5 minute read

IRGENDWAS SPRICHT IMMER GEGEN DAS WEIBLICHKEITSBILD

so ein bisschen witzig finde ich es schon, wie Leute auf mich reagieren, wenn ich mal nichts auf dem Kopf habe. Sie sind irritiert, wissen nicht wo sie mich einzuordnen sollen, finden mich vom Körper her schon attraktiv und trotzdem ist da etwas, was gegen ihr Weiblichkeitsbild spricht. Es ist schon sehr interessant, besonders am Strand habe ich solche Erfahrungen gemacht. Kommst da hin mit Haaren und Bikini, wirst angeguckt, denkst dir „Gefällt denen wohl.“ Dann nimmst du die Haare ab und die Kinnlade ist unten, obwohl sie dich eben gerade noch sehr attraktive fanden, oder immer noch finden, aber irgendwie fehlt dir dann was. Man sieht ihnen das regelrecht an, dass sie nicht damit umgehen können.

Und wie ist es mit Komplimenten? Kannst Du heute damit besser umgehen als früher?

Advertisement

Ja also ein sehr guter Freund hat mich mal gefragt, ob ich ihm das zeigen würde. Die Begründung war, dass er gerne mal mich sehen würde, weil ich ja erst ohne Haare, ich selbst wäre. Das hat er richtig schön gesagt und das hat mir auch viel bedeutet. Wenn ich mich Zuhause im Spiegel angucke, beim vorbei gehen oder so, dann sehe ich mich ja auch anders, als wenn ich mich fertig mache, um rauszugehen.

In welchen Momenten ist Dir die Perücke lästig?

Ich überleg immer zweimal, setz ich jetzt kurz die Haare auf oder verzichte ich auf Eis und Schokolade? Ganz ganz selten geh ich mal nur mit Mütze und Kapuze los, aber meistens hab ich keinen Bock und keinen Nerv mir für eine Tafel Schokolade die Haare aufzusetzen. Nicht weil ich sag, dass das irgendwie anstrengend wäre und ich ewig dafür brauche; das geht in einer Minute die zurecht zu zuppeln; sondern weil ich mich dann darüber ärgere, dass ich mich von anderen Menschen so beeinflussen lasse, dass ich mir jetzt keine Schokolade kaufen kann. Da ärgere ich mich jedes Mal darüber, aber eigentlich auch nur über mich selbst, dass ich das nicht schon allein aus Prinzip mache, einfach ohne raus zu gehen.

Dir Haare aufzusetzen bedeutet also schon, Dich für andere zu ändern?

Das ist aber ja auch der einfache Weg und schon ein bisschen egoistisch, damit ich weniger Probleme damit hab. So vermeide ich doofe Blicke und bin in dem Moment einfach entspannter. Das ist für mich wichtiger. Ja und auch die Annehmlichkeiten, die das Ding so mit sich bringt. Im Winter muss ich sagen, hätte ich vermutlich eh eine Mütze auf, aber im Sommer ist es dann doch sehr unangenehm, aber das Unkomplizierte überwiegt dann doch, um den Widrigkeiten so ein bisschen aus dem Weg gehen.

Du hast die Möglichkeit hättest in die Zukunft zu schauen, würdest Du Dich trauen?

Mmmmhh, sehr schwierig. Ich glaube, meinen eigenen Tod würde ich nicht sehen wollen. Das macht uns glaube ich auch verrückt. Andererseits würde es mich schon interessieren, ob ich in zehn Jahren jetzt Haare habe oder auch nicht. Ich würde mir gerne ein Kopftattoo machen lassen, allerdings nicht, wenn die Haare wiederkommen. Weil: 1. Kostet es Geld, 2. Tut es unglaublich weh und 3. Sieht man es dann eh nicht, wenn die Haare wieder da sind. Würde man mir jetzt sagen, sie kommen nie nie wieder, im ganzen Leben nicht, dann würde ich ganz anders damit umgehen und würde es vielleicht doch machen. Jetzt hab ich aber ja immer noch ein bisschen die Hoffnung, dass sie vielleicht wieder kommen, nach einer Schwangerschaft oder was auch immer den Körper verändert. Das würde ich schon gerne wissen, wie es diesbezüglich aussieht, aber alles andere nicht. Den Rest vom Leben bekomme ich schon hin, also da habe ich überhaupt keine Angst.

Wo lebst du, in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft?

