tabula_1/2014 Aromastoffe

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Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE

_n°1/2014_CHF 8.50

Wissen, was essen.


_EDITORIAL_ Wir erwarten beim Essen Aromen, wir erhoffen und genies­sen sie mit grossem Vergnügen. Man braucht nur einmal einen starken Schnupfen durchgemacht zu haben, um zu wissen, wie sehr der Verlust des Geruchssinns einem die Freude am Essen verderben kann. Denn es ist die Nase, die uns die Tür zu der unendlich grossen und komplexen Welt der Aromen öffnet. Ein Teil von diesen Aromen konnte identifiziert, isoliert und manchmal identisch nachgebaut werden, damit sie in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz kommen können. Man findet natürliche oder nicht-natürliche Aromen in allen möglichen verarbeiteten Lebensmitteln. Unter anderem sind sie regelmässig enthalten in gesüssten Getränken, Sirups und Säften, aromatisierten Mineralwassern und manchen Schwarz- oder Kräutertees, sowie in aromatisierten Molkereiprodukten (Joghurt, Quark), in küchen­fertigen Lebensmitteln, Margarinen, Bonbons, Keksen oder industriell hergestellten kleinen Patisserien. Aber warum greift die Lebensmittel-

industrie auf sie zurück? Verschleiern sie einfach nur das Fehlen von Rohstoffen guter Qualität? Beeinflussen sie unser Ernährungsverhalten? Haben sie eine Wirkung auf unsere Gesundheit? Gewöhnen sie uns an eine zu ausgeprägte Aroma­stärke? Alles Fragen, die einem in den Sinn kommen, wenn man sich beim Lesen der Etikettierung von Lebensmitteln bewusst wird, dass diese Aromastoffe enthalten. Der Report dieser Tabula-Ausgabe versucht, hierauf Antworten zu finden. Sie werden vielleicht überrascht sein zu entdecken, was sich hinter der Bezeichnung «natürliches Aroma» verbirgt. Ebenfalls erfahren Sie mehr über eine nicht-aromatische Substanz, die dennoch geschmackvoll, aber auch mit einer ganzen Reihe von Ängsten und Ansichten belastet ist: das Glutamat. Und wenn Sie es lieben, wild wachsende Pflanzen und Früchte zu sammeln, lassen Sie sich durch unsere Rubrik «Unter der Lupe» animieren: Hier entdecken Sie den Holunder, seine Blüten und Früchte, die Grundlage köstlicher, traditioneller und saisonaler Rezepte. MURIEL JAQUET / SGE Ernährungsberaterin HF / Nutrinfo®

04_ R E P O R T Lebensmittelaromen – Zusatzstoffe mit Beigeschmack Um die 30‘000 verschiedene Lebensmittelaromen werden weltweit eingesetzt – damit übersteigt die Zahl der Aromen aus dem Labor die Anzahl deren aus der Natur um das Dreifache. Was für Konsequenzen hat der Einsatz dieser Aromen auf unsere Gesundheit, unsere Sinne?

16_ U N T E R D E R L U P E Holunder

10_ A U S D E M L E B E N V O N . . . 12_ R E Z E P T 14_ W I S S E N , W A S E S S E N 20_ B Ü C H E R 22_ D I E S G E 24_ A G E N D A / P R E V I E W N ° 2/2014

Um den Holunder ranken sich mystische Geschichten, und Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE seine Beeren und Blüten werden seit jeher als Mittel gegen Schwarztorstrasse 87 | Postfach 8333 | CH-3001 Bern allerlei Gebrechen eingesetzt. Dank dem speziellen Aroma T +41 31 385 00 00 | F +41 31 385 00 05 | info@sge-ssn.ch findet er auch in zahlreichen Getränken seine Verwendung. nutrinfo | Info-Service für Ernährungsfragen T +41 31 385 00 08 | nutrinfo-d@sge-ssn.ch | www.nutrinfo.ch Impressum: ZeitschriftPublikumsorgan für Ernährung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE_ E R S C H E I N U N G : Vierteljährlich tabula tabula:| Offizielles A U F L A G E :T 11 Ex._00 H E04 R A| U S G E B E R I N : Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Schwarztorstrasse 87, 3001 Bern, Redaktion +41600 31 385 www.tabula.ch Tel. +41 31 385 00 00 SGE-Spendenkonto: PC 30-33105-8 / info@tabula.ch / www.tabula.ch_ C H E F R E D A K T O R : Thomas Langenegger R E D A K T I O N S­K O M M I S S I O N : Madeleine Fuchs / Muriel Jaquet / Annette Matzke / Françoise Michel / Gabriella Pagano /Nadia shop sge | T +41 58 268 14 14 | F +41 58 268 14 15 Schwestermann_ L A Y O U T : Thomas Langenegger_ D R U C K : Erni Druck & Media, Kaltbrunn_ T I T E L B I L D : truc g+k, Jörg Kühni www.sge-ssn.ch/shop

