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STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER WISSENSCHAFTEN IN BASEL NEUE FOLGE
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Mit seiner erstmals 1764 erschienenen Geschichte der Menschheit gehört der Basler Philosoph, Jurist, Publizist und Ratsschreiber Isaak Iselin (1728-1782) zu den Begründern der modernen Geschichtsphilosophie. Positive zeitgenössische Kritiken (etwa von Moses Mendelssohn), die Verwendung des Werks für die universitäre Lehre, aber auch ein allgemeines Interesse der Zeit an geschichtsphilosophischen Fragen machen Iselins Geschichte der Menschheit, von der bis 1791 sieben Auflagen erschienen sind, zum erfolgreichsten geschichtsphilosophischen Werk der Spätaufklärung in deutscher Sprache. In Auseinandersetzung mit dem modernen Naturrecht, mit den antiken Historikern und Philosophen und mit den französischen und englischen Aufklärungsphilosophen versuchte Iselin, die Menschheitsgeschichte auf anthropologischer Basis und nach geschichtsphilosophischen Prinzipien zu erfassen, und lieferte damit wesentliche Impulse für das Geschichtsdenken der Aufklärung.
Isaak Iselin
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STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER WISSENSCHAFTEN IN BASEL NEUE FOLGE
Isaak Iselin und die Geschichtsphilosophie der europäischen Aufklärung
Lucas Marco Gisi, geb. 1975, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Bern und Florenz. Er ist Leiter des Robert Walser-Archivs Bern und lehrt als Postdoc-Assistent für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel.
Herausgegeben von Lucas Marco Gisi und Wolfgang Rother
Gisi · Rother
Wolfgang Rother, geb. 1955, studierte Philosophie, Theologie und Germanistik in Marburg, Tübingen und Zürich. Er ist Privatdozent für Philosophie, besonders für Geschichte der Philosophie, an der Universität Zürich und gibt mehrere wissenschaftliche Buchreihen heraus.
I S B N 978-3-7965-2597-1
Schwabe Verlag Basel www.schwabe.ch
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783796 525971
SCHWABE
STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER WISSENSCHAFTEN I N BA S E L NEUE FOLGE 6
I M AU F T R AG D E S R E K TO R S D E R U N I V E R S I T Ä T BA S E L H E R AU S G E G E B E N VO N H A N S - P E T E R M AT H Y S , WO L F G A N G ROT H E R U N D RU D O L F WAC H T E R
ISAAK ISELIN UND DIE GESCHICHTSPHILOSOPHIE DER EUROPÄISCHEN AUFKLÄRUNG H E R AU S G E G E B E N VO N L U C A S M A R C O G I S I U N D WO L F G A N G ROT H E R
S C H WA B E V E R L AG BA S E L
Publiziert mit Unterstützung der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel, der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel, der Schweizerischen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts sowie der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
© 2011 by Schwabe AG, Verlag, Basel Gesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/Basel Printed in Switzerland ISBN 978-3-7965-2597-1 www.schwabe.ch
Inhalt
Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Helmut Zedelmaier Anfang der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Wolfgang Rother Geschichte als Trost – Geschichte als System Zur Typologie der Geschichtsphilosophie der Aufklärung . . . . . . . .
29
Andreas Urs Sommer Ende der Geschichte – Endlichkeit des Lebens Zur Verortung von Iselins Geschichtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . .
53
Horst Walter Blanke Iselin und die Historik der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
Hans-Ulrich Fiechter Zur Entstehung der Geschichte der Menschheit Iselins Tagebücher 1760-1763 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
Béla Kapossy Iselins Geschichte der Menschheit als Friedensschrift . . . . . . . . . . .
100
Lucas Marco Gisi Die anthropologische Basis von Iselins Geschichtsphilosophie . . . .
124
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Inhalt
Jesko Reiling Die «Gelehrtheit der Republikaner» Johann Jakob Bodmer und Isaak Iselin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
153
Gideon Stiening Facetten des Fortschritts Iselin und Kant. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Wolfgang Proß Geschichte als Provokation zu Geschichtsphilosophie Iselin und Herder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
Jean-Claude Wolf Zurück zur Geschichtsphilosophie? Selbstzersetzung der Geschichtsphilosophie (und der christlichen Theologie) im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
297
Siglen
FG
Isaak Iselin: Freymüthige Gedanken über die Entvölkerung unserer Vatterstadt ([Basel] 1758).
