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FRÜHE RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Aggressiver Therapiebeginn: Frühzeitige Vorteile schwinden mit der Zeit
In der pragmatischen, open-label, randomisiert-kontrollierten VEDERA-Studie unternahmen britische Rheumatologen um Maya H. Buch, Leeds, den erneuten Versuch, bei Patienten mit (sehr) früher, noch therapienaiver rheumatoider Arthritis (RA), Vorteile einer „Hit hard and early“-Strategie, hier mit Etanercept plus Methotrexat (MTX), gegenüber einer stufenweisen Treat-to-target (T2T)-Eskalation von einer MTX-Monotherapie auf eine Kombination mit dem TNFα-Inhibitor bei ausbleibendem Therapieerfolg, also dem Verfehlen einer Remission, nachzuweisen. Im Einklang mit früheren Studien zeigten sich nach wenigen Wochen zwar durchaus Vorzüge, die jedoch mit zunehmender Therapiedauer immer schwächer wurden. lich aller und schwerer unerwünschter Ereignisse gab es kaum
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Basierend auf den Befunden einer explorativen Analyse der COMET-Studie sollte in VEDERA eine bei sehr früher RA größere Überlegenheit (30 %) von First-line Etanercept plus MTX gegenüber der T2T-Strategie ausgehend von MTX bestätigt werden. Überdies sollte untersucht werden, ob die spätere Zugabe von Etanercept zu MTX, die dem in Leitlinien propagierten Vorgehen entspricht, ein vergleichbares Outcome im Vergleich zu der initial aggressiveren Strategie mit Etanercept plus MTX sichern kann. Eingeschlossen in die Studie wurden in einem 1:1-Verhältnis 120 therapienaive RA-Patienten (71 % Frauen) mit einer Symptomdauer ≤12 Mon ate (im Mittel 20 Wochen), DAS28-ESR ≥3,2 (im Mittel 5,7; DAS28-CRP 5,1), RFund/oder ACPA-Positivität (73 bzw. 84 %) oder (falls doppelt seronegativ) Power Doppler (PD)-Signal im Ultraschall (US).
Konventionelle T2T-Strategie wird bestätigt
Die Patienten im Etanercept plus MTX-Arm erhielten i.m. Methylprednisolon (MP) 120 mg, s.c. Etanercept 50 mg/Woche und orales MTX 15 mg/Woche, gesteigert auf 20 bzw. 25 mg in den Wochen 4 und 8, jene im MTX-Arm i.m. MP und oral MTX 15 mg/Woche, gesteigert auf 25 mg nach 2 Wochen (s.c. MTX bei Intoleranz von p.o. MTX). Beim Verfehlen einer niedrigen Krankheitsaktivität (LDA: DAS28-ESR ≤3,2) in den Wochen 8, 12, 16 oder 20 wurde auf orales Sulfasalazin (SSZ) 2x 1 g/Tag und Hydroxychloroquin (HCQ) 200 mg/Tag eskaliert, im Fall eines DAS28-ESR ≥2,6 in Woche 24 wurde Etanercept gegeben und SSZ sowie HCQ abgebrochen. In beiden Armen wurde bei Verfehlen des Therapieziels i.m. MP in Woche 12, 24 bzw. 36 appliziert. Begleitend waren ein orales Glukokortikoid (≤10 mg/ Tag) und/oder ein NSAR gestattet. Primärer Endpunkt war eine DAS28-ESR-Remission in Woche 48.
Der primäre Endpunkt DAS28-Remission wurde trotz eines tendenziellen Vorteils der initialen Kombination aus Etanercept und MTX mit 52 vs. 38 % (Odds ratio, OR 1,73; p=0,160) in Woche 48 verfehlt, statt des erhofften 30 %-Unterschieds waren es nur 14 %. In Woche 12 war die Therapiedifferenz mit 39 vs. die Remissionsraten mit 38 vs. 33 % sehr ähnlich, in Woche 96 betrugen diese schließlich 47 vs. 42 % (Abb.). Es bleibt jedoch festzuhalten, dass eine anhaltende DAS28-ESR-Remission signifikant häufiger mit der initial aggressiveren Therapiestrategie gelang (42 vs. 27 %; p=0,035). Die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen einer DAS28-Remission bei Patienten, die zunächst auf MTX begannen und erst ab Woche 24 Etanercept bekamen, war im Vergleich zu jenen, die es sofort erhielten geringer (OR 2,84), jedoch war der Unterschied nicht signifikant. Im ACR20-Ansprechen war in Woche 12 ebenfalls ein klarer Vorteil für Etanercept plus MTX evident (75 vs. 55 %), der aber in Woche 48 geringer ausfiel (83 vs. 73 %). Weder im Hinblick auf die körperliche Funktion noch die Lebensqualität waren signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen erkennbar, der Anteil von Patienten mit einem PD-US-Score >0 fiel in beiden Armen jeweils stabil auf <15 % bis Woche 48 ab. Auch bezüg
17 % noch deutlich ausgefallen, doch schon in Woche 24 waren Unterschiede.
