Programm-Magazin Nr. 3 Saison 15/16
CrĂŠation MITTWOCH, 16. DEZEMBER 2015
Schweizer Wertarbeit – Schweizer Wertarbeit ohne Wenn und Aber.– ohne Wenn und Aber.
BAUMANN & CIE BANQUI E RS
Individuell. Unkonventionell. Basel: St. Jakobs-Strasse 46, CH-4002 Basel, 061 279 41 41 Zürich: Bellevueplatz 5, CH-8024 Zürich, 044 563 64 65 www.baumann-banquiers.ch
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Bild : Christian Aeberhard
Sinfoniekonzert ‹Création›
3 Programm 4 Interview mit Ivor Bolton 8 W.A. Mozart: Konzert für Klavier und Orchester 10 Ronald Brautigam 12 Darius Milhaud: La Création du monde und Schlagzeugkonzert 17 Domenico Melchiorre im Gespräch 20 W.A. Mozart: Sinfonie Nr. 39 Intermezzo
22 Vorlaut – Eine Serie von Alain Claude Sulzer 24 Orchester-Geschichte(n), Teil 3 27 Diane Eaton und Valentina Jacomella Roesti im Gespräch
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Liebes Konzertpublikum
m vergangenen Juni haben das Sinfonieorchester Basel und sein Stiftungsrat Ivor Bolton zum neuen designierten Chefdirigenten gewählt. Wir freuen uns sehr und gratulieren Ivor Bolton ganz herzlich. Noch bevor Bolton zu Beginn der Saison 2016/17 in sein neues Amt eingeführt wird, präsentiert er ein ganz spezielles Programm: Unter dem Titel ‹Création› kommen zwei originelle Werke des produktiven französischen Komponisten Darius Milhaud (unter seinen vierhundert Kompositionen findet sich auch ein Catalogue de fleurs) und zwei unfassbar vollkommene Spätwerke Wolfgang Amadé Mozarts zur Aufführung. Es ist uns ein grosses Anliegen, Ihnen bereits schon zu diesem Zeitpunkt Ivor Bolton im Interview mit Christian Fluri vorzustellen. Informationen zu den aufgeführten Werken und zu den Solisten finden Sie auf den nachfolgenden Seiten. Ich wünsche Ihnen eine interessante wie unterhaltsame Lektüre.
Vorschau
31 Vorschau 32 Agenda
Dr. Hans-Georg Hofmann Leiter Künstlerische Planung
Bild : Benno Hunziker
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Sinfoniekonzert SOB
Création
MITTWOCH, 16. DEZEMBER 2015 19.30 Uhr, Musiksaal Stadtcasino Basel 18.15 Uhr: Englischsprachige Einführung durch Thüring Bräm 18.45 Uhr: Deutschsprachige Einführung durch Dr. Hans-Georg Hofmann
Darius Milhaud (1892–1974)
La Création du monde, op. 81a (1923) 1. Ouverture 2. Le chaos avant la création 3. La naissance de la flore et de la faune 4. La naissance de l'homme et de la femme 5. Le désir 6. Le printemps ou l'apaisement
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Konzert für Klavier und Orchester A-Dur, KV 488 (1786) 1. Allegro 2. Adagio 3. Allegro assai Pause
Darius Milhaud
Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester op. 109 (1929/30)
Wolfgang Amadé Mozart
Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, KV 543 (1788) 1. Adagio – Allegro 2. Andante con moto 3. Menuetto 4. Allegro
Konzertende ca. 21.30 Uhr
Sinfonieorchester Basel Ronald Brautigam, Klavier Domenico Melchiorre, Schlagzeug Ivor Bolton, Leitung Das Konzert wird von Radio SRF 2 Kultur aufgezeichnet und am Freitag, 1. Januar 2016, um 19.00 Uhr ausgestrahlt.
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Interview mit Ivor Bolton
«Ich bin absolut kein Spezialist» von Christian Fluri
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in Gespräch mit Ivor Bolton, der ab der Saison 2016/17 Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel ist, über seine musikalische Reise, auf die er sich mit den Basler Musikerinnen und Musikern begibt.
Christian Fluri: Sie wohnen in Barcelona, sind in Madrid Musikdirektor des Teatro Real und ab der kommenden Saison Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel (SOB). Sie sind somit stets unterwegs? Ivor Bolton: Ja, ich bin seit zwanzig Jahren dauernd unterwegs – manchmal zusammen mit meiner Frau, meiner Familie. Ich arbeitete regelmässig an der Bayerischen Staatsoper in München und bin seit 2004 und noch bis Ende Saison Chefdirigent des Mozarteumorchesters in Salzburg. Ich dirigierte daneben noch zahlreiche andere Orchester. Aber Ihr eigentlicher Wohnsitz mit Ihrer Familie ist in Barcelona? Ja. Meine Frau ist Musikwissenschaftlerin und arbeitet an der Universität von Barcelona. In Madrid sind Sie also ‹nur› regelmässiger Gast, ebenso werden Sie es in Basel sein. Können Sie sich dennoch als Musikdirektor der Oper mit der Stadt Madrid und als Chefdirigent des SOB dann mit der Stadt Basel identifizieren, die geistige Atmosphäre der Städte fühlen? Ich liebe Madrid mit seiner grossen Geschichte und dem Kunstreichtum in den Museen. Und das Teatro Real, in dem es während der Franco-Dikta-
tur keine Oper gab, hat sich seit der Neueröffnung 1997 zu einem bedeutenden internationalen Haus entwickelt. Es hat ein junges, engagiertes und ausgezeichnetes Orchester, einen jungen, fantastischen Chor. Auch Basel ist für mich eine attraktive Stadt mit einem kulturell gebildeten Publikum. Die Stadt hat eine grosse musikalische Tradition – auch dank des Dirigenten und Mäzens Paul Sacher. Viele meiner Musikerkollegen studierten in Basel. Und Basel ist das Zuhause der von Paul Sacher 1933 mitgegründeten Schola Cantorum Basiliensis, des weltberühmten Lehr- und Forschungsinstituts der Alten Musik ... Die Schola leistet wichtige Arbeit in der Rezeption der Alten Musik. Basel strahlt damit in die ganze Welt hinaus. Sie sind ein erfahrener, international gefragter Dirigent, auch als Spezialist der Barockmusik und der Wiener Klassik. Wo ordnen Sie in einem Ranking das Sinfonieorchester Basel ein? Ein Orchester-Ranking ist eine sehr diffizile, ja unmögliche Sache. Das Sinfonieorchester Basel ist ein fantastischer Klangkörper. Meine ersten Proben und Auftritte mit dem SOB waren sehr erfreulich. Viele grosse Talente sind im Orchester, es entwickelt sich sehr gut. Ein Orchester auf das Topniveau zu bringen, bedingt intensive Arbeit auch in der Personalpolitik. Dennis Russell Davies hat wichtige Aufbauarbeit geleistet, die ich weiter
Bild : Ben Wright
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führen will. Entscheidend ist der aktive, engagierte Charakter der Musikerinnen und Musiker, ihr Temperament. Das ist hier gegeben.
klareren, transparenteren Orchesterklang. Es ist eine grosse Herausforderung für die Musikerinnen und Musiker.
Was reizt Sie am Job des Chefdirigenten eines Allround orchesters, das klassische Werke auf modernen Instrumenten und oft mit einem postromantischen Zugriff spielt? Unsere Aufgabe ist es, dem Publikum von Basel und der Region als Sinfonieorchester ein breites Repertoire zu bieten. Es sind Marketingleute, die nach einer doch verrückten Spezialisierung verlangen. Wir spielen Musik aller Epochen. Es gilt, den speziellen Charakter der jeweiligen Werke herauszuarbeiten. Wir müssen zurückgehen zu den Komponisten, damit wir deren Vorstellungen von Klang und Phrasierung verstehen. Dies gilt für die Musik von Ludwig van Beethoven, von Johannes Brahms und ebenso von Edward Elgar.
Die Blechbläser des SOB haben bei der Berlioz-Aufnahme unter Ihnen erfolgreich erstmals Naturhörner, Naturtrompeten und Naturposaunen gespielt. Sie führen diesen historischen Ansatz also weiter? Ja, ich denke schon. Für manche war es ein Experiment, und es ist gelungen. Wir erzielen so Klangfarben, die den Charakter romantischer Werke besser treffen. Aber natürlich verwenden wir nicht überall historische Instrumente. Sie passen wiederum nicht zu späteren Werken, wie zum Beispiel zu Don Quichote von Richard Strauss.
