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ISSN 2296-1127
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ISSN 2296-1127 9 772296 112705
ERNÄHRUNGSTRENDS WIE ESSEN WIR MORGEN?
Unsere Ernährung wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter wandeln, darin sind sich die führenden Zukunftsforschungsinstitute in der Schweiz, Deutschland oder Österreich einig. Wir werden uns mehr übers Essen informieren, wir werden unsere Lebensmittel individueller auswählen und uns gezielter um eine gesündere Ernährung bemühen. Essen und Trinken bleibt das grosse Lifestyle-Thema der nächsten 20 bis 30 Jahre. Umso mehr wächst das Interesse an den sich verändernden Foodtrends.
Wenn wir uns zurückbesinnen in die Zeit vor 20 Jahren, so wäre damals jeder verwundert gewesen, hätte im Restaurant ein Gast sein Essen fotografiert. Von vegetarischen Fleischvögeln und glutenfreien Guetzli sprach kaum jemand. Und schon gar nicht
0 2 . ' G E S U N D H E I T ' — Das Bedürfnis nach gesunder Er-
nährung wächst und wird in manchen Ländern als staatliche Aufgabe verstanden. Der Megatrend wird von der Lebensmittelindustrie in vielfältiger Weise aufgenommen und wirkt sich ebenfalls auf den Konsum von tierischen Lebensmitteln aus.
hätten Migros und Coop ihren Kunden Mehlwürmer, Grillen und Heuschrecken offeriert. Was heute
se Modephänomene sind noch keine Foodtrends»,
selbstverständlich ist, erstaunt im Rückblick und
so Rützler, «echte Foodtrends sind stets Antworten
zeigt, wie rasant sich unsere Ernährungswelt ge-
auf aktuelle Probleme, Sehnsüchte und Wünsche,
wandelt hat und aller Voraussicht nach weiter ver-
die in unserer Gesellschaft auftauchen. Sie müssen
ändern wird. Wo geht die Fahrt hin? Damit beschäf-
Lösungspotenzial bieten.»
tigt sich seit Jahrzehnten Hanni Rützler, international bekannte Foodtrend-Forscherin. Sie gründete in
Megatrends bestimmen Zukunft
Wien das futurefoodstudio und gibt jährlich für das
Das Zukunftsinstitut von Matthias Horx, einem
Zukunftsinstitut von Matthias Horx in Frankfurt
der führenden Trendforscher, hat genau zwölf Me-
am Main und Wien den Foodreport heraus. «Natür-
gatrends ausgemacht. Megatrends sind weltweit
lich gibt es nicht jedes Jahr einen neuen Trend, aber
spürbar und betreffen alle Bereiche des Lebens.
in den Reports zeichnet sich die Evolution der Food-
«Sie bilden sich über 30 bis 50 Jahre und sind nicht
trends gut ab.» Rützler erkennt hinter diesen Trends
rückgängig zu machen», so Rützler. Foodtrends
sozio-kulturelle Entwicklungen, die weit mehr sind
entwickeln sich daraus, sie werden von diesen
als nur Ernährungsmoden wie der derzeitige Hype
Megatrends gefüttert. Und weil Megatrends we-
auf Chiasamen, Matchapulver oder Quinoa. Im
der die gleiche Richtung noch die gleiche Dynamik
neusten Report von 2019 setzt sie Bananenmehl und
haben, überlagern sich auch die vielfältigen Food-
die proteinreiche Zwerghirse Teff ganz oben auf die
trends, laufen in gegensätzliche Richtungen oder
Liste zukünftiger Superfood-Aspiranten. «Doch die-
verstärken sich auch. Eine Expertengruppe der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZAHW) in Wädenswil hat in einem Arbeitspapier zu «Trends im Bedürfnisfeld Ernährung» Ende 2017 annähernd gleiche Megatrends wie Horx definiert. Alle beeinflussen unser Ernährungsverhalten, wenn auch nicht immer in die gleiche Richtung. Die Wissenschaftler zeigen auf, wie wichtig solche Kaffeesatz-Blicke in die Zukunft sind: «Erkannte
0 1 . ' G E N D E R S H I F T ' — Der Anteil Frauen in Positionen
mit Entscheidungskompetenz wächst. Sie sind es auch, die tendenziell die ethischen und gesundheitlichen Aspekte höher gewichten. Dies kann z. B. Einfluss auf den Fleischkonsum haben.