Wissen, was essen. sge-ssn.ch


_Report_

Lebensmittelaromen Zusatzstoffe mit Beigeschmack 

Das Schweizerdeutsch bringt es auf den Punkt, wenn es von «schmöcken» spricht und dabei keinesfalls nur schmecken meint, sondern vor allem auch das Riechen. Denn was uns schmeckt, darüber entscheiden vornehmlich Tausende von flüchtigen Substanzen, die von 30 Millionen Geruchsnerven wahrgenommen werden. Tausende solcher Aromen setzen Lebensmittelhersteller ihren Produkten zu, um damit den (Geruchs-)Nerv der Verbraucher zu treffen. Doch immer mehr Leute rümpfen die Nase, sie befürchten, dass ihnen zugesetzte Aromen in Lebensmitteln den natürlichen Appetit verderben.

«Wie viele unterschiedliche Aromastoffe die Lebensmittel dieser Erde enthalten, lässt sich schwer sagen – vielleicht um die 10'000», schätzt Hugo Felix, Sprecher von Givaudan, dem weltweit grössten Hersteller von Aromen mit Sitz in Vernier. Eine solche Zahl an Gerüchen kann die menschliche Nase und das Gehirn ohnehin nicht einordnen. Die Aromakompositeure bei Givaudan, sogenannte Flavoristen, greifen auf etwa 5'000 Rohstoffe zurück, um ihre stets wachsende Palette von weltweit 30'000 verkauften Lebensmittelaromen herzustellen. Die Zahl der Lebensmittelaromen aus dem Labor übersteigt die Anzahl der Lebensmittelaromen aus der Natur um das Dreifache. Das Angebot ist so riesig, weil sich die Lebensmittelaromen nicht nur im Geschmack oder Geruch unterscheiden, sondern auch hinsichtlich ihrer Anwendung. Ein Fruchtaroma kann für ein Magerjoghurt nicht das gleiche sein wie für Rahmjoghurt und erst recht nicht für einen Fruchtsaft, der pasteurisiert wird. «Jedes dieser Aromen setzen wir aus einer ganzen Reihe unserer 5'000 Rohstoffe zusammen – durchschnittlich 30 bis 60 Grundstoffe pro Aroma. Diese Arbeit ist vergleichbar mit der eines Kunstmalers, der auf seiner Palette aus einer kleinen Anzahl von Farben auch immer wieder ganz andere Farben zusammenmischt, die er für sein Gemälde braucht», skizziert Felix die Arbeit der Flavoristen. Welche Rohstoffe und in welchem Verhältnis sie zusammengemixt werden, darüber bewahrt er Stillschweigen. Nur so viel verrät Felix: «Allein mit nur neun Ausgangssubstanzen liesse sich beispielsweise der Bananengeschmack gut nachmachen, auch wenn wir bei Givaudan sicher mehr verwenden.» So konnten Lebensmittelexperten ermitteln, dass beispielsweise von den 500 Aromabestandteilen der Erdbeere gerade mal ein Dutzend von der menschlichen Nase