Wohin geht die Reise des SOB mit dem neuen Kapitän Ivor Bolton? Gerade tourte das SOB unter Dennis Russell Davies erfolgreich durch England. Das Orchester wird auch mit mir vermehrt reisen. Tourneen bringen eine grössere Reputation. Wir werden darauf hinarbeiten, dass das SOB zum Beispiel in Japan oder in den USA als eines der besten Europas gilt und in den grossen Konzertsälen der Welt auftritt. Wir wollen kulturelle Botschafter der Schweiz, besonders von Basel sein. Und die musikalischen Reisen? Diese Reise geht vom frühen 19. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart. Wir werden viele Werke von Hector Berlioz spielen, auch von Robert Schumann, von Johannes Brahms und Frank Martin sowie Stücke von Igor Strawinsky, dann Sinfonien von Anton Bruckner – und seine Messen, das sind fantastische Werke. Schulen Sie das Sinfonieorchester Basel in der historisch informierten Aufführungspraxis? Das hoffe ich. Es geht um den historischen Blick auf die Werke. Wir werden in der romantischen Musik teils auch historische Instrumente einsetzen. Das verändert die Balance, führt zu einem
In Basel gibt es mit La Cetra Barockorchester Basel ein international erfolgreiches, erstklassiges Barockorchester. Und das Kammerorchester Basel hat mit den Einspielungen der Beethoven-Sinfonien unter Giovanni Antonini für hohes internationales Lob gesorgt. Bleibt da beim Sinfonie orchester Basel noch Raum für Barock und Klassik? Diese Situation existiert in allen grösseren Städten. In Amsterdam beispielsweise gibt es neben dem Concertgebouworkest das von Ton Koopman gegründete Amsterdam Baroque Orchestra. Ich zähle Basel kulturell zu den grösseren Städten der Welt. Das Kammerorchester Basel deckt einen gewissen Raum ab, La Cetra Barockorchester Basel tut es ebenso. Das SOB wiederum deckt den Zeitraum vom frühen 19. Jahrhundert bis heute ab. Nur gehören diese verschiedenen Räume den Orchestern nicht, jedes kann sich darin bewegen. Es ist ein Glück für Basel, dass die Stadt mehrere ausgezeichnete Orchester hat und zudem eine international renommierte Oper. Tasten Sie sich als Dirigent mit dem Sinfonieorchester nun auch zu den späteren romantischen Werken vor, die das Tor hin zur Moderne aufstossen, zu den Sinfonien von Anton Bruckner und von Gustav Mahler? Ja, ich liebe die Musik von Gustav Mahler, ich habe bereits mit dem Mozarteumorchester in Salzburg Mahler-Sinfonien einstudiert. Auch in Basel werde ich Mahler dirigieren. Die Bruckner-Sinfonien sind fest programmiert.
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Wie halten Sie es als Spezialist für Barock und Wiener Klassik mit der Neuen Musik? Ich bin absolut kein Spezialist, mir ist die Neue Musik wichtig. Auch in Salzburg haben wir zeitgenössische Werke aufgeführt, zum Beispiel György Ligetis Klavierkonzert mit Pierre-Laurent Aimard als Solisten. Es freut mich auch, mit Michał Nesterowicz, dem designierten 1. Gastdirigenten des SOB, einen jüngeren, sehr talentierten Kollegen zur Seite zu haben, der sich sehr gerne mit zeitgenössischer Musik auseinandersetzt. Wie werden Sie sich Ihre Aufgaben aufteilen? Das steht im Detail noch nicht fest. Er wird gewiss mehr zeitgenössische Musik dirigieren. Für das Orchester selbst ist es gut, neben mir als Chefdirigent einen so tollen jungen 1. Gastdirigenten zu haben, der auch regelmässig mit ihm arbeitet. Das gibt dem Orchester die Kontinuität, die es braucht. Nesterowicz ist auch ein grosser Kenner der slawischen Musik … Ja, das ist eine schöne Fügung. Es schliesst aber nicht aus, dass auch ich slawische romantische Werke – zum Beispiel von Antonín Dvořák – mit dem SOB aufführen werde. Aber wir gehen sicher mit einem unterschiedlichen Zugriff an die Musik heran. Es gibt genug Raum für die Pläne von uns beiden. Heute sitzt das Sinfonieorchester Basel in der typischen postromantischen Ordnung, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg durchgesetzt hat und bis in die 1990er-Jahre gängig war, mit den ersten Geigen links und den Celli rechts. Wie wird die Sitzordnung unter dem neuen Chef Ivor Bolton sein? Das ist eine gute Frage. Mit dem Mozarteumorchester in Salzburg habe ich in den vergangenen zehn Jahren viel mit der Sitzordnung experimentiert, mit den ersten Geigen links, den zweiten rechts und den Kontrabässen in der Mitte hinter den Celli. Ich möchte die Sitzordnung aber von den jeweiligen Werken abhängig machen und sie nicht von vornherein festlegen. Wichtig ist bei jeder Sitzordnung, dass der Bass als Fundament die Musik trägt.
Werden Sie das SOB auch im Theater Basel in der Oper dirigieren? Die Oper spielt in meinem Leben eine wichtige Rolle. Und die Oper in Basel geniesst international eine hohe Reputation. Das spannende neue Team mit der Operndirektorin Laura Berman und ich führen Gespräche. Aber eine Oper an einem Theater einzustudieren, bedingt, dass ich sechs bis acht Wochen ohne Unterbruch hier anwesend bin. Das schaffe ich mit meinem dichten Programm, mit meiner Arbeit am Teatro Real, den vielen Konzerten als Gastdirigent und der Arbeit in Basel, in den nächsten zwei Jahren nicht. Vielleicht später, da bin ich offen und interessiert. Haben Sie bereits Pläne für nächste CD-Einspielungen mit dem SOB? Wir werden Hector Berlioz’ dramatische Sinfonie Roméo et Juliette einspielen. Es folgen weitere Orchesterwerke von Berlioz, auch von Johannes Brahms. Frank Martin und vielleicht Weiteres von Strawinsky ist geplant. Aber ich möchte die CDProduktionen noch stärker auf die Konzerte abstimmen. Das alles erfordert doch eine grössere Präsenz hier in Basel. Fügen Sie Ihren Wohnsitzen noch einen weiteren in Basel hinzu? Ich freue mich, in dieser kulturell so reichen Stadt mit seinem interessierten, gebildeten Publikum regelmässig zu arbeiten. Ich bin es gewohnt, aus dem Koffer zu leben. Und ich habe ja noch eine Wohnung in München. Ob ich auch hier eine Wohnung miete, das weiss ich noch nicht, das wird sich später zeigen. ●
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Wolfgang Amadé Mozart: Konzert für Klavier und Orchester A-Dur
Die perfekte Balance von Jürgen Ostmann
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ls Mozart 1781 seine Entlassung in Salzburg provozierte, um in Wien als freier Künstler zu leben, hoffte er vor allem auf Einkünfte als Konzertpianist. Zunächst ging diese Rechnung auf: Die von ihm veranstalteten Subskriptionskonzerte hatten grossen Erfolg, auch in finanzieller Hinsicht. Dann jedoch trat ein Wandel ein: Bereits die geplante Aufführung des C-Dur-Konzerts KV 503 im Dezember 1786 musste Mozart aus Mangel an Abonnenten verschieben. Und seine beiden letzten Konzerte – KV 537 und KV 595 – konnte er gar nicht mehr in eigenen Akademien aufführen. Über die Gründe für diese Entwicklung haben Musikforscher viel spekuliert. Hatte sich der Geschmack des Publikums gewandelt? Wurde Mozart ein Opfer der allgemeinen Wirtschaftskrise, die infolge überstürzter Reformen und Kriegsabenteuer des österreichischen Staates eintrat? Denkbar ist noch eine weitere Erklärung: Mozarts künstlerische Entwicklung könnte ihn seinen Zuhörern entfremdet haben. Denn zu Beginn seiner Wiener Jahre war er noch sehr bewusst auf deren Hörerwartungen eingegangen. Bald jedoch nahm er immer weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse des Publikums. Der kompositorische Aufwand wurde höher, der Tonfall persönlicher – wie beispielsweise im dramatischen d-Moll-Konzert KV 466 von 1785, seinem ersten in einer Molltonart. Mit den beiden nächsten Werken, den freundlicheren Konzerten in Es-Dur (KV 482) und A-Dur (KV 488), könnte Mozart versucht haben, seine verstörten Zuhörer wieder zu versöhnen.
Das A-Dur-Konzert KV 488 trug Mozart am 2. März 1786 in sein «Verzeichnüss aller meiner Werke» ein: «Ein Klavier Konzert. Begleitung: 2 Violini, 2 Viole, 1 flauto, 2 Clarinetti, 2 fagotti, 2 Corni e Basso». In der Besetzungsliste fehlen die sonst üblichen Oboen, doch an ihrer Stelle kommen Klarinetten zum Einsatz. Diese damals noch recht neuen Instrumente setzten sich erst allmählich im Orchester durch. Sie bewirken im A-Dur-Konzert einen weicheren, intimeren Klang, der auch durch das Fehlen der repräsentativen Trompeten und Pauken begünstigt wird. Viele Kommentatoren haben an dem Werk die perfekte Balance zwischen heiterem Ton, regelmässiger Anlage und höchstem Kunstanspruch hervorgehoben. So notierte etwa Alfred Einstein: «Niemals sonst hat er einen ersten Satz geschrieben von solcher Ein-
KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER A-DUR, KV 488 Besetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner, Streicher Entstehung: 1786 Uraufführung: unbekannt Dauer: ca. 26 Minuten
Bild : Österreichische Nationalbibliothek
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Bildnis von Wolfgang Amadé Mozart (Kupfersicht von Josef Georg Mansfeld, 1789)
fachheit der Struktur, von solcher ‹Normalität› in der thematischen Relation von Tutti und Solo; von solcher Klarheit der thematischen Erfindung [...] Aber es fehlen auch nicht die trüben Färbungen und die passionierten Verstecktheiten, die der blosse Geniesser überhört.» Diese «trüben Färbungen» beginnen im Grunde schon mit dem zweiten Akkord und dem unerwarteten Ton G in den zweiten Violinen. Sie scheinen im ganzen Werk immer wieder auf und dominieren sogar den langsamen Mittelsatz. Dieses Adagio (nicht Andante, wie es in älteren Ausgaben bezeichnet ist) steht in der bei Mozart selte-
nen Tonart fis-Moll und ist im wiegenden SicilianoRhythmus gehalten. Fast in jedem Takt des Hauptthemas finden sich chromatische Vorhalte und unerwartete Harmonien. Der Mittelteil, der besonders die Klarinetten herausstellt, führt zurück zur Grundtonart A-Dur. Erinnert schon der langsame Satz ein wenig an eine Opernarie, so mutet erst recht das quirlige Rondo-Finale mit seinen zahlreichen Themen und Episoden wie eine Szene aus einer Opera buffa an. Tatsächlich arbeitete Mozart zur Entstehungszeit des Konzerts auch an seinem Figaro – und das merkt man gerade diesem Satz besonders an. ●
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Ein Heimspiel für den Pianisten Ronald Brautigam
«Ein Hammerflügel spricht, ein moderner Flügel singt» von Jenny Berg
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enn Ronald Brautigam auf der Bühne zum Klavier schreitet, dann fallen unweigerlich seine halblangen weissen Locken auf. Schon oft haben sie ihm einen Vergleich mit Ludwig van Beethoven eingebracht, der sein Haar im berühmten Porträt von Joseph Karl Stieler ganz ähnlich trug. Doch das ungestüme Temperament, das man Beethoven zuschreibt, gehört nicht zu Brautigams hervortretenden Eigenschaften als Pianist. Vielmehr ist er ein feinsinniger Interpret, der sich sehr genau überlegt, warum er etwas wie spielt. Und welche Musik auf welchem Instrument am besten klingt. In der letzten Saison hat sich Ronald Brautigam selbst beschenkt: Zu seinem 60. Geburtstag führte er in seiner Heimatstadt Amsterdam alle fünf Klavierkonzerte von Beethoven auf – auf fünf verschiedenen Hammerflügeln. Das hat seinen Grund: In den fünfzehn Jahren, innerhalb derer Beethoven seine Klavierkonzerte komponierte, entwickelte sich der Instrumentenbau stark. Schon allein der Umfang der Klaviatur vergrösserte sich von fünf zu sechseinhalb Oktaven. Das hatte kompositorisch grosse Konsequenzen. Aber auch klanglich war die Entwicklung rasant, vom trockenen Cembaloklang bis hin zum volltönigen romantischen Klaviersound. Deshalb sucht Brautigam, bevor er eine CD aufnimmt, lange, bis er für den Charakter einer Musik auch das für ihn passende Instrument gefunden hat.
