Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich
Das Sinfonieorchester Basel verwendet geschlechtergerechte Formulierungen und weist Autor*innen bei der Vergabe von Textaufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte individuell zu gestalten.
ALPEN SINFONIE
Liebes Konzertpublikum
Das aktuelle Programm bietet Ihnen einen bunten Strauss an gegensätzlichen Werken. Und doch verbindet sie eines: Musik als Ausdruck des Unaussprechlichen, als Verbindung des Sinnlichen mit dem Geistigen, als Bedeutungsträgerin jenseits von Worten.
Antonín Dvořáks Slawische Tänze gehören neben seiner 9. Sinfonie Aus der Neuen Welt oder dem Amerikanischen Streichquartett zu seinen bekanntesten Kompositionen. Dvořák schrieb sie zunächst für Klavier vierhändig. Die später entstandene Orchesterfassung der Slawischen Tänze ebnete ihm sodann den Weg zum grossen Publikum. Es ist Dvořák hier auf hervorragende Weise gelungen, die folkloristische Farbigkeit der slawischen Volksmusik einzufangen, womit er genau den Nerv seiner Zeit traf. Und das brachte ihm grosse Anerkennung.
Neben den leicht fasslichen Tänzen Dvořáks vermittelt sich Richard Strauss’ Alpensinfonie wie ein Koloss. Das Werk ist ein gewaltiges und eindrucksvolles sinfonisches Tongemälde, das eine Bergbesteigung von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang beschreibt. Mit grossem Orchester und vielfältigen Klangfarben erhebt sich das Werk in 22 Szenen von der Dunkelheit der Nacht bis zu seinem Höhepunkt, dem weiten Ausblick vom Bergesgipfel, bevor das Unwetter hereinbricht und den Abstieg einleitet. Die Alpensinfonie ist dabei mehr als blosse Programmmusik. Strauss stellt darin Bezüge her zwischen der gewaltigen Natur und der menschlichen Existenz. Der Mensch, so der NietzscheLeser Strauss, solle sich «aus eigener Kraft» befreien.
Dass Musik auch doppeldeutig sein kann, wird einem beim Hören von Dmitri Schostakowitschs 2. Klavierkonzert schnell bewusst. Es ist ein Werk voller Lebendigkeit und Leichtigkeit, das sich von Schostakowitschs oft düsteren und ernsten Kompositionen abhebt. Der Komponist befand dabei, es sei «ohne künstlerischen Wert». Doch offensichtliche Bezüge etwa zu seiner zum Kriegsende 1945 geschriebenen 9. Sinfonie mit ihrer maskierten Abgründigkeit zeigen, wie Schostakowitsch auch hier die sowjetische Kulturbürokratie in die Irre führte. Komponiert hat er das Konzert für seinen Sohn Maxim, der es zu seinem Abschluss am Moskauer Konservatorium spielte. Somit ist es, neben allen Doppeldeutigkeiten, auch ein ganz persönliches Werk, in dem sich eine VaterSohnBeziehung spiegelt. Mit Michele Spotti, der am Theater Basel Giuseppe Verdis Rigoletto leitete und inzwischen bei den grössten Opernhäusern wie der Bayerischen Staatsoper München, der Wiener Staatsoper oder der Mailänder Scala ein und ausgeht, sowie der amerikanischen Pianistin Claire Huangci, Gewinnerin des Concours Géza Anda, erwarten Sie ein junger Künstler und eine junge Künstlerin von Weltformat.
Freuen Sie sich auf einen unvergesslichen Konzertabend!
Franziskus Theurillat Orchesterdirektor
Claire Huangci: «Ich habe das Gefühl, Schostakowitschs Klavierkonzert passt gut zu meiner Persönlichkeit als Pianistin.»
VORVERKAUF, PREISE UND INFOS
VORVERKAUF
Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch
Das Stadtcasino Basel ist rollstuhlgängig und mit einer Induktionsschleife versehen. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
PREISE
CHF 110/90/75/55/35
ERMÄSSIGUNGEN
• Junge Menschen in Ausbildung: 50 %
• AHV/IV: CHF 5
• KulturLegi: 50 %
• Mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5
• Begleitpersonen von Menschen, die für den Konzertbesuch eine Begleitung beanspruchen, haben freien Eintritt. Die Anmeldung erfolgt über das Orchesterbüro.
GEHÖRSCHUTZ
Gehörschutz ist an der Abendkasse sowie am Welcome Desk im Foyer des Stadtcasinos Basel erhältlich.
Slawischer Tanz op. 46 Nr. 7 cMoll (1878) Allegro assai
Slawischer Tanz op. 72 Nr. 7 CDur (1886) Allegro vivace
Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 FDur, op. 102 (1957)
I. Allegro
II. Andante
III. Allegro
PAUSE
Richard Strauss (1864 – 1949)
Eine Alpensinfonie , op. 64 (1915)
Nacht – Sonnenaufgang – Der Anstieg –Eintritt in den Wald – Wanderung neben dem Bache – Am Wasserfall – Erscheinung – Auf blumigen Wiesen – Auf der Alm –Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen – Auf dem Gletscher – Gefahrvolle
Augenblicke – Auf dem Gipfel – Vision –Nebel steigen auf – Die Sonne verdüstert sich allmählich – Elegie – Stille vor dem Sturm – Gewitter und Sturm, Abstieg –Sonnenuntergang – Ausklang – Nacht
Sinfonieorchester Basel
Claire Huangci, Klavier
Michele Spotti, Leitung
18.30 Uhr, Musiksaal: Konzerteinführung mit Benjamin Herzog
ca. 4’
ca. 4’
ca. 20’
ca. 55’
Konzertende: ca. 21.45 Uhr
ANTONÍN DVOŘÁK
Zwei Slawische Tänze
SCHREIBEN IN DER MUTTERSPRACHE
VON BENJAMIN HERZOG
«Dvořák hat alles Mögliche geschrieben, Opern ( böhmische), Sinfonien, Quartette, Klaviersachen. Jedenfalls ist er ein sehr talent voller Mensch. Nebenbei arm! Ich bitte dich, das zu bedenken!»
Das schrieb der grosse
DvořákBewunderer
Johannes Brahms an seinen Verleger Fritz Simrock. 1877 erging diese Empfehlung nach Berlin.
Ein Jahr darauf sandte Antonín Dvořák ein erstes Heft Slawischer Tänze in die Hauptstadt, zunächst in einer Fassung für den Hausgebrauch, für Klavier zu vier Händen. Dies auf Bestellung des Verlegers Simrock, der allerdings Brahms’ Empfehlung nur zum Teil befolgte. Jedenfalls überlas er die Bitte, Dvořáks Armut zu bedenken. Ein Honorar wurde nicht ausbezahlt. Erst für die Orchesterfassung seiner Slawischen Tänze op. 46 erhielt Dvořák von Simrock 300 Mark –sein erstes Komponistenhonorar überhaupt.
Die Beziehung zu Simrock hielt an. Dieser verlegte über achtzig Werke Dvořáks, auch weil er in dem Böhmen den rechten Künstler zur rechten Zeit erkannte. Einen Komponisten mit osteuropäischem Flair. Nationale Tänze aus Osteuropa waren damals sehr en vogue. Auch ein Johannes Brahms versuchte sich in dem Genre. Ebenfalls bei Simrock erschienen dessen Ungarische Tänze, die schnell äusserst populär wurden. Antonín Dvořák konnte diesen Erfolg mit seinen Slawischen Tänzen umso authentischer wiederholen, er komponierte hier ja gewissermassen in sei ner ‹Muttersprache›.
In der ersten Serie Slawischer Tänze op. 46 von 1878 verwendete Dvořák ausschliesslich Tanzformen aus seiner böhmischen Heimat. Bodenständige Bläserklänge eröffnen die Nummer 7,
Allegro assai , cMoll, dieser Sammlung. Streicher gesellen sich dazu, die Musik beginnt zu wirbeln und streift in diesem bunten Dorfreigen sogar einen kurzen melancholischen Moment. In der zweiten Serie, dem op. 72, erweitert Dvořák das Spektrum um Tanzformen aus der Slowakei, Polen, der Ukraine, Serbien und Tschechien zu einem panslawischen Panorama. Dieser zweite Band von 1886 ist von einer eher lyrischen Stimmung geprägt. Umso schärfer kontrastieren einzelne Sätze wie die Nummer 7, Allegro vivace , CDur, mit äusserst schwungvollen Tanzrhythmen, hier demjenigen des serbischen Rundtanzes Kolo .
op. 46 und op. 72 entstanden zunächst für Klavier vierhändig. Im jeweils selben Jahr schrieb Dvořák auch die Orchesterfassungen: 1878 beziehungsweise 1886.
DAUER
jeweils ca. 4 Minuten
Antonín Dvořák, 1882
MIT BEGEISTERUNG AUF DER BÜHNE
VON ELISABETH VON KALNEIN
Bei ihrem Debüt mit dem Sinfonieorchester Basel spielt Claire Huangci das 2. Klavierkonzert von Dmitri Schostakowitsch, ein Konzert, das sie mit Kindheitserinnerungen verbindet. Ein Gespräch über DisneyFilme und Klavierwettbewerbe, über Studioaufnahmen und Spontaneität.
EK Wann sind Sie Schostakowitschs 2. Klavierkonzert zum ersten Mal begegnet?
CH Ich habe es zum ersten Mal gehört, als ich zehn Jahre alt war: im DisneyFilm Fantasia 2000 . Disney verbindet dort ZeichentrickSzenen mit klassischer Musik. Zu Schostakowitschs Konzert wird die Geschichte von einem Zinnsoldaten und einer Tänzerin erzählt. Das hat mich damals begeistert. Ich wollte das Stück unbedingt spielen, aber natürlich war es noch zu schwierig für mich.
EK Dmitri Schostakowitsch hat es für seinen 19-jährigen Sohn Maxim komponiert. Er selbst hielt es allerdings für ein schwaches Werk. Wie blicken Sie auf dieses Stück?
CH Für mich ist es eine sehr pure Form von Musik. Es hat etwas Unschuldiges. Gleichzeitig sprudelt es, bei aller Vieldeutigkeit, vor Freude und jugendlicher Energie. Ich habe das Gefühl, das Konzert passt gut zu meiner Persönlichkeit als Pianistin.
EK Ihre Pianistinnenlaufbahn begann früh: Schon mit neun Jahren haben Sie Konzerte gegeben und an Wettbewerben teilgenommen. Wie war das damals für Sie?
CH Für mich fühlte sich das natürlich an. Meine Eltern sind sehr interessiert an Musik. Es war ihnen wichtig, dass ich ein Instrument lerne und dabei auch eine gewisse Disziplin an den Tag lege: Ich habe schon als Kind zwei, drei Stunden pro Tag geübt. Das hat nicht immer Spass gemacht. Es fühlte sich eher wie eine Pflicht an, wie Hausaufgaben. Aber auf der Bühne zu sein, das war etwas ganz anderes. Das habe ich schon immer geliebt!
EK Bei der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Hannover soll ein Klavierprofessor gesagt haben , Sie hätten die schnellsten Finger der Welt. Bis heute scheint diese Zuschreibung wie ein Etikett an Ihnen zu haften.
CH Ich habe tatsächlich das Glück, dass ich immer ziemlich schnell spielen konnte, ohne viel zu üben. Die technische Seite des Klavierspielens fällt mir
wahrscheinlich leichter als anderen Pianist*innen. Professor Krainev meinte das mit den schnellen Fingern vermutlich als Kompliment, aber es ist auch ein Fluch: als würde ich mich nur auf das Schnellspielen konzentrieren. Das ist absolut nicht so! Mir geht es darum, den Kern der Musik zu finden. Ich möchte die Menschen berühren, Momente schaffen, an die sie sich noch lange erinnern. Etwas Transzendentes.
EK Sie haben 2018 den Concours Géza Anda in Zürich gewonnen. Was hat dieser Erfolg für Sie verändert?
CH Ich war zu diesem Zeitpunkt schon relativ etabliert in der Klassikszene. Der Wettbewerb hat mir insofern Türen geöffnet, als ich danach mit einem viel breiteren Repertoire auftreten konnte. Vorher wurde ich vor allem als Interpretin von Chopin oder russischen Komponisten wie Rachmaninow
und Prokofjew wahrgenommen. Beim Concours Géza Anda konnte ich endlich meine Interpretationen von Werken der Wiener Klassik und der deutschen Romantik zeigen. Danach konnte ich viel mehr Konzerte mit diesem Repertoire spielen.
EK Der Wettbewerb verlangt ein grosses Repertoire. Wie haben Sie sich damals darauf vorbereitet?
CH Eigentlich hasse ich Wettbewerbe: den ganzen Vorbereitungsprozess, die Atmosphäre, die Juryentscheidungen, die Träume platzen lassen. In Zürich wollte ich es trotzdem noch ein letztes Mal probieren. Unmittelbar davor war ich mit dem ORF RadioSymphonieorchester Wien auf Tournee. Ich hatte danach nur eine Woche Zeit, um das Wettbewerbsrepertoire zu polieren. Mir war klar, dass ich nicht optimal vorbereitet sein würde. Also beschloss ich, mir keinen Druck zu machen und einfach auf der Bühne mein Bestes zu geben. Ich habe weniger geübt als bei früheren Wettbewerben und war viel entspannter. Dadurch habe ich lockerer gespielt, meine Interpretationen waren frischer und spontaner. Ich habe den Wettbewerb in sehr guter Erinnerung.
EK Sie haben in den letzten Jahren zahlreiche Alben herausgebracht. Wie erleben Sie die Aufnahmesituation im Studio? CH Studioaufnahmen sind viel härter als Livekonzerte. Die Energie und das Feedback des Publikums fehlen, und man muss sein Adrenalin ganz allein hochbefördern. Dafür muss ich ganz in der Musik und wirklich begeistert sein, von dem was ich spiele. Ausserdem brauche ich Raum für Experimente: Ich plane meine Interpretationen nie bis ins letzte Detail. Nach so einer Aufnahmephase brauche ich eine Woche ohne Musik. So intensiv sind diese Tage im Studio.