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erschnüffelt wird. Alle übrigen kommen in so geringen Mengen vor, dass unsere Geschmackszellen dafür nicht sensibel genug sind. Wie sehr sich die menschliche Nase an der selbigen herumführen lässt, das kann jeder selbst ausprobieren: Geben Sie wenige Tropfen Bittermandelaroma in ein Glas Apfelsaft und färben Sie die Mischung mit einem Teelöffel Randensaft. Wer das wahre Rezept nicht kennt, der wird einen Kirschsaft schmecken. Der beste Beweis, wie sich unsere Geschmackserfahrungen durch minimale Mengen an Aromastoffen und die richtige Farbe in die Irre leiten lassen. Sägespäne im Erdbeerjoghurt?! Oft stammt der typische Fruchtgeschmack eines Joghurts nur zu einem mageren Anteil aus den wenigen enthaltenen Obststücken, sondern vielmehr sorgen dafür zugesetzte Aromen. Unsere Nase gibt sich mit wenigen Schlüsselaromen zufrieden, die sich auch künstlich herstellen lassen. Dafür brauchen keine Vanilleschoten aus Madagaskar importiert zu werden und kein Lebensmittelingenieur muss auf vollreife Erdbeeren aus dem Thurgau warten, was künstliche Aromen sehr viel billiger macht. Zumal die Qualität von natürlichen Aromen je nach Saison, Klima und Witterung sehr unterschiedlich ausfällt. Rein im Labor erzeugte synthetische Aromastoffe haben hingegen immer die gleiche Qualität. Bis heute hält sich das unappetitliche Gerücht, dass das Erdbeeraroma im Joghurt aus Sägespänen stamme. Alles erstunken und erlogen, behaupten die Hersteller. Dieses Aromamärchen könnte entstanden sein, weil sich die Aromazugabe im Erdbeerjoghurt unter anderem aus Vanillin zusammensetzen kann. Und das wurde zumindest früher aus dem natürlichen Holzbestandteil Lignin gewonnen. Wer sicher gehen möchte, dass die zugesetzten Aromen wirklich aus der echten Beere stammen, dem garantiert der Begriff «natürliches Erdbeeraroma», dass hier – zumindest zu 95 Prozent – der Geschmack aus der echten Frucht stammt. Das Aromahaus Firmenich, der zweite Schweizer Weltkonzern für Lebensmittelaromen, hat sich den Handelsnamen Furaneol® für den wichtigsten Aromabestandteil der Erdbeeren gesichert und gibt an, dass es in einer Konzentration von



_Rezept_

WIRZPÄCKLI MIT COUSCOUS Für 4 Personen. Vor- und zubereiten: ca. 40 Min. / Pro Person: 23 g Fett, 22 g Eiweiss, 53 g Kohlenhydrate, 2131 kJ (509 kcal) 1 Wirz (ca. 800 g), Blätter abgelöst / Salzwasser, siedend / Die Wirzblätter portionenweise im siedenden Salzwasser ca. 3 Min. blanchieren, herausnehmen, kurz in kaltes Wasser legen, abtropfen, Blattrippen flach schneiden. 8 grosse Wirzblätter auf einem Tuch auslegen, Rest grob hacken, in der vorbereiteten Form verteilen. 250 g Couscous / 1 EL Sambal Oelek / 2 dl Gemüsebouillon, siedend / 2 dl Saucen-Halbrahm / 50 g geriebener Gruyère / 1 Bio-Orange, nur abgeriebene Schale / Couscous und Sambal Oelek in eine Schüssel geben, Bouillon darübergiessen, mischen, zugedeckt ca. 5 Min. quellen lassen.

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Mit einer Gabel lockern. Rahm, Käse und Orangenschale daruntermischen. Wirzblätter mit dem Couscous füllen und Päckli formen: 1 Wirzblatt in eine grosse Tasse legen, 1/8 des Couscous in das Blatt geben, leicht andrücken. Blatt­ ränder darüberlegen, Päckli mit dem Verschluss nach unten auf den Wirz in die Form legen. Restliche Päckli gleich formen. 2 dl Gemüsebouillon / 70 g geriebener Gruyère / Bouillon darübergiessen, Käse darüberstreuen. Backen: Ca. 20 Min. in der Mitte des auf 220 Grad vorgeheizten Ofens. Rezept: Betty Bossi

