bulletin Nr. 1/2014
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Nr. 1 2014
bulletin
Das Magazin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
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– Fokus 1
Ein Glaubensbuch
– Lesen, hören und sehen Sie Ihren Kirchenbund im bulletin online! www.sek.ch
für die Reformierte Kirche 32 – Reformationsjubiläum 44 – Bainvgnü a Scuol 54 – Weiter schlafen? Fokus 2
Sommerabgeordnetenversammlung 2014
80 Jahre Berner Erklärung des Kirchenbundes
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sulgenauweg 26 CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch
sek · feps Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
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– Editorial
eformierter Glaube
Das Unservater ist bekannt. Sie können es gewiss auswendig aufsagen. Es hat
unser Denken über Gott und den Glauben geprägt. Welche Fragen kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie dieses Gebet sprechen? Welche Antworten hat der reformierte Glaube darauf? In der Welt von heute, gegenüber Andersgläubigen, in Freud und Leid unseres Alltags? Wir haben uns dieser Herausforderung gestellt und veröffentlichen in Kürze das erste reformierte Glaubensbuch der Schweiz (Seite 25). Heute schon erhalten Sie einen ersten Einblick (Seite 6), lesen exklusiv einige Abschnitte (Seite 12), und erhalten begleitende Gedanken der sechs Autorinnen und Autoren des Glaubensbuches (Seite 16). Lebendige Vielfalt, die begeistert: die Reformation. 500 Jahre nach ihrem Beginn ist sie noch genauso bunt wie einst. Ab sofort ist das offiziell. Wir präsentieren das Logo des Reformationsjubiläums in der Schweiz (Seite 34). Und Sie können mitmachen! Basteln Sie Ihr eigenes R und zeigen Sie uns, wo es steht (wie es geht, steht auf Seite 37). Lesenswertes bringen wir Ihnen ausserdem zum Beispiel zur SommerAbgeordnetenversammlung in Scuol (Seite 44), zur Zukunft der Verfassungsrevision (Seite 48) und zum 80. Jahrestag der Berner Erklärung (Seite 54).
Eine anregende Lektüre wünscht
Kristin Rossier Vizepräsidentin des Rates
Titelbild: Mit dem Glaubensbuch und dem Start der Reformationsfeierlichkeiten präsentiert der Kirchenbund zwei wichtige Projekte der ausgehenden Legislatur.
4 bulletin Nr. 1/2014
– bulletin Nr. 1/2014
Themen dieser Ausgabe
UN R SE
Rede und Antwort stehen Glauben nach dem Unservater
VAE T
R
– Fokus 1
Ein Glaubensbuch für die Reformierte Kirche
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Rede und Antwort stehen Rückblick auf ein Experiment Vorabdruck
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– Die Autoren des Glaubensbuches schreiben Wie über den Glauben reden? von Käthi La Roche
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Was ist so spannend an der Bibel? von Marie-Christine Michau 18 Ich glaube doch – wozu dann noch Theologie? von Matthias D. Wüthrich
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«Trading zones» – Glaubensverhandlungen, von Otto Schäfer
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Ist der Glaube nicht nur eine billige Vertröstung? von Pierre Bühler
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Niemand glaubt für sich allein, von Frank Mathwig
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– Interview mit dem Jurymitglied Niklaus Peter
«Eine gute Predigt hat mit dem Leben zu tun» – Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014 Bainvgnü a Scuol – Fokus 2
Reformationsjubiläum
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– Das Logo zum Reformationsjubiläum Ein starkes Zeichen für 500 Jahre Reformation – Interview mit dem Reformationsbeauftragten Wir feiern die Freiheit – 500 Jahre Reformation Welche Projekte plant der Kirchenbund?
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44 – bulletin Nr. 1/2014
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK
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– So arbeiten wir Der Kirchenbund und seine Organisation
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– Organisation Die Menschen beim Kirchenbund
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Rat des Kirchenbundes
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kirchenbundes
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– Evangelische Kirchen in der Schweiz Die Kirchen des Kirchenbundes
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Kürzlich im Kirchenbund erschienen
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– Gott hat nicht auf sein Recht verzichtet Ein Blick auf die Verfassungsrevision aus theologischer Perspektive
– Publikation Der Heidelberger Katechismus – ein reformierter Schlüsseltext
– 80 Jahre Berner Erklärung des Kirchenbundes Weiter schlafen?
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6 bulletin Nr. 1/2014
UN R SE
Rede und Antwort stehen Glauben nach dem Unservater
VAE T
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– Fokus 1
Ein Glaubensbuch für die Reformierte Kirche Eine Anleitung zur Sprachfähigkeit des Glaubens ist dieses Buch. Einen exklusiven Auszug lesen Sie als Vorabdruck auf den folgenden Seiten. Beiträge der sechs Autorinnen und Autoren ergänzen und erklären die Lektüre des Glaubensbuches. Lesen Sie beides miteinander – Ihr Glaubensbuch und Ihr bulletin.
Rede und Antwort stehen. Glauben nach dem Unservater. Ca. 300 Seiten, ca. CHF 42.–. Auslieferung im September 2014. ISBN 978-3-290-17766-9.
8 bulletin Nr. 1/2014 Ein Glaubensbuch für die Reformierte Kirche
– Einleitung ins Glaubensbuch
Rede und Antwort stehen
Sechs Theologinnen und Theologen aus der ganzen Schweiz haben sich zusammengefunden, um auf Grundlage des Unservaters über den reformierten Glauben zu diskutieren. Das nun erscheinende Glaubensbuch will Rede und Antwort stehen, es will zum Glaubensgespräch Anstoss geben und befähigen. VON THOMAS FLÜGGE *
«W
er glaubt, wird selig.» Generationen wachsen damit auf. Ein Mutter-Satz – der Spross gibt seine Überzeugungen preis. Ein Lehrer-Satz – der Schüler hat keine Ahnung. Ein ChefSatz – der Mitarbeiter hat ein Projekt versenkt. Mutter, Lehrer und Chef tendieren zur Grosszügigkeit, wenn es um die Belehnung bedeutungsschwerer Weisheiten geht. Vater, Lehrerin und Chefin übrigens auch. Dabei ist Seligkeit im Grunde genommen eine schöne Sache. «Jedem lächelt traut eine Himmelsbraut; Harf und Psalter klinget, und man tanzt und singet. O da möcht ich sein», schwärmt Heinrich Christoph Hölty Mitte des 18. Jahrhunderts vom gleichnamigen Zustand. Sturm und Drang hin zur Seligkeit müssen in den folgenden Jahrhunderten rapide abgenommen haben. Sonst begegnete heute der Zusammenhang von Seligkeit und Glaube nicht in dieser negativen Abgrenzung zu etwas offensichtlich Erstrebenswerterem – dem Wissen. Glauben und Wissen scheinen im Clinch zu liegen. Glauben viele. Genau wissen tut das wohl keiner, Glauben und Wissen lassen sich nur ungern persönlich befragen. Trotzdem scheint der Glaube, über Wissen zu verfügen, wesentlich zugänglicher als das Wissen, über Glauben zu verfügen.
Aber es gibt die Unerschrockenen. Abenteurer in der Wissensgesellschaft. Sie wollen über den Glauben sprechen. Nun haben sie sogar über den Glauben geschrieben. Das tun viele. Sie haben allerdings gemeinsam ein Glaubensbuch geschrieben. Das tun wenige. «Glauben nach dem Unservater. Ein reformiertes Glaubensbuch» heisst es. Das hat noch keiner getan.
Rechenschaft ablegen über die Hoffnung des Glaubens
Ziel des Buches ist es, «Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung des Glaubens, die im Beten des Unservaters ins Herz gefasst wird». Die Eigentümlichkeit des Glaubens komme vor allem darin zum Ausdruck, dass er nicht gewusst werden kann, sondern bekannt werden muss, so die Herausgeber. Rechenschaft über die Hoffnung des Glaubens ablegen. Warum? Das Glaubensbuch präsentiere «Ergebnisse eines theologischen Diskurses und keine blosse Bekenntnisrhetorik», betont Frank Mathwig, einer der Autoren. «Rechenschaft setzt Auskunftsfähigkeit voraus. Wir müssen wissen, wovon wir sprechen, damit unser Reden glaubwürdig ist, kritikfähig wird und gewiss bleibt», so der Theologe des Kirchenbundes. Sechs Theologinnen und Theologen, drei Länder, zwei Sprachen. Die buchstäbliche Vielfalt der Autoren-
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runde des Glaubensbuches ist gewollt. «Das Glaubensbuch ist in gewisser Weise eine Homestory von Menschen, die in der Kirche zuhause sind. Ein grosses Haus mit vielen Wohnungen, in denen sehr verschiedene Menschen leben», meint Mathwig, «mit Gartenpartys und Nachbarschaftskrach von Menschen, die sich verbunden wissen durch die persönliche Beziehung, die der Hausherr mit allen hat.»
Ein Glaubensbuch ist kein Physikbuch
Vielfalt bringt eine eigene Dynamik, und diese ist dem Buch anzumerken. Über den eigenen Glauben zu sprechen, heisst subjektiv zu sein, heisst, die eigenen Standpunkte mitzunehmen. Absicht? Ja, betont Mathwig: «Ein Glaubensbuch ist kein Physikbuch.» Brüche, Einseitigkeiten, Auslassungen, Überpointierungen und «das an vielen Stellen durchscheinende Pathos für die Sache» sind also gewollt. Wer das Inhaltsverzeichnis des Buches aufschlägt, stösst auf bekannte Zeilen. Die Kapitelüberschriften lauten wie die einzelnen Bitten des Unservaters. Warum? «Das Unservater verbindet alle Christen untereinander. Es ist die Basis, die Gläubige zu allen Zeiten und weltweit
miteinander teilen», erklärt Otto Schäfer. Der Theologe des Kirchenbundes ist ein weiterer Autor des Glaubensbuches. «Das Unservater kennen alle – viele können es noch auswendig. Es ist uns vertraut, hat unsere Kultur geprägt, unser Denken über Gott, unsere Moralvorstellungen. Es lohnt sich, mit dem Vertrauten anzufangen.» Das Unservater sei ausserdem neben den zehn Geboten und dem Glaubensbekenntnis einer der Grundtexte des christlichen Glaubens. Schliesslich öffne es einen ökumenischen Horizont; es wird über Konfessionen hinweg gebetet. Das Unservater weist dem Nachdenken über den Glauben einen Ort zu, meint Schäfer: «Das Reden von Gott hat seine Wurzeln im Reden zu Gott. Das Buch ist eine Art Reisebericht geworden; es schildert die Erkundungen des Unservaters, die wir als Autorinnen und Autoren unternommen haben.» Zu jedem Reisebericht gehört eine Struktur. Das Glaubensbuch geht Kapitel für Kapitel an den Bitten des Unservaters entlang. Am Anfang steht eine «christliche Grundfrage», um die es in der Bitte geht. Um Gott, zum Beispiel. Um Schuld und Sünde. Um das Beten. Um das Böse. Dann geht es theologisch in die Tiefe. Was sagt mir die Bitte über meinen Glauben – und was sage ich mit der Bitte über meinen Glauben? Schliesslich folgt ein Abschnitt zur Frage: Was bringt das alles – mir als Gläubigem und uns als Gesellschaft? Besonders dieser Abschnitt ist wichtig, schliesst Frank Mathwig: «Theologisches Nachdenken, das nicht in die Praxis führt, ist Zeitverschwendung. Theologie findet nicht unter Laborbedingungen statt, sondern gehört in den Raum der Kirche und damit in die konkrete Lebenswelt der Gläubigen.» «Rede und Antwort stehen. Glauben nach dem Unservater» erscheint in der deutschen Sprache im Verlag TVZ, in der französischen Version bei Labor et Fides. Ab sofort kann das Buch vorbestellt werden, die Auslieferung erfolgt in einigen Wochen. <
– Theologie findet nicht unter Laborbedingungen statt, sondern gehört in die Lebenswelt der Gläubigen.
Zwei Autoren des Glaubensbuches im Interview
Drei Fragen an Frank Mathwig und Otto Schäfer, beide Beauftragte für Theologie und Ethik beim Kirchenbund und zwei von sechs Autoren des Glaubensbuches. https://vimeo.com/90763475
* THOMAS FLÜGGE ist Beauftragter für Kommunikation des Kirchenbundes
10 bulletin Nr. 1/2014 Ein Glaubensbuch für die Reformierte Kirche
– Einleitung ins Glaubensbuch
Rückblick auf ein Experiment Nach zweieinhalb Jahren intensiver Arbeit wurden die Arbeiten am Glaubensbuch abgeschlossen.
VON PHILIPPE WOODTLI *
D
er Inhalt des Glaubensbuches kann nicht von dem komplexen und einzigartigen Prozess seiner Entstehung abgekoppelt werden. Die Arbeit der sechs Autorinnen und Autoren Pierre Bühler, Käthi La Roche, Frank Mathwig, MarieChristine Michau, Otto Schäfer und Matthias D. Wüthrich begann mit der konstituierenden Sitzung im Juni 2012. In einem intensiven Diskussions- und Schreibprozess wurden bis Herbst 2013 die Texte erstellt. Insgesamt fanden sich die Beteiligten zu sieben meistens ganztägigen Sitzungen im Kirchenbund zusammen. Die Zusammensetzung des Autorinnen- und Autorenteams und das von ihm erarbeitete Buchmanuskript machen Ernst mit dem reformierten Selbstverständnis kirchlicher Vielstimmigkeit. Dass ein solcher Zugang weder in nivellierende Kompromisse oder blosse Meinungen noch in unversöhnliche Dissense münden muss, zeichnet den Teamgeist der Gruppe aus und bildet sich im entstandenen Text ab. Die Ausgangslage hat das Resultat mitbestimmt, so ist das Ergebnis der Vortrag eines gemischten Chores. Auf
dem Dirigentenpult liegt die Heilige Schrift mit dem Unservater als Partitur. Das Glaubensbuch ist keine Darstellung des Glaubens in einfachen Sätzen, kein Katechismus, kein Lehrbuch, sondern eine theologisch anspruchsvolle Textsammlung. Ein horizontales Kirchen- und Theologieverständnis, wie es die Reformierten für sich beanspruchen, ist anspruchsvoll, soll es nicht in Beliebigkeit münden. Anstelle der Hierarchie steht die Kontroverse, der Streit um die Wahrheit. Gelingende Streitkultur ist anspruchsvoll, weil sie mit Parolen nicht durchkommt, sondern nach überzeugenden Argumenten verlangt. Das Ergebnis präsentiert im besten Sinne gelebte Glaubenspraxis. Die intensiven Diskussionen sind nicht in einen abgehobenen theologischen Disput gemündet, sie dokumentieren die Auseinandersetzung der Gruppenmitglieder aus und für ihren Glauben. Die Autorinnen und Autoren konnten und wollten nicht stellvertretend für «die Reformierten» debattieren. Sie hatten aber den Anspruch zu zeigen, was passiert, wenn Protestanten offen und engagiert einen differenzierten, aber gemeinsam verantworteten Ausdruck ihres Glaubens formulieren.
– Gelingende Streit kultur ist anspruchsvoll, weil sie nach überzeugenden Argumenten verlangt.
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Das Glaubensbuch beginnt mit einem doppelten Motto: «Seid stets bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist» (1 Petr 3,15) und «Das Unservater ist das wahre christliche Gebet und der Wasserkrug oder -eimer, mit dem aus dem Gnadenbrunnen – aus Jesus Christus! – diese Gnade geschöpft und ins Herz gefasst wird» (Berner Synodus). Beide Zitate bringen das Projektziel treffend auf den Punkt: Es geht um die Rechenschaft über die Hoffnung des Glaubens, die im Beten des Unservaters ins Herz gefasst – also lebendig – wird. Auch wenn das Glaubensbuch viel Wissenswertes über den Glauben der Reformierten im ökumenischen Kontext und über die Theologie des Unservaters vermittelt, bildet die kirchliche Praxis des gemeinsamen Gebets stets den Horizont der vorgetragenen Überlegungen: Gebet ist hoffnungs- und wirkungsvoll, tröstlich und herausfordernd, öffentlich und praktisch. Ein Glaubensbuch ist voraussetzungsvoll: Es setzt den Glauben derjenigen voraus, die nicht theoretisch über einen Glauben referieren, sondern von ihrem Glauben schreiben und Auskunft geben. Es geht um die Hoffnung in uns, über die es Rechenschaft abzulegen gilt. Das Glaubensbuch zeigt auch: Man kann nicht «richtig» über den Glauben schreiben, wenn man es nicht leidenschaftlich, mit «brennendem Herzen» (Lk 24,32) tut. Dass das einen besonnen-weitsichtigen Ton nicht ausschliesst, zeigen die vorliegenden Texte ebenfalls. Mit dem Glaubensbuch ist zweifellos nicht alles gesagt. Vieles wird thematisiert, an viel Bekanntes erinnert. Der Glauben wird weder neu erfunden, noch das Reformierte neu definiert. Das Glaubensbuch zeugt von einem gemeinsamen Denk- und Nachdenkweg. Es ist in diesem Sinne beispielhaft und hoffentlich animierend für ein Weiterdenken. <
* PHILIPPE WOODTLI ist Geschäftsleiter des Kirchenbundes
Andere Glaubensbücher Jan Rohls, Theologie reformierter Bekenntnisschriften, Göttingen 1987, ISBN 978-3-5250-3267-1. Ernst Saxer (Hg.), Reformiert sein heute. 25 Fragen und Antworten zum christlichen Glauben aus reformierter Sicht, Basel 2000, ISBN 978-3-7245-1109-0. Rudolf Merker (Hg.), Ich glaube … Achtzehn Folgen einer Serie in Zusammenarbeit zwischen dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) und den reformierten Kirchenzeitungen der Schweiz, Baden 1993, ISBN 978-3-8564-8108-7. Hans Ulrich Jäger, Reformierter Glaube, 1994, 2. Auflage Zürich 1999, ISBN 978-3-2901-0951-6. Franz Christ, Brannte nicht unser Herz in uns. Ein Basler Katechismus, Basel 2011. Johannes Feiner / Lukas Vischer (Hg.), Neues Glaubensbuch. Der gemeinsame christliche Glaube, Freiburg i. Br. 1973, 18. Auflage 1992, ISBN 978-3-4511-6567-2. Christian Zangger / Matthias Krieg, Gesichtspunkte, in: Matthias Krieg / Gabrielle Zangger-Derron (Hg.), Die Reformierten. Suchbilder einer Identität, Zürich 2002, 446–453, ISBN 978-3-2901-7236-7. VELKD, Evangelischer Erwachsenenkatechismus. suchen – glauben – leben, 9. Aufl., Gütersloh 2013, ISBN 978-3-5790-5928-0. www.mehrhimmelauferden.de – «Das Glaubensbuch. Mehr Himmel auf Erden.» Herausgegeben im Auftrag des Kirchenleitungsausschusses «Missionarischer Lernprozess in der Nordelbischen Kirche (NEK)» vom Amt für Öffentlichkeitsdienst der NEK, 2010.
12 bulletin Nr. 1/2014
– Vorabdruck
Glauben nach dem Unservater – Der Untertitel ist Programm Hier erhalten Sie einen exklusiven Einblick in das erste reformierte Glaubensbuch der Schweiz. Neben dem Inhaltsverzeichnis lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Buch als Vorabdruck. Ab sofort können Sie das Buch vorbestellen. So gehören Sie zu den ersten, die darüber sprechen können.
Der Inhalt des Buches – Einleitung. Über das Schreiben und Lesen des Glaubensbuches – Exegetische Hinführung – Gott in Beziehung. Unser Vater im Himmel – Wie können Christen von Gott sprechen? Geheiligt werde dein Name – Die Welt ist nicht genug. Dein Reich komme – Dein Wille geschehe. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden – Brot und mehr als Brot. Unser tägliches Brot gib uns heute – Sünde, Schuld und Schulden. Und vergib uns unsere Schuld – Das Geschenk der Freiheit. Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern
– Der Glaube in Konfrontation mit dem Unglauben. Und führe uns nicht in Versuchung – Wer sind wir und was ist das Böse? Sondern erlöse uns von dem Bösen – Was geschieht eigentlich im Gebet? Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit – Das Vertrauen in die Treue Gottes. Amen – Epilog. Die vornehmste Übung des Glaubens: das Gebet – Anhang: Bibelstellenregister, Sachregister, Autorinnen- und Autorenhinweise
Aus der Einleitung – zum Konzept des Buches Der Aufbau des Buches wird durch das Unservater bestimmt. Es geht Zeile für Zeile dem Gebet entlang. Zu jeder Bitte, zur Anrede, zur Schlussformel (der sogenannten Doxologie) und zum Amen gibt es ein eigenes Kapitel. Die Kapitel beginnen mit einer kurzen Einleitung zu einer der Grundfragen des Christseins, die sich uns von der jeweiligen Bitte her nahelegen. Es folgen Erklärungen und Erläuterungen zum historischen und gegenwärtigen Kontext der Bitte. Dazu werden weitere biblische und ausserbiblische Texte herangezogen. Die grafisch vom übrigen Text abgesetzten Teile rücken die jeweiligen Gebetsabschnitte in einen grösseren Resonanzraum. Wir treten einen Schritt zurück, um aus theologisch-dogmatischer Sicht über die Bitte nachzudenken. Zwei Fragen leiten die Erkundungen: Welche Aussagen und Hinweise enthält die Bitte für das Verständnis des Glaubens? Und umgekehrt: Wie bringen wir mit den einzelnen Bitten des Unservaters zentrale Aspekte unseres Glaubens zur Sprache? Theologisches Nachdenken ist kein Selbstzweck. Theologische Reflexion, die nicht in die Praxis führt und praktisch wird, ist Zeitverschwendung und irrelevant. Theo-
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logie findet nicht unter Laborbedingungen statt, sondern gehört in den Raum der Kirche und damit in die Lebenswelt der Gläubigen. Deshalb beschäftigt sich jedes Kapitel im Schlussteil mit der Frage, wie die diskutierte Bitte im Lebensvollzug des Glaubens wirklich werden kann und was daraus für die Gläubigen in Kirche und Gesellschaft folgt.
Ein Auszug: Unser tägliches Brot gib uns heute Anmerkung: Die Kapitel des Buches folgen der oben im Buchkonzept beschriebenen Komposition. Die Texte ergänzen sich, bauen aufeinander auf, ergeben zusammen ein sinnvolles Ganzes. Genauso folgen die einzelnen Abschnitte einer ihnen je eigenen Logik. Die Autorinnen und Autoren entfalten ihre Gedanken rund um die jeweilige Bitte in ihrer Sprache, in ihrem Denken. Der folgende Auszug besteht aus zwei Ausschnitten eines Kapitels und ist deswegen unvollständig. Die Zeilen sollen einen ersten Eindruck vermitteln. Sie sollen Lust auf das Buch machen, um dort die Reise
mit dem reformierten Glaubensbuch fortzusetzen.
Brot und mehr als Brot «Unser tägliches Brot gib uns heute» Mit der Bitte um unser tägliches Brot überschreiten wir im Verlauf des Unservaters eine Schwelle. Denn der Inhalt der ersten drei Bitten betraf Gott selbst: seinen Namen, sein Reich und seinen Willen. Die vierte hingegen bezieht sich ebenso wie die nachfolgenden Bitten auf unsere Bedürfnisse, auf unsere menschliche Angewiesenheit auf Nahrung, Vergebung, auf Schutz vor der Versuchung und vor dem Bösen. Eine solche Zweiteilung – der erste Teil ist Gott, der zweite dem Menschen gewidmet – findet sich auch in anderen Grundtexten der Bibel und des christlichen Glaubens, so in den Zehn Geboten und im Doppelgebot der Liebe (Gottesliebe und Nächstenliebe). Allzu schematisch sollte man diese Aufteilung allerdings nicht verstehen: Das Reich Gottes zum Beispiel verändert unser Leben genauso, wie es Gott Ehre macht; und umgekehrt
wird Gott durch das Brot, das wir von ihm erbitten, gleichfalls verherrlicht, denn es manifestiert seine Freigebigkeit. Gott «wird des Gebens nicht müde», wie Huldrych Zwingli zu Recht bemerkt, «er hat Lust und Freude am Geben und kann ohne Geben nicht sein». 1 Innerhalb des Unservaters nimmt die Brotbitte einen zentralen Platz ein, der bereits durch den Stil des griechischen Originals betont wird (die uns vertraute deutsche Fassung lässt diese Besonderheit nicht erkennen). Während die vorherigen Bitten stets mit einem Verb («geheiligt werde», «komme», «geschehe») und die nachfolgenden mit einer Konjunktion sowie einem Verb beginnen («und vergib uns», «und führe uns nicht», «sondern erlöse uns»), fängt die Brotbitte mit dem Brot an: «das Brot für uns (unser) für den nächsten Tag (oder: für diesen Tag) gib uns heute». Unsere wörtliche Übersetzung des Originaltextes legt sich in einem Detail nicht fest: Brot «für diesen Tag» oder Brot «für den nächsten Tag»? Wir möchten diese – wichtige – Frage vorerst offenlassen und werden gegen Ende dieses Kapitels noch einmal auf sie zurückkommen.
«[…] mag er des Gebens nit müd werden, […] sunder er hatt ein Lust und Fröudze geben und kan on geben nit sin»; Predigt über die Vorsehung (1529), in: Zwingli der Prediger, Teil 2. Zwingli Hauptschriften, herausgegeben von Fritz Blanke et al., Zürich, 1941, 96.
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14 bulletin Nr. 1/2014 Vorabdruck Glaubensbuch
1. Wovon leben wir? Wir bitten um Brot. Das führt uns zu der Frage, welchen Stellenwert das Brot in unserem Leben hat; und was uns nährt und am Leben erhält. Wir bitten nicht ohne Hemmungen um unser Brot und wir bitten nicht ohne Hemmungen Gott darum. Für die meisten von uns, die wir in mehr oder weniger grossem Wohlstand leben, ist die Nahrung nicht nur gesichert, sie ist sogar im Überfluss vorhanden. Nach einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) werden 40% der verfügbaren Nahrungsmittel in den Industrieländern verschwendet; zu einem erheblichen Teil werden sie weggeworfen, obwohl sie prinzipiell geniessbar wären. Das entspricht mengenmässig der gesamten Nahrungsmittelproduktion des subsaharischen Afrika. Dort – wie auch anderswo in der Welt – kosten Hungersnöte und chronische Unterernährung Millionen von Menschenleben. Das Bewusstsein dieser schreienden Ungleichheit beeinflusst zwangsläufig die Art und Weise, wie wir die Brotbitte im Unservater sprechen. An dieser Stelle unserer Überlegungen sind drei Punkte zu klären. Erstens: Für wen beten wir, wenn wir darum bitten, dass unser Brot uns gegeben wird? Zweitens: Um welches
Brot geht es, welche Wirklichkeit steckt hinter dem Wort «Brot»? Drittens: Wie lässt sich das an Gott gerichtete Gebet mit unserer Arbeit und unserer Verantwortung, mit unserer Wirtschaft und dem Menschenrecht auf Nahrung und Entwicklung vereinbaren, kurzum mit allem, was unter die Kategorien «menschliche Initiative» und «christliche Ethik» fällt? 2. Wir und die anderen Für wen beten wir, wenn wir Gott darum bitten, uns unser Brot zu geben? In den Evangelien sind in dem Moment, in dem das Unservater zum ersten Mal gesprochen wird, mit «wir» diejenigen gemeint, die Jesus nachfolgen, und zugleich auch jene, die das von Jesus gelehrte Gebet in Zukunft zusammen sprechen werden. Heute sind das über zwei Milliarden Christinnen und Christen in der ganzen Welt, die zum Teil reich sind, zum Teil arm, manche sogar so arm, dass es ihnen am Notwendigsten mangelt. In erster Linie denken wir hier an die von Hungersnöten und Nahrungskrisen Betroffenen. Doch auch bei uns kennen wir durchaus Situationen, in denen man für seine Ernährung auf jemand anderen angewiesen ist: Wir haben das als kleine Kinder erlebt, und ein hohes Alter mag uns erneut in eine solche Situation bringen. Indem wir Gott um das Brot für diesen
Tag bitten, relativieren wir ein Autonomieideal, das zwar wichtig ist, das aber unser Selbstverständnis als Erwachsene, die ihr Brot verdienen, oft zu sehr dominiert. Denn es ist genauso wichtig, sein Leben als Geschenk annehmen zu können. […]
Brot aus Gottes Hand – ein Wunder? In seinem Roman Robinson Crusoe erzählt Daniel Defoe (1660–1731) eine Episode, die uns besser verstehen lässt, dass das Brot aus Gottes Hand nicht unbedingt und auch nicht essenziell ein Mirakel ist; das Geschehen ist durchwegs rational, nicht wunderlich und wunderhaft und doch wunderbar. Die Dinge lassen sich durch völlig natürliche Ursachen erklären – doch das Wunder erweist sich als nicht minder beeindruckend: «[…] ich [sah] etwa einen Monat später einige grüne Halme aus dem Boden ragen […], die ich anfangs für eine früher nicht bemerkte Pflanze hielt. Aber wie war ich erstaunt, als ich kurze Zeit darauf sich zehn bis zwölf Ähren daraus entwickeln sah, die ich als
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vollkommen gute grüne Gerste der europäischen oder vielmehr der englischen Art erkannte. Ich vermag meine Empfindungen bei dieser Entdeckung nicht zu beschreiben. Bisher hatte ich überhaupt keine religiöse Weltanschauung gehabt; nur wenige Ideen dieser Art waren in meinem Kopf vorhanden gewesen. Alles, was mir widerfahren, hatte ich als Zufall oder, wie man so obenhin spricht, als Gottes Fügung angesehn. Um die Zwecke der Vorsehung und ihre Anordnung der Dinge dieser Welt war ich gänzlich unbekümmert gewesen. Als ich jedoch nun in einem Klima, von dem ich wusste, dass es sich nicht für Getreide eigne, Gerste wachsen sah, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie dahin gekommen sei, wurde ich höchlichst betroffen, und ich begann zu glauben, Gott habe durch ein Wunder diese Ähren spriessen lassen, ohne dass ein Samenkorn vorhanden gewesen sei, und zwar lediglich, damit sie in dieser trostlosen Einöde mir zur Nahrung dienten.
[…] Endlich fiel mir ein, dass ich ja den Sack mit dem Hühnerfutter an jener Stelle ausgeschüttet hatte, und nun begann die Sache ihr Wunderhaftes zu verlieren. Ich muss bekennen, auch meine Dankbarkeit für die göttliche Fügung fing an, durch die Entdeckung, dass das Ganze ein gewöhnliches Ereignis sei, sich zu mindern; wiewohl ich für ein Ereignis, das ja gerade so seltsam und unerwartet wie ein Wunder war, nicht minder hätte dankbar sein sollen. War es denn nicht wirklich ein Werk der Vorsehung, dass zehn oder zwölf Getreidekörner unversehrt blieben, als die Ratten alles Übrige vernichteten; wie auch das, dass ich diese Körner gerade an der bestimmten Stelle ausschütten musste, wo sie in dem Schatten des Felsens sofort aufgingen, während sie, hätte ich sie irgend anderswo ausgestreut, in dieser heissen Jahreszeit hätten verdorren und umkommen müssen?»
Wir treffen in Defoes Robinson Crusoe auf eine ausgeprägte calvinistische und puritanische Frömmigkeit. Sein rationales Verhältnis zur Welt hindert Robinson nicht daran, das Wirken der Vorsehung zu erkennen, im Gegenteil. Der Bericht enthält im Übrigen deutliche biblische Anklänge: Viele Einzelheiten – der Hinweis auf die «trostlose Einöde», auf die «Ähren», die Gott «durch ein Wunder» habe spriessen lassen, sicherlich auch die Zahl zwölf – erinnern an den Exodus und insbesondere an das Manna, das das Volk Israel in der Wüste nährte (Ex 16, die zwölf Stämme Israels), bzw. auch schon zuvor an Josef, der Ägypten vor einer Hungersnot bewahrte und seine Familie unerkannt rettete (Gen 41 ff., die zwölf Söhne Jakobs). Im theologischen Register der Gnade handelt es sich hier um zentrale biblische Episoden. Daneben ist in der Bewertung der günstigen bzw. ungünstigen Bedingungen für die Saat ein deutlicher Hinweis auf das Gleichnis vom Sämann zu erkennen (Mk 4,3–9 parr.). <
Daniel Defoe, Robinson Crusoe 2
Daniel Defoe (Übers. Karl Altmüller), Robinson Crusoe, Bibliographisches Institut Leipzig 1869, Kap. 5. – Zitiert nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/747/5.
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16 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
Wie über den Glauben reden?
«Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über», das gilt auch für Christen in Bezug auf den Glauben. Denn vom Glauben reden ist wie von der Liebe reden. Es ist den Liebenden ein Bedürfnis. VON KÄTHI LA ROCHE *
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D
as «Wie» ist dann abhängig davon, mit wem ein Liebender über die Liebe spricht. Spricht er mit dem oder der Geliebten, dann wird’s ein inniges, vertrautes Gespräch sein voller Erinnerungen, voller Freude, voller Sehnsucht vielleicht auch, ein Gespräch, das der Liebe immer neue Nahrung gibt. So ist das Reden vom Glauben im Gottesdienst und im Gebet: Mal ist es Ausdruck unserer Dankbarkeit und Freude, mal ist es Ausdruck unseres Verlangens und unserer Not, immer ist es angewiesen auf Gottes Wort, das unseren Glauben nährt. Anders ist es, wenn Eltern beispielsweise mit ihren Kindern über die Liebe reden. Sie wollen sie gleichzeitig lehren, was Liebe ist. Die Voraussetzung dafür ist, dass diese Kinder von ihren Eltern Liebe bekommen und dass sie etwas spüren von jener Liebe, welche die Eltern verbindet. Denn eine Liebeserklärung muss angenommen werden – wenn Kinder ihren Eltern nicht vertrauen, ihnen keinen Glauben schenken, dann nützen alle Erklärungen nichts.
Es geht niemals ums Rechthaben
Auch vom Glauben reden kann man nicht, ohne an die Bereitschaft des Adressaten zu appellieren, einem sein Vertrauen zu schenken. Es geht niemals ums Rechthaben. Es geht um Wahrheit, eine Wahrheit, die man nicht mit dem Kopf begreift, die vielmehr im Herzen ergriffen wird. Vom Glauben reden ist immer ein werbendes Reden, es möchte Vertrauen schaffen und bestärken, ist aber letztlich auf Vertrauen angewiesen. Denn man kann den Glauben nicht erklären, man kann nur sich selber «erklären», sich bekennen als ein Mensch, der seinen Halt im Glauben sucht und manchmal auch findet. Und dann kann man natürlich auch Vorträge halten und Bücher schreiben, über die Liebe wie über den Glauben, und das ist gar nicht so dumm, wenn die, die reden oder schreiben, auch wirklich etwas zu sagen haben. Denn es gibt viele Menschen, die im Glauben und in der Liebe wachsen möchten: Das Leben stellt uns ja vor immer neue Herausforderungen und existenzielle Fragen, und worauf wir uns bislang verlassen zu können meinten, wird manchmal plötzlich oder auch ganz langsam und unmerklich brüchig. Wie die Liebe ist auch der Glaube etwas Lebendiges, etwas, was sich verändert im Leben des Einzelnen, in Kultur und Gesellschaft, im Kontext von Geschichte und Geschichten. Da kann es hilfreich sein, zu hören
und zu bedenken, worauf sich unsere Mütter und Väter verlassen haben, was unsere Brüder und Schwestern hält und trägt, oder mit anderen Worten, die Inhalte unserer Glaubenstradition zu betrachten und zu reflektieren, ein wenig Theologie zu treiben und sich Rechenschaft zu geben über die Vielstimmigkeit des Redens vom Glauben, der uns über Generationen hinweg verbindet zu der einen Kirche … die darum eine ist, weil sie zwar viele und allerverschiedenste Glieder hat, aber nur einen Herrn. Es gibt noch andere Weisen, vom Glauben zu reden, Versuche, den Glauben gegen seine Verächter zu verteidigen oder Nichtglaubende, Indifferente und Ignorante zu überzeugen, zu bekehren, zu missionieren – aber es ist wiederum ähnlich, wie wenn von der Liebe geredet wird: Das kann eigentlich nur, wer selber liebt oder, was den Glauben betrifft, wer selber davon ergriffen ist und ihn auch praktiziert, im Gebet, in seinen Beziehungen und in der Reflexion seiner Inhalte, die er weitergeben möchte. Nur wes das Herz voll ist, wird der Mund übergehen. <
* KÄTHI LA ROCHE war von 1999 bis 2011 Pfarrerin am Zürcher Grossmünster
18 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Ein Buch voller existenzieller Fragen
Was ist so spannend an der Bibel? Neben den «unsinkbaren» Schiffen, einer Errungenschaft unserer fortschrittlichen Technik, ist noch Platz für die selbst gebastelte Arche, jene Arche, die die Fülle und Vielfalt des Lebens transportiert und die auch dem Vertrauen – mit anderen Worten dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe – Obdach bietet. VON MARIE-CHRISTINE MICHAU *
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in Plakat am Eingang eines Baumarktes verkündet: «Heimwerker, vergesst eure Komplexe! Erinnert euch daran, dass die Titanic von Profis und die Arche Noah von einem Amateur ge-
baut wurde.» Jeder Passant wird das mit einem Schmunzeln lesen … denn jeder weiss, wer Noah ist. Dieser Held aus einem uralten Buch, der Bibel, weckt unsere Fantasie. Es liessen sich viele weitere Beispiele für Personen oder
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Sprüche finden, die aus der Bibel stammen und die unsere Zeitgenossen heute noch ansprechen. Was ist denn so spannend an der Bibel? Das Erste oder Alte Testament ist von einer grossen Vielfalt literarischer Gattungen gekennzeichnet: Berichte, Epen, Weisheitsliteratur, Romane, Gedichte (sogar ein erotisches Gedicht, das Hohelied), Hymnen, Lobgesänge, Klagelieder, Ermahnungen, Gesetzestexte. Erzählungen wie die Geschichte Noahs sind lebendig und einprägsam. Lange mündlich weitererzählt, bevor sie niedergeschrieben wurden, sind sie kleine Juwelen, die von den Erzählern in jahrzehntelanger Arbeit zurechtgeschliffen wurden. Die Figuren sind facettenreich; sie zögern nicht, an Gott zu appellieren und seine Entscheidungen infrage zu stellen, wie etwa Abraham, Mose oder Hiob. Sie stellen Archetypen dar, die sowohl das Herz als auch den Verstand der Hörer und der Leser ansprechen.
Diese Texte tradieren existenzielle Fragen
Diese Texte tradieren Reflexionen zur Geschichte, aber auch existenzielle Fragen, die die Menschen seit jeher umtreiben. Wie soll man mit derart unerträglichen Nachbarn leben, die nichts von dem respektieren, was dem kleinen Volk Israel heilig ist? Was macht Gott, anstatt Ordnung in die Welt zu bringen? Es gibt viele Klagen, etwa in den Psalmen, bei Jeremia oder Hiob, man hat aber auch Grund zur Freude angesichts der Schönheit der Welt oder eines erfolgreichen Projektes, das einem am Herzen liegt. Und auch der Humor kommt nicht zu kurz: Es gibt köstliche Anekdoten wie die Geschichte von Jona, dem Propheten, der nicht in die von Gott befohlene, sondern in die entgegengesetzte Richtung aufbricht und von einem grossen Fisch verschlungen wird. Vom Fisch ans Ufer gespien, akzeptiert Jona schliesslich seine Mission; dennoch wird er zornig auf Gott, als er sieht, dass sein Ruf zur Umkehr befolgt wird. Eine herzerfrischende, humorvolle Mahnung zur Demut ist die Geschichte von Bileam und seiner Eselin, die sich scharfsichtiger zeigt als ihr Herr, der Könige berät, mit Gott rechtet, sich für stärker hält als Israel. Das Neue Testament, in dessen Mittelpunkt die Person Jesu Christi steht, wartet mit anderen literarischen Gattungen auf. Die Evangelien stellen das Leben und die Passion Jesu dar; die darin eingeflochtenen Gleichnisse – lehrreiche, kurze allegorische Geschichten – fragen nach unserer Beziehung zu unseren Mitmenschen und zu Gott. Die Apostelgeschichte und die Briefe des Paulus so-
wie anderer Autoren stellen das Leben der urchristlichen Gemeinden vor und sprechen die Probleme an, mit denen sie (und oft genug auch wir) in einem Reich konfrontiert sind, in dem das Gemeinwohl nicht zu den Hauptanliegen aller zählt. Die mit der Lektüre des Alten Testaments grossgewordenen Urchristen erinnern an die biblische Botschaft «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und deinen Nächsten wie dich selbst» und passen sie der Gegenwart an. Sie bezeugen ihre Hoffnung auf ein Leben, das stärker ist als der Tod und das im Vertrauen auf Jesus gründet, den sie als Christus, Messias und Sohn Gottes anerkennen.
Was können wir heute mit all dem anfangen?
Diese Texte wurden alle sorgfältig zusammengestellt. Mitunter sind von den Verfassern mehrere Versionen desselben Mythos bzw. derselben Geschichte beibehalten worden, um ihnen mehr Gehör zu verschaffen. Was können wir heute mit all dem anfangen? Ganz klar: die Bibel lesen. Man kann das allein tun, das fördert die Spiritualität und das Gebet. Besser wäre es, die Bibel zusammen mit anderen zu lesen: Es sind stets mehrere Lesarten möglich – Interpretationen, auf die jeder entsprechend seiner persönlichen Geschichte reagiert; kritische Anfragen zu unserem täglichen Leben; Wechselwirkungen zwischen Textverständnis und einzelnem Teilnehmer; Themen, die diskutiert werden müssen. Die Texte können viele Dinge sagen, man kann ihnen jedoch nicht jede beliebige Aussage unterschieben; die Bibel erklärt sich durch die Bibel, und ihre Botschaft weist eine Kohärenz auf, die man nur durch regelmässiges Lesen erkennen und würdigen kann. Und neben den «unsinkbaren» Schiffen, einer Errungenschaft unserer fortschrittlichen Technik, ist noch Platz für die selbst gebastelte Arche, jene Arche, die die Fülle und Vielfalt des Lebens transportiert und die auch dem Vertrauen – mit anderen Worten dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe – Obdach bietet. <
* MARIE-CHRISTINE MICHAU ist Mitglied des Nationalrates der Vereinigten Protestantischen Kirche Frankreichs (EPUdF)
20 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Glauben kann vieles heissen
Ich glaube doch – wozu dann noch Theologie? Wer im Bereich des christlichen Glaubens beginnt, über den Glauben nachzudenken, treibt bereits Theologie! VON MATTHIAS D. WÜTHRICH *
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enn’s um das Diäthalten geht, bin ich sehr gläubig. Ich esse, was ich will, und bete, dass ich abnehme.» (Julia)
Julia hat einen festen Glauben, denn sie wird wahrscheinlich täglich das essen, was sie will, und so sicher auch des Öfteren beten. Glauben und beten sind für Julia schliesslich eng verbunden.
Ich kenne Julia nicht und will ihr nicht Unrecht tun. Es ist aber zu vermuten, dass sie ihr Votum nicht allzu ernst gemeint hat. Es geht ihr wohl nicht darum, ein Glaubenszeugnis von den wundersamen Taten Gottes abzulegen, die es ihr möglich machen, zu essen, was sie will, und trotzdem abzunehmen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie hier eine Art «Sünden»-Bekenntnis ablegt, nämlich ein triviales Zugeständnis, dass sie es mit dem Abnehmen nicht so ernst nimmt oder aus einer gewissen
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Not heraus nicht so ernst nehmen kann. Wie sonst hätte es Julias «Glaubensbekenntnis» bis auf die Internetseite von Weight Watchers geschafft …
Das Wort «Glaube» wird nicht nur in religiösen Zusammenhängen verwendet
Julias «Glaubensbekenntnis» illustriert auf witzige und doch auch beklemmende Weise, dass «glauben» vieles heissen kann. «Ich glaube doch» – das kann ein Glaube sein, der sich ausschliesslich auf gewisse Ausschnitte und Segmente unseres Lebens bezieht – wie bei Julia das Diäthalten. «Ich glaube doch» – das kann ein Glaube sein, dem es allein um die betende Sicherung des leiblich-ästhetischen Wohlbefindens geht. Dass «glauben» vieles heissen kann, wird erst recht deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Wort «Glaube» nicht nur in religiösen Zusammenhängen verwendet wird. Das sei an zwei Beispielen erläutert: 1. «Ich glaube, dass es morgen regnen wird.» «Ich glaube, dass wir mit der Evolutionstheorie auch die Entstehung der Religionen restlos erklären können.» – Das sind beides Glaubensaussagen, wenn auch sehr unterschiedliche. Die erste gehört in den Kontext unserer umgangssprachlichen Alltagsprognosen, die zweite am ehesten in den Kontext wissenschaftlicher Hypothesenbildung. In beiden Aussagen wird der Glaube als ein Für-wahr-Halten verstanden. Der Glaube gleicht so einer Erkenntnis von geringerem oder grösserem Wahrscheinlichkeitsgrad. Wird das Wort «Glaube» im Sinne eines Für-wahr-Haltens verwendet, dann bezeichnet es eine defizitäre subjektive Überzeugung, die von der vermeintlichen Sicherheit objektiven Wissens unterschieden wird. 2. «Ich glaube an dich», «ich glaube an mich». – Diese umgangssprachlichen Glaubensaussagen äussern ein Selbst- und Fremdvertrauen im Sinne einer Zuversicht, eines Zutrauens in bestimmte Fertigkeiten oder auch Kompetenzen ganz allgemeiner psychologisch-lebenspraktischer Art.
Theologie ist nicht ein rein akademisches Unternehmen
Die Beispiele verdeutlichen ebenso wie das Beispiel Julias: Wer vorgibt, «ich glaube doch», nimmt zwar viel in Anspruch, sagt damit aber noch wenig Bestimmtes. Etwas Bestimmteres lässt sich über den eigenen Glauben erst dann aussagen, wenn man ihn einer inhaltlichen Selbstaufklärung aussetzt. Ganz durchsichtig wird der Glaube
dabei nie werden - und diese Einsicht ist schon Teil seiner beschränkten Selbstdurchsichtigkeit. Wer im Bereich des christlichen Glaubens beginnt, über den Glauben nachzudenken, treibt aber bereits – Theologie! Theologie ist nicht ein rein akademisches Unternehmen. Wer von sich behauptet, «ich glaube doch» und sich dabei selbst verstehen will, braucht dazu Theologie. Wer verstehen will, was er oder sie glaubt oder an wen er oder sie glaubt oder wie sich dieser Glaube vollzieht und wie er das «ich» prägt, kann das nur mit Hilfe der Theologie tun. Und wer behauptet, sein Glaube bedürfe keiner Theologie, hat damit zumindest implizit schon eine theologische Aussage über seinen Glauben gemacht. Wer einmal beginnt, sich tiefer damit auseinanderzusetzen, was in der wissenschaftlichen Theologie unter «Glaube» verstanden wird, stösst auf einen immensen Erfahrungsreichtum theologischer Glaubensbestimmungen. Dieser Reichtum setzt frei, über den Glauben selber nachzudenken, und leistet kritische Orientierungshilfe. Wer die Theologie konsultiert, lernt etwa, dass christlicher Glaube etwas anderes meint als ein blosses «Fürwahr-Halten». Beängstigende Formen kann dieses Fürwahr-Halten insbesondere dann annehmen, wenn man es mit Willens- oder Gehorsamsakten verbindet. Glaubensgehorsam heisst dann: Man muss gewisse Glaubensinhalte für wahr halten, um richtig zu glauben. Man muss als gläubiger Mensch zum Beispiel gewisse kirchliche Dogmen für wahr halten wollen. Es ist an dieser Stelle wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die reformatorische Theologie den Glaubensaspekt des Vertrauens betont hat. Doch dieses Vertrauen ist etwas anderes als ein zuversichtliches Selbst- und Fremdvertrauen in sich selbst und den Nächsten. Denn der Glaube verdankt sich nicht uns selbst, er baut sich nicht im zwischenmenschlichen Bereich auf. Glaube ist gemäss reformatorischer Theologie vielmehr ein vertrauensvolles Gegründetsein in Gott, das sich Gott selbst verdankt. Um es in den Worten des Theologen Paul Tillich zu sagen: Glaube ist ein «Ergriffensein von dem, was uns unbedingt angeht»! Glaube ist Ergriffensein von dem, der gesagt hat: «Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.» (Joh 6, 35) <
* MATTHIAS D. WÜTHRICH ist Oberassistent für Systematische Theologie/Dogmatik an der Universität Basel
22 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Die Sprache des Glaubens
«Trading zones» – Glaubensverhandlungen Die kollektive Erfahrung des Glaubens im Dialog, eine Grunderfahrung aller zu einer Kirche zusammengeschlossenen Gläubigen, machte den Reiz und die Schwierigkeit des Projektes aus, auf das sich die sechs Autoren des Glaubensbuches eingelassen haben. VON OTTO SCHÄFER *
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en Glauben miteinander ausdrücken – das heisst: gemeinsame Quellen und ihre unterschiedlichen Rezeptionen unter einen Hut bringen. Wir alle lesen die Bibel; doch das Wort Gottes fällt bei jedem von uns auf einen anderen Resonanzboden, dessen Klang unsere kulturellen Prägungen und die Individualität unserer Lebenswege widerspiegelt. Wir lassen uns gemeinsam von den Glaubensbekenntnissen, theologischen Aussagen und spirituellen Erfahrungen vorangegangener Generationen sowie – insbesondere bei einem evangelischen Projekt – der Reformation inspirieren; doch auch da widmen wir unseren Müttern und Vätern im Glauben eine unterschiedliche, wenngleich stets wohlüberlegte und stets im Dialog miteinander geteilte Aufmerksamkeit. Wir alle müssen unseren christlichen Glauben in unserem Leben und in unseren Beziehungen zum Ausdruck bringen, in dem, was wir sagen, und in dem, was wir tun; es ist nicht verwunderlich oder gar störend, dass die spezifischen Herausforderungen, die jedem von uns begegnen, unterschiedliche Antworten hervorrufen. Das ist sogar ein Zeichen für die Authentizität unseres Glaubens.
Der Glaube selbst ist ein ständiges Verhandeln
Allerdings nur unter der Bedingung, dass die unterschiedlichen Ausdrucksformen des Glaubens angesprochen, gehört und gebündelt werden! Interaktivität auf sprachlicher Ebene, gegenseitige Stimulation, aber auch, um es mit einem etwas altmodischen Begriff zu sagen, «brüderliche Korrektur» sind also unverzichtbar. Diese kollektive Erfahrung des Glaubens im Dialog, eine Grunderfahrung aller zu einer Kirche zusammengeschlossenen Gläubigen, machte den Reiz und die Schwierigkeit des Projektes aus, auf das sich die sechs Autoren des – aus pragmatischen Gründen so genannten – «Glaubensbuches» eingelassen haben. Dabei mussten im Grunde nicht nur die einzelnen individuellen Sichtweisen ins Gleichgewicht gebracht werden, nicht nur die durch diese Sichtweisen vermittelten theologischen, kirchlichen, linguistischen und kulturellen Inhalte. Vielmehr mussten die ganz unterschiedlichen «Sprachen», in denen sich der Glaube entfaltet, zu einem differenzierten, aber kohärenten Ganzen zusammengefügt werden. Das alles stellt einen ebenso impliziten wie expliziten Verständigungsund Verhandlungsprozess dar, wobei nicht nur innerhalb der Gruppe oder Institution verhandelt wird, sondern
auch zwischen den Eigendynamiken der verschiedenen sozialen und existenziellen Handlungsfelder, an denen der Glaube beteiligt ist. Der Glaube selbst ist ein ständiges Verhandeln.
Die Kirche hat in Wort und Tat Zeugnis zu geben
Ein erstes interaktives Spannungsfeld von grundlegender Bedeutung ist das Zusammenspiel zwischen Sagen und Tun. Zu den typischen Kennzeichen reformierter Tradition gehört der immer wieder bekräftigte Anspruch, die Kirche habe in Wort und Tat Zeugnis zu geben. Nun fällt ein Buch einzig und allein in die Kategorie «Wort». Im vorliegenden Fall mag das nicht schwerwiegend sein. Man kann es in unseren Kirchen heutzutage durchaus für angebracht halten, ein Gegengewicht zum umgekehrten Fehler zu setzen: zur stillen, vom Glauben selbst motivierten Einflussnahme auf den Glauben; zu einer vielfältigen, fruchtbaren und sogar bewundernswerten Sachkompetenz, die aber Mühe hat, sich in Worten zur Gefolgschaft Christi zu bekennen, die ihr zugrunde liegt und die sie begleitet. Wir brauchen beides: einen durch Taten belegten, glaubwürdigen Glauben und einen in Worte gefassten, vernehmbaren Glauben. Der aktive Aspekt des Glaubens bleibt in dem Buch nicht unerwähnt, er kommt jedoch vor allem als diakonales Handeln und ethische Verantwortung zur Sprache. Zu ihrem eigenen praktischen Engagement als Christinnen und Christen haben sich die Autoren, als hätten sie sich abgesprochen, nicht weiter geäussert. Ein anderes Feld für Verhandlungen liegt zwischen der Treue zu einer bestimmten, lieb gewordenen Tradition und der Begegnung, die uns verändert und den «Raum unseres Zeltes weit macht» (Jes 54,2). Das Buch soll den christlichen Glauben aus einer spezifisch reformierten Perspektive artikulieren. Das wurde bereits im Entwurf zum Projekt «Glaubensbuch» festgelegt, wie er vom Rat des Kirchenbundes verabschiedet wurde. Der Vorzug für die reformierte Tradition ist nicht nur in der historischen Identität der überwiegenden Mehrheit der Kirchen des Kirchenbundes begründet, er ergibt sich auch – vor allem im deutschsprachigen Raum – aus der besonderen Verantwortung der schweizerischen Stimme innerhalb des europäischen Protestantismus. Ohne Zwingli und Calvin sowie ohne die Tradition der reformierten Kirchen fiele der Ausdruck des evangelischen Glaubens ungemein ärmer aus und wäre auf bestimmten Gebieten von schweren
24 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben Hypotheken belastet; etwa in Bezug auf unser Verhältnis zur Obrigkeit und zum öffentlichen Raum, in Bezug auf die Bedeutung der inneren Organisation der Kirchen, in Bezug auf die beharrliche Nachfrage, was in unseren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systemen sowie in unserer Lebensführung den lebendigen Gott ehrt oder ihn durch falsche Götter ersetzt. Doch umgekehrt gilt auch: Der reformierte Glaube wird durch den Austausch mit anderen evangelischen Traditionen, speziell der lutherischen Tradition, ebenfalls verändert. Er muss sich zudem in einem ökumenischen Kontext verstehen, in welchem er die Fragen, die insbesondere von katholischer Seite an ihn gerichtet werden, nicht unbeantwortet lassen kann. Im Glaubensbuch werden die reformierte, die evangelische und die ökumenische Perspektive gleichermassen berücksichtigt; die Spannungen zwischen ihnen sind unbestreitbar und unverzichtbar. Sie kennzeichnen den Glauben als Verhandlungsgegenstand.
Beide Sprachen haben ihre eigenen Sensibilitäten
Auch zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Gruppe unter den Autoren musste natürlich verhandelt werden. Da die eine wie die andere jeweils ihre eigene Bibelübersetzung benutzte, hatte sie zuweilen nicht denselben Text, ja nicht einmal dieselbe Botschaft vor sich. Ein Beispiel unter anderen ist die Adoption zur Gotteskindschaft in Kapitel 8 des Römerbriefes: Das Motiv der Adoption im griechischen Original wird durch die französische Übersetzung – die TOB – getreu wiedergegeben, während es in der deutschen Übersetzung – hier der Zürcher Bibel – völlig fehlt. Selbst der Text des Unservaters weist bedeutende Unterschiede auf, zum Beispiel zwischen der «Schuld» der Deutschsprechenden und den «offenses» der Frankophonen. Die parallele Erstellung der deutschen und der französischen Version des Buches stellte eine gewaltige Herausforderung dar, zumal bestimmte Ausführungen in der jeweils anderen Version völlig verfehlt wären. «Herr» im Deutschen etwa deckt ein viel weiteres Feld ab als «seigneur» im Französischen, und bei «monsieur» hört niemand mehr den «sieur» heraus. Zudem bestehen Unterschiede in der Sensibilität: eine sicherlich höhere Sensibilität der Frankophonen für einen säkularisierten Kontext sowie für minoritäre, missionarische Kirchen und eine alles in allem höhere Sensibilität der Deutschsprachigen für komplexe Mediationen zwischen Glaube und Kultur. Schliesslich implizieren
ein überwiegend in Übersee angesiedelter frankophoner Protestantismus und ein in seinem Kern europäischer deutschsprachiger Protestantismus zweifelsohne eine jeweils unterschiedliche spontane Vision der Weltkirche.
