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DAS IST MEIN LEBEN UND ICH GEHE IMMER VOR
from EPICULTURA 02
by s.motyl
mir nichts auf. Wenn ich nichts zu tun habe, dann mache ich den ganzen Tag nichts, dann schaffe ich dementsprechend auch nichts, auch wenn ich Zeit habe. Die Zeit wo ich arbeiten muss, Uni habe, Sport, alles mögliche, schaffe ich tatsächlich mehr, als in den Ruhezeiten. Das heißt aber nicht, dass das andere besser geht.
Worin liegen denn noch Deine Schwächen? Was sind deine Laster?
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Ich nehme immer alles sehr persönlich, aber ich finde, dass das eigentlich keine Schwäche ist. Ich bin so richtig sehr sensibel und nehme mir alles sehr zu Herzen. Mich beschäftigt so etwas dann ewig, ganz kleine unterschwellige Dinge, wo andere sagen: „mhh“, aber ich finde es eigentlich schon fast keine Schwäche, eigentlich ist es positiv. Ich finde es sollten mehr Menschen ein bisschen sensibler sein. Ich bin manchmal auch echt ungeduldig und sehr rechthaberisch, ja sehr. Aber nur wenn ich der festen Überzeugung bin, dass ich auch Recht habe. Dann kann ich auch die Klappe nicht halten, dann sage ich das auch. Ich korrigiere Menschen auch sehr häufig, ganz schlimm, bin n Grammatik-Nazi, was nicht immer gut ankommt. Finde aber gleichzeitig, dass die Leute sich eigentlich freuen sollten, dass ich sie korrigiere, weil dann haben sie auch was zu lernen. Das nimmt bloß nicht jeder Mensch so unbedingt an. Richtig schlimm. Ich kann es nicht leiden, wenn man falsch schreibt oder redet, ich korrigiere dann auch sofort und ich freue mich, wenn jemand auch mich korrigiert.
Welcher Versuchung kann Du nicht widerstehen?
Essen. Lecker, gutes Essen. Dem wahrscheinlich nicht. Ich würde eher dem Essen nachgeben und dann noch eine Runde mehr joggen oder am nächsten Tag noch früher aufstehen, weil ich mich ein Kardio ran hänge, als das Essen wegzulassen. Das ist meine Schwäche. Das ist auch der Punkt, wenn man sich zwingen muss, zum Sport zu gehen. Ich kann nicht leben ohne Sport. Ich bekomme schlechte Laune, wenn ich Pausentage habe. Heute zum Beispiel, weil ja morgen meine Führerscheinprüfung ist drehe ich durch, weil eigentlich unbedingt will. Meine Beine sagen, wir müssen jetzt etwas machen, aber ich kann ja nicht. Ja da bekomme ich richtig schlechte Laune. Ja, Kriege werden vor dem Kühlschrank geführt oder vor dem Supermarktregal. Kaufst du die Schokolade wirklich, dann ist sie Zuhause, dann kannst du sie essen, aber wenn ich sie gar nicht erst kaufe, dann isst du sie nicht.
Also naschen tust Du auch noch ganz gerne?
Ich liebe es, besonders Eis. Wegen meiner Allergie esse ich zur Zeit allerdings nur Fruchteis. Dann gibt’s meist nur Ziegen-Schokoeis, das ist ja auch okay, aber ist nicht so cool. Bei Vegans, dem veganen Supermarkt, gibt es Eis auf Kokosbasis, auch ohne Soja, ohne Lupinen, ´Chocolat-Brownie-Walnut-irgendwas´, also das ist mit Brownie Stücken. Ich habe noch nie so etwas gegessen, meine Geschmacksnerven sind abgedreht. Ich habe mir dann vier von diesen Packungen gekauft und die kostet acht Euro, also das sind 32 Euro für Eis. Die haben auch bestimmt drei Wochen gehalten, weil ich mich total am Riemen gerissen habe. An dem Abend habe ich aber bestimmt 400 Gramm Eis gegessen, so verschiedene Sorten mit Karamell und so und ich konnte es auch mal alles essen, was selten ist. Das war schon geil. Ich habe zu der Zeit echt einen Kilo zugenommen, aber es war mir egal. Jetzt würde ich mir natürlich nur eine Packung holen, ist ja auch eine Preisfrage. Ich bin so froh, dass es so teuer ist. Wäre es günstiger, würde ich viel zu viel davon fressen. Ich habe Leute nie verstanden, was die mit dem Eis haben, aber ich habe es gegessen und es war Facebook-Post würdig, was ich sonst nie mache.