GM
[Isaak Iselin:] Philosophische Muthmassungen. Ueber die Geschichte der Menschheit, I-II (Frankfurt und Leipzig [richtig: Basel]: J. Heinrich Harscher 1764). – Die erste Auflage erschien anonym. – Ueber die Geschichte der Menschheit. Neue und verbesserte Auflage, I-II (Zürich: Orell, Geßner und Comp. 1768). – […] Neue und verbesserte Auflage, I-II (Zürich: Orell, Geßner, Füeßlin und Comp. 1770). – […] Vierte, verbesserte und vermehrte Auflage, I-II (Basel: Johannes Schweighauser 1779). – […], I-II (Carlsruhe: Christian Gottlieb Schmieder 1784). – […] Fünfte mit dem Leben des Verfassers vermehrte Auflage, I-II (Basel: Johann Schweighauser 1786). – […] Neue mit dem Leben des Verfassers vermehrte Auflage, I-II (Carlsruhe: Christian Gottlieb Schmieder 1791).
HW
Johann Gottfried Herder: Werke in drei Bänden, hg. von Wolfgang Proß, I: Herder und der Sturm und Drang. Mit einem Nachwort von Pierre Pénisson; II: Herder und die Anthropologie der Aufklärung; III: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, III/1: Text, Nachwort; III/2: Kommentar, Register (München, Wien: Hanser 1984-2002).
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Siglen
PPT
Isaak Iselin: Filosofische und Patriotische Träume eines Menschenfreundes (Freiburg [richtig: Basel: Em. Thurneysen] 1755). – Philosophische und Patriotische Träume eines Menschenfreundes. Zweyte und vermehrte Auflage (Zürich: Conrad Orell, und Comp. 1758). – […] Dritte und vermehrte Auflage (Zürich 1762).
TDAH
Theoretiker der deutschen Aufklärungshistorie, hg. von Horst Walter Blanke, Dirk Fleischer, I-II (Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1990).
TM
Isaak Iselin: Träume eines Menschenfreundes, I-II (Basel: Johannes Schweighauser 1776).
VG
Isaak Iselin: Versuch über die Gesetzgebung, von dem Verfasser der Philosophischen Träume (Zürich: Orell und Comp. 1760).
VS
Isaak Iselin: Vermischte Schriften, I-II (Zürich: Orell, Geßner, Füeßli & Co. 1770).
VUH
August Ludwig Schlözer: Vorstellung seiner Universal=Historie, I-II (Göttingen, Gotha: Johann Christian Dieterich 1772-1773).
Vorwort Geschichtsphilosophie als Anspruch eines genuin philosophischen Zugriffs auf die Geschichte ist ein Phänomen der europäischen Aufklärung. Zum Ausdruck gebracht wird dieser Anspruch etwa von Vico, dessen ‘neue Wissenschaft’ auf die Rekonstruktion einer ewigen idealen Geschichte (storia ideal eterna) zielt,1 oder von Rousseau, der der Philosophie die Aufgabe zuweist, zu erklären, was eine auf historische Fakten beschränkte Geschichtswissenschaft nicht begreiflich zu machen vermag.2 Der Ausdruck ‘Philosophie der Geschichte’ stammt von Voltaire, der 1765 unter dem Pseudonym Abbé Bazin eine Schrift mit dem Titel La philosophie de l’histoire veröffentlichte, die sich polemisch gegen schöpfungs- und heilsgeschichtliche Deutungen der Geschichte wandte. Die Konzeptionen Vicos, Rousseaus und Voltaires sind paradigmatisch für die Positionierung der Geschichtsphilosophie und ihre Selbstbehauptung gegenüber der Geschichtstheologie auf der einen Seite und der Geschichtswissenschaft auf der anderen. Mit der Geschichtstheologie teilt die Geschichtsphilosophie die universalistische Spekulation (Vico), die sie aber – in dezidierter Distanzierung von heilsgeschichtlicher Argumentation – säkularisiert (Voltaire), indem sie sich allein auf die Geltendmachung von Vernunftgründen beschränkt. Wie die Geschichtsphilosophie gegenüber der Geschichtstheologie auf den Grenzen der Vernunft insistiert, beansprucht sie gegenüber ‘positivistischer’ Geschichtswissenschaft die Überschreitung der Grenze rein faktenbezogener und fachwissenschaftlicher Argumentation (Rousseau). 1
2
Vgl. Giambattista Vico: Principj di scienza nuova d’intorno alla comune natura delle nazioni (1744), in: Opere, a cura di Andrea Battistini, I (Milano 1990 = 32001) 580. Vgl. Jean-Jacques Rousseau: Discours sur l’origine et les fondemens de l’inégalité parmi les hommes (1755), in: Œuvres complètes, éd. Bernard Gagnebin, Marcel Raymond, III (Paris 1964) 162-163.