Ich würde glatt behaupten, dass ich bis vor wenigen Jahren echt hart in der Vergangenheit gelebt und an sehr vielen Dingen festgehalten habe. Es fiel mir schwer los zu lassen, aber seit ich halt Single bin, geht es mir sehr, sehr gut. Gerade jetzt und inbesondere in Hinblick auf Brasilien, denke ich stark darüber nach, was passiert in Zukunft? Wie wird das aussehen, wenn ich zurück komme? Was werde ich machen? Werde ich den Master machen oder wo treibt es mich hin? Im Moment lebe ich aber eher in der Gegenwart. Es macht einen etwas unsicher über die Zukunft nachzudenken, wenn man nicht weiß, was einen erwartet. Es wird irgendetwas kommen, es wird auch alles hinhauen, da bin ich mir ziemlich sicher, aber den Moment sollte man lieber genießen. Deswegen mache ich mein Studium lieber jetzt, weil ich jetzt jung bin und jetzt Zeit habe zu reisen und auch jetzt Zeit habe, Dinge zu behandeln und zu lesen, die mich interessieren. Tatsächlich ist das auch das Ziel meines Studiums gewesen und nicht der Abschluss und meine Zukunft. Wer weiß, ob ich die erlebe und wer weiß, wie gesund ich dann bin. Schön ja, jetzt arbeiten und Geld verdienen, damit man dann eh keine Rente bekommt. Wenn ich 65 bin, muss ich garantiert arbeiten. Es sei denn, ich bin stinkreich, aus welchen Gründen auch immer und was ich eigentlich nicht mal anstrebe.

Nur Mit

Mir Alleine F Hle Ich Mich Nie Einsam

Deswegen will ich jetzt das Jahr in Brasilien genießen. Das Stipendium, das ich bekommen habe, ausnutzen und Erfahrungen mitnehmen. Gerade verweigere ich mich an die Zukunft zu denken.

Das wird sicher ein interessantes Jahr. Wie wohl fühlst Du Dich in Gesellschafts von Fremden? Würde ja nie jemand denken, wenn ich jetzt so antworte, weil ich eigentlich sehr kommunikativ bin und sehr offen auf Menschen zugehe und auch mit fremden Leuten sehr, sehr schnell Bekanntschaften knüpfe und diese auch pflege, aber eigentlich bin ich total der Eigenbrötler. Ich wohne gerne in meiner Ein-Zimmer-Wohnung und nicht in einer WG. Ich bin super gerne, ganz langweilig am Freitagabend alleine Zuhause, fange an um Mitternacht sinnlos Sachen zu sortieren oder zu backen, weil ich meine, ich muss das jetzt unbedingt machen. Wie ich halt Bock habe, ohne dass mir jemand rein redet. Ich will dann aber auch keinen Besuch bei mir haben, telefonieren oder großartig skypen. Ein bisschen Nachrichten schreiben ist okay, aber nur solange ich dann meine Ruhe habe. Ich habe sehr gerne und sehr viel meine Ruhe.

Bei Leuten, mit denen ich auf einer Wellenlänge und unglaublich gerne zusammen bin, bewege ich mich dann am liebsten außerhalb von der durchschnittlichen Gesellschaft. Aber ich finde halt, es kommt natürlich immer auf die Personen drauf an. Die meisten Gruppen sind immer sehr oberflächlich und leben meist unreflektiert vor sich hin. Da fühle ich mich, trotz der Gesellschaft, unglaublich einsam. Mit mir alleine fühle ich mich alleine, aber nicht einsam. Das ist ja schon ein Unterschied. Bei vielen Leuten so ein oberflächliches Herumgeplänkel, da denkst du manchmal „Mensch, die haben es noch nicht gerallt im Leben.“ Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass ich, durch das, was ich erleben musste, schon einen Vorteil ziehen kann, weil ich gewisse Seiten im Leben kennengelernt habe, die andere nicht sehen und deshalb einen anderen Blickwinkel habe und technisch reflektierter über Dinge nachdenke.

Ist es für Dich schwieriger, etwas anzufangen oder doch zu beenden?

Beenden. Obwohl ich auch so ein ´Verdränger´ bin und ein ´Aufschieber´. Etwas anzufangen zwar auch, aber beenden fällt schwieriger. Ich mache nicht umsonst den Führerschein zum zweiten Mal. Hab vor fünf Jahren schon mal angefangen. Erst keine Zeit, dann wieder kein Geld mehr. Ich habe eigentlich auch keinen Bock auf Auto fahren, aber man braucht ihn halt. Ist nur ein Mittel zum Zweck. Nee, auf jeden Fall beenden, glaube ich. Ich fange zu viel an. Sachen zu sortieren oder kriege einen kreativen Ausbruch und dann liegen da Perlen/ Stoffreste, alles Müll was man zum basteln braucht, monatelang bei mir auf dem Boden.

Und wann läufst Du zu Bestform auf? Also ich bin so ein ´Auf-den-Letzter-Drücker-Mensch´. Bis jetzt ist auch immer gut hingehauen, ob Uni und Schultechnisch. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass meine Leistungen nun doch ein bisschen besser wären, wenn ich eher anfangen würde, aber ich kriege es trotzdem nicht hin, auch wenn ich es genau weiß. Zur Höchstform wahrscheinlich unter Stress. Wenn ich Ruhe habe, genieße ich auch die Ruhe und da halse ich

This article is from: