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ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN
Patienten mit autoimmunen/entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, was die EULAR 2010 (mit einem Update in 2015/16) zur Entwicklung von Empfehlungen zum kardiovaskulären (CV-)Risikomanagement bei rheumatoider Arthritis (RA), ankylosierender Spondylitis und Psoriasis-Arthritis veranlasste. Nachdem ein erhöhtes CV-Risiko auch bei allen anderen ERE wie Gicht, Vaskulitiden, systemischer Sklerose (SSc), Myositis, Mischkollagenosen (MCTD), Sjögren-Syndrom (SS), systemischer Lupus erythematodes (SLE) und Antiphospholipidsyndrom (APS) gut dokumentiert ist, entwickelte eine EULAR Task Force um Maria G. Tektonidou, Athen (Griechenland), nun auch entsprechende Empfehlungen für ERE jenseits der entzündlichen Arthritiden.
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Die insgesamt 28-köpfige, multidisziplinäre EULAR Task Force (neben Rheumatogen waren unter anderem auch Kardiologen sowie Stoffwechselexperten vertreten) entwickelte ihre evidenzbasierten Empfehlungen zu Prädiktion und Management des CV-Risikos bei Gicht, Vaskulitis, Myositis, MCTD, SS, SLE und APS wie gehabt gemäß den EULAR SOPs auf der Basis eines systematischen Literaturreviews und Expertenmeinung mit Abstimmung und Konsensusbildung in mehreren Task ForceMeetings. Das Ergebnis waren schließlich vier übergreifende Grundsätze („overarching principles“) sowie elf respektive acht spezifische Empfehlungen zu den genannten ERE bzw. SLE/ APS, die sich (1) mit den Scores zur CV-Risikoprädiktion, (2) der Beeinflussung traditioneller CV-Risikofaktoren und dann (3)ERE-spezifischer CV-Risikofaktoren befassen. Nicht wenige Empfehlungen basieren dabei auf Expertenmeinung, da es an qualitativ hochwertiger Evidenz mangelte.
Die Leitsätze zielen auf die Awareness für das erhöhte CV-Risiko von ERE-Patienten ab, darauf (dies dürfte wieder für Diskussionen sorgen) dass primär Rheumatologen für die CV-Risikoerfassung und das Management (im Verbund mit Hausärzten, Internisten und Kardiologen etc.) verantwortlich sind und auf die Erfordernis eines regelmäßigen Screenings bzw. Kontrolle aller Patienten (Rauchstopp, Management von Hypertonie, Diabetes, Lipiden) innerhalb von 6 Monaten nach der Diagnose und danach je nach individuellem Risiko. Last but not least wird auf die Patientenschulung bzw. -beratung (CV-Risiko, Adhärenz, Lebensstil, Essen und körperliche Aktivität) abgezielt.
Für Patienten mit Gicht, Vaskulitis, SSc, Myositis, MCTD und SS wird eine sorgfältige Bestimmung traditioneller CV-Risikofaktoren empfohlen, wozu (in Anbetracht fehlender Evidenz bzw. Validierung spezifischer rheumatologischer Scores) die einschlägigen Tools zur Risikoprädiktion genutzt werden können. Bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) könnte der Framingham-Score das CV-Risiko nur unzureichend abbilden, weshalb ergänzend das EUVAS-Modell ins Kalkül gezogen werden sollte. Für alle Patienten mit diesen Indikationen sollte das Blutdruck-Management den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung folgen. Bei Gicht-Patienten sollten Diuretika, und bei SSc-Patienten Betablocker vermieden werden. Analog sollte auch das Lipidmanagement jeweils den Empfehlungen für Allgemeinbevölkerung entsprechen. Der generelle Einsatz von Plättchenhemmern zur Primärprävention wird nicht empfohlen, die Behandlung damit sollte den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung folgen. Bei Gicht-Patienten wird ein Serum-Harnsäurespiegel <0,36 mmol/l (6 mg/dl) empfohlen, um potenziell das Risiko für CV-Ereignisse und -Mortalität zu reduzieren. Aus kardiovaskulärer Sicht gibt es keine Präferenz für eine bestimmte harnsäuresenkende Therapie. Bei Patienten mit AAV wird festgestellt, dass Remissionsinduktion und -erhaltung zugleich das CV-Risiko senken. Bei Patienten mit Riesenzellarteriitis kann ein optimiertes Glukokortikoid (GK)Regime, das das Rezidivrisiko und GK-Nebenwirkungen gut ausbalanciert, auch das CV-Risiko senken.
Spezifische Empfehlungen für SLE und APS
Bei Patienten mit SLE und/oder APS wird eine sorgfältige Bestimmung traditioneller und spezifischer CV-Risikofaktoren empfohlen, wonach deren Modifizierung ausgerichtet werden sollte. Bei SLE-Patienten sind niedrigere Blutdruckspiegel mit niedrigeren Raten an CV-Ereignissen assoziiert, daher sollte
ein Zielblutdruck <130/80 mmHg erwogen werden. Bei allen Patienten mit Lupusnephritis und zugleich einer Eiweißausscheidung im Urin (UPCR) >500 mg/g oder arterieller Hypertonie werden ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten empfohlen. Bei Patienten mit APS sind beim Blutdruck-Management die Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung anzuwenden, bei solchen mit SLE und/oder APS gilt selbiges in Bezug auf das Lipidmanagement. Patienten mit SLE können Kandidaten für präventive Strategien wie in der Allgemeinbevölkerung sein, inklusive niedrig-dosiertem ASS, basierend auf dem individuellen CV-Risikoprofil. Bei asymptomatischen aPL-Trägern (d. h. keinerlei vaskulären/geburtshilflichen APS-Klassifikationskriterien erfüllend) mit Hochrisiko-aPL-Profil mit/ohne traditionellen CV-Risikofaktoren wird eine Prophylaxe mit niedrig-dosiertem ASS (75-100 mg/Tag) empfohlen. Bei SLE-Patienten ohne Vorgeschichte einer Thrombose oder Schwangerschaftskomplikationen wird im Falle eines Hochrisiko-aPL-Profils ebenfalls eine Prophylaxe mit niedrig-dosiertem ASS empfohlen, bei einem Niedrigrisiko-aPL-Profil kann eine solche erwogen werden.
