tabula_1/2016 Superfoods

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Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE

_n° 1/2016_CHF 11.00

Wissen, was essen.


_EDITORIAL_ Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht ein neues Lebensmittel das Prädikat «Superfood» verliehen bekommt. Unzählige Artikel, Blogs und Rezepte folgen auf dessen Neuentdeckung ebenso sicher wie neue, mit dem Superfood aufgepeppte Produkte in den Regalen. Ob Kurkuma, Baobab oder Kale: Gemeinsam ist ihnen das Versprechen, dass sie sich besonders positiv auf einen bestimmten Gesundheitsaspekt oder die Gesundheit als Ganzes auswirken. Doch was hat es mit den Superfoods auf sich? Ist es nur ein inflationär verwendeter Marketingbegriff oder ein willkommener Baustein für eine ausgewogene Ernährung? Oftmals finden die Superfoods aus abgelegenen Winkeln dieser Erde den Weg zu uns. Aus ökologischer Sicht ist dies fraglich, zumal sich der angepriesene Inhaltsstoff oft auch mit Lebensmitteln abdecken liesse, welche vielleicht etwas weniger trendy sind, dafür aber um die Ecke angebaut werden. Auch halten die mit dem Prädikat «Superfood» ausgezeichneten Lebensmittel

manchmal nur auf den ersten Blick, was sie versprechen: So weisen die angepriesenen Inhaltsstoffe vielleicht tatsächlich einen gesundheitlichen Nutzen auf, doch sind die beim normalen Konsum aufgenommenen Mengen teilweise zu klein, um wirklich einen positiven Einfluss zu entwickeln. Oder neben den gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen finden sich auch noch ein paar weniger schöne Substanzen: So fanden Studien in Superfoods teilweise hohe Pestizidbelastungen. Bei aller kritischen Betrachtung des Modebegriffs «Superfood»: Das man gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe durch natürliche Lebensmittel zu decken versucht und nicht per Nahrungsergänzungen, hat durchaus etwas Sinnvolles. Unsere tabellarische Übersicht auf den Seiten 8 und 9 soll eine Übersicht über einige der am meisten verbreiteten Superfoods geben – und einheimische Alternativen dazu aufzeigen. Eine Auswahl, die schwierig zu treffen war, denn: Was heute als «super» gilt, wird morgen bereits wieder vom nächsten vermeintlichen Alleskönner abgelöst. THOMAS LANGENEGGER / SGE Leiter Redaktion tabula

04_ R E P O R T Superfoods

10_ A U S D E M L E B E N V O N . . .

Sie sollen gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe aufweisen, ja wahre Wunder der Natur sein– die sogenannten «Superfoods». Doch was steckt hinter diesem aktuell beliebten Begriff, und wie gesund sind die einzelnen als «Superfood» bezeichneten Lebensmittel wirklich?

12_ R E Z E P T

16_ U N T E R D E R L U P E Senf

22_ D I E S G E

Senf hat kulinarisch mehr zu bieten als nur die Begleitung von Wurstwaren. Und auch sein gesundheitlicher Nutzen wird durch neuere Forschungsergebnisse unterstrichen.

14_ W I S S E N , W A S E S S E N 20_ B Ü C H E R

24_ A G E N D A / P R E V I E W N ° 2/2016

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Revolution oder Mythos? 

Ratgeber und Kochbücher erobern Buchhandlungen, in coolen Bars schlürfen Hipster vegane WeizengrasSmoothies, und Blogger und TV-Stars versprechen mit Açaí-Beeren und Co. Gesundheit, Schönheit und Schlankheit. Doch was ist dran am allgegenwärtigen Superfood-Trend? Eine gesundheitliche Revolution auf dem Teller oder alter Wein in neuen Schläuchen?

