tabula_4/2015 Darmbakterien

Page 1

9 772296 112736 45

45

Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE

_n° 4/2015_CHF 11.00

DARMBAKTERIEN

Wissen, was essen.


_EDITORIAL_ Ernährungswissenschaftler sind gerade dabei, eine neue Welt zu entdecken: die Welt der Mikro­ biota (wie die Darmflora heutzutage heisst). Noch immer sind die Billionen an Fremdlingen in un­ serem Darm auch für Fachpersonen ein Buch mit sieben Siegeln. Erst die in den letzten Jah­ ren erlangten Fortschritte in den wissenschaft­ lichen Methoden haben es Forschern überhaupt erlaubt, diese Vielfalt an Bakterien zu entdecken und zu studieren. Inzwischen befassen sich im­ mer mehr Studien mit der Mikrobiota – und im­ mer mehr zeigt sich ein Zusammenhang zwischen den Darmbewohnern und diversen Krankheiten. Dazu gehören nicht nur klassische Darmerkran­ kungen wie z.B. Morbus Crohn, sondern auch «unverdächtige» Gebrechen wie Arthritis oder Asthma. Auch der Einfluss der Mikrobiota auf Übergewicht ist immer besser dokumentiert. Und es sind nicht allein körperliche Gebrechen, die mit der Mikrobiota wissenschaftlich in Zu­ sammenhang gebracht werden. Es zeigt sich auch eine Wechselbeziehung zwischen den Vorgängen

im Darm und der psychischen Gesundheit. Denn Darm und Gehirn tauschen sich mittels direkten Nervenverbindungen oder Botenstoffen intensiv aus. So kann einem Stress tatsächlich «auf den Magen schlagen» oder man bekommt «Schmet­ terlinge im Bauch». Doch reagiert die Mikrobiota nicht nur auf die psychischen Begebenheiten, sie bestimmt diese auch aktiv mit und sendet selber Signale ans Hirn. Insofern hören wir dauernd auf unser Bauchgefühl, selbst dann, wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Wie sich die in letzter Zeit erlangten Forschungs­ erkenntnisse zu diesem Thema in konkrete Emp­ fehlungen ummünzen lassen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Was sich abzeichnet, ist die Einsicht, dass eine möglichst vielfältige Mikro­biota eine ideale Basis für eine gute Ge­ sundheit darstellt. Eine solche möglichst hetero­ gene Darmbevölkerung erreicht man nicht zuletzt durch eine ausgewogene Ernährung, viel Gemüse und Früchte und einen mässigen Fleischkonsum. Alles ist also auch in dieser neuen Welt nicht neu. THOMAS LANGENEGGER / SGE Leiter Redaktion tabula

04_ R E P O R T Fremdes Leben im eigenen Darm Riesige Mengen an Bakterien bevölkern den Darm. Erst allmählich beginnen wir zu begreifen, wie wichtig diese Bewohner für die Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden des «Gastgebers» sind.

16_ U N T E R D E R L U P E Anis Der unverwechselbare Geschmack von Anis kennt man vor allem von Gebäcken wie den Anischräbeli oder Schnaps wie dem Pastis. Doch seine Anwendungsmöglichkeiten sind weit grösser. Auch als Heilmittel eignet er sich.

10_ A U S D E M L E B E N V O N . . . 12_ R E Z E P T 14_ W I S S E N , W A S E S S E N 20_ B Ü C H E R 22_ D I E S G E 24_ A G E N D A / P R E V I E W N ° 1/2016

Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE Schwarztorstrasse 87 | Postfach 8333 | CH-3001 Bern T +41 31 385 00 00 | F +41 31 385 00 05 | info@sge-ssn.ch

nutrinfo | Info-Service für Ernährungsfragen T +41 31 385 00 08 | nutrinfo-d@sge-ssn.ch | www.nutrinfo.ch

gedruckt auf Z-OFFSET (Schweizer Papier)