Die Sprache des Glaubens ist von spannenden «trading zones» durchsetzt
Der amerikanische Historiker Peter Galison prägte den Begriff «trading zones» für Zonen der Verständigung und der Verhandlung zwischen verschiedenen Sprachen – Sprachen im weitesten Sinne als mentale und konzeptuelle Welten. Eines seiner Beispiele zeigt, wie die Verständigung zwischen der Sprache der Physiker und der Sprache praktizierender Ingenieure funktioniert. Die Sprache des Glaubens ist von ganz unterschiedlichen und durchweg spannenden «trading zones» durchsetzt und umgeben. Das wurde bereits beim Gemeinschaftsunternehmen Glaubensbuch deutlich und wird sich sicherlich auch im Anschluss an die Lektüre und die Diskussion des Glaubensbuches bemerkbar machen: Wie wirkt sich der Glaube auf unsere kirchlichen Feiern, unsere Liturgien, die seelsorgerliche Begleitung und die diakonische Arbeit aus? Welche Konsequenzen hat er für den Dialog mit Kunst und Wissenschaft, mit den Christen, die unter uns leben, aber beispielsweise von den Kirchen des Südens geprägt sind? Welche Folgen ergeben sich für das gesellschaftliche Engagement von uns Christinnen und Christen? Das Seeufer, an dem Jesus die Worte «Folge mir» spricht (Joh 21, 19), symbolisiert gleichsam diese Vielzahl von «trading zones», in denen sich unser Glaube ausdrücken und bewähren muss. <
* OTTO SCHÄFER ist Beauftragter für Theologie und Ethik des Kirchenbundes
www.tvz-verlag.ch
Pierre Bühler, Käthi La Roche, Frank Mathwig, Marie-Christine Michau, Otto Schäfer, Matthias D. Wüthrich
Rede und Antwort stehen Glauben nach dem Unservater
Mit einem Vorwort von Gottfried W. Locher Herausgegeben vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK Das Unservater kennen alle. Das Gebet aus der Bergpredigt können die meisten Menschen auch heute noch auswendig. Es hat unsere Kultur, unser Denken über Gott und den christlichen Glauben geprägt. Theologinnen und Theologen aus der Deutschschweiz und der Romandie haben sich zusammengefunden, um auf der Grundlage des Unservaters aus reformierter und ökumenischer Sicht über den gemeinsamen Glauben nachzudenken und zu diskutieren. Zeile für Zeile geht das Buch dem Gebet entlang: Zu jeder Bitte, zur Anrede, zur Schlussformel und zum Amen findet sich ein eigenes Kapitel, das die Brücke vom historischen zum gegenwärtigen Kontext schlägt. Das Buch will in Fragen des Glaubens Rede und Antwort stehen, es will zum Glaubensgespräch Anstoss geben und befähigen. Für alle, denen der christliche Glaube Antwort und Frage ist.
Das Unservater bietet natürlich nicht Antworten auf alle Fragen. Aber es weist dem Nachdenken über den Glauben einen Ort zu. Was geglaubt wird, kommt darin zum Ausdruck, was gebetet wird. […] Das Unservater erlaubt uns, über das, was uns als Reformierten eigen und wichtig ist, im ökumenischen Dialog Rechenschaft abzulegen. Aus der Einleitung
ca. 300 Seiten, 15 × 22,5 cm, Hardcover ISBN 978-3-290-17766-9 ca. CHF 42,00 EUR 34,00 EUA 34,90 Auslieferung: September 2014
TVZ Theologischer Verlag Zürich AG Badenerstr. 73 / Postfach 8026 Zürich ww.tvz-verlag.ch tvz@ref.ch
26 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Protestierend protestantisch
Ist der Glaube nicht nur eine billige Vertröstung? Die Arbeit am Leben in getroster Zuversicht, dass es das Leben wert ist, das heisst Glauben. Das will, das sollte gerade der protestantische Glaube, als ein protestierender Glaube, immer wieder bezeugen. VON PIERRE BÜHLER *
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n einem Interview hat Friedrich Dürrenmatt einmal gesagt, das Schlimmste, was ihm passieren könnte, wäre, am Schaufenster einer Buchhandlung vorbeizugehen und ein Buch zu sehen mit dem Titel «Trost bei Dürrenmatt»! Diese Aussage macht darauf aufmerksam, dass es nicht ganz einfach ist, die wahre Bedeutung des Trostes zu erfassen. Er kann sehr schnell zu einer billigen Vertröstung werden. Dann ist das Hauptanliegen, vom Leiden abzulenken, anstatt wirklich darauf einzugehen. Das hat Karl Marx wohl im Auge gehabt, als er von der Religion als «Opium des Volkes» gesprochen hat: Indem den Menschen eine paradiesische Zukunft verheissen wird, sollen sie betäubt werden, damit sie gar nicht mehr merken, in welchem Elend sie leben. Indem ihnen eine Illusion vorgespielt wird, werden ihre Nöte überspielt. Doch sieht Marx in der Religion interessanterweise auch «die Protestation gegen das wirkliche Elend». Anders gesagt: die Kraft, sich nicht einfach zufrieden zu geben mit dem, was ist. So hat auch Dürrenmatt an anderer Stelle die ständige Unzufriedenheit einen «notwendigen Keim zur Veränderung» genannt. Er konnte das sogar mit seiner protestantischen Herkunft verbinden: «Ich bin ein Protestant und protestiere.» Das Glaubensbuch nimmt sich vor, den Glauben am Leitfaden des Unservaters zu entfalten. Das stellt natürlich gleich die Frage, ob denn das Gebet echten Trost spenden kann, ob es nicht vielmehr ebenfalls billige Vertröstung sei. Schuld, Anfechtung, Erleiden des Bösen: All diese belastenden Erfahrungen werden im Unservater Gott anvertraut. Sind sie damit bereits erledigt? «Dein Reich komme, Dein Wille geschehe…»: Ist das nicht eine illusionäre Hoffnung, die uns resignieren lässt, anstatt uns zu ermuntern?
Aus Beten darf Arbeiten werden, ora et labora
Das Gebet wird nur Trost stiften, wenn in ihm auch um diese Lebenserfahrungen gerungen werden kann, wenn die Wirren der Schuld progressiv entwirrt werden, wenn das Leiden in Worte gefasst werden kann, wenn das Stürzen in die Angst aufgefangen wird. Das Gebet soll dafür Raum schaffen, dass geklagt, angeklagt, ausgerufen, herausgefordert, angefleht werden kann, wie es Hiob in seinem Streitgespräch mit Gott tut. Dann erst wird Gott zu einem echten, lebendigen Gegenüber, das sich der betenden Person zuwendet und sie dadurch befreit zu neuem Lebensmut. «Vergib uns unsere Schuld, führe uns
nicht in Versuchung, erlöse uns von dem Bösen»: In solchen Sätzen geht es darum, die Unzufriedenheit schöpferisch werden zu lassen, damit sie in Bewegung bringt und Verwandlung stiftet. Aus Beten darf dann Arbeiten werden, gemäss der alten Losung «ora et labora». Trost heisst also: Wir gehen aus dem Gebet hervor in getroster Unzufriedenheit, damit wir uns mit dem, was ist, nicht einfach resigniert abfinden. Vielmehr um das Leben, mit seinen hellen und seinen schattigen Seiten, mit seinen Freuden und seinen Leiden, mit seinem Gelingen und seinem Scheitern, in Empfang zu nehmen, als das Feld, in dem wir arbeiten dürfen. Solche Arbeit am Leben in getroster Zuversicht, dass es das Leben wert ist, das heisst Glauben. Das will, das sollte gerade der protestantische Glaube, als ein protestierender Glaube, immer wieder bezeugen. <
* PIERRE BÜHLER ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Zürich
28 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben
– Wo Glauben kommunikativ wird
Niemand glaubt für sich allein Wie glaubt es in den Reformierten – und wie kann über den Glauben gesprochen werden? Sprachphilosophische Gedankenspiele um eine Herausforderung der Menschheitsgeschichte. VON FRANK MATHWIG *
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lauben kannst du in der Kirche› meinte mein alter Physiklehrer, wenn ein Schüler – unsicher über den Stand seiner naturwissenschaftlichen Kenntnisse – seine Antwort mit einem zögerlichen «Ich glaube …» begann. Vielleicht hatte der Lehrer dabei die bekannte Formel des Kirchenvaters Cyprian († 258) im Hinterkopf: «extra ecclesiam salus non est» – «ausserhalb der Kirche gibt es kein Heil». Hätte der Unterricht allerdings in Englisch stattgefunden, wäre das Missverständnis gar nicht entstanden. Der Schüler hätte seine Antwort mit «I believe …» begonnen und damit signalisiert, dass er nicht über seinen Glauben «faith» spricht, sondern über seine mehr oder weniger kompetenten Ansichten zu einem physikalischen Problem.
Glaubensangelegenheiten stiften Verwirrung
Wir glauben mehr, als wir wissen, und mehr, als wir uns an Unsicherheiten und Nichtwissen eingestehen. Wir nehmen es mit der Unterscheidung nicht so genau, auch weil uns die Welt so zuverlässiger und beherrschbarer erscheint. Wissen ist Macht – erst recht in der sogenannten Wissensgesellschaft. Auch der christliche Glaube bleibt davon nicht unberührt. Die Theologiegeschichte ist voll von Versuchen, die Existenz Gottes zu beweisen, den Widerspruch zwischen dem Bösen in der Welt und der Liebe und Allmacht Gottes aufzulösen (Theodizee), Glauben und Vernunft zu versöhnen oder aktuell Biologie und Theologie unter einen Hut zu bringen (Kreationismus). Einer der eindrucksvollsten Beweisführungen stammt von Anselm von Canterbury (1033–1109) mit seiner These: «Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam.» – «Denn ich suche nicht zu erkennen, damit ich glauben, sondern ich glaube, damit ich erkennen kann.» Der scholastische Theologe wirft gleich das nächste Problem auf: Was tue ich eigentlich, wenn «ich erkenne» oder wenn «ich glaube»? Offensichtlich sind Wissen und Erkenntnis etwas Aktives. Ich muss mich darum bemühen, und der Physiklehrer benotet meine Anstrengungen im günstigen Fall positiv. Mit dem Glauben verhält es sich anders. Glauben ähnelt weniger der Wissensaneignung als dem Schlafen. Wenn ich sage: «Ich habe geschlafen», klingt es zwar so, als hätte ich etwas getan. Tatsächlich beschreibe ich aber keine Aktivität, sondern etwas, das mit mir geschieht. Glauben
und Schlafen sind nicht aktives Tun, sondern passives Geschehenlassen.
Glaube wird buchstäblich erlitten
Das klingt irritierend. Vor allem widerspricht es unserem Streben nach Souveränität, Selbstbestimmung und Aktivität. Passivität, im Sinne der Abhängigkeit von anderen und anderem, hat bei uns keine Konjunktur. Wir leben nach dem Motto: Wenn du dich auf andere verlässt, bist du verlassen. Solche Lebensstrategien scheinen schlecht zum christlichen Glauben zu passen, über den der Heidelberger Katechismus in der Antwort auf Frage 21 festhält: «Wahrer Glaube ist nicht allein eine zuverlässige Erkenntnis, durch welche ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort offenbart hat, sondern auch ein herzliches Vertrauen, welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt.» Glauben ist nichts Selbstgemachtes, sondern von aussen Bewirktes. Beim Glauben hängt alles nicht von mir selbst ab. Nicht das Eigene zählt, an die Stelle der Selbstbestimmung tritt die vollständige Fremdbestimmung durch Gott. Glaube «kommt» – wie Paulus in Gal 3, 23.25 ganz gegenständlich formuliert – zum Menschen, Glaube wird buchstäblich erlitten. Von Gott begabt, erkennen die Gläubigen: «Ich bin nicht ich» und «ich gehöre nicht mir». Deshalb geraten wir regelmässig bei der Frage ins Stocken: Was glauben die Reformierten? Natürlich fallen uns viele Antworten ein: die vier reformatorischen Grundpfeiler, Christus allein, die Bibel allein, allein aus Glauben und allein aus Gnade, das Priestertum aller Getauften, die Königsherrschaft Christi. Aber alle Hinweise auf theologische Theorien und Hypothesen greifen zu kurz – nicht weil die Antworten unrichtig wären, sondern weil sie auf die falsche Frage reagieren. Grammatikalisch unkorrekt, aber sachlich angemessen, müsste die Frage lauten: Wie glaubt es in den Reformierten? Der Unterschied zur ersten Frage besteht darin, dass das, was wir glauben, keine Begründung dafür liefern kann, warum wir glauben, wie wir glauben. Nicht die Erkenntnis, dass Christus allein Glauben wirkt, macht uns gläubig. Vielmehr folgt die Erkenntnis über die Bedeutung des menschgewordenen Gottessohnes erst aus dem Glauben. Das Eigentümliche des Glaubens gegenüber Wissen und Erkenntnis hat Ludwig Wittgenstein an einem Gedankenexperiment verdeutlicht. Auf die Frage «Glaubst du, dass …?» in religiösen Zusammenhängen zu antwor-
30 bulletin Nr. 1/2014 Die Autoren des Glaubensbuches schreiben ten «Nein, ich glaube nicht, dass …» hält der Philosoph für «ganz verrückt». Allerdings widerspricht er damit unserer Alltagserfahrung, nach der in der Regel Gläubige – und nicht Ungläubige – als unvernünftig und irrational gelten. Unbeeindruckt davon bestreitet Wittgenstein grundsätzlich, dass Glaubenssätze und ihre Ablehnung zusammenpassen. Ein religiöser Mensch glaubt niemals das, was eine widersprechende Person in ihrer verneinenden Entgegnung beschreibt. Bei der Zurückweisung «Ich glaube nicht, dass Gott existiert» versteht die widersprechende Person die Wörter «Gott existiert» ganz anders, als der religiöse Mensch die gleichen Wörter in seinem Bekenntnis «Ich glaube, dass Gott existiert». Natürlich kennen beide die Wörter «Gott» und «existiert». Und selbstverständlich kann jemand behaupten, «Gott existiert nicht», wenn er davon überzeugt ist, dass Gott nicht existiert. Die Pointe von Wittgensteins Argument besteht darin, dass in solchen Äusserungen stets nur über die eigenen Glaubensüberzeugungen gesprochen wird. Die Ablehnung einer ungläubigen Person orientiert sich lediglich an ihrer eigenen Vorstellung davon, wie es wäre, wenn sie den Glauben einer anderen Person hätte, den sie aber eben selbst nicht hat. Die Gründe, warum jemand nicht glaubt, beruhen nicht auf der Umkehrung jener Gründe, warum jemand anderes glaubt. Wittgensteins Resümee lautet: Religiösen Überzeugungen kann man nicht widersprechen, weil sich die Ablehnung eines Glaubenssatzes niemals auf das beziehen würde, was eine andere Person zu glauben behauptet. Beide Seiten können sich über ihren Glauben bzw. Unglauben austauschen. Aber der Glaube oder Unglaube besteht nicht in den Sätzen, die sich Menschen sagen, sondern in der Art und Weise, wie das Gesagte die Menschen bestimmt. Deshalb können beide Seiten zwar ihre Meinungen über Glauben und Unglauben austauschen, aber nicht die Perspektiven, aus denen sie sprechen.
Über den Glauben lässt sich nur aus der Sicht von Beteiligten sprechen
Das sprachphilosophische Gedankenspiel wirft Rückfragen auf. Wenn über den Glauben nicht in der Weise die Rede sein kann, wie wir über Theorien, Thesen oder Meinungen kontrovers debattieren, wie kann dann überhaupt über den Glauben gesprochen werden? Die Wittgenstein`sche Versuchsanordnung legt den Eindruck nahe, als sei der Glaube hinter den Äusserungen darüber weder teil- noch mitteilbar. Tatsächlich prägen unsere
individualistischen Menschen- und Gesellschaftsbilder auch unsere Glaubensvorstellungen. Glauben erscheint dann als ein subjektives Erleben und eine Art Gewissensangelegenheit, die dem Zugang von Dritten – um der Freiheit des Gewissens willen – verwehrt ist. Aber so sehr der Glauben das persönliche Gewissen bindet, so wenig ist er deshalb eine individuelle Sinnfindungsressource oder ein Selbstbedienungsladen für subjektive Bedürfnislagen. Dass niemand für sich allein glaubt, steckt bereits in dem bekannten Jesuswort: «Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen» (Mt 18, 20). Wenn der Geist Gottes durch das Evangelium «herzliches Vertrauen» wirkt, wie der Heidelberger Katechismus festhält, dann braucht Glaube ein Gegenüber, das Glauben wirkt und dem aus Glauben vertraut wird. Ein Vertrauen ohne ein zuverlässiges Gegenüber wäre Leichtsinn pur. Wie glaubt es sich gemeinsam und wo wird Glaube kommunikativ? Glauben ist Teilhabe am Leben Gottes in seiner Kirche. Wenn Gott in Jesus Christus Mensch wurde (Joh 1) und die Kirche Leib Christi ist (1 Kor 12), dann kann der Ort des Glaubens kein anderer sein als die Gemeinschaft der Gläubigen in seiner Kirche. Vom Glauben kann nur gesprochen werden, sofern und wie sich Gott selbst der und dem Gläubigen zu erkennen gibt. Deshalb lässt sich über den Glauben und über das Glauben schaffende Handeln Gottes durch seinen Geist nicht aus einer Beobachterperspektive, sondern nur aus der Sicht von Beteiligten sprechen. Über den Glauben kommunizieren bedeutet, die göttliche Begabung gemeinschaftlich zu bezeugen. Wenn Glauben eine Erkenntnis ist, dann eine praktische, die – wie Johannes Fischer bemerkt hat – den Erkennenden in den Raum des Erkannten stellt. Glauben kennt keine neutrale Position, weder gegenüber Gott noch gegenüber seiner Kirche. Das bestätigt – zur Überraschung der Auftraggeber – die jüngst erschienene fünfte Erhebung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über Kirchenmitgliedschaft. Die Studie zeigt auf, «dass die lang vertretene These von einem freien, kirchendistanzierten Christentum zunehmend «in der Luft hängt». […] Wieder einmal muss man nüchtern wahrnehmen, dass privates und öffentliches Christentum von Voraussetzungen leben, die sie selbst nicht garantieren oder herstellen können. Das kirchliche Christentum stellt Vergewisserungs- und Verbundenheitsressourcen zur Verfügung, die das private Christentum nicht (wieder) herzustellen vermag und auf die das öffentliche Christen-
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tum angewiesen ist, um plausibel zu bleiben.» Der Satz des Physiklehrers muss also umformuliert werden: Nicht «Glauben kannst du in der Kirche», sondern «Glauben kannst du nicht ohne die Kirche». < * FRANK MATHWIG ist Beauftragter für Theologie und Ethik des Kirchenbundes
Zitate aus: EKD, Engagement und Indifferenz. Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis. V. EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, Hannover, März 2014; Ludwig Wittgenstein, Vorlesungen über den religiösen Glauben, in: ders., Vorlesungen und Gespräche über Ästhetik, Psychologie und Religion, 2., durchges. Aufl., Göttingen 1971, 87–110.
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– Fokus 2
Reformationsjubiläum Der Kirchenbund präsentiert das offizielle Logo zum Reformationsjubiläum in der Schweiz. Bunt und vielfältig wie die Reformation selbst. Zum Start laden wir Sie ein, mitzumachen. Basteln Sie Ihr eigenes Reformationslogo und zeigen Sie uns, wo es bei Ihnen steht!
Die Reformatoren Farel, Calvin und Beza. Das von 1909 bis 1917 in Stein gehauene Reformations denkmal steht in Genf.
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– Das Logo zum Reformationsjubiläum
Ein starkes Zeichen für 500 Jahre Reformation Der Kirchenbund präsentiert das offizielle Logo des Reformationsjubiläums in der Schweiz.