Entscheidest Du Dich eher für das Richtige oder für das Aufregende? Wie risikofreudig bist Du?
Eher für das Aufregende. Kommt immer ein bisschen drauf an, welchen Menschen man dabei verletzen würde. Wenn das Wichtige sind, dann eher das Richtige, aber sonst eher das Aufregende. Ja (...) Hauptsache mir geht es gut, tatsächlich. Wer mir fremd ist, ist mir relativ egal. Ich gehe immer vor. Immer, das ist mein Leben. Das tut mir leid, wenn die dann ein Problem damit haben, da kann ich aber nichts für.
Wie bist Du sonst so? Schnell und lässig oder langsam und sorgfältig?
Schnell und lässig. Ganz entspannt. Ich habe ja das Problem, mich zu lange auf Sachen zu konzentrieren. Das bekomme ich irgendwie nicht hin. Eine so lange Aufmerksamkeitspanne habe ich nicht. Das muss schon was ganz Tolles sein. Deswegen vielleicht auch Kraftsport, kurze, schnelle Sätze, absehbar. Ich weiß genau, das kommt dann, dann, dann... durchziehen, fertig. Ausdauersport, laufen, du läufst, läufst, läufst. Hausarbeiten sind auch so ein Ding, ich habe einmal in meinem ganzen Studium eine geschrieben, eine einzige in vier Semestern. Immer die Seminare genommen, wo man Referate machen musste. Ich bekomme es nicht hin, mich aufzuraffen. Du kannst keine Hausaufgaben in zwei Nächten schreiben. Ein Essay kannst du in einer Nacht fertig schreiben, meine Hausarbeit habe ich original in zwei Tagen geschrieben. Thema „Theoretische, vergleichende Aspekte Mensch-Tier Verhältnis“. Das war ein super Seminar, aber es liegt mir einfach nicht. Deswegen wird mir halt manchmal vorgeworfen, etwas schluderig zu sein. Das stimmt auch, es sei denn, es sind Sachen wo ich wirklich Herz dran hab, da mache ich es schon ordentlich. Kochen zB nicht so gern, aber beim Backen sieht man halt das Ergebnis. Das kann man schön machen und sich darüber freuen. Da bin ich ganz sorgfältig, da bin ich nicht schluderig. Wenn ich Geschenke einpacke, da muss es ganz perfekt sein, aber sonst bin ich schon eher der Chaot. Ich weiß ja genau, wo was ist, aber kein Mensch findest sich zurecht. Ich weiß genau, dass unter meinem Klamottenhaufen halt noch mein Impfpass liegt. Der liegt da. Ich weiß ja, dass er da liegt. Was er da macht? Keine Ahnungm, aber mit meinem Häufchen-System komme ich gut zurecht.
Hast Du noch Freunde aus der Schulzeit?
Eher nicht. Die Eine ganz enge, die kenne ich auch schon aus der Grundschulzeit. Die ist vom Schwimmen, jetzt allerding in Barcelona und studiert da. Also leider weit weg, aber wenn sie hier wäre, würden wir uns sehr oft sehen. Ist sie aber nicht. Die Andere kenne ich auch schon seit meinen Kindheitstagen. Die Nachbarin, hat mit mir zusammen Abi gemacht. Das sind so die beiden Engsten aus der Schule, ja. Die werden auch nie weggehen. Das ist konstant. Meine beste Freundin war ursprünglich auch meine Nachbarin. Wir sehen uns aber sehr selten, obwohl sie in Hamburg wohnt. Einmal in drei Monaten oder so. Witzigerweise Ist es dann immer wie vorher. Das ist nie abgerissen, auch wenn man sich lange nicht gesehen hat.
Witzigerweise verstehe ich mich nach der Schulzeit mit einigen Menschen, die ich auf Partys getroffen habe auf einmal sehr gut. Dann heißt es: „Warum haben wir eigentlich nie vorher was miteinander zu tun gehabt?“, „Ja, weiß es nicht, du hast einfach nie mit mir geredet, keine Ahnung.“. Ich habe mich vielleicht selber ein bisschen abgeschottet, auch wegen der Haargeschichte. Ich wollte das auch nicht so wirklich. Jetzt bin ich vielleicht ein bisschen offener und die sind auf einmal ganz überrascht. Ich bekomme sogar Freundschaftsanfragen von Leuten, da dachte ich mir: „Was?“, hab das fotografiert und einer Freundin geschickt. „Ist nicht dein Ernst!“, schreibt sie.
Gab´s denn auch mal die eine oder andere Entschuldigung?