Impressum: ZeitschriftPublikumsorgan für Ernährung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE_ E R S C H E I N U N G : Vierteljährlich tabula tabula:| Offizielles A U F L A G E :T 10 Ex._00 H E04 R A| U S G E B E R I N : Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Schwarztorstrasse 87, 3001 Bern, Redaktion +41000 31 385 www.tabula.ch Tel. +41 31 385 00 00 SGE-Spendenkonto: PC 30-33105-8 / info@tabula.ch / www.tabula.ch_ C H E F R E D A K T O R : Thomas Langenegger R E D A K T I O N S­K O M M I S S I O N : Madeleine Fuchs / Muriel Jaquet / Annette Matzke / Gabriella Pagano / Nadia Schwestermann shop sge | T +41 58 268 14 14 | F +41 58 268 14 15 L A Y O U T : Thomas Langenegger_ D R U C K : Erni Druck & Media, Kaltbrunn_ T I T E L B I L D : truc konzept u. gestaltung, Bern / Jörg Kühni www.sge-ssn.ch/shop

Wissen, was essen. sge-ssn.ch


Fremdes Leben im eigenen Darm Komplexe Bakterien als ständige Untermieter 

Seit jeher gilt in der ostasiatischen Heilkunst der Darm als Quelle des Lebens und Sitz der Gesund­ heit. Nun wird durch moderne medizinische Ana­ lysemethoden klar: Gigantische Mengen an Darm­ bakterien nisten in unserem Bauch und bestimmen mit über das Wohl ihrer Gastgeber.

Mikroskopisch kleine Trojaner überziehen den menschlichen Organismus: Während der Geburt dringen sie ein, setzen sich fest und wuchern zu komplexen Gebilden heran. Schon bald wächst ihre Zahl ins Gigantische. Viele Billionen davon nisten sich insbesondere in den dunklen, schwer zugäng­ lichen Bereichen des hinteren Dünndarms und des Dickdarms eines Menschen ein. Dort entwickeln sie ein hochkomplexes Eigenleben und gewinnen Einfluss auf zentrale Schaltstellen des Körpers bis hinauf ins Gehirn. Was aussieht wie der Plot eines modernen Frankenstein-Horrorfilmes ist die mi­ krobielle Realität eines jeden Menschen. Auf der Zellebene bestehen wir nur zu einem Zehntel aus uns selbst. Die übrigen Zellen in und an uns sind Fremdlinge. Was wir als Darmflora bezeichnen, ist ein Wuchergewächs von Einzellern, die komplexe Wechselbeziehungen untereinander und mit unse­ rem Körper eingehen. Multikulti im Darm Der Mensch trägt im Schnitt gut 100 Billionen fremde Bakterien in sich, zehnmal mehr als er selbst an eigenen Zellen besitzt. Im Mutterleib noch völlig keimfrei, gelangen die ersten Pionierbakteri­ en während des Geburtsprozesses über die Mutter in den Körper. Und schon hier ist das Leben nicht gerecht: Wer das Glück einer normalen Vaginalge­ burt hat, kommt als Erstes mit den Vaginal- und Darmkeimen, insbesondere Milchsäurebakterien, in Kontakt. Beim Kaiserschnitt hingegen herrschen Hautkeime wie Staphylokokken vor. Der Gastro­ enterologe am Ostschweizer Kinderspital, Dr. Pas­ cal Müller, weiss um die Folgen: «Untersuchungen zeigen, dass mit Kaiserschnitt Geborene später häufiger an Adipositas, Asthma oder Neurodermi­ tis, aber auch an autoimmunen Erkrankungen wie der Zöliakie oder Diabetes leiden.» Mit dem Stillen