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ls die Buchstaben laufen lernten, gab es ein gehöriges Durcheinander. Sie fanden sich und trennten sich, wollten gemeinsam Worte sein. Der Satz als die möglicherweise früheste Form einer Interessengemeinschaft entstand. Der Punkt – die Anarchie fürchtend – griff ein. Und trennte, wie das Komma, ordnend. Die Buchstaben opponierten, zogen einige Punkte auf ihre Seite. Aus schon wurde schön. Der Verstand ward verständlich. Doch beim tüpischen Türannen war Schluss. Man trennte sich endgültig und nannte das die Sprachen. Das ist lange her. Seitdem ist es gar nicht so einfach, an verschiedenen Orten das Gleiche zu sagen. Diverse Monde später schickte sich ein kleines Habitat idiomatisch Unerschrockener an, dieser Krux zu begegnen. «Reformationsjubiläum» hiess die Herausforderung. Die Aufgabe war, etwas zu finden. Ein Ding, ein Wort, ein Bild – etwas, das spricht: Hallo, ich bin das Reformationsjubiläum. Dies jedoch – Babylon! – in verschie-
denen Sprachen. Und am besten ohne Worte. Für diese Aufgabe musste ein Agenturpartner her – und ward mit der Zürcher Wirz-Gruppe gefunden. Dem Auftrag folgte eine Kreativphase. Was dort geschah, ist Geschichte. An einer entscheidenden Stelle jedoch muss ein Buchstabe, das R, der alte Revoluzzer, aufgesprungen sein. In einem unbeobachteten Moment, als Punkt, Punkt, Komma und Strich miteinander Gesichter malten, hat das R die wohl kontrollierte Ordnung verlassen und hat sich unmissverständlich ins Spiel gebracht. «Reformation!», hat es gerufen. Nur einmal. Aber schon dreisprachig. 500 Jahre Reformation! Es wurde gerungen. Meistens um Worte. Selten um die Fassung. Und nur einmal um den Atem. Denn da lag es. Das offizielle Logo des Reformationsjubiläums in der Schweiz. <
36 bulletin Nr. 1/2014 Das Logo zum Reformationsjubiläum
Gut wiedererkennbar
Sprachversionen
Mit einer gemeinsamen Dachmarke wollen wir dem Jubiläum zu einer starken und sympathischen Visualität mit hoher Wiedererkennung verhelfen. Der Grundgedanke dahinter: Die Reformation ist lebendig und vielseitig, sie hat viele Gesichter und Aspekte und ist viel mehr als ein historisches Ereignis. Das soll in unserem Jubiläumsauftritt zum Ausdruck kommen. Das Jubiläumslogo wirkt durch die Kombination von Bildmarke und verbalem Zusatz klar und modern und ist auch in kleinsten Anwendungen gut lesbar. Die grüne, nationale Grundgestalt des Logos wird durch kantonale Varianten ergänzt, die durch unsere Kirchen genutzt werden. So ist das Reformationslogo in der ganzen Schweiz zu Hause.
KULTUR FREUDE Einsatz in Texten
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Eigene Versionen für die Landeskirchen
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Dreidimensionale Anwendungen
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In diesem Heft:
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Basteln Sie Ihr eigenes R Mit diesem Heft überreichen wir Ihnen Ihr eigenes Reformations-R. Sie müssen es nur noch fertigbasteln. Das ist ganz einfach! Zeigen Sie uns, wo Ihr R steht, schicken Sie uns ein Foto per Email oder Facebook. Und wenn Sie weitere 0 J Bastelbögen möchten, können Sie diese online bestellen. Alle Informationen unter www.ref-500.ch. H
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38 bulletin Nr. 1/2014 Das Logo zum Reformationsjubiläum
Vielfältig wandelbar Neben dem festen Logo gibt es ein frei füllbares Bildzeichen: ein prägnantes und selbstbewusstes «R». Das «R» verdichtet die unterschiedlichen Themen und Aspekte der Reformation und des Jubiläums zu einem lebendigen Zeichen: Das «R» besitzt eine feste Aussenform und kann je nach Verwendungszweck mit beliebigen Inhalten – mit Bildern, Illustrationen, Worten, Farben – bespielt werden. Damit kommunizieren wir so vielseitig wie unsere Kirchen und doch einheitlich im Zeichen eines gemeinsamen Jubiläums.
Give Aways
Wählbare Hintergründe
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Website und App
Einfach anwendbar Das Reformationslogo kann auf unterschiedlichen Medien und Produkten angebracht werden. Wie es geht und was dabei beachtet werden sollte, steht in unserem Nutzungsmanual, das kostenlos auf www.ref-500.ch zur Verf端gung steht.
500 JAHRE REFORMATION
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Plakate und Brosch端ren
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500 JAHRE REFORMATION
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40 bulletin Nr. 1/2014
– Interview mit dem Reformationsbeauftragten
«Wir feiern die Freiheit»
Ein schönes, grosses und freudvolles Fest soll es werden, das Reformations jubiläum in der Schweiz, sagt Daniel de Roche, der Reformationsbeauftragte des Kirchenbundes. Von 2017 bis 2036 dauern die Feierlichkeiten. Danach gilt es, Bilanz zu ziehen. Ein Gespräch.
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b 2017 wird in der Schweiz des Reformationsjubiläums gedacht. Was genau wird denn gefeiert? Daniel de Roche: Die Freiheit des Menschen. Eine Freiheitsgeschichte. Die Reformation ist die Wiederentdeckung der christlichen Freiheit aufgrund des Bibellesens. Die Reformatoren haben gemerkt, dass die Liebe Gottes ohne Vermittlung wirkt. Durch die Taufe sind wir mit Gott verbunden. Was wollten die Reformatoren erreichen – und was nicht? Die Reformatoren waren überzeugt, dass Christus im Zentrum des christlichen Glaubens stehen muss. Das hatte die Kirche zwar nicht unbedingt vergessen, aber es gab einen Streit darüber, wie der Mensch und wie Gott zu verstehen sei. Die Reformatoren haben gesagt: Gott liebt die Menschen. Das hat er in der Schöpfung und in Christus gezeigt. Das wirkte wie eine Befreiung auf die Menschen. Genauso wie die Aussage der Reformatoren, dass es keine Vermittlung dieser Liebe durch die Kirche braucht. Es braucht den Glauben – die Kirche selber ist nur Instrument, die dafür arbeitet, dass die Menschen glauben können und wollen. Die Kirche ist kein Herrschaftsinstrument. Was hat die Reformation der Schweiz gebracht? Was davon ist noch heute spürbar? Erstens hat die Reformationszeit den Menschen in den Städten der Reformation mehr Freiheit gebracht,
fortgesetzt in der Aufklärungszeit. Zugleich die Emanzipation der Städte und der Bürgerschaft, sie haben sich als Christen kompetent genug gefühlt, die Kirche zu führen und in ihr zu leben. Zweitens hat sich die Reformationszeit stark auf die Wirtschaft ausgewirkt: Die Reformatoren haben das Zinsverbot aufgehoben. Drittens haben die Armen sehr von der Reformationszeit profitiert. Zwingli hat betont, dass die Armen zum Volk Gottes gehören und die Gemeinschaft ihnen deshalb helfen muss. Warum feiert der Kirchenbund ab 2017 und wie lange dauern die Feierlichkeiten? 2017 werden viele Kameras und damit eine grosse Aufmerksamkeit auf die reformatorischen Kirchen und ihre Vertreter gerichtet sein. 2017 ist der Startschuss der Reformationsfeierlichkeiten weltweit. Auch wenn die reformatorische Bewegung in der Schweiz erst einige Jahre nach 1517 richtig begonnen hat, gehören die Kirchen in der Schweiz zum christlich-reformierten Europa. 2017 beginnen wir auf nationaler Stufe, dort wird der Kirchenbund federführend sein. Danach geht es in die einzelnen Kantone. 2019 beginnt Zürich, dann folgen andere von Graubünden bis Schaffhausen, Basel bis Bern, Genf bis Neuenburg. Die Feierlichkeiten dauern bis ins Jahr 2036. Dann werden Genf und das Waadtland den Schlusspunkt setzen, die 1536 die Reformation angenommen haben. 2037, also nach zwanzig Jahren, sollte der Kirchenbund dann eine Bilanz ziehen können. Wir versprechen uns eine Stärkung des christlichen Glau-
bens – übrigens sowohl in der reformierten als auch in der katholischen Kirche. Was hat der Kirchenbund vor, um das Reformationsjubiläum bekannt zu machen? Schon unser Vorbereitungskongress in Zürich im vergangenen Jahr, den wir gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland durchgeführt haben, hat viele persönliche und institutionelle Kontakte gebracht, unter anderem zu unserer Schwesterkirche in Deutschland, die ja schon mitten in ihrer Reformationsdekade ist. Hierzulande nun setzt der Kirchenbund den Startschuss. Wir laden die Gemeinden, die Basis, ein, zu überlegen, was heute die zentrale Botschaft des Evangeliums ist. Wir wollen einen Prozess von unten nach oben. Vor allem aber wollen wir ein schönes, grosses und freudvolles Jubiläum feiern können. Schon jetzt beginnen wir damit. Wir haben ein Logo entworfen, das wir den Kirchen und allen Interessierten zur Verfügung stellen. Ein grosses R, und im Kopf dieses R können die Kirchen ihr Wappen, ihr Logo, den Kopf ihres Reformators platzieren. Das R ist das Markenzeichen des Reformationsjubiläums. <
DANIEL DE ROCHE ist Ratsmitglied und Beauftragter des Rates des Kirchenbundes für das Reformationsjubiläum in der Schweiz. Die Fragen stellte Thomas Flügge.
Weiterführende Informationen
Video-Interview: Interview mit Daniel de Roche https://vimeo.com/90664717
42 bulletin Nr. 1/2014
– 500 Jahre Reformation
Welche Projekte plant der Kirchenbund? Basisbeteiligung und Interaktivität, der Blick in die Zukunft sowie ein koordiniertes und differenziertes Kommunikationskonzept – diese vier typisch reformierten Merkmale zeichnen die Projekte aus, die der Kirchenbund mit seinen Kirchen im Blick auf «500 Jahre Reformation» im Jahr 2017 lancieren möchte. VON SERGE FORNEROD *
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er Kirchenbund lädt alle interessierten Kirchgemeinden und Einzelpersonen ein, sich nach dem Vorbild einer Initiative der Vereinigten Protestantischen Kirche von Frankreich (EPUdF) miteinander über zentrale Themen unseres Glaubens auszutauschen. Unter dem Stichwort «unsere Thesen für das Evangelium» wird der Kirchenbund dafür einen in Frankreich mit grossem Erfolg erschienenen interaktiven Kalender der EPUdF übernehmen, adaptieren und den Schweizer Gemeinden 2015 zur Diskussion und Debatte überlassen. Diese von den Kantonalkirchen organisierte, koordinierte und betreute Arbeit soll danach auf kantonaler Ebene gebündelt und Ende 2016 an den Kirchenbund weitergereicht werden. Aus dem Material wird ein gesamtschweizerischer Thesenkatalog erstellt. Er soll den Kantonalkirchen bei ihren regionalen und lokalen Aktivitäten im Jahre 2017 als roter Faden dienen. Durch diesen basisorientierten Beteiligungsprozess erhält jede Kirche und jede Gemeinde die Möglichkeit, zur aktuellen Bestandsaufnahme all dessen beizutragen, was den Kern des evangelischen Glaubens 500 Jahre nach der Reformation ausmacht. Das Vorgehen «von unten nach oben» wertet das gemeinsame Endergebnis auf und verleiht ihm grössere Legitimität. Der Thesenkatalog hilft dem Kirchenbund und seinen Kirchen, die wichtigsten Aspekte der schweizerischen Reformation in die internationalen Gespräche und Veranstaltungen im Jahre 2017 einzubringen, die in erster Linie in Deutschland stattfinden werden.
Der Blick in die Zukunft
500 Jahre Reformation zu feiern, bedeutet nicht, das fünfhundertjährige Bestehen einer Kirche oder einer Konfession zu feiern. Die Reformation war und ist die Wiederentdeckung der befreienden Botschaft des Evangeliums für die eigene Zeit und für den eigenen Kontext: Was bedeutet das alles heute für uns, was bedeutet die rechtfertigende Gnade Gottes, die bedingungslose Liebe Christi, die jedem menschlichen Leben Wert verleiht? Ein solches Projekt in unseren Kirchen zu starten, ist weder vergangenheitsorientiert noch konfessionell. Es betrifft jeden Christen und jeden spirituell Suchenden. Darum empfiehlt der Kirchenbund, diesen Prozess so ökumenisch wie möglich durchzuführen und ihn als einmalige Gelegenheit zu ergreifen, um über die Kirche in der Welt von morgen nachzudenken.
Interaktivität und lokale Verankerung
Reformatorische Theologie ist dialogisch. Sie versucht, die Botschaft des Evangeliums je in den gegebenen Kontext zu übersetzen. Beteiligung bedeutet dabei auch Interaktivität und Dialog. Auf der Internetseite www.ref-500.ch, die während der Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014 freigeschaltet wird, präsentiert der Kirchenbund deshalb eine interaktive Dialogplattform zur Diskussion der Themen und Herausforderungen rund um die Vorbereitungen des Reformationsjubiläums. Am 31. Oktober 2017 wird der Kirchenbund seine «Thesen für das Evangelium» öffentlich anschlagen. Am darauffolgenden Reformationssonntag findet in jeder kantonalen
Hauptstadt und in jeder Gemeinde ein spezieller Festgottesdienst statt, der schweizweit nach derselben Liturgie gefeiert wird.
Eine koordinierte und differenzierte Kommunikation
Damit das alles funktioniert und Wirkung zeigt, bedarf es einer klaren, einfachen und starken visuellen Einheit und Identität. Der Kirchenbund präsentiert unter www.ref500.ch eine Internetseite zum Reformationsjubiläum. Die Website präsentiert die schweizweite Dachmarke, das «R» für 500 Jahre Reformation. Jede Kantonalkirche hat ausserdem eine eigene Variante dieses «R» entworfen und unterstreicht damit gleichzeitig ihre eigene kantonale Identität und die Einheit der aus der Reformation hervorgegangenen schweizerischen Kirchen. Die Internetseite ermöglicht den Kirchen, ihre eigenen Überlegungen, Dokumente und Projekte zu veröffentlichen. Die Marke «R» dürfte sich im Laufe der Jahre als distinktives und wiedererkennbares Kennzeichen des Projektes etablieren und wird in vielen Produkten unterschiedlichen Formats und Zuschnitts verwertet werden können. Das Logo «R» soll bei jeder Veranstaltung unserer Mitgliedkirchen zur 500-Jahr-Feier der Reformation Verwendung finden. Es wird ebenfalls allen zur Verfügung gestellt, die sich mit eigenen Entwürfen hinter «500 Jahre Reformation» stellen möchten. All diese Projekte werden nur dann möglich, wenn die Mitgliedkirchen und vor allem die Gemeinden dies zu ihrem eigenen Anliegen machen, das sie mit Fantasie und Engagement umsetzen.
Der Kirchenbund plant darüber hinaus weitere Projekte, insbesondere ein Wochenende für die evangelische Jugend der Schweiz, eine Musikveranstaltung, eine Veranstaltung mit politischem und eine mit ökumenischem Schwerpunkt. Die Abgeordnetenversammlung im Sommer 2014 markiert den Auftakt für die Projekte des Kirchenbundes, die im Sommer 2018 mit der Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Basel abgeschlossen sein werden. Anfang 2019 werden der Kanton Zürich und die Zürcher Kirche die Fackel übernehmen und sich dabei auf das Werk und die Lehre Zwinglis konzentrieren. < * SERGE FORNEROD ist Leiter des Projektes Reformationsjubiläum des Kirchenbundes.
Weiterführende Informationen
Video-Interview: Interview mit dem Autor Serge Fornerod https://vimeo.com/90736275
– Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014
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Die Sommer-Abgeordnetenversammlung des Kirchenbundes tagt vom 15. bis 18. Juni 2014 in Scuol. Die Gemeinde im Engadin gehört zur Evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden.
VON THOMAS FLÜGGE *
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raubünden ist keine Zwiebel. Weder farblich noch olfaktorisch. Insgesamt taugt das Gemüse an sich nicht für kantonale Kollationen. Bis auf das Schalenprinzip. Hier verbirgt sich hinter jeder Schale eine weitere, dort hinter jeder Tatsache die nächste. Beides ist spannend. Graubünden ist der grösste Kanton der Schweiz. Sein 4046,6 Meter hoher Piz Bernina ist der höchste Berg in einem Radius von 138 km. Erst dahinter wird er durch das Berner Finsteraarhorn um exakt 225,3 Meter überragt. Graubünden ist gleichzeitig der am dünnsten besiedelte Kanton der Schweiz. 27 Frauen, Männer und Kinder verteilen sich auf einen Quadratkilometer. Im Landesschnitt sind es 196. Graubünden hat 150 Täler, 615 Seen – das sind 41 Prozent aller Seen in der Schweiz – und 937 Berggipfel. Graubünden ist der einzige Kanton des Landes mit drei Amtssprachen: Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch. Fünf Gruppen des Rätoromanischen gibt es wiederum, zwei Gruppen der deutschen Mundart. Darin gibt es Varianten des hochalemannischen Bündnerdeutsch und des höchstalemannischen Walserdeutsch. Die Sprache erzeugt Superlative. Nicht zu vergessen die Mundart von Samnaun, die eigentlich zum Tirolerischen gehört, und die zum Alpinlombardischen zählenden italienischen Mundarten. Alles klar? A propos Klarheit: Der allgemein bekannte Ausdruck «huara schön» stammt erstens aus dem Bündnerland und ist zweitens aus dem Wortstamm
«horrend» entlehnt, weist also keinerlei Zusammenhang mit anderen, vorschnellen Verdächtigungen auf. «Die Mehrsprachigkeit bedeutet auch eine Vielfalt der Kulturen im Kanton der 150 Täler», betont Andreas Thöny, Kirchenratspräsident der Reformierten Landeskirche Graubünden. So geben die romanischen Kirchgemeinden Bibeln und Gesangsbücher in ihrem eigenen Idiom heraus.