Trends machen auf mögliche künftige Entwicklungen aufmerksam. Sie können wichtige Anhaltspunkte liefern für Entscheidungen in der Politik, der Wirtschaft oder der Forschung.» Megatrends sind beispielsweise ein stärker werdendes Sicher-
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10.'SILVER SOCIETY & MILLENNIALS'
einem Bruchteil der klimaschädigenden CO2-Abgase. Rützler sieht in Insekten eine Proteinquelle der Zukunft und erwähnt ein Beispiel aus Israel. Dort
Die zunehmend auf dem Kopf stehende Alterspyramide und der künftige Status der «Millennials» (Jg. 1980–1999), als grösste demografische Gruppe, unterstützen beide den Trend zu bewusster Ernährung: weniger oder kein Fleisch, lokal und saisonal produzierte Kost, gesunde und als «sicher» empfundene Lebensmittel.
versucht gerade ein Start-up, Fruchtfliegen als Eiweisslieferanten zu nutzen. Israel verarbeitet viel Obst. Fruchtfliegen sind dabei lästige Begleiter. Warum also nicht aus den Maden der Fruchtfliegen ein proteinreiches Mehl gewinnen und es Brot, Pasta und Müslimischungen zugeben? Im Vergleich zu Österreich und Deutschland haben es Insekten in der Schweiz leichter, einen Nischenplatz im Detailhandel zu ergattern. Hier gelten nicht die strengen
gegenläufige Trends wie die nach Individualität
Auflagen der EU. Ohnehin sieht Hanni Rützler die
und Gemeinsamkeit nicht immer lösen: Wir wol-
Schweiz als innovationsfreundlichen Lebensmittel-
len neue Lebensmittel für immer individuellere
markt an. «Es kommen unterschiedliche Kulturräu-
Wünsche, aber gleichzeitig die Sicherheit traditio-
me zusammen. Italien und besonders Frankreich
neller Produkte. Wir wollen immer gesündere, gut
gelten als Länder des Genusses. Das alles belebt
untersuchte Fairtrade-Nahrung in Bioqualität und
Trends, die weit über blosse Unternehmensinteres-
frönen gleichzeitig dem globalisierten Genuss nach
sen und Marketingziele hinausreichen.»
süsser Flugananas und kolumbianischem Hochlandkaffee. Solche gegensätzlichen Foodtrends führten
Wir lassen einkaufen
im September 2018 gleich zu zwei Abstimmungs-
Nicht nur neue Lebensmitteln, sondern auch aktu-
initiativen. So nährte der Wunsch nach Sicherheit,
elle Entwicklungen der Vermarktung und des Ver-
nach Individualisierung und Ökologie die Initiative
kaufs beflügeln Foodtrends. So verzeichnet der On-
für Ernährungssouveränität wie auch eine zweite
line-Handel beispielsweise in den Verkaufszahlen
für Fair-Food. Gegen diese Initiativen sprachen sich
von 2018 bei Coop deutlich grössere Steigerungsra-
Interessengruppen aus, denen Globalisierung oder
ten als der konventionelle Detailhandel. Wir werden
Mobilität wichtiger waren. Auch wenn die Initiati-
in Zukunft unsere Lebensmittel seltener im Laden
ven bei der Abstimmung keine Mehrheit fanden, be-
einkaufen, sondern mehr und mehr online bestellen.
wiesen sie doch, wie stark sich derzeit unterschied-
Wenn nicht gar moderne Küchentechnik uns auch
liche Foodtrends auch politisch zu Wort melden.
diese Arbeit abnimmt. Vorreiter sind beispielswei-
«Da steht uns noch so mancher Sturm bevor», meint
se intelligente Küchenmaschinen in Deutschland:
die Foodtrendforscherin Rützler. «Die nächsten
Ein Bestätigungsklick und sie meistern von Aal bis
zwei bis drei Jahrzehnte bleibt Ernährung ein Rie-
Zwetschge den Online-Einkauf. Zum längst etab-
senthema.» Das Tempo im Tanz der Trends dürfte
lierten Trend, sich sein Essen nach Hause zu bestel-
noch deutlich an Fahrt gewinnen.