Bei Patienten mit SLE sollte eine niedrige Krankheitsaktivität auch zur Reduktion des CV-Risikos erhalten werden. Dabei wird die niedrigste mögliche GK-Dosis zur Minimierung potenzieller CV-Schädigungen empfohlen. Zum Zweck der Reduktion von CV-Ereignissen kann keine spezifische immunsuppressive (IS)-Therapie empfohlen werden. Eine Therapie mit Hydroxychloroquin (HCQ), die ohnehin bei allen SLE-Patienten außer solchen mit einer Kontraindikation empfohlen wird, sollte zusätzlich auch zur Reduktion des Risikos für CV-Ereignisse erwogen werden.
Take-home-Messages
Die EULAR-Empfehlungen bieten einen guten Überblick zum Vorgehen bei ERE-Patienten mit Gicht, Vaskulitiden und Kollagenosen – vieles davon setzen deutsche Rheumatologen ohnehin in der täglichen Praxis um. Da es an validierten rheumatologischen Risikoscores mangelt, werden die üblichen generischen Scores empfohlen. Wichtige praktische Punkte sind der Verzicht auf Diuretika bei Gicht und auf Betablocker bei SSc, sowie das Erwägen eines Blutdruckziels <130/80 mmHg bei SLE. Das Lipidmanagement orientiert sich an den allgemeinen Empfehlungen, der Einsatz von Plättchenhemmern bei Großgefäßvaskulitiden, SLE und APS an den entsprechenden früheren EULAR-Empfehlungen. Ein Serum-Harnsäurespiegel <6 mg/dl wird bei Gicht, eine gute Krankheitskontrolle und minimierte GK-Dosen werden bei SLE und Vaskulitis empfohlen. HCQ wird bei SLE auch zur Reduktion des CV-Risikos empfohlen, während kein spezifisches Immunsuppressivum bei SLE und kein Harnsäuresenker bei Gicht mit einem niedrigeren CVRisiko assoziiert ist. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221733
IMMUNVERMITTELTE RHEUMATISCHE ERKRANKUNGEN Risiko für frühe koronare Herzerkrankungen im Fokus
Dass bei Patienten mit immunmediierten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (iERE) ein erhöhtes Risiko für die verfrühte Entwicklung von koronarer Herzkrankheit (KHK) besteht, bestätigten erneut taiwanesische Experten um Meng-Yu Wenig, Tainan, anhand einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie. Gefährdet sind demnach vor allem Patienten mit systemischer Sklerose (SSc), systemischem Lupus erythematodes (SLE), primärem Sjögren-Syndrom (PSS) und systemischer Vaskulitis (SV).
Unter Verwendung der Daten von Taiwans Nationalem Krankenversicherungsprogramm wurden zwischen 2007 und 2016 58.862 Patienten ≥18 Jahre mit iERE-Diagnose identifiziert und mit 1 Million Kontrollen ohne iERE gematcht. Eingeschlossen waren 26.820 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), 17.530 mit PSS, 10.014 mit SLE, 1.488 mit idiopathischer entzündlicher Myositis (IIM), 1.373 mit SSc, 1.161 mit Behçet-Syndrom (BS) und 476 mit SV. Während des mittleren Follow-up von 5,3 Jahren betrug die KHK-Hospitalisierungsrate 3,6 vs. 2,0 % bei den iERE-Patienten bzw. Kontrollen, was nach Adjustierung auf traditionelle Risikofaktoren und eingesetzte Medikamente einem um den Faktor 1,30 erhöhten Risiko entsprach. Am höchsten war dieses Risiko mit 6,1 % bei Patienten mit SSc, gefolgt von jenen mit SV (4,6 %), RA (4,3 %), IIM (4,0 %), PSS (3,0 %), SLE (2,8 %) und BS (1,6 %). Nach Adjustierung ergeben sich daraus signifikant erhöhte Hazard ratio‘s (HRs) für SSc (1,96), SLE (1,78), IIM (1,63), PSS (1,25) und RA (1,21).
Das Gesamtrisiko für eine vorzeitige KHK-Hospitalisierung (definiert als eintretend vor dem 45. bzw. 50. Lebensjahr bei Männern und Frauen) war bei iEREPatienten gegenüber den Kontrollen signifikant um das 1,7-Fache erhöht (1,3 vs. 0,5 %). Signifikant erhöhte HRs fanden sich bei Patienten mit SSc (3,18), SLE (2,85), SV (2,27) und PSS (1,43), bei solchen mit RA, IIM und BS war das Risiko nur im Trend höher. Im Ergebnis zeigt sich somit ein altersabhängiges Muster des KHK-Risikos, speziell bei jüngeren iERE-Patienten – gefährdet sind vor allem solche mit SSc und SLE – ist auf eine adäquate Prävention solcher Ereignisse zu achten, um eine langfristig schlechte Prognose zu verhüten. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS
Alleinige Autoimmunität erhöht noch nicht das kardiovaskuläre Risiko
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ist primär aufgrund der systemischen Entzündung eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität zu verzeichnen. Besonders hoch ist das Risiko für kardiovaskuläre (CV) Ereignisse bei Patienten mit RA-spezifischer Autoimmunität (vor allem RF- und ACPA-Positivität). Die dadurch aufgeworfene Frage, ob diese Autoimmunität selbst auch mit CV-Ereignissen assoziiert ist, versuchten französische Experten um Hélène Gouze, Paris, zu beantworten.
In der GAZEL-Kohorte wurden neue CV-Ereignisse (Myokardinfarkt, Schlaganfall, CV-Tod) bei 20.625 Teilnehmern erfasst. Selbstberichtete RA-Fälle in der Kohorte wurden durch Telefoninterviews auf Basis eines spezifischen Fragebogens validiert. Bei 1.618 Teilnehmern mit verfügbaren Plasma-Daten wurden RF und ACPA bestimmt. Eine exponentielle Poisson-Regression wurde zur Analyse der Assoziation von CV-Ereignissen mit der RA respektive einer RA-spezifischen Autoimmunität (ohne RA) angewendet.