ERNÄHRUNGSBILANZ

ÖKOBILANZ

Wirz: Der Wirz – auch Wirsing, Welschkohl oder Savojerkohl genannt – gehört botanisch zur Familie der Kreuzblütler. Er ist mit dem Rot- und Weisskohl eng verwandt, unterscheidet sich optisch jedoch mit seinem locker sitzenden Blattgefüge aus grün gekrausten Blättern von ihnen. Der Wirz ist in der Schweiz das ganze Jahr hindurch aus Schweizer Anbau erhältlich, wobei es eine Früh-, Herbst- und Spätwirzsorte gibt. Verglichen mit dem Weisskohl liefert er doppelt so viel Eiweiss, Folsäure und Eisen. Er ist jedoch weniger lang haltbar. Couscous: Couscous ist ein Grundnahrungsmittel aus der nordafrikanischen Küche und wird traditionell meist aus Hartweizen, manchmal auch aus Hirse oder Gerste hergestellt. Bei der Herstellung wird das Getreide zu Griess verarbeitet, vorgegart, zu Kügelchen verarbeitet und anschliessend getrocknet. Dies erklärt die simple Zubereitung in der Küche, wo Couscous lediglich mit heissem Wasser übergossen und zugedeckt ziehen gelassen wird. Couscous ist eine wertvolle Quelle von pflanzlichem Eiweiss, Eisen und Nahrungsfasern. Tellermodell: Das Gericht liefert pro Portion 509 kcal. Die Verteilung von Stärke-, Eiweiss- und Gemüsekomponente ist optimal und entspricht dem Tellermodell. Die Kombination des Eiweisses aus dem Couscous und dem Käse erzielt eine hohe biologische Wertigkeit. Das heisst, dass der Körper die vegetarische Eiweisskombination – verglichen mit Eiweiss aus Fleisch oder Fisch – vergleichbar effizient oder gar effizienter in körpereigenes Eiweiss umwandeln kann.

Gruyère & Rahm: Obwohl die beiden Milchprodukte lediglich 21% am Gesamtgewicht ausmachen, ist der Beitrag von 40% an der Gesamtumweltauswirkung erheblich. Dies ist auf die Produktion von tierischen Produkten zurückzuführen, deren Futterketten oftmals mit grossen Umweltbelastungen verbunden sind. Beim Käse kommt hinzu, dass für die Produktion einer bestimmten Menge ein Vielfaches an Milch benötigt wird. Couscous: Couscous wird aus geriebenem Hartweizengriess hergestellt, dessen ökologische Belastung hauptsächlich auf der landwirtschaftlichen Kultivierung von Weizen beruht. Zudem wird für die Verarbeitung von einem Kilogramm Hartweizengriess 1,4 Kilogramm Weizen benötigt. Besonders der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden verursacht schädliche Emissionen in Böden und Grundwasser. Wirz: Trotz einem 54-prozentigen Anteil am Gesamtgewicht des Menüs, trägt der Wirz lediglich zu 9% an den Umweltbelastungen des Menüs bei. Zwar werden auch hierfür Düngemittel eingesetzt, jedoch aufgrund des höheren Flächenertrages von Kohlgemüsen pro Kilo viel weniger als bei der Verarbeitung von Getreide. Säulendiagramm: Das Rezept verursacht nur rund einen Drittel der Umweltbelastungen einer durchschnittlichen Mahlzeit. Dies zeigt einmal mehr, dass sich eine vegetarische Variante aus ökologischer Sicht fast immer lohnt. Am höchsten fällt der Beitrag bei den beiden Milchprodukten und etwas weniger beim Couscous aus. Die anderen Zutaten fallen nicht mit einem relevanten Anteil ins Gewicht.

MARION WÄFLER / SGE

ALEX KÖNIG / ESU-SERVICES

Tabula N° 1/2014


Ø 6000

Fotografie: Betty Bossi / Infografik: Truc, Bern

Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse

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Rezept 2033

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Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–services.