Ich habe gelesen, Sie seien ein grosser Serien-Fan. Sie haben sogar mithilfe von Serien Deutsch gelernt. Haben Sie einen aktuellen Tipp?
CH Oh, ja. Ich habe gerade eine neue Serie entdeckt – allerdings auf Englisch. Sie heisst Kaos , eine moderne Version der griechischen Mythologie, die mich schon immer fasziniert hat.
Schon mit neun Jahren hat die USamerikanische Pianistin Claire Huangci Konzerte gegeben und an Wettbewerben teilgenommen. Als Jugendliche nahm sie Unterricht bei Eleanor Sokoloff und Gary Graffman am Curtis Institute of Music in Philadelphia, bevor sie ihre Ausbildung an der Musikhochschule Hannover bei Arie Vardi fortsetzte. 2011 gewann sie als jüngste Teilnehmerin den 2. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD. Beim Zürcher Concours Géza Anda wurde sie 2018 mit dem 1. Preis sowie mit dem MozartPreis ausgezeichnet. Claire Huangci spielt mit Orchestern wie dem Mozarteumorchester Salzburg, dem SWR Symphonieorchester, dem TonhalleOrchester oder den Sinfonieorchestern von Vancouver und Québec. Sie ist bei renommierten Festivals wie dem Lucerne Festival, dem SchleswigHolstein Musik Festival, dem Rheingau Musik Festival und dem KlavierFestival Ruhr zu Gast. 2013 erschien Claire Huangcis DebütAlbum mit BallettBearbeitungen von Tschaikowski und Prokofjew. Zuletzt veröffentlichte sie die CD Made in USA mit Werken von George Gershwin, Samuel Barber und Amy Beach.
Musikalische
2. Klavierkonzert
SUBVERSIVE MASKENSPIELE UND EIN SCHWARZER MÖNCH
VON MARCO FREI
Zur viel beschworenen Doppeldeutigkeit von Dmitri Schostakowitsch zählen auch irritierende Äusserungen des russischsowjetischen Komponisten über eigene Werke. Die gibt es auch zum Klavierkonzert Nr. 2 op. 102. Es sei «ohne künstlerischen Wert», urteilte Schostakowitsch. Offenbar wollte er einmal mehr die sowjetische Kulturbürokratie in die Irre führen, denn: Allein die klassische Dreisätzigkeit gaukelt konventionelle Norm vor, doch schon im Kopfsatz brodelt es gewaltig hinter der Fassade.
Er wird von einem frechmarkigen Marsch der Holzbläser eröffnet, bevor das Klavier einsetzt. Der SchostakowitschForscher David Fanning hört hier eine Parodie auf den Beginn des Klavierkonzerts Nr. 3 von Sergei Rachmaninow, wenn da nicht die vielen unreinen Rhythmen und Harmonien wären. Tatsächlich wechselt der Kopfsatz rasch zu einer Schostakowitscheigenen Klanglichkeit, Dramaturgie und Ereignisdichte. Rein pianistisch weist der Musikwissenschaftler Wilhelm Schepping auf die für Schostakowitsch typischen «Spaltklänge» hin. Damit meint Schepping «in ausgeweiteter Distanz unisono geführte Oktaven».
Ein weiteres Charakteristikum ist ein humoristischer, ironischsarkastischer Tonfall. Aber auf dem Höhepunkt des Satzes verdichtet sich dies zu höchster spannungs und konfliktreicher Dramatik. Die Masken fallen, und eine furchterregende Fratze des Bösen kommt zum Vorschein. Das erinnert an den 1. Satz aus der 9. Sinfonie von 1945. Dort hatte Schostakowitsch die allseits erwartete pathetische Siegeshymne auf den gewonnenen Krieg mit Haydn’scher frecher Knappheit und abgründigem Maskenspiel ins krasse Gegenteil verkehrt.
Die Geistesverwandtschaft zur Neunten von 1945 ist bezeichnend, denn auch um das Jahr 1957 waren die Zeiten
Schostakowitsch war auch ausgebildeter Pianist. Sein Spiel sei «eher überraschend als bewundernswert», befand der Dirigent Nikolai Malko. Fotografie von ca. 1950
bewegt. Die brutale Niederschlagung des UngarnAufstands im Herbst 1956 durch SowjetTruppen hatte die Hoffnung auf Entspannung nach dem Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin jäh zunichte gemacht. Auch Schostakowitsch hatte den Glauben an ein politisches Tauwetter im Ostblock verloren, wie seine im August 1957 vollendete 11. Sinfonie verrät: doppel und doch eindeutig.
Gleichzeitig ging es auch privat bei Schostakowitsch hoch her. Nachdem seine langjährige Ehefrau und Mutter seiner Kinder, Nina Warsar, im Dezember 1954 an Krebs verstorben war, heiratete er 1956 Hals über Kopf Margarita Kainowa, eine junge Mitarbeiterin im kommunistischen Jugendverband Komsomol . Das ging gründlich schief. Laut der berühmten Sopranistin Galina Wischnewskaja, langjährige Partnerin des Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, entwickelten sie und die Kinder Galina und Maxim Schostakowitsch keinerlei Beziehung zueinander – ganz zu schweigen ist hier von den regelmässigen Saufgelagen, die Margarita Kainowa mit zahllosen Gästen zu Hause abhielt.
In dieser Situation entsteht das Klavierkonzert Nr. 2, das Schostakowitsch für seinen Sohn Maxim komponiert: als Examens und DebütStück des pianistisch hochbegabten Sohns. Bereits 1953 hatte er für Maxim das Concertino für zwei Klaviere geschrieben. Das 2. Klavierkonzert endet ähnlich turbulent wie sein Kopfsatz. Mit seinen kühnen Taktwechseln, frechen Polkas und folkloristisch anmutenden 7/8Takten wirkt der Finalsatz mitunter wie eine Verneigung vor Schostakowitschs 1. Klavierkonzert mit SoloTrompete. Zwischen diesen furiosen Ecksätzen steht ein kantables, sarabandenhaftes Andante mit gedämpften Streichern. Es ist das wunderschöne Herzstück des Werks im Kolorit eines ChopinNocturne. Für SchostakowitschForscher Fanning ist dieses Andante eine Parodie auf den langsamen Satz aus dem 2. Klavierkon
zert von Rachmaninow, wenn da nicht das lichte CDur wäre. Dieses Dur verdüstert sich stets in das Moll des Satzbeginns, um schlussendlich doch ins Licht zurückzufinden.
Fast schon wähnt man sich in der Novelle Der schwarze Mönch von Schostakowitschs Lieblingsautor Anton Tschechow. Darin erscheint dem erkrankten Protagonisten Kowrin zwei Mal ein schwarzer Mönch, der ihn schliesslich in das Reich der Toten führt. «Und sein Antlitz war in einem seligen Lächeln erstarrt», schliesst die Novelle. Das Ende des Andante atmet diese Atmosphäre. Schostakowitsch hatte schon länger mit einer Oper nach diesem TschechowStoff geliebäugelt, wozu es jedoch nicht mehr kam.
Bei der Uraufführung des 2. Klavierkonzerts am 10. Mai 1957 feierte Maxim Schostakowitsch zugleich seinen 19. Geburtstag. Schon 1957 fand der Mittelsatz Eingang in die Musik zum Film Bridge of Spies , der im geteilten Berlin spielt. Und die Ehe mit der jungen, strammen Kommunistin Margarita? Sie endete 1961 genauso stürmisch, wie sie begonnen hatte: Eines Tages flüchtete Dmitri Schostakowitsch Hals über Kopf aus der Wohnung in Moskau nach Leningrad und bevollmächtigte seinen Sohn Maxim mit der Durchführung der Scheidung. Irina Supinskaja, die er rund ein Jahr später heiratete, wurde seine letzte Ehefrau.
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 F-Dur, op. 102
Am 10. Mai 1957 im grossen Saal des Moskauer Konservatoriums. Der Solist Maxim Schostakowitsch wurde begleitet vom Moskauer Staatlichen Akademischen Sinfonieorchester unter Nikolai Anossow.
DAUER
ca. 20 Minuten
Dmitri Schostakowitschs Sohn Maxim in Amsterdam, 1967
PRÄZISE UND FRISCH
Der 1993 in Mailand geborene Michele Spotti gilt heute als einer der gefragtesten Dirigenten seiner Generation. Seit 2023 ist er Musikdirektor des Opernhauses und des Philharmonischen Orchesters von Marseille. Am Theater Basel dirigierte Spotti Giuseppe Verdis Don Carlos und Rigoletto . Die Presse schrieb darüber: «Schnell und spritzig, völlig ohne Pathos und Schwere entstaubt er diesen Rigoletto gründlich. Äusserst präzise und frisch dirigiert Spotti ein immer mächtiger werdendes Orchester.»
Nach Abschluss eines Violinstudiums absolvierte Spotti ein Dirigierstudium in Mailand. Er setzte seine Studien an der Haute École de Musique in Genf, an der Gstaad Menuhin Festival Academy bei Neeme Järvi und Gennadi Roschdestwenski sowie in Italien bei Gianandrea Noseda, Gianluigi Gelmetti und Daniele Gatti fort. Spotti gab 2013 sein Debüt als Dirigent von Le nozze di Figaro am Teatro Mancinelli in Orvieto. 2016 wurde er Assistent von Alberto Zedda für eine Produktion an der Opéra de Lyon.
