tabula_4/2016 Esskultur

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Zeitschrift der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE

_n° 4 /2016_CHF 11.00

ESSKULTUR

Wissen, was essen.


Um 25 000 v. Chr.: Zubereitung von Speisen in Erdöfen ***

Um 15 000 v. Chr.: Anfänge von Landwirtschaft in Ägypten, u.a. wird Gerste kultiviert. Erster Verzehr von wildwachsenden Getreidekörnern in Palästina ***

_EDITORIAL_

In der Gegenwart angekommen, besuchen wir die

Wieso essen wir eigentlich das, was wir heute essen?

Kulle, die bei einem der grössten Milchverarbeiter

Diese Frage lässt sich kaum umfassend beantwor-

der Schweiz als Produktentwicklerin tätig ist. In

ten. Sie hat aber immer mit Geschichte, Entdeckun-

der Rubrik «Aus dem Leben von …» erleben Sie, wie

gen und Erfindungen, unseren Geschmacksvorlie-

sich ein Tag voller Konzentration, Briefings, Rezep-

ben, der erlernten Esskultur in der Familie und mit

turen und Degustationen anfühlt.

Vergangenem und Zukünftigem zu tun, wie die Auto-

Über eine halbe Milliarde Menschen verzehrt Ma-

rin Nicole Huwyler in ihrem Report feststellt. Kultur

niok als Grundnahrungsmittel. Die Wurzelknolle

ist nichts Statisches, sondern ein fliessender und

wird in tropischen Gebieten angebaut und gedeiht

mäandernder Prozess, wie die illustrierte Timeline

auch in kargen Verhältnissen. Zudem kann die

vermuten lässt. Esskultur ist auch ein Nebeneinan-

Pflanze das ganze Jahr über geerntet werden. Die

der von Gegensätzen.

Autorin Manuela Mezzetta nennt den Maniok eine

Arme essen anders als Reiche, Junge anders als

«Wunderpflanze», allerdings mit einem

Alte, ob zu Hause oder bei der Arbeit, fast oder slow.

Nachteil: Die Pflanze muss vor dem Ver-

Unser Essverhalten sagt einiges über unsere Ge-

zehr entgiftet werden. In der Rubrik

sellschaft, unsere Geschichte, über Machtverhält-

«Unter der Lupe» erfahren Sie die Ge-

nisse, Religion oder über das Klima aus, und alle

schichte und Hintergründe des Manioks

diese Werte sind einem ständigen Wandel ausge-

und wie die Pflanze schliesslich in ein essbares Nahrungsmittel verwandelt wird. Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine spannende und lehr­ reiche Lektüre.

Der Report untersucht einige dieser Spannungsfelder und blickt so in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unserer Esskultur. vor 1,5 Mio. Jahren: Älteste entdeckte Spur menschlichen Essens (heutiges Kenia, Afrika) ***

Esskultur ist nichts Statisches, sondern immer ein dynamischer Prozess, ein Nebeneinander von Gegensätzen, und sie sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Lernen Sie einige dieser Spannungsfelder der Esskultur kennen.

16_ U N T E R D E R L U P E Maniok Die Wurzelknolle übersteht Trockenzeiten, gedeiht in kargen Böden und wird ganzjährig geerntet. Für mehr als eine halbe Milliarde Menschen ist der Maniok ein GrundnahSchweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE rungsmittel. Grund genug, diese Wunderpflanze unter die Schwarztorstrasse 87 | Postfach 8333 | CH-3001 Bern Lupe zu nehmen.