len, gesellt sich nun in den Grossstädten ein neuer: Kochboxen. Statt des fertig gekochten Essens lässt man sich nun alle Zutaten plus Rezept direkt an die Wohnungstür liefern. Kochen zu jeder Zeit ohne Einkaufsstress, dafür mit klaren Koch-Anweisung
FRIEDRICH BOHLMANN dipl. Ernährungswissenschaftler und Buchautor TRUC KONZEPT & GESTALTUNG Illustration & Editorial Design
und am Ende ganz ohne Reste. Sämtliche Zutaten
LINKS ZUM THEMA
werden in den Mengen geliefert, wie sie gebraucht
Gottlieb Duttweiler Institut – European Food Trends Report https://www.regionalprodukte.ch/fileadmin/01_Login/ Studien/European_Food_Trends_Report_2017_DE.pdf
werden. Da bleibt nachher keine halbe Gurke oder das fast noch volle Tütchen Ras el Hanout übrig. Die Rezeptauswahl der Kochboxen berücksichtigt auch Wünsche wie vegan, Paleo, glutenfrei oder kalorienreduziert. Menschen, die bislang nie zusammen essen konnten, weil jeder seine speziellen
Baur, P., Schluep, I., Minsch, J. (2017) – Trends im Bedürfnisfeld Ernährung — https://digitalcollection.zhaw.ch/ bitstream/11475/7738/1/trends_180118_finalversion.pdf Hanni Rützler - Food Report 2019 https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/food-report-2019/
Unverträglichkeiten und Bedürfnisse hat, können nun gemeinsam, aber dennoch individuell bestellen, kochen und geniessen. So innovativ lassen sich
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_Rezept_
Ø 5000 UBP *
Rezept 4684
Swissmilk / Infografik: Truc, Bern
Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse
e ün Gr ln ge ar Sp
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23 , m 9 8 9 ng 3 7 6 lu 3 ah 9 6 6 üh rt 3 ,R 6 o n e c e er s , K po at tt kä ec ng ns ut os Bu ch Z itu ra is Pr re d T Fr he be un lic st Zu Re
* U M W E L T B E L A S T U N G S P U N K T E Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–ser vices.
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_Wissen, was essen / nachgefragt_
CHARLOTTE WEIDMANN Fachexpertin Ernährung und Betriebliches Gesundheitsmanagement
ZWIEBEL Wieso weinen wir beim Zwiebelschneiden? Jeder, der bereits eine Zwiebel geschnitten hat, kennt es: Die Augen brennen, und die erste Träne lässt nicht lange auf sich warten. Doch weshalb ist das so? Bei jedem Schnitt zerstören wir Zellwände der Zwiebel. Dadurch kommen Inhaltsstoffe zusammen, die zuvor voneinander getrennt sind. Durch ein Enzym entsteht unter anderem ein reizender Stoff, das sogenannte Propanthialoxid, das verdunstet und bei Augenkontakt die Tränendrüsen aktiviert. Unser Auge versucht dann, durch die vermehrte Tränenproduktion den reizenden Stoff loszuwerden. Wer Tränen vermeiden will, kann zum Beispiel den Herdabzug einschalten oder ein Fenster öffnen, damit die Dämpfe entweichen. Oder man legt die Zwiebel vor dem Schneiden in den Kühlschrank. Dadurch wird die Enzymaktivität gesenkt, und es entstehen weniger Dämpfe.