Dabei hat Brautigam erst mit Mitte dreissig, «relativ spät», wie er selbst findet, die historischen Klaviere entdeckt. Das kam einem Erweckungserlebnis gleich: «Durch den Hammerflügel bin ich viel näher zur Musik gekommen. Ich habe die Klangwelt Beethovens gehört», sagte er einmal. Wenn man wisse, für welches Instrument ein Komponist seine Werke geschrieben habe und welche klanglichen Eigenschaften dieses Instrument hatte, dann verändere das zwangsläufig die eigenen Interpretationen. Bei Mozart ist es ihm ähnlich ergangen. Lange hat ihn die Spielweise seines letzten und berühmtesten Lehrers Rudolf Serkin geprägt. Fast achtzig Jahre alt war Serkin, als Brautigam bei ihm am legendären Curtis-Institute in Philadelphia studierte. Doch auf dem modernen Flügel klang ihm Mozart oft zu poliert, zu platt. Auf dem Hammerflügel aber konnte er Mozarts Musik dramatischer und kraftvoller darstellen. Auf die Frage, was denn den wesentlichen Unterschied zwischen den historischen und modernen Tasteninstrumenten ausmache, antwortet er: «Ein Hammerflügel spricht, ein moderner Flügel singt.» Das Sprechende in der Musik Mozarts, die harmonischen Wechsel, die dynamischen Unterschiede – all das lasse sich auf dem modernen Flügel schwieriger realisieren. Weil der Ton, bevor er singen kann, schon wieder abgedämpft werde. Ein Hammerflügel sei grundsätzlich transparenter, spreche viel direkter an.
Bild : Marco Borggreve
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Leichter sei ein Hammerflügel aber dennoch nicht zu spielen, sagt er. «Ich bin als moderner Pianist trainiert, und da braucht man ziemlich viel Geschwindigkeit, Kraft, und einen tiefen Anschlag. All das geht nicht beim Hammerflügel. Man muss da eigentlich nur mit den Fingerspitzen spielen und alles Sonstige weglassen. Das ist eine ganz neue Struktur. Man muss das Klavierspielen wieder neu erfinden.» Seine Erfahrungen auf den historischen Instrumenten haben sein Spiel auf dem modernen Flügel deutlich geprägt. Man hört, wie er die Eigenheiten der alten Instrumente, ihre vielfältigen Artikulations möglichkeiten und die farbige Dynamik auf den modernen Steinway überträgt. Brautigam verbindet die sprechenden und die singenden Elemente, spannt mit grosser Klarheit weite Bögen und gleitet bei all seinem Wissen um die historische Dimension nie ins Akademisch-Trockene ab. Derzeit spielt er sämtliche Klavierkonzerte von Mozart mit der Kölner Akademie unter Michael
lexander Willens ein. Die Klavierkonzerte von BeetA hoven sowie sämtliche Klaviersonaten sind bereits auf CD erschienen; ebenso wie sein Haydn-Zyklus (beim Label BIS). Natürlich auf dem Hammerflügel. Dass er sich dennoch bei aller Liebe zu den historischen Flügeln immer wieder an den Steinway setzt, hat auch pragmatische Gründe: Die alten Instrumente sind nicht für grosse Konzertsäle ausgelegt. Will man diese füllen, braucht es ein modernes Instrument – und auch ein grosses Orchester. Zudem unterrichtet Brautigam modernes Klavier: Seit 2011 ist er Professor für Klavier an der Basler Musikhochschule. Sein Konzert mit dem Sinfonieorchester Basel ist also auch ein kleines Heimspiel. ●
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Darius Milhaud: La Création du monde und Schlagzeugkonzert
Darius in der Unterwelt – wie weit darf ein Komponist sich herablassen? von Robert Piencikowski, Paul Sacher Stiftung
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as Dekor des am 25. Oktober 1923 im Théâtre des Champs-Elysées uraufgeführten Balletts La Création du monde von Darius Milhaud mit seinem von Blaise Cendrars der eigenen Anthologie Nègre (1921) entnommenen Szenario gilt als eines der ersten primitivistischen Bühnenbilder der Nachkriegszeit. Allerdings gab es berühmte Vorbilder – der zehn Jahre zuvor am selben Ort uraufgeführte Sacre hatte sich tief in die Erinnerung eingeprägt. Von Rolf de Maré für seine ‹Ballets suédois› in Auftrag
LA CRÉATION DU MONDE, OP. 81A Besetzung: 2 Flöten, Oboe, 2 Klarinetten, ltsaxophon, Fagott, Horn, 2 Trompeten, Posaune, A Pauken, Schlagzeug, Klavier und Streicher Entstehung: 1923 Widmung: Paul Collaer und Roger Désormière Uraufführung: 25. Oktober 1923, Théâtre des Champs-Élysées in Paris Dauer: ca. 15 Minuten
gegeben, entfaltete sich Jean Börlins Choreographie in den Bühnenbildern von Fernand Léger, der sich ganz bewusst an die damals als ‹Art nègre› bezeichneten und von zeitgenössischen Galeristen bereits erfolgreich vermarkteten Kunstformen anlehnte. Musikalisch inspiriert war Milhaud von der jüngsten Entdeckung der Londoner Bühnen und der Musikkeller des New Yorker Untergrunds, dem Jazz. Diese Anleihe aus der urbanen Populärmusik folgt dem von Emmanuel Chabrier in Frankreich bekannt gemachten ‹Style canaille›, dem in der Malerei etwa die Plakate von Toulouse-Lautrec oder Manets Gemälde Un bar aux Folies-Bergère (1880) entsprechen, das Chabrier von seinem Malerfreund erwarb. Der Jazz war bei Weitem nicht der erste neue Stil, mit dem sich ein in Frankreich lebender Komponist vergnügte: Debussy hatte sich vom Music-Hall verleiten lassen (Golliwog’s cake-walk, General Lavine, eccentric), ebenso Satie (Parade) und Strawinsky (Histoire du soldat, Ragtime). Dazu gehörte auch das Caf’conç’ (café-concert) mit den Chansons von Satie oder dem anspruchsvolleren Pierrot lunaire von Schönberg, für dessen Pariser Erstaufführung Ravel und Milhaud sich schon zuvor stark engagiert hatten. Gleichzeitig begeisterte sich die deutschsprachige Musikszene (Berg, Hindemith, Weil, Krenek) für das
Bild : Sammlung Darius Milhaud, Paul Sacher Stiftung
Darius Milhaud: Konzert fĂźr Schlagzeug und kleines Orchester, op. 109 (1929/30), Schlagzeugpartie, Anordnung der Perkussionsinstrumente, Originalmanuskript
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Kabarett. In Paris war die Zeit eindeutig reif für einen ‹Abstieg› in die Populärmusik mit ihren synkopierten Rhythmen. Milhaud, den bereits die brasilianische Musik fasziniert hatte, schloss sich dem neuen Trend an und dürfte auch indirekt einen Teil seiner selbst – seine jüdische Abstammung – in die Musik der unterdrückten schwarzen Minderheiten projiziert haben, denn der Ruf nach Befreiung und zum Kampf gegen Unterdrückung ist in der afroamerikanischen Musik unverkennbar. La Création du monde gliedert sich in fünf Teile mit Ouvertüre, die nahtlos aufeinander folgen. Die naive Erotik unter dem Deckmäntelchen des Primitivismus entlockt den heutigen Betrachtern wohl eher ein Lächeln ... damals wirkte sie aber als Provokation und trug dazu bei, dass das Werk zu seinem skandalösen Ruf kam und nach nur elf Aufführungen vorerst nicht weiter gezeigt wurde. Die geradezu auffällig nüchterne Instrumentierung lehnt sich an das Musical Liza (1922) von Maceo Pinkard an und öffnet den Instrumentensoli wie in den afroamerikanischen Ensem bles viel Raum: Saxophon, Kontrabass, Posaune, Klarinette, Klavier und Schlagzeug gliedern sich in ein recht traditionelles kammermusikalisches Ensemble ein, wie dies bei den Broadway-Produktionen der 1920er-Jahre der Brauch war. Einige Anleihen aus der Barockmusik (Fuge, Suite) nähern das Werk dem damals modernen, von Strawinsky, Satie, Cocteau und Picasso geprägten neoklassischen Trend an. Das sieben Jahre später entstandene Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester geht auf einen Auftrag der ‹Concerts Pro Arte› in Brüssel zurück und wurde für den Schlagzeuger Théo Coutelier geschaffen. Als eines der ersten seiner Art wurde es am 12. Dezember 1930 im Palais des Beaux-Arts der belgischen Hauptstadt uraufgeführt. Gewidmet ist es dem Musikwissenschaftler Paul Collaer, der die ‹Pro Arte›-Konzerte für moderne Musik initiiert hatte und später auch eine Biografie des Komponisten schreiben sollte. Das wie aus einem Guss geformte Werk verbindet einen ersten, direkt an die letzten Takte der Histoire du soldat angelehnten Teil mit einer Trauermusik, deren kurze Coda die allerersten Takte der Partitur flüchtig wieder aufnimmt. Das Schlagzeug in Form eines von Milhaud akribisch geplanten Drumset (siehe Abb. auf S. 15) spielt mit der unschar-