Die CV-Ereignisse in der Kohorte waren mit einem höheren Alter, männlichen Geschlecht, Rauchen, Hypertonie, Hyperlipidämie und Typ-2-Diabetes assoziiert (Hazard ratios, HRs von 1,06 bis 1,87; p<0,05). Insgesamt wurden 42 bestätigte RA-Fälle identifiziert. Eine RA war signifikant mit einem Anstieg des CV-Risikos assoziiert (HR 3,03; 95% KI 1,13–8,11; p=0,03) – und zwar unabhängig vom Vorliegen von traditionellen CV-Risikofaktoren.
Bei 178 Teilnehmern fand sich eine RF- oder ACPA-Positivität ohne manifeste RA. Fast erwartungsgemäß waren bei fehlender RA CV-Ereignisse nicht signifikant mit ACPA-Positivität (HR 1,52, 95% KI 0,47-4,84; p=0,48) oder RF-Positivität (HR 1,15, 95% KI 0,55-2,40; p=0,70) assoziiert.
Auch wenn angesichts geringer Fallzahlen in Bezug auf RA-Patienten die Aussagekraft eingeschränkt ist, scheint die Autoimmunität doch eher indirekt über die chronische Entzündung das CVRisiko bei RA-Patienten zu erhöhen, für sich alleine (ohne RA) gab es nur einen schwachen Trend für ein etwas erhöhtes Risiko. m
Quelle: Arthritis Res Ther 2022; 24(1): 56
US-amerikanische Experten um Karen H. Costenbader, Boston, publizierten kürzlich die Ergebnisse einer Substudie der großen VITAL-Studie, deren Ziel es ursprünglich war, einen Nutzen von Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren in der Primärprävention von Krebs und kardiovaskulären Ereignissen nachzuweisen – was misslang. Jetzt zeigte sich in einer älteren Population ein positiver Effekt primär von Vitamin D auf das Risiko von Autiommunerkrankungen (AID), völlig überzeugend sind die Daten aber nicht.
In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 2x2faktoriellem Design mit 25.871 Teilnehmern erhielten 12.786 Männer ≥50 Jahre und 13.085 Frauen ≥55 Jahre Vitamin D (2.000 IU/Tag) oder Placebo und Omega-3-Fettsäuren (1.000 mg/Tag) oder Placebo. Die Teilnehmer (im Mittel 67,1 Jahre, Serum-Vitamin D-Spiegel 30 µg/l, 34 % mit AID in Familienanamnese) berichteten zunächst selbst von Baseline bis zum Ende des Follow-up nach median 5,3 Jahren über auftretende AID, diese wurden nachfolgend durch Reviews der Krankenakten verifiziert. Mit Cox-proportionalen Hazard-Modellen wurden die Effekte beider Interventionen auf den primären Endpunkt, die Entwicklung von rheumatoider Arthritis (RA), Polymyalgia rheumatica (PMR), Hashimoto-Thyreoiditis, Psoriasis und anderen AID getestet.
Nach 5 Jahren wurde bei 278 Teilnehmern (1,1 %) eine AID bestätigt, das Risiko hierfür war im Vitamin D-Arm signifikant geringer (123 vs. 155; Hazard ratio, HR 0,78, 95% KI 0,61-0,99; p=0,045). Im Trend verringerten auch Omega-3-Fettsäuren das AID-Risiko (130 vs. 148; HR 0,85; 95% KI 0,67-1,08; p=0,19). Beide Supplemente zusammen reduzierten das AID-Risiko signifikant (HR 0,69; 95% KI 0,49-0,96; p=0,03). Jedoch war keine eindeutige Prävention bestimmter AID nachweisbar. Auch sind die Effekte in diesem älteren Kollektiv (mit relativ wenigen AID-Neuerkrankungen) gering. Obwohl positive Effekte beider Supplemente mechanistisch nachvollziehbar wären, bleibt die Studienlage unübersichtlich und sind uneingeschränkt positive Empfehlungen zu Vitamin D (und erst recht Omega3-Fettsäuren) weiterhin schwierig. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Faktoren für prioritäre Überweisung an Rheumatologen
Muskuloskelettale Beschwerden finden sich in der Primärversorgung zwar häufig, in die Diagnose einer entzündlichen Arthritis (IA) innerhalb von 12 Monaten münden sie aber eher selten. Britische Rheumatologen um Paul Emery, Leeds, untersuchten jetzt in einer großen, 10-Jahres-Beobachtungsstudie bei Patienten mit neu aufgetretenen muskuloskelettalen (MSK) Beschwerden die Assoziation zwischen Patientenfaktoren und dem Risiko für eine Progression zu einer IA.
Von 312 Arztpraxen der britischen Primärversorgung wurden zwischen 2007 und 2019 Patienten ≥16Jahre mit neuen unspezifischen MSK-Symptomen und ohne klinische Synovitis in die Studie eingeschlossen. Seropositive Patienten (Anti-CCP+) wurden zum Studienzentrum in Leeds zum Follow-up eingeladen, seronegative Patienten (Anti-CCP-) erhielten einen 1-Jahres-Fragebogen und Hausärzte wurden kontaktiert, um zu bestätigen, ob Teilnehmer durch einen Rheumatologen mit einer IA diagnostiziert wurden. Prädiktoren für eine Progression wurden mittels multivariabler Regressionsanalysen bestimmt.
Von den 6.780 Teilnehmern waren 2,8 % Anti-CCP+, bei letzteren kam es in 45 % der Fälle zu einer Progression zur IA (bei 84 % davon in weniger als 12 Monaten; im Mittel nach 45 Wochen), überwiegend zu einer rheumatoiden Arthritis (RA). Die Progressionsrate war mit 62 vs. 13 % höher bei hohen (65 %) als niedrigen Antikörperspiegeln (35 %). Adjustiert auf u. a. Alter, Geschlecht, RA in Familienanamnese und Rauchen hatten Anti-CCP+-Teilnehmer mit hohen Antikörperspiegeln Odds ratios (OR) für die Progression zur IA von 9,42 (p<0,001), für Handschmerzen von 2,74 (p=0,043) und Fußschmerzen von 4,10 (p=0,003). Bei ACPA+-Teilnehmern mit niedrigem Titer war das Fehlen von Hand- oder Fußschmerzen mit einem negativ prädiktiven Wert (NPV) von 96 % für die Progression zur IA verbunden. 1-JahresFollow-up-Daten lagen für 5.640 seronegative Teilnehmer vor, von denen 53 mit IA diagnostiziert wurden (0,93 %). Schmerzen in den Händen (OR 2,51; p=0,018) oder Knien (OR 3,03; p=0,003) waren mit der Entwicklung zur IA binnen 12 Monaten assoziiert.