Auf dem Weg nach Scuol
Auf dem Weg zum Ort der diesjährigen SommerAbgeordnetenversammlung des Kirchenbundes wird der Kanton weit nach Osten durchfahren. Bis ins Engadin. Genauer gesagt ins Unterengadin im Bezirk Inn, am Rande des Schweizerischen Nationalparks. Kreis Suot Tasna. Gemeinde Scuol. Der Ort liegt auf 1250 Metern über Meer. 2333 Einwohnerinnen und Einwohner verteilen sich mit 16 Personen pro Quadratkilometer. Die Hälfte spricht Rätoromanisch, vierzig Prozent Deutsch und vier Prozent Italienisch. Was macht eigentlich der Rest? «Die beiden historischen Dorfkerne von Scuol mit den typischen Engadinerhäusern versetzen den Besucher in die Welt des Schellenursli», sagt Thöny mit Blick auf eines der bekanntesten Kinderbücher der Schweiz, das in der angrenzenden Gemeinde Guarda spielt. «Im Winter kann man im Skigebiet von Motta Naluns und im Tal dem Inn entlang wunderbar Sport treiben. Wanderungen
46 bulletin Nr. 1/2014 Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014 in den angrenzenden Nationalpark gehören zu den eindrücklichsten Erlebnissen. Nicht zuletzt wegen der beinahe garantierten Wildbegegnungen.» Die Geschichte der Evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden wurde durch ein Gespräch ermöglicht: das Ilanzer Religionsgespräch von 1526. Die reformatorischen Ideen Zwinglis hatte der Wind schon länger aus Zürich gen Südosten getragen, als zwei Verordnungen das Land der Drei Bünde umkrempelten. Die Gemeinden erhielten viel Autonomie – zum Beispiel in der Wahl ihrer Konfession. Die Mehrheit der Bürger bestimmte also jetzt die Zugehörigkeit zur römischkatholischen oder zur reformierten Konfession. Seitdem ist auch das Engadin reformiert. Mit zwei Ausnahmen – eine davon ist die direkte Nachbargemeinde von Scuol, Tarasp. Die einst besitzenden Habsburger wollten von der Reformation bis 1803 nichts wissen. Sie
mussten Tarasp abtreten – die Konfession blieb. Ob, ganz nebenbei, die Luft in der Region deswegen so klar ist, weil Karl August Lingner einst das prächtige Schloss Tarasp erstand, ist ungeklärt, aber nicht unmöglich- der Herr hat schliesslich Odol erfunden. Auf Ebene der Kirchgemeinden sei die Ökumene sehr gut verankert, meint Thöny: «Vieles wird gemeinsam gemacht.» Auch das Einvernehmen mit der katholischen Landeskirche sei gut. Schwierig sei es hingegen mit dem bischöflichen Ordinariat: «Zu verschieden sind die Ansichten zu einzelnen Themen.» Ausser einzelnen Freikirchen seien andere Religionsgemeinschaften in Graubünden kaum organisiert. Die Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons zählt heute rund 72 000 Mitglieder in rund 90 Gemeinden, die in zehn regionale Kolloquien aufgeteilt sind. Die Landeskirche wird durch den siebenköpfigen Kirchenrat geführt. Andreas Thöny ist dessen Präsident, gleichzeitig ist
– Einige nehmen die Reise zur Synode traditionell zu Fuss in Angriff
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er der Fraktionspräsident der Sozialdemokratischen Partei (SP) im Grossen Rat in Chur. Das höchste Organ der Kirche ist der Evangelische Grosse Rat. Ihm gehören Abgeordnete der Kolloquien an, dazu einige reformierte Politiker des politischen Grossen Rates des Kantons – und Laien. Einmalig ist die Synode: Seit 1537 versammeln sich hier jährlich die amtierenden wie pensionierten Pfarrerinnen und Pfarrer – nicht also die Laien, wie in anderen Kirchen. «Eine Handvoll Pfarrerinnen und Pfarrer nimmt die mehrtägige Reise von ihrem Wohnort zum Tagungsort noch heute traditionell zu Fuss in Angriff», freut sich der Kirchenratspräsident. Die Synode ist Prüfinstanz für gewählte Pfarrer: Die Gemeinde hat gewählt, die Synode muss bestätigen. Aktuell wird die Synode von Dekan Thomas Gottschall aus Trimmis geleitet.
80 % der Bündner gehören einer Kirche an
Wie alle Kirchen im Land befindet sich die Reformierte Kirche Graubünden im Wandel. Vor sechs Jahren strukturierte sich die Kirche neu. Man verstärkte die Zusammenarbeit unter den Gemeinden und nutzte regionale Synergien. Es galt, Ressourcen zu optimieren. Vor drei Jahren hat die Kirche damit begonnen, ihre Verfassung zu revidieren. Eine schlanke, funktionsfähige Verfassung für eine zukunftsfähige Volkskirche soll am Ende herauskommen.
Eine Prüfung ganz anderer Art hat die Kirche jüngst bestanden. Eine Volksinitiative der Jungfreisinnigen wollte die Kirchensteuer für juristische Personen abschaffen. Wuchtig hat das Volk mit 73 % dieses Vorhaben verworfen, selbst der Gewerbeverband hatte die Nein-Parole ausgegeben. Für die Bündner Reformierten war dies ein Zeichen dafür, dass das Volk die Arbeit der Landeskirchen schätzt und anerkennt. «Wir freuen uns über den nach wie vor grossen Rückhalt in der Bevölkerung», betont Andreas Thöny. Rund 80 % der Bevölkerung gehören einer der beiden grossen Landeskirchen an. 35 % der Bünderninnen und Bündner sind reformiert, 45 % katholisch. Mit Blick auf die Abgeordnetenversammlung des Kirchenbundes in Scuol freut sich der Kirchenratspräsident auf die Besucher aus der ganzen Schweiz. «Zu Beginn der Versammlung findet in der Kirche hoch über dem Inn auf einem Felskopf ein viersprachiger Gottesdienst statt. Auf über 2100 Metern wird in einem Bergrestaurant mit Panoramasicht ein Nachtessen unter Volksmusikklängen serviert. Und schliesslich bieten wir drei Möglichkeiten zur Weiterbildung: in einer Fleischtrocknerei zu erfahren, wie Salsiz und Bündnerfleisch hergestellt werden, bei einem Dorfrundgang verschiedene Mineralwasser zu degustieren oder hinter die Kulissen des Thermalbades zu blicken.» < * THOMAS FLÜGGE ist Beauftragter für Kommunikation des Kirchenbundes
«Der Herr behüte Deinen Ausgang und Eingang»: Über der Tür auf rätoromanisch ist Psalm 121, Vers 8 angebracht.
Kirchenratspräsident Andreas Thöny im Grossratssaal in Chur.
trickbuero.ch
48 bulletin Nr. 1/2014
Die Verfassungsrevision geht weiter. Die Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014 in Scuol (GR) wird um einen Tag Debatte und Austausch zu diesem wichtigen Legis laturthema verlängert.
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– Gott hat nicht auf sein Recht verzichtet
Ein Blick auf die Verfassungsrevision des Kirchenbundes aus theologischer Perspektive Die Verfassungsdiskussion hat die Frage nach dem reformierten Verständnis von Kirche, ihrer rechtlichen Gestalt und Ordnung wieder auf die theologischen und kirchenpolitischen Agenden gesetzt. Die Sommer-Abgeordnetenversammlung 2014 entscheidet über die nächsten Schritte.
VON FRANK MATHWIG *
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ie Vernehmlassung zum Verfassungsentwurf ist abgeschlossen, die zum Teil sehr differenzierten Antworten sind ausgewertet, die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens werden publiziert. Eine Vernehmlassung liefert keine Resultate wie ein Fussballspiel. Nach dem Match steht fest, ob und wenn ja, welche Mannschaft als Siegerin vom Platz geht. Bei Vernehmlassungen ist das nicht so, mit einer Ausnahme. Wie im Fussball gilt auch dort: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wie also weiter? Es liegt nahe, den in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf zu überarbeiten oder ihn eins zu eins den eingegangenen Reaktionen anzupassen oder ihn im äussersten Fall ganz zu verwerfen. Das wären pragmatische, ergebnisorientierte Strategien, wie sie in der Politik üblich sind. Nun geht es bei einem kirchlichen
Verfassungsprojekt nicht nur um Politik, sondern um die rechtlichen Rahmen von Kirche. Das macht den Prozess gegenüber politischen Verfahren nicht nur komplexer und anspruchsvoller, sondern rückt ihn in einen Kontext, der nicht nur juristisch-politisch, sondern wesentlich theologisch-ekklesiologisch bestimmt ist. Betrachtet man das bisherige Verfassungsprojekt aus einem grösseren Abstand, eröffnen sich Perspektiven und Einsichten, die über den üblichen Austausch von Pro- und Kontra-Argumenten weit hinausgehen. Im Folgenden soll nur eine dieser Entdeckungen exemplarisch herausgegriffen und in drei Hinsichten skizziert werden: das Verhältnis von Kirche und Politik, genauer von Ekklesiologie und Kirchenpolitik. Die Verbindung ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir häufig nicht mehr genau wahrnehmen, auf welcher Ebene wir diskutieren.
50 bulletin Nr. 1/2014 Verfassungsrevision Die Herausforderung der Unterscheidung zwischen den (kirchen-)politischen und den ekklesiologischen Geistern ist nicht neu. Bereits die zweite der Berner Thesen von 1527 bemüht sich um eine Klärung: «Die Kirche Christi schafft nicht Gesetze und Gebote ohne Gottes Wort. Darum sind all die Menschensatzungen, die man «Gebote der Kirche» nennt, für uns nur so weit bindend, als sie im göttlichen Wort begründet und geboten sind.»
Kirche im Recht
Die zweite Berner These ist keine Absage an die staatliche Politik oder die Bedingungen kirchenrechtlicher Vorgaben. Sie erinnert vielmehr daran, dass die Bibel für kirchliche Regeln und Gesetze den unhintergehbaren Bezugspunkt bildet. Das reformatorische «Allein die Schrift» (sola scriptura) gilt auch als Messlatte für die Ordnungsgestalt der Kirche. Der Staat bestimmt die Rahmenbedingungen, die Reichweite und die Eingriffstiefe kirchlicher Ordnungen. Die biblisch-theologische Perspektive liefert die Kriterien für ihre inhaltliche Gestaltung. Diese Arbeitsteilung beruht auf einer fundamentalen Differenz: Im Gegensatz zu allen anderen staatlichen Institutionen bringt das Recht nicht die Kirche hervor, sondern regelt lediglich die äusseren Bedingungen ihrer Existenz. Kirche besteht unabhängig von jeder positiven Rechtsetzung, weil Gott in Jesus Christus Grund, Herr und Ziel seiner Kirche ist. Das kirchliche Selbstverständnis gehört nicht nur in die Sonntagspredigt, sondern setzt der Funktion des Rechts für die Kirche und in ihr eine unüberschreitbare Grenze. Kirche steht nicht jenseits staatlicher und gesellschaftlicher Ordnungen, sie geht aber niemals darin auf.
Christus) Anfang und Ursprung (principium) der Kirche. Deshalb können alle menschlichen Bestimmungen davon, was prinzipiell gelten soll, nur nachgeordneten – deshalb beim Wort genommen: keinen prinzipiellen – Charakter haben. Zweitens ist das Demokratieprinzip ein Legitimationsverfahren für Entscheidungen. Ein Gesetz gilt als legitimiert, wenn es in einer ordnungsgemässen Wahl ein Stimmenmehr erhalten hat. Unabhängig vom Inhalt, wer es formuliert und eingebracht hat oder welche Konsequenzen aus seiner Geltung folgen, zählt allein die Ordnungsgemässheit des Abstimmungsverfahrens. Eine presbyterial-synodale Kirchenordnung hat anderes im Blick. Sie will gerade nicht die Debatte um die Sache, den Streit um die Wahrheit durch ein formales Verfahren ersetzen. Vielmehr zielt synodale Beteiligung auf inhaltliche Klärungen durch die geistbegabte Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern. Die Tradition spricht von geistgewirkter Einmütigkeit (magnus consensus), – mit einer Stimme, beherzt und mutig zusammenzustehen – oder mit Apg 15, 28 auf die prägnanteste synodale Formel gebracht: «Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen …»
– «Als ob Gott, indem er sterblichen Menschen die Führung des Menschengeschlechts übertrug, zu ihren Gunsten auf sein Recht verzichtet hätte!»
Demokratische Kirche
Die theologische Bemessung des Politischen gilt auch in der Kirche. Unbestritten hat die moderne politische Demokratie viel von den Kirchenreformen der Reformation gelernt. Die Verbindungen sind unübersehbar, sodass wir dazu neigen, die Demokratie als reformiertes Prinzip zu betrachten. Zwei Einwände stellen sich dieser Sicht aber in den Weg: Erstens ist Jesus Christus allein (solus
Bund oder Gemeinschaft
Nach biblisch-theologischem Verständnis ist Kirche der eine Leib der einen christlichen Gemeinschaft, mit Christus als dem einen Haupt. In ihrer organisatorischen Gestalt kommen die evangelischen Kirchen in der Schweiz auf nationaler Ebene dagegen nicht über einen lediglich funktional definierten Bund hinaus. Die Unterscheidung zwischen den rechtlichen und ekklesiologischen Bestimmungen der Mitgliedkirchen und dem bloss funktionalen Verständnis vom Kirchenbund reisst einen Graben auf, der dem kirchlichen Einheitssinn im Weg steht. Die ekklesiologische Spalte kann nicht einfach übersprungen werden, sondern bedarf sorgfältiger Überlegungen. Der prominente Hinweis auf die lange kantonalkirchliche Tradition wiegt schwer. Aber als rein historisches und politisches Plädoyer muss seine ekklesiologische Relevanz eigens begründet werden. Immerhin geht es um nichts weniger als die – vor allem von reformierter Seite betonte – «sichtbare» Einheit der Kirche. Die Brisanz des Themas zeigt sich bereits in einer überraschenden Beob-
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achtung: Die reformierten Kirchen, die ihre Existenz der radikalen Kritik an überkommenen Traditionen verdanken, nehmen an dieser Stelle das Traditionsargument in geradezu exklusiver Weise für sich selbst in Anspruch. Hier bleibt noch viel Platz zum Weiterdenken.
Kirche und Politik
Die Verfassungsdiskussion hat die Frage nach dem reformierten Verständnis von Kirche, ihrer rechtlichen Gestalt und Ordnung wieder auf die theologischen und kirchenpolitischen Agenden gesetzt. Allein diese Tatsache ist viele Mühen wert. Die biblisch-theologischen und ekklesiologischen Aspekte verdienen eine Vertiefung. Damit die politischen Argumente zu konfrontieren, gibt diesen das angemessene kirchliche Gewicht. Ekklesiologische und kirchenpolitische Perspektiven gründen dabei auf der gemeinsamen Einsicht: «Als ob Gott, indem er sterblichen Menschen die Führung des Menschengeschlechts übertrug, zu ihren Gunsten auf sein Recht verzichtet hätte! […] Ehre sei Gott!» Die Schlussworte aus Calvins Institutio über die Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat können auch auf die innere Ordnung der Kirche bezogen werden. Dann würde der Satz ungefähr so lauten: Mit der Übertragung der kirchlichen Gestaltungs- und Führungsaufgaben auf uns Christinnen und Christen hat Gott nicht auf sein Recht an und in seiner Kirche verzichtet. In diesem Sinne muss der Prozess der Verfassungsrevision dort weitergehen, wo Calvins Institutio endet. < * FRANK MATHWIG ist Beauftragter für Theologie und Ethik des Kirchenbundes
Weiterführende Informationen
Video-Interview: Interview mit Dr. theol. h.c. Peter Schmid, Vizepräsident des Rates https://vimeo.com/90745741
52 bulletin Nr. 1/2014
– Publikation
Stadtarchiv/Museum Neustadt an der Weinstrasse
Der Heidelberger Katechismus – ein reformierter Schlüsseltext
Zacharias Ursinus lehrte an der Universität Heidelberg, als er ab 1562 im Auftrag von Kurfürst Friedrich III. Vorlagen für den Heidelberger Katechismus verfasste.
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Die Vorträge einer Ringvorlesung zum Heidelberger Katechismus an der Universität Bern sind jetzt im Verlag TVZ erschienen. Mit dabei sind unter anderem Gottfried Locher und Kurt Kardinal Koch. VON MARTIN HIRZEL *
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itte April ist das Jubiläumsjahr aus Anlass des «450. Geburtstags» des Heidelberger Katechismus zu Ende gegangen. Weltweit hat man sich in evangelischen Kirchen mit neuer Freude und neugierigem Blick diesem Text zugewendet, der zu den am meisten verbreiteten reformatorischen Texten gehörte und weit bis ins 20. Jahrhundert hinein auch in der Schweiz im Konfirmandenunterricht verwendet wurde. Im Gedenkjahr ging es dabei nicht nur um Entstehung und Geschichte des vom pfälzischen Kurfürsten Friedrich III. in Auftrag gegebenen und stark unter dem Einfluss der Zürcher Reformation stehenden Katechismus, sondern um seine Bedeutung und seine Impulse für das Christ- und Kirchesein heute. Der Kirchenbund hat in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät der Universität Bern und den Reformierten Kirchen Bern–Jura–Solothurn im Frühjahrsemester 2013 an der Universität Bern eine Ringvorlesung veranstaltet. Unter dem Titel «Der Heidelberger Katechismus als reformierter Schlüsseltext» wurde der Katechismus aus historischer, dogmatischer, ethischer, praktisch-theologischer und ökumenischer Sicht untersucht und aktualisiert. Die Beiträge, unter anderem von Gottfried Locher und Kurt Kardinal Koch, sind jetzt in einem Buch publiziert worden, das im Theologischen Verlag Zürich erschienen ist.
der Katechismus eine Fülle biblischer Bezüge biete und Lehrhaftes so darstelle, dass es unmittelbar den Glauben nährt. Insgesamt biete der Heidelberger die «Quintessenz des Christentums», auf welcher auch die ökumenische Gemeinschaft aufbauen könne, trotz der Kritik, die am Heidelberger auch angebracht werden kann. In der ersten Frage des Heidelbergers ist diese Quintessenz so unvergesslich formuliert: «Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.» Dass diese Gewissheit des Christenmenschen, die den Heidelberger Katechismus wie ein roter Faden durchzieht, ihren Grund in Gott selber hat, kommt auch in der letzten Frage und Antwort unübertroffen zum Ausdruck: «Was bedeutet das Wort ‹Amen›? Amen heisst: Das ist wahr und gewiss! Denn mein Gebet ist von Gott viel gewisser erhört, als ich in meinem Herzen fühle, dass ich dies alles von ihm begehre.» < * MARTIN HIRZEL ist Beauftragter für Ökumene und Religionsgemeinschaften des Kirchenbundes
Die Quintessenz des Christentums
In seinem Beitrag referiert Paolo Ricca, emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Waldenserfakultät in Rom, zum Thema «Der Heidelberger Katechismus aus ökumenischer Sicht». Ricca hält den Heidelberger für «insgesamt eine der gelungensten, reichsten und tiefgreifendsten Darstellungen des christlichen Glaubens» Im besten Sinne sei der Heidelberger «christlich» und das heisse auch «ökumenisch». Dies zeige sich daran, dass
Martin Ernst Hirzel, Frank Mathwig, Mathias Zeindler (Hg.), Der Heidelberger Katechismus – ein reformierter Schlüsseltext, TVZ, Zürich 2013 (reformiert! Band 1). ISBN 978-3-290-17709-6
54 bulletin Nr. 1/2014
– 80 Jahre Berner Erklärung des Kirchenbundes
Weiter schlafen? Wer kennt schon die «Erklärung des Vorstandes des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes» vom 21. März 1934? Allein das Datum erinnert an jene andere «Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche», die zwei Monate später am 31. Mai 1934 auf der Ersten Bekenntnissynode der Bekennenden Kirche in Wuppertal verabschiedet wurde. Während das eine Dokument unter dem Titel «Barmer Theologische Erklärung» in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem weltweiten kirchlichen Fanal gegen Staatsterror und Unterdrückung wurde, blieb die «Berner Erklärung» selbst im eigenen Land weitgehend unbekannt.
VON FRANK MATHWIG *
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m Jahr 1936 stellte Karl Barth die unbequeme Frage, «ob der schweizerische Protestantismus aus dem Schlaf, aus dem aufzuwachen die deutsche Bekenntniskirche sich anschickt, auch schon erwacht ist oder ob er ihn – denn zweifellos war auch er seit Jahrhunderten in diesen Schlaf versunken – etwas weiter zu schlafen gedenkt?» Damit hatte der Theologe aber die eigene Pointe verschlafen, sonst wären ihm seine Bemerkungen über die Berner Erklärung vom März 1934 in den Sinn gekommen. An Heinrich Vogel schrieb er: «Auch der Schweizerische Kirchenbund wird nun mit einer bekenntnisartigen Erklärung auf den Plan treten.» und an seinen Bruder Peter: «Auch der Schweizerische Kirchenbund setzt sich, scheint es, dieser Tage ernstlich in Marsch.»
