr. med. Christian Kneitz hinsichtlich schwerer Infektionen hingegen ein relativ günstiges Sicherheitsprofil. Das Risiko schwerer Infektionen unter dem IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab war in kontrollierten Studien dem anderer Biologika vergleichbar. Eine verlässliche Abschätzung des Risikos schwerer Infektionen unter dem neueren TNFInhibitor Certolizumab ist derzeit noch nicht möglich.
Sicherheitsaspekte bei Viruserkrankungen Unter einer TNF-Blocker-Therapie erhöht sich das Risiko opportunistischer Infektionen. Die unter TNF-Blockade beobachtete progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) stellt bisher einen Einzelfall dar. Herpes-Zoster-Infektionen sind unter Immunsuppression häufiger. Eine entsprechende Vakzine ist verfügbar, die allerdings als Lebendimpfstoff bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und immunsuppressiver Therapie kontraindiziert bzw. vor Einleiten der Immunsuppression zu verabreichen ist. Bei Patienten mit inaktiver chronischer Hepatitis B ist vor einer (erst nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung) einzuleitenden TNF-Blocker-Therapie eine prophylaktische Virostatika-Gabe erforderlich, bei aktiver Hepatitis B verbieten sich TNF-Blocker. �
Quelle: 6. Rheuma Update, Vortrag „Infektionen“, Wiesbaden, 18. März 2011
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46 Rheumatische Erkrankungen
Plädoyer für Knochendichtemessung Sowohl bei der RA als auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist das Frakturrisiko in Abhängigkeit vom Schweregrad, Symptomdauer, einer Glukokortikoidtherapie und niedrigem BMI deutlich erhöht. Neuere Studiendaten zu dieser Problematik wurden im Rahmen des Rheuma Update 2011 in Wiesbaden vorgestellt.
Eine retrospektive bevölkerungsbasierte Kohortenstudie verglich das Frakturrisiko bei 47.034 RA-Patienten und 235.170 Kontrollen über einen medianen Zeitraum von 1,63 Jahren (Arthritis Res Ther 2010; 12: R154). Insgesamt bei 1,9 % der Patienten traten Frakturen auf, die Inzidenzrate betrug 9,6/1.000 Patientenjahre (PJ), am höchsten war diese an der Hüfte mit mit 3,4/1.000 PJ. Nach Adjustierung auf Kovariable wurde für die RA ein mäßig, aber signifikant erhöhtes Frakturrisiko berechnet (Hazard ratio, HR 1,26). Alle typischerweise von osteoporotischen Frakturen betroffenen Lokalisationen wiesen eine signifikant erhöhte Risikorate (RR) auf (RRs: Hüfte 1,62, Handgelenk 1,15, Becken 2,02, Humerus 1,51). Dies galt für beide Geschlechter und alle Altersklassen, jedoch war das Risiko insbesondere für Frauen und bei höherem Lebensalter besonders stark gesteigert. Auch Faktoren wie Glukokortikoide oder ein hohes CRP führten zu einer zusätzlichen Erhöhung der Frakturrate. In einer weiteren bevölkerungsbasierten Fall-KontrollStudie wurden 53.108 Patienten mit erlittener Fraktur
mit 370.602 gematchten Kontrollen verglichen – darunter befanden sich 3.884 Patienten mit verschiedenen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, in 87 % der Fälle war dies eine RA (J Rheumatol 2010; 37: 2247-2250). Insgesamt zeigte sich für diese Patienten eine um das 3-fache erhöhte Odds ratio (OR) für eine Fraktur, wobei vergleichsweise häufiger Hüft- als Vertebralfrakturen zu verzeichnen waren. Die Risikoerhöhung war bei Spondylitis ankylosans mit einer OR 4,0 stärker ausgeprägt als für RA und SLE (OR je 2,9). Diese Befunde zu einem erhöhten Frakturrisiko bei rheumatischen Patienten unterstreichen die Notwendigkeit, zusätzliche Risikofaktoren wie eine herabgesetzte Knochendichte bei RA konsequent zu erfassen, zumal hier Glukokortikoide nach wie vor eine wichtige Rolle in der Therapie spielen. Gerade bezüglich der vorsorglichen Knochendichtemessung dürften in Deutschland in dieser Hinsicht noch erhebliche Defizite bestehen, diese sollte aber nach der RA-Diagnose obligatorisch durchgeführt werden. �
Osteoarthrose und Fibromyalgie
Update zur Schmerztherapie Eine physikalische Therapie, so Prof. Dr. Christoph Baerwald, Leipzig, wirkt sich bei Patienten mit Osteoarthrose (OA) positiv aus. Akupunktur hat bei Cox- und Gonarthrose-Patienten einen nur geringen und kurz anhaltenden positiven Effekt. Opioide erhöhen gegenüber NSAR das kardiovaskuläre Risiko, das Frakturrisiko, das Risiko für Hospitalisationen und das Risiko für Mortalität jedweder Ursache. Das erhöhte Risiko gastrointestinaler Blutungen unter Opioiden ist dem unter NSAR vergleichbar.
Die „Osteoarthritis Research Society International (OARSI)“ hat ihre Therapieempfehlungen auf der Basis neuer Studienergebnisse überarbeitet. Danach lindert eine Gewichtsreduktion signifikant die Schmerzen, der Schmerzreduktion unter Paracetamol kommt jedoch jetzt keine statistische Signifikanz mehr zu, die Effektstärke der elektromagnetischen Therapie wird als nicht mehr klinisch signifikant eingestuft und eine Gelenklavage wird inzwischen nicht mehr empfohlen.
Der rekombinante Knochenwachstumsfaktor BMP-7, der ein neues pathophysiologisch orientiertes Wirkprinzip repräsentiert, zeigte in einer ersten Phase IStudie ausreichend gute Ergebnisse. Tanezumab, ein gegen den Nervenwachstumsfaktor (NGF) gerichteter Antikörper, minderte zunächst ohne gravierende Nebenwirkungen und mit einer sehr hohen Ansprechrate hochsignifikant die Schmerzen von Gonarthrose-Patienten beim Gehen. Der extrem star-
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47 schwerwiegende Nebenwirkungen haben, verursacht z. B. durch Wärmeeinwirkung, die eine verstärkte Wirkstofffreisetzung zur Folge hat. Diese Möglichkeit wird auch zunehmend missbräuchlich genutzt, wobei eine zu starke Pflastererhitzung zum Tod führen kann. Opioid-Wirkspiegelerhöhungen sind außerdem durch Interaktionen mit Cyp3A4-Inhibitoren wie Erythromycin, Clarithromycin, Verapamil, Diltiazem, Cimetidin, Amiodaron, Grapefruitsaft und Ketoconazol möglich.