und wenig Fruchtfleisch. Vor allem ihr antioxidatives Potenzial durch ihren hohen Antho­cyangehalt zeichnet sie aus. Noch heute ist die Beere bei den indigenen Völkern im Amazonas ein wichtiges Grundnahrungsmittel und findet sich in Brasilien an jeder Strassenecke zum Verkauf. Auch in die grossen Metropolen wie Rio und São Paulo gelangte die Açaí-Beere schliesslich. In der Grossstadt entwickelte sie sich wegen ihres hohen Energiegehaltes in den 1990er-Jahren rasch zu einem angesagten Lifestyle- und Sporternährungsprodukt der dort ansässigen Surfercommunity und startete aus dieser Szene heraus ihren Siegeszug in die Welt. Im Jahre 2000 wurden erstmals Açaí-Beeren in die USA exportiert. Die Beeren schafften es vom Regenwald nach Hollywood, wo Stars und Sternchen bis heute auf sie schwören und sie auf Instagram-Accounts und Blogs verehren. Ihren endgültigen Ritterschlag erhielt die Frucht jedoch, als ihr Oprah Winfrey in ihrer viel beachteten TV-Show dank den enthaltenen Antioxidantien einen Jungbrunnen- und Anti-Aging-Effekt zusprach. Superfoods als «Menschheitssehnsucht»

Gutes Marketing lebt von Geschichten. Eine beginnt so: Es war einmal, tief im brasilianischen Regenwald, ein uraltes, indigenes Volk, das an einem unzugänglichen Ort isoliert und abgeschieden von der restlichen Welt lebte. Fernab von Stress und Krankheiten. Weise Frauen und Medizinmänner verfügten über traditionelles Wissen, lebten äus­ serst gesund und ernährten sich von den Früchten des Regenwaldes. Eine dieser Früchte ist die sagenumwobene Açaí-Beere. Man berichtet, sie verfüge über Superkräfte. Beheimatet ist die Frucht der Kohlpalme (Euterpe oleracea) im tropischen Amazonasregenwald in Südamerika. Farblich ist sie etwas dunkler als unsere hiesigen Heidelbeeren und besteht aus einem sehr grossen Innenkern

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Obwohl der Begriff «Superfood» bereits seit 1915 bekannt ist, erlangte das Modewort vor allem mit dem Aufkommen des öffentlichen Interesses an gesunden Lebensmitteln einen fulminanten Aufstieg. Das Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) in Rüschlikon untersucht ebensolche Megatrends. «Ungesunder Convenience-Food macht uns auf Dauer nicht glücklich, da es unseren Anspruch nach gutem Essen nicht erfüllt. Wir wünschen uns im Alltag Schnelligkeit und wollen gleichzeitig etwas Natürliches konsumieren. Exotische Beeren aus fernen, unbekannten Regionen und altes Wissen, gepaart mit einem gewissen Convenience-Aspekt, befriedigen dieses Bedürfnis nahezu perfekt», so Bettina Höchli, Researcherin am GDI. Und zudem befriedigen Superfood-Kochbücher und -Ratgeber das Konsumentenbedürfnis nach Selbstoptimierung der Gesundheit und der SelbermachKultur. Do-it-yourself ist angesagt. Hanni Rützler,


