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RIESENZELLARTERIITIS
Positive Phase-II-Studie zu Mavrilimumab
Bei der Riesenzellarteriitis (RZA) werden zur Sterodeinsparung Tocilizumab oder Methotrexat (MTX) empfohlen. Auch an Interleukin (IL)-12/23 oder IL-17 ansetzende Antikörper sowie Januskinase (JAK)-1-Inhibitoren könnten künftig eine Option sein. Erstmals auf dem ACR-Kongress 2020 vorgestellt, sei hier auf eine kürzlich von Maria C. Cid, Barcelona (Spanien) und Sebastian H. Unizony, Boston (USA), sowie Kollegen online publizierte randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-II-Studie zu dem Anti-Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF)-Rezeptor α-Antikörper Mavrilimumab eingegangen, die durchaus vielversprechende Ergebnisse lieferte.
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In die Pathogenese der RZA sind T-Helfer (Th)1 und Th17-Lymphozyten involviert. Sowohl Glukokortikoide (GK) als auch der IL-6-Rzeptorinhibitor Tocilizumab zielen vorrangig auf Th17Achse ab, während eine substanzielle residuale Th1-Aktivität bestehen bleibt. Bereits präklinische Studien hatten gezeigt, dass GM-CSF, ein Upstream-Mediator von sowohl Th1- als auch Th17-Zellen, bei RZA ein pathogener Faktor ist. Dies war der Ausgangspunkt für diese internationale Phase-II-Studie zur Effektivität und Sicherheit von Mavrilimumab in der Remissionserhaltung.
Signifikante Vorteile in der Remissionserhaltung
In der Studie wurden 70 Patienten mit einer seit 6 Wochen vor dem Studieneinschluss aktiven (RZA-Symptome und ESR ≥30 mm/h oder CRP-Erhöhung ≥1 mg/dl) de-novo oder rezidivierenden RZA (je 35 Teilnehmer; bestätigt entweder durch Temporalarterienbiopsie oder vaskuläre Bildgebung; 71 % Frauen, im Mittel 70 Jahre) im Verhältnis 3:2 (n=42 vs. n=28) auf s.c. Mavrilimumab 150 mg oder Placebo alle 2 Wochen zusätzlich zu einem Protokoll-gemäßen 26-wöchigen Prednison-Tapering (ausgehend von 20-60 mg/Tag) randomisiert. Zu Baseline musste verpflichtend eine GK-induzierte Krankheitsremission (Resolution der RZA-Symptomatik und CRP <1 mg/dl oder ESR <20 mm/h) erreicht sein. Primärer Wirksamkeits-Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Schub zu Woche 26 in allen Patienten (modifizierte ITT-Population). Ein Schub, bestätigt durch ein unabhängiges Komitee, war definiert als ESR ≥30 mm/h und/ oder CRP ≥1 mg/dl und neuerliche RZA-Symptome oder eine neue bzw. sich verschlechternde Vaskulitis in der Bildgebung. Ein präspezifizierter sekundärer Endpunkt war eine anhaltende Remission bis Woche 26 gemäß Kaplan-Meier-Schätzung.
Zu einem Krankheitsschub bis Woche 26 kam es unter Mavrilimumab und Placebo bei 19,0 bzw. 46,4 % der Patienten (Δ27,4 %). Die mediane Zeit bis zu einem Schub bis Woche 26 konnte für Mavrilimumab aufgrund zu weniger Ereignisse nicht berechnet werden und betrug 25,1 Wochen im Placeboarm (Hazard ratio, HR 0,38, 95% KI 0,15-0,92; p=0,0263) (Abb.). Eine bis Woche 26 anhaltende Remission erreichten unter Mavrilimumab und Placebo 83,2 gegenüber 49,9 % der Studienteilnehmer (Δ33,4 %; p=0,0038). Die Ergebnisse waren konsistent in den beiden Subgruppen (HR für Schub bei de-novo-Patienten 0,29, 95% KI 0,06-1,31; nominal p=0,0873; HR für Schub bei rezidivierenden/refraktären Patienten 0,43, 95% KI 0,14-1,30; nominal p=0,1231).
