FORSCHUNGSWELT
Chemiker untersuchen Mineral
Woraus besteht der Erdmantel?
Der Erdmantel ist eine Schicht tief im Erd inneren (zwischen 30 und 2900 Kilome tern). Mithilfe eines spezialisierten Verfah rens fanden die Chemiker jetzt heraus, dass das untersuchte Material anders zu sammengesetzt ist als bisher gedacht: Grosse Teile enthalten viel weniger soge nannte inkompatible Elemente – das sind die chemischen Elemente, die sich durch stetiges Schmelzen des Erdmantels bevor zugt in der Erdkruste anreichern, der äus sersten Schale der Erde. Die Wissenschaftler folgern, dass über die Erdgeschichte hinweg ein grösserer Teil des Erdmantels aufgeschmolzen ist und letztlich die Erdkruste gebildet hat. «Um die Stoffbilanz zwischen Erdinnerem und Erdkruste aufrecht zu erhalten, muss des halb auch der Materialtransfer zwischen der Erdoberfläche und dem Inneren der Erde höher sein als gedacht», betont Stu dienleiter Prof. Dr. Andreas Stracke von der Universität Münster. Da das Material unter den Azoren aus sehr tiefen Regionen des Erdmantels aufsteigt, es aber auch Hinweise darauf gibt, dass besonders der obere Teil des Erdmantels ähnlich zusammengesetzt ist, könnten die Ergebnisse auf weite Teile des Erdmantels übertragbar sein. «Unsere Ergebnisse öff nen ein neues Fenster, denn wir müssen die Zusammensetzung des grössten Teils der Erde überdenken. Immerhin macht der Erdmantel mehr als 80 Prozent des Erdvo lumens aus», fügt Andreas Stracke hinzu.
So gingen die Wissenschaftler vor In ihrer Studie untersuchten die Geoche miker das Mineral Olivin und die darin ein geschlossenen Schmelzen, also Gesteine, 34
Bild: W WU - Felix Genske
Wie ist das Innere der Erde chemisch aufgebaut? Da es nicht möglich ist, mehr als etwa zehn Kilometer tief in die Erde zu bohren, sind es häufig vulkanische Gesteine, die darüber Aufschluss geben. Geochemikerinnen und Geochemiker der Universitäten Münster und Amsterdam haben sich die vulkanischen Schmelzen, die die portugiesische Inselgruppe der Azoren aufbauen, genauer angesehen. Ihr Ziel war es, daraus Rückschlüsse auf die Beschaffenheit des Erdmantels zu ziehen.
Das Mineral Olivin enthält nur wenige Mikrometer grosse Schmelzeinschlüsse (schwarze Punkte). Die Geochemiker isolierten diese und untersuchten die isotopische Zusammensetzung mithilfe der Massenspektrometrie.
die durch das Erstarren flüssigen Magmas entstanden sind. Die Wissenschaftler iso lierten die nur wenige Mikrometer grossen Schmelzeinschlüsse, lösten sie mithilfe von chemischen Verfahren auf und trenn ten bestimmte chemische Elemente ab. Diese Elemente verändern sich durch radio aktiven Zerfall während ihres langen Auf enthalts im Erdinnern – vermutlich steigen sie dort bis zu 1000 Kilometer weit auf, was mehrere hundert oder sogar mehrere tausend Millionen Jahre dauert. Die Wissenschaftler analysierten die iso topische Zusammensetzung der Schmel zen mithilfe hochempfindlicher Massen spektrometer. Mit solchen Verfahren ist es möglich, die relative Häufigkeit von ver schiedenen Isotopen zu messen. «Durch eine hohe Ausbeute bei der Messung wa ren wir in der Lage, die Isotopenzusam mensetzung von einem Milliardstel Gramm des Elements zu bestimmen», sagt Co-Autor Dr. Felix Genske vom Insti
tut für Mineralogie der Universität in Münster. Auf diese Weise erhielten die Forscher indirekt Auskunft über die Zu sammensetzung des Materials im Erd mantel: Die isotopischen Untersuchungen ergaben, dass das Material viel weniger von den seltenen Erdelementen Samari um und Neodymium, aber auch chemisch ähnlichen Elementen, wie zum Beispiel Thorium und Uran, enthielt als bisher an genommen. «Anhand von ähnlichen geochemischen Daten in anderen vulkanischen Gestei nen, zum Beispiel aus Hawaii, schliessen wir, dass auch andere Teile des Erdman tels einen grösseren Anteil an Material enthalten, das ungewöhnlich stark an die sen Elementen verarmt ist», sagt Andreas Stracke. In zukünftigen Studien wollen die Wis senschaftler ihr Verfahren anhand weite rer Proben und in anderen Regionen der Erde testen, um ihre Ergebnisse zu über prüfen. Originalpublikation A. Stracke et al., «Ubiquitous ultra-depleted domains in Earth’s mantle», Nature Geo science (2019); DOI: 10.1038/s41561-0190446-z
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