Zu seinen jüngsten Engagements zählen Debüts am Teatro dell’Opera di Roma mit Mozarts Zauberflöte , an der Opéra de Paris mit Turandot oder an der Wiener Staatsoper mit La fille du régiment . Er eröffnete die 49. Ausgabe des Festival della Valle d’Itria in Martina Franca, Apulien, mit einer Neuproduktion von Rossinis Il turco in Italia , eine Produktion, die er auch an der Opéra de Lausanne dirigierte. Konzertengagements führten ihn zu verschiedenen Orchestern in Italien, England, Deutschland, Polen und Frankreich. Zusammen mit der Pianistin Beatrice Rana leitet Michele Spotti das Orchestra Filarmonica di Benevento. Nach seinen Opernengagements am Theater Basel debütiert Spotti nun als Konzertdirigent mit dem Sinfonieorchester Basel.
Es ist ein gewaltiges Klangpanorama, das Richard Strauss mit über 120 Orchesterinstrumenten in einer knappen Stunde entrollt. Hoch aufragende Bergriesen mit schroffen Felswänden, dazwischen grüne Matten mit Kuhherden im Sonnenschein, zu denen sich gewundene, holprige Pfade schlängeln, dann wieder kalt schimmernde Eisregionen, aus denen Wasserfälle talwärts stürzen, und dunkle Wolkenmassen, die sich um die Gipfel drängen.
Die Alpen sind längst schon nicht mehr blosse Natur, sondern ein kunstvoll arrangiertes kulturelles Vorstellungsobjekt, das seit Mitte des 18. Jahrhunderts einen erheblichen Bedeutungswandel durchlaufen hat: von einer unzugänglichen Schreckenszone, die sich als Verkehrshemmnis zwischen Mitteleuropa und dem mediterranen Süden auftürmt, zur gepriesenen Landschaft des Erhabenen, in der die Urgewalt der Elemente so hautnah erfahrbar ist wie sonst nur noch auf offener See. Den Römern hatten die Alpen als dunkel und hässlich gegolten; seit Albrecht von Haller und JeanJacques Rousseau ist gerade die enorme Vertikaldimension des Alpenreliefs, das von topografischen Exkursionen immer genauer erschlossen wurde, als ein ästhetischer und moralischer Ansporn begrüsst worden, an dem sich politischer Freiheitssinn und moralische Handlungsstärke ertüchtigen konnten. Auch für Richard Strauss ist es die schiere Wucht der alpinen Naturgewalt, die sein künstlerisches Gestaltungsvermögen reizt und herausfordert.
Mit der Alpensinfonie , deren Fertigstellung Jahrzehnte nach den ersten Plänen sein sinfonisches Schaffen beschliesst, hat Richard Strauss eine «musikalische Dichtung» mit durchgehender Erzählhandlung vorgelegt. Gleich mehrere Schichten und Geschichten
Blick von der Villa Strauss in der bayerischen Gemeinde Garmisch auf die Alpspitze und die Zugspitze. Richard und Pauline Strauss lebten hier bis zu Richard Strauss’ Tod im Jahr 1949.
