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bauMAGAZIN-Sicherheit
Dem Rücken zuliebe: Ergonomisches Arbeiten
Einseitige oder sehr starke Belastung stellen ein hohes Risiko für MuskelSkelettProbleme und Rückenbeschwerden dar. Allein im Jahr 2020 registrierte die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) mehr als 900 Fälle, in denen eine Erkrankung dieser Art gemeldet wurde. Auch 2021 wurde mehr als jeder zwölfte Fehltag durch Rückenbeschwerden verursacht. Natürlich lässt sich körperliche Arbeit auf Baustellen nicht vermeiden, trotzdem kann es sich auf lange Sicht bezahlt machen, die Arbeiten ergonomischer zu planen und zu gestalten – nicht zuletzt, weil so positive Auswirkungen auf belastungsbedingte Ausfälle sowie eventuelle Ausführungsfehler der Beschäftigten erreicht werden können. Die bauMAGAZINRedaktion gibt Tipps, wie man das MuskelSkelettSystem auch auf der Baustelle schonen kann.
Jessy von Berg
Tätigkeiten am Bau sind geprägt von schwerer körperlicher Belastung, begründet beispielsweise in improvisierten Arbeitsstellen und ständig wechselnden örtlichen Bedingungen. Belastungsschwerpunkte entstehen aber auch durch Körperzwangshaltungen wie Überkopfarbeit, bei der Arbeit am Boden in gebückter, kniender oder hockender Haltung oder bei Arbeiten mit elektrischen Handwerkzeugen, die unter Umständen schon ein hohes Eigengewicht besitzen. An ihre Belastungsgrenzen stoßen Arbeitnehmer dann vor allem im Bereich des unteren Rückens, an den Knien, Schultern und Handgelenken. Folgen können dann mitunter Krankheiten sein, die infolge dieser Tätigkeiten gemeldet werden.
Risiken kennen und minimieren Im Idealfall sollten ergonomische Lösungen zur Entlastung von Mitarbeitern schon in Betracht gezogen werden, bevor diese beispielsweise durch Verletzungen unabdingbar werden. Laut Betriebssicherheitsverordnung ist vorgeschrieben, ergonomische Grundsätze bereits bei der Planung zu beachten: Dabei gilt insgesamt ein Minimierungsgebot für alle Belastungen und Fehlbeanspruchungen, die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten gefährden können.
Auch in der Gefährdungsbeurteilung sind ergonomische Aspekte relevant: Sie sollte unter anderem die Gebrauchstauglichkeit einschließlich alters- und alterungsgerechter Gestaltung von Arbeitsmitteln sowie die ergonomischen Zusammenhänge des gesamten Arbeitssystems berücksichtigen.
Auf die Belastung achten Besonders bei manueller Lastenhandhabung –wenn Lasten per Hand und mittels Körperkraft bewegt werden – ist gerade bei schweren Lasten eine Ermüdung der beanspruchten Muskulatur die Folge. So kann es ebenfalls zu Beschwerden und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems kommen. Häufig betroffen ist dabei der untere Rückenbereich, da dort die höchsten Belastungen wirken. Daher sollten schwere Lasten am besten immer mit Hilfsmitteln oder zu zweit bewegt werden. Transportarbeiten können beispielsweise durch eine Schubkarre erleichtert werden. Höhenverstellbare Arbeitsstationen schonen ebenfalls den Rücken. Grundsätzlich sollte auch darauf geachtet werden, die Haltungsposition in regelmäßigen Abständen zu verändern.
Solche Maßnahmen dienen nicht nur dem Gesundheitsschutz, es kann auch langfristig die Effektivität der Arbeit erhöht werden. In diesem Sinne kann es sich zur Verminderung von Rückenbelastungen lohnen, frühzeitig in ergonomische Arbeitsmittel zu investieren.
Rückenkolleg als Präventionsmaßnahme Um Methoden zur langfristigen Schonung und Stabilisierung des Rückens zu erlernen, eignen sich präventive Maßnahmen wie Rückenkollegs. So bietet beispielsweise die BG Bau eine an Beschäftigte aus dem Bau- und Handwerksbereich gerichtete, mehrwöchige Rehabilitations- und Trainingstherapie der Individualprävention an, die von medizinischem und physiotherapeutischem Fachpersonal durchgeführt wird. Ziel solcher Kollegs ist es, einerseits die Sensibilität für das Thema zu erhöhen sowie andererseits die Fitness und Beweglichkeit der Teilnehmer zu stärken und das Risiko einer chronischen Erkrankung des Bewegungsapparates zu reduzieren.
Auch am Bau gilt: Kein falscher Stolz Abseits aller möglichen Tipps und Präventionsmaßnahmen hält sich außerdem ein hartnäckiges Problem innerhalb der Branche: Die Bauindustrie ist grundsätzlich als »hartes Pflaster« bekannt. Und so kommt es nicht selten vor, dass kleinere Blessuren oder Schmerzen ignoriert und als unwichtig abgetan werden. Allerdings hat dieser falsche Stolz einen hohen Preis, denn wenn es um die Rückengesundheit geht, verzeiht der Körper keine Fehler. Je länger erste Anzeichen von Überbelastungen oder gar Erkrankungen ignoriert werden, desto schwieriger wird das Gegensteuern: Ist ein Schaden erst einmal vorhanden, lässt sich dieser mitunter nicht mehr korrigieren. Daher gilt: Auf die körpereigenen Warnhinweise hören, Schmerzen ernst nehmen und rechtzeitig reagieren – im besten Fall präventiv und damit noch bevor der Rücken leiden muss. J
Verbreitet
Allein im Jahr 2020 registrierte die BG Bau mehr als 900 Fälle von Muskel-Skelett-Problemen. Auch 2021 ließ sich mehr als jeder zwölfte Fehltag auf Rückenbeschwerden zurückführen.
FAKTEN
Die wichtigsten Tipps > Starke körperliche Belastungen sind charakteristisch für die Baubranche: Häufiges Stehen, stetig wechselnde Arbeitspositionen und das Tragen, Ziehen und Anheben von schweren Lasten sorgen dafür, dass insbesondere der Rücken auf Dauer in Mitleidenschaft gezogen wird. > Wichtig ist, auf ein ergonomischeres Arbeiten zu setzen, um die Folgen der Dauerbelastung abzumildern und belastungsbedingte Ausfälle zu vermeiden. > Schwere Lasten sollten deshalb, wenn immer möglich, mit Hilfsmitteln oder zu zweit bewegt und Transportarbeiten mit der Schubkarre erledigt werden. > Zu den weiteren Ratschlägen zählen höhenverstellbare Arbeitsstationen und das regelmäßige
Verändern der Haltungsposition. Arbeitskollegen sollten aufeinander achten und sich gegenseitig helfen. > Das Angebot der BG Bau für ein präventives Training der Rückenmuskulatur ebenso nutzen wie auf auftretenden Schmerz »hören« und bei Rückenproblemen auf Therapien setzen.