fen Beziehung von fixierten und nicht fixierten Tonhöhen. In stilistischer Hinsicht sind beide Werke von der Vermischung verschiedener Genres geprägt – frech drängt sich in die ehrwürdigen Ensembles das gemeine Schlagzeug mit seinem abrupten rhythmischen Skandieren hinein, nachdem es im anerkannt ‹noblen› deutschen sinfonischen Repertoire allein militärische oder exotische Akzente setzen durfte. Die Jahrhundertwende und die zeitgenössische gesellschaftliche Entwicklung führen dazu, dass der niedere Stil nicht nur Teil der Realität wird, sondern sich als Ausdruck einer Form der Sublimierung etabliert, in der alle musikalischen Genres, alle ästhetischen Ideale einträchtig miteinander leben: Auf die ‹Belle Époque› folgen die ‹Années folles›. Ohne den Ersten Weltkrieg wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Doch ihr Preis war hoch: Cendrars verlor im Krieg einen Arm, Léger erlitt irreparable Lungenschäden. Heute ist es kaum noch von Bedeutung, dass die beiden Partituren bei ihrer Uraufführung für Unruhen gesorgt haben – auf diesen Effekt hin waren sie schliesslich angelegt. Sie sind nun brave Repertoirewerke der Sinfonievereine und teilen somit das Schicksal jeglichen Aktes der Auflehnung: Klammheimlich wird er von den Kreisen übernommen, die ihn zunächst vehement ablehnten. Zweifelsohne verraten sich so die verdrängten und nie eingestandenen Gelüste derer, die zuvor am lautesten verurteilten. ●
KONZERT FÜR SCHLAGZEUG UND K LEINES ORCHESTER, OP. 109 Besetzung: 2 Flöten, 2 Klarinetten, Trompete, Posaune und Streicher Entstehung: 1929/30 Widmung: Paul Collaer Uraufführung: 12. November 1930, Palais des Beaux-Arts in Brüssel Dauer: ca. 7 min
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Domenico Melchiorre im Gespräch
Fasziniert von der Vielfalt des Schlagzeugs von Alfred Ziltener
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omenico Carlo Melchiorre ist Schlagzeuger, Instrumentenbauer – und er malt. Im Konzertprogramm ‹Création› spielt er den Solopart im Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester von Darius Milhaud. Alfred Ziltener: Ein Schlagzeug-Idol wie Ringo Starr zu werden, war der Traum ganzer Generationen von Buben. Deiner auch ? Domenico Melchiorre: Natürlich. Aber Musik und vor allem Rhythmus haben mich schon früher, als kleines Kind, fasziniert. Meine Eltern sagen, dass ich dauernd auf allem Möglichen herumgetrommelt und einmal sogar die Drehknöpfe des Radios herausgerissen habe, weil ich unbedingt Musik hören wollte. Mit sieben Jahren hätte ich gerne Basler Trommeln gelernt, doch der Lehrer hat mich abgewiesen: «Kein Rhythmusgefühl!» Das war natürlich eine bittere Enttäuschung (lacht). Die Eltern liessen das zum Glück nicht auf sich sitzen und meldeten mich in der Schlagzeugklasse der Musikschule in unserem Wohnort Pratteln an, wo ich auch angenommen wurde. Die Familie hat mich überhaupt immer unterstützt. Meine Eltern haben mir meine ersten Schlaginstrumente gekauft; mein Grossvater hat mir seinen Keller zum Üben überlassen. Und heute entwickelt mein Vater mit mir neue Instrumente. Ringo Starr war zunächst wirklich eines meiner Vorbilder, doch bald genügte mir das klassische Rock-Drumset nicht mehr, und ich begann die grosse Vielfalt der Schlaginstrumente zu entdecken. Mit zwölf wusste ich: Das wird mein Beruf!
Ich habe allerdings nicht davon geträumt, ein Star zu werden; mich hat die Energie fasziniert, die durch den Rhythmus entsteht. Und wie gings weiter ? Ich habe bei Professor Bernhard Wulff an der Musikhochschule Freiburg studiert, einerseits weil er ein hervorragender Musiker und Lehrer war, andererseits weil ich weg wollte, um Neues zu entdecken. In dieser Zeit war ich Mitglied des Schlagzeugensembles Freiburg, mit dem ich unter anderem durch China und die Mongolei gereist bin. Noch während meines Studiums habe ich 2006 ein Praktikum im Sinfonieorchester Basel gewonnen. Als im Jahr darauf die Paukenstelle frei wurde, hat man mich zunächst jeweils für ein Jahr als Paukist verpflichtet. Nach gewonnenem Probespiel bin ich 2011 fest als Solo-Paukist beim SOB engagiert worden. Nicht als Schlagzeuger? Wo ist der Unterschied? Die Ausbildung zum Paukisten ist eine zusätzliche Spezialisierung im Schlagzeugbereich. Es ist eine Schlüsselstellung im Orchester. Man trägt eine besondere Verantwortung für die rhythmische Stabilität, bestimmt und gestaltet unter anderem aber auch wesentlich Tempo und Lautstärke mit. Du bist auch ausserhalb des SOB in unterschiedlichen Gruppen aktiv, etwa im ‹Ensemble XII› und im Duo ‹Eardrum›. Das ‹Ensemble XII› besteht aus 12 Schlagzeugern aus unterschiedlichen Ländern. Die Gruppe wurde 2004 vom Lucerne Festival zusammengestellt für die damals noch von Pierre Boulez geleitete
Bild: Hannes Bärtschi
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Festival-Akademie und spielte unter anderem Ionisation und Amériques von Edgar Varèse. Boulez war vom Ensemble so begeistert, dass wir mit seiner Unterstützung der Festivalleitung eine mehrjährige Residenz für uns vorschlugen, mit der
Möglichkeit, rund zwölf Kompositionsaufträge für gross besetztes Perkussions-Ensemble zu vergeben, die Stücke aufzuführen und zu dokumentieren. Die besten Werke haben wir inzwischen auch auf CD aufgenommen. – ‹Eardrum› bewegt sich
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quasi am anderen Ende der Skala. Es ist ein Kammermusik-Projekt zusammen mit dem deutschen Schlagzeuger Johannes Fischer, den ich im Studium kennengelernt habe. Auch wir erweitern das Repertoire mit Auftragswerken, die wir auf unseren Tourneen in Europa, Asien und Amerika vorstellen. Gelegentlich musizieren wir mit dem Münchner Klavierduo ‹d’accord›. Mit ihm haben wir unter anderem Béla Bartóks Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug eingespielt. – Zudem spiele ich im Basler Schlagzeugensemble, das aus Musikern des Sinfonieorchesters Basel besteht, und habe dafür auch diverse Werke komponiert. Das Reisen als Schlagzeuger stelle ich mir enorm aufwendig vor. Vermutlich braucht man einen Lastwagen, um all die grossen, sperrigen Instrumente zu transportieren? Das ist leider so. Ich habe mir immer gewünscht, Tourneen mit ganz wenig Gepäck machen zu können. Als ich vor einigen Jahren als Kurator zum internationalen Kompositions-Wettbewerb ‹San Fedele› in Mailand eingeladen wurde, habe ich darum vorgeschlagen, von allen Teilnehmenden neue Schlagzeug-Solowerke zu verlangen, die von der Grösse des Materials im Flugzeug ins Handgepäck passen. Auch später habe ich solche Aufträge vergeben. Inzwischen ist eine ganze Reihe von ‹Bag on Tour›-Stücken entstanden. Mit diesem Repertoire gehe ich nun auf Reisen, mit einem Instrumentenkoffer und einem kleinen privaten Gepäckstück. Du hast vorhin neue, selbst erfundene Instrumente erwähnt. Das wichtigste ist das ‹Nicophon›, das ich zusammen mit meinem Vater Nicola –nach ihm ist das Instrument benannt – entwickelt habe. Er ist Lastwagenmechaniker und hat mir mit seinem Know-how sehr geholfen. Das Nicophon besteht aus einem dicken Metall-Vierkantrohr, in das verschieden grosse, unterschiedlich geformte Lamellen eingeschnitten sind. Wenn eine Lamelle angeschlagen wird, schwingen die andern mit und verändern so das Klangspektrum, je nach Härte und Grösse des Schlegels. So entsteht ein variabler, sehr obertonreicher Klang. Wir haben ein ganzes Set von Nicophonen von unterschiedlicher
Grösse gebaut. Diverse Ensembles, Solisten und Komponisten haben das Instrument gekauft; mittlerweile gibt es auch eine ganze Reihe von Werken für Nicophon. Viele SOB-Mitglieder haben neben der Musik noch ein zweites, weniger bekanntes Leben. Du auch? (zögert zunächst) Nun ja ... ich male – nicht regelmässig, sondern phasenweise. Dann arbeite ich aber meistens mehrere Wochen an mehreren Bildern gleichzeitig. Wie in der Musik interessiert mich dabei vor allem die Energie, die in einem Bild entsteht. Im Konzertprogramm ‹Création› bist du der Solist im 1929/30 komponierten Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester von Darius Milhaud. Dass Milhaud in seinem Konzert das Schlagzeug in den Mittelpunkt rückte, war damals höchst ungewöhnlich und zusammen mit dem ein Jahr später komponierten Werk Ionisation für dreizehn Schlagzeuger von Edgar Varèse ein wichtiger Impuls für die Entwicklung des Schlagzeugs. Bei Milhaud steht der Solist vor einem klein besetzten Orchester und ist umringt von zahlreichen Schlaginstrumenten, bis hin zu Tamburin, Ratsche und Triangel. Trotz dieses Aufwands bleibt die Musik durchsichtig, filigran, mit vielen damals neuartigen Klangmischungen. Dabei wirkt jeder Ton wie ein Diamant. Darin liegt auch die Herausforderung für den Solisten: Das Konzert ist eigentlich nicht virtuos, aber jeder einzelne Klang muss höchste Qualität haben. Das ist mir auch sonst wichtig: Ich suche bei jedem Instrument nach der richtigen Technik, dem richtigen Anschlag, um einen optimalen Klang zu erzeugen. Du spielst nach dem Autograph der Paul Sacher Stiftung. Gibt es da Abweichungen zur publizierten Fassung? Ich habe eine Kopie der Partitur und eine Solostimme erhalten. Dieser Solopart wird oft gespielt, ist jedoch, verglichen mit der Schlagzeugstimme in der Partitur, an unterschiedlichen Stellen stark vereinfacht. Ich werde aber die Fassung mit dem gesamten musikalischen Material aus der Partitur spielen. ●