_Report_

Trendforscherin und Ernährungswissenschaftlerin vom Futurefoodstudio in Wien, geht sogar noch weiter und beschreibt Superfoods als alte Menschheitssehnsucht, die wir unbedingt stillen wollen, vor allem wenn sie mit Exotik gepaart ist. Auch hier passen Açaí-Beeren aus Brasilien, GojiBeeren fürs Müesli oder Spirulina-Pulver für den Salat perfekt. Und so deutlich die Superfoods in die heutige Gesellschaft zu passen scheinen, so unklar ist momentan ihre Definition und Zuordnung. Super was? Bis anhin existiert für das Modewort «Superfood» keine einheitliche fachliche Begriffserklärung. Der Ausdruck ist vor allem ein Marketingbegriff. Meist sind es Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Vita­ minen, sekundären Pflanzenstoffen oder Enzymen. Manche werden sogar als Kapseln oder in Pulverform als Nahrungsergänzung, als getrocknete oder als frische Lebensmittel angeboten. Vielfach sind es exotische Produkte, die bis anhin bei uns eher unbekannt waren. Besonders gehäuft finden sich traditionelle Lebensmittel aus indigenen Gesellschaften wie zum Beispiel Beeren, Wurzeln oder Samen aus dem Amazonasgebiet. Immer häufiger werden aber auch ganz «normale» Lebensmittel wie Heidelbeeren, Randen, Avocados, Lachs, Granat­äpfel oder Kräuter und Gewürze als Superfood bezeichnet. Während sie früher vor allem im Bioladen und Reformhaus zu finden waren, erobern einige Superfoods nun auch die Regale der Grossverteiler. Die Migros führt momentan reine Chia-Samen, andererseits aber auch ein Knuspermüesli, ein Sélection-Knäckebrot und einen Farmer-Stängel mit Chia-Zugabe. Weitere Produkte werden sicher dazukommen. Christina Daeniker, Ernährungswissenschaftlerin beim Migros Genossenschafts-Bund, erweitert auf die Frage «Welche Superfoods führt die Migros im Sortiment?» die Liste: «Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten – es gibt so viele ‹super Lebensmittel›! So sind für mich ganz grundsätzlich auch Gemüse und Früchte Superfoods, ebenso Nüsse, Kerne und Samen, ein Vollkornbrot oder Fisch. Die Liste wäre lang!» Auch ernährungswissenschaftlich findet sich keine offiziell fachliche und rechtlich bindende Definition. Gerade Ernährungswissenschaftler stehen der Bezeichnung besonders kritisch gegenüber. Diverse Studien zeigen zwar für verschiedenste Einzel-Lebensmittel gesundheitlich po-

sitive Wirkungen. Doch werden diese Studien oft am Tiermodell durchgeführt bzw. handelt es sich um «In-Vitro-Experimente» mit isolierten Kulturen menschlicher Zellen. Die Wirkungen auf den menschlichen Organismus im Kontext des täglichen Ernährungsalltags sind von daher eher fraglich. «Fest steht, dass grosse Mengen des betreffenden Nährstoffs bzw. Lebensmittels regelmässig und langfristig verzehrt werden müssten, um eine Wirkung zu erzielen. Im Rahmen einer normalen Ernährungsweise sind diese Vorgaben nur schwer zu erreichen», merkt die freischaffende DiplomErnährungswissenschaftlerin Elisabeth BührerAstfalk kritisch an. Dies sieht auch das Europäische Food Information Council (EUFIC) so und kritisiert am Superfood-Konzept weiter: • Unter Untersuchungsbedingungen werden oft viel höhere Nährstoffmengen zugeführt, als im Kontext einer üblichen Ernährung aufgenommen werden. • Die physiologische Wirkung vieler sogenannter Superfoods, bzw. der einzelnen Inhaltsstoffe, hält meist nur über einen kurzen Zeitraum an. • Die Wertigkeit und die gesundheitsfördernden Wirkungen einer Ernährungsweise lassen sich nicht auf einzelne Lebensmittel herunterbrechen. Das EUFIC schlussfolgert, dass man sich nicht auf die gesundheitlichen Vorteile einiger weniger sogenannter Superfoods verlassen könne. Auch Ernährungswissenschaftlerin Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen, Expertin für «Superfoods», sieht dies so: «Ich würde kein einziges Lebensmittel als Superfood bezeichnen. Jedes Lebensmittel hat einen ganz eigenen Wert durch seine ganz besondere Nährstoffzusammensetzung. Und erst die Komposition der verschiedenen Lebensmittel zu einer Mahlzeit macht diese zu einer vollwertigen Mahlzeit. Die sich gegenseitig ergänzende Nährstofffülle kann kein einzelnes Lebensmittel bieten. Für mich zeichnet sich Superfood durch bunte, abwechslungsreiche Vielfalt, durch Frische, Saisonalität und Regionalität aus, am besten in einer netten Runde mit Genuss gegessen.» Viele Superfood-Anbieter bringen beim Bewerben ihrer Produkte jeweils den sogenannten ORAC-Wert (Oxygen Radical Absorbing Capacity) ins Spiel. Je höher dieser sei, umso mehr freie Radikale könnten im Körper neutralisiert werden, liest man da. Der Tagesbedarf dieser ORAC-Ein-