Letztlich wird somit für das Gros der Patienten die in der EULAR- und DGRh-Leitlinie empfohlene sukzessive Therapieeskalation bestätigt, wobei in Ausnahmefällen mit sehr rascher Progredienz ein aggressiveres Vorgehen gerechtfertigt ist. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2020; 79(4): 464-471
60
Patienten mit DAS28-Remission (%) 50
40
30
20
10
0 39
17 38
33 52
38 Etanercept + MTX MTX + T2T
47
42
Woche 12 Woche 24 Woche 48 Woche 96
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Das Risiko für schwere Infektionen im Vergleich
Bislang gibt es speziell im Verordnungsalltag wenig Evidenz bezüglich des Risikos für schwere, hospitalisierungspflichtige Infektionen nach Beginn einer Therapie mit dem JAK-Inhibitor Tofacitinib im Vergleich zu den derzeit sieben verfügbaren bDMARDs bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA). US-amerikanische Experten um Seoyoung C. Kim, Boston, führten zur besseren Einschätzung der Risikokonstellation eine auf mehreren Datenbanken basierende Kohortenstudie durch, die diesbezüglich nur ein gering erhöhtes relatives Risiko für Tofacitinib aufzeigte.
In der Kohortenstudie wurden acht RA-Patientengruppen mit de-novoEinstellung auf Tofacitinib, fünf TNFαInhibitoren, Tocilizumab und Abatacept aus öffentlichen (Medicare 2012–2015) und privaten (Optum Clinformatics 2012–2018 und IBM MarketScan 2012–2017) US-amerikanischen Krankenversicherungen identifiziert. Die Patienten mussten >18 Jahre und >1x stationär aufgenommen oder 2x ambulant (in Abstand von 7-365 Tagen) mit einer RA-Diagnose gemäß ICD-9 oder -10 registriert worden sein. Der primäre Komposit-Endpunkt war als Krankenhausaufnahme aufgrund einer schweren Infektion (bakteriell, viral oder opportunistisch) definiert, sekundäre Endpunkte waren individuelle Arten schwerer Infektionen und Herpes zoster. Es wurde mittels Propensity Score auf über 60 potenzielle Einflussfaktoren adjustiert und daraus die Hazard ratio‘s (adj. HRs) berechnet.
Die drei Datenbanken schlossen 130.718 RA-Patienten ein. Im Verlauf eines Follow-up über 100.790 Personenjahre (PJ) wurden 3.140 schwere Infektionen verzeichnet, entsprechend einer Inzidenzrate von 3,12/100 PJ. Das adjustierte Risiko für mit Tofacitinib assoziierte schwere Infektionen war höher im Vergleich zu Etanercept (adj. HR 1,41; 95% KI 1,15-1,73), Golimumab (adj. HR 1,23; 95% KI 0,94- 1,62), Abatacept (adj. HR 1,20; 95% KI 0,97-1,49) und Tocilizumab (adj. HR 1,17; 95% KI 0,89-1,53), auf etwa dem gleichen Niveau wie für Adalimumab (adj. HR 1,06; 95% KI 0,87–1,30) und Certolizumab (adj. HR 1,02; 95% KI 0,80-1,29), aber geringer gegenüber Infliximab (adj. HR 0,81; 95% KI 0,65-1,00). Tofacitinib war mit einem 2-fach höheren Herpes zoster-Risiko im Vergleich zu allen bDMARDs assoziiert.
