Francis Alÿs - Fabiola

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Schwabe Verlag Basel

SCHAULAGER-HEFTE

SCHAULAGER-HEFTE

Francis AlĂżs: Fabiola

Essays der Ausstellungskuratorin Lynne Cooke (New York / Madrid) und von Dario Gamboni (Genf), einem ausgewiesenen Kenner der Werke von Francis Alÿs, beschreiben die Art der Installation im Haus zum Kirschgarten und erklären die kßnstlerische Strategie von Francis Alÿs. Ergänzt wird das Buch von einem umfangreichen Literaturverzeichnis.

Schaulager prÄSENTIERT im Haus zum Kirschgarten, Elisabethenstr. 27, Basel

Die grossformatige Bildstrecke bietet Einblick in die Räume der Ausstellung im Haus zum Kirschgarten und ermÜglicht auf diese Weise einen visuellen Rundgang.

Francis AlĂżs: Fabiola

In Zusammenarbeit mit

Die verblĂźffend ähnlichen Bildnisse – eine FĂźlle von Kopien des immer gleichen Urbildes des franzĂśsischen Realisten Jean - Jacques Henner – sind in Räume eingebettet, die die prototypische Lebenswelt des protestantischen GrossbĂźrgertums des 19. Jahrhunderts repräsentieren. Der Bilderschwarm der Fabiolas ist an diesem Ort ein so subversiver wie subtiler Eingriff in die Struktur des Museums und spielt mit der Atmosphäre, die von den historischen Räumen wachgerufen wird.

12. März – 28. AUGUST 2011

www.schaulager.org Laurenz - STIFTUNG Das Begleitbuch zu der vom Schaulager organisierten Ausstellung im Haus zum Kirschgarten dokumentiert das Projekt „Francis AlĂżs: Fabiola“. Die vom belgischen KĂźnstler Francis AlĂżs (geb. 1959) in das prunkvolle Basler Wohnmuseum eingebrachte Sammlung von mehr als 370 Bildern besteht aus auf dem Flohmarkt und in TrĂśdelläden gefundenen Amateurgemälden der heiligen Fabiola.

„Francis AlĂżs: Fabiola“, Ausstellungsansicht, Schaulager im Haus zum Kirschgarten, Basel. Foto: Tom Bisig, Basel RĂźckseite, alle Abbildungen, Courtesy Dia Art Foundation, New York Design: Office for Design, Basel




Schaulager-Hefte

Schaulager präsentiert im Haus zum Kirschgarten

Francis AlĂżs: Fabiola

Schwabe Verlag Basel LaurenZ-Stiftung


Diese Publikation ist anlässlich der Ausstellung Francis Alÿs: Fabiola im Haus zum Kirschgarten, Basel (12. März bis 28. August 2011) in der Reihe „Schaulager-Hefte“ erschienen.


Inhalt

Maja Oeri

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Grusswort und Dank

Lynne Cooke

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Fabiola auf Wanderschaft

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Fabiola im Haus zum Kirschgarten

Dario Libero Gamboni

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Im hellen Licht eines toten Sterns

68

Ausstellungsverzeichnis

73

Literaturverzeichnis



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Grusswort und Dank

Als ich die Fabiolas im Herbst 2007 zum ersten Mal in der Hispanic Society of America in New York ausgestellt sah, war ich völlig hingerissen. Ich wusste natürlich, dass mich bei einer Ausstellung von Francis Alÿs immer eine ungewöhnliche Installation erwartet, doch die vollkommene Zurücknahme der eigenen künstlerischen Aktivität zugunsten einer kreativen Intervention mit Hunderten von stereotypen, von Laien produzierten Bildern war ungewöhnlich und überraschend. Subversiv und gleichzeitig voller Respekt für die ehrwürdige Institution, schmuggelte der Künstler seine Sammlung in die holzgetäferten, etwas verstaubten Räume. Dass die katholische Heilige sich in einem Territorium spanischer Kultur wohl fühlte, war einleuchtend. Was aber, so dachte ich mir, würde passieren, wenn Fabiola ins protestanti­ sche Basel gebracht würde? Ich fragte Francis, ob er sich vorstellen könnte, die Sammlung im Schaulager auszustellen, doch er lehnte mit einem etwas vagen Hinweis auf seine kurz zurückliegende Ausstellung des „Sign Painting Project“ (im Sommer 2006) bei uns und auf die zu nüchternen, modernen Räume des Schaulagers ab. Die Sache liess mir dennoch keine Ruhe, und ich sprach Francis Alÿs jedes Mal, wenn ich ihn sah, auf die Fabiolas an. Die Sammlung wurde von der Dia Art Foundation, die das Projekt initiiert hatte, in der Zwischenzeit in ganz unterschiedlichen Ausstellungshäusern gezeigt. Ich bot dem Künstler an, die Ausstellung ausserhalb des Schaulagers stattfinden zu lassen, und erwähnte verschiedene Örtlichkeiten in Basel, die mir passend schienen – ohne Erfolg. Welche Überraschung also, als mich im Januar 2010 ein lakonisches E-Mail erreichte: „Ich bin bereit – bitte setze Dich mit Lynne Cooke (der Kuratorin der Dia) in Verbindung.“ Nach mehreren Besuchen Lynnes und Francis’ in Basel war im Oktober der passende Ort identifiziert: im Haus zum Kirschgarten, dem Basler Palais, das heute ein Museum der grossbürgerlichen, protestantischen Wohnkultur im 18. und 19. Jahrhundert ist, sollten die Fabiolas sich einnisten. Dass das Projekt dann tatsächlich in kurzer Zeit realisiert werden konnte, ist dem Zutun Vieler zu verdanken. Mein Dank gilt Burkard von Roda, dem Direktor des Historischen Museums Basel, der den „Kirschgarten“ ohne zu zögern für die Ausstellung zur Verfügung stellte und die unkomplizierte Zusammenarbeit mit seinem Team ermöglichte, sowie Philippe Vergne, dem Direktor der Dia Art Foundation, der das Vorhaben von New York aus mit seinen Mitarbeitern entgegenkommend unterstützte. Wie immer widmete sich das Team des Schaulagers – allen voran die Kuratorin Heidi Naef, das Recherche- und Katalogteam Isabel Friedli, Bettina Friedli und Stephan Hauser, der Öffentlichkeits-Beauftragte Stephan Graus, die Registrarin Charlotte Gutzwiller sowie Yvo Hartmann und sein Team für die Installation – mit enormem Enthusiasmus und grosser Professionalität der gestellten Aufgabe. Für die spannenden und informativen Katalogbeiträge möchte ich Dario Gamboni und Lynne Cooke sehr herzlich danken. Lynne hat zudem ihre Aufgabe als Kuratorin mit grosser Liebenswürdigkeit wahrgenommen. Last, but not least gilt mein grosser Dank Francis Alÿs als Künstler, einzigem Leihgeber, Gesprächspartner und Freund. Wunderbar, dass die Fabiolas nun doch noch ihren Weg nach Basel gefunden haben! Maja Oeri Präsidentin Laurenz-Stiftung