Jein. So eine raus gekitzelte Entschuldigung. Das war zur Studienreise. Das Mädchen, die das hart gemacht hat, war mit mir in der Grundschule. Die war jedenfalls mit einem Typen zusammen, der mit mir im Sport LK war und der fand die alten Geschichten auch nicht so witzig. Sie so: „Ja, ich dachte, das ist wegen deiner Milchallergie, dass dir die Haare ausfallen“ und ich so „Willst du mich verarschen. Du bist 19 Jahre alt und glaubst, dass jemandem dem die Haare ausfallen, weil er Milch trinkt, er noch weiter Milch trinkt?“. Letztendlich kam raus, dass sie immer ein bisschen eifersüchtig war, weil ich auch noch andere Freunde hatte und sie dachte, ich mag sie nicht mehr. Was überhaupt nicht der Fall war. Sie hat jedenfalls nie nachgefragt, was los ist und andere noch dazu angestachelt, aber dann mochte sie mich auf einmal doch ganz gerne.
Oft Schottet Man Sich Selber Ab
Was berührt dich denn sonst? Hast du irgendwelche (un)begründeten Ängste?
Was ist unbegründet, kann ja immer was passieren. Ich habe unglaubliche Angst, dass Menschen die mir nahe stehen, sterben. Zum Beispiel, wenn ich mir vorstelle, ich höre das Herz von jemanden, würde ich unglaublich Angst bekommen, dass der mir weg stirbt. Ich weiß nicht wieso, aber dieses Herz ist so endlich, das ist irgendein Muskel der mit irgendeinem bescheuerten Stromreflex schlägt, ohne eigenes Hirn. Das schlägt, warum auch immer, kann aber auch einfach aufhören. Das habe ich bei mir selber halt auch. Ich habe mich einmal eingecremt, war in meiner Brust, war so ein bisschen in Eile und es hat relativ schnell geschlagen. Ich habe dann meine Hand darauf gelegt und hab still gehalten und hatte auf einmal Angst ohne Ende. So eine richtig tiefsitzende Angst, dass ich jeden Moment umkippen oder am nächsten Morgen nicht aufwachen könnte. Das gibt es ja. Warum schlägt denn das eigentlich? Wie lange noch und ist das nicht viel zu angestrengt, die ganze Zeit so oft zu schlagen? Das jagt mir echt unheimliche Angst ein, obwohl das eigentlich unbegründet ist, weil ich ja kein Herzproblem oder sowas habe. Ich denke da nicht gerne drüber nach, weil ich dann durchdrehen könnte. Ich hatte echt das Gefühl, ich könnte jeden Moment sterben, nur weil ich mein Herz schlagen gehört habe. Und überhaupt ist das totaler Schwachsinn, aber man fühlt sich so (...) Man hat soviel in seinem Kopf und es ist soviel Bewusstsein da und es ist halt doch nur ein matschiger Körper, der aus komischen Knochen und Muskeln besteht und darin existiert man. Wenn man den nicht mehr hat, dann ist man nicht mehr da. Das ist doch irgendwie schlimm.
Eine begründete Angst hab ich aber auch noch. Ich weiß ja, dass wenn ich nach Brasilien gehe, ich meine Omi nicht mehr wiedersehe. Sie hat Lungenkrebs und ich weiß ganz genau, dass wenn ich wegfahre und wiederkomme, ist sie nicht mehr da. Ich habe mich schon dabei erwischt, ob ich nicht das besser fände, wenn sie vor Abflug stirbt, damit ich das verarbeiten kann, aber das will ich mir auch nicht wünschen, mit der selben Begründung. Sie wird sterben, da bin ich nicht da. Da werde ich nicht zur Trauerfeier gehen können, gar nichts.
Ich hatte es noch nie, dass ich mich bewusst von jemandem verabschieden konnte, was eine super Chance ist, eigentlich für einen zu sagen: „Okay, ich rede noch einmal mit ihr über das, was ich machen möchte.“. Bei ihr bin ich ja inzwischen alt genug. Beim Opi war das ganz plötzlich, da dachten wir er wird wieder ganz gesund und dann ist er doch umgekippt. Und die Eltern von meinem damaligen, langjährigen Freund die sind beide gestorben nach einer Zeit, aber das war auch plötzlich. Jetzt wo dir bewusst wird, du kannst dich verabschieden, weißt du gar nicht, wie du damit umgehen sollst. Ich habe das Gefühl ich sehe sie zu wenig, aber andererseits, wenn ich jeden Tag bei ihr auf der Matte stehe, geht ja auch nicht. (...) Ist also irgendwie komisch. Natürlich werde ich sie jetzt öfter sehen, aber das hätte ich auch gemacht, wenn ich nicht wüsste, dass sie stirbt. Sie will jetzt noch die Hochzeit meiner Schwester miterleben, dann ist sie happy.
