Spielzeitschwerpunkt Henze

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hans werner

Henz e Eine Ann채herung

S a i s o n 2 0 1 2 /1 3

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Michael Ernst

Hans Werner Henze – Humanist der Musik Von der schönen Aussicht auf eine Henze-Hommage in Dresden Jede Generation hat stets nur ein paar Handvoll Künstler hervorgebracht, deren Schaffen die folgenden Jahrhunderte überdauert. Das ist in allen Kunstgattungen so, auch in der Musik. Zwar haben sich zu jeder Zeit unfassbar viele Menschen mit den bildenden und darstellenden Künsten beschäftigt, haben geschrieben, komponiert und musiziert – doch im Menschheitsgedächtnis verbleiben zumeist nur die wenigsten. Die Ausnahmen halt.

H a n s We r n e r H e n z e bei einer Konzertprobe für das fünfte Symphoniekonzert der Staatskapelle Dresden am 21. Oktober 1966

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Hans Werner Henze ist unbestreitbar eine solche Lichtgestalt des 20. und 21. Jahrhunderts, von der mit Fug und Recht behauptet werden darf, dass er in ferner Zukunft zu den wesentlichsten Vertretern der europäischen Nachkriegsmoderne gerechnet werden darf. Ja muss! Denn seit Henzes erstem Beschreiten der musikalischen Bühne 1943 mit seinem Concerto für Violine und Ensemble hat er sich beständig erneuert, ohne je das Bewahrenswerte des eigenen Stils zu verleugnen. Der Maestro ist anhaltend kreativ tätig und vermag es nach wie vor, selbst wohlmeinende »Kenner« immer mal wieder zu überraschen. So hält er es seit Jahrzehnten. Dieser Komponist, diese Ausnahme Hans Werner Henze wurde am 1. Juli 1926 in Gütersloh geboren. Wie glückhaft ist es, gut achteinhalb Jahrzehnte später kein Resümee eines schaffensreichen Lebens notieren zu müssen, sondern mit Rückblicken auf vielfältige Dresden-Bezüge im Wirken des Künstlers eine Aussicht wagen zu dürfen. Die schöne Aussicht auf eine Dresdner HenzeHommage! Der Mann hat ja tatsächlich für so ziemlich alle Musiksparten etwas geschrieben – und so können sich die Semperoper Dresden, das Semperoper Ballett sowie die Sächsische Staatskapelle Dresden aus dem äußerst reichhaltigen Fundus von Hans Werner Henze-Werken bedienen. Wer ist dieser Hans Werner Henze? Muss danach heute wirklich noch gefragt werden? Manchem wird der Name vielleicht gar nichts sagen – dies alsbald breitenwirksam zu verändern, kann auch Chance einer solchen Hommage sein. Anderen gilt er als perfekte Verschmelzung von Musik mit literarischer Sprache. Natürlich, die enge Künstlerbeziehung zu Ingeborg Bachmann hat sich als prägend herumgesprochen. Henzes frühe Opernstoffe zu Heinrich von Kleist (»Der Prinz von Homburg«) und Wilhelm Hauff (»Der junge Lord«) gehen ebenso auf diese fruchtbare Zusammenarbeit zweier feinsinniger Seelen zurück wie Lieder und Nachtstücke, Gesangsszenen und Paraphrasen. Er hat Opern zu Libretti des Romanciers HansUlrich Treichel (»Das verratene Meer«, nach Yukio Mishima) sowie des in Dresden geborenen Lyrikers und Pfarrers Christian Lehnert

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schaften des Künstlers sichtbar. Seine Musik war und ist damit immer sehr deutlich angefüllt gewesen. Denn Henze verstand sich nie als Elfenbein-Schreiber, allem lange erträumten und spät erst gelebten Hang zum Noblen zum Trotz. Er wollte sich einmischen, sah das als seine vornehme Aufgabe an. Hans Werner Henzes Vita, die reicht für dreimal drei Leben. Da ist die triste Jugend im Nationalsozialismus unter einem Vater, der Homosexualität als eine Sache fürs Konzentrationslager wertete. Da sind die Enttäuschungen in der Nachkriegs-Bundesrepublik, die vom Restaurativen mehr hielt als von ehrlicher Vergangenheitsbewältigung. Sich zumindest mehr davon versprach. So berechnend war der Musiker jedoch nie, wollte es gar nicht sein. Freilich könnte man seinem Weggang gen Süden auch wohlfeile Absichten unterstellen – aber nahmen sie nicht die alldeutsche Sehnsucht nach wirklich gelebter Italianità nur vorweg? Mit den seit 1953 selbstgewählten Stationen auf Ischia, in Neapel sowie in und bei Rom hat sich der Gütersloher Künstler europäischen Geistes ganz seiner Wahlheimat einverleibt und vor einem halben Jahrhundert in Marino in den Albaner Bergen sein bleibendes Zuhause gefunden. Zahlreiche Kompositionen geben ein Klangbild davon ab, ob sie nun »Musen Siziliens«, »Canzoni napoletane« oder schlicht »Ariosi« (zu Tasso-Gedichten) heißen.