Einträge wie der Hashtag «#lowcarb». Im Jahr 2007 hat die Amerikanerin Tosca Reno dieser Ernährungsweise den Namen «Eat-Clean Diet» gegeben. Sie spricht in ihrem Buch nicht von einer Wunderkur, sondern von einer Lebenseinstellung. Gleichzeitig wird ihr Buch jedoch als Heilmittel gegen Übergewicht verkauft. Anstelle verarbeiteter Lebensmittel sollen Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse, fettarmes Fleisch, Fisch, Eier und Nüsse gegessen werden. Zudem listet das Buch sogenannte «Anti-Lebensmittel» auf – also Produkte, die verboten sind. In diese Kategorie gehören alle Lebensmittel mit einer hohen Energiedichte und geringem Nährwert. Sechs kleine, ausgewogene Mahlzeiten werden auf den Tag verteilt. Die Zutaten sind möglichst vielseitig und abwechslungsreich zusammengesetzt. In diesem Sinne ist Clean Eating nicht unbedingt etwas Neues, doch etwas wieder neu Entdecktes. Die Prinzipien bewegen sich nahe an den gängigen Ernährungsempfehlungen. Der Ansatz des Clean Eating hat durchaus seine positiven Aspekte wie beispielsweise selber zu kochen oder frische, unverarbeitete Lebensmittel zu nutzen. Manche Essreglen und insbesondere Verbote gehen jedoch sehr weit und können dazu führen, dass die Ernährung dogmatisiert und pathologisiert wird. In der Schweizer Lebensmittelpyramide gibt es keine verbotenen Lebensmittel. Vielmehr geht es um das richtige Mass.
Bild: shutterstock
LEKTINE Weshalb geraten Lektine immer wieder negativ in die Schlagzeilen?
CLEAN EATING Was bedeutet Clean Eating? Clean Eating heisst wörtlich übersetzt «reines Essen» und basiert auf dem Prinzip, dass man frische und möglichst unverarbeitete Lebensmittel isst. Diese sollte man am besten selbst zubereiten – ganz wie zu Grossmutters Zeiten. Das heisst, dass Lebensmittel mit Weissmehl, zugesetztem Zucker, Süssungsmitteln oder Konservierungsstoffen keinen Platz auf dem Teller haben. Clean Eating boomt wie nie. Auf Instagram zählt der Hashtag «#cleaneating» ungefähr dreimal so viele
Rohe Bohnen, Kichererbsen und Linsen enthalten Lektine. Werden diese Lebensmittel roh verzehrt, kann dies zu Magen- und Darmbeschwerden führen. Massgeblich verantwortlich für den negativen Ruf von Lektinen ist die Blutgruppen-Diät nach Peter D’Adamo. Diese propagiert, dass durch gewisse Lektine rote Blutkörperchen aneinanderkleben und Blutgefässe verstopfen. Gemäss D’Adamo sind es je nach Blutgruppe unterschiedliche Lebensmittel, die für diese Verklumpungen verantwortlich sein können. Diese Hypothese konnte jedoch bis heute wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. Durch das Erhitzen von Lebensmitteln wird die Lektinaktivität zerstört und werden die Produkte bekömmlich. Lektine sind Proteine, die in Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen vorkommen. Für Pflanzen sind Lektine sehr wertvoll, denn ihre Wirkungsweise ähnelt der von Antibiotika, wodurch die Pflanzen einen gewissen Schutz vor Schädlingen erhalten.
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_Unter der Lupe_
Pastinake Die vielen Facetten einer Zeitzeugin
«Nein, das sind keine Küttiger Rüebli. Das sind überhaupt keine Karotten», sagte der Bauer hinter seinem Marktstand auf einem meiner Marktbesuche. Dafür, dass die Pastinake zu den ältesten essbaren Pflanzen gehört, habe ich relativ spät mit ihr Bekanntschaft gemacht. Höchste Zeit, ihr die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.
sie auf jeder Seite etwa fünf Minuten brutzeln, bis sie goldig-knusprig sind. Es riecht wunderbar, und ich hoffe, dass auch meine Familie begeistert sein wird. Eine bewegte Geschichte Die Pastinake kann eine ganze Liste von Synonymen
VON MARION WÄFLER
nachweisen, die erahnen lässt, wie lange ihre Geschichte ist. Je nach Region und Zeit nannte man
Die Wurzel fühlte sich gut an in meiner Hand. Die
sie Moorwurzel, Germanenwurzel, Hammelmöhre,
Haut war glatt, ihr Gewebe fest und ihr Duft süss-
Hirschmöhre oder Pestnacke. Sie gehört zu den äl-
lich und herb zugleich. «Genau so müssen sie sein –
testen Pflanzen, die von Menschen gegessen werden.
dann sind sie frisch», klärte mich der Mann auf.