Prof. Dr. med. Christoph Baerwald ke, durch Überbelastung verursachte OA-Anstieg in der Nachbeobachtungszeit, der mehrfach eine Gelenkersatztherapie erforderte, führte jedoch zum Abbruch aller Studien. Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zeigen eine generelle Hyperalgesie auf mechanische und thermische Reize. Topische NSAR sind bei RA-Patienten effektiv. Opioide können, auch wenn sie transdermal appliziert werden, aufgrund von Überdosierung
Eine substantielle wie auch moderate Schmerzreduktion bewirkt bei Fibromyalgie-Syndrom (FMS)-Patienten zugleich auch eine signifikante Besserung der Lebensqualität. In einem indirekten Vergleich der drei in den USA zugelassenen FMS-Wirksubstanzen (Amitryptilin, Duloxetin, Milnacipran) war Amitriptylin den anderen Substanzen hinsichtlich Schmerzreduktion, Reduktion der Schlafstörungen und Besserung der Lebensqualität überlegen. �
Quelle: 6. Rhema Update, Vortrag „Arthrose, Schmerztherapie, Fibromyalgie“, Wiesbaden, 18. März 2011
Fibromyalgische RA
Welche Besonderheiten gilt es zu beachten? Der neu geprägte Begriff „fibromyalgische RA“ charakterisiert ein Krankheitsbild, bei dem die gesicherte RA durch eine sekundäre Fibromyalgie überlagert wird. Diese Konstellation kann nicht nur die Bestimmung der Krankheitsaktivität deutlich erschweren, sondern erfordert auch eine andere therapeutische Vorgehensweise.
Die weitere Analyse offenbarte deutliche Auswirkungen auf den DAS28, Schmerz und die Müdigkeit in der VAS sowie im HAQ. Eine hohe Krankheitsaktivität im DAS oder CDAI zeigte sich mit einer Odds ratio von 14,3 bzw. 17,3 um vieles häufiger als bei nichtfibromyalgischen RA-Patienten. Aufgrund der durch
Nicht-RA-Mechanismen verursachten Krankheitslast ist das Erreichen einer Remission mit den bei RA gängigen Kriterien hierfür unrealistisch. Vordringlich erscheint bei diesen fibromyalgischen RA-Patienten eine sorgfältige Schmerzanalyse. �
Etwa 10-20 % der Patienten weisen eine fibromyalgische RA auf, die durch einen TJC/ SJC von je ≥7 gekennzeichnet ist. Bei diesen Patienten sind weder die alten noch die neuen RA-Remissionskriterien für Therapieentscheidungen anwendbar. Zur Erfassung der tatsächlichen Krankheitsaktivität sollten nur objektive Kriterien herangezogen werden, zudem bedürfen diese Patienten einer stärker am nicht RA-assoziierten Schmerz orientierten Therapie.
Kompakt
In einer britischen Untersuchung mit 105 RA-Patienten wurde die Häufigkeit einer solchen Konstellation und deren Auswirkung auf die Erfassung der Krankheitsaktivität untersucht (Rheumatology 2010; 49: 924928). Im Ergebnis waren 18 von 105 Patienten aus einer Kohorte mit Erstvorstellung von einer solchen Mischform betroffen, sowie 12 von 100 Patienten mit bereits andauernder Symptomatik – die RA-Patienten mit „Fibromyalginess“ waren einfach zu identifizieren durch einen hohen Tender bzw. Swollen Joint Count (TJC/SJC ≥7) mit einer Sensitivität respektive Spezifität von 83 und 80 %.
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48 Therapie der Spondyloarthritiden
Erfolgreich mit Nischenmedikament und Kräuterextrakt? Unter den vorgestellten aktuellen Studien zur Therapie der Spondyloarthritiden fielen zwei chinesische Arbeiten auf, in denen mit dem TNF-hemmenden Thalidomid und mit einem in der traditionellen chinesischen Medizin verwendeten Kräuterextrakt ein beachtenswerter Erfolg erzielt wurde.
Die Ergebnisse für Thalidomid – in Deutschland aufgrund seiner häufigen Nebenwirkungen ein Nischenmedikament – und den Kräuterextrakt wurden allerdings in offenen Studien erzielt.
TNF-Blocker Die klinische Wirksamkeit von Etanercept (ETA) ist, wie PD Dr. Martin Rudwaleit, Hagen, ausführte, für die refraktäre Enthesitis der Ferse bei Patienten mit Spondylarthropathien (SpA) belegt. Die Größenabnahmen der Knochenmarködeme unterschieden sich in der ETA- und Placebo-Gruppe jedoch nicht signifikant. Eine niedrig dosierte TNF-Blocker-Therapie (Dosis-Erniedrigung bzw. Infusions-/Spritzintervall-Verlängerung) ist mit Infliximab (IFX) und ETA bei Patienten mit aktiver ankylosierender Spondylitis (AS) möglich und führt im Vergleich zu Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zu besseren Ergebnissen. Ein Wechsel auf einen zweiten TNF-Blocker bei Sekundärversagen oder Intoleranz ist bei AS-Patienten in der Regel erfolgreich, bei Primärversagen liegt die Ansprechrate (ASAS40/BASDAI50) nach einem Wechsel mit etwa 25 % deutlich niedriger.
Andere Biologika Aus der Gruppe der Biologika sind derzeit nur TNFBlocker zur Behandlung von AS-Patienten zugelassen. Nach den Ergebnissen (problematisch zu interpretierender) offener Studien mit zudem begrenzten Fallzahlen zeigte Rituximab (RTX) bei anti-TNF-naiven SpA-Patienten, nicht aber bei TNF-Versagern eine eindrucksvolle, aber nicht ganz die TNF-Blocker-Ansprechraten erreichende Wirksamkeit. Inwieweit Tocilizumab bei aktiver therapierefraktärer AS effektiv ist, ist anhand von nur drei veröffentlichten Fallberichten noch nicht zu beantworten.
Antibiotika Die nach gastrointestinalen und urogenitalen Infekten auftretende akute reaktive Arthritis (ReA) heilt oft selbst aus. Da in allen bisherigen Studien Antibiotika Placebo nicht überlegen waren, spielen Antibiotika bei der ReA-Behandlung keine Rolle.
PD Dr. med. Martin Rudwaleit Bei 22 % der Patienten mit Chlamydien-induzierter chronischer ReA und undifferenzierter SpA sowie positivem Chlamydien-PCR-Nachweis wurde gegenüber keinem Patienten unter Placebo durch eine KombiAntibiose (Doxycyclin plus Rifampicin und Azithromycin plus Rifampicin) über sechs Monate eine Vollremission erzielt, eine Besserung um 50 % und um 70 % erreichten 41 % bzw. 26 % der Patienten. Daten zur optimalen Antibiotika-Kombination, zu Dosis und Dauer der Antibiose sowie zu deren Langzeitnebenwirkungen fehlen.
Thalidomid, DonnerfürstRanke und Probiotika Unter der Langzeitgabe von Thalidomid wurde bei 63,8 % der Patienten mit NSAR-refraktärer aktiver AS ein BASDAI50-Response erreicht, 32,8 % wurden schmerzfrei. 13,8 % der Patienten brachen die Therapie wegen der Nebenwirkungen ab. Auch mit der als Kräuterextrakt in Tablettenform erhältlichen Donnerfürst-Ranke (Trypterigium wilfordii, Lei Gong Teng) wurde eine gute Ansprechrate erzielt, allerdings drohen als Nebenwirkungen Infertilität, Hepatotoxizität (möglicherweise mit tödlichem Ausgang) und Knochenmarksveränderungen. Damit bleibt die Anwendung des Extrakts ausschließlich Ärzten vorbehalten, die in der traditionellen chinesischen Medizin erfahren sind. Probiotika verursachten bei AS-Patienten mit moderater Krankheitsaktivität keine Nebenwirkungen, zeigten aber auch keinen Effekt.