(»Phaedra«) verfasst. Ein früheres Werk ist »Ein Landarzt« nach dem gleichnamigen Grusel von Franz Kafka. Und doch ist Hans Werner Henzes Metier, bei allen Bezügen zu Sprache und Literatur, das der Musik. Darin hat der heranreifende Meister Experimente gewagt, Probates gesichert sowie immer wieder Türen und Tore aufgerissen, um sich als virtuoser Beherrscher von Wagnis und Wirkungsmacht zu erweisen. Zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten ist er mit dem Stempel des politischen Künstlers bedacht worden. Darin konnte Anerkennung ebenso wie Ablehnung stecken, mitunter aber auch pure Skepsis. Oder Unwissenheit. Er ist weder in die Schublade des Sinfonikers, noch in die des Kammermusikers zu stecken, denn er hat ausführlich beide Genres bedient. Und mehr noch: Solisten wie Chöre dürfen sich an den vokalen Herausforderungen messen, Instrumentalkonzerte sind von seiner Handschrift geprägt, Experimente führten ihn zu elektronischen Medien. Bei aller Anziehungskraft freier Tonalität und Zwölftönerem bewahrte sich Henze seine Treue, die gewiss eine achtungsvolle Liebe ist, zu »klassisch« tonalem Material. Die hat er gepflegt, die pflegt er noch heute. Im Schaffen für Musiktheater kommen seine Humanität, oft gepaart mit deutlich linken Idealen, am stärksten zum Tragen. Nicht zuletzt setzen aber auch seine 9. Sinfonie nach dem Roman »Das siebte Kreuz« von Anna Seghers sowie die zahlreichen eigenen Texte deutliche Zeichen.

Musik als »geistige Rede«

Hans Werner Henze ist mit diesem Gang in den Süden auch im doppelten Wortsinn der Kälte in Deutschland entflohen. Wie er just in Italien zu einer anderen Weltflüchtigen fand, zur nur eine Woche vor ihm geborenen Ingeborg Bachmann, das steht auf einem anderen Blatt. Es füllte ebenso ganze Kapitel im Lebensroman dieses Künstlers wie die Beziehung zum Adoptivsohn und Lebenspartner Fausto Moroni, der 2007 mit nur 63 Jahren verstarb. Doch bleiben wir bei der Musik. Die verstand Henze stets als »geistige Rede«. Entsprechend wichtig waren und sind ihm deren inhaltliche Komponenten. Bei diesem permanent wachsenden Werk konnten Ost und West nicht umhin, das Œuvre

Genie für dreimal drei Leben

Braucht es denn heute noch Worte über Hans Werner Henze? Er ist ein Genie. Das dürfte genügen, denn es sagt in der Tat alles. Wer es oberflächlicher mag, zitiert den Titel des musikalischen Aristokraten. Des Snobs, der seinen Jaguar liebte und für die Belegschaft von Mannesmann protestierte. Der seinen harten Whisky und den süffigen Rotwein inzwischen gegen die Sanftheit von Martini und Pernod eingetauscht hat. Bei stärkerem Blick auf die Inhalte, mit denen Henze sich mühte, die ihn mitunter auch quälend umtrieben, werden persönliche Bot-

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Auch als Interpret der eigenen Werke. Als solcher ist er wiederholt in aller Welt tätig gewesen. Sowohl vor als auch nach 1989 beispielsweise in Dresden. Hier hat Hans Werner Henze bereits 1966 ein komplettes Sinfoniekonzert mit ausschließlich eigenen Werken geleitet, wurde ein Jahr später zur 300-Jahr-Feier der Oper sein »Junger Lord« aufgeführt, tauchte sein Name auch immer mal wieder in den Konzertplänen auf. Von kontinuierlicher Pflege jedoch kann bis zu den 1990er Jahren keine Rede sein. Aber gab es die andernorts? Zu unberechen-bar war und ist mitunter die Offenheit für das Neue verbreitet, aus rein musikalischen Gründen schon gab und gibt es Phasen größerer Hinwendung und sträflicher Vernachlässigung. Das parteipolitische Gebundensein Henzes mag in Ost und West verschieden gewertet worden sein, es reichte jedoch weder zu völliger Ablehnung noch zu einer Vereinnahmung des befristeten »Italokommunisten«. Hübsch liest sich im Nachhinein, was 1985 zur hiesigen Erstaufführung seines »Tristan« verfasst wurde: »Da Henze sich als ein Komponist versteht, der sich der Sache der Arbeiterklasse annähert, aber nach wie vor eben als ein bürgerlicher Komponist, schreibt er neben politischen Musiken allerdings immer noch Werke, die mit dem bürgerlichen Konzertsaal rechnen. Es ist dies eine äußerst bunte, teils virtuose, teils lyrische Musik mit entweder sinnlich-einschmeichelnden oder abweisend-stolzen Klängen.« Längst spielen derlei – das Originäre und Individuelle im Kreativen geringschätzende – Kategorien keine Rolle mehr, wenn es um den Namen Hans Werner Henze geht; seit nunmehr über zwanzig Jahren ist sein Wirken auch in Dresden permanent präsent und stößt auf breites Interesse. Wie schön klingt da die Aussicht auf eine Hommage an Hans Werner Henze.

aufmerksam zu registrieren. Mitunter auch wachsam distanziert, eine Pflege mit Kunstpausen. Die Offenherzigkeit des nicht zum Diplomaten geborenen Lehrersohns, der seiner Mutter, geborene Geldmacher, in der Oper »Gisela! oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks« mit der Partie der Gisela Geldmaier ein bleibendes Denkmal gesetzt hat, stößt in jüngerer Vergangenheit mit seiner altersweisen Noblesse nur noch sanft an. In früheren Zeiten erfolgte das wesentlich härter, rigider, konsequent mit biografischen Brüchen. Und da ist sie also, die geteilte Wahrnehmung des mit sehr unterschiedlichen Mitteln gern provozierenden Künstlers in den beiden bis 1989 real existierenden Deutschländern. Hier der Bürgerschreck, da der Dandy, mal ein Kommunistennarr, mal ein Streiter für die Werte der Arbeiterklasse, erst ein musikalischer Vorkämpfer, dann ein in den Eigenklang verliebter Elfenbeintürmler. All diese Begriffe werden dem seit fast sechzig Jahren in Italien lebenden Deutschen, der zeitweise Mitglied der KPI war, der Kommunistischen Partei Italiens, nie auch nur annähernd gerecht. Vereinfachend könnte man ihn Sturkopf nennen, westfälischen Sturkopf, um die Individualität dieses Einmaligen zu umreißen. Erklären müsste man aber auch dann die Sanftmut des unermüdlich Schaffenden, dem seine Arbeit Genuss ist.