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Lucas Marco Gisi und Wolfgang Rother
Zu den ersten grundlegenden Versuchen einer systematischen Geschichtsphilosophie gehört Isaak Iselins Werk, dessen erste Auflage 1764 unter dem Titel Philosophische Muthmassungen. Ueber die Geschichte der Menschheit erschien. Der Titel deklariert den philosophischen Anspruch gegenüber heilsgeschichtlicher Spekulation und – mit dem Ausdruck ‘Muthmaßung’ – den spekulativen Anspruch der Geschichtsphilosophie gegenüber ‘positivistischer’ Historiographie. Iselin entwickelte seine geschichtsphilosophische Konzeption in kritischer Auseinandersetzung mit dem modernen Naturrecht, mit den antiken Historikern und Philosophen und mit den französischen und englischen Aufklärungsphilosophen. Die Signatur seines universalistischen Ansatzes ist die anthropologisch-psychologische Begründung der Geschichtsphilosophie. Die Geschichte der Menschheit des Basler Philosophen und Aufklärers, der seinen Lebensunterhalt faute de mieux als Ratsschreiber verdiente, war ein Best- und Longseller und darf sich unbescheiden als das erfolgreichste geschichtsphilosophische Werk der Spätaufklärung in deutscher Sprache bezeichnen. Der nachhaltige, fast drei Jahrzehnte dauernde Einfluss wird durch insgesamt sieben Auflagen bis 1791 dokumentiert. Der Durchbruch gelang der Geschichte der Menschheit mit der zweiten, überarbeiteten Auflage von 1768. Von der Begeisterung, mit der die Zeitgenossen das Werk aufnahmen, zeugen die positiven Rezensionen, Moses Mendelssohn etwa kommt zum Schluss: «Philosophie und Kenntniß der Geschichte zeigen sich hier in ihrem Triumphe».3 Das Werk fand weite Verwendung im universitären Unterricht – vielleicht eine Genugtuung für Iselin, dem das Losglück, das damals über die Besetzung der Basler Lehrstühle entschied, nicht hold war und ihm die angestrebte akademische Karriere verbaute. Es entsprach einem bereits vorhandenen allgemeinen Interesse der Zeit an geschichtsphilosophischen Fragen und lieferte dem Geschichtsdenken der Aufklärung wesentliche Impulse. 3
Moses Mendelssohn: [Rez. von GM 1764] Philosophische Muthmaßungen, über die Geschichte der Menschheit […], in: Allgemeine deutsche Bibliothek 4 (1767) 2. Stück, 233-242, hier 234. Vgl. auch Samuel Simon Witte: [Rez. von GM 1768] Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit […], in: Allgemeine deutsche Bibliothek, Anhang zu dem ersten bis zwölften Band (1771) 434-443; Johann Bernhard Köhler: [Rez. von GM 1779] Isaak Iselin über die Geschichte der Menschheit […], in: Allgemeine deutsche Bibliothek 40 (1780) 1. Stück, 3-28.
Vorwort
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Die Geschichte der Menschheit verdankt sich einem ‘lokalen’ Anlass und schreibt sich gleichzeitig in einen europäischen Kontext ein. Die durch eine Anregung von Henry Home 1762 ausgeschriebene Preisfrage der Société des Citoyens, der Berner patriotischen Gesellschaft, bildete den konkreten Anlass für Iselin, seine Überlegungen zur Menschheitsgeschichte vor dem Hintergrund einer kritischen Einschätzung gewisser ökonomischer, politischer und sittlicher Entwicklungen seiner Zeit zu einem Buch auszuarbeiten.4 Mit seinem Projekt versuchte er sich dezidiert innerhalb der philosophischen, historiographischen, anthropologischen und ethnographischen Gelehrtendiskurse der Zeit zu positionieren – man denke an die für Iselin prägende Begegnung mit Rousseau in Paris, sein Studium englischer Philosophen wie Locke und seine gleichzeitige Zurückhaltung gegenüber den englischen Deisten, die fruchtbare Rezeption der historischen Werke von Hume, Henry Home oder Adam Ferguson, die Auseinandersetzung mit Montesquieu und Buffon oder die Ablehnung der radikaleren – religionskritischen und materialistischen – französischen Aufklärung, die allerdings auf einer umfassenden Kenntnis der entsprechenden Schriften, etwa denen Voltaires, beruhte. «Eigentlich folgen wir so auf einander, Iselin, ich u. Kant.»5 So äußerte sich Herder in einem Brief von 1799 und umschreibt damit bereits relativ genau die ambivalente Beurteilung von Iselins Hauptwerk bis in die Gegenwart. Denn genealogische Reihen von Geistesgrößen erweisen sich meist als janusköpfig und je nachdem, von welcher Seite man sie betrachtet, erkennt man in Iselin einen Vorläufer oder einen Begründer des modernen Geschichtsdenkens. Die neuere Iselin-Forschung setzt ein mit den Arbeiten von Ulrich Im Hof. Seine Monographien zu Iselin sind bis heute Standardwerke geblieben, was gleichermaßen der ebenso breiten wie differenzierten Einordnung von Iselins Denken in die europäische Aufklärung, als auch der – bis heute unerreichten – umfassenden Berücksichtigung von Iselins
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Vgl. Isaak Iselin: Anekdote über den Versuch der Geschichte der Menschheit, in: Ephemeriden der Menschheit 1778, 11. Stück, 120-124. Johann Gottfried Herder: Brief an Garlieb Helwig Merkel, Weimar, 12.12.1799, in: ders.: Briefe. Achter Band. Januar 1799 – November 1803, bearb. von Wilhelm Dobbek, Günter Arnold (Weimar 1984) 108.