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CED und Morbus Whipple Laut dem dortigen CED-Register leiden in der Schweiz 61 % der Patienten mit Morbus Crohn (CD) und 39 % der Patienten mit Colitis ulcerosa (UC) an extraintestinalen Manifestationen. An erster Stelle steht die Arthritis (CD: 33%; UC: 4 %) gefolgt von einer Stomatitis aphthosa, Uveitis, dem Erythema nodosum, der ankylosierenden Spondylitis (CD: 6%; UC: 2 %) und der Psoriasis (CD: 2%; UC: 1 %). Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann
Psoriasis-Arthritis Patienten mit schwerer (d. h. stationär behandelter) Psoriasis und Psoriasis-Arthritis (PsA) haben nach Prof. Dr. Elisabeth Märker-Hermann, Wiesbaden, im Vergleich zur Normalbevölkerung ein signifikant höheres Risiko für Mortalität und kardiovaskuläre Morbidität. Nach den Empfehlungen der GRAPPA (Group for Research and Assessment in Psoriasis and Psoriatic Arthritis) sind je nach Manifestation und Schweregrad NSAR, DMARDs und TNF-Blocker zur PsA-Therapie angezeigt. Laut den Daten des NOR-DMARD-Registers bessert Methotrexat (MTX), das bei PsA-Patienten am häufigsten eingesetzte Präparat, nach sechs Monaten die Krankheitsaktivität und die Lebensqualitätsparameter. Unter MTX besteht für PsA- im Vergleich zu RA-Patienten ein signifikant höheres Risiko eines Transaminasen-Anstiegs (weitere Risikofaktoren hierfür: Übergewicht, frühere Hepatopathie, täglicher Alkoholkonsum). Eine zusätzliche TNF-Blocker-Therapie kann vor der bei PsA-Patienten mit einer MTXLangzeittherapie vermehrt auftretenden Leberfibrose schützen. Nach den Daten des DANBIO-Registers werden unter einer Anti-TNF-Therapie mit Adalimumab (ADA), ETA und IFX bei PsA-Patienten hohe therapeutische Ansprechraten erreicht, Prädiktoren für ein gutes DrugSurvival sind Baseline-CRP-Werte >10 mg/l, niedriger Patienten-VAS global, männliches Geschlecht und eine begleitende MTX-Therapie. Abatacept ist für PsA-Patienten in gleicher Dosierung wie bei RA-Patienten ein wirksames Biologikum. Die ACR20-Raten liegen gegenüber denen einer Anti-TNF-Therapie eher niedriger, trotzdem dürfte Abatacept eine neue Therapieoption für DMARD-refraktäre PsA-Patienten darstellen. Der humane monoklonale Antikörper Ustekinumab, der bei Plaque-Psoriasis zugelassen und hoch wirksam ist, überzeugte in einer ersten Phase II-Studie mit PsAPatienten wahrscheinlich aufgrund einer zu geringen Dosierung (noch) nicht.
Die häufigsten klinischen Manifestationen beim Morbus Whipple sind Arthralgien, gefolgt von Endokarditis und neurologischen Symptomen. Das Vollbild eines M. Whipple zeigt sich häufig erst nach Triggerung durch eine immunsuppressive und/oder Biologikatherapie, die häufig wegen einer zunächst vermuteten primären rheumatischen Autoimmunerkrankung (RA, SpA) eingeleitet wurde. Da die Erkrankung auch ohne ihre Kardinalsymptome auftreten kann, ist auch bei Patienten mit isolierter Endokarditis und akutem Herzversagen oder Pneumonie an einen M. Whipple zu denken. Die M. Whipple-Therapie sollte mit ZNS-gängigen i.v.-Antibiotika wie z. B. Ceftriaxon oder Meropenem beginnen. Noch kontrovers diskutiert wird die nachfolgende Erhaltungstherapie mit oralem Cotrimoxazol aufgrund differierender Studienergebnisse, möglicherweise verursacht durch die unterschiedlichen Studienpopulationen (unbehandelte M. Whipple-Patienten, sekundäre Therapieversager). Nach initial erfolgreicher antimikrobieller Therapie kann es bei M. Whipple-Patienten zu systemischen oder lokalen Symptom-Rezidiven kommen. Nach Ausschluss anderer Krankenhaus-assoziierter bzw. bisher nicht diagnostizierter Erkrankungen dürfte ein entzündliches Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) vorliegen, das als überschießende Autoimmunreaktion mit Immunsuppressiva (vor allem GC) und damit grundlegend anders als ein M. Whipple zu behandeln ist. � Quelle: 6. Rheuma Update, Vorträge zu „Spondylarthritiden“, Wiesbaden, 19. März 2011
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50 Bildgebung bei rheumatischen Erkrankungen
Erosionsnachweis – Ultraschall gute Alternative zum MRT Zum Nachweis von Knochenerosionen bei Patienten mit früher rheumatoider Arthritis (RA) liefern Ultraschall (US) und Magnetresonanztomografie (MRT) akzeptabel übereinstimmende Ergebnisse. Damit ist der US – wenn kein MRT zur Verfügung steht – eine gute und dem konventionellen Röntgen deutlich überlegene Alternative.
US-Untersuchungen im B- und im PD-Mode von Psoriasis-Patienten ohne klinische Enthesitis-Zeichen und Gesunden belegen, dass mit beiden Verfahren eine subklinische Enthesopathie erkannt werden kann, die sich häufiger bei den Psoriasis-Patienten fand. In Langzeituntersuchungen gilt es zu klären, welche Bedeutung hier dem US möglicherweise hinsichtlich der Vorhersage des klinischen Beginns einer PsoriasisArthritis (PsA) zukommt. Von allen US-Befunden zur Abklärung von Schultergürtel-Beschwerden ist die Präsenz der subacromialen-subdeltoiden Bursitis der geeignetste Parameter, um den Beginn eines polymyalgischen Syndroms von dem anderer krankheitsähnlicher Konditionen zu unterscheiden. Bei Patienten mit systemischer Sklerose wie auch bei RA-Patienten werden im US als auch im MRT (hier mit höherer Sensitivität) entzündliche Veränderungen am Handskelett dargestellt.
Magnetresonanztomografie Das dGEMRIC (delayed Gadolinium-enhanced MR imaging of cartilage) von MCP-Gelenken ist am 3 TMRT möglich, hilft bei RA-Patienten das Ausmaß der Degeneration morphologisch normal erscheinender MCP II- und MCP III-Knorpel festzustellen und lässt eine Unterscheidung zwischen Patienten mit früher RA und Gelenkgesunden zu. So früh wie möglich, d. h. noch vor dem Auftreten irreversibler radiologischer Veränderungen, sollte bei Kindern die Diagnose einer Sakroiliitis gestellt werden. Während die Hüftarthritis ein Hauptrisikofaktor der Sakroiliitis ist, könnte eine Daktylitis ein protektiver Faktor sein. Die bei Kindern häufig eine Sedierung erfordernde MRT-Aufnahme der Sakroiliakalgelenke sollte nur bei bestehendem hohem Risiko durchgeführt werden. Eine Enthesitis der Kniegelenke im MRT könnte ein frühzeitiger Befund der SpA sein. Mit einer MRT-Aufnahme lassen sich bei der als nichterosive Arthritis im konventionellen Röntgen definierten Jaccoud Arthropathie entzündliche Veränderungen mit
PD Dr. med. Marina Backhaus Synovitis, Erosionen, Knochenzysten, Knochenmarködem und Sehnenentzündungen nachweisen.