Unerwünschte Ereignisse (UE), meistens mild bis mäßig ausgeprägt, waren vergleichbar in beiden Studienarmen (78,6 vs. 89,3 %). Es kam bei 4,8 vs. 10,7 % der Patienten zu schweren UE, die aber nicht der Therapie zugerechnet wurden. Es gab keine Todesfälle, auch kam es zu keinem Visusverlust. Unter dem monoklonalen Anti-GM-CSF-Antikörper (der auch bei rheumatoider Arthritis und zuletzt COVID-19 geprüft wurde) wurden keine neuen Sicherheitssignale berichtet.
Im Ergebnis zeigte sich Mavrilimumab in der Remissionerhaltung somit im Vergleich zu Placebo signifikant überlegen mit einer bis Woche 26 nur geringen Schubrate – eine längere Nachbeobachtung zur Quantifizierung des steroidsparenden Effekts wäre sinnvoll. Aufgrund der guten Verträglichkeit wäre eine Weiterentwicklung von Mavrilimumab bei RZA wünschenswert gewesen, Ende Februar zog der Hersteller jedoch seine Pläne für eine Phase-III-Studie zurück. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022: doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221865
Wahrscheinlichkeit für anhaltende Remission (%) 100
80
60
40
20 Mavrilimumab Placebo
Hazard ratio 0,38; p=0,0263
0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Zeit seit Randomisierung (Wochen)
RIESENZELLARTERIITIS Erfolgreiche Pilotstudie zu JAK-1/2-Inhibitor Baricitinib
Bei der Riesenzellarteriitis (RZA) geht die Suche nach potenten Medikamenten zur Reduktion des Steroidbedarfs weiter. Im Falle der Januskinase (JAK)-Inhibition liegt eine gute Wirksamkeit bei RZA nahe, eine große Phase-III-Studie (SELECT-GCA) zu dem JAK-1-Inhibitor Upadacitinb läuft derzeit. Derweil wurde jetzt von Matthew Koster, Rochester (USA), und Kollegen eine prospektive Open-label-Pilotstudie zu dem JAK-1/2-Hemmer Baricitinib publiziert.
In die monozentrische Studie zu Baricitinib (4 mg/Tag) wurden 15 Patienten mit rezidivierender RZA eingeschlossen (73 % Frauen, mittleres Alter 72 Jahre, mediane Krankheitsdauer 9 Monate, median ein Rezidiv; zu 100 % Glukokortikoid [GK]-vorbehandelt, 13 % mit Methotrexat und 7 % mit Cyclophosphamid). Bei 27, 40 und 33 % der Patienten betrug die Prednison-Dosis zu Baseline 30, 20 bzw. 10 mg/Tag.. 14 Patienten schlossen die 52-wöchige Studie mit Baricitinib ab, die ein beschleunigtes Ausschleichen von Prednison beinhaltete. Primärer Endpunkt war die Rate aller und schwerer unerwünschter Ereignisse (UE) bis Woche 52, sekundäre Endpunkte waren Rezidive bis Woche 24 bzw. 52 sowie der Verlauf der ESR- und CRP-Werte und der GK-Dosis ab Baseline.
Bei 93 % der Patienten kam es zu ≥1 UE, meistens Infektionen (bei 86 %). Zwei Patienten hatten eine milde COVID19-Infektion. Nur in einem Fall trat ein schweres UE auf (transiente Thrombozytopenie; nicht Baricitinib-bedingt). ESR und CRP nahmen signifikant bis Woche 24 und 52 ab. Nur bei einem von 14 Patienten (7 %) kam es zu einem Rezidiv, bei den übrigen 13 gelang ein vollständiges Absetzen des GK und sie blieben bis 52 Woche in Remission. Nach Beendigung der Studie und Absetzen von Baricitinib kam es in einer 12-wöchigen Follow-up-Periode bei 4 Patienten (29 %) zu einem Rezidiv. Trotz der geringen Fallzahlen sind die Ergebnisse positiv zu werten: Bei gutem Sicherheitsprofil gelang bei Patienten mit refraktärer RA mit Baricitinib 4 mg/Tag fast durchweg ein Absetzen des GK verbunden mit einer anhaltenden Remission. Eine größere randomisierte, kontrollierte Studie wäre wünschenswert. m
Quelle: Ann Rheum Dis 2022; doi: 10.1136/annrheumdis-2021-221961
ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN Remissionsinduktion bei schwerer renaler Beteiligung
Bei Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV) und zugleich schwerer Glomerulonephritis wird die Frage nach der optimalen Remissionsinduktion weiterhin debattiert. Experten der French Vasculitis Study Group (FSVG) um Alexis Régent, Paris, verglichen nun in einer retrospektiven, multizentrischen Studie bei schwerer AAV-assoziierter Glomerulonephritis die Effektivität einer Induktionstherapie mit Glukokortikoiden (GK) und Rituximab oder Cyclophosphamid (CYC) sowie den potenziellen Nutzen eines zusätzlichen Plasmaaustauschs bei der CYC-Therapie.