Die Vorgeschichte der Berner Erklärung war kompliziert
Die Vorgeschichte der Berner Erklärung war so komplex, wie die Sache kompliziert. Die bunte schweizerische Kirchenzeitungslandschaft jener Zeit dokumentiert die Zerrissenheit in der Beurteilung der Gleichschaltung des deutschen Protestantismus 1933/1934 und bei der Frage nach möglichen und nötigen Reaktionen. Adolf Keller, Sekretär des Kirchenbundes und Verfasser der Berner Erklärung, hat in seiner regen Korrespondenz auf den Kern des Konflikts hingewiesen: einerseits zurückhaltende Kirchendiplomatie sowohl gegenüber der offiziellen Deutschen Evangelischen Kirche – zu der enge Kontakte bestanden – als auch im Blick auf die Gefährdungen
Corbis
Die Schweizer Kirchen waren zerrissen in der Beurteilung der Gleichschaltung des deutschen Protestantismus 1933/34 und bei der Frage nach möglichen Reaktionen. Währenddessen wird Ludwig Müller in Berlin als «Reichsbischof» der Deutschen Evangelischen Kirche eingesetzt.
56 bulletin Nr. 1/2014 80 Jahre Berner Erklärung des Kirchenbundes
Berner Erklärung Erklärung des Vorstandes des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes vom 21. März 1934 1.
Für eine Kirche, die sich auf die Reformation beruft, ist die Bibel Alten und Neuen Testaments, unbeschadet ihrer wissenschaftlichen Erforschung, einzige Quelle und Norm ihrer Verkündigung.
2.
Nach allgemeinem evangelischen Verständnis beruht der Charakter einer Reformationskirche vor allem darin, dass sie Jesum Christum als ihren einzigen Herrn anerkennt und in der Rechtfertigung durch den Glauben an ihn, nicht aber in irgendwelchen natürlichen Vorzügen oder Leistungen die Bedingung für alles Heil erblickt.
3.
Die Kirche der Reformation hat für die Freiheit eines Christenmenschen gekämpft. Die geistige Freiheit ist einer evangelischen Kirche auch heute unentbehrlich für die Verkündigung ihrer Botschaft.
4.
In weitgehender Übereinstimmung mit dem Glauben der evangelischen Christenheit hat eine evangelische Kirche, unbeschadet der nationalen Eigenart, einen übernationalen Charakter, der in der Berufung durch Gott begründet ist. Er hat seine Kinder in allem Blut, in allen Rassen und in allen Völkern und hat uns in der Kirche eine Gemeinschaft des Geistes und des Glaubens, nicht aber des Blutes oder der Rasse oder staatlicher Bindung geschenkt.
5.
Die gegenwärtige Not und Verwirrung der Kirche in vielen Ländern treibt uns zu ernstlicher Busse, sowie zu einer neuen, gemeinsamen Besinnung auf das wahre Wesen der Kirche Jesu Christi und ihrer Verkündigung, wie sie durch die Reformation neu erweckt wurde und immer wieder neu zu erringen ist.
der sich konstituierenden Bekenntnisopposition – die nicht weiteren Risiken ausgesetzt werden sollte; andererseits die Annahme des status confessionis angesichts des prekären Zustandes der Kirche selbst. Am Ende nötigten Initiativen aus den Mitgliedkirchen den Kirchenbund zum umgehenden Handeln. Die «Theologische Arbeitsgemeinschaft des Kantons Bern» hatte Anfang März 1934 ein solidarisches Manifest für den Pfarrernotbund in Deutschland verfasst, das später mit über 600 Unterschriften nach Berlin geschickt wurde. Es bietet im Kern eine Auslegung der ersten Berner These von 1527: «Die heilige christliche Kirche, deren alleiniges Haupt Christus ist, ist aus dem Wort Gottes geboren. Darin bleibt sie und hört nicht die Stimme eines Fremden.» Daran wird zwei Monate später auch der Verwerfungssatz der ersten Barmer These anknüpfen.
Manche sahen in der Berner Erklärung eine Art «Barmen light».
Die theologischen Erklärungen aus Bern und Barmen verbindet nicht nur eine gemeinsame Vorlage – die «Erklärung über das rechte Verständnis der reformatorischen Bekenntnisse in der deutschen evangelischen Kirche der Gegenwart» von Karl Barth vom Januar 1934 –, sondern auch die aktive Mitarbeit ihres Autors an beiden Dokumenten. Weil die Berner Thesen in einem liberalen Sprachduktus verfasst sind und auf biblische Verweise ebenso verzichten wie auf die dreigliedrige Struktur von Bibelbezug, These und Verwerfungssatz, sahen manche darin lediglich eine Art «Barmen light». Umstritten ist, ob diese «Elementarisierungen» eher einem mangelnden theologischen Tiefgang geschuldet sind oder dem bewussten Verzicht auf ökumenisch nicht konsensfähige schultheologische Zuspitzungen. Grundsätzlich sollte der Vergleich zwischen Bern und Barmen nicht überstrapaziert werden. Ausserdem ist der thesenhafte Charakter der Berner Erklärung unverkennbar. Thesen werden stets als Einwurf, Gegenrede, Aufmerksamkeitsschärfer oder Anleitung zum Umdenken formuliert. Sie sind stolpernde Ouvertüre und nicht durchkomponiertes Finale. Schon bei ihrer Veröffentlichung war die Berner Erklärung kein Renner. Einzig der bernische Synodalrat äusserte sich dazu und gab in seiner Aprilsitzung zu Protokoll: «Von einer Kundgebung des Kirchenbundes an die Deutschen Christen wird Kenntnis genommen.» Diese Bemerkung verpasst allerdings die Pointe der Berner Erklärung. Obwohl sie als Antwort für das Kirchli-
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che Aussenamt der Deutschen Evangelischen Kirche in Berlin motiviert war, hatte Adolf Keller von Anfang an einen weiten Adressatenkreis im Blick. Als Schweizer Theologe schaute er ebenso auf die eigene Kirche wie als Ökumeniker auf die Situation der weltweiten Kirche. Wie das zusammengeht und vor allem zusammengehört, wird in der fünften These ausgeführt: «Die gegenwärtige Not und Verwirrung der Kirche in vielen Ländern treibt uns zu ernstlicher Busse sowie zu einer neuen gemeinsamen Besinnung auf das wahre Wesen der Kirche Jesu Christi und ihrer Verkündigung.»
Hier wird Kirche zur gemeinsamen Sache von Brüdern und Schwestern
Wenn auch die Nähe zur ersten These des Barth`schen Entwurfs unverkennbar ist, besteht doch ein fundamentaler Unterschied zur Vorlage und zur Barmer Theologischen Erklärung. Barth und Barmen formulieren ihre Thesen für deutsche Christen im Blick auf ihre Kirche. Die Berner Thesen richten sich dagegen sowohl an die deutsche als auch an die eigene Kirche. Die Spitze von Bern liegt in dem «Sowohl-als-auch». Naheliegend wäre eine Mahnung oder Aufmunterung an die deutschen Christen gewesen, verständlich auch ein Aufruf an die eigene Kirche. Aber eine These, in der sich die deutsche und schweizerische evangelische Kirche im «uns» der Busse und im Bekennen der einen wahren Kirche vereinen, ist so überraschend wie einzigartig. Das ist keine kollektive Nabelschau zweier nationaler Kirchen, sondern das Zusammenrücken unter dem
Die Zitate stammen aus: Karl Barth zum Kirchenkampf. Beteiligung, Mahnung, Zuspruch. Theologische Existenz heute, Heft 49, München 1956. Birger Maiwald, Ökumenischer Kirchenkampf. Die «Berner Erklärung» des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes von 1934, Bern 1997. Martin Sallmann / Matthias Zeindler (Hg.), Dokumente der Berner Reformation: Disputationsthesen. Reformationsmandat. Synodus, Zürich 2013.
einen Kreuz. Hier wird Kirche zur einzigen und gemeinsamen Sache von Brüdern und Schwestern.
Die Berner Erklärung ragt über alles Vergleichbare aus dieser Zeit hinaus
Die Berner Erklärung ragt aber noch in einem weiteren Punkt über alles Vergleichbare aus dieser Zeit hinaus. In der ersten These heisst es, die «Bibel Alten und Neuen Testaments» sei die einzige Quelle und Norm kirchlicher Verkündigung. Natürlich begegnet das sola scriptura auch bei Barth und in Barmen. Aber angesichts der Tatsache, dass die Barmer Theologische Erklärung kategorisch jedes alttestamentliche Bibelzitat vermeidet und auch Barth – zu seinem späteren ausdrücklichen Bedauern – jeden Hinweis auf den jüdischen Teil der Bibel unterlässt, bekommt die leicht überlesene Präzisierung «Bibel Alten und Neuen Testaments» ein besonderes Gewicht: Gottes Wort, auf dem die Kirche gründet, ist sein Wort an Juden und Christen. Es bleibt immer ambivalent, wenn bei der Suche nach einer klaren Aussage akribisch zwischen den Zeilen gelesen werden muss. Aber so zaghaft und ungenügend uns der Hinweis auf die gemeinsame Schrift aus heutiger Sicht erscheint, so einsam steht er in der damaligen Bekenntnislandschaft da. 80 Jahre Berner Erklärung sind – nüchtern betrachtet – auch 80 Jahre, in denen die Thesen unbekannt oder nicht gefragt waren oder schlicht vergessen wurden. An der Berner Erklärung mussten sich die Geister scheiden, zu unversöhnlich waren die theologischen Positionen, aber auch die kirchlichen Haltungen gegenüber den Deutschen Christen. Vor allem provozierte das Dokument aus dem Kirchenbund die alte Frage nach der Notwendigkeit eines gemeinsamen Bekenntnisses. So war die Berner Erklärung von Anfang an auch Symptom und Opfer der reformierten aus dem 19. Jahrhundert geerbten Bekenntniskrise. Konflikte und Krisen sind schlechte Ruhekissen. Die Kirchen haben nicht geschlafen, aber sie sind bis heute in der Ouvertüre stecken geblieben, ungeachtet aller Situationen, die Anlass hätten sein können, an der 1934 begonnenen Bekenntnispartitur weiterzuschreiben. < * FRANK MATHWIG ist Beauftragter für Theologie und Ethik des Kirchenbundes
58 bulletin Nr. 1/2014
– Interview mit dem Jurymitglied Niklaus Peter
«Eine gute Predigt hat mit dem Leben zu tun»
Erstpublikation im Magazin «Doppelpunkt» (9/2014) Abdruck mit freundlicher Genehmigung der CAT Medien AG
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Der Kirchenbund verleiht am Reformationssonntag erstmals einen Schweizer Predigtpreis für gelungene Predigten und möchte so die Kunstform Predigt ins Gespräch bringen. Jurymitglied Niklaus Peter erzählt, welche Kriterien eine gute Predigt erfüllen soll.
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iklaus Peter, was bedeutet Ihnen das Predigen? Ich predige sehr gerne. Die Predigt ist eine einzigartige Form der Kommunikation in unserer Mediengesellschaft. Eine gute Predigt ist ein Ort der Ruhe und der Konzentration auf das Wort. Präsenz und Inhalt sind wichtig, nicht «Schnickschnack». Wenn man «Schweizer Predigtpreis» hört, fragt man sich: Steckt die reformierte Predigt in der Krise? Ich würde weder mit Ja noch mit Nein antworten. Der Impuls zum Predigtpreis ist mit einem Literaturpreis vergleichbar: Man sucht und stärkt gute Texte, denn die Predigt ist ein hohes Kulturgut, nicht nur für die Kirche. Indem man darüber redet, gibt man Impulse und fördert die Predigtkultur. Aus einer wunderbaren Predigt nehmen die Leute etwas mit für die Woche: belebende Worte, ein Stück Orientierung. Natürlich gibt es Entmutigendes in unseren Kirchen. Der Preis will die «Best Practice» stärken. Im Zentrum steht nicht die Krise, sondern das Kulturgut unserer Kirche des Wortes. Kann ein Wettbewerb, ein Instrument der Marktwirtschaft, die Predigtkultur neu beleben? Es geht nicht darum, Superstars herauszuheben, sondern Gelungenes zu prämieren. Man kann in gutem Sinne streiten. In einem Spitalgottesdienst muss die Predigt anders tönen als im Fraumünster – so funktioniert
Kommunikation. Bewertungskriterien sind, ob jemand eine solide Theologie und etwas zu sagen hat, das mit dem Kern des christlichen Glaubens zu tun hat, und ob ein Aufbau erkennbar ist; denn gute Rhetorik denkt an die Zuhörer. Dazu gehört eine Einleitung, die einen Raum öffnet, eine kraftvolle Durchführung, und zum Schluss muss «der Sack wieder zusammengebunden» werden. Die Jury wird auf lebendige Sprachbilder und biblische Tiefe achten und darauf, ob die Predigt mit dem heutigen Leben etwas zu tun hat. Eine Predigt ist im Normalfall einmalig, für ein bestimmtes Publikum … Das stimmt nicht ganz, es gab schon immer Predigten zum Nachlesen. In der Fraumünstergemeinde legen wir 250 Predigten auf, verschicken sie per E-Mail und stellen sie ins Internet. Andererseits stimmt es, dass sie einmalig ist: für einen bestimmten Sonntag geschaffen, mit Gebeten, passender Musik und für eine Gemeinde. Es ist ein Ereignis. Man kann aber Predigten auch für sich betrachten. Und die Kommunikation über gelungene Predigten regt an: Ich bin in einer Gruppe mit Pfarrpersonen,
Niklaus Peter, Pfarrer am Zürcher Fraumünster, ist Jurymitglied für de Schweizer Predigtpreis des Kirchenbundes.
60 bulletin Nr. 1/2014 Schweizer Predigtpreis: Interview mit dem Jurymitglied Niklaus Peter die einander gehaltene Predigten vorlesen oder abspielen. Das inspiriert und schützt vor Verengung. Ich habe eher erlebt, dass über Predigten zu reden ein Tabu ist. Eben! Das habe ich auch erlebt. Der Predigtpreis versucht auch Skeptikern gegenüber klarzumachen, dass die Predigt ein Kulturgut ist, dem man Sorge tragen muss. Man stelle sich einmal vor, wie viele Bilder in der Weltliteratur aus der Bibel kommen! Sie alle wurden durch gute Predigten vermittelt. So entsteht eine Lese- und Interpretationskultur über die Kirche hinaus. In der Kirche des Wortes soll das gestärkt werden. Und in einer Publikation wollen wir gelungene Predigten veröffentlichen. Die klassische Homiletik lehrt ein Zusammenspiel von Prediger, Hörer und Text. Der Predigtpreis erweckt den Eindruck, man richte sich primär an Pfarrpersonen. Nein, auch Gemeindeglieder, die gute Predigten erleben, sollen aktiv werden und Pfarrpersonen zum Mitmachen ermuntern. Die Predigt ist zwar von Theologen, aber ohne Gemeinde gibt es keine Predigtkultur. Man soll nicht nur sagen, was die Leute hören wollen. Das prophetische und das kritische Element gehören dazu.
zehn Minuten aber liegt die Konzentration auf dem Wort. Der eigene Geist, das Denken wird angeregt. Die Gegenwart kommt intensiv herein, aber auch die biblische Geschichte, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir müssen uns schützen gegen eine falsche Spiritualisierung und Betulichkeit. Gerade als reformierte Kirche pflegen wir das Wort. Die Reformation propagierte das Sola-scriptura-Prinzip. Reicht die Bibel als Predigtgrundlage? Gewisse heutige Lebenssituationen kommen darin nicht vor, Jesus starb jung. Das ist der entscheidende Punkt! Predigt heisst nie Fundamentalismus, Biblizismus oder die Übernahme des damaligen Weltbildes. Paulus sagt: Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig! Das leistet die Predigt, dass sie den Kern des lebendigen Gotteswortes durch konkrete Menschen in die heutige Zeit und für heutige Menschen übersetzt.
– «Das leistet die Predigt, dass sie den Kern des lebendigen Gotteswortes durch konkrete Menschen in die heutige Zeit und für heutige Menschen übersetzt.»
Können wir heute noch zuhören? Wird die Predigt zu einem Nischenangebot in unserer visuell geprägten Welt? Ich glaube nicht, dass das Hören das Problem ist. Sicher hat sich die kommunikative Situation seit Gotthelfs Zeiten verändert. Eine Predigt kann Verinnerlichung erzeugen, sie verdichtet. Montaigne sagte: «Das Wort gehört zur Hälfte dem Autor und zur anderen dem Leser.» Das ist gute Rhetorik, dass nicht indoktriniert wird, sondern dass man in ein ernstes Spiel einbezogen wird. Die Hörer sollen so ins Gespräch kommen über Bedeutungsvolles in unserem Leben. Paulus sagte: Durch die Predigt entsteht Glauben. Ist Frömmigkeit so noch vermittelbar? Die Predigt ist nur ein Teil des Gottesdienstes; Gebete, Musik und Stille gehören dazu. In den rund fünf-
Es gibt eine lange Predigttradition, die fast exklusiv von Männern geprägt wurde, denn Frauen durften nicht reden. Wie geht die Jury mit der Geschlechterfrage um? In der reformierten Kirche sind Frauen im Amt absolut gleichberechtigt. Es gibt heute eine starke, von Frauen bestimmte Predigtkultur, eine Kraft, wie man sie sonst in keiner Kirche findet: Es gibt ganz tolle Predigerinnen, die eine Wärme ausstrahlen, Lebenserfahrung und eine Sensibilität haben, die man bei Männern oft vermisst. Ich hoffe auf gute Einsendungen, damit dies hör- und lesbar wird. Frauen haben einen eigenen Blick für den Kern der Botschaft. Die Jury ist gemischt zusammengesetzt. <
NIKLAUS PETER ist Pfarrer am Zürcher Fraumünster und Jurymitglied für den Schweizer Predigtpreis. Die Fragen stellte Katharina Buschor-Huggel.
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bulletin Nr. 1/2014
Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK
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– So arbeiten wir
Der Kirchenbund und seine Organisation Seit seiner Gründung im Jahr 1920 nimmt der Kirchenbund die Interessen seiner Mitgliedkirchen wahr und vertritt den Protestantismus auf nationaler und internationaler Ebene. Unsere Aktivitäten im Überblick.
Das sind wir … Rat
Abgeordnetenversammlung
Geschäftsstelle
Der Rat ist das Exekutivorgan des Kirchenbundes. Er hat sieben Mitglieder, die von der Abgeordnetenversammlung für vier Jahre gewählt werden. Vollamtlicher Ratspräsident für die Amtszeit 2011–2014 ist Pfarrer Dr. theol. Gottfried Locher (Bildmitte).
Die Abgeordnetenversammlung ist das Parlament des Kirchenbundes. Es zählt 74 Mitglieder, wobei 70 von den Kirchen gewählt und entsandt werden. Die Abgeordnetenversammlung tritt zwei Mal jährlich zusammen, im Juni als Gast einer Kirche, im November in Bern.