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Lynne Cooke Fabiola auf Wanderschaft 1 Auf den ersten Blick sehen die von Francis Alÿs zusammengetragenen Gemälde bemerkenswert ähnlich aus, denn sie alle sind Porträts derselben Person, der heiligen Fabiola. Die sittsame junge Frau ist – im Einklang mit ihrer kanonischen Ikonografie – im nach links gewendeten Profil und einem karmesinroten Schleier dargestellt. 1 Hinweise darauf, dass die Das Ursprungsbild dieser Porträts ist ein Gemälde, das Gemälde nach Reproduktionen des 1885 von Jean-Jacques Henner, einem französischen verlorenen Originals kopiert sind etwa die Variation akademischen Maler des späten 19. Jahrhunderts, ange- wurden, der Grösse, die Umkehrung des fertigt wurde.1 Da das Original seit langem verschollen Motivs, weshalb Fabiola in Fällen nach rechts ist, muss jedes dieser Bilder auf einer Reproduktion ba- mehreren blickt, sowie die Ersetzung des sieren, bei der es sich um eine Abbildung in einem üblichen Rots des Umhangs durch Buch, eine Ansichtskarte oder einen Stich handeln mag. ein vom Tonwert her ähnliches Grün. Die Annahme, dass es keine Obwohl seither Tausende mechanisch reproduzierter Farbaufnahme des Originals gab, Fabiola-Bilder hergestellt wurden, ist davon keines in wird durch das Datum seines Verschwindens (1889) erhärtet, diese Sammlung aufgenommen worden. Jedes der na- aber auch durch die breite Palette hezu vierhundert darin vertretenen Beispiele wurde von Rottönen, die für den Schleier verwendet wurden (und unter von Hand angefertigt. Während Jean-Jacques Henners denen Venezianisch-Rot, in Porträt dieser Heiligen aus dem vierten Jahrhundert Anlehnung an Jean-Jacques Henners bekannten Geschmack, punkto Ikonografie, Stil und Komposition unspektaku- die bevorzugte Farbe war), sowie lär ist, ist seine feinfühlige Darstellung der Physiogno- durch die Rot-Grün-Umkehrungen. Einige der Fabiola-Gemälde mie der jungen Frau irreführend subtil und lässt sich, dürften auch auf Bilder der wie diese Beispiele zeigen, nicht ohne weiteres nachah- zweiten Generation zurückgehen, beispielsweise also auf men.2 Tatsächlich stammen die meisten dieser Werke Postkarten, die nach der Kopie Jean-Jacques Henner, Fabiola, 1885, Öl auf Leinwand, 33 × 42 cm, Verbleib unbekannt.

eines anderen Künstlers statt nach einer Reproduktion von Henners Original angefertigt wurden. 2 Henners Darstellung hat ihre ikonografischen Vorläufer in dem von den Bellinis und anderen venezianischen Künstlern im 16. Jahrhundert für weltliche Persönlichkeiten eingeführten Porträttypus. Angesichts der Tatsache, dass Profilbildnisse mit klassischen und nicht etwa mit christlichen Darstellungstraditionen verbunden waren, könnte man sagen, dass Henners Ikonografie Anspielungen auf Fabiolas patrizischen Hintergrund mit den christlichen Tugenden verschmolz, die sie durch ihre Busse, karitativen Werke und Frömmigkeit erlangte.


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von Amateuren, wie die erhebliche Bandbreite der in ihnen zum Ausdruck kommenden technischen Fertigkeiten zeigt. Auch wenn sie der Kunstfertigkeit entbehren, die man von einem professionellen Künstler erwartet, sind es oft gerade diese technischen Unzulänglichkeiten, die die besten unter diesen Werken so aussergewöhnlich erscheinen lassen. Zu den weiteren Unterschieden, die jeden noch vorhandenen Eindruck von Einheitlichkeit innerhalb der Gruppe unterminieren, zählt die Art und Weise, in der einige dieser Maler, bewusst oder unbewusst, das standardisierte Schema bereicherten, indem sie dem Bildnis Züge eines anderen, manchmal lebenden, häufiger jedoch wahrscheinlich idealen oder imaginären Modells hinzufügten. Eine ungewöhnlich grosse Palette an Werkstoffen trägt zusätzlich zur Vielfalt der Sammlung bei: Vertreten sind Ölmalerei, Gouache, Stickerei, Emaille, Gips, Keramik und in einem besonders bemerkenswerten Fall sogar Samen und Bohnen. Fabiola, der in den Jahrhunderten nach ihrer Heiligsprechung 537 n. Chr. zunächst wenig Aufmerksamkeit im kirchlichen Pantheon zuteil geworden war, entging dem Vergessen schliesslich auf jener Rekatholisierungswelle, die im 19. Jahrhundert über Europa hinwegrollte. Die biografische Schilderung des frühen Kirchenvaters Hieronymus, ihres ersten Fürsprechers, war kurz und bündig. Die adelige römische Matrone Fabiola verliess ihren lasterhaften Ehemann und heiratete erneut, wurde jedoch schon wenige Jahre später Witwe. Nachdem sie zum Christentum übergetreten war und öffentlich Busse für die Sünde des Ehebruchs getan hatte, widmete sie den Rest ihres Lebens wie auch ihres Vermögens karitativen Werken und gründete im späten vierten Jahrhundert am Stadtrand von Rom das erste Krankenhaus für Arme und Bedürftige. Doch ihr Aufstieg zur Kultfigur begann erst in den 1850er Jahren, nachdem eine spektakulärere Version ihrer Geschichte publiziert worden war. Fabiola oder die Kirche der Katakomben wurde bald zum Bestseller und von Generationen hierfür besonders empfänglicher junger Gemüter verschlungen. Der romantische historische Roman im links: Nr. 185 Catalogue raisonné (Francis Alÿs. Fabiola: An Investigation, hrsg. von Lynne Cooke und Karen Kelly, New York: Dia Art Foundation, 2008), Datum unbekannt, Körner, Samen und Bohnen auf Tafel oder Brett aus Holzverbundstoff, 56.5 · 43.8 · 3.5 cm, Provenienz: Mexiko, 2004, Schenkung. rechts: Umschlag von Kardinal Wisemans Roman Fabiola, veröffentlicht von Editorial Diana, Mexiko-Stadt, 1953.


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populären Stil eines Sir Walter Scott stammte von Kardinal Nicholas Wiseman, einem führenden Vertreter der Rekatholisierungsbewegung in England. Neben ihrer Rolle als Beschützerin misshandelter Frauen ist Fabiola auch die Schutzheilige der Krankenschwestern. Ihre weitverbreitete Verehrung spiegelt daher möglicherweise nicht nur die Popularität von Wisemans reisserischer Geschichte wider, sondern auch die in dieser Zeit wachsende Bedeutung des modernen Berufs der Krankenschwester, dessen Ideale etwa in der heroischen Selbstaufopferung einer Florence Nightingale zum Ausdruck kamen.3

links: Edward Jakob von Steinle, Fabiola, 1855, Öl auf Leinwand, 32 · 26.5 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main. rechts: Eine Serie von 254 Clasicos de Lujo-Streichholzschachteln, die Mitte 20. Jahrhunderts überall in Mexiko verkauft wurden, zierten bekannte Gemälde Alter Meister. Die erste Schachtel der Serie ist, noch vor Werken von Velázquez, Tizian und anderen, Henners Fabiola gewidmet.