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Lucas Marco Gisi und Wolfgang Rother
umfangreichem Nachlass geschuldet ist.6 Iselins Tätigkeit als Rezensent der Allgemeinen Deutschen Bibliothek hat Holger Jacob-Friesen durch die sorgfältig kommentierte Edition des Briefwechsels mit Friedrich Nicolai aufgearbeitet.7 In den letzten Jahren sind drei Monographien zu Iselin erschienen: Sigrid-Ursula Follmann untersucht Iselins pädagogisches Reformprogramm aus Gender-Perspektive,8 Andreas Urs Sommer legt erstmals eine Gesamtdarstellung von Iselins Geschichtsphilosophie vor,9 Béla Kapossy schließlich verortet die Geschichte der Menschheit in der schweizerischen Republikanismusdebatte durch die Konfrontation des politischen Denkens von Iselin und Rousseau.10 Neben verschiedenen kleineren Forschungsbeiträgen zu Iselin11 haben dessen Werke in den letzten Jahren 6
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Ulrich Im Hof: Isaak Iselin. Sein Leben und die Entwicklung seines Denkens bis zur Abfassung der «Geschichte der Menschheit» von 1764, 2 Teile (Basel 1947); ders.: Isaak Iselin und die Spätaufklärung (Bern, München 1967). Holger Jacob-Friesen: Profile der Aufklärung. Friedrich Nicolai – Isaak Iselin, Briefwechsel (1767-1782). Edition, Analyse, Kommentar (Bern, Stuttgart, Wien 1997). Sigrid-Ursula Follmann: Gesellschaftsbild, Bildung und Geschlechterordnung bei Isaak Iselin in der Spätaufklärung (Münster 2002). Andreas Urs Sommer: Geschichte als Trost? Isaak Iselins Geschichtsphilosophie (Basel 2002). Béla Kapossy: Iselin contra Rousseau. Sociable Patriotism and the History of Mankind (Basel 2006). Stellvertretend seien genannt: Daniel Brühlmeier: Isaak Iselin and the Call for Civic Virtue. A Model of Swiss Republicanism, in: Timothy O’Hagen (ed.): Revolution and Enlightenment in Europe (Aberdeen 1991) 69-79; Ulrich Im Hof: Mendelssohn und Iselin, in: Michael Albrecht, Eva J. Engel, Norbert Hinske (Hg.): Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit (Tübingen 1994) 61-92; Jürg Zbinden: Pioneering Swiss contributions to the modern conception of history. Rousseau, Iselin, and Wegelin on the idea of progress and the new, rational view of history, in: Patrick Coleman, Anne Hofmann, Simone Zurbuchen (eds): Reconceptualizing Natur, Science, and Aesthetics. Contribution à une nouvelle approche des Lumières helvétiques (Genève 1998) 247-260; Holger Jacob-Friesen: Isaak Iselin als politischer Denker, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 100 (2000) 41-51; Béla Kapossy: The Sociable Patriot: Isaak Iselin’s Protestant Reading of Jean-Jacques Rousseau, in: History of European Ideas 27 (2001) 153-170; Andreas Urs Sommer: Geschichtsphilosophie als ‘interkulturelles’ Programm? Isaak Iselins Geschichte der Menschheit, in: Rückert-Studien 14 (2002) 29-44; Irène Keller-Richner: Isaak Iselin (1728-1782). Ami et éditeur de Pestalozzi (Yverdon-les-Bains 2007).