Sogar in der Steinzeit soll sie in ihrer wilden Form
Typisch sei auch die konische Form und der relativ
als Nahrung gedient haben. Historische Nachweise
dicke Wurzelansatz. Der zu Beginn wortkarge Bauer
besagen, dass die Pastinake in der Zeit der grossen
kam richtig in Fahrt, als er mein Interesse an sei-
Pestepidemie des 14. Jahrhunderts als Heilmittel
nem schönen Gemüse erkannte, und meinte weiter,
eingesetzt wurde. Aus dieser Zeit stammt der Beina-
dass die Erde die Pastinaken vor dem Austrocknen
me Pestnacke. Bis ins 18. Jahrhundert waren Pastina-
schützt und diese deshalb erst kurz vor der Verar-
ken vielerorts ein wichtiges Grundnahrungsmittel.
beitung gewaschen werden sollten.
Doch dann kam die Konkurrenz. Die schneller wachsende Kartoffel kam mit dem Schiff von Südamerika
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Vielseitigkeit in der Küche
nach Europa und stellte die Pastinake gnadenlos in
Die Neugier war geweckt, die Pastinaken bezahlt
den Schatten. Den Bauern wurde die siebenmonatige
und eingepackt. Daheim angekommen, machte ich
Wartezeit bis zur Ernte der Pastinake zu langwierig.
mich im Internet auf die Suche nach einem Rezept.
Deshalb bauten sie lieber die ertragreichere Kartof-
Und siehe da, sie offenbarten sich mir zuhauf: Sup-
fel an, womit das vorzeitige Ende der Pastinake als
pen, Aufläufe, «Tätschli», Eintöpfe, Püree, aber auch
weitverbreitetes Grundnahrungsmittel eintraf. Al-
modernere Rezepte wie Ofengemüse, Pastinaken-
lerdings verschwand sie nicht überall von den Tel-
Frites oder -Chips stellten mich vor die Qual der
lern. In England, Holland und Frankreich wurden die
Wahl. Früher wurde aus den stärkereichen Wurzeln
Wurzeln – neben der Kartoffel – all die Jahre weiter-
auch Bier gebraut. Prompt stiess ich auf ein Forum,
hin angebaut und erhielten in der landestypischen
auf dem sich Hobby-Brauer über interessante ge-
Küche einen festen Platz. Wer schon mal in England
schmackliche Nuancen austauschten, die man ins
war, kennt vielleicht «Mashed parsnips» – ein Pas-
Bierglas bringen könnte, wenn man mit Pastina-
tinakenpüree, ähnlich unserem Kartoffelstock, aber
ken braute. Mich würde es nicht weiter verwun-
würziger im Geschmack – das typischerweise zu ge-
dern, wenn neben den trendy Pastinaken-Frites in
bratenem Fleisch serviert wird. Dass die Pastinake in
Restaurants auch bald wieder Pastinaken-Bier im
diesen Ländern nie ganz von den Tellern verschwand,
Ladenregal stehen würde. Aber zurück zur Rezept-
ist vermutlich dem Golfstrom zu verdanken. Die Pas-
suche: Ich entscheide mich für die Tätschli (siehe
tinake gedeiht nämlich im feuchtgemässigten Kli-
Rezept) und beginne sogleich damit. Gemüse rüsten
ma Westeuropas besonders gut. Den Weg zurück in
und raffeln, alles mischen und schon kann's los ge-
die Verkaufsregale und in die Herzen vieler Foodies
hen mit Tätschli Braten. Bei mittlerer Hitze lass ich
und Gastronomen fand die Pastinake dank innovati-
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REZEPT PASTINAKEN-TÄTSCHLI
Foto: shutterstock
300 g Pastinaken 300 g Karotten 2 Eier 2 EL Quark 3 EL Reibkäse (z. B. Emmentaler oder Gruyère) Frische Kräuter (z. B. Petersilie, Liebstöckel oder Schnittlauch) Salz, Pfeffer Zubereitung: Pastinaken und Rüebli mit der Röstiraffel grob reiben. Mit Eiern, Quark, Kräutern und Gewürzen mischen. Flache Tätschli formen (ergibt ca. 12 Stück, je nach Grösse) und diese in der Bratpfanne mit etwas Öl knusprig braten.