Vielleicht gerade deshalb, weil sie sich insbesondere bei Frauen grosser Wertschätzung erfreute, wurde Fabiola nie zum Gegenstand offizieller oder öffentlicher Verehrung in Gestalt ihr gewidmeter Orte und Schreine. Ihre Verehrung blieb auf die Ebene des privaten, sprich persönlichen Bittgebets beschränkt. Das mag auch der Grund dafür sein, dass Henners einfaches Kopfbild keine Ausschmückung durch narrative Varianten erfuhr, etwa Szenen, in denen Fabiola Kranke pflegt, wie dies beispielsweise bei der heiligen Elisabeth von Ungarn der Fall war, die ihr Leben auf ähnliche Weise den Armen und Schwachen widmete.4 Spätere Künstler orientierten sich stark an Henners richtungsweisendem Porträt. Wenn das getreue Festhalten an den wesentlichen Zügen einer Ikone ihre Wirkmächtigkeit gewährleistet, sind Spuren subjektiver oder expressiver Verzerrung vermutlich eher ungewollt als beabsichtigt. Doch obgleich sie sich an die strikte Vorgabe hielten, bemühten sich viele Maler um eine naturalistische Darstellung, um ihrem Modell eine gewisse Intimität und einen zeitgenössischen Charakter zu verleihen.

3 Die einzige der Verfasserin bekannte andere ikonografische Darstellung Fabiolas stammt von Edward Jakob von Steinle, ein Ölgemälde, das 1855, ein Jahr nach der Publikation von Wisemans Buch, entstand und sich heute in der Sammlung des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt a.M. befindet. 4 Fabiola, die Namenspatronin vieler Frauen in Mexiko und Bel­gien, einschliesslich der belgischen Königswitwe, war auch Gegenstand zweier Filme, die beide auf dem Roman von Kardinal Wiseman beruhen, der eine stammt aus dem Jahre 1918 (Regie Enrico Guazzoni), der andere von 1949 (Alessandro Blasetti). Siehe auch Fabiola Santiago, „St. Fabiola: An Art Exhibit Reminds a Cuban Exile How She Learned to Appreciate Her Name“, in: The Miami Herald, 2. Februar 2008, S. 1E.


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Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich Kopien von Henners Bild sowohl in gedruckter als auch in gemalter Form, und weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein führte das populäre Interesse zu einem beachtlichen Markt für fotografische Reproduktionen.5 Handgemalte Fassungen von professionellen Künstlern wie von Amateuren finden ebenfalls weiter ein kaufwilliges Publikum. Obwohl einige der Werke in dieser Sammlung, die aus Städten überall in Westeuropa und Lateinamerika stammen, eine Patina auf5 Bis vor kurzem verkaufte der weisen, zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass die Louvre Reproduktionen dieses Werks, eines Dauerbrenners meisten von ihnen in den letzten Jahrzehnten erst entbeim Publikum. Hinsichtlich standen. Nicht selten trugen Zufälle der Geschichte aktueller Diskussionen zu zum künstlichen Alterungsprozess bei. Der Rahmen Darstellungen Fabiolas siehe Antiques and the Arts Online, beraubt, die sie früher grösser machten und zugleich http://antiquesandthearts.com/ schützten, haben viele Bilder abgeschabte Ränder oder forumresponse.asp (aufgerufen am 9. März 2011). sind auf andere Weise beschädigt. Keines von ihnen 6 aber wurde Gegenstand jener Restaurierungsbemü„Flohmärkte sind Schwarze Löcher des Bezeichneten“, hungen, die gewöhnlich den Kunst­werken zuteilwerargumentiert Cuauhtémoc Medina den, die sich hoher Wertschätzung erfreuen. Kurzum, eloquent, „Orte, wo Objekte ihre ererbten Bedeutungen verlieren, man hat keinen Versuch unternommen, den Umstand, die ihnen ein Gefühl der dass sie in Ungnade gefallen sind, zu beheben und jene Zugehörigkeit gaben, wo sie neue Bedeutungen erlangen, indem sie Gebrauchsspuren zu verbergen, die fast alle auf die übin andere Hände übergehen.“ lich sorglose Handhabung der Objekte auf Flohmärk(Cuauhtémoc Medina, „Fabiola: Who [doesn’t] know[s] her?“, in: ten und an ähnlichen Orten herrühren. Ihr niedriger Fabiola [Mexiko-Stadt: Curare, Status bleibt unbestritten.6 1994], S. 11.) 7 Traditionell wurden Kopien von professionellen Künstlern oder Lehrlingen angefertigt, die die untergeordnete Aufgabe übernahmen, eine Fassung eines altmeisterlichen Gemäldes anzufertigen, um auf diese Weise ihre manuellen Fertigkeiten zu erlangen oder zu verfeinern oder ihre Beherrschung eines bestimmten künstlerischen Stils oder Idioms unter Beweis zu stellen. Alternativ hierzu wurden Kopien von Sammlern in Auftrag gegeben, die ihre eigene Fassung oder Replik eines gefeierten Meisterwerks besitzen wollten, ja selbst von neu gegründeten Institutionen, die ihr mit Kunst wenig vertrautes Publikum auf diese Weise unterweisen wollten. Als Mittel, die den Geschmack ungeübter Betrachter ent­ sprechend den durch den akademischen Kanon etablierten Standards und Werten bilden konnten, erfüllten solche Kopien einen pädagogischen Zweck.

Gängige Unterscheidungen zwischen Werken der schönen und solchen der angewandten Künste verschwimmen in der Sammlung von Alÿs teils auch wegen der ungewöhnlich grossen Bandbreite an Werkstoffen und an Bildträgern. Glas und Samt finden sich darin ebenso wie die gebräuchlicheren Materialien Leinwand und Holz. Obwohl man die meisten dieser Bilder buchstäblich als Kopien nach dem Gemälde eines Alten Meisters beschreiben könnte, ist es unwahrscheinlich, dass sie aus den üblichen, pädagogischen Gründen angefertigt wurden. Sowohl das rudimentäre Niveau der technischen Fertigkeiten als auch die Tatsache, dass Henner in Vergessenheit geraten war, sprechen gegen eine solche Annahme.7 Vermutlich erfüllten sie eher funktionale Bedürfnisse. Der einzigartige Charakter dieser Sammlung verdankt sich daher einer Kombination von Faktoren: Sie konzentriert sich auf ein einzelnes Sujet, alle Exemplare sind von Hand gefertigt, und die meisten waren als Andachtsbilder konzipiert.

