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Finanzen
Risikomanagement in der Immobilienwirtschaft Eine Standortbestimmung aus Sicht der Empirie
Von Thomas Rautenstrauch
Auch wenn in der Immobilienwirtschaft der Bedarf für ein Risikomanagement angesichts der jüngsten Erfahrungen zweifelsohne gegeben ist, so ist doch dessen Entwicklungsstand in der Praxis von Unternehmen der Immobilienbranche noch weitgehend fragmentarisch und wenig transparent. Anhand der aktuellen Forschung zeigt der Autor des nachfol genden Beitrags, dass eine stärkere inte grative oder besser ganzheitliche Ein bindung aller relevanten Risikobereiche über sämtliche Steuerungsebenen erforderlich ist. 1. Ausgangssituation Die jüngste Finanzmarktkrise stand im Zusammen hang mit der Immobilienentwicklung in den USA und hat weltweit nicht nur Investoren, sondern auch weiten Teilen der Öffentlichkeit eindrücklich aufgezeigt, dass Immobilieninvestitionen mit existenzbedrohenden Risiken behaftet sein können, die sich durch ungeahnte negative finanzielle Konsequenzen auf den internatio nalen Kapitalmärkten auswirken. Risiko gilt allgemein als wesentliches Merkmal von unternehmerischen Entscheidungen, wobei hierun ter nicht nur in enger Betrachtung das Eintreten einer reinen Gefahr oder eines Schadens verstanden werden kann, sondern weiter gefasst jede Verfehlung eines geplanten Unternehmensziels im Sinne eines symme trischen, schwankungsbasierten Risikoverständnis ses. Somit gilt es als Ziel eines Risikomanagements, die unerwünschten Konsequenzen aus dem Eintritt eines Risikos, sei es ein entstandener Schaden oder auch eine verpasste Chance, mit dem Ziel zu beherrschen, dass
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No 1 / September 2010
solche Risikowirkungen verhindert oder zumindest abgemildert werden können (Rautenstrauch/Hunzi ker, 2010). Dass Risiko jedoch gerade in der Immobi lienwirtschaft als bewusste Option verstanden werden kann, zeigt die Tatsache, dass es einen Gegenpol zur Rendite einer Immobilieninvestition bildet und mit die sem in einem Spannungsverhältnis steht. Eine Lösung des Trade-off von Risiko und Rendite ist in einem Anlageportfolio nicht restriktionsfrei möglich, da vor allem aufsichtsrechtliche Regelungen der Ausweitung des Gesamtrisikoumfangs im Entscheidungskalkül institutioneller Immobilieninvestoren entgegenstehen können. Auch wenn der Bedarf für ein Risikomanagement in der Immobilienwirtschaft unzweifelhaft gegeben ist, so ist doch der Entwicklungsstand des Risikomanage ments in der Praxis von Unternehmen der Immobilien branche noch weitgehend fragmentarisch und wenig transparent. Zudem zeigt ein Blick auf die umfänglich existierende Literatur zum Risikomanagement in der Immobilienwirtschaft, dass diese vorwiegend partiel le Perspektiven aufgreift und beispielsweise aus Sicht einer finanzierenden Bank oder eines Projektentwick lers auf wirtschaftliche und finanzielle Risiken in der Entstehungs- und Entwicklungsphase der Immobi lie behandelt, während der Einfluss dieser Risiken auf die Nutzungsphase vergleichsweise unbeachtet bleibt. Dementsprechend wird auch völlig zu Recht beklagt, dass es bislang an einer übergeordneten und ganz heitlichen Darstellung und Ordnung aller immobilien spezifischen Risiken in einem Gesamtsystem mangelt (Urschel, 2010, 38). Die vorgenannten Ausführungen lassen erkennen, dass die Thematik des Risikomanagements in der Immobilienwirtschaft in der Praxis zahlreiche Fragen offenlässt, wie beispielsweise: - Was weiss man über die Verbreitung und die Organisation des Risikomanagements bei Unternehmen der Immobilienbranche? - Welche Risiken sind Gegenstand eines Risikomanage ments in der Branche und wie werden diese identifi- ziert und systematisiert? - Welche Methoden und Verfahren kommen bei der Risikobewertung und -steuerung vorwiegend zum Einsatz, und existieren hierzu branchenweite Standards?
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