liegen dem musikalischen Geschehen zugrunde. Als junger Mensch hatte Strauss eine Tageswanderung auf das knapp zweitausend Meter hohe HeimgartenMassiv in Oberbayern unternommen, die eine Fülle prägender Eindrücke hinterliess. Beim Abstieg war er in ein schlimmes Gewitter geraten; den Aufstieg hatte er mit Freunden so zeitig vor Tagesanbruch begonnen, dass er den Sonnenaufgang schon hoch in der Bergflanke erleben konnte. Das Spektakel der plötzlich hervorbrechenden Strahlen und der Ergiessung des Lichts über die Landschaft muss den jungen Wanderer tief beeindruckt haben, und es stellt wohl auch die Initialzündung für Strauss’ Idee einer kompositorischen Ausgestaltung dieser Szenerie dar. Dem Sonnenaufgang in freier Natur beizuwohnen, hatte schon Rousseau in seinem Erziehungsroman Emile emp
fohlen, und die idealistische Literatur um 1800 eiferte dieser Idee erfindungsreich nach. Hölderlins Briefroman Hyperion stellt seinen neugriechischen Helden bei Sonnenaufgang auf eine ägäische Insel, in Jean Pauls Titan wiederum geht es bei Mondesnacht auf eine Berghöhe über dem Lago Maggiore, um von dort den Tag über der See und Berglandschaft anbrechen zu sehen. Als Anregung für den Erzählstoff im engeren Sinne fungierte in Strauss’ Werkplänen einerseits die Künstlerund Lebenstragödie des Schweizer Malers Karl StaufferBern, der als Kunststipendiat in Rom Ende der 1880erJahre eine unglückliche Liebesaffäre mit seiner Gönnerin Lydia WeltiEscher eingegangen war, durch die beide in psychische Krisen und letztlich in den Suizid gestürzt wurden. Zum anderen weist die in mehreren Entwürfen
festgehaltene Werkbezeichnung ‹Der Antichrist. Eine Alpensinfonie› auf den geistigen Einfluss von Friedrich Nietzsches moral und religionskritischem Spätwerk hin, dem Strauss am 19. Mai 1911, einen Tag nach dem Tod Gustav Mahlers, in einer Tagebuchnotiz Tribut zollt: «Ich will meine Alpensinfonie: den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur.» Nietzsche wie Stauffer waren als exzentrische Geister aus höchster Kreativität in tiefe Umnachtung gefallen; dennoch weist Strauss metaphysische Tröstungen etwa durch das Christentum dezidiert zurück und setzt auf die Befreiung des Subjekts «aus eigener Kraft». Ein zweiteiliges Sujet unterliegt somit dem Gang der musikalischen Entwicklungen in dieser Dichtung. Da
ist, auf der Weltseite, die kolossale Macht der Natur, die sich in der Wucht, Masse und Höhe des Gebirges manifestiert und ihrerseits belebt wird von den Strahlen des kosmischen Lichts und den tosenden Gewitterstürmen der unteren Atmosphäre. Und da ist, auf der Seite des menschlichen Subjekts, die Entschlossenheit zu kraftvollen Taten, die damit einsetzt, dass bei noch dunkler Nacht der steile Weg ins Gebirge unter die Füsse genommen wird. Implizit folgt der musikalisch prägnant gestaltete Aufstiegsdrang dem moralischen Argument, welches Kant anhand der Kategorie des Erhabenen entwickelt hatte. Demzufolge verleiht gerade die immense Grösse der Natur, wie sie der Anblick hoher Bergwände vor Augen stellt, dem Menschen das heroische Gefühl seiner eigenen geistigen und sittlichen Stärke. Die starre Unausweichlichkeit, mit der das Bergmassiv die Anstrengungen des Wanderers erzwingt, wird erst durch ebendiese Mühen des Auf und Absteigens in eine unvergessliche körperliche Erfahrung übersetzt. Während die Alpengipfel durch ihre Beharrlichkeit das statische Prinzip der Schwerkraft zur Anschauung bringen, zeigt sich im Sonnenaufgang und seinem Strahlenfächer eine dynamische Gegenkraft, die innerhalb des musikalischen Themengefüges für eine belebende Grundspannung sorgt. Auch die Energie des Wasserfalls ist tonal formgetreu als steil abwärts führende Bewegung in der Falllinie eines Glissandos umgesetzt. Als Tonmaler, der gerade mit diesem Stück einmal so naturnah komponieren wollte, «wie die Kuh Milch gibt», setzt Strauss vor allem zwei arbeitsteilige Gestaltungselemente ein. Zum ersten ist dies die Klangfarbe, die tiefe Streicher und schweres Blech für die Gravität der Bergmassen einsetzt, hohe Flöten und Glockentöne für den hellen Glanz von Sonnen und Wasserstrahlen und sodann Kuhglocken, Windmaschine und Donnerblech als ‹natürliche› Klangzeichen ihrer
Richard Strauss. Postkarte. Berlin, ca. 1910
selbst. Zum zweiten arbeitet die Alpensinfonie mit einem Kontrast ihrer tonalen Bewegungskurven, indem der aufsteigenden melodischen Linie (mit dem beherzten Anstieg der Wanderer) eine abwärts führende Sequenz antwortet und sich an den eng geführten Irrwegen im Gestrüpp die weite Ebene des Gletscherfelds anschliesst, und so fort. Die einzelnen Stationen des Abstiegs sind wiederum als Gegenstücke des Aufgangs angelegt, mit Sonnenaufgang und Gewittersturm als jeweiligen Höhepunkten. Schon mit der ersten Klimax führt Strauss jene stufenweise Abwärtsbewegung ein, die als wiederkehrendes Motiv verschiedene Wegstationen und Episoden durchzieht. Von «Treppen des Alpengebirgs» hatte schon Hölderlin die Sonne niedersteigen sehen; bei Strauss nimmt der Tonbogen die Konturen des Bergmassivs auf und setzt sie mit einer abformenden Bewegung in musikalische Phrasierungskunst um.