Schon in den ersten vorläufigen Diskussionen über die Ausstellung seiner Sammlung machte Francis Alÿs bestimmte Vorgaben hinsichtlich ihrer Präsentation. Sie sollte weder in herkömmlichen „White Cube“Ausstellungsräumen, wie sie bei der Inszenierung modernistischer und zeitgenössischer Kunstwerke die Regel sind, noch in den roh belassenen Lagerhausräumen jenes Typs installiert werden, der im Allgemeinen für Installationskunst seit den 1960er Jahren bevorzugt wird. Stattdessen schlug er einen historisierenden Kontext vor, wie er gemeinhin den Gemälden Alter Meister vorbehalten ist. Bis heute wurde die Sammlung in vier völlig unterschiedlichen Institutionen gezeigt: der Hispa-


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nic Society of America in New York City (wo die Ausstellung von September 2007 bis Anfang April 2008 zu sehen war), dem Los Angeles County Museum of Art (September 2008 bis März 2009), der National Portrait Gallery in London (Mai bis September 2009) und der Abadia de Santo Domingo de Silos in Nordspanien (Oktober 2009 bis Februar 2010). An all diesen Orten wurden die Werke im Stil der Salons in ein oder zwei abgetrennten Galerieräumen installiert, deren Dekor, wenngleich auf die Bedürfnisse der Sammlung zugeschnitten, ein Echo auf ihren breiteren Kontext bildete. Die Präsentation von Alÿs’ Werken während dieser Ausstellungen provoziert Deutungen, die durch die Rahmenbedingungen – die Strategie, Programmatik und Politik der gastgebenden Institution – sowie durch umfassendere kulturelle Belange gefiltert und geprägt sind.8 Die Hispanic Society, der Schauplatz der New Yorker 8 Jede Präsentation wurde von Ausstellung, wurde im frühen 20. Jahrhundert von Ar- Auszügen aus dem Bestands­ cher Huntington, einem privaten Mäzen, gegründet. katalog von Alÿs Sammlung in dem der übliche Die der Kultur und Geschichte der Iberischen Halbinsel begleitet, kunsthistorische Apparat auf die gewidmete Gesellschaft umfasst eine Forschungsbiblio- einzelnen Werke darin an­wurde, auch wenn diese thek und verschiedene Sammlungen quer durch die gewandt grössten­teils anonymen Expo­Geschichte der Bildenden Künste seit der Jungsteinzeit. nate nur dürre Stammbäume und Alÿs’ Werke wurden in einem mit dunklem Holz getä- schmale Provenienzangaben aufweisen. Interessant eher felten Annex installiert, in dem normalerweise spani- aufgrund seiner verschiedenen sche Gemälde aus dem 19. Jahrhundert und lokales Details als wegen seiner Fähigkeit, legitimierende Autorität zu Kunsthandwerk wie Steingut und Textilien aus den verleihen, hat dieses Nachweisländlichen Regionen des Landes ausgestellt sind. Hier system durchaus etwas Parodistisches. wie auch andernorts in dieser Institution wurden die 9 Artefakte typologisch angeordnet und weniger nach Francis Alÿs’ konzeptuell motivierte künstlerische Praxis Prinzipien der Kunstkennerschaft oder aufgrund von ist mit keinem unverkennbaren chronologischen oder historiografischen Modellen. Auf Stil verbunden. Da er projekt­ bezogen arbeitet und jede orts­diejenigen Besucher, die wegen Alÿs’ Projekt kamen, bezogene Arbeit einen bestimmten wirkte diese Präsentation der Fabiola-Bilder fast schon Inhalt und eine bestimmte Formen­sprache annimmt, konnten ethnografisch, insofern man sich ihnen auf ähnliche selbst unter seinen best­ Weise nähern konnte wie den daneben befindlichen informierten Anhängern nur die Natur und den Umfang Objektgruppen.9 Gleichzeitig konnte man die Samm- wenige dieser ortsspezifischen lung auch als das Ergebnis einer hochspezialisierten, Interventionen vorausahnen, ihrem Inhalt ganz zu wenn auch etwas exzentrischen Sammlungspolitik je- von schweigen. ner Art begreifen, die den eigenwilligen Gründer der Hispanic Society bei seiner alles verschlingenden Suche nach Exponaten antrieb. Diese Institution, bei der es sich weder um eine Wunderkammer noch um ein nach heutigen Vorstellungen konzipiertes Museum handelt, ist von der Aura eines vergangenen Zeitalters um­ geben – desselben Zeitalters, in dem Henners Gemälde Kultstatus erlangte. Einem unaufmerksamen Besucher konnte die Fabiola-Sammlung daher leicht als ein integraler Bestandteil einer etwas entrückten Domäne erscheinen. Einen ganz anderen Kontext stellte das Los Angeles County Museum of Art bereit, das über eine enzyklopädische, viele verschiedene Kulturen und Zeitalter umfassende Sammlung von Kunstwerken verfügt. Hier wurde Alÿs’ Projekt in Ausstellungsräumen installiert, die unmittelbar an die Säle der Alten Meister angrenzten. Die Besucher konnten sich übergangslos zwischen den beiden Bereichen hin- und herbewegen, als seien die konventionellen Grenzen zwischen Meisterwerken und Gesellenarbeiten irrelevant geworden, als habe man das kunsthistorische


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Regiment, das von Fragen der Urheberschaft, Provenienz, Authentifikation und Zuschreibung dominiert wird, zeitweilig gelockert. Abgesehen von wenigen Eingeweihten wurde das Ausbleiben der Voraussetzungen, von denen Objekte in einer solchen Umgebung üblicherweise begleitet werden, die Klärung der Herkunft etwa oder der Erhalt des ursprünglichen Zustandes, von den meisten Besuchern schlicht nicht wahrgenommen. Allein die Kraft der Bilder genügte vollauf, um die Präsenz der Sammlung in dem erlesenen Kontext zu bestärken. Begegnete man ihnen en masse in der National Portrait Gallery, wo sie in den Wechselausstellungsräumen präsentiert wurden, luden Alÿs’ Bildnisse zu anderen Mutmassungen und Analysen ein. Da die Bestände der National Portrait Gallery auf Darstellungen nachweislich historischer Gestalten beschränkt sind, gibt es kaum Porträts ikonischer religiöser Gestalten in dieser Sammlung. Im Fall von Persönlichkeiten, die in der fernen Vergangenheit lebten, bleibt manchmal sogar offen, ob die mit ihnen in Verbindung gebrachten Werke sie auch tatsächlich darstellen. Somit unterliegt auch die Art und Weise, in der Ähnlichkeit zum Ausdruck kommt, wechselnden historischen Kriterien. In Anbetracht der stilisierten Allgemeingültigkeit von Henners Darstellung und ihrer imaginären Beziehung zu ihrem fernen Sujet überrascht es nicht, dass es in der Portrait Gallery kein Werk gibt, das irgendeinem der Fabiola-Bildnisse ähnelt. Mit Bildern von zeitgenössischeren Personen – prominenten Filmstars und Popsängern – verbindet sie mehr. Bezeichnenderweise erliegen heute Künstler und Fotografen jedwelchen Rangs und jedwelcher Überzeugung – von den Paparazzi bis zu den offiziellen Porträtisten, die routinemässig damit beauftragt werden, staubigen Würdenträgern ein Nachleben zu sichern – dem Glamour der Medienstars und entrichten ihren Tribut, wie das Renommee von Andy Warhols unnachahmlicher Gold Marilyn (1962) deutlich macht. In diesem Kontext betrachtet, erhalten Alÿs’ Bilder von Fabiola einen zeitgenössischen Charakter, der an keinem der anderen Schauplätze, in denen sie bislang ausgestellt wurden, vorstellbar war. In Silos hielt Fabiola erstmals Einzug in eine religiöse Institution. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Klosterkirche enthält nur eine Kapelle, die einem bestimmten Heiligen gewidmet ist. Der Leichnam von Santo Domingo, dem Schutzheiligen der Abtei, ruht vor einem Altar in einer Seitenkapelle, zu der nur die im Kloster lebenden Mönche Zutritt haben. Jeden Abend nach der Vesper zollen sie ihm stumme Huldigung, indem sie an seinem Grab vorbeischreiten. (Mehrere Andachtsbilder anderer Heiliger finden sich in der Forschungsbibliothek der Abtei und einem kleinen, öffentlich zugänglichen Museum.) Alÿs’ Sammlung wurde in einem ehemaligen unterirdischen Lagerraum gezeigt, der in einen Ausstellungssaal für zeitgenössische Kunstprojekte umfunktioniert worden war.10 Im Kreuzgang befinden sich die berühmten Skulpturen aus dem 11. und 12. Jahrhundert, dank derer die Abtei ein nationales kulturelles Wahrzeichen und ein touristischer Anziehungspunkt wurde. Wie die meisten Besucher der anderen drei Institutionen, in denen die Fabiola-Gemälde gezeigt wurden, kam ein Grossteil des Publikums nicht wegen Alÿs’ Projekt hierher, ja dürfte die Präsentation gar 10 nicht als Kunstprojekt erkannt haben, da man sie Das Museo Reina Sofia in Madrid leicht, und durchaus zutreffend, als eine Zurschaustelveranstaltet hier seit mehr als zwanzig Jahren Ausstellungsprolung von Devotionalien begreifen konnte. Typische Unjekte zeitgenössischer Kunst. terscheidungen wie etwa die zwischen Objekten, die