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Wolfgang Amadé Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur
Hommage an Haydn? von Jürgen Ostmann
B
evor Wolfgang Amadé Mozart sich 1781 als freier Künstler in Wien selbstständig machte, hatte ihn sein Salzburger Vorgesetzter Graf Arco noch gewarnt: «Hier dauert der Ruhm eines Menschen sehr kurz – von Anfang an hat man alle Lobsprüche und gewinnt auch sehr viel, das ist wahr – aber wie lange? Nach etwelchen Monaten wollen die Wiener wieder was Neues.» Diese Prophezeiung erfüllte sich tatsächlich – zwar nicht «nach etwelchen Monaten», aber doch in der zweiten Hälfte der 1780er-Jahre. In dieser Lage schrieb Mozart im Sommer 1788 innerhalb von nur acht Wochen seine drei letzten Sinfonien: Unter dem 26. Juni trug er die EsDur-Sinfonie KV 543 in sein Werkverzeichnis ein, am 25. Juli folgte die g-Moll-Sinfonie KV 550 und am 10. August die C-Dur-Sinfonie KV 551. Noch erstaunlicher wird diese Arbeitsleistung, wenn man bedenkt, dass im gleichen Zeitraum noch eine ganze Reihe weiterer Werke entstand.
SINFONIE NR. 39 ES-DUR, KV 543 Besetzung: 2 Flöten, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauke und Streicher Entstehung: 1788 Uraufführung: ungeklärt; 1788 in Wien? Oder 15. Oktober 1790 in Frankfurt am Main? Dauer: ca. 28 min
Über die Gründe für die rastlose Aktivität kann man nur spekulieren, da ein äusserer Anlass nicht belegt ist. Mozart hatte offenbar weder einen Auftrag noch konkrete Aussichten auf eine Konzertwiedergabe der Sinfonien. Vom Publikum wurde er nur noch als Randerscheinung wahrgenommen, und womöglich wollte er ja mit den neuen Werken an den Erfolg seiner ersten Wiener Jahre anknüpfen. Falls das zutrifft, war der Versuch jedoch vergeblich. Dass Mozarts wirtschaftliche Lage zur Entstehungszeit der Sinfonien verzweifelt gewesen sein muss, zeigen die immer drängenderen Bettelbriefe an den Kaufmann Michael Puchberg, seinen Freimaurer-Logenbruder. Am 17. Juni 1788 wechselte er zum elften Mal seine Wohnung in Wien (dieses Mal in den Vorort Alsergrund), und am 27. Juni, einen Tag nach Vollendung der Es-Dur-Sinfonie, schrieb er an Puchberg: «Ich habe in den 10 Tagen dass ich hier wohne mehr gearbeitet als in andern Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muss), würde es noch besser vonstattengehen, denn ich wohne angenehm, – bequem – und – wohlfeil!» Wenn die Uraufführungen der letzten drei Sinfonien auch nicht dokumentiert sind, muss das keineswegs heissen, dass sie zu Mozarts Lebzeiten nicht stattgefunden hätten. Vielleicht kamen die Werke ja doch während eines Konzerts in Wien zur Aufführung? Oder auf einer Tournee, die Mozart 1789 in verschiedene deutsche Städte führte? Oder bei seiner Akademie am 15. Oktober 1790 in Frankfurt am Main? Dort fand um diese Zeit die Kaiserkrönung Leopolds II. statt, zu der Mozart auf eigene Kosten angereist war. Unglaubhaft scheint einzig die Behauptung, die späte
Sinfonien-Trias sei nur aus innerem Ausdrucksbedürfnis komponiert worden, als «Vermächtnis für die Nachwelt» oder «Appell an die Ewigkeit» (Alfred Einstein). Diese Vorstellung gehört in den Bereich der romantischen Legenden, die sich schon bald nach Mozarts Tod vor allem um sein Spätwerk rankten. Unabhängig von der praktischen Verwendung der Werke kann man natürlich fragen, welche musikalischen Anregungen Mozart bewegten. Dazu hat der Musikwissenschaftler Ludwig Finscher eine interessante Idee geäussert, die er vor allem auf die Anlage der Es-Dur-Sinfonie KV 543 stützt: «Es ist schwerlich ein Zufall, dass die drei ersten der Pariser Sinfonien Haydns in den Tonarten der Mozartsinfonien stehen – C, g und Es –, dass beide Es-Dur-Sinfonien mit einer langsamen Einleitung beginnen, dass Mozart im Finale seines Werkes einen pointiert ‹haydnschen› Ton anschlägt.» So wie einige Jahre zuvor Haydns ‹russische› Quartette op. 33 Mozart zur Serie der sogenannten ‹Haydn-Quartette› angeregt hatten, könnte also nun das Bekanntwerden der ‹Pariser Sinfonien› – die ersten drei waren wenige Monate zuvor beim Wiener Verlag Artaria erschienen – der Auslöser für die erneute Beschäftigung mit der Gattung Sinfonie gewesen sein. Den wichtigsten Unterschied zu Haydns Es-DurWerk (der Sinfonie Nr. 84) sieht Finscher darin, «dass der Musikdramatiker Mozart den in der Operntradition verfestigten Charakter der Tonart nachdrücklich auskomponiert: das hohe Pathos der ombra-Szenen [Darstellung der Unterwelt, zumeist in Es-Dur] und Priester-Zeremonien, das drei Jahre später die ‹Zauberflöte› prägen wird. Punktierte Rhythmen und Dreiklangsmotive, Marsch-Gestus und prunkvolle Instrumentation – am stärksten zugespitzt in der Einleitung, die deutlich auf das schon Geschichte gewordene Modell der französischen Ouvertüre anspielt – akzentuieren diese Grundhaltung.» Die Handschrift des Dramatikers Mozart zeigt auch der weitere Verlauf des Kopfsatzes von KV 543 mit seinen Kontrasten zwischen sanglichem Hauptthema und einem ener gischen Dreiklangsmotiv. Wegen der «schroffen Kontraste» und «impulsiven Stimmungsumschläge» gerade dieses Allegro-Teils nannte der Mozart-Biograf Hermann Abert das Werk «Mozarts romantische Sinfonie». Ein weiterer Beiname, nämlich «Schwanen
Bild: Österreichische Nationalbibliothek
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Wolfgang Amadé Mozart am Klavier (Stahlstich von F. Randel)
gesang», kam bereits im 19. Jahrhundert in Gebrauch. Er erscheint jedoch wenig passend und konnte sich nicht durchsetzen. Unerwartete Stimmungswechsel prägen auch das Andante con moto in der bei Mozart seltenen Tonart As-Dur: Verhalten, kontrolliert wirkt der Beginn, stürmisch erregt die Fortsetzung in f-Moll – und dann durchdringen sich die beiden Sphären. Höchst wirkungsvoll stellt Mozart im folgenden Menuett dem höfisch-galanten Hauptteil ein ländlerisch-zupackendes Trio mit volkstümlichem Klarinettenthema und Flöten-Nachhall gegenüber. Besonders deutlich zeigt sich der Haydn-Einfluss noch einmal im Finale – unter anderem im Prinzip der Monothematik: Mozart hat den Seitensatz motivisch aus dem Hauptsatz abgeleitet. An Haydns Witz erinnern zudem die vielen überraschenden Wendungen, darunter nicht zuletzt das Ende des Satzes und der ganzen Sinfonie. Dieser Schluss empörte den Schweizer Musiktheoretiker Hans Georg Nägeli so, dass er ihn 1826 in seinen Vorlesungen über Musik «stillos unschliessend» nannte – «so abschnappend, dass der unbefangene Hörer nicht weiss, wie ihm geschieht». ●
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Vorlaut – Eine Serie
Gott in Frankreich von Alain Claude Sulzer
A
m Anfang war das Unbekannte, der Schöpfer, Gott, das Wort. Die namenlose Allmacht erschuf jene Stoffe, ohne die wir nicht leben könnten: Luft, Land, Wasser, Pflanzen, Tiere. Der Auftritt des Menschen als Krone der Schöpfung lag noch in weiter Ferne. Als er aus dem Dunkel auftauchte, entzündete er das Feuer, und der erste Bruderzwist entbrannte. Das war jedoch nicht alles: Schritt für Schritt wurde die Welt noch etliche Male in kleinerem Rahmen neu erschaffen: Als man entdeckte, dass sich der Stein zum Werkzeug eignete, mit dem sich weitere Werkzeuge aus diversen Stoffen herstellen liessen; als man gewahr wurde, dass sich gewisse Pflanzen, die von den ahnungslosen Ahnen ignoriert worden waren, verzehrt werden konnten; als man herausfand, dass wilde Tiere sich erfolgreich zähmen lassen und nicht nur Milch und Eier liefern, sondern auch gegessen werden können – um satt zu werden und um des Genusses willen. Eines schönen Tages lag in Südamerika die erste gekochte Kartoffel auf dem Tisch, und eines weiteren Tages wand sich in China die erste Nudel um ein Stäbchen. Dazu musste man allerdings gelernt haben, dass Hitze mehr vermag, als den Frierenden zu wärmen und wilde Tiere davon abzuhalten, den Wehrlosen zu schrecken. Ein weiter Weg, bis man die Erfahrung gemacht hatte, dass Hitze Rohes gar, Trockenes geschmeidig, Kühles warm und Warmes heiss machen kann. Kurzum: dass Feuer all das geniessbar macht, was ungegart nicht essbar, ja oftmals sogar tödlich wäre. Nach der Entdeckung des Feuers als Garkocher schlug die Stunde der Köche. Aus dem «Es werde» wurde ein «Man nehme». Aus dem «Ich esse» «Ich geniesse».