10_ A U S D E M L E B E N V O N . . . 12_ R E Z E P T 14_ W I S S E N , W A S E S S E N 20_ B Ü C H E R 22_ D I E S G E 24_ A G E N D A / P R E V I E W N ° 1 /2017

Um 6000 v. Chr.: Ackerbau verdrängt langsam die Jagd ***

04_ R E P O R T Esskultur

LORENZ ADAM / SGE Chefredaktor tabula

kleinen 9000 – 8000 v. Chr.: Domestizierung von Schafen und Ziegen im vorderen Orient (Mesopotamien) ***

setzt.

ausgebildete Lebensmittelingenieurin Martina

T +41 31 385 00 00 | F +41 31 385 00 05 | info@sge-ssn.ch

nutrinfo | Info-Service für Ernährungsfragen T +41 31 385 00 08 | nutrinfo-d@sge-ssn.ch | www.nutrinfo.ch Impressum: ZeitschriftPublikumsorgan für Ernährung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE_ E R S C H E I N U N G : Vierteljährlich tabula tabula:| Offizielles | www.tabula.ch Redaktion +41 31Ex._ 385 H 00E R 04A U A U F L A G E :T 10 000 S G E B E R I N : Schweizerische Gesellschaft für Ernährung SGE, Schwarztorstrasse 87, 3001 Bern, Tel. +41 31 385 00 00, SGE-Spendenkonto: PC 30-33105-8 / info@tabula.ch / www.tabula.ch_CHEFREDAKTO R: Lorenz Adam_ REDAKTI ONS­ KOM MISSIO N: Born Bruna Crameri-Capelli | F +41 | TMariana +41 58 268 14/ 14 58 268 14 15 / Madeleine Fuchs / Muriel Jaquet / Annette Matzke / Nadia Schwestermann shop sge L A Y O U T : Lorenz Adam_ D R U C K : Erni Druck & Media, Kaltbrunn_ T I T E L B I L D : truc konzept u. gestaltung, Bern / Jörg Kühni www.sge-ssn.ch/shop

Wissen, was essen. sge-ssn.ch


ESSKULTUR Von Feuerstellen, Fabrikkantinen und Foodporn Um 900 n. Chr.: Im Benediktinerkloster St. Gallen wird Spargel als Heilmittel angebaut ***

 Sag mir, was du isst, und ich sag dir, wer du bist. Sagt heutzutage der persönliche Insta­ gram­­account mit Foodfotos mehr über eine Person aus, als vor 40 Jahren die Plattensammlung oder die Jeansjacke mit Nieten? Esskultur lässt sich kaum umfassend beschreiben, hat aber immer mit Geschichte, Entdeckungen und Erfindungen, unseren Geschmacksvorlieben, der erlernten Esskultur in der Familie und mit Vergangenem und Zukünftigem zu tun. Und sie war und ist ein Thema der Gegensätze. Der folgende Text greift einige dieser Spannungsfelder auf und blickt blitzlicht­mässig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

300 n. Chr.: Älteste bekannte Fassung des Apicius-Kochbuchs *** um 200 v. Chr.: Inkas und Azteken kultivieren die Tomate ***

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unterwegs ::: sesshaft Vieles aus dieser Zeit liegt heute noch im Dunkeln. Aufschreiben konnte dies noch niemand, und organische Speisereste zerfallen schnell. Vor der Entdeckung des Feuers assen unsere Vorfahren wahrscheinlich vorwiegend dort, wo sie auf ihre Nahrungsmittel stiessen. Die Hominiden streiften in kleinen Gruppen durchs Land und wechselten daher auch ihre Lagerplätze. Dies führt zur Annahme, dass es damals keine oder kaum gemeinsame Mahlzeiten gab. Mit der Entdeckung des Feuers (vor ca 1,5 Millionen Jahren) änderte sich dies. Jacques Barrau, Direktor des Musée de l’homme in Paris, beschrieb es so: «Die kulinarische Geschichte, wenn nicht die Geschichte überhaupt, begann also damit, dass die Menschen das Feuer bändigten.» Gebratenes wurde dadurch haltbarer, die Menschen blieben länger an einem Platz und assen das Gesammelte gemeinsam. Dies war auch in der Schweiz zu beo­ bachten: «Vor 15 000 Jahren, als die Gletscher zurückgingen, lebten ungefähr 70 Menschen im Gebiet der heutigen Schweiz. Sie kannten das Feuer, lebten in Lagern, zogen umher und ernährten sich von Kräutern, Beeren und Fleisch, zum Beispiel Rentierfleisch. Als Landschaftsform dominierte die Steppe. Danach zogen sich die Gletscher immer mehr zurück, die Vegetation änderte sich, es wurde wärmer, Wälder entstanden, und vor ca. 7400 Jahren kam der Trend zur Sesshaftigkeit auf, ungefähr gleichzeitig mit dem Auftreten von Ackerbau, Viehzucht und