Das Telefon klingelt mitten in der Nacht, wer ist dran?
Da ist es eh auf lautlos. (...) Wenn es auf laut ist, wer ist dran? Mitten in der Nacht, meine Eltern und es ist etwas schlimmes passiert. Horror-Vorstellung. Irgendwelche besoffenen Freunde: „Bist du auch feiern?“. „Nein, ich schlafe gerade.“
Wann ist für Dich die beste Stunde des Tages?
Wenn ich morgens beim Sport bin. Richtig geil, sieben Uhr morgens beim Sport bin und los legen kann. Da hast du deine Ruhe. Gestern Abend war ich und ich hätte mich sofort umdrehen können. Aggressionen ohne Ende. Würde mich nicht wundern, wenn ich da mal jemanden umbringe „Von ner Hantel erschlagen“ . Eigentlich generell morgens. Wenn man mal im Bett chillen kann oder wenn man beim Sport ist. (..)
Gibt es ein besonderes Ereignis, dass Dir bis heute in Erinnerung geblieben ist?
Es gibt eine Menge. Ich war gerade vor kurzem bei meiner Freundin in Oldenburg. Sie ist im neunten Monat schwanger und ich hab sie vorher noch nicht gesehen. Sie kommt eigentlich aus Klagenfurt und war da nur die Family besuchen. Ja, kugelrunder Bauch und total unwirklich, dieses Baby das von innen dagegen tritt, da bekomme ich gleich Tränen in den Augen, das war so schön. Ich habe sie eh schon lange nicht mehr gesehen und wenn ich jetzt auf Facebook ihrem Kugelbauch sehe, muss ich anfangen zu heulen. Einfach nur, weil ich das so schön finde und mich so sehr darüber freue. Das war echt, wirklich richtig schön.
Was schätzen wohl Deine Freunde an Dir? Also von meinen Freundinnen, weiß ich ja was sie an mir zu schätzen, sagen sie ja auch. Ich schätze, dass ich ehrlich bin und dass ich halt loyal bin. Solche Charaktereigenschaften eben. Dass ich eben Mitgefühl habe, vielleicht nicht übertrieben viel, aber (...) doch manchmal zu viel, aber ich habe es halt eben. Aber das zeige ich auch nur Menschen, denen man näher steht. Alles andere ist doch oberflächlich. Klar, nicht jeder kann mich total gut kennen.
Wenn Du unsichtbar wärst, wo würdest Du dich so rumtreiben?
Wenn ich unsichtbar wäre (...) Ich will keine Menschen bespitzeln. Ich glaube, ich würde einfach generell so durch die Gegend laufen und Leute beobachten, ohne das sie sich beobachtet fühlen. Menschen sind anders, wenn sie alleine sind. Ich glaube, das findet wohl jeder interessant. Ich glaube, ich würde mich gerne in die Restaurantküche stellen, von meinem Lieblingsrestaurant. Mal gucken, ob ich es dann immer noch so lecker finde.
Wenn Du Dir eine Fähigkeit aussuchen könntest, fliegen zu können oder unter Wasser nicht atmen zu müssen, welche würdest Du wählen?
Ohhh (..) so schwierig. Das habe ich mich schon oft gefragt, ohne Mist. Ich habe als Kind immer geträumt, dass ich fliegen kann, das halte ich fest, aber mit Schwimmbewegungen. Ich bin in der Luft so brustmäßig nach vorne geschwommen. Auch mit Badekappe auf, ohne die ging das nicht. Natürlich mit Schwimmbrille auf. Deshalb habe ich mir ganz oft Gedanken darüber gemacht, ohne Mist, ganz oft. Ich würde mega gerne fliegen können. Das wäre richtig geil, aber unter Wasser atmen, das ist (...) Ja aber das habe ich mir auch oft gewünscht, unter Wasser so leben zu können. Gerade als Kind fand ich das schon unglaublich cool. Kannst abtauchen und hast Deine Ruhe. Das ist wirklich Abgeschiedenheit und Stille, die ich sehr schätze. Wobei fliegen ist ja auch was. Ich kann mich da nicht entscheiden. Muss ich?
Ja!
Dann wähle ich das Leben unter Wasser. Da hast du deine Ruhe vor den ganzen Idioten.
Schöne Begründung. Vielen Dank für den super tollen Tag am Meer... Fluss... Elbe!
Audio Interview Nikola Nr. 05