Zwischen den Jahren 2005 und 2017 wurden in die Studie 153 AAV-Patienten (davon 60 % Männer, im Mittel 63 Jahre alt) mit schwerer aktiver renaler Erkrankung (Serum-Kreatinin ≥350µmol/l und/oder eGFR ≤15ml/min/1,73 m2) eingeschlossen. Von diesen erhielten 12 % Rituximab und 88 % CYC; 57 % der letzteren hatten zudem einen Plasmaaustausch. Mittels einer Propensity Score-Analyse wurde auf potenzielle Confounder adjustiert.
Im Ergebnis zeigten sich bei den mit Rituximab und CYC behandelten Teilnehmern keine relevanten Unterschiede bezüglich der erreichten Remissionsraten. Obwohl unter Rituximab nach 12 Monaten gegenüber CYC mehr Patienten keine Dialyse benötigten (79 vs. 68 %), war der Unterschied nach Adjustierung nicht signifikant. Bei genauerer Analyse der mit CYC behandelten Patienten fand sich kein Unterschied hinsichtlich der Remissionsraten in Monat 3 und 6 mit oder ohne einen begleitenden Plasmaaustausch. Nach einer entsprechenden Gewichtung waren im CYC-Arm jedoch die Raten für ein Dialyse-freies Überleben mit einem zusätzlichen Plasmaaustausch höher als ohne in Monat 6 (72 vs. 64 %; Odds ratio, OR 2,58) und Monat 12 (74 vs. 60 %; OR 2,78) – nach einem Jahr war die Differenz sogar statistisch signifikant. Zusammenfassend waren die Induktionstherapien mit Rituximab und CYC in diesem Kollektiv mit schwerer AAV-assoziierter Glomerulonephritis vergleichbar wirksam. Unter CYC war bezüglich Dialysefreiheit zumindest ein kurzfristiger Vorteil des zusätzlichen Plasmaaustauschs (der nach den Ergebnissen der PEXIVAS-Studie für die meisten AAV-Patienten ohnehin nicht mehr in Frage kommt) erkennbar. m
ANCA-ASSOZIIERTE VASKULITIDEN
Aktuelle Praxisleitlinie zu Plasmaaustausch und Glukokortikoiden
Die Ergebnisse der randomsierten, kontrollierten PEXIVAS-Studie, die zeigte, dass bei Patienten mit ANCA-assoziierter Vaskulitis (AAV) ein Plasmaaustausch zusätzlich zu einer Standardtherapie keinen Vorteil hinsichtlich des Risikos für eine terminale Niereninsuffizienz (ESRD) und Gesamtmortalität bietet, aber ein dosisreduziertes Glukokortikoid (GK)-Schema das Risiko für schwere Infektionen ohne Einbußen in der Wirksamkeit senkt, bewog eine interdisziplinäre und internationale Expertengruppe um Linan Zeng, Chengdu (China), zur Entwicklung einer klinischen Praxisleitlinie.