Filmplakat von Fabiola in der Regie von Alessandro Blasetti, erschienen 1949.


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für die öffentliche im Gegensatz zur privaten Verehrung geschaffen wurden, zwischen volkstümlichen und etablierten Andachtsformen oder zwischen Kunstwerken mit religiösen Inhalten und religiösen Artefakten mit starken ästhetischen Eigenschaften lassen sich unter solchen Bedingungen nur schwer aufrechterhalten.

links: Haubenköpfe, meist Paris, Mitte 19. Jahrhundert, Pappmaché bemalt. rechts: Ofenmodelle, 17. bis 19. Jahrhundert, Irdenware grün glasiert und Fayence mit Aufglasurmalerei, Höhen zwischen 20 cm und 34 cm.

In Basel nun stellt sich die Situation wieder anders dar. Unter der Schirmherrschaft des Schaulagers und mit Hilfe des Historischen Museums der Stadt wurde die Sammlung im Haus zum Kirschgarten installiert. Dieses zwischen 1775 und 1780 errichtete repräsentative Bürgerpalais ist heute ein Wohnmuseum. Die Hälfte seiner fünfzig Räume ist historischen Präsentationen gewidmet, die die Sozial- und Kulturgeschichte der Stadt über mehr als ein Jahrhundert reflektieren. In den übrigen Räumen befinden sich diverse Sammlungen von angewandter Kunst, bescheideneren Objekten heimischer Produktion und lokalem Kunsthandwerk. Zu den Schätzen des Hauses zählen Fayencen und Porzellan, Uhren, Puppenhäuser, Marionetten und Spiele sowie eine Gruppe von Pappmaché-Ständern in Form von Frauenköpfen, welche in Hutläden zur Präsentation von Hüten und Hauben dienten. Während die ursprüngliche Anordnung der Räume des Hauses sich grösstenteils erhalten hat, sind seine beweglichen Einrichtungsgegenstände verloren gegangen. Die historischen Räume, die den Lebensstil des Eigentümers oder seiner Zeitgenossen heraufbeschwören, sind mithin Rekonstruktionen; andere spiegeln den Geschmack der Haushalte späterer Zeitalter wider, in denen Biedermeier und Jugendstil Mode wurden. Bei ihrem Rundgang durch das Haus gelangen die Besucher von einer ausgefeilten Inszenierung häuslichen Lebens in die nächste, sind sich


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im einen Moment des Vergehens der Zeit bewusst und tauchen im nächsten völlig in die spezifische Atmosphäre eines bestimmten Dioramas ein. Charakteristischerweise bringt ein Gang durch das Museum die grundlegende zeitliche Kluft zwischen einem Ereignis und seiner Reproduktion zum Verschwinden. Während die verschiedenen vergangenen Epochen in der Gegenwart wiederbelebt werden, verschwimmen deren ontologische Abstände. Die Entdeckung einer Darstellung Fabiolas auf einer Miniatur, die in einem Salon auf einem Beistelltischchen liegt, oder in Gestalt eines Ohrringpaars in einer Schmuckschatulle im Ankleidezimmer einer Dame oder aber als Andachtsbild an einer Schlafzimmerwand mag zunächst nicht befremdlich erscheinen. Selbstverständlich ist ihre Präsenz in diesem Kontext anachronistisch, schuf Henner sein einflussreiches Porträt doch erst in den späten 1880ern. Auch wenn es historisch nicht vorstellbar ist, dass dieses spezifische Motiv sich in einem dieser frühen historischen Räume befand, sind derartige Einwände gegenstandslos. Fabiolas Präsenz hier ist em­ blematisch, ihr Eindringen in diese historischen Räume regt dazu an, umfassendere kulturelle Sachverhalte zu erkunden, die sich um Fragen der Authentizität und Repräsentation drehen. Einige dieser Themen gehören ganz zentral zur Identität des Wohnmuseums, andere sind spezifisch für den Basler Kontext. Wie etwa liesse sich eine persönliche Anbetung, notabene einer katholischen Heiligen, in einer Stadt privat zum Ausdruck bringen, in der mächtige Kaufmannsgilden den kirchlichen Autoritäten die Herrschaft über die Stadt schon vor Jahrhunderten entwunden hatten und in der Manifestationen des protestantischen Glaubens seit langem im Wesentlichen eine Privatangelegenheit waren. Andere Fragen betreffen die Museologie, die Praktiken und Regeln, die die Typologie des historischen Museums bestimmen. Vermengen die zeitlichen Taschenspielertricks, die dem Abschreiten der Räume des Hauses zum Kirschgarten seitens des Besuchers zugrunde liegen, Fakt und Fiktion, das Diorama mit dem Historischen Raum? In dem gesamten ausgedehnten Palais wurden Gruppen von Bildern der Fabiola auch in Neben- und Durchgangsräumen installiert. Dort treten sie in einen Dialog mit den taxonomischen Sammlungen von Uhren, Ofenmodellen und Haubenständern. Obwohl die einheimischen Traditionen, aus denen diese sehr vielfältigen Typen von Kulturrelikten hervorgegangen sind, sich stark voneinander unterscheiden, verdeutlicht ihre Gegenüberstellung das Problem, auf welche Weise die Vergangenheit bewahrt wird und wer darüber entscheidet, was von ihr ausgewählt wird. Welche Rolle hat der Zufall oder eine glückliche Eingebung bei der Rettung dieser Objekte gespielt? Wie tragen die akademische Forschung, institutionelle Strategien und individuelle Planung zu ihrer Bewahrung bei? Heute ist der Wert materieller Archive und kultureller Vermächtnisse jener Art, wie sie im Haus zum Kirschgarten beispielhaft verkörpert sind, zunehmend umstritten. In einem Zeitalter, in dem die virtuelle Erfahrung eine beispiellose Macht und Allgegenwart erlangt hat und die historische Amnesie grassiert, werden die traditionellen Rollen von Institutionen wie dem Historischen Museum Basel einer Revision unterzogen, sogar ihre Existenz selbst wird in ­Frage gestellt. In den letzten vier Jahrzehnten haben sich Interventionen zeitgenössischer Künstler in Museen jeglichen Typs zu vertrauten ästhetischen Strategien entwickelt, ja so routinemässig wird diese inzwischen als