1492: Christoph Kolumbus erwähnt Mais in seinem Tagebuch ***

Ist ein Besuch bei Mc Donald’s kulturlos und ein Abendessen in einem französischen Nobelrestaurant hohe Esskultur? Mitnichten. Als Esskultur können alle Errungenschaften des Menschen, die mit Essen verbunden sind, und Produkte, die von ihm hergestellt und entwickelt wurden, bezeichnet werden. Nichts Statisches, sondern immer ein dynamischer Prozess und ein Nebeneinander: Arme essen anders als Reiche, Junge anders als Alte, SchweizerInnen anders als AmerikanerInnen, die einen Familien anders als die anderen. Was auf unseren Tellern präsentiert wird, mit wem und wo wir essen, sagt viel über unsere Gesellschaft, unsere Geschichte, über Machtverhältnisse, Religion oder über das Klima aus und wandelt sich ständig. Doch Dinge, die sich ändern, bringen auch immer Unsicherheiten aufs Parkett. Es stellt sich die Frage nach dem richtigen Essverhalten, der richtigen Ernährung oder des korrekten Benehmens. So war bis ins Mittelalter das Essen von Hand in allen Bevölkerungsschichten weit verbreitet, später wurde dies von der bürgerlichen Kultur abgelehnt, und heute verzichten wir mit Fingerfood und dem Trend des Ausser-Haus-Essens wieder vermehrt auf Gabel und Co. Doch wagen wir zuerst einen Blick

weit zurück, in die ältere Steinzeit, fernab von Essensbesteck: Die Welt war damals dünn besiedelt, unsere Vorfahren lebten als Jäger und Sammler und assen, vor der Entdeckung des Feuers, prinzipiell alles roh. Knollen, Weichfrüchte, Nüsse, Samen, Schösslinge, Beeren, Schnecken und Käfer zählten zu den Hauptnahrungsmitteln.


_Report_

1804: Der französische Koch & Konditor François Nicolas Appert entdeckt die Methode, Lebensmittel durch Erhitzen und Luftabschluss in Glasbehältern (ab 1814 in Weissblechdosen) zu konservieren *** 1778: Pasta mit Tomatensauce wird erstmals erwähnt ** 1762: Erfindung des Sandwiches, England (Legende) ** 1756: Erfindung der Mayonnaise, Frankreich (Legende) ** 1748: William Cullen stellt die erste künstliche Kühlung an der Universität Glasgow vor ***

1843: Jakob Christoph Rad erfindet den Zuckerwürfel, Böhmen **

lecker ::: ekelhaft Ob wir etwas essen oder nicht, ist durch unsere kulturellen Geschmacksvorlieben geprägt. Der Verzehr von rohem Rentierfett oder eines warmen Auge eines Bären, beides assen nordeuropäische Nomaden in der Altsteinzeit, lässt uns heute erschauern. Noch heute bestimmt jede Kultur, welche Nahrungsmittel akzeptiert werden oder nicht.