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_Rezept_

COUSCOUS MIT POULET Für 4 Personen. Vor- und zubereiten: ca. 30 Min. / Pro Person: 10 g Fett, 39g Eiweiss, 57 g Kohlenhydrate, 2040 kJ (486 kcal) 2 kleine Zwiebeln / Olivenöl / 300 g Couscous / Wasser / Zwiebeln hacken und mit Olivenöl andünsten. Couscous beifügen und kurz mitdünsten. Mit Wasser bedecken, kurz aufkochen und danach vom Herd nehmen. 400 g Pouletgeschnetzeltes / 2 kleine Zucchini / 4 Tomaten / 2 grüne Peperoni / 4 EL Pinienkerne / Salz /

Rezept: Gorilla

ERNÄHRUNGSBILANZ

ÖKOBILANZ

Couscous: Couscous ist ein typisch nordafrikanisches Gericht, das ursprünglich vor allem in Algerien, Tunesien und Marokko verzehrt wurde. Traditionell wurde es von Hand gefertigt. Hierbei wurden Weizengriess und Weizenmehl vermischt, mit kaltem Salzwasser beträufelt und durch Pressen oder Rollen zu kleinen Körnern verarbeitet. Bulgur hingegen unterscheidet sich von Couscous in der Herstellung. Bei Bulgur werden Getreidekörner zuerst leicht gedämpft, anschliessend getrocknet und dann mehr oder weniger fein zermahlen. Poulet: Die ersten Hühner wurden vor etwa 4'000 Jahren im Industal in Südasien domestiziert. Dies haben archäologische Funde ergeben. In Europa hingegen wurden sie erstmals im 5. Jahrhundert v.Chr. in Griechenland gezüchtet. Beim Umgang mit Geflügel in der Küche muss hygienischem Arbeiten grosse Aufmerksamkeit geschenkt werden, da Geflügel mit Salmonellen oder Campylobacter jejuni infiziert sein kann. Diese Erreger werden durch Erhitzen abgetötet. Daher sollte Geflügelfleisch immer gut durchgegart werden. Hierbei sollte Folgendes beachtet werden: sauberer Umgang mit Küchenutensilien (idealerweise sollten z.B. Schneidebretter, die für Geflügel verwendet werden, speziell gekennzeichnet sein und ausschliesslich für Geflügel verwendet werden), Trennung von rohem Geflügel und gekochten Lebensmitteln, ausreichende Erhitzung von Geflügel vor dem Verzehr und Lagerung der Lebensmittel bei sicheren Temperaturen. Nach Kontakt mit rohem Geflügelfleisch sollten Arbeitsplatz, Kochutensilien und die Hände gründlich gereinigt werden. Tellermodell: Das Gericht Couscous mit Poulet stellt einen ausgewogenen Teller dar. Um das Gericht zu optimieren, könnten zur aktuellen Jahreszeit anstelle von Tomaten, Zucchini und Peperoni saisonale Gemüse verwendet werden, wie z.B. Chicorée, Karotten, Knollensellerie und/oder Kohlgemüse wie z.B. Rosenkohl.