Nuklearmedizinische Verfahren Einer klinischen Untersuchung nicht zugängliche entzündliche Veränderungen sind im Vergleich zur MRT mit PET/CT-Scans noch detailgenauer erfassen. PET/ CT-Scans stellen damit eine effektive Alternative zur Identifizierung einer Enthesitis dar und tragen so zur frühen SpA-Diagnose bei. Ein weiteres nuklearmedizinisches Verfahren ist die MPH-SPECT (multi-pinhole single photon emission computed tomography), mit der anhand des Tracer-uptake-Musters sehr sensitiv nach entzündlichen und nichtentzündlichen Gelenkläsionen und infolgedessen zwischen früher RA und früher OA unterschieden werden kann.
Fluoreszenzoptische Bildgebung Die kontrastverstärkende Fluoreszenzbildgebung ist ein neues Verfahren, mit dem frühe entzündliche Veränderungen in den Fingergelenken nachzuweisen sind und das deshalb eine frühe Arthritis-Diagnose wie auch eine Objektivierung der Therapieantwort ermöglicht, so abschließend Backhaus. � Quelle: 6. Rheuma Update, Vortrag „Bildgebung“, Wiesbaden, 18. März 2011
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51 Primäres Sjögren-Syndrom
Weiter Bedarf an neuen Therapieoptionen Beim primären Sjögren-Syndrom besteht weiterhin ein Mangel an evidenzbasierten Therapieoptionen, wie ein im letzten Jahr publiziertes systematisches Review erneut verdeutlicht, erläuterte im Rahmen des Rheuma Update 2011 in Wiesbaden Prof. Dr. Gabriela Riemekasten, Berlin.
Laut Riemekasten wurden in dem Review insgesamt 37 bis zum April 2010 veröffentlichte randomisierte kontrollierte Studien zur Behandlung des primären Sjögren-Syndroms ausgewertet – nicht berücksichtigt wurden hingegen retrospektive Studien (JAMA 2010; 304: 452-460). Zusammenfassend scheinen demnach nur Pilocarpin und Civemiline sowie topisches Ciclosporin-A (0,05 %-ig, sechs Studien) zu einer Verbesserung der Sicca-Symptomatik zu führen. In den von dem Autorenteam analysierten Studien konnte hingegen Rituximab, so Riemekasten, die primären Endpunkte ebenso wenig erreichen wie die eingesetzten Anti-TNF-Therapien. Orale Glukokortikoide oder auch Hydroxychloroquin (HCQ) wurden von den Experten als nicht wirksam eingestuft, während Azathioprin sowie Ciclosporin-A systemisch appliziert zumindest kleinere positive Effekte zu scheinen haben. Nur ein relativ geringer Nutzen wurde in einer großen Studie auch für orales Interferon-α2a dokumentiert.
Prof. Dr. med. Gabriela Riemekasten Somit scheinen alles in allem die Therapien mit Pilocarpin, Civemiline und topischem Ciclosporin-A am besten gesichert zu sein, während gerade für Rituximab noch weitere Studien erforderlich sind, um den möglichen Nutzen belegen zu können. Damit bleibt es nach Riemekasten bei der derzeit unbefriedigenden Situation mit nur wenig wirklich gut belegten Therapieoptionen beim primären Sjögren-Syndrom. �
Myositiden
Aktuelle Übersicht zur Therapie Ein Update zur Therapie lieferte Prof. Dr. Gabriela Riemekasten zugleich für die Myositiden, zu deren derzeitigen und potentiellen künftigen Behandlungsoptionen im vergangenen Jahr gleichfalls eine interessante Übersichtsarbeit vorgestellt worden war.
Bei einem Nichtansprechen auf Steroide wird die Gabe von Immunglobulinen empfohlen. Führen sowohl Steroide als auch Immunglobuline nicht zu einem ausreichenden Ansprechen, kommen alternativ Rituximab,
Cyclophosphamid (CYC) oder Tacrolimus in Betracht. Insgesamt wird auch hier das therapeutische Vorgehen als eher empirisch bewertet, so Riemekasten. �
Als mögliche zukünftige Behandlungsoptionen bei Myositiden benennen die Autoren in dem Review TNF-Inhibitoren, Efalizumab oder Alefacept (LFA-1/3-Kostimulatoren) und Daclizumab als IL-2-Rezeptorantagonist, sowie eine Reihe weiterer Substanzen, die sowohl die T-Zell- als auch die B-Zellaktivierung angreifen.
Ausblick
Als First-line-Therapie werden laut Riemekasten in der Übersichtsarbeit Steroide in einer Dosierung von 6080 mg/Tag genannt, wobei die Dosis in Einzelfällen auch höher gewählt werden kann. Bei steroidsensitiven Patienten sollten dann steroidsparende Medikamente zum Einsatz kommen, wobei hier gleichermaßen Azathioprin, Methotrexat (MTX), Mycophenolat Mofetil (MMF) oder Ciclosporin-A (CSA) zur Auswahl stehen (Nat Rev Rheumatol 2010; 6: 129-137).
Rheuma Update 2011 – Wiesbaden
52 ANCA-assoziierte Vaskulitiden
Neue Therapiestudien zur Remissionsinduktion Laut PD Dr. Eva Reinhold-Keller, Hamburg, war das Highlight 2010 in Sachen Therapie bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) die Veröffentlichung gleich zweier kontrollierter Studien zum Vergleich der Remissionsinduktion durch das bei therapierefraktären Verläufen bereits erfolgreich eingesetzte Rituximab (RTX) mit einer Cycloposphamid (CYC)-Standardtherapie.
In der US-amerikanischen multizentrischen doppelblinden RAVE-Studie mit 197 neu erkrankten Patienten oder solchen im Rezidiv (75 % Wegener’sche Granulamatose, 25 % mikroskopische Polyangiitis), war entweder Rituximab als Lymphom-Schema mit CYC oral 2 mg/kg KG/Tag – jeweils kombiniert mit einem identischen Prednison-Schema zur Remissionsinduktion bei AAV verglichen worden. Primärer kombinierter Endpunkt war eine komplette Remission (BVAS=0) und das vollständige Absetzen von Prednison nach sechs Monaten (N Engl J Med 2010; 363: 221-232).
