ChemieXtra 4/2021

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BIOWISSENSCHAFTEN

TĂ€tigkeiten bestimmten Nervenzellen zuordnen

Nervenverbindungen fĂŒr Geschicklichkeit

Eine Karte der Schaltkreise im Hirnstamm verrĂ€t, welche Nervenverbindungen die Feinmotorik von Arm und Hand steuern. Ganz selbstverstĂ€ndlich nehmen wir einen Stift in die Hand und schreiben unseren Namen oder greifen nach der Gabel, um Spaghetti mit Tomatensauce zu essen. Den Stift richtig anzufassen oder die Spaghetti, ohne zu kleckern, zum Mund zu fĂŒhren, erfordert prĂ€zise Armbewegungen und jede Menge Fingerfertigkeit.

Nervenzellen im Hirnstamm steuern Feinmotorik Hinter all unseren Bewegungen verbirgt sich ein perfektes Zusammenspiel zwischen den Nervenzellen im Gehirn und RĂŒckenmark und den Muskeln. Doch welche Verbindungen steuern die Feinmotorik der Arme, HĂ€nde und Finger? Dieser Frage ist das Team von Prof. Dr. Silvia Arber nachgegangen. Die Neurobiologen, die am Biozentrum der UniversitĂ€t Basel und am Friedrich Miescher Institut for Biomedical Research (FMI) forschen, beschĂ€ftigen sich schon lange damit, wie das Gehirn BewegungsablĂ€ufe kontrolliert. Wie die Forschenden nun am Beispiel von MĂ€usen zeigen, ist eine bestimmte Region im Hirnstamm fĂŒr verschiedene feinmotorische TĂ€tigkeiten der Vorderpfoten verantwortlich. FĂŒr ihre Untersuchungen verwendeten sie sogenannte optogenetische und virale Methoden, um Nervenzellen zu markieren und ihre AktivitĂ€t bei bestimmten Bewegungen sicht- und messbar zu machen. So konnte das Team in dieser Region vier Gruppen von Nervenzellen lokalisieren und ihnen eine spezifische Funktion zuschreiben. So steuert eine Gruppe von Nervenzellen zum Beispiel das Ausstrecken der Pfote, eine andere das Greifen des Futters. 4/2021

Der Hirnstamm ist der entwicklungsgeschichtlich Ă€lteste Teil des Gehirns und geht fliessend ins RĂŒckenmark ĂŒber. Er ist eine wichtige Schaltzentrale zwischen den motorischen Zentren zur Bewegungsplanung im Gehirn und den Netzwerken fĂŒr das AusfĂŒhren von Bewegungen im RĂŒckenmark. Im RĂŒckenmark befinden sich auch die Motoneuronen, die direkt mit Muskelzellen verbunden sind und die Kontraktion der Muskeln auslösen. Erst seit wenigen Jahren ist bekannt, dass der Hirnstamm aus vielen Regionen mit spezialisierten Nervenzellverbindungen besteht, die komplexe BewegungsablĂ€ufe steuern.

Karte von Schaltkreisen fĂŒr Feinmotorik Arbers Team hat in ihrer Studie die rĂ€umliche Anordnung der Nervenverbindungen in einer dieser Regionen des Hirnstamms namens «lateral rostral medulla» (latRM) bestimmt und die Kommunikationswege nachgezeichnet. So konnten sie unterschiedliche TĂ€tigkeiten einzelnen Gruppen von Nervenzellen zuordnen. «Einfachere Handlungen, wie das Ausstrecken der Vorderpfote zum Futter, erfolgen ĂŒber spezifische latRM-Nervennetzwerke, welche direkt das RĂŒckenmark ansteuern», erklĂ€rt Erstautor Ludwig Ruder. Das AusfĂŒhren komplexerer Bewegungen, die auch die Finger miteinschliessen, also das Greifen oder das Zum-Mund-FĂŒhren eines FutterstĂŒckchens, steuern insbesondere solche latRM-Neuronen, die mit Nervenzellen in anderen Regionen des Hirnstamms verknĂŒpft sind. «FĂŒr die Fingerfertigkeit sind diese internen Verbindungen und Netzwerke unentbehrlich», sagt Arber. «Die Nervenzellpopulationen im latRM-Bereich kontrollieren ganz spezifisch die Feinmotorik der vorderen

Bild: Shutterstock

Schreiben, Schrauben oder Dartwerfen, das sind nur einige TĂ€tigkeiten, die ein hohes Mass an Geschicklichkeit erfordern. Wie das Gehirn solche feinmotorischen Meisterleistungen vollbringt, darĂŒber berichten Forschende der UniversitĂ€t Basel und des Friedrich Miescher Instituts for Biomedical Research im Fachjournal «Nature».

Der Hirnstamm ist der entwicklungsgeschichtlich Ă€lteste Teil des Gehirns und geht fliessend ins RĂŒckenmark ĂŒber.

Gliedmassen. Aber nur indem die Nervenzellen verschiedener Regionen des Hirnstamms miteinander kommunizieren, gelingen so komplexe und prÀzise BewegungsablÀufe wie das Werfen, Greifen oder Schreiben.»

Kontrolle der BewegungsablĂ€ufe Die rĂ€umliche Trennung der Nervenzellpopulationen nach Aufgaben und ihre VerknĂŒpfungen geben Aufschluss ĂŒber die Organisation des Hirnstamms und die Steuerung von Körperbewegungen, in diesem Fall der Feinmotorik. Viele neuronale Schaltkreise des Hirnstamms sind in Mensch und Tier Ă€hnlich, daher lassen sich RĂŒckschlĂŒsse darauf ziehen, welche Nervenzell-Populationen welche Bewegungen steuern oder wie Krankheiten und Verletzungen zu EinschrĂ€nkungen der feinmotorischen FĂ€higkeiten fĂŒhren können. Medienmitteilung UniversitĂ€t Basel www.unibas.ch 13


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