_Bücher_
LIEBEVOLLE ABRECHNUNG MIT DEM ALTER Sybil Gräfin Schönfeldt KOCHBUCH FÜR DIE KLEINE ALTE FRAU Edition momente GmbH Verlag, Zürich-Hamburg 2018 / 132 Seiten / CHF 28.90 / ISBN 978-3-0360-6001-9
Das kleine Büchlein, das in der Ecke der Kochbücherreihe stand, hat mich magisch angezogen. Vielleicht weil meine Mam auch eine kleine alte Frau ist, die jedes Jahr noch ein paar Zentimeter kleiner wird, und ich in ihr sehe, was mich bald auch einmal erwartet? Meine Neugier hat sich gelohnt, selten habe ich in den letzten Jahren eine Lektüre über ein unangenehmes Thema (wer wird schon gerne alt?) mit solcher Begeisterung gelesen wie die Berichte der Gräfin Schönfeldt. Eine adlige Dame, in einer Zeit geboren, als Mütter noch im Wochenbett starben – die ihre, als sie sechs Wochen alt war. Die ihr Leben lang als Journalistin gearbeitet hat und unter vielem anderen in den 1950er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein Kochbuch für den rororo Verlag über das Essen im Alter geschrieben hat. Sehr herzerwärmend, wie sie augenzwinkernd zurückschaut und bemerkt, dass sie damals ja keine Ahnung vom Kochen im Alter hatte. Alle die kleinen Geschichten aus einem langen, reichen Leben, ohne jede Bitterkeit erzählt. Ich hätte noch lange weiterlesen können. Und dann erst die Rezepte: genau das, was ein Singlehaushalt braucht, nicht erst im hohen AlAuthentisch durch und durch. Absolut empfehlenswert für alle 50+! Nur ter. F A Z I T : jemand, der selbst 91 Jahre alt ist, kann aus eigener Erfahrung ein Buch über das Essen Absolut nichts. Wer in Würde altern (und Leben) im letzten Lebensabschnitt schreiben. möchte, soll dieses Büchlein lesen – unbedingt!
VERGNÜGEN VERSUS GLÜCK Dr. Robert H. Lustig BRAIN WASHED — WIE DIE LEBENSMITTELINDUSTRIE UNSER GLÜCKSEMPFINDEN VERÄNDERT, MIT WERBUNG UNSERE BEDÜRFNISSE MANIPULIERT – UND WIE WIR UNS DAGEGEN WEHREN KÖNNEN riva Verlag, München 2018 / 384 Seiten / CHF 29.90 / ISBN 978-3-7423-0536-7, ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0106-9
Wir leben länger, aber sind wir deswegen glücklicher und produktiver? Nein, meint Robert Lustig. Der Mensch strebe wohl nach Glück, gebe sich aber meist nur dem schnellen Vergnügen hin. Damit wird er unweigerlich immer unglücklicher, übergewichtiger und depressiver. Die Hauptschuld an dieser Unglücksspirale verortet Lustig bei der Lebensmittelindustrie, die die Vergnügungssucht der Konsumenten schamlos für den eigenen Profit nutze und die gesamte Menschheit einer perfiden Gehirnwäsche unterzogen habe. Der Endokrinologe Lustig seziert kenntnisreich und unterhaltsam, wie persönliches Verhalten vom Streben nach Glück geleitet wird. Dabei verwechselt das Individuum die schnelle Belohnung durch Essen (oder Glücksspiel, Nikotin, Alkohol etc.), das einen Dopaminkick auslöst, mit der eigentlich angestrebten langfristigen Zufriedenheit, die mit einem ausgewogenen Serotoninspiegel einhergeht. Wie die Hormone Dopamin, Cortisol und Serotonin wirken, wann sie ausgeschüttet werden und wie jeder Einzelne sie beeinflussen kann, ergibt eine spannende Lektüre, die insgesamt weniger Informationen zum Essen und der Lebensmittelindustrie liefert, als der Untertitel des Buches vermuten lässt. F A Z I T : Selber kochen, mehr schlafen, mehr Bewegung, weniger elektronische Spielzeuge. Wenn nach der Lektüre nur Für Verschwörungstheoretiker ein Teil davon umgesetzt wird, ist der Kaufpreis des Buches bereits amortisiert. ein gefundenes Fressen – passen Sie auf – auch Verfolgungswahn macht unglücklich! M O N I K A M Ü L L E R / Ernährungsberaterin SVDE / mom@besseressen.ch Die Autorinnen äussern an dieser Stelle ihre persönliche Meinung. Diese muss nicht zwangsläufig mit derjenigen der SGE übereinstimmen.