1853: Erfindung der Pommes frites, New York (Legende) **

Ein Thema der Esskultur war und ist auch immer, ob genügend Essen für alle vorhanden ist. Mit der Sesshaftigkeit des Menschens traten erste Siedlungen, später Städte und Staaten auf. Und je grös­ser sesshafte Gruppen werden, umso abhängiger sind sie von der Landwirtschaft. Man musste von den Grundnahrungsmitteln satt werden, Fleisch kam weniger, und wenn, dann nur mehr bei Privilegierten, auf den Tisch und die Menschen teilten ihr Essen nicht mehr gleichmässig auf. Diese Ungleichheiten zeigen sich durchgehend an vielen Stationen unserer alten und neuen Geschichte auf. Beginnen wir im alten Ägypten. Bereits 2000 Jahre v. Chr legte der Staat Verteilungsrationen fest: Kinder unter fünf Jahren erhielten pro Monat einen Liter Gerste, Männer deren 40 –  60 Liter, Frauen die Hälfte. Die Menschen ergänzten diese Rationen durch selbst angebaute oder dazugekaufte Früchte und Gemüse und gefangenen Fisch, der zunehmend die traditionelle Fleischnahrung ersetzte. Insgesamt litten aber die Bewohner im pharaonischen Ägypten unter Mangelwirtschaft, bedingt durch immer wiederkehrende Nilüberschwemmungen und hierarchischen Strukturen mit einem starken Gefälle. Auch im alten Rom sah man Unterschiede zwischen Arm und Reich wie auch zwischen der Bevölkerung in der Stadt und auf dem Land. Dieser Kontrast spiegelte sich in Brot und Brei. Auf dem Land gab es Breie aus Gerste, in der Stadt Brot aus Weizen oder Dinkel, bereits kaufbar in römischen Grossbäckereien. Diese Kluft zwischen viel und wenig zog sich durchs Mittelalter und war auch im letzten Jahrhundert in der Schweiz noch präsent.

1812: Eröffnung der ersten Konservenfabrik, England **

Keramik. Diese Entwicklung bezeichnen wir heute als neolithische Revolution. Dieser Übergang vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft und Viehzucht mag zwar scheinbar als grössere Ernährungssicher­ heit angesehen werden, doch Sesshaftigkeit, Landwirtschaft und Viehzucht hiess nicht auto­m atisch, dass die Menschen keinen Hunger mehr leiden mussten. Denn das Verhältnis zwischen Aussaat, Ernte, Missernte und Vorratshaltung war bis ins 19. Jahrhundert immer ein sehr fragiles Gleichgewicht», berichtet der Berner Kantonsarchäologe Adriano Boschetti. Die Entdeckung des Feuers vergrösserte jedoch das Nahrungsangebot. Bisher schwer Verdauliches wurde geniessbar, das Erhitzen zerstört Bakterien und Parasiten. Und die neue Kochtechnik hatte Einfluss auf das Gebiss: Das Mahlgebiss wurde kleiner, und das Artikulieren wurde einfacher. Wissenschaftler beschreiben daher das Lagerfeuer auch als Ort der Sprachentstehung. Mit der Möglichkeit des Feuers konnten die Menschen nebst Fleisch auch wildes, gesammeltes Getreide geniessbar machen, das im r ohen Zustand nur schwer verdaulich oder ­ ­u ngeniessbar war. Ob sich der Fleischkonsum letztlich auch auf die Gehirnentwicklung unserer Vorfahren auswirkte, ist heutzutage nicht schlüssig zu belegen. Experten gehen daher von mehreren Faktoren aus: ein grösserer Fleischkonsum, ein verkleinerter Darm, das Kochen und eine möglicherweise grössere Effizienz beim Gehen und Laufen werden als Gründe angegeben.