4

Tabula N° 4/2015

sorgt die Mutter zusätzlich dafür, dass sich güns­ tige Darmkeime ansiedeln und eine gute Basis für das sich entwickelnde Biotop liefern. Das Stillen impft den Darm mit einer bunten Mischung aus Streptokokken, Staphylokokken, Bifidobakterien und Lactobazillen. «Stillen ist eine der besten Mög­ lichkeiten, für eine gesunde Bakterienwelt im Darm zu sorgen», rät Müller. In den ersten zwei bis drei Lebensjahren baut sich im hinteren Dünndarm und im Dickdarm dieser Mikrokosmos auf, ein giganti­ scher Vielvölkerstaat aus verschiedensten Bakte­ rien. War früher auch unter Wissenschaftlern der bildhafte Ausdruck Darmflora durchaus gebräuch­ lich, so spricht man heute in Fachkreisen von der Mikrobiotia oder vom Mikrobiom – einem komple­ xen Ökosystem, das etwa so viel wiegt wie unsere Hirnmasse. Der Vielfalt der Mikrobiota kamen Wissenschaft­ ler erst dank moderner gentechnologischer Ana­ lysemethoden auf die Spur, denn viele Darmkeime wachsen nicht auf den üblichen Nährmedien der Petrischalen. Mittlerweile schätzen Experten, dass allein im Darm das Mikrobiom 3,3 Millionen ver­ schiedene Gene zählt. Der Mensch bringt es hinge­ gen nur auf etwa 25 000. Dabei gleicht kein Darm­ mikrobiom dem anderen. Ähnlich einem Fingerab­ druck unterscheidet sich jeder Mensch in Art und Anzahl seiner Darmbakterien. Neben Geburtsart,


_Report_

dem frühen Kontakt mit verschiedenen Keimen und den Genen haben insbesondere Antibiotika-Ga­ ben und Essgewohnheiten einen grossen Einfluss auf die Mikrobiota. Für die Gesundheit des Men­ schen bergen seine Untermieter diverse Vorteile. «Die blinden Passagiere helfen uns, die Nahrung zu verdauen. Sie produzieren zudem Vitamine und weitere Moleküle, die uns gesund erhalten, und sie stoppen weniger freundliche Mikroben dabei, uns zu infizieren», fasst Prof. Dr. Andrew Macpherson, Leiter der Forschungsgruppe Gastroenterologie an der Universitätsklinik Bern, zusammen. Dr. Pascal Müller ergänzt, dass die Bakterien bei der Verdauungsarbeit Energie bilden. Er schätzt, dass die Darmmikrobiota immerhin ein Zehntel der gesamten Kalorien aus der Nahrung verwer­ tet. Die Darmbakterien bauen zudem Gallensalze ab und entziehen sie damit dem körpereigenen Recyclingsystem. Neue Gallensalze müssen her­ gestellt werden. Dafür greift der Körper auf seine Cholesterin­reserven zurück, was nachhaltig den Cholesterinspiegel senkt. Relativ neu sind die Hin­ weise, dass unsere Körperabwehr wesentlich von den Darmbakterien unterstützt wird. Erst wenn sich ein Mikrokosmos bestehend aus diversen Bakterienstämmen angesiedelt hat, entwickelt der Darm wichtige Abwehrsysteme. Der junge Orga­ nismus trainiert sein Immunsystem an den ersten Darmbakterien. Je vielfältiger und artenreicher dieses Biotop ausfällt, desto besser stärkt es die Gesundheit. Experten sprechen hier von einer Eu­ biose, dem gedeihlichen Zusammenspiel zwischen der sich in uns befindlichen und mit uns verhaf­ teten Bakterienwelt und unseren eigenen Körper­ zellen. Doch das Zusammenspiel kennt nicht nur harmonische Klänge.

sich die verschiedenen Stämme bereits gegenseitig, so dass in der Regel keiner von ihnen übermässig wuchert und damit dem Menschen schadet. Wäre auch dumm für sie selbst, schliesslich geniessen die Einzeller bei uns eine zumeist hervorragende Ernährung, Zentralheizung und während unseres langen Lebens auch reichlich Entfaltungsmöglich­ keiten. Sich nicht gut mit uns zu stellen, wäre daher ein Nachteil. Dass aber auch wir gute, aufmerksa­

Unsere westliche fett- und fleischbetonte Ernährungs­ weise verringert die Zahl der Bakterienarten.

me Gastgeber sein sollten, merken wir spätestens dann, wenn die Mikrobenwelt im Bauch rebelliert. Neueste Studienergebnisse, insbesondere aus Tier­ versuchen, deuten darauf hin, dass Ungleichge­ wichte im bakteriellen Vielvölkergemisch an vielen Erkrankungen mit beteiligt sind. So beispielsweise bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ul­