Eine hochtitriger ACPA-Spiegel plus Gelenkbeteiligung birgt ein erhöhtes Risiko für die Progression zur IA bzw. RA. Bei niedrigem ACPA-Spiegel und fehlender Gelenkbeteiligung ist dies unwahrscheinlich. Bei ACPA-negativen Patienten mit Gelenkbeteiligung besteht hingegen ein erhöhtes Risiko. Mit wenigen Routinetests und anhand der Gelenksymptome können Hausärzte somit einfach Patienten für die Überweisung zum Rheumatologen priorisieren. m
Quelle: Arthritis Res Ther 2022; 24(1): 26
Undifferenzierte Arthritis: Wann macht ein MRT Sinn?
Die frühzeitige Identifizierung von Patienten mit undifferenzierter Arthritis (UA), die eine rheumatoide Arthritis (RA) entwickeln werden, bleibt ein klinisches Dilemma. Obwohl ein MRT in den EULAR-Empfehlungen als hilfreich erachtet wird, gilt dies nur für UA-Patienten, die nicht die RA-Kriterien aus 1987 (aber womöglich jene aus 2010) erfüllen. Niederländische Rheumatologen um Nikolet K. den Hollander, Leiden, untersuchten daher in einer prospektiven Studie den prädiktiven Wert des MRT für die Progression zur RA in einer UA-Population, die weder die 1987er- noch 2010er-Kriterien erfüllten.
Zwei UA-Populationen aus der Leiden Früharthritis-Kohorte, bei denen zu Baseline konsekutiv Kontrastmittel-verstärkte MRT-Scans der Hände und Füße durchgeführt wurde, wurden einbezogen, eine Kriterien-basierte (n=405) und eine auf Expertenmeinung basierende mit Indikationsstellung der UA durch Rheumatologen (n=564). Es erfolgte ein Scoring der MRT-Scans für Osteitis, Synovitis und Tenosynovitis. Die Patienten wurden für 12 Monate bezüglich der Entwicklung einer RA nachbeobachtet und MRT-Subgruppen auf Basis der Gelenkbeteiligung und dem AutoantikörperStatus erfasst.
Von den Kriterien-basierten UA-Patienten entwickelten 21 % eine RA. Eine Synovitis und Tenosynovitis im MRT war hierfür prädiktiv. Ferner war die im MRT bestimmte Tenosynovitis unabhängig mit der RA-Progression assoziiert (Odds ratio, OR 2,79), dies insbesondere bei ACPA-negativen UA-Patienten (OR 2,91). Das vorherige Risiko für die Entwicklung zur RA betrug für UA-Patienten mit einer Mono-, Oligo- und Polyarthritis 3, 19 und 46 %, die MRT-Resultate veränderten dieses Risiko am stärksten in der Oligoarthritis-Subgruppe: Der positiv prädiktive Wert (PPV) betrug 27 %, der negativ prädiktive Wert (NPV) 93 %. In der zweiten UA-Population fanden sich vergleichbare Ergebnisse. Folglich macht das MRT am meisten Sinn bei ACPA-negativen UA-Patienten mit Oligoarthritis, da ein negatives MRT eine Übertherapie verhindern könnte. m
UNDIFFERENZIERTE ARTHRITIS
Steigendes Risiko für eine Übertherapie mit DMARDs?
Viele Rheumatologen plädieren für die rasche Einleitung einer DMARD-Therapie bei früher Arthritis, bedarfsweise auch wenn die Klassifikationskriterien noch nicht erfüllt werden. Infolgedessen werden vermehrt Patienten mit undifferenzierter Arthritis (UA) mit DMARDs behandelt. Da es sich bei UA um eine Ausschlussdiagnose handelt, führten die Klassifikationskriterien aus 2010 wohl zu einer Abnahme der UA-Population, da frühere UA-Patienten danach als rheumatoide Arthritis (RA) klassifiziert wurden. Dementsprechend veränderte sich die heutige UA-Definition zu: keine klinische Diagnose, nicht die RA-Kriterien aus 1987 und 2010 erfüllend. Da aber placebokontrollierte DMARD-Studien in diesem Kollektiv fehlen, untersuchten niederländische Rheumatologen um Marloes Verstappen, Leiden, ob intensivere Therapiestrategien in den letzten 25 Jahren zu einer Verbesserung des Outcomes von Patienten mit heutiger UA-Definition führten.
In der retrospektiven Analyse der bekannten Leiden Früharthritis-Kohorte war UA definiert als klinische Arthritis (Gelenkschwellung bei körperlicher Untersuchung), die weder die RA-Klassifikationskriterien aus 1987 oder 2010 noch jede andere klinische Diagnose erfüllten. Insgesamt 1.132 konsekutiv im Zeitraum von 1993 bis 2019 eingeschlossene UAPatienten wurden in 5 Zeitperioden unterteilt: 1993-1997, 1998-2005, 2006-2010, 2011-2014 und 2015-2019. Zwischen diesen Gruppen erfolgte ein Vergleich bezüglich des Beginns einer DMARD-Therapie sowie von Outcome-Parametern wie dem DAS28-CRP und HAQ-DI im Verlauf des Follow-up, die Prävalenz eines DMARD-freien Status innerhalb von 10 Jahren (DFS; spontane oder anhaltende Remission nach DMARD-Stopp) und Progression zur RA (nach den 1987/2010-Kriterien).