Hunger ::: Überfluss

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_Rezept_

SPINAT-PANIZZA Für 4 Personen. Vor- und zubereiten: ca. 30 Minuten / Pro Person: 11 g Fett, 16 g Eiweiss, 35 g Kohlenhydrate, 306 kcal 1 – 2 Knoblauchzehen, in Scheiben / Butter zum Dämp­ fen / 500 g Spinat / Salz, Pfeffer, Muskat / Knoblauch in der Butter andämpfen. Spinat beifügen, würzen, weiterdämpfen, bis die Blätter vollständig zusammengefallen sind. In Sieb geben, leicht ausdrücken. 4 – 8 dunkle Brötli, ca. 250 g, halbiert, oder 1 Pariser­ brot, in Scheiben / ca. 80 g Tomatenpüree / 75 g Champi­

gnons geputzt, in Scheiben / 150 – 300 g Mozzarella, geraffelt / Salz, Pfeffer, Paprika / Brothälften mit Püree ­bestreichen. Mit Spinat, Champignons und Mozzarella belegen, würzen. Im oberen Teil des auf 220 °C vorgeheizten Ofens 10 – 15 Minuten backen. Tipp: 1 kg Spinat (statt 500 g) dämpfen, Hälfte als Gemüsebeilage servieren. Rezept und Bild: Swissmilk

ERNÄHRUNGSBILANZ

ÖKOBILANZ

Spinat: Spinat hat in der Schweiz von März bis November Saison. Der Grossteil des angebauten Spinats wird tiefgefroren. Ein kleiner Anteil landet auf dem Frischmarkt. Die feinen Spinatblätter werden jung und zart geerntet, ehe die Pflanze blüht. Spinat wurde jahrzehntelang für seinen Eisengehalt angepriesen. Es stimmt zwar, dass Spinat Eisen enthält, allerdings in sehr moderaten Mengen. Noch dazu wird pflanzliches Eisen (Nicht-Häm-Eisen) im Darm schlechter resorbiert als tierisches Eisen (Häm-Eisen). Nennenswert ist jedoch der Gehalt von Vitamin A und Folat im Spinat. So decken 100 g Spinat mit 0.4 mg Vitamin A bereits 40 % des täglichen Bedarfes und mit 190 µg Folat ca. 60 % des täglichen Bedarfes. Tomatenpüree: Tomatenpüree ist nichts anderes als konzentriertes Fruchtfleisch von Tomaten. Bei der Herstellung werden die Tomaten geschält, entkernt und passiert. Unter Hitzeeinwirkung wird das passierte Tomatenfruchtfleisch eingedickt und im Zuge der Haltbarkeitsmachung pasteurisiert sowie gesalzen. 100 g Tomatenpüree enthalten 1150 mg Kalium, im Vergleich zu 220 mg Kalium in 100 g rohen Tomaten. Lycopen verleiht Tomaten und deren Derivaten die rote Farbe und findet sich im Tomatenpüree in nahezu vierfacher Menge im Vergleich zu rohen Tomaten. Lycopen ist ein sekundä­ rer Pflanzenstoff und zählt zu den Carotinoiden. Ihm werden mögliche antioxidative und antikanzerogene Effekte zugeschrieben. Tellermodell: Die Spinat-Panizza enthalten alle drei Komponenten eines ausgewogenen Tellers. Die Gemüsekomponente wird durch den Spinat, die Champignons und das Tomatenpüree abgedeckt. Mozzarella stellt die Proteinquelle dar, und die Stärkebeilage ist durch das Brot gegeben. Dem Pariserbrot wären die dunklen Brötli aus Ruchmehl oder Vollkornmehl vorzuziehen, die reicher an Nahrungsfasern, Vitaminen und Mineralstoffen sind. ­Anstelle von Butter könnte ein pflanzliches Öl wie z.B. Rapsöl oder Olivenöl verwendet werden.