Wenns im Vielvölkerstaat rumort Sollten ungebetene Untermieter überhand nehmen und bei einer sogenannten Dysbiose das mikrobiel­ le Bauch-Biotop kippen, hat der Hausherr das Nach­ sehen. Dann können uns harmlose Bauchschmer­ zen quälen, aber auch ernsthafte Darmentzün­ dungen bedrohen. Neue Forschungen fördern noch ganz andere Folgen aus den Tiefen unserer Darmko­ lonien zutage: Ob ein Mensch überflüssige Pfunde ansetzt, an Diabetes leidet, ja sogar seine Nerven schneller blank liegen oder das Risiko für Asthma steigt – das alles ist eventuell auch eine Frage der darmeigenen Mikrobenwelt. Zum Glück korrigieren

cerosa. «Eine eintönige Bakterienbesiedlung im Darm, deren Artenreichtum abgenommen hat, er­ höht das Risiko, dass einzelne Bakterienstämme überhand nehmen. Bei Morbus Crohn sind gewisse pathogene Stämme von E. coli-Bakterien die eigent­ lichen Übeltäter. Sie heften sich sehr fest an der Darmwand an und können sogar in sie eindringen.

Tabula N° 4/2015

5


_Rezept_

LACHS-SPAGHETTI MIT RUCOLA Für 4 Personen: Vor- und zubereiten: ca. 20 Min. Pro Person: 20 g Fett, 30 g Eiweiss, 54 g Kohlenhydrate, 2205 kJ (525 kcal) 300 g Spaghetti / Salzwasser / Wasser für Spaghetti in einem grossen Topf aufkochen, salzen, Spaghetti hinzufügen und al dente kochen. Sauce: 400 g Lachs / 2 dl Gemüsebouillon / 4 EL Crème fraîche / Salz / Pfeffer / Zitronenthymian / Gemüsebouillon in einer Pfanne aufkochen, die Crème fraîche dazugeben, umrühren

Rezept: Gorilla

ERNÄHRUNGSBILANZ

ÖKOBILANZ

Lachs: Lachse sind von Natur aus Raubfische und wandern vom Meer zum Laichen in Süssgewässer. Noch vor gut 100 Jahren war der Rhein der grösste Lachsfluss der Schweiz. Wegen der zunehmenden Anzahl an Wasserkraftanlagen und Verbauungen gilt der Lachs in der Schweiz seit 1950 als ausgestorben. Um eine Wiederansied­ lung der Lachse im Rhein gibt es vielversprechende Bemü­ hungen, und die Rückkehr wird bis 2020 erwartet. Der Lachs gehört heute zu den am meisten konsumierten Spei­ sefischen. Er kann roh, gekocht, gebraten und geräuchert ver­ zehrt werden. Eine Portion à 100 g deckt den Tagesbedarf an lebensnotwendigen Omega-3-Fettsäuren vollständig ab, den Bedarf von Vitamin D etwa zur Hälfte. Achten Sie beim Lach­ seinkauf darauf, dass er aus einer EU-Bio-Zucht (nachhaltige, artgerechte Fischzucht) stammt oder bei Wildfang das Marine Stewardship Council MSC-Label besitzt. Spaghetti: Spaghetti sowie andere Teigwaren sind in der Schweiz ein beliebtes Grundnahrungsmittel: Der Pro-Kopf-Verbrauch ist der Dritthöchste europaweit. Traditionell werden Spaghetti aus Hartweizenmehl, Wasser, Salz und eventuell Ei hergestellt. Die Zutaten werden zu einem homo­ genen Teig verarbeitet und dann durch feinste Düsen gepresst. Um zu verhindern, dass die Spaghetti während des Trocknens aneinanderkleben, werden sie sofort durch Druckluft getrennt. Ernährungsphysiologisch sind Vollkornspaghetti wertvoller. Sie werden aus Weizenvollkorngriess hergestellt und weisen auf­ grund dessen einen höheren Vitamin- und Mineralstoffgehalt auf als Spaghetti aus Weissmehl. Des Weiteren liefern Vollkorn­ spaghetti mehr Nahrungsfasern, was zu einer schneller eintre­ tenden und länger anhaltenden Sättigung führt. Tellermodell: Die Lachs-Spaghetti mit Rucola decken hauptsächlich die Eiweiss- und die Stärke­ komponente des Tellermodells ab. Zusammen mit einer grossen Portion Salat – idealerweise ein gemischter Sa­ lat – oder einer Portion rohem Gemüse wird das Menü voll­ ständig und ausgewogen.