Interpret des eigenen Werks

Ausgerechnet im beziehungsreichen Jahr 1968 verweist Henzes Werkverzeichnis lediglich auf den »Versuch über Schweine«; übelwollende Zeitgenossen könnten ihm das heute noch krumm nehmen oder aber – je nach Standpunkt – als Weitsicht attestieren. Doch nein, Henze war und ist gewiss alles andere als ein Hellseher. Sternendeuterei dürfte ihn wohl auch kaum interessiert haben. Er hat stets auf das Hier und Jetzt geschaut, das er mit Klangsprache zu kommentieren versuchte.

M i c h a e l E r n s t i s t A u t o r u n d M a l e r.

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Von alten und neuen Zeichen Michael Kerstan im Gespräch mit Hans Werner Henze

Michael Kerstan: Lieber Hans, wann warst Du eigentlich zum ersten Mal in Dresden?

Das könnte ich nicht hundertprozentig korrekt beantworten. Wenn ich mich nicht irre, standen sowohl im Osten als auch im Westen immer wieder und mit Recht die Bemühungen um eine wahrheitsgetreue Musizierpraxis im Vordergrund.

Hans Werner Henze: Ich weiß nicht mehr, wann das genau war, lieber Michael, aber ich weiß noch sehr genau, wie erschüttert ich war beim ersten Anblick des zerstörten Dresden, einer gespenstischen Ruinenlandschaft. Ich dachte an Tod und Vergeltung. Einmal, viele Jahre nach Kriegsende, dirigierte ich dort auf der Bühne des Schauspielhauses ein Symphoniekonzert mit der Staatskapelle, dem Kreuzchor und der Sopranistin Edda Moser. Auf dem Programm standen die Kantaten »Being Beauteous« auf ein Gedicht von Arthur Rimbaud, »Musen Siziliens« auf Verse des Vergil und schließlich meine 5. Sinfonie, die Leonard Bernstein 1963 in New York uraufgeführt hatte. Dresden: Ich erinnere mich sehr gerne an die Probentage dort und an interessante und anregende Gespräche mit den zauberhaften Instrumentalisten der Staatskapelle. Ihre Erlebnisse mit Partituren und Dirigenten, ja, und Fragen der Gestaltung schöpferischen Komponierens wurden erörtert! Das waren wichtige Augenblicke für mich in einem Lernprozess, der auch heute noch, im späten Alter, weitergeht.

Du warst vielleicht der einzige lebende Komponist, der gleichermaßen in der DDR wie in der BRD gefeiert wurde. Neben Rostock, der Komischen Oper in Berlin und dem Gewandhaus zu Leipzig war die Staatsoper in Dresden stets eine künstlerische Heimat für Deine Werke. So waren z.B. 1961 »Des Kaisers Nachtigall« und »Fünf neapolitanische Lieder« und 1964 Dein Bläserquintett und Deine Sinfonie Nr. 1 zu hören. Und im Jahr 1967 erlebte die komische Oper »Der junge Lord« mit dem Libretto von Ingeborg Bachmann in Dresden ihre Erstaufführung in der DDR. Buch und Partitur zum »Jungen Lord« stellen einen Versuch dar, die uns so fremd gewordene Denkart des Biedermeier mit Hilfe der heutigen Moderne und deren zitatenreiche Kunstauffassung ins Bewusstsein zu rücken. In»Gisela! oder: geborg Bachmanns MissDie merk- und denkwürdigen fallen an der allgemein We g e d e s G l ü c k s « ›deutschen Art‹ äußert mit Nadja sich in einem feinnerviMchantaf und Giorgio Berrugi gen, geradezu liebevollen

Gab es einen Unterschied zwischen dem Musizieren in der DDR und dem in Westdeutschland?

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Semperoper, choreografiert von John Neumeier. Das Ballett »Undine« wurde in der Semperoper vier Jahre nach ihrer Wiedereröffnung gegeben. 1997 schließlich erlebten dort die »Bassariden« ihre Dresdner Erstaufführung.

Umgang mit dem Vokabular der bürgerlichen Welt in alter Zeit. Mit meiner Musik wollte ich alte und neue Zeichen in Zusammenhang mit dem erzählerischen Stil des Librettos bringen. Es entstand also eine sonderliche Bildhaftigkeit, worin das Böse und das Liebenswerte Umgang miteinander pflegen. Bachmann und ich hatten viel Vergnügen bei der Erfindung dieses Opus mit seiner Skurrilität und seiner Bangemacherei und den Örtlichkeiten, bei denen für das Missverhältnis zwischen frühem 19. und spätem 20. Jahrhundert ein geeigneter Spielraum zur Verfügung steht, wo wenig Glückliches und viel Kümmerliches und Todtrauriges zu finden ist.