Couscous: Die Umweltbelastung von Couscous entsteht fast ausschliesslich durch die Kultivierung des Weizens. Die Verarbeitung zu Griess verursacht einen vernachlässigbaren Anteil im tiefen einstelligen Prozentbereich. Der Griess wird mit einem Gemisch aus Weizen aus der Schweiz und den USA bilanziert. Erhöht sich der Anteil von Weizen aus der Schweiz, so kann die Umweltwirkung des Couscous etwas gesenkt werden. Poulet: Die Umweltbelastung des Poulets liegt mehrheitlich im Futter für die Geflügelzucht begründet. Dieses macht rund drei Viertel der Umweltbelastung von Poulet aus. Es wird dabei von einem Gemisch aus Weizen-, Gersten- und Maisfutter ausgegangen. Ebenfalls relevant sind der Energiebedarf für die Beheizung des Stalls, als auch die während der Schlachtung entstehenden Umweltwirkungen. Die Verwendung von Poulet aus biologischer Zucht würde gemäss der hier verwendeten Bewertungsmethode nur eine geringfügige Reduktion der Umweltbelastung bewirken. Im Vergleich zu anderen Fleischprodukten schneidet Poulet sehr gut ab: Die Verwendung von Rind anstelle von Poulet würde die Umweltbelastung der Fleischkomponente um den Faktor 3,5 erhöhen. Säulendiagramm: Eine Portion Couscous mit Poulet für vier Personen verursacht rund 12‘000 Umweltbelastungspunkte (UBP) und liegt damit unter der durchschnittlichen Umweltbelastung einer Hauptmahlzeit. Aus Umweltsicht ist das Poulet die mit Abstand bedeutendste Zutat dieser Mahlzeit. Der Anteil von Couscous beträgt rund 15 Prozent. Von den übrigen Zutaten sind vor allem das verwendete Öl, die Pinienkerne und die Tomaten relevant. Es wird dabei von Tomaten aus dem Gewächshaus ausgegangen, weil diese Anfang Frühling in der Schweiz noch nicht aus dem Freiland stammen. Wird für die Zubereitung des Gerichts nur Freilandgemüse aus der Schweiz verwendet, wie es ab Juni bis September möglich ist, so fällt die Umweltbelastung geringer aus.

SABINE OBERRAUCH / SGE

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Pfeffer / Paprika / Die Pouletstücke mit ein wenig Öl in einer heissen Bratpfanne gut anbraten. Das Gemüse klein schneiden und mit den Pinienkernen in die Pfanne zum Poulet geben und ca. 5 Min. rösten. Das Ganze dem Couscous beigeben und mit Gewürzen abschmecken. Wenig Schnittlauch / 8 Radieschen / Den Schnittlauch und die Radieschen hacken und über Couscous und Poulet verteilen.

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SIMON EGGENBERGER, NIELS JUNGBLUTH / ESU-SERVICES


Schtifti Foundation / Infografik: Truc, Bern

Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse

Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–services.

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_Unter der Lupe_

Senf Mehr als nur die Würze zur Wurst

Seit Jahrtausenden gehören die hellen und dunklen Senfkörner zum kulinarischen Schatz vieler verschiedener Völker. Ursprünglich aus China stammend, kommen sie heute vor allem aus Kanada. In der Bibel sind sie das Symbol für Gottes Königreich und am Grillstand der wichtigste Begleiter der Bratwurst. Welche kulinarische und gesundheitliche Kraft in jedem dieser kleinen Körner steckt, fasziniert bis heute Gesundheitsexperten wie Geniesser.

etwa 400 vor Christus im Senfkorn einen inneren Reiniger. Sein ärztlicher Kollege Pedanios Dioskurides empfahl 200 Jahre später eine Mischung aus Senf und Honigmeth «als Gurgelmittel bei geschwollenen Mandeln» und bei «Rauheit der Luftröhre». Selbst gegen Epilepsie und Schwerhörigkeit verordnete er Senf­anwendungen. Der lateinische Name «Sinapis» bürgerte sich somit ein und veränderte sich zum heutigen Senf. Nach und nach entdeckten die Menschen