In der mit 44 de-novo-Patienten kleineren europäischen multizentrischen RITUXVAS-Studie wurde gleichfalls RTX (n=33) im Lymphom-Schema (aber hier initial zwei CYC-Boli) mit CYC (n=11) – allerdings im Gegensatz zu RAVE als Bolustherapie für 3-6 Monate – zur Remissionsinduktion bei AAV verglichen. Die in beiden Therapiearmen begleitend eingesetzte Prednison-Therapie sollte nach sechs Monaten auf 5 mg/Tag reduziert werden. Nach 3-6 Monaten erfolgte die Umstellung auf eine Remissionserhaltung mit Azathioprin. Im Vergleich zu RAVE hatten die Patienten eine schlechtere Nierenfunktion, waren 10 Jahre älter (im Schnitt 68 Jahre), 25 % erhielten additiv eine Plasmapherese. Primärer Endpunkt war eine Remission nach 12 Monaten (N Engl J Med 2010; 363: 211-220). Nach einem Jahr erreichten unter dem RTX- und CYC-Schema 76 vs. 82 % den primären Endpunkt. Mit 42 vs. 36 % war die Rate schwerer Nebenwirkungen unter RTX etwas höher, die Mortalität war mit je 18 % in beiden Gruppen gleich.
PD Dr. Eva Reinhold-Keller Beide Studien zeigten gleichermaßen, so Reinhold-Keller, dass RTX der CYC-Standardtherapie in der Remissionsinduktion bei AAV-Patienten nach sechs bzw. 12 Monaten nicht unterlegen ist. Nicht erfüllt haben sich Hoffnungen auf eine geringere Nebenwirkungsrate von RTX im Vergleich zu CYC. Die hohe Rate neu diagnostizierter Malignome in der sehr kurzen Beobachtungszeit der RAVE-Studie und die Nebenwirkungsrate von 42 % in RITUXVAS müssen in weiteren Studien zumindest genau beobachtet werden. Die Frage, ob RTX allein oder in Kombination mit CYC gegeben werden sollte, können die beiden Studien nicht beantworten – auch bleibt in Anbetracht der zu kurzen Studiendauer offen, wie hoch die kurz- bis langfristigen Rezidivraten nach einer RTX-Remissionsinduktion sind. �
Derzeit bleibt Cyclophosphamid als Bolus- oder deutlich verkürzte orale Therapie noch weiter die wichtigste und am besten kalkulierbare Option zur Remissionsinduktion bei AAV, wenngleich viele CYC-Nebenwirkungen erst sehr spät sichtbar werden. Rituximab könnte künftig aber schneller als bisher bei einem frühen oder mehreren Rezidiven eingesetzt werden. Denkbar ist auch der primäre Einsatz bei jungen Patienten mit Kinderwunsch und hohem Risiko für eine Infertilität unter CYC.
Kompakt
Im Ergebnis erreichten laut Reinhold-Keller nach sechs Monaten unter RTX und CYC 64 vs. 53 % den primären Endpunkt, 71 vs. 62 % den sekundären Endpunkt, eine Remission mit <10 mg Prednison/Tag (p=n.s.), ohne dass es zu relevanten Unterschieden in Subgruppen (WG, MPA) kam. Im Vergleich profitierten beim primären Endpunkt Patienten im Rezidiv signifikant mehr vom RTX-Schema (67 vs. 42 %, p=0,01). Keine signifikanten Unterschiede wurden mit 14 vs. 17 % bei schweren Nebenwirkungen und je 7 % in puncto schwere Infektionen verzeichnet. Jedoch wurde nach 12 Monaten unter RTX eine höhere Tumorrate (5 vs. 1 %) beobachtet.
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54 Osteologie-Kongress 2011
Interdisziplinarität und Netzwerke sind gefragt! Die Mannigfaltigkeit der Auslöser für muskuloskelettale Erkrankungen hat in den letzten Jahren das Feld der Osteologie erweitert und zu einer Interdisziplinarität und beginnenden Etablierung von Netzwerkstrukturen geführt, verdeutlichten im Rahmen des Osteologie-Kongresses 2011 des Dachverbandes Osteologie (DVO) in Fürth die Tagungspräsidenten Prof. Dr. Georg Schett und Prof. Dr. Klaus Engelke, beide Erlangen-Nürnberg.
In der Osteoporose ist die Knochendichtemessung nach wie vor eine essentielle Methode zur Bestimmung des Frakturrisikos und zur Verlaufskontrolle unter Therapie. Mit neuen Methoden wie z. B. der peripheren quantitativen Computertomografie (pqCT) oder der Finiten Elemente Analyse (FEA) sowie mit Hilfe hochauflösender medizinischer Bildgebung werden neue Einblicke in die Veränderung der Festigkeit der Knochenstruktur gewonnen, um klinische Therapien weiter zu optimieren. Darüber hinaus werden quantitative bildgebende Methoden zunehmend auch für andere muskuloskelettale Erkrankungen wie RA oder Arthrose entwickelt. Ein weiteres Gebiet ist die Charakterisierung der Muskeleigenschaften, wie z. B. des Fettgehaltes, sowie neue Methoden der molekularen Bildgebung, die derzeit primär in der präklinischen Forschung eingesetzt werden. Im Bereich der muskuloskelettalen Erkrankungen ist vor allem die Osteoporose mit ca. 7,8 Millionen Erkrankten zu den Volkskrankheiten zu zählen. Aktuelle Ergebnisse aus der Bone Evaluation Studie (BESTStudie) belegen, dass Osteoporose-Patienten mit einer durchschnittlich um acht Jahre verkürzten Lebenserwartung rechnen müssen.
Demgegenüber ist Hypophosphatasie (HP) zu den seltenen muskuloskelettalen Erkrankungen zu zählen. Diese autosomal rezessiv vererbte Erkrankung ist charakterisiert durch eine Störung der Knochenmineralisation mit Knochendeformitäten, Frakturen oder auch chronischer nicht-bakterieller Osteomyelitis. Schwer betroffene Säuglinge können nach der Geburt daran versterben. Nachdem bislang keine effektive Therapie möglich war, wurde jetzt eine Enzymersatz-Therapie an Säuglingen und Erwachsenen erfolgreich erprobt. Im Lauf dieses Jahres wird diese im Rahmen einer ersten Studie auch in Deutschland verfügbar. �
Der DVO hat flächendeckend Qualitätsstandards, Handlungsalgorithmen und notwendige Kompetenzstrukturen (S3-Leitlinie, Zertifizierungen „Osteologe/in DVO“ und „Osteologisches Schwerpunktzentrum DVO“) geschaffen. Zur Qualitätsevaluation wurde im letzten Jahr ein Deutsches Osteoporose-Register initiiert. „Die Forschung muss Grundlage für die weitere Verbesserung medizinischer Versorgungsstrukturen sein und dem Patienten zu Gute kommen“, so die DVO-Vorsitzenden Prof. Dr. Heide Siggelkow, Göttingen, und Dr. Hermann Schwarz, Freudenstadt.
Quelle: DVO-Pressegespräch, Osteologie 2011, Fürth, 24. März 2011
Ausblick
Netzwerkbildungen im Bereich der osteologischen Forschung haben einen großen Beitrag zu Veränderungen im Verständnis von Knochenerkrankungen geleistet, so dass beispielweise das Skelettsystem heute nicht mehr als Organ zu interpretieren ist, welches einem einzelnen Fachgebiet zugeordnet ist, sondern eine Interaktion zwischen den einzelnen klinischen Feldern verlangt. Diese Entwicklung ist auch von zentraler Bedeutung für die zukünftige Therapie der Osteoporose. So besteht eine enge Interaktion zwischen Immunund Skelettsystem, die im Rahmen des Forschungsfeldes Osteoimmunologie untersucht wird, wobei noch nicht vollends bekannt ist, wie inflammatorische Prozesse Osteoporose auslösen. Bereits klar ist, dass leichte chronische Erhöhungen von Entzündungsmarkern im Blut mit einer verminderten Knochendichte und erhöhten Frakturneigung einhergehen.