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_Die SGE_
PROJEKT «WASSERDRACHE»
Im Herbst 2018 wurde das Projekt «Wasserdrache» lanciert, das Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren die Bedeutung von Wassertrinken vermitteln will. Fachpersonen, die Kinder in diesem Alter betreuen, haben die Möglichkeit, an «Wasserdrachen»-Workshops teilzunehmen. «Wasserdrache» wurde von Evian-Volvic Suisse SA entwickelt, von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE fachlich begleitet und ist vollständig werbefrei.
Die Workshops richten sich an Spielgruppenleiter/innen, Kita-Leiter/innen und -Mitarbeiter/innen, Kindergärtner/innen, Betreuungspersonen von Mittagstischen sowie andere Betreuungsfachpersonen. Sie beinhalten einen Wissensteil rund um Wasser und einen Praxisteil mit einfach umsetzbaren Ideen, wie das Thema Wassertrinken Kindern spielerisch nähergebracht werden kann. Die Workshop-Teilnahme ist kostenlos. Teilnehmende erhalten das Bilderbuch «Eric und der Wasserdrache» sowie das Kinderlied «Glugg, glugg, glugg, glugg – Wasser trinke», entwickelt und gesungen von Andrew Bond. Das Projekt «Wasserdrache» bietet weitere Materialien für Eltern von Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren an, u. a. eine Malvorlage mit dem Wasserdrachen. — Evian-Volvic Suisse SA, www.wasserdrache.ch
SCHWEIZER NÄHRWERTDATENBANK V 6.0
Die Schweizer Nährwertdatenbank des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) erscheint in neuem Kleid und enthält umfangreiche Informationen zu 1096 Lebensmitteln.
Im März 2019 konnte die Version 6.0 der Schweizer Nährwertdatenbank publiziert werden. Gleichzeitig wurde die Webseite übersichtlicher und benutzerfreundlicher gestaltet. Ab sofort können Lebensmittel miteinander verglichen werden. Zudem sind vermehrt Hintergrundinformationen zu den Werten verfügbar. Die Schweizer Nährwertdatenbank wurde mit weiteren generischen
Lebensmitteln erweitert und weist zahlreiche neu analysierte Vitamindaten auf. Sämtliche Informationen stehen allen Interessierten kostenlos zur Verfügung. — Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), www.naehrwertdaten.ch
SCHWEIZER ERNÄHRUNGSBULLETIN 2019
Mit der Online-Publikation «Schweizer Ernährungsbulletin» informiert das BLV über aktuelle Ergebnisse aus Studien und Analysen rund um das Thema «Ernährung». Dabei geht es um die systematische und periodische Erfassung von Ernährungssituation und -gewohnheiten in der Schweiz.