Die UA-Population war überwiegend Autoantikörper-negativ, wies einen medianen SJC von 2, TIC von 3 sowie einen HAQ-Score von 0,6 auf. Dieses Erkrankungsprofil war stabil über die betrachteten 5 Zeitperioden. Die Anzahl der mit DMARDs behandelten Patienten stieg von 17 % (1993–1997) auf 52 % (2015–2019) an, vor allem Methotrexat wurde häufiger eingesetzt. Im zeitlichen Verlauf kam es zu einer Verbesserung des DAS28-CRP ab 2011 (-0,18 bis -0,25; p<0,05), während beim HAQ-DI keine signifikante Verbesserung eintrat. Die DFSPrävalenz war ebenfalls vergleichbar (58, 57 und 61 % für 1993-1997, 1998-2005 und 2006–2010; p=0,77). Zugleich kam es auch zu keiner Abnahme einer Progression zu einer manifesten RA (14, 21, 26, 18 bzw. 27 %). Im Ergebnis kam es durch den zunehmenden Einsatz von DMARDs zwar zu einer leichten Verbesserung der Krankheitsaktivität, die sich aber nicht positiv auf die körperliche Funktion oder das Langzeit-Outcome auswirkte. Daraus lässt sich eine mögliche Übertherapie bei nicht wenigen dieser UA-Patienten ableiten. An dieser Stelle bedarf es dringlich der Entwicklung besserer Strategien zur Risikostratifizierung bei UA. (1)
Keine erhöhte Mortalität von UA-Patienten
Eine weitere Veröffentlichung der niederländischen Gruppe beschäftigte sich mit der langfristigen Mortalität von UA- im Vergleich zu RA-Patienten. Seit Längerem ist bekannt, dass RA (sowohl bei ACPA-Positivität als auch -Negativität) vermutlich als Folge der systemischen Entzündung nach 10 Jahren mit einer Exzess-Mortalität gegenüber der Allgemeinbevölkerung verbunden ist. In der Analyse wurden 860 „konventionelle“ UA-Patienten und 561 UA-Patienten, die nicht die 1987/2010-Kriterien erfüllten (wiederum aus der Leiden FrüharthritisKohorte) über ein mittleres Follow-up von 17 Jahren (≥10 Jahre) verglichen. Im Gegensatz zu einer über den Zeitverlauf steigenden Mortalität bei RA war in keiner der beiden UA-Kohorten ein Anstieg der Sterblichkeit zu verzeichnen (standardisierte Mortalitätsrate, SMR 1,11; 95% KI 0,96-1,27 bzw. 1,05; 95% KI 0,87-1,26), was auch nicht durch die Einnahme von DMARDs oder eine Stratifizierung nach dem ACPA-Status beeinflusst wurde. (2) Auch diese Analyse verdeutlicht die Schwierigkeiten mit der „UA-Diagnose“ und den sich daraus ableitenden Interventionen. m
Quellen:
1 Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keab880 2 Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2022-222145
RHEUMATOIDE ARTHRITIS JAK-Hemmer versus Biologika in klinischer Praxis
Aus Phase-III-Studien lassen sich bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) für einige Januskinase (JAK)-Inhibitoren nach Versagen auf Methotrexat kleinere Vorteile gegenüber Anti-TNF-Therapien ableiten – für die tägliche Praxis ist dies aber nicht zwingend bedeutsam. Andrei Barbulescu, Stockholm (Schweden), und seine Kollegen der ARTIS-Studiengruppe verglichen nun die Effektivität von Baricitinib und Tofacitinib im Vergleich zu biologischen DMARDs in einem großen Real-world-Patientenregister.
Aus mehreren schwedischen Registern wurden die Daten von RA-Patienten verknüpft, die zwischen Januar 2017 und November 2019 auf Baricitinib (n=1.420), Tofacitinib (n=316), Abatacept (n=1.050), Interleukin-6-Rezeptorinhibitoren (IL6i; n=849), Rituximab (n=1.101) oder TNFαInhibitoren (TNFi; n=6.036) eingestellt und für mindestens 12 Monate beobachtet wurden. Verglichen wurden die Patientenanteile, die ein gutes EULARDAS28-Ansprechen, eine Verbesserung im HAQ-DI >0,2 Einheiten und eine CDAI-Remission nach 12 Monaten erreichten, wobei Therapieunterbrechungen bzw. -abbrüche als Nicht-Ansprechen gewertet wurden. Zusätzlich wurden die Retentionsraten und Veränderungen im DAS28, HAQ-DI und CDAI von Baseline bis 3 Monate nach Therapiebeginn erfasst.
Meistens wurden Baricitinib und insbesondere Tofacitinib eher als spätere Therapielinien und im Vergleich zu Rituximab und TNFi häufiger als Monotherapien eingesetzt. Adjustiert waren die Anteile des 1-Jahres-Ansprechens unter den TNFi konsistent niedriger im Vergleich zu Baricitinib mit Unterschieden von -4,3 Prozentpunkten (95% KI -8,7 bis –0,1) für ein gutes EULAR-Ansprechen, -9,9 Prozentpunkten (95% KI -14,4 bis -5,4) für die Verbesserung im HAQ-DI und -6,0 Prozentpunkten (95% KI -9,8 bis -2,2) für eine CDAI-Remission. Auch beim Vergleich mit Nicht-TNFi bDMARDs zeigten sich leichte Vorteile für Baricitinib – dies aber nicht konsistent. Das Therapieansprechen auf Tofacitinib war marginal geringer als jenes auf Baricitinib und insgesamt vergleichbar mit jenem auf bDMARDs (mit aufgrund teilweise nur geringer Fallzahlen aber limitierter statistischer Aussagekraft). Ähnlich fielen die Ergebnisse im Hinblick auf die Retentionsraten und das Ansprechen bis Monat 3 aus.
Die beiden JAK-Inhibitoren sind somit im Real-world-Setting mindestens so gut wirksam wie bDMARDs, wirklich belastbare Aussagen lassen sich auf Basis solcher Registerdaten nicht treffen. m
Quelle: Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac068
Vorteile für JAK-Inhibitoren bei therapierefraktärer RA?
Patienten mit schwer behandelbarer RA, die bereits auf mehrere bDMARDs und/oder tsDMARDs versagt haben, stellen Rheumatologen weiter vor mitunter erhebliche Herausforderungen. Im Rahmen des FIRST-Registers untersuchten japanische Experten um Yoshiya Tanaka, Kitakyushu, anhand retrospektiver Daten, welche Substanzklassen bei schwer oder sehr schwer behandelbarer RA den größten Nutzen versprechen.