Darius Milhaud, in Marseille geboren, wuchs in Aixen-Provence auf, im Hinterland der mediterranen Küche, dem Hauptort der olivensatten Tapenade und knoblauchdichten Sauce Aïoli, ohne die eine Bouillabaisse bloss eine gewöhnliche Fischsuppe wäre. Dass Milhaud bei seiner Création du monde an die Komposition eines sechsgängigen Essens gedacht haben könnte, ist pure Unterstellung; dass er sich während der Entstehung dieses Werks mehr als einmal an einen gedeckten Tisch gesetzt hat, darf als gesichert gelten. Die tägliche Speisefolge als bodenständige Schöpfung, als immerwährende Erneuerung und Stimulans zu betrachten, dürfte dem Provenzalen nicht fremd gewesen sein. Wer gemeinsam mit Künstlerfreunden einen Ochsen aufs Dach schickt, um einem Restaurant namens ‹Le boeuf sur le toit› die gewünschte Publicity zu verschaffen, weiss den Wert eines guten Essens ebenso zu schätzen wie den Koch, der ein Schöpfer ist wie er selbst. Wer der Küche als einzigem Ort im Haus einen Satz widmet, wie Milhaud es in seiner Klaviersuite La muse ménagère tat, kennt ihren Rang im Gefühlshaushalt des Menschen, zumal in Frankreich, wo Gott sich bekanntlich mit Vorliebe aufhält. Aus Gründen des Genusses, wie man weiss, seitdem bekannt geworden ist, dass er in Frankreich am liebsten isst. Am Anfang war vielleicht ein gutes Essen, das Gott in seiner unermesslichen Einsamkeit alleine zu sich nahm, in dessen Verlauf er aber auf den Gedanken kam, dass ausser ihm noch andere in den Genuss solcher Mahlzeit kommen sollten, was ihm den Anlass lieferte, ein Wesen zu erschaffen, das mit einem Mund und einer Nase, einer Zunge und einen Gaumen ausgestattet war, die ihm erlaubten, auf seiner Spur den Genüssen der Schöpfung zu folgen. ●
Bild : Alain Claude Sulzer
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Orchester-Geschichte(n), Teil 3
Die Basler Glocken
Bild : Kenneth Nars
von Sigfried Schibli
Die Basler Glocken
G
locken kennt die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Einst glaubte man, sie würden böse Geister fernhalten, und noch heute gehören sie zum Inventar der Kirchen fast aller Konfessionen, dienen aber auch als Erkennungszeichen von Viehherden. In der Musik kommen echte Glocken – zu unterscheiden von Röhrenglocken – etwa in Puccinis Tosca vor, bezeichnenderweise im Te Deum dieser Oper. Schon lange vor ihm haben Luigi Cherubini (Elias), Carl Maria von Weber (Der Freischütz) und Gioachino Rossini (Wilhelm Tell) Orchesterglocken verlangt.
1830 hat der französische Komponist Hector Berlioz in seiner Symphonie fantastique Glocken vorgesehen, und zwar eine Glocke in C und eine tiefere in G. Sie kommen im 5. und letzten Satz, dem Traum einer Sabbatnacht, zum Einsatz. Dort begleiten sie mit ihrem düsteren Geläute die Totenfeier für den tragischen Helden und läuten beklemmend den apokalyptischen Totenhymnus Dies irae (Tag des Zorns) ein. Schon Berlioz war sich bewusst, dass grosse Glocken nicht zum gängigen Instrumentarium eines Sinfonieorchesters gehören. Er merkte daher in seiner Orchesterpartitur zur Symphonie fantastique an, man
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könne anstelle der Glocken auch «mehrere Klaviere» verwenden, die auf der Bühne aufzustellen seien. Diese Lösung befriedigte Dirigenten und Orchestermusiker schon länger nicht mehr, sodass sie es vorzogen, Röhrenglocken, Plattenglocken oder – in jüngerer Vergangenheit – elektronische Klänge zu verwenden. Als in den späten 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Basel eine Aufführung dieses Hauptwerks der französischen Romantik geplant war, kam eine wohlhabende Persönlichkeit auf die Idee, dem Orchester zwei Kirchenglocken in den vom Komponisten geforderten Tonhöhen zu schenken. (Der anonyme Spender war kein anderer als Paul Sacher.) Man erteilte der Glockengiesserei Aarau den Auftrag dazu, und die ganze Schlagzeuggruppe des damaligen Orchesters der Basler Orchester-Gesellschaft reiste mit dem Orchesterverwalter Hans Ziegler in die Glockengiesserei Aarau, um das Ergebnis zu prüfen. Siegfried Kutterer erinnert sich noch genau an diesen Tag vor bald vierzig Jahren. «Die Herausforderung bestand darin, dass die Glocken genau auf 442 Hertz gestimmt waren, denn Nachstimmen geht bei Glocken nicht.» Es muss ein feierlicher Moment gewesen sein, als der Mantel der Glocken aufgebrochen wurde – sozusagen die Taufe der neuen Instrumente. Da gleichzeitig auch Kirchenglocken gegossen worden waren, war ein Priester zum Segnen der Glocken anwesend. Die Basler Glocken blieben aber, da für weltliche Zwecke bestimmt, ungesegnet. Sie erhielten Gravuren, auf denen die Namen des Verwalters
Hans Ziegler, des Präsidenten Hans Oesch sowie der Regierungsräte Lukas ‹Cheese› Burckhardt (Finanzdepartement) und Arnold ‹Noldi› Schneider (Erziehungsdepartement) festgehalten waren. Beide Politiker steuerten mehr oder weniger launige Verse bei, die ebenfalls eingraviert wurden. Ausserdem wurden die Namen der Schlagzeuger vom Basler Sinfonieorchester und vom Radio-Sinfonieorchester Basel auf den Glocken verewigt. Da ‹normale› Kirchenglocken in der Tonstärke ausserordentlich schwer zu beherrschen sind, hatte man die Klöppel mit einer mechanisierten Feder ausrüsten lassen. «Wenn leisere Töne gefordert waren, benutzten wir einen Holzhammer», erinnert sich Siegfried Kutterer. Ein Dauerproblem bei Orchesterglocken ist das Abdämpfen des Tons. «Man kann sich ja nicht wie Quasimodo auf die Glocke draufwerfen, um den Klang zu dämpfen», sagt Kutterer. Zeitgenössische Komponisten forderten oft, dass der Ton einer Glocke ‹subito› verklingen solle – praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Normalerweise lagern die 1200 und 800 Kilogramm schweren Glocken im Theater Basel. Als sie einmal über den Steinenberg hinüber ins Stadtcasino transportiert werden mussten, blieb das Gestell mit der schwereren Glocke in den Tramschienen stecken, was ein nervöses Gebimmel der blockierten Strassenbahnen nach sich zog. Tramglocken gegen Orchesterglocken – ein musikalisches Duett mit Seltenheitswert! ●
Impressum Sinfonieorchester Basel, Steinenberg 19, 4051 Basel, +41 ( 0 )61 205 00 95, info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch, www.facebook.com/sinfonieorchesterbasel, twitter.com/symphonybasel Geschäftsleitung : Franziskus Theurillat Leitung Künstlerische Planung : Dr. Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin : Simone Staehelin und Cristina Steinle Titelbild : Christian Aeberhard, Basel Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung : Neeser & Müller, Basel Druck : Schwabe AG, Basel/Muttenz Auflage : 5500 Exemplare Partner:
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Diane Eaton und Valentina Jacomella Roesti im Gespräch
«Das Instrument ist ein Teil von mir»
Diane Eaton, Hornistin im Sinfonieorchester Basel, und Valentina Jacomella Roesti, Violinistin im Sinfonieorchester Basel, unterhalten sich über Kinder, Velofahren und Problemzonen bei Musikern. aufgezeichnet von Cristina Steinle
Diane Eaton: Ich habe eine Frage an dich: Als ich im Tram unterwegs war zum Bus nach Besançon, wo wir ja im September spielten, habe ich dich und deine Kinder aus dem Tram raus im Park gesehen. Da habe ich gedacht: Der Bus fährt in 7 Minuten los, also wirst du wohl nicht mit uns nach Besançon fahren. Was für ein Gefühl hattest du da? Wäre es dir lieber gewesen, mitzufahren oder nicht? Ich denke einfach sehr oft an die Mütter in unserem Orchester, denn ich weiss, dass es sehr viel Organisation braucht, Musikerin und Mutter zu sein. Valentina Jacomella Roesti: Ja, ich bin nicht mit nach Besançon gefahren, dann erst nachher auf die Englandund Irlandtournee. Zuerst meinte ich, ich müsste beides machen und dachte nur: Ohje, wie soll ich das hinkriegen? Denn mein Mann arbeitet ja auch, und wir geben die Kinder nur an einem Tag in eine Krippe, den Rest machen wir selbst. Für England hat mein Mann eine Woche freigenommen, sodass ich fahren konnte. Ich habe zwar jetzt seit die Kinder da sind auf 50 Prozent reduziert, wie es nach der nächsten Saison aussieht, wissen wir jedoch noch nicht. Ich
muss sagen, so ist es für mich die ideale Kombination. Nur noch zu Hause zu sein, wäre keine Option für mich. Ich brauche das Üben wie eine tägliche Reinigung. Ich möchte mich aber auch immer für die Orchesterproben gut vorbereiten, und das braucht eben auch Zeit. Wenn die Kinder ständig um einen sind, ist das nicht ganz einfach. So wird das Musizieren im Orchester auch zur Entlastung, weil ich da ungestört spielen kann. Und die Musik bereichert mich auch sehr – es ist eben ein anderer Lärm! (lacht) Das kann ich mir gut vorstellen, es ist eine gute Abwechslung, oder? Genau. Es gibt ja viele Frauen, die mit dem Kinderkriegen aus dem Berufsleben aussteigen. In unserer Branche ist das aber schon weniger üblich, glaube ich. Ich könnte nicht einfach in zehn Jahren wieder ein Probespiel machen und auf eine Stelle in einem Orchester hoffen, das kann ich vergessen. Bei uns muss man schon dranbleiben. Unser Arbeitgeber ist schon sehr flexibel. Da bin ich auch sehr froh!
Bild : Jean-François Taillard
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Diane Eaton und Valentina Jacomella Roesti
Unglaublich, oder? Es ist schliesslich nicht selbstverständlich, dass ich reduzieren konnte. Auch meine Kollegen sind flexibel, die spielen durch meine Reduktion nun mehr. Das funktioniert wirklich super bei uns in der Gruppe. Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen in anderen Branchen, da ist
Diane Eaton stammt aus Seattle, USA. Sie hat ihren Bachelor of Music, Horn Performance, an der North western University in Chicago gemacht. Im Rahmen der Orchester-Akademie des Berliner Philharmonischen Orchesters absolvierte sie ein zweijähriges Praktikum und fand danach ihre erste Anstellung im Gürzenich Orchester der Stadt Köln. 1986 kam sie nach Basel und spielte im Basler Radio Orchester und seit der Fusion im Sinfonieorchester Basel tiefes Horn. Diane Eaton ist Mitglied des Orchestervorstands.
es so, dass du gehen musst, wenn du nicht 100 Prozent bleiben kannst. In einem Betrieb in der Privatwirtschaft zum Beispiel. Wenn du nicht alles geben kannst, wirst du ersetzt. Ich bin also auch sehr froh darum, denn eigentlich sollte es ja das Natürlichste der Welt sein, dass Eltern Familie und Beruf vereinbaren können. In unserer Gesellschaft müsste doch eine Infrastruktur vorhanden sein, die das unterstützt. Hier in der Schweiz entwickelt sich das, wenn auch nur langsam. Die skandinavischen Länder sind da schon sehr viel fortschrittlicher. Oder in Frankreich, da haben die Kinder garantiert einen Platz in einer Krippe, und ab drei Jahren sind sie dann in der Schule oder in einem Kindergarten. Aber gut, das ist halt auch eine gesellschaftliche Frage, denke ich.
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Ja, das ist schon so! Trotzdem leben wir natürlich in einer sehr freien Gesellschaft. Mir gefällt es hier in Basel sehr. Die Leute sind viel offener als etwa in der Zentralschweiz. Ich bin zwar im Tessin geboren, bin dann aber in Zug aufgewachsen. Und die Leute da sind wirklich viel weniger offen. Hier in Basel spürt man vielleicht schon den Einfluss von Frankreich und Deutschland. Das stimmt. Die Nähe ist schön: Ich fahre auch gerne und oft mit dem Velo auf den Markt in Lörrach oder Saint-Louis. Ich fahre auch immer mit dem Velo zur Arbeit. In Basel erreicht man ja alles schnell mit dem Velo. Was natürlich auch sehr praktisch ist bei unserem Job, da wir ja so viele Abendeinsätze haben. Gerade wenn ich nach dem Konzert nach Hause gehe und die Kollegen sehe, die zum Bahnhof springen und da noch einen Zug erwischen müssen, bin ich sehr dankbar, dass ich mit dem Velo nach Hause fahren kann. Während ich schon in meinen vier Wänden bin, müssen sie noch eine Stunde oder mehr Zugfahren. Da gibt es einige im Orchester, die viel Zeit pendelnd verbringen! Wir haben zudem noch das Glück, dass sowohl mein Mann wie auch ich in Basel arbeiten. Es gibt Kollegen, die hier arbeiten, und ihre Frauen arbeiten in einem anderen Orchester. Als Wohnort haben sie sich dann etwas in der Mitte zwischen den beiden Arbeitsplätzen gesucht. Darf ich fragen, deine Vorfahren kommen aus Italien oder aus dem Tessin? Aus dem Tessin! Also der Vater meiner Mutter war ursprünglich Italiener und ihre Mutter war aus dem Elsass. Sie hatten aber beide den Schweizer Pass und wohnten in Genf. Das ist sehr interessant! Und du wohnst jetzt irgendwo dazwischen ... Ja, genau. Und wie kamst du eigentlich nach Basel?
Valentina Jacomella Roesti wurde im Tessin geboren. Aufgewachsen ist sie in Zug. Ihr Violinstudium hat sie in Basel sowie in Luzern absolviert. Sie lebt in Basel und ist seit 2009 festes Tutti-Mitglied der ersten Violinen des Sinfonieorchesters Basel.