55 RheumaPreis 2011
Start frei für die dritte Runde Menschen mit entzündlichem Rheuma können sich erneut um den RheumaPreis bewerben. Bereits zum dritten Mal werden Beispiele gesucht und ausgezeichnet, bei denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam ihren Weg gefunden haben, Arbeitskraft und aktive Teilhabe von Betroffenen zum Gewinn aller Beteiligten zu erhalten. Berufstätige und ihre Arbeitgeber, die sich dabei ideenreich und beispielgebend engagiert haben, zeichnet die Initiative RheumaPreis mit dem mit 3.000 Euro dotierten RheumaPreis aus.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Rheuma aufzuzeigen, ist das zentrale Anliegen des von zehn PartnerOrganisationen getragenen RheumaPreises. „Für viele Menschen mit Rheuma ist der Beruf ein wichtiger Lebensinhalt und sogar Teil der Krankheitsbewältigung. Unser Ziel ist es deshalb, zu mehr Offenheit im Umgang mit Rheuma am Arbeitsplatz anzuregen und so die beruflichen Chancen von Menschen mit entzündlichrheumatischen Erkrankungen zu verbessern“, so Prof. Dr. Christof Specker, Essen, Sprecher der Kooperativen Rheumazentren (AGRZ) in der DGRh und Partner beim RheumaPreis. „Vielfach ist noch immer nicht bekannt, dass Rheuma auch jüngere Menschen betrifft, die noch am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehen“, betont Ludwig Hammel von der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V., die seit Jahresbeginn die Initiative unterstützt. „Deshalb ist es umso wichtiger, mit den positiven Beispielen der Preisträger zu zeigen, dass auch mit Rheuma im Beruf viel erreicht werden kann.“ Dies macht anderen Mut und regt zum Nachahmen an – mit großem Erfolg: So verdoppelte sich die Zahl der Bewerber schon im zweiten Jahr der Ausschreibung. Die Berufstätigkeit von Menschen mit Rheuma zu erhalten, ist auch im Interesse des Arbeitgebers, weiß Dr. Stefan Simianer, Medical Director bei Abbott Deutschland, das zu den Initiatoren zählt. „Angesichts
des zunehmenden Fachkräftemangels ist es für Unternehmen maßgeblich, das wertvolle Know-how von Mitarbeitern zu erhalten“, sagt Simianer. „Mit dem RheumaPreis möchten wir daher auch Arbeitgeber motivieren, mehr Flexibilität zu wagen und Angestellten mit Rheuma durch gezielte Anpassungsmaßnahmen einen Verbleib im Unternehmen zu ermöglichen – zum beiderseitigen Vorteil.“ �
Teilnehmen können Berufstätige mit entzündlichem Rheuma, damit sind auch Teams und Freiberufler sowie Hausfrauen/ Mütter und Hausmänner/Väter angesprochen. Zur Teilnahme ist eine schriftliche Bewerbung bis zum 30. Juni 2011 erforderlich, in der die Bewerber die Ausgangssituation, die Wege zur Veränderung und die erreichte Verbesserung beschreiben. Eine unabhängige Jury aus Mitgliedern der RheumaPreis-Partner entscheidet über die Auszeichnungen. Bei der Preisverleihung im Herbst 2011 erhalten die Ausgezeichneten ein Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro, die Arbeitgeber eine Anerkennung für ihr bemerkenswertes Engagement für Arbeitnehmer mit Rheuma. Weitere Informationen zu den RheumaPreis-Partnern und den Bewerbungsmodalitäten gibt es unter www.RheumaPreis.de.
Quelle: Pressemitteilung der Initiative RheumaPreis, 15. Februar 2011
Kompakt
In Deutschland haben 1,5 Millionen Menschen eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, viele davon sind im erwerbsfähigen Alter. Berufstätig mit Rheuma – die Preisträger der letzten beiden Jahre haben unter Beweis gestellt, was möglich ist: „Rheuma hindert nicht zwangsläufig an der Berufstätigkeit. Es ist oft nur eine Frage des Umgangs mit der Erkrankung durch die Betroffenen selbst und ihr Umfeld“, so Silke Hüser, Bremen, eine der Preisträgerinnen 2010 (s. Abb. links). Sie hat von ihrem Arbeitgeber eine Karrierechance als Geschäftsführerin im Groß- und Außenhandel erhalten und konnte über die rheumagerechte Ausstattung ihres Büros mitentscheiden. Das ist jedoch nicht selbstverständlich, noch immer scheidet heute jeder fünfte Betroffene innerhalb von drei Jahren nach der Diagnose Rheuma aus dem Arbeitsleben aus.
56 Rheumatoide Arthritis
Tocilizumab überzeugt in ärztlicher Routine Der IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab führt bei RA-Patienten auch in der Praxis zu einer schnellen und im Therapieverlauf weiter zunehmenden Wirksamkeit und verbessert die körperliche Funktionsfähigkeit. Zu diesen Ergebnissen kommt die offene, einarmige internationale Phase IIIb-Studie ACT-SURE, die anlässlich des ACR-Kongresses 2010 in Atlanta (USA) vogestellt worden war.
In ACT-SURE erhielten 1.681 RA-Patienten, die inadäquat auf DMARDs oder TNF-α-Blocker angesprochen hatten, über sechs Monate 8 mg/kg KG Tocilizumab (RoActemra®) alle vier Wochen als Monotherapie oder in Kombination mit DMARDs. Zur Analyse wurden die Patienten hinsichtlich ihrer Vortherapie in DMARDVersager (DMARD-IR) und TNF-Versager (TNF-IR) eingeteilt, wobei knapp 60 % der Studienteilnehmer Tocilizumab bereits direkt nach DMARD-Versagen erhielten. Bei der TNF-IR-Gruppe wurde außerdem zwischen Patienten unterschieden, bei denen die letzte TNF-Gabe mehr bzw. weniger als zwei Monate zurücklag. Die Patienten wiesen zu Beginn einen hohen DAS28 von im Mittel 6,0 sowie eine hohe Entzündungsaktivität (CRP 1,9 mg/dl) auf. Unabhängig von der Vorbehandlung sowie einer Kombinations- oder Monotherapie bestätigen die Daten aus ACT-SURE die hohe Wirksamkeit von Tocilizumab: Nach 24 Wochen waren über 60 % der DMARD-IRPatienten und fast 50 % der TNF-IR-Patienten in Remis-
sion. Auch in der Monotherapie erreichten knapp 50 % der Patienten nach 24 Wochen eine DAS28-Remission, wie eine Subgruppenanalyse von 239 Patienten zeigte. Dabei zeichnete sich die Gabe von Tocilizumab vor allem durch eine schnelle und über den Behandlungszeitraum weiter zunehmende Wirksamkeit aus. Neben der schnellen und signifikanten Verbesserung des DAS28-Scores bereits zu Woche vier konnte in allen Subgruppen zudem nachgewiesen werden, dass die Anzahl schmerzhafter und geschwollener Gelenke rasch und kontinuierlich zurückging, ebenfalls die Schmerzen gemäß VAS. Der HAQ-Index zur Messung der körperlichen Funktionsfähigkeit verbesserte sich ebenfalls vergleichbar gut. Damit bestätigen die ACTSURE-Daten zugleich die positiven Ergebnisse aus der deutschen Praxisstudie TAMARA. � Quelle: Pressekonferenz der Chugai Pharma Marketing Ltd. und Roche Pharma AG, Frankfurt/M., 23. November 2010
Schwere rheumatoide Arthritis
Erweiterte Indikation für Golimumab Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat kürzlich für zwei wichtige Erweiterungen der Fachinformation von Golimumab grünes Licht gegeben. Ab sofort können auch zuvor Methotrexat (MTX)-naive Patienten mit schwerer, aktiver und progredienter RA mit Golimumab plus MTX behandelt werden.