Jenseits der PEXIVAS-Studie gingen in die Leitlinie (1) auch Daten eines von Michael Walsh, Hamilton (Kanada), und Kollegen veröffentlichten systematischen Reviews mit einer Metaanalyse über 9 randomisierte, kontrollierte Studien (RCTs) mit AAV-Patienten ein. (2)
Auf Basis von 6 RCTs mit 967 Teilnehmern zeigte sich, dass der Plasmaaustausch keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtmortalität ausübte, unabhängig von der Nierenfunktion zu Baseline oder dem (Nicht-)Vorliegen einer alveolären Hämorrhagie. Daten zur ESRD nach 12 Monaten stammen aus 7 RCTs mit 999 Teilnehmern. Bei mäßiger Aussagekraft wurde hier unabhängig von der Nierenfunktion ein um 38 % signifikant geringeres Risiko für ESRD mit dem Plasmaaustausch festgestellt. (2) Die absolute Risikoreduktion betrug nur 0,08 % bei Patienten mit dem niedrigsten, aber 16 % für jene mit dem höchsten ESRD-Risiko. Daraus ergibt sich eine gewisse Diskrepanz zur PEXIVASStudie, in der kein Vorteil des Plasmaaustauschs gegeben war – jedoch war diese auf den Komposit-Endpunkts (mit Gesamtmortalität, nicht ESRD alleine) ausgerichtet worden. Ein neuer Befund aus 4 RCTs mit 908 Teilnehmern war, dass der Plasmaaustausch nach 12 Monaten mit einem um 27 % höheren Risiko für schwere Infektionen verbunden war, was ein Grund für das Verfehlen des primären kombinierten Endpunkts in PEXIVAS sein könnte. Das absolute Risiko stieg um 2,7 bis 13,5 % bei Patienten mit dem niedrigsten bzw. höchsten Risiko für schwere Infektionen. Die Rezidivrate und schwere unerwünschte Ereignisse wurden kaum beeinflusst, das Risiko für ESRD und schwere Infektionen schien über die Zeit rückläufig zu sein. (2)
GK-Dosisreduktion: Weniger schwere Infektionen und Tod
Ebenso berücksichtigt wurde ein zweites systematisches Review von Yingqi Xiao, Chengdu (China), und Kollegen, in dem zwei RCTs (mit 740 bzw. 104 Patienten) mit unterschiedlich hohen GK-Dosierungen im Rahmen der Remissionsinduktionstherapie analysiert wurden. (3) Im Vergleich zu einem GK-Standardregime konnte ein dosisreduziertes GK-Regime das Mortalitätsrisiko um 1,7 bis 2,1 % senken (nach 6 Monaten), ohne zugleich das ESRD-Risiko (-1,5 bis +0,4 %) zu erhöhen. Ein deutlicher Effekt war im Hinblick auf das Risiko schwerer Infektionen erkennbar, die bei reduzierter GK-Dosis nach 12 Monaten um 5,9 bis 12,8 % seltener auftraten. Bezüglich des Erreichens einer Remission oder dem Rezidivrisiko waren keine relevanten Auswirkungen festzustellen. (3)
Auf Grundlage dieser Evidenz wird in der Praxisleitlinie eine schwache Empfehlung gegen einen Plasmaaustausch bei AAV-Patienten (mit oder ohne alveoläre Hämarrhogie) mit einem niedrigen oder niedrigen bis mäßigen ESRD-Risiko ausgesprochen, eine ebenfalls schwache Empfehlung dafür gibt es bei jenen (wieder mit oder ohne alveoläre Hämarrhogie) mit einem mäßigen bis hohen oder hohen ESRD-Risiko oder im Falle einer Dialysepflichtigkeit. Vom Plasmaaustausch zusätzlich zu einer immunsuppressiven Therapie abgeraten wird in einer wiederum schwachen Empfehlung bei AAV-Patienten mit alveoläre Hämarrhogie, aber ohne Nierenbeteiligung. Eine starke Empfehlung gibt es hingegen für ein dosisreduziertes GK-Regime in den ersten 6 Monaten der Therapie. (1)
Interessant ist allerdings die der Leitlinie zugrundeligende Prämisse, dass die Patienten eine Reduktion des ESRDRisikos höher als das Risiko für schwere Infektionen gewichten würden, hier ist realistisch betrachtet von einer ganz erheblichen Varianz auszugehen. m
Quellen:
1 BMJ 2022; 376: e064597 2 BMJ 2022; 376: e064604 3 BMJ Open 2022; 12(2): e050507