Analysiert wurden Daten von 2.128 Patienten, die zwischen 2013 und 2020 in das FIRST-Register eingeschlossen und neu mit entweder einem TNFα-Inhibitor (TNFi), Interleukin (IL)-6-Rezeptorinhibitor, Abatacept oder JAK-Inhibitor (JAKi) behandelt wurden (Rituximab ist in Japan nicht für RA zugelassen). Jene Teilnehmer, die auf ≥2 bzw. ≥3 b/tsDMARDs versagt hatten, wurden als Fälle mit schwer (DT2 RA, n=353) respektive sehr schwer behandelbarer RA (vDT2 RA, n=106 von 353) kategorisiert und Veränderungen im Clinical Disease Activity Index (CDAI) und HAQ-DI unter den Gruppen mittels einer Propensity-basierten Inverse Probability Treatment Weighting (IPTW)-Schätzung verglichen.
Im Ergebnis fand sich für JAKi (neben Tofacitinib, Baricitinib und Upadacitinib wurde auch Peficitinib eingesetzt) an Tag 14 und 90 eine signifikante Verbesserung im CDAI bei Patienten mit D2T RA and vD2T RA im Vergleich zu IPTW-adjustierten Patienten, die mit den anderen Substanzklassen behandelt wurden, nach 12 Monaten war der Unterschied nur noch gering. Auch der Anteil von Patienten mit schlechtem Therapieansprechen war unter den JAKi gegenüber den anderen Subgruppen geringer. Die Überlegenheit von JAKi war am deutlichsten bei Patienten ohne Komedikation mit Methotrexat und Glukokortikoiden. Das Risiko für schwere unerwünschte Ereignisse war in allen Therapiearmen vergleichbar. Dem Fazit der Autoren, die JAKi als womöglich zu präferierende Substanzklasse in diesen beiden Kollektiven ansehen, muss man sich nicht zwingend anschließen, da hierfür die Fallzahlen (im Vergleich viele JAKi-Patienten) doch zu gering erscheinen und trotz viel „Rechenarbeit“ doch Unsicherheit bezüglich der tatsächlichen Vergleichbarkeit bleibt. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Gemeinsam festgelegter Therapieabbau erfolgreich
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA), die eine anhaltende Remission erreichen, wird unter Voraussetzung einer gemeinsamen Entscheidung von Patient und Arzt in Leitlinien eine Therapiereduktion unter engmaschiger Kontrolle empfohlen. Japanische Rheumatologen um Yoshiya Tanaka, Kitakyushu, verglichen nun in der FREE-J-Studie nach erreichter Remission unter Methotrexat (MTX) und bDMARDs die Effekte von 5 gemeinsam festgelegten Deeskalationsstrategien auf den Remissionserhalt
In der 1. Studienphase wurden 1.436 RAPatienten, die unter MTX und bDMARDs anhaltend einen DAS28(ESR) <2,6 aufwiesen, basierend auf einer gemeinsamen Patienten-/Arztentscheidung in 5 Gruppen aufgeteilt: Fortsetzung, Dosisreduktion von MTX oder bDMARD und Beendigung von MTX oder bDMARD. Nach 12 Monaten konnten jene Patienten, die einen DAS28(ESR) <3,2 (niedrige Krankheitsaktivität) erreichten, die jeweilige Deeskalationsstrategie in der 2. Studienphase weitere 12 Monate fortsetzen. Primärer und sekundärer Endpunkt war der Anteil von Patienten mit einem DAS28(ESR) <2,6 nach 12 bzw. 24 Monaten. In Studienphase 1 fiel zu 81,4 % die Wahl auf eine Therapiedeeskalation, in 48,4 % der Fälle entschied man sich für eine Reduktion der MTX-Dosis. Am Ende der 1.Studienphase blieben ähnliche Anteile von Patienten in einer DAS28(ESR)Remission <2,6 (Fortsetzung 85,2 %; MTX-Dosis-Reduktion 79,0 %; MTXBeendigung 80,0 %; bDMARD-DosisReduktion 73,9 %), wobei Patienten bei Beendigung der bDMARD-Therapie aber signifikant schlechter abschnitten als jene mit fortgesetzter Therapie. Am Ende der 2. Studienphase konnten ähnliche Anteile von Patienten der MTX-Gruppen (Fortsetzung oder Deeskalation) ihren DAS28(ESR) <2,6 halten, während die Rate in der Gruppe mit bDMARD-Beendigung signifikant geringer war (immerhin die Hälfte von letzteren lief aber noch befriedigend). Im Hinblick auf unerwünschte Ereignisse (UE) fanden sich solche im Vergleich zur Fortsetzung der Therapie während Studienphase 1 und 2 numerisch seltener in den MTX- und bDMARD-Deeskalations-Gruppen.
Mit einer Fortsetzung, Dosisreduktion oder Absetzen von MTX und Dosisreduktion des bDMARDs gelang also vergleichbar oft eine gute Krankheitskontrolle nach 12 Monaten – ein vollständiges Absetzen des bDMARDs ist (wie aus anderen Studien bekannt) nicht sinnvoll. In Jahr 2 hatte eine subsequente MTX-Deeskalation keine Effekte auf die Krankheitsaktivität, führte aber zu weniger UE. m
Quelle: Rheumatology 2022; doi: 10.1093/rheumatology/keac075
Neue Daten zur Sicherheit von Methotrexat
Obwohl Methotrexat (MTX) nunmehr seit Dekaden die First-line-Therapie bei früher RA darstellt, sind die Prävalenzraten für unerwünschte Ereignisse (UE) im ersten Behandlungsjahr sowie Prädiktoren hierfür relativ wenig untersucht. Britische Rheumatologen um Suzanne M.M. Verstappen, Manchester, studierten diese nun anhand von Daten der UK Rheumatoid Arthritis Medication Study (RAMS), einer prospektiven Kohorte von RA-Patienten mit MTX als Erstmedikation.