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_Unter der Lupe_

Holunder Vor dem Holder sollst du den Hut ziehen

Der Holunderbusch hat auch heute noch seinen festen Platz in jedem Bauerngarten. Zur Zeit unserer Urgrosseltern erwies man dem Holunder sogar durch Ziehen des Hutes die Ehre. Seine Heilkräfte waren bereits in der Antike bekannt. Heute ist es vor allem das feine Aroma seiner Blüten und Beeren, das in vielen Getränken Verwendung findet.

artig ausladend. Wild kommt er an Bachufern und Waldrändern vor. Er ist eine der in Mitteleuropa häufigsten Straucharten. In den Alpen ist er bis zu einer Höhe von etwa 1500 m ü. M. anzutreffen. Gepflanzt wurde er bis in die 1980er-Jahre vornehmlich nur im Haus- und Bauerngarten. Heute ist das anders: «2014 sind für die Schweiz 25,4 Hektaren Holunderplantagen angemeldet. Spitzen-

VON MONIKA MÜLLER

reiter ist der Kanton St. Gallen mit 14,9 Hektaren, gefolgt vom Kanton Thurgau mit 6,6 Hektaren»,

Jeweils im Juni begab ich mich mit meiner Freun-

berichtet Jimmy Mariéthoz, Leiter der Fachstelle

dinnenschar zum Holunderblütensammeln auf den

Gemüse- und Beerenanbau, BBZ Arenenberg. War-

Waldspaziergang. Bei fröhlichem Geschwatze wur-

um Holunderkulturen vor allem in der Ostschweiz

den sorgfältig einige luftige Schichten der duftenden Schirmrispen in den grossen Weidekorb gelegt. Dann schnell, schnell zurück nach Hause, ein Bier-

Die in den Holunderbeeren

teig geschlagen, die Blütendolden darin getunkt

enthaltenen Vitamine sind

und im heissen Öl gebacken. Dazu eine Erdbeer-

dank den reichlichen Gerb-

sauce und Puderzucker: Unser Glück war perfekt. Heute, Jahre später, steht ein riesiger, alter Holun-

stoffen überaus stabil.

derbusch zwei Meter vor meinem Stubenfenster. Er

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beschützt mein Haus und bietet unzähligen Vögeln

anzutreffen sind, liege daran, dass die Obstbauern

Nahrung. Blütendolden kann ich nun im Frühsom-

in dieser Gegend sehr innovativ seien und immer

mer direkt vom Fenster aus ablesen. Allerdings las-

wieder nach alternativen Kulturen Ausschau hal-

sen mir die Vöglein nur in ganz guten Jahren einige

ten würden, meint Mariéthoz. So wurden bereits

Beeren für eine Holundersuppe. Im Winter ist mein

1976 von dem Landwirtepaar Hans und Annemarie

Holunderbusch voll gehängt mit Futterhäuschen,

Eberle in Altnau (TG) die ersten Holunderplanta-

und so habe ich das ganze Jahr hindurch die put-

gen der Schweiz angelegt. Unterdessen sind dar-

zigen gefiederten Freunde vor meinem Beobach-

aus vier Plantagen geworden. Gerade eben hat der

tungsposten.

Sohn Andreas den Hof übernommen und führt die

Botanisch ist die Stellung der Sambucus-Arten im

Holunderkulturen mit Begeisterung weiter. Im Er-

Pflanzensystem seit Langem umstritten. Wurden

werbsanbau wird der Holunder als niedriger Baum

sie früher zu den Geissblattgewächsen gezählt,

mit zwei bis maximal drei Meter Höhe erzogen. Er

werden sie heute den Moschuskrautgewächsen

findet Verwendung als Lebensmittel, Heilmittel

zugeordnet. So gibt es weltweit (je nach Klassi-

und als Farbstoff. Eberles liefern die getrockneten

fizierung) 10 bis 30 Holunderarten, in unseren

Blüten vor allem an die Kräuterbonbonfabrik Ri-

Breitengraden heimisch sind gerade einmal drei:

cola AG, zur Herstellung der feinen Holunderbon-

Sambucus nigra, der Schwarze, S. racemosa, der

bons, und die nassen Blüten an Möhl in Arbon für

Rote, und der Zwergholunder, S. ebulus. Der grösste

den «Swizly Cider». Die Mischung aus Apfelwein,

und wichtigste von ihnen, der Schwarze Holunder,

Süssmost und Holunderblütenessenz ergibt mit

wird als Strauch bis fünf Meter, als kleiner Baum

fünf Volumenprozenten Alkohol ein leichtes Bar-

bis sieben Meter hoch. Die Zweige sind oft bogen-

und Apérogetränk. «Wir sind beim Verkauf der Blü-

Tabula N° 1/2014


Marek Mnich / istockphoto

unpict / fotolia


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