Spinat: Sofern der Spinat, wie im Rezept vorgeschlagen, auch als Gemüsebeilage serviert wird, stellt er sowohl mengenmässig wie auch bezogen auf die Umweltbelastung den Hauptbestandteil dieses Gerichts dar. Hauptursache dafür ist der relativ hohe Bedarf an Stickstoffdünger im Anbau. Würde anstelle von frischem, saisonalem Spinat Tiefkühlspinat verwendet, würde die Umweltbelastung für das gesamte Gericht etwas ansteigen. Mozzarella: Im Rezept werden für 4 Personen 150 bis 300 g Mozzarella empfohlen. Wird die durchschnittliche Menge von 225 g verwendet, so verursacht seine Produktion etwa einen Fünftel der Gesamtbelastung dieses Gerichts. Brot: Etwa 13 % der Umweltbelastung des Gerichts wird durch das Brot verursacht. Die Umweltwirkung dieser Komponente gründet im landwirtschaftlichen Anbau. Weil die Panizza sowieso gebacken wird, könnte dafür auch problemlos etwas älteres, bereits trockenes Brot verwendet werden, das sonst im Abfall landen würde. Säulendiagramm: Spinat-Panizza mit Spinat als Beilage verursachen für 4 Personen ca. 7000 Umweltbelastungspunkte (UBP). Aus Umweltsicht sind Spinat und Mozzarella mit einem Anteil von 26 %, bzw. 20 % an der Gesamtbelastung die bedeutendsten Zutaten dieser Mahlzeit. Das Tomatenpüree, das Brot und die Butter zum Anbraten machen in der Summe rund einen Drittel der Gesamtumweltbelastung aus. Die Umweltbelastung des Gerichts wird von den Zutaten bestimmt, während weitere Faktoren wie der Transport und die Zubereitung eine kleinere Rolle bei der Gesamtumweltbelastung spielen.

SABINE OBERRAUCH / SGE

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SIMON EGGENBERGER, NIELS JUNGBLUTH / ESU-SERVICES


lla re za oz M

0 0 d 5 lung 00 n 37 24 t u 25 36 üh rt 2 n ot ina 6 ,K o te Br p ee ng sp ta S r itu an Zu pü re Tr he en be nd at lic Zu u m st To Re

Rezept 1800

Ø 5000 UBP *

Swissmilk / Infografik: Truc, Bern

Zusammensetzung des Rezeptes im Vergleich zum optimal geschöpften Teller (oben rechts) Lebensmittelgruppen: = Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier & Tofu = Getreideprodukte, Kartoffeln & Hülsenfrüchte = Früchte & Gemüse

Die Säulengrafik zeigt die Umweltbelastung durch das Rezept pro Person. Als Vergleich dazu ein grober Durchschnittswert einer zu Hause zubereiteten Hauptmahlzeit. Die Berechnung der Umweltbelastungspunkte fasst verschiedene Umweltbelastungen bei der Produktion der Lebensmittel zu einer einzigen Kenngrösse zusammen (je höher die Punktzahl, desto grösser die Umweltbelastung). Quelle: ESU–services.

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_Unter der Lupe_

Maniok «Wunderpflanze» der Tropen

Für mehr als eine halbe Milliarde Menschen ist er Grundnahrungsmittel: der Maniok. Die Wurzelknolle wird in tropischen Gebieten angebaut, gedeiht auch in kargen Böden, übersteht Trockenzeiten und kann das ganze Jahr über geerntet werden. Es scheint sich um eine «Wunderpflanze» zu handeln, wenn da nicht ein Nachteil wäre: Vor dem Verzehr müssen giftige Stoffe aufwendig beseitigt werden.

der Schweiz erhältlich. Sowohl die Stärke, die ­geschmacksneutral ist, als auch das Mehl sind glutenfrei. Nährstoffarme Knolle, proteinreiche Blätter Die Pflanze der Gattung Manihot gehört zu den Wolfsmilchgewächsen

(Euphorbiaceae)

und

ist

strauchartig. Sie kann zwischen eineinhalb und fünf V ON M A NUE L A ME Z Z E T TA

Meter hoch werden. Es existieren 100 bis 200 Arten. Für die Ernährung bedeutungsvoll ist jedoch nur

