Norddeutsches Handwerk 2/2021

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Betriebsaufgabe: Was gilt steuerlich für das Arbeitszimmer?

Steuerfalle häusliches Arbeitszimmer

Erst erkennt das Finanzamt Abschreibungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht voll an. Bei der Betriebsaufgabe dann aber doch. Ist das richtig? Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – und klagte gegen den Steuerbescheid.

Gehört ein häusliches Arbeitszimmer zum Betriebsvermögen, dann sind die Abschreibungen bei der Ermittlung des Aufgabegewinns im vollen Umfang abzuziehen. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsinhaber die Abschreibungen in den Jahren zuvor nicht voll steuerlich geltend machen konnte. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.

Das Urteil: Volle Abschreibungen auf Arbeitszimmer sind nicht verfassungswidrig

Der Streit: Welche Abschreibungen zählen bei der Betriebsaufgabe?

Ein Selbstständiger hatte sein häusliches Arbeits­ zimmer dem Betriebsvermögen zugeordnet. Weil der Raum nicht den Mittelpunkt seiner berufli­ chen Tätigkeit darstellte, erlaubte das Finanzamt nur den begrenzten Steuerabzug von 1.250 Euro pro Jahr als gewinnmindernde Ausgaben. Dadurch konnte der Selbstständige nur einen geringen Teil der jährlichen Abschreibungen auf das Arbeitszimmer steuerlich geltend machen. Nach rund 14 Jahren gab er die Selbststän­ digkeit auf. Das Betriebsvermögen besteuerte das Finanzamt wie in einem solchen Fall üblich als Aufgabegewinn. Damit galt auch für das Arbeits­ zimmer: Marktwert – Buchwert = Aufgabegewinn. Zum Streit kam es um die korrekte Berech­ nung des Buchwerts: Der Fiskus zog dabei die gesamten Abschreibungen von den Anschaffungs­ kosten ab. Nach Ansicht des Selbstständigen hätte er jedoch nur jenen kleinen Teil der Abschrei­ bungen abziehen dürfen, die er ihm in den Jahren zuvor als abziehbare Aufwendungen zugebilligt hatte. Nach seinen Berechnungen hätte sich demnach beim Arbeitszimmer ein deutlicher Aufgabeverlust ergeben, statt des vom Finanzamt ermittelten fünfstelligen Aufgabegewinns. Der Selbstständige sah darin eine Verletzung seines Grundrechts auf Gleichbehandlung gemäß

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Das Abzugsverbot wird nur bei der Ermittlung des Jahresgewinns angewendet. BFH: Urteil vom 16. Juni 2020, Az. VIII R 15/17

Der BFH entschied zugunsten des Finanzamts. Maßgeblich für die Ermittlung des Buchwerts seien die kompletten Abschreibungen. Dass der Selbstständige in den Jahren zuvor steuerlich von den Abschreibungen nur einen geringen Teil gewinnmindernd absetzen konnte, spiele steuer­ lich keine Rolle und sei auch nicht verfassungs­ widrig. Tatsächlich macht das Finanzamt einen ein­ zigen, vom Gesetzgeber gewollten und sachlich begründeten Unterschied bei der laufenden steu­ erlichen Behandlung häuslicher Arbeitszimmer: Entweder handelt es sich um den Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit – dann sind die Kosten voll absetzbar. Oder es gibt einen Hauptarbeits­ platz im Betrieb – dann sind nur 1.250 Euro im Jahr für das heimische Büro absetzbar. Dazu der BFH: Würde das Finanzamt auch bei der Betriebsaufgabe nur die abzugsfähigen Abschreibungen berücksichtigen, würde es damit dieses Abzugsverbot nachträglich rück­ gängig machen. Denn dann steige der Buchwert, wodurch der Aufgabegewinn sinke. Dann ergebe sich, „anders als vom Gesetz gewollt“, kein Unter­ schied zwischen einem voll und einem beschränkt abziehbaren häuslichen Arbeitszimmer. Hier könne auch nicht von einer Doppelbe­ strafung die Rede sein: Das Abzugsverbot werde nur bei der Ermittlung des Jahresgewinns ange­ wendet. Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns werde es nicht ein zweites Mal angewendet – sondern „lediglich nicht rückgängig gemacht“. JÖRG WIEBKING W

NDH 02/2021

Foto: Di Studio - stock.adobe.com

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