In jenem Werk haben der überaus bewegliche Orchesterklang und die dichterischen Tiefen und Schrecknisse des Dramas erfolgreich zusammengewirkt. Der große englische Dichter W.H. Auden und sein amerikanischer Gehilfe Chester Kallman hatten sich anlässlich der neuen dichterischen Gestaltung des euripideischen Fragments, »Die Backchen«, vorgenommen, mich ein bisschen mehr für Leben und Werk ihres angebeteten Richard Wagner einzunehmen. Es gelang ihnen tatsächlich, meine Aufmerksamkeit ein wenig auf dieses erstaunliche Phänomen »Wagner« zu lenken. Wenn sie mich, wie ich hoffe, dennoch nicht ganz vom Genie dieses Herrn

Dein Klavierkonzert »Tristan« wurde ja zweimal in Dresden aufgeführt, einmal 1985 als DDR-Erstaufführung von der Staatskapelle im Kulturpalast in einem Sonderkonzert der Dresdner Musikfestspiele und einmal als Ballett in der

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Obwohl Du nach der Fertigstellung von »L’Upupa« verkündet hattest, dies sei Deine letzte Oper, hast Du anschließend zwei weitere komponiert, »Phaedra« für die Berliner Staatsoper und dann »Gisela!«, ein gemeinsamer Auftrag der Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 und der Semperoper Dresden.

überzeugt haben, dann verdanken wir das der Präsenz von Größeren und Größerem im Universum der europäischen Musik- und

Mit der »Phaedra«, die 2007 in Berlin uraufgeführt wurde, wollte ich ein Musikdrama schreiben, in welchem die großen – und auch die kleinen – Gefühle kammermusikartig dargestellt werden können. Tatsächlich braucht es nur fünf Sänger und 23 Instrumentalisten.

Bei der Lektüre des Librettos ist mir aufgefallen, dass einige wichtige Ereignisse aus den großen klassischen Quellen in Deiner Oper nicht vorkommen und dass stattdessen neue dramatische Vorgänge eingefügt wurden, was sich besonders im 2. Akt bemerkbar macht.

Kunstwelt. Die Produktion der »Bassariden« in der Semperoper hat mir und meinem Werk wohlgetan. Ganz gewiss hat dazu auch das Fluidum beigetragen, das von dem tragikumwitterten Opernhaus, einem der schönsten der Welt, ausgeht.

H a n s We r n e r Henze bei der Premiere seiner »Gisela!« in der Semperoper

Seit Jahrhunderten ist es Usus, Impulse aus klassischen Werken zu beziehen, unter Umständen auch zu verwandeln, in ihrer Bedeutung umzukehren und für einen neuartigen Gebrauch zu adaptieren. Bevor wir uns über »Gisela!« unterhalten, müssen wir einen Rückblick vollziehen auf die Kinderoper »Pollicino«. Im Jahr 1980 erscheint da erstmals in meinem Arbeitsprozess etwas rein Zweckgebundenes. Ich schrieb »Pollicino« in Zusammenarbeit mit dem italienischen Schriftsteller Giuseppe di Leva, um damit die musikinteressierten Kinder und Jugendlichen von Montepulciano zu animieren – in der Tat waren die jungen Leute kaum jemals älter als zehn Jahre und ihr Musikstudium in ihren Anfängen. Es ging uns darum, die jungen Leute durch praktische Übungen, wie sie im Theater notwendig sind, heimlich und unausgesprochen zu Fleiß und zur Steigerung ihrer persönlichen Ausdrucksmittel zu bewegen. Bei der Uraufführung in Montepulciano im Sommer 1980 waren di Leva und ich gerührt von dem Erfolg unserer Bemühungen. Das Stück funktionierte ganz

Die Dresdner Produktion der »Bassariden« hast Du dann auch in Madrid gesehen, wo später auch »L’Upupa«, so der italienische Name für den Wiedehopf, in der Inszenierung der Salzburger Festspiele gezeigt wurde, die das Werk in Auftrag gegeben hatten. 2009 hat es Nikolaus Lehnhoff an der Semperoper einstudiert. Meine Beschäftigung mit dem Genre Musiktheater hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Auch heute noch interessiert mich diese Art von Kunstübung ungemein. Ein signifikanter Meilenstein auf dem oftmals schwierigen Weg meiner Beschäftigung mit Musik und Theater, das ist »L’Upupa«. Zum ersten Mal habe ich ein Libretto alleine geschrieben, was mir einen freizügigen Umgang mit der Sprache und mit den Elementen der arabischen Märchenwelt erlaubte, besonders den Geschichten aus 1001 Nacht.

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gut und erzeugte musisch-künstlerische Entfaltung auf allen Gebieten. Diese Tatsache äußerte sich in besonders erfreulicher Weise auch dadurch, dass dieser »Pollicino« mit den Jahren an vielen Schulen, Gemeindehallen und Theatern nachgespielt wurde und auch heute immer wieder nachgespielt wird.

der Schilderung der Konflikte sind gewissermaßen alle Mitwirkenden beteiligt, bis zum Ausbruch, bis zur Explosion.

Im September schon können wir Deine Theaterarbeit »Wir erreichen den Fluss« an der Semperoper erleben. Deren Aufführung 1978 in Stuttgart verhalf mir zu einer ersten Begegnung mit Deiner Musik, sie bedeutete für mich einen stark bewegenden und nachhaltigen Einstieg in Deine Klangwelt.

Also, was lag näher als der Gedanke, das Experiment »Pollicino« für junge Erwachsene zu wiederholen. Natürlich mussten für »Gisela!« neue Inhalte erfunden und der technische Anspruch erhöht werden. Am Zustandekommen dieser Musiktheaterarbeit hat außer Dir und mir der Dresdner Dichter Christian Lehnert mitgewirkt. Von ihm stammen die drei in die Handlung verwobenen Sonette, bei der Uraufführung a cappella von einem Jugendchor vorgetragen, außerdem Rezitative und Arien für die drei Gesangsstudenten in Hauptrollen und mehrere kleinere, aber wichtige Partien für Solisten aus dem Chor. Das Instrumentarium ist das eines normalen Opernorchesters von heute.