Lachs: Rund 80 Prozent der gesamten Umweltbe­ lastung dieser Mahlzeit verursacht der verwendete Lachs. Dabei wird von einem Zuchtfisch aus Nor­ wegen ausgegangen. Der Anteil des Transports von Norwe­ gen in die Schweiz an der gesamten Umweltbelastung von Lachs liegt im tiefen einstelligen Prozentbereich. Ebenso wenig ins Gewicht fällt die Verarbeitung von Lachs in der Fabrik. Entscheidend ist die Fischzucht. Sie macht rund 90 Prozent der durch Lachs entstandenen Umweltbelastung aus. Für die Produktion von 1 kg Lachsfilet wird mehr als die doppelte Menge Fischfutter benötigt, was einen Drit­ tel der Umweltbelastung des im Supermarkt angebotenen Produkts verursacht. Durch die Ausscheidung der Fische gelangt zudem Phosphor und Stickstoff ins Wasser, was zu einer Überdüngung führt. Im Vergleich zum Fischfang wird bei der Fischzucht der Dieselbedarf reduziert. Das Problem der Überfischung ist ein Faktor, der in Ökobilanzen bisher nicht entsprechend einberechnet werden kann. In Bezug auf die Umwelt empfiehlt es sich auf alle Fälle, auf ein Produkt mit dem ASC- bzw. MSC-Label zurückzugreifen. Weiter gibt es auch die Label fair-fish, Bio-Suisse und M-Bio. Spaghetti: Der Anteil der Spaghetti an der Umwelt­ belastung der gesamten Mahlzeit liegt bei rund 12 Prozent. Diese stammen hauptsächlich aus dem Weizenanbau. Werden anstatt Spaghetti Nudeln verwendet, welche zusätzlich Ei enthalten, so erhöht sich die Umwelt­ wirkung der Teigwaren um 20 Prozent. Säulendiagramm: Eine Portion Lachs-Spaghetti mit Rucola für vier Personen verursacht rund 14 500 Umweltbelastungspunkte (UBP). Aus Umwelt­sicht ist der Lachs die mit Abstand bedeutendste Zutat dieser Mahlzeit. Spaghetti tragen rund 10 Prozent bei. Die übrigen Zutaten, wie beispielsweise Ru­ cola, haben mit rund 5 Prozent einen sehr geringen Einfluss auf die Umweltbelastung.

BRIGITTE BURI / SGE

12

und mit wenig Salz, Pfeffer und gehacktem Zitronenthymian würzen. Den Lachs in daumengrosse Würfel schneiden, in die Sauce geben und 5 Min. schwach köcheln lassen. Servieren: 100 g Rucola / Spaghetti mit Sauce auf Tellern verteilen und mit Rucola garnieren

Tabula N° 4/2015

SIMON EGGENBERGER, NIELS JUNGBLUTH / ESU-SERVICES


Rezept 3625

Ø 5000

Schtifti Foundation / Infografik: Truc, Bern

Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse

s ch La

07

29 & 1 7 1 40 15 g 4 ort g 8 n i4 n sp un tt te itu ran ck he uta re T pa r Z ag be Ve Sp he Zu lic st re

Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–services.

Tabula N° 4/2015

13


_Unter der Lupe_

Anis Mehr als ein weihnachtlicher Duft

Anis wurde 2014 mit der Ernennung zur «Heil­ pflanze des Jahres» die Ehre erwiesen. Diese meh­ rere Tausend Jahre alte Pflanze aus dem warmen Mittelmeerraum besticht mit ihren ätherischen Ölen. Diese sind verantwortlich für verschiedene heilende Effekte sowie für das unverwechselbare Aroma. Heute kennt man Anis hauptsächlich in Anischräbeli, Stanser Anisstangen oder Anisbrötli.