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Cartel-Uhr, Basel, um 1800, Gehäuse von Aubert Joseph Parent (1753 –1833), Holz geschnitzt, hellgrau und in verschiedenen Goldtönen gefasst, mit allegorischer Darstellung des Triumphs der Liebe über den Tod, Inv. Nr.1988.87.


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Institutionskritik bekannte Praxis mittlerweile betrie- 11 Douglas Crimp, „This Is Not a ben, dass sie zu einer allgemein akzeptierten Kategorie Museum of Art“, in: Marcel des kunsthistorischen Studiums geworden ist. Typi- Broodthaers, New York: Rizzoli, Verbindung mit dem scherweise untersuchen derartige Interventionen die in Walker Art Center, Minneapolis, Machtbeziehungen sowie die dem Museum inhärenten 1989, S. 72. Es ist kein Zufall, ideologischen und disziplinären Codes. Deren Genealo- so Crimp, dass die „institutionelle ‚Überbewertung‘ der Kunst einen gie, die ihren Ursprung in den radikal ortsspezifischen sekundären Effekt hervorrief, und ortsbezogenen Werken Michael Ashers, Hans Haa- den Benjamin als der Zerfall der Kultur in Güter beschrieb ckes und Marcel Broodthaers der späten 1960er hat, bie- und den Broodthaers als die tet einen gebrauchsfertigen Filter für die Interpreta­ Transformation von Kunst in Ware“ bezeichnete (S. 80). tion von Alÿs’ Projekt. Mit seinen ebenso gefeierten wie irritierenden „Museumsfiktionen“ wollte der gebürtige Belgier Broodthaers nach Auffassung Douglas Crimps „die wahren historischen Bedingungen des Sammelns, so wie sie heute existieren, offenlegen“.11 Broodthaers’ Musée d’art moderne, Département des Aigles (1968–72) wurde ein facettenreiches Projekt, eine gewaltige Sammlung verschiedenartiger Artefakte, Kunstwerke und Reproduktionen, die allein durch das ihnen allen gemeinsame Motiv – den Adler – miteinander verbunden waren. Die Präsentationen des erstmals 1968 im Atelier des Künstlers in Brüssel als Assemblage von Verpackungskisten und Postkarten ausgestellten Werks gipfelten 1972 in Kassel auf der Documenta 5. So faszinierend die einzelnen Objekte in diesem absurd kakophonen Ensemble waren, bildeten sie doch letztlich nur den Vorwand für das umfassendere Bestreben des Künstlers, museumswissenschaftliche Strukturen und Praktiken zu dekonstruieren, zu destabilisieren und zu demontieren. Als Bruchstücke einer flexiblen, aber gleichwohl bedrohten kulturellen Praxis dienen Alÿs’ Flohmarktfunde ganz anderen Zielen als denen, für die Broodthaers seine heterogenen Zeichen einsetzte. Die Orte, an denen Alÿs’ Sammlung präsentiert wurden, sind hinsichtlich der Bandbreite und Vielfalt, mit denen sie Themen aufzeigen, die sowohl die jeweilige Situation als auch den umfassenderen institutionellen Diskurs betreffen, sorgfältig ausgewählt. Allerdings hat Alÿs seine Funde nicht aus diesem Grund zusammengetragen. Wenngleich die öffentliche Zurschaustellung dieser Werke es ermöglicht, museologische, kunsthistorische und andere fachspezifische Fragestellungen kritisch zu beleuchten, so war dies nicht sein ursprüngliches Anliegen. Nicht sie waren es, die ihn zu dieser Sammlung motivierten. Vor allen Dingen geht es Alÿs um das Bild der Fabiola und seine Weiterverbreitung in der Kultur (eine Weiterverbreitung, der die meisten Kunsthistoriker und Kulturtheoretiker gleichgültig gegenüberstehen). Seine Forderung, die Sammlung an historisierenden Schauplätzen auszustellen, ist folglich ein interpretatorisches Manöver, mit dem die Aufmerksamkeit wieder auf das Bild der Fabiola zurückgelenkt werden soll. Nur eine solche Kontextualisierung, so sein Argument, kann den schwer fassbaren Prototyp erhellen, der immer irgendwie unter den unzähligen Annäherungen gegenwärtig ist. In dieser Hinsicht bietet er ein Echo auf Broodthaers Neigung zur irritierenden Geste. Doch im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der mit seinen Strategien dekonstruktive ideologische Ziele verfolgte, hat Alÿs’ Ansatz eine andere kulturelle Dimension. Da sein Augenmerk den Objekten – in ihren Rollen und Identitäten – als materiellen Artefakten gilt, geht es ihm letztlich um eine genaue ethnografische Untersuchung. Im Verlauf der Jahre hat er sich immer wieder gefragt: „Warum gerade dieses Bild? Was gibt ihm diese Widerständigkeit […] erst die me-


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12 Francis Alÿs, E-Mail an die Verfasserin, 17. Juli 2007. 13 Siehe Olivier Debroise, „Entry and Exit: A New Internalization of Mexican Art 1987 –1992“, in: La Era de la Discrepancia: Arte y cultura visual en México / The Age of Discrepancies: Art and Visual Culture in Mexico, 1968 –1997, hrsg. von O. Debroise, Mexiko-Stadt: Universidad Nacional Autónoma de México, 2006, S. 338 –347.

chanische Reproduktion, und jetzt die digitale Reproduktion? Ist das Ritual/der Akt des Malens erforderlich, um dem Bild seine Aura zu verleihen? Wodurch wird es eine Ikone, ein Objekt jenseits irgendwelcher Geschmacksfragen? Wie hat es als Erinnerung an eine Kunstszene gedient, die völlig parallel zu und separat von, sagen wir, ‚unserer‘ existiert, eine mit ihren eigenen Bezügen und Obsessionen?“12

2 Einige Jahre nachdem er nach Mexiko-Stadt umgesiedelt war und seinen Architektenberuf aufgegeben hatte, beschloss Francis Alÿs, eine eigene Kunstsammlung aufzubauen. Als junger Künstler mit begrenzten Mitteln zeigte er sich von diversen Formen kunstgewerblicher Produktion fasziniert und entwickelte ein Interesse für die Struktur und die Rolle des (Kunst-)Markts hinsichtlich seines Einflusses auf die Produktionsökonomie.13 Er beschloss daher, eine Sammlung „handgemalter“ Kopien von Meisterwerken westlicher Kunst aufzubauen, die er auf den von ihm gerne besuchten Flohmärkten und in Antiquitäten- und Trödelläden zu finden hoffte. Doch schon bald stellte er fest, dass er dort nicht auf Gesellenarbeiten nach Raffaels Sixtinischer Madonna, Jean-François Millets Angelus und ähnlichen Werken stiess, von denen er angenommen hatte, Kopisten würden sie bevorzugen, sondern auf Bilder einer jungen Heiligen, bei der es sich, wie er schon bald erfuhr, um Fabiola handelte. Die meisten seiner frühen Erwerbungen waren Zufallsfunde, die er an so weit voneinander entfernten Orten wie Maastricht und Mexiko-Stadt gemacht hatte. Später ergänzten Kollegen und

Fabiola: Una investigación de Francis Alÿs, en colaboración con Curare, Espacio Crítico para las Artes. Installation im Curare, Mexiko-Stadt, September–Oktober 1994.