Auch für mich bezeichnet dieses Stück einen neuen Weg, nicht zuletzt gewiesen von dem Dramatiker Edward Bond. Er hat mir ein Libretto gemacht, worin die Polyphonie und andere musikalische Grundgestalten es sind, welche die dramatischen und emotiven Ereignisse des Werks hervorbringen. Es gibt also in diesem Stück keine begleitende, ausschmückende und auch keine erzählerische Musik, ...

... sondern die Musik wird quasi selbst zur Szene und zur handelnden Person.

Mimen, das können auch Schauspieler oder Tänzer sein, übernehmen in unserer »Gisela!« wichtige Aufgaben. Sie interpretieren in beiden Teilen jeweils eine zweite Handlungsebene, zunächst als Theater im Theater, wo sie eine süditalienische, genauer: napoletanische Commedia spielen, dann als Träume Giselas, in denen sie Gestalten und Motive der deutschen Märchenwelt darstellen.

Daher gibt es ja drei Orchestergruppen, von denen jede eine Anzahl Schauplätze markiert. Im zweiten Teil befindet sich ein Irrenhaus. Dort berichten die Kranken von den Ereignissen, die zu ihrer Erkrankung geführt haben. Dort ist auch der General untergebracht, der durch die Schrecknisse des von ihm ausgelösten Krieges seelisch gescheitert ist.

Was für eine Rolle spielt denn der tanzende Kranke, ein Schlagzeuger, in diesem Zusammenhang?

Der ganzen Sache übergeordnet ist das dialektische Prinzip der Sonatenform, dargeboten mit den Ausdrucksmitteln, Darstellungsformen von heute und von gestern, wie zum Beispiel der kulturelle Konflikt zwischen dem nördlichen und dem südlichen Europa und deren speziellen Charaktereigenschaften, ganz besonders sichtbar gemacht durch die Schwierigkeiten in der Liebesgeschichte Gisela – Gennaro, dem Pulcinella-Darsteller. An

Er skandiert die Zeit, das Kommen und Gehen der Tage und Nächte. Außerdem skandieren die Rhythmen, die er vorbringt, die Bewegung der Allerseelen, der derangierten Herzen. D e r R e g i s s e u r, D ra m a t u rg u n d A u t o r M i c h a e l K e r s t a n l e b t i n N ü r n b e rg u n d R o m , w o e r s i c h a l s Fre u n d u n d e n g s t e r M i t a r b e i t e r u m H a n s We r n e r H e n z e k ü m m e r t . © H a n s We r n e r H e n z e , M i c h a e l K e r s t a n M a r i n o ( R o m a ) , 1 . Fe b r u a r 2 0 1 2

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Alle Saiten der Empfindungsskala berühren Sophie Becker

Zu Hans Werner Henzes Kompositionen für den Tanz Drei Erfahrungen scheinen Henzes Verhältnis zum Tanz geprägt zu haben. Wie viele im Krieg Geborene war er als junger Komponist süchtig danach, das jahrelang Versäumte, Verbotene kennen zu lernen. So schildert er den Besuch » Tr i s t a n « , Choreografie eines einwöchigen Gastvon John spiels des Sadler’s Wells N e u m e i e r, 1 9 9 2 Ballett 1948 in seiner Auto(auch Seite 12/13 & 16) biografie »Reiselieder mit Böhmischen Quinten« eindrücklich: »Was nun folgte, waren Interaktionen zwischen den musikalischen Vorgängen im Orchester und den tänzerischen Ereignissen auf der Bühne, ein Wechselspiel, ein Gedankenaustausch. […] Ich war wie von einem Zauberstab berührt. Bei jeder Wiederbegegnung […] vermochte ich weitere überraschende und hochinteressante Einzelheiten der Dreiecksbeziehung Musik, Bewegung und Raum zu entdecken. […] Ich begann zu verstehen, dass es ganz magische und sensuelle Verbindungen gibt zwischen den Gedanken der Musik und den Gesten, Positionen und Flugversuchen, der kühl abgezirkelten, mitvollziehbaren Gesetzmäßigkeit des traditionellen Balletts. Es ging mich etwas an.« Das Resultat dieser ersten Begegnung mit dem Tanz waren dann die handlungslosen »BallettVariationen« (Konzertante Uraufführung 1949). Seine Tätigkeit als Künstlerischer Leiter und Dirigent des Balletts am Staatstheater Wiesbaden von 1950–53 machte ihn dann mit den Regeln des Metiers vertraut. In dieser Zeit entstand etwa auch »Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber«. Immer wieder schließlich finden sich in Henzes Schriften Verweise auf die »Ballets Russes«

Unbestritten ist Hans Werner Henze einer der wichtigsten – wenn nicht der wichtigste – Musiktheaterkomponist der Nachkriegszeit, sind seine Kompositionen mittlerweile fester Bestandteil des Repertoires der Opernhäuser. Weniger bekannt aber sind seine Werke für den Tanz, was angesichts ihres Variantenreichtums erstaunlich ist und sich nur mit der chronischen Unterschätzung von Ballettmusik erklären lässt. Dass für Henze selbst die Gattung gegenüber dem Musiktheater durchaus nicht zweitrangig ist, zeigt sich in zahlreichen Parallelen: Beide spiegeln die bewegte Biografie des Komponisten, insbesondere seine Politisierung im Kontext der 1968er Revolte. Mit zahlreichen künstlerischen Partnern wie Ingeborg Bachmann, Luchino Visconti oder Edward Bond arbeitete er sowohl im Musik- wie im Tanztheater zusammen. Vor allem aber unternimmt Hans Werner Henze auch in seinen Kompositionen für den Tanz immer wieder neu den Versuch, die Charakteristika und Grenzen der Gattung – ihr Verhältnis zur Tradition sowie die experimentellen Möglichkeiten – auszuloten.