Somit ergeben sich potenzielle Differenzen im Risikoprofil von Tofacitinib im Vergleich zu den einzelnen bDMARDs, gegenüber der Gesamtgruppe sind sie mit Ausnahme von Herpes zoster allerdings eher gering. m
Quelle: Lancet Rheumatol 2020; 2(2): e84-e98
Methotrexat: Neue Daten zum Sicherheitsprofil
Seit mehreren Jahrzehnten als Standardmedikament bei RA eingesetzt, ist über die Sicherheit von Methotrexat (MTX) aus randomisierten, placebokontrollierten Studien (RCTs) im Grunde wenig bekannt. US-amerikanische Mediziner um Nina P. Paynter, New York, und Paul M. Ridker, Boston, untersuchten jetzt die Sicherheit und Rate unerwünschter Ereignisse (UE) von Low-dose MTX (LD-MTX) in der CIRT-Studie, einer prospektiven RCT bei kardialen Hochrisiko-Patienten, die vorzeitig beendet wurde, da sich keine Abnahme kardiovaskulärer Ereignisse unter LD-MTX abzeichnete.
In CIRT waren 4.768 Erwachsene mit kardiovaskulärer Vorerkrankung und Typ-2-Diabetes oder metabolischem Syndrom (aber ohne rheumatische Erkrankung) für median 23 Monate 1:1 auf Placebo oder LD-MTX (≤20 mg/Woche; median 15 mg) randomisiert worden, alle Teilnehmer erhielten Folsäure 1 mg/Tag an 6 Tagen/Woche.
Eingeschlossen wurden anders als bei den meistens mit MTX behandelten Patienten mit z. B. RA überwiegend Männer (81 %), auch waren sie älter (im Mittel 65,7 Jahre). Gegenüber Placebo zeigte sich eine geringe bis mäßige Erhöhung des Riskos aller UE (Hazard ratio, HR 1,17; 95% KI 1,10-1,25), gastrointestinaler UE (HR 1,91), pulmonaler UE (HR 1,52), von Infekten und hämatologischen UE (je HR 1,15), Hautkrebs (HR 2,05), nicht aber anderer Tumorentitäten und renale UE waren sogar seltener (HR 0,85). Nun noch zu einigen spezifischen UEs: Es kam nicht zu einem klaren Anstieg von Pneumonien (HR 1,28), eine MTX-Pneumonitis trat bei 6 Patienten unter MTX (2-27 Monate nach der Randomisierung) vs. 1 Fall unter Placebo auf (HR 6,94; p=0,044). Erhöht war unter MTX das Risiko für Leukopenie (HR 1,46) und Anämie (HR 1,36), nicht aber für Thrombozytopenie. Zu einer Zirrhose kam es bei 5 Patienten (alle Diabetiker) unter MTX und keinem unter Placebo, 3 von 5 hatten wiederholt abnorme Laborwerte in Leberfunktionstests.
Als „Beifang“ zeigt die CIRT-Studie somit ein allgemein versus Placebo nur mäßig erhöhtes Therapierisiko unter MTX, wobei das RA-untypische Patientenkollektiv zu berücksichtigen ist. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Kaum Verbesserungen bei subjektiven Parametern
Britische Rheumatologen um Sam Norton, London, untersuchten in der klinischen Praxis die Fortschritte von klinischen und Patienten-Reported Outcomes (PROs) bei Patienten mit früher rheumatoider Arthritis (RA) anhand der Early Rheumatoid Arthritis Study (ERAS) und dem Early Rheumatoid Arthritis Network (ERAN). Während die Klinik ein positives Bild zeichnet, hat sich bei den PROs letztlich nur relativ wenig getan.