Dieser Kombination wird nicht mehr nur eine Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit, sondern jetzt auch eine Verzögerung der radiologisch nachweisbaren Progression attestiert. Die Neuerungen basieren auf den Daten der randomisierten Phase III-Studie GO-BEFORE mit 637 MTX-naiven Patienten mit aktiver RA. Im Vergleich zu einer MTX-Monotherapie kam es unter 50 mg Golimumab (Simponi®) plus MTX nach 24 Wochen signifikant häufiger zu einem ACR50-Ansprechen (40 vs. 29 %), einer Reduktion der Krankheitsaktivität gemäß DAS (76 vs. 61 %) und einer DAS28-Remission (38 vs. 28 %). Die überlegene Wirksamkeit von Golimumab plus MTX konnte bei
den meisten Patienten über zwei Jahre hinweg aufrecht erhalten werden. Die Kombination aus Golimumab plus MTX bewirkte zudem eine signifikant stärkere Hemmung der radiologischen Progression mit einer mittleren Änderung des vdHS-Scores in Woche 52 gegenüber Baseline mit +0,7 vs. +1,4. Die positiven Effekte auf die radiologischen Befunde blieben ebenfalls bis Woche 104 erhalten. � Quelle: Pressemitteilung der MSD Sharp & Dohme GmbH, 22. März 2011
57 Therapie chronischer Schmerzen
Weniger Komplikationen mit Celecoxib In der CONDOR-Studie wurde die gastrointestinale Verträglichkeit des selektiven COX-2-Inhibitors Celecoxib im Vergleich zum herkömmlichen NSAR Diclofenac plus dem Protonenpumpeninhibitors Omeprazol mittels eines neuen zusammengesetzten Endpunktes überprüft. Dieser erfasst die klinisch relevanten Komplikationen im gesamten und nicht nur im oberen Gastrointestinaltrakt (GI) und ermöglicht so eine vollständige Beurteilung des GI-Sicherheitsprofils entzündungshemmender Analgetika.
An der Studie nahmen 4.484 Risikopatienten mit Arthrose bzw. rheumatoider Arthritis teil, die randomisiert zwei Gruppen zugeteilt über sechs Monate die Studienmedikation erhielten. Unter dem selektiven COX-2-Inhibitor traten im gesamten GI-Trakt hochsignifikant weniger Komplikationen auf als bei der Kombination Diclofenac plus Omeprazol. Insgesamt wurden bei 81 Patienten mit der Kombination gegenüber 20 Patienten mit der Celecoxib-Monotherapie klinisch relevante und die Kriterien des zusammengesetzten Endpunktes erfüllende GI-Ereignisse festgestellt, die damit unter Diclofenac plus Omeprazol viermal häufiger beobachtet wurden. Zudem kam es unter Diclofenac und Omeprazol signifikant häufiger zu einer klinisch relevanten Anämie gastrointestinalen Ursprungs sowie zu einer klinisch relevanten Anämie infolge einer okkulten GI-Blutung. Der Mechanismus der Schädigung im unteren GI-Trakt ist laut Prof. Dr. Rainer Wigand, Frankfurt/M., völlig von dem im oberen GI-Trakt verschieden. Indem in den zum Transport lipophiler Substanzen im unteren GI-Trakt bereitgestellten Micellen die Phospholipide
durch NSAR verdrängt werden, entstehen Epithelläsionen verursachende „toxische“ Micellen. In diese Läsionen dringen die im Darm enthaltenen Bakterien ein und lösen die klinisch relevanten Komplikationen aus. Dass der selektive COX-2-Inhibitor Celecoxib (Celebrex®) nicht die Phospholipide in den Micellen verdrängt, liegt an seiner Säurekonstante (pKa-Wert = 11,1). Damit ist er im Gegensatz zu dem NSAR Diclofenac (pKaWert = 4,0) und auch dem COX-2-Hemmer Etoricoxib (pKa-Wert = 4,5) kein Protonendonator. Etoricoxib dürfte sich deshalb im unteren GI hinsichtlich der Bildung „toxischer“ Micellen wie das NASR verhalten. Entsprechend bestand in Studien kein signifikanter Unterschied zwischen der Häufigkeit der Schädigungen im unteren GI-Trakt durch Etoricoxib bzw. Diclofenac. Celecoxib dagegen belässt die Micellen in ihrer physiologischen Form mit dem Ergebnis von signifikant weniger Nebenwirkungen auch im unteren GI-Trakt. � Quelle: Symposium der Pfizer Pharma GmbH, 22. Deutscher interdisziplinärer Schmerz- und Palliativkongress, Frankfurt/M., 25. März 2011
Neue Behandlungsoptionen nutzen Eine aktuelle Befragung der Deutschen Schmerzliga e.V. von mehr als 2.300 Betroffenen gibt Aufschluss über die Situation von chronischen Schmerzpatienten in Deutschland. Mehr als 80 % haben Schwierigkeiten bei der Ausführung normaler Alltagstätigkeiten. Viele sind dauerhaft in ihrer Bewegung eingeschränkt. Die Umfrage hat gezeigt, dass der Arzt – auch in Zeiten des Internets – immer noch die wichtigste Informationsquelle ist. „Bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten kommt dem Arzt eine entscheidende Rolle zu. Dieser Rolle muss er sich bewusst sein und sie bestmöglich im Sinne des Patienten nutzen“, so Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Vorsitzender der von Grünenthal unterstützten europäischen Initiative Change Pain. Obwohl die Behandlung mit Schmerzmedikamenten von den Patienten als sehr wirksam
empfunden wird, mussten über 50 % der Befragten schon einmal eine gut wirksame Therapie aufgrund nicht tolerierbarer Nebenwirkungen abbrechen. Auch im Bereich der Pharmakotherapie gibt es daher noch weiteren Optimierungsbedarf und Ärzte sollten sich nicht scheuen, neue Therapiemöglichkeiten in der Praxis einzusetzen. Ein weiteres Ergebnis: Bei über 80 % der Betroffenen äußerte sich der Schmerz in zwei oder mehr Schmerzbildern. Dies sollte natürlich auch bei der Wahl der Pharmakotherapie, z. B. mit dual wirksamen Behandlungsoptionen wie dem MOR-NRI-Hemmer Tapentadol (Palexia® retard), berücksichtigt werden. � Quelle: Pressemitteilung der Grünenthal GmbH
58 Postmenopausale Osteoporose
Konsistente Wirksamkeit von Denosumab Mit Denosumab hat ein innovatives Wirkkonzept Einzug in die Therapie der postmenopausalen Osteoporose gehalten. „Das Medikament wird alle sechs Monate subkutan injiziert und inaktiviert RANK-Ligand, den zentralen Mediator der Osteoklastenbildung, -funktion und -lebensdauer“, sagte Prof. Dr. Lorenz Hofbauer, Dresden, im Rahmen des DVO-Kongresses.