Vorwort
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Berücksichtigung in Arbeiten zu größeren Problemkomplexen gefunden, etwa zum politischen, ökonomischen und pädagogischen Denken in der Schweiz des 18. Jahrhunderts.12 Iselins Geschichtsphilosophie im engeren Sinn hat dabei Beachtung gefunden in Studien zum ‘schottischen Impuls’ für das Geschichtsdenken der Spätaufklärung,13 zur Problematik des Ursprungs der Geschichte,14 zur Ausbildung einer universalistisch-spekulativen Geschichtsphilosophie15 oder zur Genese einer anthropologischen Historie.16 Iselins Bedeutung für die Geschichtsphilosophie der Spätaufklärung gründet maßgeblich in der Interdisziplinarität seines Ansatzes und der Heterogenität seiner Quellen. Um dies deutlich zu machen, bedarf es vor jeder qualitativen Bestimmung einer möglichst umfassenden Rekonstruktion und Kontextualisierung seines Hauptwerks. Mit anderen Worten, der Gegenstand selbst scheint eine Erforschung von Iselins Geschichtsphilosophie über die Disziplinengrenzen von Philosophie-, Historiographie-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte hinweg geradezu unumgänglich zu machen. Dieser interdisziplinäre Zugriff, der bereits Im Hofs Studien prägt, liegt auch der Konzeption des vorliegenden Bandes zugrunde. Versucht wird, die Kontexte von Iselins Geschichtsphilosophie nachzuzeichnen, indem sich die einzelnen Beiträge dieser von drei Seiten her nähern. Zunächst wird die Stellung von Iselins geschichtsphilosophischem Ansatz innerhalb der Gelehrtendiskurse der europäischen Aufklärung verortet (Helmut 12
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Simone Zurbuchen: Patriotismus und Kosmopolitismus. Die Schweizer Aufklärung zwischen Tradition und Moderne (Zürich 2003) insbes. 71-97; Daniel Tröhler: Republikanismus und Pädagogik. Pestalozzi im historischen Kontext (Bad Heilbrunn 2006). Fania Oz-Salzberger: Translating the Enlightenment. Scottish Civic Discourse in Eighteenth-Century Germany (Oxford 1995) 169-189; Annette Meyer: Von der Wahrheit zur Wahrscheinlichkeit. Die Wissenschaft vom Menschen in der schottischen und deutschen Aufklärung (Tübingen 2008) insbes. 244-248. Helmut Zedelmaier: Der Anfang der Geschichte. Studien zur Ursprungsdebatte im 18. Jahrhundert (Hamburg 2003) insbes. 246-271. Andreas Urs Sommer: Sinnstiftung durch Geschichte? Zur Entstehung spekulativuniversalistischer Geschichtsphilosophie zwischen Bayle und Kant (Basel 2006) insbes. 247-268. Lucas Marco Gisi: Einbildungskraft und Mythologie. Die Verschränkung von Anthropologie und Geschichte im 18. Jahrhundert (Berlin, New York 2007) insbes. 340-344.
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Lucas Marco Gisi und Wolfgang Rother
Zedelmaier, Wolfgang Rother, Andreas Urs Sommer, Horst Walter Blanke). In einem zweiten Schritt wird versucht, Iselins Geschichte der Menschheit genauer zu fassen, indem der Fokus auf deren Genese gelegt wird und die Vorarbeiten und die Konzeption in den Blick genommen werden (HansUlrich Fiechter, Béla Kapossy, Lucas Marco Gisi). Schließlich werden die Konturen von Iselins Geschichtsphilosophie durch deren Konfrontation mit konkurrierenden geschichtsphilosophischen Konzeptionen von Bodmer, Kant und Herder nachgezeichnet (Jesko Reiling, Gideon Stiening, Wolfgang Proß). Indem Iselins Werk aus zwei Blickrichtungen betrachtet wird – von der Genese und von der Wirkung her –, liefert der vorliegende Band auch Antworten auf die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen innerhalb der Ausbildung des historischen und geschichtsphilosophischen Denkens zwischen Früh- und Spätaufklärung. Die Grundprobleme der Geschichtsphilosophie werden abschließend in Ausblick auf deren Entwicklung im 19. Jahrhundert rekapituliert (Jean-Claude Wolf). Mit dem vorliegenden Versuch, die Kontexte von Iselins Geschichtsphilosophie nachzuzeichnen, soll die Grundlage für weitere, vertiefte Forschungen gelegt werden. Desiderate bilden insbesondere Studien zur Fundierung von Iselins Geschichtsphilosophie in dessen juristischem bzw. naturrechtlichem Denken sowie zu den Verflechtungen zwischen dem von Iselin formulierten Fortschritt als Telos des Geschichtsprozesses und seinen pädagogischen Reformbemühungen oder seinen stark durch die physiokratischen Theorien grundierten ökonomischen Arbeiten. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Menschheit macht vor allem deutlich, dass auch noch Grundlagenforschung zu leisten ist. Mit dem Impressum «Frankfurt und Leipzig» erschien die erste Auflage in Basel bei Johann Heinrich Harscher in einer Fassung, der ein im Nachlass von Isaak Iselin überliefertes, auf 1763 datiertes Manuskript zugrunde liegt.17 In den Nachlassbeständen im Staatsarchiv Basel-Stadt und in der Universitätsbibliothek Basel finden sich außerdem umfangreiche Vorarbeiten, Materialsammlungen, Tagebücher und Korrespondenzen.18 Diese Eckdaten lassen erkennen, dass die 17 18
Universitätsbibliothek Basel, Handschriften, NL 33: Nachlass Isaak Iselin (17281782), II. B. 2. Staatsarchiv Basel-Stadt, Nachlass von Isaak Iselin (1728-1782), PA 98a; Universitätsbibliothek Basel, Handschriften, NL 33: Nachlass Isaak Iselin (1728-1782).