Die Geschäftsstelle setzt die Strategien, Ziele und Beschlüsse des Rates sowie der Abgeordnetenversammlung operativ um. Sie bereitet Beschlüsse des Rats vor, bearbeitet Sachfragen und entwickelt Positionen und Stellungnahmen. Überdies erbringen die rund 35 Mitarbeitenden Dienstleistungen für die Kirchen und andere Partner und Partnerinnen. Die Geschäftsstelle wird von Pfr. Philippe Woodtli geleitet.
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Das tun wir … Stärkung der Zusammenarbeit und Einheit der Mitgliedkirchen Wir arbeiten für die Bündelung der evangelischen Kräfte in der Schweiz und die Festigung der spirituellen Bande unter unseren Mitgliedern. Wir stärken das gemein same Verständnis in theologischen Fragen, etwa in Bezug auf das Abendmahl,
die Taufe oder die Ordination. Wir sind ein Ort des Aus tausches und der Vernetzung für die im Kirchenbund zusammengeschlossenen Kirchen und unterstützen sie mit einer breiten Palette von praktischen Dienstleistungen.
Vertretung kirchlicher Interessen gegenüber Behörden und Institutionen Wir vertreten die Anliegen des Protestantismus auf gesamtschweizerischer Ebene gegenüber Bundesbehörden, Universitäten, Wirtschaftsverbänden, Kulturinstitutionen und weiteren Teilen der Zivilgesellschaft. Wir engagieren uns dabei nicht nur für günstige Rahmenbedingungen für unsere Mitgliedkirchen, sondern sind auch geleitet von der Sorge um eine gedeihliche Entwicklung der Gesellschaft für alle Menschen.
Wir bringen die evangelischen Sichtweisen und Werte ein, u. a. bei Vernehmlassungen zu kirchenrelevanten Themen oder durch Stellungnahmen zu Volksabstimmungen und Referenden. Wir arbeiten in verschiedenen Gremien mit, wie beispielsweise in der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR und in der eidgenössischen Kommission für Migrations fragen EKM.
Evangelische Stimme in der Gesellschaft Wir verhelfen dem Evangelium zu einer zeitgemässen Formu lierung und geben Antworten auf Fragen, die die Menschen heute beschäftigen. Wir streben die Präsenz einer starken reformierten Stimme in der Öffentlichkeit an. Wir mischen uns in die gesellschaftlichen Debatten ein und erarbeiten zu zentralen politischen und sozial
ethischen Fragen evangelische Positionen, so beispielsweise zur Pränataldiagnostik, zur Abtreibung oder zur Sterbehilfe. Dabei treten wir ein für die Würde, die jedem Menschen als Ebenbild Gottes eigen ist, ungeachtet seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seines Alters.
Dialog mit Religionsgemeinschaften im In- und Ausland Wir leisten über unsere institutionellen Grenzen hinaus einen Beitrag zur Verkündigung des Evangeliums und zu religiösem Frieden. Dazu pflegen wir die Beziehungen zu den kirchlichen, ökumenischen und zivilgesellschaftlichen Partnern im Inund Ausland, u. a. als Mitglied in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen
WGRK, in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa GEKE, in der Konferenz Europäischer Kirchen KEK und im Ökumenischen Rat der Kirchen ÖRK. Wir sind der Ökumene verpflichtet und streben nach wachsender Einheit unter allen christlichen Konfessionen.
64 bulletin Nr. 1/2014
– Organisation
Die Menschen beim Kirchenbund Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund ist die Stimme von mehr als 2 Millionen Protestantinnen und Protestanten in der Schweiz. Als Gemeinschaft der 24 kantonalen Landeskirchen, der Evangelisch-methodistischen Kirche und der Église Évangélique Libre de Genève setzt er sich in Wort und Tat für die Bezeugung des Evangeliums und die Achtung christlicher Werte in der Gesellschaft ein.
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Rat des Kirchenbundes
Pfr. Dr. theol. Gottfried Locher, Präsident
Pfrn. Kristin Rossier Buri, Vizepräsidentin Ausbildung und Begleitung der Räte der Église Évangélique Réformée du canton de Vaud im gesamtkirchlichen Amt (Personalamt)
Dr. theol. h. c. Peter Schmid, Vizepräsident ehem. Präsident des Fachhochschulrates der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Pfrn. Rita Famos-Pfander Abteilungsleiterin der Abteilung Seelsorge der Evangelisch reformierten Landeskirche des Kantons Zürich
Regula Kummer Vizepräsidentin des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau (Ressort Diakonie und Werke)
Pfr. Daniel de Roche Pfarrer der Reformierten Kirchen Bern–Jura–Solothurn
Lini Sutter-Ambühl Rechtsanwältin, ehem. Präsidentin des Kirchenrates der Evangelisch-Reformierten Landeskirche Graubünden
66 bulletin Nr. 1/2014
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kirchenbundes
Beatrice Bienz Administrative Assistentin des Ratspräsidenten
Jacqueline Blaser Administrative Assistentin Empfang
Kathrin Boschung Mitarbeiterin Empfang
Pfr. Dr. theol.
Simon David Butticaz Beauftragter für Kirchenbeziehungen
Jacqueline Dähler Mitarbeiterin Buchhaltung
Nicole Freimüller-
Hoffmann Administrative Assistentin Bereich Kommunikation
1 Dr. iur. Felix Frey
Beauftragter für Recht und Gesellschaft
1 Dipl.-Kff.
Anke Grosse-Frintrop Leiterin Zentrale Dienste
1 Pfr. Dr. theol.
Lic. phil. hist.
Michèle Laubscher Administrative Assistentin Bereiche Theologie und Ethik sowie Bundesbehörden
1
Pfr. Dr. sc. agr.
Mirjam Schwery Mitarbeiterin Empfang
Pamela Liebenberg Sachbearbeiterin Bereiche Kirchen sowie Recht und Gesellschaft
Karin Maire Mitarbeiterin Empfang
1
Abel Manoukian Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ann-Katrin Hergert Praktikantin Bereich Aussenbeziehungen und Ökumene
Manuel Erhardt
Pfr. Simon Hofstetter Beauftragter für Recht und Gesellschaft
Webassistent
1
Martin Hirzel Beauftragter für Ökumene und Religionsgemeinschaften
Anne Durrer
Beauftragte für Kommunikation
Marina Kaempf-Albrecht Beauftragte für Kommunikation
1
Prof. Dr. theol.
Frank Mathwig Beauftragter für Theologie und Ethik
Dipl. theol. u. Journalist Thomas Flügge Beauftragter für Kommunikation
Dr. rer. pol. Hella Hoppe Leiterin Koordination Bundesbehörden und Beauftragte für Ökonomie
Helene Meyerhans Administrative Assistentin Ratsarbeit
Pfr. Serge Fornerod, MPA
1 Pfr. Matthias Hügli
Christiane Rohr
Leiter Aussenbeziehungen und stellvertretender Geschäftsleiter
1
Pfr. Dr. theol.
Beauftragter für Kirchenbeziehungen
Administrative Assistentin Bereiche Aussenbeziehungen und Ökumene sowie Kirchen
Simon Röthlisberger Beauftragter für Migration Otto Schäfer Beauftragter für Theologie und Ethik
Solvey Sörensen Wissenschaftliche Assistentin Bereich Kirchen
Cécile Uhlmann Beauftragte für Rechnungswesen
Eva Wernly Administrative Assistentin des Geschäftsleiters
Brigitte Wegmüller Administrative Assistentin Bereich Theologie und Ethik sowie Assistentin Bibliothek
Pfr. Philippe Woodtli Geschäftsleiter
Lic. phil. Tina Wüthrich Wissenschaftliche Assistentin Bereich Kirchen
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– Evangelische Kirchen in der Schweiz
Die Kirchen des Kirchenbundes Reformierte Landeskirche Aargau Kirchenratspräsident: Christoph Weber-Berg 75 Kirchgemeinden 180 349 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Landeskirche beider Appenzell Kirchenratspräsident: Kurt Kägi 20 Kirchgemeinden 25 093 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Basel-Landschaft Kirchenratspräsident: Martin Stingelin 35 Kirchgemeinden 96 220 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt Kirchenratspräsident: Lukas Kundert 7 Kirchgemeinden 30 764 Mitglieder
Reformierte Kirchen Bern–Jura–Solothurn Synodalratspräsident: Andreas Zeller 215 Kirchgemeinden 642 456 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Freiburg Synodalratspräsident: Pierre-Philippe Blaser 16 Kirchgemeinden 41 235 Mitglieder
Église Protestante de Genève EPG Kirchenpräsidentin: Charlotte Kuffer 34 Kirchgemeinden 74 456 Mitglieder
Église Évangélique Libre de Genève EELG Synodalratspräsident: Raymond Bourquin 6 Kirchgemeinden 521 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons Glarus Kirchenratspräsident: Ulrich Knoepfel 13 Kirchgemeinden 14 991 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Landeskirche Graubünden Kirchenratspräsident: Andreas Thöny 113 Kirchgemeinden 71 700 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons Luzern Synodalratspräsident: David A. Weiss 8 Kirchgemeinden 42 746 Mitglieder
Église réformée évangélique du canton de Neuchâtel EREN Synodalratspräsident: Christian Miaz 9 Kirchgemeinden 59 972 Mitglieder
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Evangelisch-Reformierte Kirche Nidwalden Kirchenratspräsident: Wolfgang Gaede 3 Kirchgemeinden 4483 Mitglieder
Verband der Evangelischreformierten Kirchgemeinden des Kantons Obwalden Präsidentin: Theres Meierhofer-Lauffer 2 Kirchgemeinden 2827 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Schaffhausen Kirchenratspräsident: Frieder Tramer 31 Kirchgemeinden 31 566 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schwyz Kirchenratspräsident: Heinz Fischer 6 Kirchgemeinden 18 602 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Kirche Kanton Solothurn Synodalratspräsidentin: Verena Enzler 23 Kirchgemeinden 28 959 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen Kirchenratspräsident: Martin Schmidt 49 Kirchgemeinden 112 738 Mitglieder
Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau Kirchenratspräsident: Wilfried Bührer 66 Kirchgemeinden 98 310 Mitglieder
Chiesa evangelica riformata nel Ticino Synodalratspräsident: Tobias E. Ulbrich 3 Kirchgemeinden 6856 Mitglieder
Evangelisch-Reformierte Landeskirche Uri Kirchenratspräsident: Dieter Kolthoff 3 Kirchgemeinden 1830 Mitglieder
Église Évangélique Réformée du canton de Vaud Synodalratspräsidentin: Esther Gaillard 87 Kirchgemeinden 247 696 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Kirche des Wallis Synodalratspräsident: Beat Abegglen 10 Kirchgemeinden 19 505 Mitglieder
Reformierte Kirche Kanton Zug Kirchenratspräsident: Rolf Berweger 1 Kirchgemeinde 17 923 Mitglieder
Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich Kirchenratspräsident: Michel Müller 179 Kirchgemeinden 461 602 Mitglieder
Evangelisch-methodistische Kirche in der Schweiz Bischof: Patrick Streiff 71 Kirchgemeinden 5878 Mitglieder Stand Zahlen: 2012
Auflage: 5000 deutsch, 2000 französisch Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch, www.sek.ch
Autoren: Pierre Bühler, Katharina BuschorHuggel, Daniel de Roche, Serge Fornerod, Martin Hirzel, Käthi La Roche, Frank Mathwig, Marie-Christine Michau, Kristin Rossier, Otto Schäfer, Philippe Woodtli, Matthias D. Wüthrich Konzept Heftschwerpunkt: Thomas Flügge, Frank Mathwig, Otto Schäfer
Gestaltung/Layout: Meier Media Design, Zürich
Redaktion: Thomas Flügge
Übersetzungen: André Carruzzo, Irène Minder, Marianne Wolter Druck: Roth Druck AG, Uetendorf
Impressum
Die Publikationen können Sie unter www.sek.ch/publikationen herunterladen oder bestellen. Ihr Kirchenbund in Kurzform: Wer wir sind, was wir tun. Alle Informationen auf einer Doppelseite. Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
sek · feps Fédération des Églises protestantes de Suisse
sek · feps
La Fédération des Églises protestantes de Suisse en bref in Kürze Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund
Die Mitgliedkirchen des Kirchenbundes
Reformierte Landeskirche Aargau Église Évangélique Libre Verband der EvangelischChiesa evangelica riformata de Genève EELG reformierten Kirchgemeinden nel Ticino Evangelisch-reformierte des Kantons Obwalden Landeskirche beider Appenzell Evangelisch-Reformierte Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons Glarus Evangelisch-reformierte Kirche Landeskirche Uri Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Schaffhausen des Kantons Basel-Landschaft Evangelisch-Reformierte Église évangélique réformée Landeskirche Graubünden Evangelisch-reformierte du canton de Vaud Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schwyz Kirche Basel-Stadt Evangelisch-Reformierte Kirche Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Luzern Evangelisch-Reformierte Kirche des Wallis Reformierte Kirchen BernKanton Solothurn Jura-Solothurn Église réformée évangélique Reformierte KircheVerband Kanton der ZugEvangelischReformierte Landeskirche Aargau Église Évangélique Libre de du Canton de Neuchâtel EREN Evangelisch-reformierte Kirche Genève EELG reformierten Kirchgemeinden Evangelisch-reformierte Kirche Evangelisch-reformierte Evangelisch-reformierte Kantons St. Gallen des Kantons Obwalden des Kantons Freiburg Evangelisch-Reformierte Kirche beiderdes Landeskirche des Kantons Zürich Landeskirche Appenzell Evangelisch-Refor mierte Nidwalden Evangelische kirche Landeskirche des Kantons Glarus Evangelisch-reformierte Kirche Église Protestante de Genève EPG Evangelisch-methodistische Evangelisch-reformierte Kirche Landes des Kantons Thurgau des Kantons Schaffhausen Kirche in der Schweiz des Kantons Basel-Landschaft Evangelisch-Reformierte Landeskirche Graubünden Evangelisch-reformierte Evangelisch-reformierte Kantonalkirche Schwyz Stiftungen des Kirchenbundes Kirche Basel-Stadt Evangelisch-Reformierte Kirche des Kantons Luzern Evangelisch-Reformierte Kirche Églises réformées BerneBrot für alle ist der Entwicklungsdienst Kanton Solothurn Église réformée évangélique der Evangelischen Kirchen der Schweiz. Die du Canton de Neuchâtel EREN Evangelisch-reformierte Kirche Stiftung setzt entwicklungspolitische Akzente, des Kantons St. Gallen führt SensibilisierungsEvangelisch-Reformierte Kirche und Informationsdurch undLandes un- kirche Nidwalden kampagnen zu Nord-Süd-Fragen Evangelische terstützt Entwicklungsprojekte. des Kantons Thurgau
Les Églises membres de la FEPS
Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Jura-Soleure Schweiz HEKS leistet Überlebens- und Nothilfe und Église évangélique réformée bekämpft die Ursachen von Hunger, Ungerechtigkeit und sozialem Elend auf der Welt. Es istdu imCanton In- und de Fribourg Ausland mit rund 200 Projekten engagiert. Das JahresÉglise Protestante de Genève EPG budget betrug 2012 rund 60 Millionen Franken.
Chiesa evangelica riformata nel Ticino Evangelisch-Reformierte Landeskirche Uri Église réformée évangélique du Valais Église évangélique réformée du canton de Vaud Reformierte Kirche Kanton Zug Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich Evangelisch-methodistische Kirche in der Schweiz
Kürzlich im Kirchenbund erschienen Les fondations de la Fédération des Églises protestantes de Suisse
Wir beziehen Stellung: Aktuelle Publikationen L’EPER apporte une aide d’urgence et de survie et combat les causes de la famine, des injustices et de la misère sociale dans le monde. Elle s’engage dans plus de 200 projets en Suisse et à l’étranger. Son budget
Pain pour le prochain est l’organe des Églises protestantes de Suisse pour le développement. La fondation définit les priorités en matière de coopération au développement, organise des campagnes de sensibilisation et d’information concernant les rapports Nord-Sud et soutient des projets de développement.
annuelzu s’élevait à 60 millions de francs en 2012. Der Kirchenbund erarbeitet laufend evangelische Positionen wichtigen gesellschaftspolitischen und theologischen Fragen.
bulletin Nr. 1/2012
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Nr. 1 2012
bulletin
Das Magazin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
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– Lesen, hören und sehen Sie Ihren Kirchenbund im bulletin online! www.sek.ch
10 16 32
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sulgenauweg 26 CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch
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–Wittenberg, Zürich, Genf
Wem gehört die Reformation?
– Migrationsarbeit Das Pilotprojekt zum Rückführungsmonitoring war ein Erfolg – Dialog Religiöse Spannungen sind bis auf weiteres auszuhalten, sagt Ratspräsident Gottfried Locher – Vernehmlassung Bekenntnis Ein enttäuschender Rücklauf bedeutet doch einen Meilenstein in der Geschichte der Schweizer Kirchen
Das bulletin berichtet zwei Mal pro Jahr von der Arbeit des Kirchenbundes, seines Rates, der Abgeordnetenversammlung und der Kirchen.
Auswahl aktueller Publikationen
Nous prenons position : publications actuelles
Wer braucht schon den Sonntag …? 10 Fragen und Antworten zum Stolperstein des Alltags Leben 10 Fragendes – 10 Églises Antwortenprotestantes zu neuen pränatalen Tests ausprend position sur des questions d’actualité qui Latesten? Fédération de Suisse theologisch-ethischer Sicht touchent la société et laaufgenommen» théologie et(Mt fournit «Ich war fremd, und ihr habt mich 25, 35) un point de vue évangélique. 10 Fragen – 10 Antworten zu den dringlichen Änderungen des Asylgesetzes Spitzenlöhne: Freiheit oder Provokation? 10 Antwortenactuelles zur / Le bulletin 10 Fragen –Publications – sélection Eidgenössischen Volksinitiative «gegen die Abzockerei» und zum direkten Gegenvorschlag bulletin Zwischen Leben und Tod Die Suizidhilfediskussion derdimanche Schweiz aus informe deux fois in Le – à quoi bon ? 10 questions – 10 réponses à propos d’une pierre sek · feps theologisch-ethischer Sicht par année sur le d’achoppement salutaire. 6 À qui appartient la Réforme ? travail deStudie la FEPS,zu denTester la vie ? 10 questions – 10 réponses à propos des nouveaux tests prénataux : Gerechtes Haushalten und faires Spiel jüngsten Finanzund 10 16 de son Conseil, de le point de vue théologique. Wirtschaftskrisen aus evangelischer Sicht bulletin Nº 1/2012
sek · feps Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
70 bulletin Nr. 1/2014
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Nº 1 2012
Le magazine de la Fédération des Églises protestantes de Suisse
–Wittemberg, Zurich, Genève
– Lisez, écoutez et regardez votre Fédération des Églises dans le bulletin en ligne ! www.feps.ch
– Migration Projet pilote de contrôle des renvois forcés : un succès – Dialogue Gottfried Locher, président du Conseil : « Il faut supporter les tensions religieuses »
bulletin Nr. 1/2014
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Nr. 1 2014
bulletin
Das Magazin des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
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– Fokus 1
Ein Glaubensbuch
– Lesen, hören und sehen Sie Ihren Kirchenbund im bulletin online! www.sek.ch
für die Reformierte Kirche 32 – Reformationsjubiläum 44 – Bainvgnü a Scuol 54 – Weiter schlafen? Fokus 2
Sommerabgeordnetenversammlung 2014
80 Jahre Berner Erklärung des Kirchenbundes
Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Sulgenauweg 26 CH-3000 Bern 23 Telefon +41 (0)31 370 25 25 info@sek.ch
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