Er war als junger Komponist süchtig danach, das jahrelang Versäumte, Verbotene kennen zu lernen. 10


menschlichen

Sergej Diaghilews, der nach Ansicht des Komponisten »eigentlich eine neue Kunstform« begründet habe, die für Henze als Vorbild diente: »Ein Ballett ist ein geistiges Produkt, es vermag alle Saiten der menschlichen Empfindungsskala zu berühren, ein empfindlich organisierter Mechanismus, reagiert es auf den kleinsten Fehler mit einem Defekt. Die Dekoration muss die Atmosphäre des Tanzes enthalten und die Klangfarbe der Musik reflektieren, der Tanz ist der Kontrapunkt zur Farbe, während seine Bewegungsskalen, immer gleiche und geheiligt unveränderliche, von der Musik hervorgerufen werden…«

Vier höchst unterschiedliche Auseinandersetzungen mit der Gattung »Ballettmusik« sollen hier kurz vorgestellt werden. Am stärksten der Tradition verpflichtet ist ohne Zweifel Henzes gemeinsam mit Frederik Ashton geschaffenes Handlungsballett »Undine« – Henze selbst hatte den Grundstein für die Zusammenarbeit gelegt, indem er nach dem für ihn beglückenden Erlebnis des Gastspieles Ashton eine Aufnahme der »Ballett-Variationen« schickte. Nicht nur, dass die zugrunde liegende gleichnamige Erzählung de la MotteFouqués mit seiner Thematisierung der Liebe zwischen einem Menschen und einem Ele-

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mentarwesen – hier zwischen dem Ritter Palemon und der Nymphe Undine – exakt den Vorlieben des romantischen Balletts entsprach, wie es insbesondere in »La Sylphide« und »Giselle« dargestellt wird (wobei der UndinenStoff selbst seine entscheidenden Ausprägungen in der Oper erfahren hat, mit den gleichnamigen Werken von E.T.A Hoffmann und Albert Lortzing). Auch die Zusammenarbeit zwischen Komponist und Choreograf entsprach in weiten Teilen exakt der von Marius Petipa und Peter I. Tschaikowsky: Ashton hatte Henze eine sogenannte »Minutage« geschickt, einen in Szenen eingeteilten Ablauf der Handlung, in dem der Choreograf exakte Angaben zu Zeitdauer, Tempo, Metrum und sogar Instrumentation gemacht hatte. Die Uraufführung 1958 in Covent Garden mit Margot Fonteyn in der Titelrolle war ein umjubelter Erfolg, Henzes Musik wurde in den folgenden Jahren und Jahrzehnten von zahlreichen Choreografen gestaltet wie Tom Schilling (Berlin), Heinz Spoerli (Basel), Harald Wandtke (Dresden) und zuletzt Stijn Celis in Essen. Der »Undine« vorangegangen waren zwei Kompositionen, die auf unterschiedliche Weise die Grenze zum Schauspiel überschreiten. 1952 entstand für Tatjana Gsovsky »Der Idiot« nach dem Roman von Dostojewski. Für die erste Fassung des sogenannten Mimodrams für Tänzer und einen Schauspieler hatte die Choreografin selbst Texte aus dem Roman sowie der Bibel ausgewählt, die von Klaus Kinski gesprochen wurden: »Klaus Kinski in der Rolle des Fürsten Myschkin war natürlich das Größte. Er brüllte und winselte und spuckte die von Tatjana effektvoll und ruchlos aus Bibel»Undine«, Choreografie und Dostojewski-Zitaten zuvon Harald sammengestellten Sätze aus Wa n d t k e , sich heraus, dass die Wände 1989 wackelten«, so Henze in seiner Autobiografie. 1953 (Uraufführung 1960) überarbeitete Henze mit Gsovskys Zustimmung das Werk dahingehend, dass Ingeborg Bachmann, die dann bekanntlich auch die Libretti für die beiden Opern »Der Prinz von Homburg« und »Der

junge Lord« schreiben würde, neue Monologe für die Rolle des Fürsten Myschkin verfasste. »Maratona« wiederum verdankt seine Existenz Luchino Visconti. Dieser war fasziniert von Tanzmarathons, die seinerzeit in italienischen Vorstädten sehr beliebt waren und von denen Horace McCoys Roman »They shoot horses, don’t they« handelt. »Maratona« schildert, durchaus gesellschaftskritisch, einen Wettbewerb, dessen Gewinner Gianni im Moment des Sieges vor Erschöpfung stirbt. Das Werk erlebte 1957 bei den Berliner Festspielen seine Uraufführung. Als »kein Ballett im

»Er brüllte und winselte und spuckte die von Tatjana effektvoll und ruchlos aus Bibel- und Dostojewski-Zitaten zusammengestellten Sätze aus sich heraus, dass die Wände wackelten.« herkömmlichen Sinn, sondern eher ein ›Schau-Spiel‹, das Tanzen zum Vorwurf nimmt«, bezeichnet Henze die Kreation. Obwohl ein Choreograf, Dick Sanders, engagiert wurde, war die eigentlich treibende Kraft der Regisseur Visconti: »Ihm [Dick Sanders, Anm. d. Red.] wurde die genaue Ausarbeitung der Tänze anvertraut, aber Visconti behielt die Fäden in der Hand, er baute alles selbst auf, gliederte, setzte Kulmination gegen Ruhe, Zartes gegen Grobes, zauberte den realismo, bewegte die Massen, die Farben. Der Maler, der Choreograf und ich waren seine Werkzeuge, und wir akzeptierten diese sonst nur sehr ungern gespielten und wenig wünschenswerten Rollen in diesem Falle und ihm zuliebe mit Vergnügen, und jeder von uns reduzierte seine Mittel, wo es geboten, mobilisierte sie, wo es angebracht war.« Viscontis Konzeption hat-