Kennzeichen ist sein unverwechselbarer aroma­ tischer Duft durch die ätherischen Öle im Sa­ men: 2 bis 3 Prozent des Samens bestehen aus ätherischen Ölen, davon macht Anethol 80 bis 90 Prozent aus, und 8 bis 11 Prozent sind an­ dere Öle und Flavonoide (Quercetin, Apigenin und Luteolin) sowie weitere sekundäre Pflanzen­ inhaltsstoffe. Wegen der ätherischen Öle müssen

VON ANNETTE MATZKE

Anissamen – wie auch andere ähnliche Gewürze – in Glasgefässen aufbewahrt werden. Die ätheri­

Bereits die Ägypter verwendeten vor 3500 Jahren Anis

schen Öle greifen nämlich Kunststoff an, und der

(Pimpinella anisum) als Gewürz- und Heilmittel. Auch

Geschmack der Gewürze verändert sich.

die Römer assen scheinbar nach üppigen Mahlzeiten gesüsste Anisfrüchte, um die Verdauung zu unterstüt­ zen. Von diesem als Samen gehandelten und einge­

«Fehlt einer Sauce oder

setzten Gewürz unterscheidet sich der Sternanis (Il­

Suppe der nötige Pfiff,

licium verum). Dieser enthält die duftenden Öle nicht

dann sollte man es einmal

im Samen, sondern in der sternförmigen Hülle – dem Perikarb. Der klassische Anis stammt aus dem östli­

mit Anis versuchen!»

chen Mittelmeerraum und benötigt zum Wachsen ein warmes Klima. Die Nutzung von Anis breitete sich im

Vielleicht waren diese aromatischen Öle aus­

Mittelalter bis nach Nordeuropa aus. Die Hauptan­

schlaggebend dafür, dass Anis im Mittelalter in der

baugebiete befinden sich in warmen Gefilden, nämlich

Schweiz dazu diente, Alternativen zu den teuren

im östlichen Mittelmeerraum, in Südrussland und in

Marzipangebäcken herzustellen: Statt der teuren

Mexiko. Daher ist es in unseren Breitengraden nicht

Mandeln wurde Weizenmehl verwendet und mit

leicht, Anis selber erfolgreich anzupflanzen. Dazu be­

Anis gewürzt. In alten Backbüchern findet man für

nötigt man einen warmen und eher trockenen Stand­

diese Gebäcke Ausdrücke wie «Gemeines Marzi­

ort – und man muss auf einen möglichst langen, sonni­

pan», «Bauernmarzipan» oder «Eiermarzipan».

gen Herbst hoffen. Nur dann geht der Samen auf bzw.

Bei Anis kommen einem zuerst die Anischräbeli in

reifen die Samen. Ausgesät wird ab Ende April. Am

den Sinn. Ein Blick ins Backbuch zeigt, dass Anis

besten zieht man im Gewächshaus oder in der war­

auch in Guetzli oder Lebkuchen gehört. Als Würz­

men Stube Pflanzen vor und setzt sie nach dem letzten

mittel in Brot ist Anis eher nicht (mehr) bekannt. In

Frost ins Freie. Da die Samen sehr leicht herausfallen,

Süddeutschland, Böhmen-Mähren und Österreich

erntet man idealerweise morgens, wenn die Pflan­

backten die Menschen im Mittelalter zu Festtagen

ze vom Tau feucht ist und die Samen zurückgehalten

ein mit Anis gewürztes Brot. In der Schweiz gibt es

werden. Auf einem Tuch kann die Ernte trocknen, und

neben dem Anischräbeli die Stanser Anisstange,

die Samen können aufgefangen werden.

den gefüllten Uristier und eine Vielzahl verschie­ dener Anisbrötli, wie z.B. das Badener Anischräbeli

16

Duftende Samen

(erstmals erwähnt 1710). Gemäss Paul Imhof, dem

Anis gehört wie Dill, Fenchel, Koriander und

Autor des Buches «Kulinarisches Erbe der Schweiz»

Kümmel zu den einjährigen Doldenblütlern. Sein

verfeinern vor allem die französisch sprechenden

Tabula N° 4/2015


FotografiaBasica / iStockphoto


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.