VON FRIEDRICH BOHLMANN

Senf auch als Würzpaste. Das älteste überlieferte Rezept stammt aus dem vierten nachchristlichen Jahr-

Der Schweizer Bauer, das «landwirtschaftliche Hand-

hundert: Senfkörner wurden mit Honig, Olivenöl und

buch für den Bauersmann» von 1864 betrachtete den

Essig verrieben – so begann die kulinarische Karriere

Senf noch eher kritisch. «Man pflanzt ihn meist nur

der kleinen Körner. Bereits Karl der Grosse verordne-

auf kleinen Flächen an, da der Bedarf nicht gross und

te 812 den Anbau von Senf in zahlreichen Gartenan-

der Senf eine unsichere Pflanze ist. Es werden zwei Ar-

lagen. Später gab es strenge Qualitätsrichtlinien bei

ten angebaut, nämlich der weisse und schwarze oder

der Senfproduktion, zu dessen Zentrum sich die fran-

französische Senf. Der Weisse steht im Ertrag höher.»

zösische Stadt Dijon entwickelte. Von dort importier-

Gut 150 Jahre später macht nun Hansjörg Schneebeli

te die Schweiz über Jahrhunderte ihren Senf. Und

ganz ähnliche Erfahrungen. «Mal ist der Ertrag gut,

heute ist die Schweiz dank der Firma Thomy selbst

doch im nächsten Jahr ernte ich nur die Hälfte.» Der

ein wichtiger Produzent.

Biobauer aus Obfelden nahe Zürich baut als einer von

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ganz wenigen in der Schweiz Senfpflanzen an, um bei

Explosive Mischung im Senf

Biofarm einen echten Schweizer Senf produzieren

Damit sich harte Senfkörner in die typisch senfgel-

zu können. «2015 habe ich auf etwa je einem Hektar

be Würzcreme verwandeln, werden sie erst grob ge-

einen Gelbsenf und einen dunklen Braunsenf gesät.

schrotet und je nach gewünschter Senfschärfe entölt.

Bei dem braunen Senf hatten wir nach anfänglichen

Das Senfmehl gibt vermischt mit Wasser, Essig oder

Misserfolgen erst vor drei Jahren eine gute Ernte.

auch anderen Flüssigkeiten wie Traubenmost und

Und im letzten Jahr fiel sie auch wieder mager aus.»

Würzzutaten eine sogenannte Maische. Hierbei ent-

Dabei bringt es der braune Senf ohnehin nur auf die

puppt sich das kleine Korn als echte Geschmacks-

Hälfte des Ertrages, den der gelbe Senf erzeugt. «Dort

bombe. Diese wird gezündet mit dem Mahlstein. Beim

kommen in guten Jahren schon mal 1,2 Tonnen pro

Zerquetschen stösst das senfeigene Enzym Myro-

Hektar heraus», so Schneebeli. Damit könnte er nicht

sinase auf Senfglykoside. Daraus bildet es während

mal den Senfbedarf der Stadt Bern decken. Schon im-

der feuchten Maischelagerung die typischen Scharf-

mer musste Senf in die Schweiz eingeführt werden.

macher, auch Senföle oder Isothiocyanate genannt.

Heute kommt er vornehmlich aus Kanada.

Jeder kann diese Geschmacksexplosion im eigenen

Vermutlich stellten bereits vor 3000 Jahren die Chi-

Mund erleben: Das ganze, noch unzerstörte Senfkorn

nesen Senf her. Belegt ist, dass ihn die Griechen und

schmeckt völlig neutral. Doch sofort nach dem ers-

später die Römer in ganz Europa bekannt machten.

ten Biss ist die Schärfe bereits eines winzigen Kornes

Damals sah man in den winzigen Samenkörnern vor

deutlich auf der Zunge zu spüren. Dabei entsteht beim

allem ein Heilmittel. Schon Hippokrates erkannte

hellen Senfkorn aus dessen Senfglykosid Sinalbin der

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Diana Taliun / iStockphoto


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