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– nach »Undine« – zweiten abendfüllenden Handlungsballett, »Orpheus«. Schon länger hatte Hans Werner Henze sich mit dem Mythos beschäftigt, der 2. Cantiere stand ganz im Zeichen von »Orpheus«-Vertonungen, ergänzt durch einen Vortrag des Gräzisten Franco Serpa, der Henze so sehr beeindruckt hatte, dass er Edward Bond, seinen Librettisten von »We come to the River«, bat, ihm ein Szenario zu schreiben. Bonds Version setzt gegenüber der Überlieferung höchst eigene Akzente, so stirbt Eurydike in Zusammenhang mit politisch motivierten Ausschreitungen, und am Ende steht die Emanzipation der Menschen von den Göttern: Vor Zorn über den erneuten Verlust seiner Geliebten zertrümmert Orpheus die ihm von Apoll geschenkte Leier. Doch als er auf dem zerbrochenen Instrument spielt, ertönt eine neuartige, utopische Musik! Die Uraufführung der »Geschichte in sechs Bildern« fand 1979 am Staatstheater Stuttgart statt, mit einer Traumbesetzung: Richard Cragun (Orpheus), Birgit Keil (Eurydike) und Reid Anderson (Apoll). Choreograf des Abends war William Forsythe, der ein Jahr zuvor bereits, ebenfalls in Montepulciano, Henzes »Aria de la folia española« choreografiert hatte. Knapp zehn Jahre später, 1988, erlebte dann eine instrumentale Neufassung des Werkes in der Regie und Choreografie der Gret Palucca-Schülerin Ruth Berghaus in Wien ihre Uraufführung. Viel wäre zu berichten über weitere BallettKompositionen Henzes, die einzelnen Choreografien, die Bedeutung des Tanzes für sein Opernschaffen, wie sie sich am deutlichsten in seiner »Oper in einem Akt für Sänger und Tänzer« von 1993/95, »Venus und Adonis«, zeigt – eine vertiefte Auseinandersetzung, die ein kursorischer Überblick nicht leisten kann. War zu Beginn von den Parallelen zwischen Henzes Musiktheater- und Tanztheaterwerken die Rede, so ist mit Bedauern festzustellen, dass das Interesse des Komponisten am Tanz, im Gegensatz zur Oper, in den letzten Jahren offensichtlich etwas nachgelassen hat. So bleibt zu hoffen, dass die Feierlichkeiten zum 85. Geburtstag Hans Werner Henzes Anlass sind, sich erneut mit seinen Ballettmusiken zu beschäftigen.

te auch Konsequenzen für die Musik: So gibt es zum einen zwei Jazz-Kapellen auf der Bühne, die – wie in der Realität – abwechselnd die Wettbewerbspaare begleiteten und »zu bestimmten Morgen- oder Nachtstunden durch ein schäbiges Grammophon ersetzt werden«. Zum anderen sitzt im Graben ein »traditionelles« Orchester, dessen Aufgabe es nach Henze ist, betont barock zu klingen, »nach Matthäuspassion und Gluck, damit der Kontrast zwischen der bitteren auf der Bühne dargestellten Realität und einer im Orchestergraben zum Ausdruck gebrachten Idealvorstellung von Edelmut und klassisch-olympischer Gesinnung schreiend deutlich« erkennbar ist. Visconti motivierte dann noch ein weiteres Werk Henzes, seinen »Prinz von Homburg«, indem er dem Komponisten glaubhaft mit der Beendigung ihrer Freundschaft drohte, sollte er diesen Stoff, an dessen Eignung für die Oper Henze einigen Zweifel hatte, nicht verkomponieren. Von den elf Ballettmusiken, die das Werkverzeichnis aufzählt (»Jack Pudding« von 1950 erfuhr 1997 unter dem Titel »Le disperazioni del Signor Pulcinella« als Teil der »Tanzstunden«-Trilogie eine Neubearbeitung, ebenso wie das 1952 komponierte »Labyrinth«, das seinen Namen behielt; »Pas d’action« wurde 1966 zu »Tancredi«, choreografiert von Rudolf Nurejew), entstand ein Großteil in den 1950er und 1960er Jahren. In Henzes Leben folgte nun bekanntlich eine Phase verstärkten politischen Engagements – im Kontext der studentischen 68-Revolte, auf Kuba, schließlich seine kulturpolitische Arbeit zum Beispiel für den von ihm 1976 gegründeten »Cantiere internazionale d’arte« in Montepulciano. All diese Ereignisse finden ihren Niederschlag in seinem

Sophie Becker ist Dramaturgin an der Semperoper.