bulletin löst den Schweizerischen Ernährungsbericht ab, der bislang alle sieben Jahre erschienen ist. — Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), www.blv.admin.ch
Das «Schweizer Ernährungsbulletin» erscheint 2019 zum ersten Mal und besteht jeweils aus mehreren Berichten: Aktuell sind folgende Themen enthalten: Trendanalysen zum Nahrungsmittelverbrauch in der Schweiz, das Frühstück und sein Stellenwert, Übergewichtige im Vergleich zu Normalgewichtigen, Jodversorgung und -status, Milch, Milchprodukte und Jod, Reis und Arsen. Das ErnährungsIhre Meinung interessiert uns! Schreiben Sie an info@tabula.ch oder an Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Eigerplatz 5, 3007 Bern
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_tabula_n° 1/2019_
_AGENDA_ 11. APRIL 2019 An dieser Lebensmittelfachtagung werden völlig unterschiedliche Aspekte aus der Lebensmittelindustrie behandelt: von der Entstehung der Lebensmittel über die Veredelung und Verpackung bis zum Verkauf. In Luzern. www.lebensmitteltag.ch
23. MAI 2019 Die Basis für diese Weiterbildung «Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit – was gilt?» stammt von Gesundheitsförderung Schweiz. Die neu gegründete Fachgruppe «Ernährung in der Schwangerschaft und Stillzeit» des SVDE setzt sich zusammen mit dem Verein PEBS für eine gute Weiterbildung auf diesem Fachgebiet ein. In Zürich. Mail an: pebs@usz.ch
6. JUNI 2019 Die 4. Jahrestagung der Swiss Sports Nutrition Society findet am 6. Juni 2019 im Universitätsspital Zürich statt. Es erwartet Sie ein Update zu aktuellen Themen der Sporternährung und die Möglichkeit, Ihr Netzwerk in Sporternährung zu pflegen. In Zürich. www.ssns.ch
28. AUGUST 2019 Gesundheitsförderung Schweiz organisiert die Tagung für betriebliches Gesundheitsmanagement 2019 zu «BGM für Körper und Geist: Physische und psychische Gesundheit gemeinsam fördern». In Pfäffikon. www.gesundheitsfoerderung.ch
28. – 29. AUGUST 2019 Swiss Public Health Conference 2019 zum Thema «Child and Adolescent Public». Gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen und Verhalten im Kindesalter haben einen grossen Einfluss auf die spätere Gesundheit und Zufriedenheit im Leben. Anhand der Lebenslaufperspektive werden Expertinnen und Experten den aktuellen Stand der Entwicklung in der Schweiz erörtern und Konsequenzen vorschlagen. In Winterthur. www.sphc.ch 9. – 12. SEPTEMBER 2019 Die NuGo-Week befasst sich mit dem Thema «From foodomics to nutrigenomics – Translating from food composition data into healthy diets». In Bern. www.nugo.org
13. SEPTEMBER 2019 An der nächsten Fachtagung der SGE werden Experten aus Forschung und Industrie Referate und Ateliers rund um das Thema ««Supplemente – Sinn und Nutzen» halten. Sie beleuchten die Situation in der Schweiz und nehmen Stellung zur Bio-Verfügbarkeit und zu biogenen Substanzen. Ein Expert Talk rundet den Anlass ab. In Bern. www.sge-ssn.ch
23. OKTOBER 2019 3. Ernährungsfachkongress Mikronährstoffe – «Aktuelles aus Wissenschaft und Praxis». Der Einsatz von Mikronährstoffen wird wieder im Rahmen verschiedener Themenbereiche beleuchtet. In Pfäffikon. www.burgerstein-foundation.ch
_PREVIEW / BESTELLTALON_ tabula-Abonnement (4 Ausgaben pro Jahr) Inland CHF 40.– / Ausland CHF 50.– (Versandkosten inklusive)
no. 2/19
urban farming
SGE-Mitgliedschaft Jahresbeitrag CHF 95.– (tabula-Abonnement inklusive)
Zusätzliche Exemplare Bitte kontaktieren Sie unsere Geschäftsstelle, wenn Sie weitere Exemplare der aktuellen Ausgabe von tabula bestellen möchten: info@tabula.ch Name / Vorname:
E-Mail / Telefon: Wissen, was essen.
tabula Nº 2/2019_ In Städten rund um den Globus spriesst es von den Dächern und werden brachliegende Flächen bewirtschaftet. Welche Trends gibt es zurzeit rund um das Thema Urban Farming? Wie gut ist das angepflanzte Gemüse in den Städten? Wie sieht es mit Verschmutzung und Schadstoffen aus?
Beruf:
Strasse:
PLZ / Ort:
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Eigerplatz 5, 3007 Bern, Tel +41 31 385 00 00 / Fax +41 31 385 00 05 / info@sge-ssn.ch