In die Analyse eingeschlossen wurden 1.069 erwachsene RA-Patienten (65 % Frauen) mit einer Symptomdauer ≤2 Jahre, denen erstmals MTX verordnet wurde (zu Beginn fast alle oral, etwa 25 % wechselten später auf die s.c.Formulierung). Auftretende UE wurden bei Gesprächen mit den Patienten bei den 6- und 12-Monats-Follow-up-Visiten dokumentiert. Die Prävalenz von UE wurde erfasst für die Zeiträume 0-6, 6-12 und 0-12 Monate. Die Assoziationen zwischen Baseline-Charakteristika und UEs wurden mittels multivariabler logistischer Regression ermittelt. Nach 6 bzw. 12 Monaten nahmen 89,5 bzw. 84,4 % der Patienten weiter MTX ein (13,9 bzw. 22,8 % nahmen zu diesen Zeitpunkten andere DMARDs inklusive Biologika ein, 27,5 und 18,4 % orale Glukokortikoide). 77,5 % der Patienten mit früher RA berichteten ≥1 UE, am häufigsten handelte es sich dabei um gastrointestinale (42,0 %), neurologische (28,6 %), mukokutane (26,0 %), pulmonale (20,9 %), hepatische (18,0 %) und hämatologische UEs (5,6 %).
Faktoren für ein erhöhtes UE-Risiko waren weibliches Geschlecht (gastrointestinal, mukokutan, neurologisch) und Alkoholkonsum (Brechreiz, Alopezie, mukokutane Beschwerden). Ein höheres Alter, eine höhere eGFR und Alkoholkonsum waren seltener mit hämatologischen UE assoziiert. Obwohl UEs im ersten Behandlungsjahr mit MTX sehr häufig berichtet wurden, waren diese in der Regel nicht schwerwiegend.
Eine genauere Lektüre der lesenswerten Studie lohnt sich, um Patienten über eine gute Aufklärung die mitunter vorhandene Angst vor MTX zu nehmen und die Therapieadhärenz zu verbessern. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS STAR-RA: Kardiovaskuläre Sicherheit von Tofacitinib
Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse der ORAL Surveillance-Studie werfen unter anderem Fragen zur kardiovaskulären Sicherheit des Januskinase (JAK)-Inhibitors Tofacitinib bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) auf. Die Sicherheitsbedenken in dieser Hinsicht adressierte jetzt die von Rishi J. Desai, Boston (USA), und Kollegen publizierte STAR-RA-Studie, die zumindest für eine leichte Beruhigung sorgen könnte.
Im Rahmen der zuvor auf der virtuellen ACR-Tagung 2021 präsentierten STARRA-Studie wurden zwei Kohorten von RA-Patienten gebildet, die neu eine Therapie mit Tofacitinib oder einem TNFαInhibitor (TNFi) begannen, verwendet wurden hierzu anonymisierte Daten aus drei großen Datenbanken (Optum Clinformatics 2012–2020, IBM MarketScan 2012–2018 und Medicare Teile A, B und D 2012–2017). Die erste, eine Real-world evidence (RWE)-Kohorte, bestand aus Patienten der Routineversorgung, die zweite, eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT)-Duplikat-Kohorte verwendete hingegen die Ein- und Ausschlusskriterien von ORAL Surveillance, um die Ergebnisse aus STAR-RA gegen deren Daten zu kalibrieren. Cox-proportionale Hazard-Modelle mit Propensity ScoreGewichtung wurden zur Schätzung der Hazard ratios (HRs) für den kombinierten Endpunkt Myokardinfarkt und Schlaganfall eingesetzt, wobei insgesamt 76 potenzielle Confounder berücksichtigt wurden.
Die RWE-Kohorte umfasste 102.263 RAPatienten, von denen 12.852 (12,6 %) neu eine Therapie mit Tofacitinib aufnahmen. Die gepoolte gewichtete HR für den Vergleich von Tofacitinib mit TNFi betrug 1,01 (95% KI 0,83-1,23) in der RWE-Kohorte und 1,24 (95% KI 0,90-1,69) in der RCT-Duplikat-Kohorte, deren Ergebnisse somit recht gut jenen aus der ORAL Surveillance-Studie (HR 1,33; 95%KI 0,91-1,94) entsprachen. Die Autoren fanden somit keine Evidenz für ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse unter dem JAK-Inhibitor bei RA-Patienten im Real-world-Setting, jedoch war Tofacitinib erneut bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren mit einem – wenn auch nicht signifikant – erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert.
Zwei Punkte sind hier sicher ins Kalkül zu ziehen: Trotz der enormen „Rechenarbeit“ bleiben bei solchen Untersuchungen gewisse Unsicherheiten bestehen und auch könnte es sein, dass TNFi mit ihrer gut bekannten kardiovaskulären Risikoreduktion bei RA-Patienten das Ergebnis zuungunsten von Tofacitinib verzerren. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221915
JAK-Inhibitoren bei auftretendem Herpes Zoster fortführen?
Bei RA-Patienten ist eine Impfung gegen Herpes Zoster ratsam, nachdem vor allem unter Januskinase-Inhibitoren (JAKi) mit einem erhöhten Herpes Zoster-Risiko zu rechnen ist. Südkoreanische Rheumatologen um Seokchan Hong, Seoul, befassten sich jetzt mit der Sicherheit von JAKi nach einer Herpes Zoster-Reaktivierung.
Zwischen 2015 und 2021 wurden in einem rheumatologischen Zentrum alle Daten zu RA-Patienten auf JAKi retrospektiv ausgewertet mit einem Fokus auf jene, die darunter einen Herpes Zoster (HZ) entwickelten und die Therapie fortsetzten. Von 416 Teilnehmern, die JAKi erhielten, kam es bei 33 (7,9 %) zu einer HZ-Reaktivierung (Tofacitinib, n=22; Baricitinib, n=11). Die Patienten waren im Mittel 60 Jahre alt, 14 (42,4 %) erhielten Glukokortikoide (mediane Dosis 3,75 mg/Tag). 24 (72,7 %) der Patienten wurde der JAKi während der HZ-Episode fortgeführt, bei 5 (15,2 %) wurde er in dieser Zeit abgesetzt und nach deren Abklingen wieder gegeben. Bei 3 Patienten (9,1 %) kam es zu akuten Komplikationen wie Enzephalitis mit Zoster ophthalmicus. Bei 4 Patienten (12,1 %), einschließlich der 3 mit Komplikationen, wurde der JAKi dauerhaft abgesetzt.