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Hans Werner Henze an der Sächsischen Staatsoper Oper und Ballett

Konzerte

Der junge Lord 14. Januar 1967

Des Kaisers Nachtigall Fünf neapolitanische Lieder

Undine

6. Dezember 1961

11. März 1989

Tristan 13. Dezember 1992

Quintett für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott

Being Beauteous Kantate auf das gleichnamige Gedicht aus »Les Illuminations« von Arthur Rimbaud für Koloratur-Sopran, Harfe und vier Violoncelli 22. Oktober 1996

18. Februar 1964

Die Bassariden 6. Februar 1997

Symphonie Nr. 1

Gastspiele an der Sächsischen Staatsoper

28. Oktober 1964

Pollicino Sonatine für Flöte und Klavier

25. Mai 1984 Volkstheater Rostock

6. September 1966

Musen Siziliens L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe 1. Juni 2009

Konzert für zwei Klaviere, Bläser, Pauken und Chor 21. Oktober 1966

Being Beauteous Kantate auf das gleichnamige Gedicht aus »Les Illuminations« von Arthur Rimbaud für Koloratur-Sopran, Harfe und vier Violoncelli 21. Oktober 1966

Symphonie Nr. 5 Gisela! oder: Die merkund denkwürdigen Wege des Glücks 20. November 2010

Für großes Orchester 21. Oktober 1966

Six Absences Für Cembalo allein 22. & 23. Oktober 1968

Tristan Preludes für Klavier, Tonbänder und Orchester 30. Mai 1985

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El cimarrón 27. Mai 1984 Volkstheater Rostock

Boulevard Solitude 20. November 1991 Junges Forum Musiktheater Hamburg


Hans Werner Henze

10 Fragen

Mein Morgenritual ist … chaotisch und wird täglich anders erfunden. Mein Traum vom Glück … endete, als ich siebzehn war, und das ist gut so. Abschalten kann ich am besten … wenn ich keine Lust habe, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Das Unvernünftigste, was ich je getan habe … war, einigen Kretins das »Du« anzubieten. Schwach werde ich … in der Erinnerung an solche unvernünftigen Missetaten. In meiner Hosentasche habe ich … mal dies, mal das. Mein letzter Lustkauf war … der erste. Wenn ich einen anderen Beruf ausüben müsste, wäre es … recht traurig für mich. Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich … mich danach sehnen, wieder feste Konturen anzunehmen. Mein Liebslingort in Dresden … ist der Zwinger.

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und ließ sich in Italien nieder. 1962 bis 1967 unterhielt er eine Meisterklasse für Komposition am Mozarteum Salzburg, Lehraufträge führten ihn in die USA und nach Kuba. In Köln hatte Henze von 1980 bis 1991 eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Musik inne. Verpflichtungen als Composer in Residence führten ihn 1983 und 1988 bis 1996 an das Berkshire Music Center in Tanglewood/USA sowie 1991 zu den Berliner Philharmonikern. Bereits 1976 gründete Henze das Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano. Im Jahr 1988 rief er die Münchener Biennale (Internationales Festival für neues Musiktheater) ins Leben, die er bis 1996 leitete. Henze wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Zentrum von Henzes Kompositionen für Orchester stehen die zehn Sinfonien. Daneben umfasst sein umfangreiches Kompositionsschaffen Solokonzerte, Sinfonien, Oratorien, Liederzyklen und Kammermusik. Mit seinen über 40 Werken für Musiktheater wurde Henze zu einem der meist gespielten zeitgenössischen Komponisten unserer Tage. »Boulevard Soltitude« (1951), eine Vertonung des Manon Lescaut-Stoffes, »Elegie für junge Liebende« (1956/61, rev. 1987), »Die Bassariden« (1964/65, rev. 1992), »Pollicino« (1979/80) gehören zu seinem vielfältigen Opernrepertoire. Mit Ingeborg Bachmann schuf Henze die Opern »Der Prinz von Homburg« (1958) und »Der junge Lord« (1964). An der Semperoper wurden zuletzt sein Lustspiel »LUpupa und der Triumph der Sohnesliebe« und sein Musiktheater »Gisela! oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks« aufgeführt. »Opfergang – Immolatione« feierte im Jahr 2010 in Rom seine Uraufführung. Die Kulturhauptstadt Europas RUHR 2010 widmete dem Komponisten mit dem HenzeProjekt eine umfassende Werkschau.

Der 85-jährige Komponist Hans Werner Henze ist eine Epochengestalt der zeitgenössischen deutschen und europäischen Musik geworden. Der Weg aus dem westfälischen Lehrerhaushalt in die Opernhäuser und Konzertsäle der Welt begann mit einer musikalischen Ausbildung an der Staatsmusikschule Braunschweig. In den späten 1940er Jahren kam er mit dem Serialismus und den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik in Berührung, denen er nicht uneingeschränkt folgte. Unglücklich über die mangelnde Aufarbeitung des Dritten Reichs in der Nachkriegsrepublik einerseits und den ästhetischen Dogmatismus in der Neuen Musik andererseits, verließ Henze 1953 nach Engagements am Theater Konstanz und am Hessischen Staatstheater Wiesbaden seine Heimat

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Henze-Programm in der Spielzeit 2012/13

Oper

Ballett

Konzert

Wir erreichen den Fluss / We come to the River

Das Vokaltuch der Kammersängerin Rosa Silber (Teil des Ballettabends Bella Figura)

1. Aufführungsabend

Premiere 13. September 2012 Vorstellungen 20., 25., 26., 29. September 2012

Gisela! oder: Die merk- und denkwürdigen Wege des Glücks

Premiere 27. Oktober Vorstellungen 31. Oktober (14 & 19 Uhr), 2., 11. November 2012

19., 28. September 2012

27. September 2012

3. Symphoniekonzert 14., 15., 16. Oktober 2012

3. Aufführungsabend 15. Mai 2013

Sonderkonzert II zum 200. Geburtstag von Richard Wagner 21. Mai 2013

El cimarrón 29., 30. September 2012

Informationen zu Anrechten u n d Pa k e t e n i m S e r v i c e t e i l a b Seite 149

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