Analysiert wurden insgesamt 2.701 Patienten aus ERAS (1986 bis 2001; n=1.465) und ERAN (2002-2011; n=1.236) mit einer zwischen den Jahren 1986 und 2011 gestellten RA-Diagnose (im Mittel 56 Jahre, 67 % Frauen). Untersucht wurde mittels Regressionsanalyse (adjustiert auf Alter, Geschlecht, Seropositivität, BMI, Komorbiditäten, Glukokortikoid- und DMARDGebrauch) die 5-Jahres-Progression von RA-Patienten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten (1990, 2002 und 2010) damit diagnostiziert wurden. Erfasst wurden als klinische Marker u. a. der DAS28 und die Blutsenkung (ESR) und im Hinblick auf PROs z. B. der HAQ-DI, Schmerzen (VAS), die globale Einschätzung der Patienten (PtGA) und der SF-36. Statistisch signifikante Verbesserungen der später diagnostizierten Patienten im DAS28 und der ESR über einen Zeitraum von fünf Jahren seit der RA-Diagnose waren unverkennbar. So erreichten 59 % der Patienten mit RA-Diagnose in 2010 eine niedrige Krankheitsaktivität im Vergleich zu 48 % mit dieser Diagnose in 2002 und 32 % im Jahr 1990. Auch wenn sich in puncto HAQ-DI statistisch signifikante Verbesserungen im Zeitverlauf zeigten, so waren diese doch gering mit ähnlichen Anteilen von Patienten, die HAQ-Scores von ≤1,0 binnen fünf Jahr en nach der RA-Diagnose in 1990 gegenüber solchen in 2010 erreichten. Keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Zeitperiode der Diagnosestellung zeigten sich bezüglich Schmerz und PtGA (VAS) sowie SF-36 (im MCS).
Nicht überraschend zeigte die Studie im Einklang mit Befunden aus der Kerndokumentation bei Patienten mit früher RA deutliche Verbesserungen in Bezug auf die Krankheitsaktivität und Entzündungsmarker, die die Fortschritte bei Diagnostik und Therapie widerspiegeln. Jedoch bildet sich dies bei den PROs weder im Hinblick auf die körperliche noch mentale Gesundheit oder Schmerzen ab – es besteht hier also noch erheblicher Handlungsbedarf. m
Quelle: Rheumatology 2020; doi: 10.1093/rheumatology/kez635
Zielgerichtete Therapien: Vorteile beim Knochenerhalt
Den Einfluss von über drei Jahre hinweg applizierten zielgerichteten Therapien in Form von biologischen DMARDs oder JAKInhibitoren (bDMARDs bzw. tsDMARDs) im Vergleich zu konventionellen DMARDs (csDMARDs) auf die Knochenmineraldichte (BMD) bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) untersuchten in einer Propensity Score-gematchten Analyse taiwanesische Rheumatologen um Tien-Tsai Cheng, Kaohsiung.
Zwischen 2014 und 2019 wurden RAPatienten rekrutiert und klinische Charakteristika, BMD und osteoporotische Frakturen beim Einschluss dokumentiert. Die Studienteilnehmer wurden gemäß den britischen NICE-Guidelines über einen 3-Jahres-Zeitraum hinweg behandelt. Der BMD wurde bis Studienende wiederholt erfasst und die Patienten mittels Propensity Score (PS) im Verhältnis 1:2 auf eine Therapie mit bDMARDs (zumeist TNF a- Inhibitoren) bzw. tsDMARDs (überwiegend Tofacitinib) oder ausschließlich mit csDMARDs (meistens Methotrexat) gematcht. Den 3-jährigen Studienzeitraum komplettierten 388 RA-Patienten (im Mittel 57 Jahre, Krankheitsdauer 14 Jahre, 80 % Frauen), 98 davon hatten gemäß PS eine zielgerichtete Therapie (Gruppe 1) und 184 ausschließlich csDMARDs (Gruppe 2) erhalten. Die Patienten in Gruppe 1 hatten zu Beginn (3,7 vs. 3,3; p<0,001) und nach drei Jahren einen höheren DAS28 (3,3 vs. 3.1; p=0,046) sowie HAQ-DI (6,1 vs. 4,0, p=0,006). Je 85 % nahmen orale Glukokortikoide ein (im Mittel 4,7 mg/ Tag), 30 % erhielten eine spezifische antiosteoporotische Therapie mit z. B. Bisphosphonaten oder Denosumab.
Nach drei Jahren blieb in Gruppe 1 die BMD an Schenkelhals, Hüfte und den Lendenwirbeln L1-4 stabil (p=0,09; 0,15; 0,87), während in Gruppe 2 eine signifikante Abnahme an diesen Lokalisationen zu verzeichnen war (p=0,045; <0,001; 0,004). Am stärksten profitierte in puncto Knochenerhalt jene Subgruppe von Patienten mit einer kombinierten b/tsDMARD- und Anti-Osteoporose-Therapie.
Es erhärten sich somit frühere Befunde, wonach mit der langfristigen Gabe von bDMARDs (und hier auch JAK-Inhibitoren) gegenüber csDMARDs eine bessere Osteoporose-Prophylaxe zu bewerkstelligen ist. m