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Bekannte seine Fundstücke um ihre eigenen. Alÿs’ gewollt unspektakuläres Unterfangen, das als bescheidene, fast beiläufige Suche begann, entwickelte sich auf unerwartete Weise. Es war keineswegs beendet, nachdem die Grenzen einer auf die häuslichen Bedingungen zugeschnittenen Sammlung erreicht waren, sondern es geht weiter – mit offenem Ende. Es gibt keinen unvermeidlichen, ja auch nur vorstellbaren Abschluss dafür. Mit der Kopie als dem ihr zugrundeliegenden Prinzip bevorzugt Alÿs’ Sammlung eindeutig die Replik gegenüber dem Original, das Anonyme gegenüber dem Altbekannten, das Kunsthandwerkliche oder Amateurhafte gegenüber dem Professionellen und das Triviale oder den Kitsch gegenüber dem Kostbaren. Die Bewunderung unbekannter oder anonymer Wertarbeit steht durchaus im Einklang mit seiner künstlerischen Praxis, da er seit langem mit (Kunst-)Handwerkern unterschiedlicher Art zusammenarbeitet, deren Fertigkeiten er je nach Bedarf mit seinen eigenen kombiniert und austauscht. Die Neuausrichtung der rasch wachsenden Sammlung zu einem Untersuchungsprojekt entspricht seiner Bereitschaft, das Konzept jedes Projekts einen zu Beginn desselben noch nicht völlig vorhersehbaren Verlauf nehmen zu lassen. Alÿs, der erstens davon verblüfft war, wie wenig dieses ikonografische Thema in der professionellen Kunstwelt bekannt war, und zweitens darüber, wie häufig und geografisch weit verbreitet das Motiv ist, merkte, dass er es nicht nur mit einer alternativen Ökonomie zu tun hatte, sondern mit eindeutigen, wenn auch nicht allgemein geläufigen Kreisläufen ästhetischer Wertschätzung (und spirituellen Glaubens).

Umschlag von Fabiola, veröffentlicht vom Curare, Mexiko-Stadt, 1994.

Die Verwandlung eines sehr persönlichen Ansatzes beim Aufbau einer Privatsammlung in eine Untersuchung kulturhistorischer Fragen kristallisierte sich anlässlich der ersten Präsentation der Fabiolas heraus.14 Innerhalb des kurzen Zeitraums von zwei Jahren hatte Alÿs 28 Exemplare erworben. Im September 1994 wurden sie im Curare, einem avantgardistischen Ausstellungsort in Mexiko-Stadt, über das ganze Gebäude verteilt gezeigt, im Treppenhaus und Büro ebenso 14 Der prägende Einfluss eines wie in der eigentlichen Galerie. Der Kunstraum Cura- Forschungsprojekts, das Alÿs re, der in den späten 1980ern von einer untereinander Mitte der 1980er Jahre in Venedig seine Abschlussarbeit eng verbundenen Gruppe von Künstlern, Kunsthistori- für als Student der Architektur und kern, Kritikern und Theoretikern gegründet worden Stadtplanung durchführte, sollte Nachdenken über die war, verband diskursive Untersuchungen mit Ausstel- beim Neukonzipierung des Fabiolalungsprogrammen, Vortragsreihen, Dokumentation Projekts als „Untersuchung“ und Forschung. Alÿs’ unter dem Titel „Fabiola: Una in- nicht unterschätzt werden. Gegenstand dieser Studie war vestigación de Francis Alÿs, en colaboración con Cura- die symbolische wie auch re, Espacio Crítico para las Artes“ präsentierte Inter- tatsächliche Vertreibung von Tieren im Allgemeinen und vention wurde von drei der Gründer von Curare Hunden im Besonderen aus dem organisiert, nämlich von Flavio Gonzalez Rossetti, Pas- öffentlichen Raum im Veneto während der Renaissance, als La cale Rossignol und Olivier Debroise. Sie betrachteten Serenissima ihre noch weitgehend diese als „Projekt“, im Unterschied zu einer Ausstel- mittelalterlichen Stadtanlagen umzugestalten versuchte. lung, und unterstützten die Realisierung eines beschei- Die Stadt Palmanova wurde so aus denen Katalogs, dessen Umschlag aus Schrankpapier dem Nichts als das heraus­ragende Modell der idealen Stadt mit einer imitierten Holzmaserung bestand. Über eine projektiert. Alÿs bezog einen handschriftliche, mit Silbertinte gedruckte „Signatur“ Grossteil der Nachweise für diesen Ausschliessungsprozess aus klebte Alÿs eine kleine Reproduktion von Henners Por­ Bildmaterial, vor allem aus den trät. (Er hatte eine beträchtliche Anzahl dieser Bilder Gemälden jener Zeit. (Der grosse dieser Werke auf die in der Sakristei einer lokalen Kirche erworben und sie Einfluss Entwicklung seiner Bildsprache ist dann Stück für Stück auf den einzelnen Umschlägen vielfach bemerkt worden.)


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oben links: Nr. 20 Katalog Curare: „Dora, 1982. Adquirido en México, D.F., enero de 1995 (NS 180)”; Nr. 075 Catalogue raisonné (Francis Alÿs. Fabiola: An Investigation, hrsg. von Lynne Cooke und Karen Kelly, New York: Dia Art Foundation, 2008). oben rechts: Nr. 13 Katalog Curare: „Anónymo, Adquirido en Londres, Inglattera, Septiembre de 1993 (£ 5)”; Nr. 103 Catalogue raisonné. links: Nr. 17 Katalog Curare: „R.B., Adquirido en Maastricht, Holanda, noviembre de 1993 (obsequio)”; Nr. 066 Catalogue raisonné.