Vorwort
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Entstehung von Iselins Hauptwerk im engeren, textgenetischen Sinn, aber auch hinsichtlich seiner breiten Quellenbasis erst noch rekonstruiert werden muss. Die Beschäftigung mit Iselin erschwert aber ein grundsätzlicheres Problem, nämlich dass dessen Geschichte der Menschheit ebenso wie seine anderen Werke heute alle nicht in einer modernen Ausgabe greifbar sind (sieht man von der verdienstvollen Edition des Briefwechsels mit Friedrich Nicolai durch Holger Jacob-Friesen ab). Dem Anliegen, die Werke Iselins auf gesicherter Textgrundlage und mit der notwendigen Kommentierung zugänglich zu machen, wird eine Auswahledition entsprechen, die sich in Planung befindet und im Schwabe Verlag Basel erscheinen soll. Die in diesem Band versammelten Beiträge gehen zurück auf eine vom 4. bis 6. Dezember 2008 an der Universität Basel in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts durchgeführte Tagung. Die Herausgeber danken der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige Basel, der Max Geldner-Stiftung, Basel, der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft Basel, der Schweizerischen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts sowie der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften für die großzügige Unterstützung der Tagung und der Publikation dieses Bandes. Ein Dank geht schließlich an Frau lic. phil. Angela Zoller, die das Register erstellt hat. Basel, im Juli 2010
Lucas Marco Gisi und Wolfgang Rother
Anfang der Geschichte Helmut Zedelmaier
Die «retrodiktive Erschließung der Vorgeschichte» ist das «klassische Paradigma von Geschichtsphilosophie».1 Mit diesen Worten verwies Arno Seifert bereits 1986 auf die wichtige Rolle, die der Anfang der Geschichte für die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich formierende Geschichtsphilosophie spielte. Die Stellung, die Isaak Iselin in diesem Prozess einnimmt, ist Gegenstand des vorliegenden Bandes. In den folgenden Ausführungen geht es allerdings nicht um eine detaillierte Analyse, wie sich die Frage des Anfangs der Geschichte in Iselins Geschichte der Menschheit stellt, wie also Iselin, insbesondere in Auseinandersetzung mit Rousseaus zweitem Discours, den Ausgangspunkt historischer Entwicklung behandelt und welche Zeugen er dafür aufruft. Vielmehr wird etwas näher auf eine signifikante Leerstelle eingegangen, darauf nämlich, dass die historia sacra, also die traditionelle Erklärungsinstanz für die früheste Geschichte, bei Iselin beinahe vollständig ausgespart bleibt. Wie der ursprüngliche Zustand des Menschen ein der Philosophie unergründliches, ein der Offenbarung vorbehaltenes Geheimnis ist; so ist es wahrscheinlich, daß von den durch ein besonderes Schicksal auf der Erde zerstreuten, und in eine unbegreifliche Erniedrigung gefallenen Menschen=Geschlechtern ein Theil sich frühe wieder zu der Milderung, zu der Erleuchtung und zu der Geselligkeit erhoben habe; indem der andere noch tiefer in der Barbarey, und in der Wildheit versunken ist.2 1