Für die Menschen in den Tropen ist Maniok das, was

Manihot esculenta Crantz. Eine Pflanze kann fünf

für viele Europäer die Kartoffel bedeutet: ein

bis zehn kegelförmige Knollen ausbilden, die sich

Grundnahrungsmittel und Stärkelieferant. Beide

durch das sekundäre Dickenwachstum einiger Wur-

Knollen haben ihren Ursprung in Südamerika. Por-

zeln bilden. Sie sind im Durchschnitt 30 bis 50 Zenti-

tugiesische Sklavenhändler brachten den Maniok

meter lang, haben einen Durchmesser von fünf bis

nach Afrika, von dort verbreitete sich die Pflanze

zehn Zentimeter und ein Gewicht von zwei bis vier

weiter nach Osten. Maniok ist auch als Cassava,

Kilogramm. Unter günstigen Bedingungen kann eine

Kassave, Mandioka oder Yuca (nicht mit der Yucca-

Knolle sogar bis zu einem Meter lang und bis zu 20

palme zu verwechseln) bekannt.

Kilogramm schwer werden. Ihre rindenartige Schale

Maniok ist eine sehr alte Kulturpflanze. Die ältes-

ist braun bis schmutzig-weiss, das Innere ist fest

ten Überreste, die Archäologen in Mexiko fanden,

und gelblich bis weiss. Auch die Blätter des Maniok-

werden auf 2800 Jahre geschätzt. Die älteste Be-

strauchs sind essbar, in einigen Regionen werden sie

schreibung der Pflanze in Europa stammt vom

gekocht und als Gemüse serviert. Im Gegensatz zur

Ende des 15. Jahrhunderts. Spanier und Portugie-

Knolle sind die Blätter proteinreich. Menschen, für

sen berichteten von «Brot aus giftigen Wurzeln».

die die Maniokknolle ein Hauptnahrungsmittel ist,

Maniok gedeiht ausschliesslich in den Tropen

weisen oft einen Proteinmangel auf. Dieser könnte

und bis auf eine Höhe von rund 1500 Meter über

mit dem Verzehr der Blätter aufgefangen werden,

Meer. Temperaturen unter 10 Grad Celsius setzen

aber nicht überall mag man sie geschmacklich.

ihm bereits zu. Ansonsten ist die Pflanze an-

Weltweit ist Maniok nach Reis und Weizen die dritt-

spruchslos: Ideal sind feuchte, sandige oder leh-

wichtigste Kalorienquelle. Kultiviert wird er haupt-

mig-sandige Böden, aber Maniok bringt auch auf

sächlich von Kleinbauern. In Asien, vor allem in

kargen, leicht sauren Böden Ertrag. Zudem über-

Thailand, und in Teilen Lateinamerikas wird Mani-

steht er Trockenperioden von bis zu sechs Mona-

ok mittlerweile auch – mit allen Nachteilen – in Mo-

ten. Angebaut und gegessen wird Cassava in

nokulturen für den Export angebaut. Exportiert

­L ateinamerika, Afrika, Indien und Südostasien.

werden in erster Linie Mehl sowie Stärke, seltener

Thailand und Indonesien gehören zum zweit-

die Knolle, da sie nicht lagerfähig ist. Maniok wird

resp. drittgrössten Maniok-Produzenten welt-

auch als Futtermittel für Tiere eingesetzt.

weit. Grösster Produzent ist Nigeria, Brasilien

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steht an vierter Stelle. In Westeuropa ist Maniok

Bis zu drei Jahre in der Erde

noch weitgehend unbekannt, obwohl mittlerweile

Der schnelle Verderb der Knolle nach der Ernte ist ei-

Grossverteiler die Wurzelknolle anbieten. Auch

ner der grossen Nachteile. Bereits zwei bis drei Tage,

Tapioka (Maniokstärke) und Maniokmehl sind in

nachdem man sie aus der Erde gezogen oder ausge-

tabula N° 4/2016


slpu9945 / iStock


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