Hofbauer illustrierte, dass Denosumab (Prolia®) anders als die Bisphosphonate wirkt. In der Praxis hatte Denosumab in den beiden Phase III-Studien DECIDE im direkten Vergleich mit Alendronat und in STAND nach Therapieumstellung von Alendronat auf Denosumab signifikant stärker die Knochendichte erhöht. Ein weiterer therapeutischer Fortschritt durch Denosumab deutet sich in einer Subanalyse der FREEDOMStudie an. „So zeigten quantitative Computertomografien, dass Denosumab die Knochendichte nicht nur im spongiösen, sondern auch im kompakten Knochen stark verbesserte“, sagte Prof. Dr. Claus-Christian Glüer, Kiel. „Auf die bisherige Osteoporosetherapie sprachen Knochen, die wie der Femurhals mehr Kortikalisanteile aufweisen, dagegen eher schlechter an.“ Dass diese Knochendichtezunahme auch die
Bruchfestigkeit verbesserte, konnte Glüer zufolge in weiteren Analysen bestätigt werden. So verbesserte Denosumab nach dreijähriger Therapie die Bruchlast an den Wirbelkörpern um 18,1 % (p<0,0001), während sie unter Placebo um -4,1 % abnahm (p=0,004). Für den Femurhals betrugen die Werte 8,4 % (Denosumab, p<0,0001) bzw. -5,4 % (Placebo, p<0,0001). „Die konsistent starke Wirkung an den wichtigsten Frakturorten und auf spongiöse wie kortikale Kompartimente stellt eine wichtige Komponente der Osteoporosetherapie dar und erklärt auch die sehr gute Frakturrisikoreduktion, wie sie in der FREEDOM-Studie dokumentiert wurde“, kommentierte Glüer. � Quelle: Pressekonferenz der Amgen GmbH und GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, Fürth, 23. März 2011
Aktuelle Daten aus großer Biopsiestudie Der bei postmenopausaler Osteoporose langfristig effektive Frakturschutz von Strontiumranelat wurde in klinischen Studien mehrfach nachgewiesen. Neben einer Reduktion des Knochenabbaus aktiviert Strontiumranelat im Gegensatz zu Bisphosphonaten zugleich den Knochenaufbau, was jetzt in der größten jemals bei Osteoporose durchgeführten Knochenbiopsiestudie gezeigt wurde.
Nach Prof. Dr. Roland Chapurlat, Lyon (Frankreich), wurde in der internationalen, doppelblinden Vergleichsstudie mit 268 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose die knochenaufbauende Effektivität von Strontiumranelat (Protelos®) 2 g/Tag mit jener von Alendronat 70 mg/Woche verglichen (Osteoporosis Int 2011; 22 (Suppl 1): S104). Als primärer Endpunkt war der mit paarweisen, vor und nach der Therapie durchgeführten sequentiellen Biopsien bestimmte prozentuale Anteil neuer mineralisierter Oberfläche an der Knochenoberfläche definiert worden. Bereits nach sechs Monaten war die neu gebildete mineralisierte Oberfläche unter Strontiumranelat mit 2,94 % im Vergleich zum Bisphosphonat mit 0,20 % signifikant größer. Noch eklatanter war der Unterschied nach zwölf Monaten mit 4,91 vs. 0,28 % (je p<0,001). Signifikante Vorteile für Strontiumranelat
zeigten sich auch bei der Knochenbildungsrate und der Wachstumsrate des mineralisierten Knochens. Die positiven Effekte von Strontiumranelat auf den Knochenneuaufbau und die im Vergleich zu Alendronat in einer früheren Studie gezeigten Verbesserungen der kortikalen als auch trabekulären Mikroarchitektur tragen maßgeblich zu dessen langfristiger Wirksamkeit gegen vertebrale, nicht-vertebrale und Hüftfrakturen bei, ergänzte Prof. Dr. Jean-Yves Reginster, Lüttich (Belgien). Nach aktuell präsentierten Daten kommt es auch nach zehn Jahren Therapie unter Strontiumranelat zu keinem Wirkungsabfall in puncto Frakturschutz (Osteoporosis Int 2011; 22 (Suppl 1): S110-S111). � Quelle: Pressekonferenz von Servier im Rahmen des ECCEO-IOF 2011, Valencia (Spanien), 24. März 2011
Ausblick dgim2011.de
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Wiesbaden Rhein-Main-Hallen 30. April – 3. Mai 2011
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6. Kongress des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen
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117.
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
• Aktuelles zur Gesundheitspolitik • State of the Art in Rheuma-Diagnostik und -Therapie
13. bis 14. Mai 2011 in Leipzig
Kongress-Agentur m:con – mannheim:congress GmbH
Hauptprogramm
BDRh-Tagung 2011
DGIM-Kongress 2011
Lesen Sie in der nächsten „Rheuma Management“-Ausgabe alles Wissenswerte zur Tagung des Berufsverbandes in München.
Einen kompakten Überblick zu neuen Entwicklungen in der Rheumatologie bietet der Internisten-Kongress in Wiesbaden.
Chefredaktion: Dr. Michael Lohmann, lohmann@wortreich-gik.de Redaktion: Dr. Ine Schmale, schmale@wortreich-gik.de, Dr. Klaus-Georg Maiwald, info@wortreich-gik.de Herausgeber: Dr. Edmund Edelmann, Prof. Dr. Jörn Kekow, Sigurd Rudeloff
Wissenschaftlicher Beirat: PD Dr. Marina Backhaus, Berlin · Prof. Dr. Jürgen Braun, Herne · Wilfried Bridts, München · Prof. Dr. Dieter Felsenberg, Berlin · Prof. Dr. Peter Herzer, München · Dr. Ulrich von Hinüber, Hildesheim · Prof. Dr. Herbert Kellner, München · Prof. Dr. Klaus Krüger, München · PD Dr. Benedikt Ostendorf, Düsseldorf · Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops, München · Prof. Dr. Joachim Sieper, Berlin · Prof. Dr. Christof Specker, Essen · Dr. Ralph Steinbrück, München Grafik: Inken Pöhlmann, www.ip-design.net Druck: RT-Druckwerkstätten, Mainz
Jahrgang 3 · 2-2011 · ISSN 1868-6044 · Jahresabonnementpreis: € 69,00 inkl. MwSt. und Versand Die als Report gekennzeichneten Beiträge stellen nicht die Meinung der Redaktion, sondern der betreffenden Auftraggeber dar, die für den Inhalt verantwortlich zeichnen. Die Zeitschrift und alle darin enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos. Weder Herausgeber noch Verlag haften für Inhalte, Informationen sowie die Richtigkeit der Aktenzeichen, die verlagsseitig mit aller Sorgfalt wiedergegeben wurden.
Impressum
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