Ich komme aus Seattle und habe drei Jahre in Chicago studiert. Kurz vor meinem Abschluss wurde ich allerdings sehr krank. Als ich wieder gesund war, realisierte ich, dass es in Amerika sehr schwierig ist, in ein Orchester aufgenommen zu werden, da es nur eine Handvoll gibt. Als Freischaffende habe ich zu wenig Geld verdient, um zu überleben, also habe ich auch als Barkeeperin und Schulbusfahrerin gearbeitet. Doch ein Jahr nach dem Studium bin ich immer häufiger Schulbus gefahren und habe immer weniger Horn gespielt. Du wolltest aber schon noch Musikerin bleiben? Ja, das war immer mein Ziel. Meine ehemalige Mitbewohnerin ist nach Europa ausgewandert und überredete mich, in Europa weiterzustudieren. Von Berlin bin ich dann via Köln nach Basel gekommen. Und nun bin ich seit fast dreissig Jahren hier! Ich mag Basel sehr, man ist genau in der Mitte von Europa. Ab und zu habe ich schon überlegt, wieder zurück in die USA zu gehen. Aber es ist natürlich auch so, dass die Hornisten hier eine andere Art zu spielen haben als in den USA. Da müsste ich wieder umstellen. Wenn sich aber einmal die Gelegenheit ergeben hätte: Vielleicht wäre ich zurück, ja. Diese andere Art zu musizieren ist mir auch schon aufgefallen. Ich habe vor dem Sinfonieorchester Basel in vielen Jugendorchestern gespielt. Und eines davon war das Pacific Music Festival in Japan. Da hatte es sehr viele Amerikaner und Japaner. Europäer hatte es vielleicht fünf. Die Art, wie die anderen Musikerinnen und Musiker gemeinsam spielten, aber auch auf den Dirigenten reagierten, war ganz
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anders, als ich es gewohnt war. Ich dachte ja immer, Orchester ist Orchester, aber es ist wirklich von Land zu Land verschieden! In den amerikanischen Horn-Gruppen haben sie eine andere Art zu artikulieren und eine andere Tonvorstellung. Hier in Europa ist es fast ausschliesslich so, dass man den hellen Hornton bevorzugt, in vielen Orchestern in den USA muss es so dunkel wie möglich sein. Das kannst du nicht einfach so, das muss man wirklich üben. Apropos üben: Ich weiss nicht, wie es heute ist, aber früher war es so, dass man eigentlich nur bis 35 zu einem Vorspiel eingeladen wurde. Das hiess für mich, dass ich in dieser Zeit extrem viel geübt habe. Mit 35 dachte ich dann, es ist sowieso vorbei, und ich würde gerne noch andere Dinge machen als nur zu üben. (lacht) Bei mir hat das Üben mit dem Eintritt ins Orchester und den Kindern recht abgenommen. Im Studium habe ich mich zu Tode geübt, weil ich nicht als Freelancerin arbeiten wollte, wo man halt häufig nicht weiss, ob das Verdiente am Ende des Monats ausreicht. Ich wollte eine feste Stelle und am liebsten eben in einem Orchester. Und auch wenn man während der Proben im Orchester viel spielt, übe ich gerne alleine, um mich fit zu halten. Nur schon was die Fingerfertigkeit betrifft. Ich merke das extrem, wenn ich aus den Ferien zurückkomme und eine Zeit lang nicht gespielt habe. Nicht nur, dass ich dann nicht mehr so schnell bin, es tut sogar richtig weh auf den Saiten. Bei euch Hörnern ist es wohl nicht so ein Fingerproblem, sondern betrifft eher die Lippen? Genau, unsere Problemzone ist im Lippenbereich. So viel üben wie ihr Violinisten können wir ja gar nicht. Unser Mund ist nicht gemacht für so langes Üben, das ist wie bei Sängern. Eine gewisse Grundkondi tion müssen wir immer behalten, und dafür muss ich auch in den Ferien jeden Tag spielen – wenn nicht auf dem Horn, so doch wenigstens auf dem Mundstück. Ich muss ehrlich zugeben, manchmal kommt mir das schon vor wie eine Eisenkugel am Bein. Wenn ich fünf Tage nicht spielen würde, täte es danach richtig weh! Jetzt, da ich älter werde, muss ich ein neues Gleichgewicht finden. Denn ich merke schon, dass es mir guttut, wenn ich ab und zu mal
einen Tag gar nicht spiele. Sehr oft erlaubt ja auch das Gewissen nicht, dass ich eine solche Pause mache. Das ist spannend. Bei uns ist es ja gar kein Problem, wenn wir zwei, drei Tage nicht spielen. Die Hornhaut an den Fingern bleibt auch etwas länger. Aber das Gewissen, das stimmt schon, das ist immer vorhanden! Du hast es vorhin gut ausgedrückt, es hängt auch mit einer Art ‹Reinigung› zusammen. Wenn du das ganze Leben lang übst, gehört das einfach auch zu deinem Alltag dazu. Und wenn ich mal wirklich keine Lust habe, kann ich immer noch vor dem Fernseher lange Töne aushalten oder so, um wenigstens die Muskeln zu erhalten. Am Montag früh in der ersten Probe ist man dann froh, dass man es gemacht hat! Bei uns gibt es den Spruch: Einen Tag nicht geübt, merkst du es selber, bei zwei Tagen merken es die Kollegen, und bei drei Tagen merken es alle! Daher kommt meine Eisenkugel! Andere Leute dürfen ihre Arbeit liegen lassen und in die Ferien gehen. Das stimmt. Allerdings muss man auch sagen, dass wir doch auch unser Hobby zum Beruf machen durften. Und es ist doch einfach etwas wahnsinnig Schönes, im Orchester eine Sinfonie zu spielen! Oft vergisst man, was es heisst, jeden Tag im Büro zu sitzen, von 8 bis 18 Uhr. Das ist doch auch eine Art Kette. Ja, das stimmt. Doch die Leute, die ich kenne und die im Büro arbeiten, können sich kaum vorstellen, wie wir am Abend nochmals Motivation finden, arbeiten zu gehen. Für mich ist das ganz easy! Manchmal muss das Sozialleben dann natürlich etwas zurückstecken. Aber das gehört eben dazu – sowie das Üben oder einfach das Horn an sich zu meinem Leben gehört und ein Teil von mir ist. Ein Leben ohne Geige kann ich mir auch gar nicht vorstellen, die Geige gehört einfach dazu! ●
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Vorschau Education Projekt ‹Der krumme Tannenbaum›
Das Weihnachtskonzert vom SOB
Der dicke Spatz, das Füchsli und das Eichhörnchen beim krummen Tannenbaum
Auch dieses Jahr findet das alljährliche Weihnachtskonzert zugunsten der Aktion «BaZ hilft» mit dem Sinfonieorchester Basel und Solistinnen und Solisten von OperAvenir statt. Im Benefizkonzert werden Werke von Wolfgang Amadé Mozart, Gioachino Rossini, Pjotr Iljitsch Tschaikowski und vielen anderen zur Aufführung kommen. Tickets sind ab dem 6. November bei Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel, oder bei der BaZ am Aeschenplatz erhältlich.
Die Weihnachtsgeschichten vom Kontrabass spielenden Santiglaus Christian Sutter sind inzwischen kaum noch aus dem Programm des Sinfonieorchesters Basel wegzudenken. In diesem Jahr dreht sich alles um Trudi Gersters Klassiker, die Erzählung vom krummen Tannenbaum. Bereits zum dritten Mal sind die Kinder der Streicherklasse Schulhaus Insel mit von der Partie (Leitung: Dorothee Mariani). Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel sind Paten der Schulkinder und begleiten sie in regelmässig stattfindenden Workshops. Die Musikstücke werden gemeinsam erarbeitet und unter der Leitung von Thomas Herzog aufgeführt.
Bild : Kim Hoss
Bild : Jan Geerk
Weihnachtskonzert zugunsten der Aktion «BaZ hilft»
SONNTAG, 6. DEZEMBER 2015 11.00 Uhr, Stadtcasino Basel, Musiksaal
SAMSTAG, 19. DEZEMBER 2015 14.30 Uhr, Stadtcasino Basel, Grosser Festsaal Eintritt frei SONNTAG, 20. DEZEMBER 2015 11.00 Uhr, Burghof Lörrach
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Agenda SO 29.11.15 18.30
Samson et Dalila Oper in drei Akten von Camille Saint-Saëns, Libretto von Ferdinand Lemaire. Konzertante Aufführung SOB / Erik Nielsen / Henryk Polus
Theater Basel VVK: Theaterkasse
SO 06.12.15 11.00
Weihnachtskonzert zugunsten der Stiftung ‹BaZ hilft› Werke von Mozart, Rossini, Mascagni, Tschaikowski, Lehàr, Strauss, Delibes und Vivaldi SOB / Mädchenkantorei Basel / Bryony Dwyer / Sofia Pavone / Nathan Haller / Alessio Cacciamani / Daniel Cohen
Aktion, Musiksaal
MI 09.12.15 18.30–20.00
Mix & Mingle Symphony Club – English speaking social event Theme: Ludwig van Beethoven
Hotel Euler, Basel everybody’s welcome!
DI 15.12.15 12.00
Punkt 12: Offene Orchesterprobe SOB / Ivor Bolton
Stadtcasino, Musiksaal Eintritt frei
MI 16.12.15 19.30
Sinfoniekonzert SOB: Création Darius Milhaud: La Création du monde, op. 81a Wolfgang Amadé Mozart: Konzert für Klavier und Orchester A-Dur, KV 488 Darius Milhaud: Konzert für Schlagzeug und kleines Orchester Wolfgang Amadé Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur, KV 543 SOB / Ronald Brautigam / Domenico Melchiorre / Ivor Bolton
Stadtcasino, Musiksaal
SA 19.12.15 14.30
Education Projekt: Der krumme Tannenbaum Mitglieder des SOB / Streicherklasse Schulhaus Insel / Dorothee Mariani / Christian Sutter / Thomas Herzog
Stadtcasino, Grosser Festsaal Eintritt frei
SA 19.12.15 19.30
Die Zauberflöte – Premiere Eine grosse Oper in zwei Aufzügen von Wolfgang Amadé Mozart, Libretto von Emanuel Schikaneder
Theater Basel VVK: Theaterkasse
SO 20.12.15 14.00
Zu Gast in Lörrach: Der krumme Tannenbaum Mitglieder des SOB / Streicherklasse Schulhaus Insel / Dorothee Mariani / Christian Sutter / Thomas Herzog
Burghof Lörrach
FR 01.01.16 17.00
Neujahrskonzert: À la française Werke von Camille Saint-Saëns, Jacques Offenbach u.a. SOB / Iryna Krasnovska / Anna Gillingham / Sofia Pavone / Rolf Romei / Callum Thorpe / Agata Wilewska / Erik Nielsen
Theater Basel VVK: Theaterkasse
Vorverkauf ( falls nicht anders angegeben ) : Bider & Tanner, Ihr Kulturhaus in Basel, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf : www.sinfonieorchesterbasel.ch
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WIR HOLEN DAS BESTE AUS FRÜCHTEN UND GEMÜSE.
Vegetarian & Vegan Restaurant Bar Take Away Catering Stänzlergasse 4 , bei der Steinenvorstadt, Basel www.tibits.ch | www.tibits.co.uk |
© by BB Promotion GmbH
BB Promotion GmbH und Freddy Burger Management präsentieren eine deutschsprachige Produktion des Budapester Operetten- und Musicaltheaters (KERO®)
Musik: Alan Menken
Texte: Howard Ashman & Tim Rice
Originalregie: Robert Jess Roth
Buch: Linda Woolverton
Regie: György Böhm
Die Übertragung des Aufführungsrechtes für die Schweiz erfolgte in Übereinkunft mit Josef Weinberger Ltd. im Namen von Music Theatre International
25.11. - 13.12.15 Musical Theater Basel www.die-schoene-und-das-biest-musical.ch