2
Arno Seifert: Von der heiligen zur philosophischen Geschichte. Die Rationalisierung der universalhistorischen Erkenntnis im Zeitalter der Aufklärung, in: Archiv für Kulturgeschichte 68 (1986) 81-117, hier 107. GM [1768] I 217. In der Erstausgabe von 1764 formuliert Iselin noch vorsichtiger; vgl. dazu und generell zu Iselins Untersuchung des Anfangsproblems Helmut
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Helmut Zedelmaier
Dieser Satz ist der einzig ausführlichere Verweis Iselins auf die ‘heilige Geschichte’. Nur blasse Reminiszenzen und verwischte Spuren verweisen bei Iselin auf die biblische Geschichte. In der zitierten Stelle betreffen sie die nachsintflutliche Zweiteilung der Menschheit, den zweiten (profanen) Ausgangspunkt der biblisch gegründeten Geschichte, die in vielen, auch philosophisch inspirierten Anfangsgeschichten des 18. Jahrhunderts auf allerdings unterschiedliche Weise eine Rolle spielt. Warum Iselin die ‘heilige Geschichte’ so einfach ausblenden konnte, soll nachfolgend etwas verständlicher gemacht werden. Für diese Kontextualisierung von Iselins Anfangsgeschichte wird eine Perspektive aus dem frühen 19. Jahrhundert gewählt, die Sicht Schellings, seinerseits ja ein prominenter Geschichtsphilosoph, bei dem die Frage des Ursprungs omnipräsent ist. In seiner 1803 publizierten Abhandlung Über die Methode des akademischen Studiums hat Schelling gängige Formen und Methoden der Vergegenwärtigung der Vergangenheit Revue passieren lassen und zum Teil schonungslos kritisiert. «Man meide die sogenannten Universalhistorien, die nichts lehren; andere gibt es noch nicht», heißt eine seiner Anweisungen, die er über die «Art, wie Historie studirt werden soll», gibt.3 Universalhistorien waren seit dem 16. Jahrhundert bevorzugter Lektüregegenstand des universitären Geschichtsunterrichts. Noch im 18. Jahrhundert vermittelten sie gewöhnlich die jüdisch-christliche Geschichtstheologie, beginnend mit der Schöpfung der Welt und der Erschaffung des Menschen auf Grundlage der Bibel, deren Auslegung die Epochengliederung sowie den chronologischen Leitfaden der Gesamtgeschichte vorgab. Universalhistorien waren Lehrbücher, Instrumente der Information, nicht der gelehrten Forschung; sie sind, lautet Schellings Kommentar, «Compendien, darin alles Besondere und Bedeutende verwischt ist».4 Die klassische Universalhistorie repräsentierte eine Gesamtsicht auf die Geschichte. In dem Maße, wie ihr biblischer Rahmen problematisch wurde,
3
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Zedelmaier: Der Anfang der Geschichte. Studien zur Ursprungsdebatte im 18. Jahrhundert (Hamburg 2003) 245-268 (zum Unterschied der Formulierung in den Ausgaben 1764 und 1768 ebd. 258). Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Sämtliche Werke, hg. von K. F. A. Schelling (Stuttgart, Augsburg 1856-1861, Nachdruck der 1. Abt.: Darmstadt 1966-1968) Vorlesungen, I/5 311. Ebd.