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befestigt.) Während Gestaltung und Herstellung die 15 Alÿs, „Fabiola, or the Silent Publikation eher wie ein Künstlerbuch als wie ein Kata- Multiplication“, in: Fabiola, log erscheinen liessen, widersprach der Inhalt diesem Mexiko-Stadt: Curare, 1994, S. 4. Eindruck. Die beiden darin enthaltenen Texte wurden 16 Ebd. auf Spanisch und Englisch abgedruckt. Der erste mit 17  dem Titel „Fabiola oder die stumme Vervielfältigung“ Medina, S. 11. 18 stammt von Alÿs selbst; er beschreibt darin seinen Ebd. Plan, für sich eine Sammlung von Kopien berühmter 19  Ebd., S. 12. Meisterwerke anzulegen, und seine Überraschung an- 20 gesichts des Resultats. „Fabiola liess ein anderes Krite- Die Idee, dass Kopieren ein generatives Potential in einer rium dafür erkennen, was ein Meisterwerk sein konn- zeitgenössischen Kunstpraxis te.“15 In Anbetracht dieser Erkenntnis scheint der (zurück-)gewinnen könnte, wurde von Alÿs bereits untersucht. letzte Satz seines kurzen Vorworts eine Prise Ironie zu Genau darum ging es ihm in enthalten. „Es ist eine Ehre für mich, meine Samm- einem gleichzeitig realisierten Projekt mit einer Gruppe von lung diesem gebildeten Publikum zu präsentieren.“16 rotulistas oder professionellen Der zweite, vom Kunstkritiker und Historiker Cuauhté- Schildermalern, deren Aktivitäten typisch für Mexiko-Stadt sind. moc Medina verfasste Text spürt der Abkehr von dem ursprünglichen Impuls detaillierter nach: Motiviert von einem Inter­ esse „an dem Prozess der Kopie und durch die Zirkulation von Bildern, die über etablierte Kunstkreise hinausgehen, schickte sich Alÿs an, das oder die Gemälde zu finden, welche(s) Durchschnittsmenschen am häufigsten als Reproduktionsvorlagen wählen“.17 Ohne die Ironie von Alÿs’ Fazit, doch in derselben Geisteshaltung sah Medina sich gezwungen einzuräumen: „Zweifellos ging diese Hypothese mit dem Vorurteil einher, dass sich der öffentliche Geschmack dieselben Referenzbilder aneignen würde, von denen Intellektuelle meinten, sie seien im­stande, eine gewaltige Popularität zu erzielen.“ Medinas Analyse des Bildes und seines Ursprungs endet mit folgenden Fragen: „Wie kommt es, dass wir diesen Geschmack nicht schon früher erkannt haben? Wie können wir dies an unsere vorgefassten Wertehierarchie anpassen?“18 Die davon losgelöste Frage des Status, ja der Definition einer Kopie erwies sich für den Künstler und den Kritiker als gleichermassen wichtig. „Jedes Mal, wenn sie neu gemalt wird, wird die Quelle als Referenz gelöscht“, bekräftigt Medina. „Das Original wird als ein Original reproduziert.“19 Dieser scheinbare Widerspruch ist in Wirklichkeit keiner, denn als Gemälde haben diese handgefertigten Artefakte die Aura und die Statur von Originalen, während sie als Anbetungsgegenstände oder Ikonen peinlich genau einen Prototyp nachbilden. Für einen Grossteil ihres beabsichtigten oder primären Publikums ist die Behauptung, diese Objekte seien Kopien, daher bedeutungslos.20 Die letzte Komponente in dieser aufschlussreichen Publikation ist ein Verzeichnis der 28 ausgestellten Objekte. Jeder Eintrag nennt den Namen des Künstlers (soweit bekannt), den Ort und das Datum der Erwerbung sowie der bezahlte Preis. Die teuerste Erwerbung war wahrscheinlich Nummer 20, bezeichnet „Dora 82“, erworben in Mexiko-Stadt 1994 für 180 mexikanische Pesos. Im Gegensatz hierzu kostete Nummer 13, ein anonymes, im September 1993 erworbenes Exemplar, 5 britische Pfund, und bei Nummer 17, signiert mit den Initialen „R. B.“, handelt es sich um eine dem Künstler im niederländischen Maastricht im November 1993 zuteilgewordene Schenkung. Die Liste verzichtet damit auf jene Art von Daten, die Kunsthistoriker und Museumskuratoren benötigen, also auf die Angabe von Format, Technik und Material, zugunsten von Informationen, die für den Sammler wie den Sozialhistoriker von vorrangigem Interesse sind.


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21 Mehrere Jahre zuvor hatte Alÿs ein Werk mit dem Titel The Collector gemacht, zu dem ein kleiner, magnetisch aufgeladener „Hund“ zählte, mit dem er in den Strassen der Innenstadt spazieren ging. Jeder dieser Spaziergänge war zu Ende, wenn das Tier vollständig mit den herrenlosen Metallteilen bedeckt war, die während ihrer Wanderungen zufällig an seinem Körper haften geblieben waren. Drei Jahre später schlüpfte der Künstler selbst in die ‚Titelrolle‘, indem er mit einem Paar magnetisch aufgeladener Schuhe durch die Strassen von Havanna lief. Die zentrale Idee, die beiden Projekten zugrunde liegt, ist die des Anhäufens von wertlosem Material, dessen Identität und Zusammenhang durch ein einziges schlichtes Kennzeichen, in diesem Fall magnetisch zu sein, definiert ist statt durch irgendeinen übergeordneten Zweck oder Plan. Strukturell besitzt dieses Modell dieselbe Form wie das Ausgangskonzept, das der Entstehung einer Sammlung zugrunde lag, nämlich alles zu sammeln, das ihm begegnete und in die eine einfache Rubrik einer hand­gefertigten Kopie eines Alten Meisters passte. 22 Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. V,1, hrsg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1982, S. 277.

Auch wenn Alÿs einräumt, dass diese Objekte in ihrer Gesamtheit eine Sammlung darstellen, schreckt er vor der Verwendung des Begriffs „Sammler“ zurück, um seine Beziehung zu diesem Material zu beschreiben, und zieht stattdessen den Ausdruck „Anstifter“21 vor. Darin impliziert ist die Idee des Anstachelns oder Vorantreibens, des Provozierens und Aufwiegelns, einer unbegrenzten Wirkung, eines Projekts ohne Antizipa­ tion eines Abschlusses und eines Akts der Initiation statt der Auflösung. In dieser Hinsicht ist der Anstifter die genaue Antithese zum persönlichen Sammler, jener seltenen Spezies, die Walter Benjamin so eloquent beschrieben hat. Für Benjamin ist der „wahre“ Sammler ein einzigartiger Typus, der „dessen Vollendung darstellt, insofern er die Befreiung der Dinge von der Fron, nützlich zu sein, verwirklicht“.22 Das heisst, indem er die Vollständigkeit und Integrität anstrebt, die für die Bildung einer persönlichen im Gegensatz zu einer lediglich privaten Sammlung wesentlich ist, macht Benjamins Sammler die von ihm begehrten Objekte nutzlos. So gesehen ist Alÿs der Antipode des Sammlers. Denn im Anschluss an das Curare-Projekt begann er sich mehr auf den ehemaligen Gebrauchswert – die Rolle und Funktion – dieser und ähnlicher losgelöster Artefakte zu konzentrieren. Die Präsentation im Kunstraum Curare wurde so zur ersten einer inzwischen als fortlaufend konzipierten Reihe von Ausstellungen der Sammlung an Orten, die als diskursive Rahmenordnungen fungieren. Ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl dieser Schau-

Francis Alÿs, Turista, 1994. Fotografische Dokumentation einer Aktion, Mexiko-Stadt.


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