Von den 29 Patienten mit einem medianen Follow-up von 12 Monaten nach der initialen HZ-Episode kam es in nur einem Fall zu einer erneuten HZ-Reaktivierung (3,4 %). Dieser Patient blieb für weitere 18 Monate auf dem JAKi, ohne dass es zu einer neuerlichen Episode kam.
Folglich wurden JAKi während oder nach der HZ-Episode weiter- oder erneut gegeben, ohne dass es in der Mehrzahl der Fälle zu signifikanten Komplikationen oder einer erneuten HZ-Reaktivierung kam. Überwiegend scheint die JAKi-Therapie während oder nach einem HZ gut toleriert zu werden und sicher zu sein. m
RHEUMATOIDE ARTHRITIS Geringeres Parkinson-Risiko durch DMARDs vermittelt?
Epidemiologische Studien lassen darauf schließen, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) ein geringeres Risiko für einen Morbus Parkinson aufweisen. Die Vermutung, dass die bei RA eingesetzten DMARDs hierbei eine Rolle spielen, hat sich in einer großen Analyse finnischer Experten um Anne Paakinaho, Kuopio, nicht bestätigt – mit einer Ausnahme.
Auf Basis der FINPARK-Kohorte wurde eine nationale, genestete Fall-KontrollStudie durchgeführt, die 22.189 Patienten mit klinisch bestätigter ParkinsonErkrankung und Diagnosestellung im Zeitraum von 1996-2015 einschloss. In der Studie wurden Parkinson-Fälle analysiert, bei denen ≥3 Jahre zuvor eine RA diagnostiziert wurde (identifiziert im Finnish Care Register for Health Care und Special Reimbursement-Register). Jeder Fall wurde gematcht mit bis zu 7 Kontrollpersonen nach Alter, Geschlcht, Dauer der RA und Region). DMARDs wurden in 5 Klassen kategorisiert und die Einlösung von Verordnungen in einem speziellen Register ab 1995 nachverfolgt. Mittels logistischer Regression, adjustiert für Confounder, wurden die Assoziationen zwischen den jeweiligen DMARDs und dem Parkinson-Risiko erfasst.
Insgesamt wurden 315 Parkinson-Fälle 1.571 gematchten Kontrollen gegenübergestellt. Über 60 % der Patienten waren Frauen, die mediane Dauer der RA betrug 11,6 Jahre für die Kontrollen und 12,6 Jahre für die Fälle. Der Einsatz von DMARDs war bei einer 3-jährigen Lag-Phase zwischen Exposition und Outcome bei RAPatienten nicht mit dem Risiko für Morbus Parkinson assoziiert. Eine Ausnahme bildeten dabei Antimalariamittel (Chloroquin/Hydroxychloroquin), die nach Adjustierung mit einem geringeren Risiko verbunden waren (adj. Odds ratio 0,74; 95% KI 0,56-0,97). Noch größer war die Differenz mit 31 % bei Anlegen jedweder Lag-Phase >3 Jahre. Für die übrigen DMARDs einschließlich Sulfasalazin, Methotrexat und anderen Immunsuppressiva bestand keine Assoziation mit dem Parkinson-Risiko. Einschränkend ist anzumerken, dass Biologika in der Auswertung noch unterrepräsentiert waren, und Januskinase (JAK)-Inhibitoren völlig außen vor blieben. Diese müssten in künftige Analysen einbezogen werden, auch sind die Gründe für die spezifische Assoziation mit Chloroquin/Hydroxychloroquin noch unklar. m
Quelle: Neurology 2022; 98(12): e1273-e1281
PF-ILD: Update zu Nintedanib aus INBUILD-Studie
Progredient fibrosierende interstitielle Lungenerkrankungen (PF-ILD) sind mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. In der Phase-III INBUILD-Studie hatte der Tyrosinkinase-Inhibitor Nintedanib seine antifibrotische Effektivität mit Reduktion der Abnahme der Lungenfunktion bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen (AIRD)-assoziierter PF-ILD einschließlich RA bewiesen. Zu diesem Kollektiv publizierten nun Eric L. Matteson, Rochester (USA), und Kollegen eine neue Subgruppenanalyse.
In die INBUILD-Studie wurden 663 Patienten mit PF-ILD (mit >10 % Fibrose in HRCT, einer Vitalkapazität [FVC] ≥45% und Diffusionskapazität [DLCO] ≥30 % bis <80 %), die nicht mit einer idiopathischen Lungenfibrose assoziiert war und die die vorab definierten Kriterien für eine ILD-Progression in den 24 Monaten vor dem Screening erfüllten, eingeschlossen und zusätzlich zu Standardtherapien im Verhältnis 1:1 auf Nintedanib oder Placebo randomisiert.
Im Fokus waren der primäre Endpunkt, die Abnahme der FVC (ml/Jahr), und unerwünschte Ereignisse (UE) über 52 Wochen bei der 170 Studienteilnehmer umfassenden Subgruppe mit einer AIRD-assoziierten PF-ILD. Bereits eine 2020 veröffentlichte Subgruppenanalyse hatte gezeigt, dass die AIRD-Patienten in ähnlichem Maße von Nintedanib wie die Gesamtkohorte profitiert hatten (was auch zu einer entsprechenden Zulassung führte).
Bei den Patienten mit AIRD-assoziierter PF-ILD verringerte sich signifikant die FVC-Abnahme nach 52 Wochen unter Nintedanib im Vergleich zu Placebo (-75,9 vs. -178,6 ml/Jahr; Δ 102,7 ml/Jahr; nominal p=0,012). Es war keine Heterogenität der Effektivität von Nintedanib im Hinblick auf die zugrundeliegenden ILD-Diagnosen festzustellen (p=0,91), so betrug die FVC-Differenz in Woche 52 bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA, n=89) und SSc (n=39) 117,9 bzw. 120,7 ml/Jahr. Durch die geringe Zahl von Patienten mit Mischkollagenosen ist die Aussagekraft bei diesen sehr limitiert. Wichtig ist in diesem Kontext vor allem die gute, mit jener bei SSc-ILD vergleichbare Wirksamkeit von Nintedanib bei RA-ILD. Häufigstes UE unter Nintedanib war Diarrhö (63,4 vs. 27,3 %), die aber meistens beherrschbar war und nur selten in einen permanenten Abbruch der Therapie mündete (17,1 vs. 10,2 %). m