Anfang der Geschichte
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büßte sie an Überzeugungskraft als Instanz der Totalität von Geschichte ein. Der Geltungsverlust betraf besonders den Anfang der Geschichte, speziell den Zeitraum, der in der klassischen Universalhistorie durch den biblischen Bericht über die vorsintflutliche Zeit repräsentiert war. Die Sintflut war in der jüdisch-christlichen Universalgeschichtsschreibung seit der Spätantike, seit Flavius Josephus und Augustinus, bis zum 18. Jahrhundert eine eingeführte Epochengrenze. Ihre Formierung lässt sich an Isidor von Sevilla, ihre Etablierung an Beda Venerabilis, ihre Tradierung an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Weltchroniken in den Modellen der sechs Weltalter oder vier Monarchien nachvollziehen. Die inhaltliche Prominenz der vorsintflutlichen Epoche in der Frühen Neuzeit steigerte vor allem Annius von Viterbo mit seiner ‘frommen’ Fälschung von 1498.5 Dass die Epochengrenze Sintflut noch im 18. Jahrhundert eine intensiv problematisierte Grenze war, hat aber nicht nur mit der inhaltlichen Prominenz der vorsintflutlichen Epoche zu tun, die bis zum 18. Jahrhundert als ein Bezirk ursprünglicher Weisheit ausgezeichnet wurde, ebenso nicht nur mit neuen Theorien über die Entstehung der Erde, wie sie Thomas Burnet oder William Whiston entwickelten. Diese Prominenz hat auch damit zu tun, dass die Sintflut eine Grenze markierte, die zunehmend weniger zwei historische Epochen, vielmehr zwei vollständig differente Welten voneinander schied. So zerfiel für den in Leiden lehrenden Historiker Georg Horn 1666 die gesamte Weltgeschichte in eine vorsintflutliche und eine nachsintflutliche Geschichte. Für die vorsintflutliche Zeit kann mit Gewissheit nur das ausgesagt werden, was die biblischen Bücher dazu überliefern. Erst seit der Sintflut kann der Historiker auch auf profane historische Überlieferungen bauen. Die historische Grenze, die Horn zieht, hatte zur Folge, dass die früheste Geschichte zu einer exklusiv heiligen Geschichte, zugleich aber auch zu 5
Vgl. Wilhelm Schmidt-Biggemann: Heilsgeschichtliche Inventionen. Annius von Viterbos ‘Berosus’ und die Geschichte der Sintflut, in: Martin Mulsow, Jan Assmann (Hg.): Sintflut und Gedächtnis. Erinnern und Vergessen des Ursprungs (München 2006) 85-111. Vgl. zur Bedeutung der Sintflut im vormodernen historischen Denken neben den weiteren Beiträgen dieses Bandes Claudine Poulouin: Le Temps des origines. L’Eden, le Déluge et «les temps reculés» de Pascal à l’Encyclopédie (Paris 1998) und Maria Susana Seguin: Science et religion dans la pensée française du XVIIIe siècle. Le mythe du Déluge universel (Paris 2001).
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Helmut Zedelmaier
einer blassen und wenig aufschlussreichen Geschichte wurde. Bei Jean Le Clerc heißt es etwa 1685 zur vorsintflutlichen Zeit: Die heilige Geschichte erzähle das, was sich in dieser Zeit ereignet hat, kurz (breviter) und dunkel (obscure). Nur eine ganz dürftige Erkenntnis lasse sich daraus schöpfen. Das ist hier, in einer klassischen Universalgeschichte, wie sie Le Clerc in programmatischer Kürze schreibt, eine beiläufige Bemerkung, wie sie sich ähnlich bereits früher auch bei anderen Gelehrten findet. Universalhistorien waren, wie gesagt, keine Orte der Problematisierung, vielmehr der didaktischen Unterweisung. Der vorsintflutliche Zeitraum schrumpfte in ihnen (wenn er überhaupt noch vorkam: Christoph Cellarius etwa sparte ihn ganz aus) zu einem knappen Einleitungskapitel zusammen.6 Als Problembezirk wird die vorsintflutliche Zeit im 18. Jahrhundert in universalhistorischen Synthesen sichtbar, die nicht mehr für Unterricht und Lehre, sondern für ein nicht nur akademisches Publikum verfasst wurden. Der bedeutendste Vertreter dieses neuen Typs von Universalgeschichte als Weltgeschichte ist die Universal History. Seit 1730 in London publiziert, stieg sie mit ihren zahlreichen Übersetzungen und Bearbeitungen zu einem europäischen Gemeinschaftsprojekt auf. Bis 1765 erschienen über 60 FolioBände, die seit 1744 gedruckte und bis 1814 fortgeführte deutsche Übersetzung und Bearbeitung brachte es auf insgesamt 66 Teile, die zum Teil mehrere Bände umfassen. In der Universal History ist aus der vorsintflutlichen Epoche, deren Dunkelheit Le Clerc betont hatte, eine «unbekannte» Zeit geworden. Die Verfasser des (anonym erschienenen) Werks orientierten sich bei dieser Bestimmung an dem antiken, auf Varro, den Prototyp des antiquarischen Gelehrten, zurückgehenden dreigliedrigen Epochenmodell. Danach wurde die Frühgeschichte (teilweise schon in der frühen Neuzeit) hinsichtlich der Gewissheit der über sie überlieferten Berichte in eine «unbekannte», «fabelhafte» und «historische» Zeit unterschieden. Die antediluviane Zeit wird so in der Universal History zwar ausführlich thematisiert, doch weniger hinsichtlich historischer Ereignisse, vielmehr als ein Forschungsproblem. Die Sintflut markiert den Beginn einer vollständig neuen historischen Welt, die keine Verbindung zur alten vorsintflutlichen
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Vgl. Helmut Zedelmaier: Die Marginalisierung der Historia sacra in der Frühen Neuzeit, in: Storia della storiografia 35 (1999) 15-26.