Warum haben Komponisten wie Schubert, Brahms oder Mahler immer wieder die Nähe der Berge als Inspirationsquelle gesucht? Auf fast magische Weise scheint sich die Energie exponierter Landschaften auf die kreative Arbeit zu übertragen. Man spricht, seit mit der Wiener Klassik die freie, nur ihrer eigenen Formlogik verpflichtete Instrumentalmusik zur ästhetischen Leitvorstellung geworden war, etwas abfällig von ‹Programmmusik›, wenn in einem Orchesterwerk wie der Pastorale direkte Bezüge auf Vogelstimmen, einen murmelnden Bach oder ein Gewitter zu identifizieren sind. Obwohl die Tonkunst im eigentlichen Sinne weder sprechen noch malen kann, drückt sich in der musikalischen Auseinandersetzung mit der Bergwelt die Natur anscheinend viel greifbarer und vor allem hörbarer aus als andernorts, wie eine hübsche Anekdote belegt. Als Gustav Mahler, damals noch Kapellmeister in Hamburg, im Sommer 1896 in Steinbach am Attersee an seiner 3. Sinfonie
arbeitete und der mit dem Dampfschiff anreisende junge Dirigent Bruno Walter fasziniert die Steilwände des Höllengebirges betrachtete, hielt ihm Mahler spöttisch entgegen: «Sie brauchen gar nicht mehr hinzusehen – das habe ich schon alles wegkomponiert.» Tatsächlich trug die Entwurfsfassung des Eingangssatzes den Titel «Was mir das Felsengebirge erzählt».
In der Tendenz zum Abformen der Natur, zum ‹nature writing›, wie auf literarischer Seite eine einschlägige Kunstrichtung heisst, stellt Strauss’ Alpensinfonie fraglos einen Extremwert dar, sowohl was die Direktheit wie auch die Dichte der Referenzen auf das vorgestellte Naturgeschehen betrifft. So üppig orchestriert und dramaturgisch wohlkalkuliert haben die Alpen zuvor noch nicht Klanggestalt angenommen. Als besonders wirkungsvoll erweist sich
Depositum
der
Gottfried Keller
Stiftung
im Kunsthaus
Zürich
Lydia WeltiEscher. Gemälde von Karl StaufferBern, 1886
der Kontrast aus gewichtiger Masse und mitreissender Bewegungsenergie, mit dem Strauss mehr als andere die Körperlichkeit des musikalischen Geschehens hervortreibt. Die Alpensinfonie schlägt ein Kapitel der Schöpfungsgeschichte auf, das noch nicht zu Ende erzählt ist, sondern sich in jeder Aufführung, bei jedem Hören wieder neu manifestiert.
28. Oktober 1915 in Berlin mit der Dresdner Hofkapelle unter der Leitung von Richard Strauss
DAUER ca. 55 Minuten
Die neue G-Klasse in E.
Die brandneue vollelektrische G-Klasse ist nicht nur ein mutiger Sprung in das Elektro-Zeitalter. Gleichzeitig bewahrt sie den ikonischen Geist der G-Klasse, kombiniert mit revolutionärer elektrischer Leistung.
JETZT BEI UNS PROBE FAHREN
Das Sinfonieorchester Basel interpretierte unter der Leitung von Krzysztof Urbański im Sinfoniekonzert ‹Cello on the Rocks› Dmitri Schostakowitschs 10. Sinfonie am 23. November 2022
HEIMLICHE PASSION FÜRS KLAVIER
VON BENJAMIN HERZOG
Matthias Bühlmann, geboren 1969 in Basel, ist in Arlesheim zur Schule gegangen. Er studierte Fagott an der Basler MusikAkademie. Seit 2000 ist er fest angestellt im Sinfonieorchester Basel.
BH Welcher ist Dein Lieblingsort in Basel oder der Region?
MB Das Damatti im Kleinbasel. Zusammen mit dem Kulturmanager Christoph Müller habe ich 2017 diese Bar mit Restaurant gestaltet und eröffnet. Am Anfang haben wir sie noch selber betrieben, inzwischen ist das Damatti wunderbar verpachtet. Wir haben eine grosse Freude daran.
BH Wer sind Deine Lieblingskomponist*innen und Lieblingsinterpret*innen?
MB Bach und Schubert. Vor allem inter pretiert von Sir András Schiff. Schiff ist ein fantastischer Musiker, den ich nur beneiden und bewundern kann.
BH Wo findest Du Inspiration?
MB Bei meinem kläglichen Klavierspiel. Ich hatte früh Klavierunterricht, bis ich sechzehn Jahre alt war. Erst mit dreizehn Jahren habe ich daneben mit dem Fagott angefangen. Der Fokus hat sich dann auch immer mehr auf das Orchesterspiel gerichtet. Ich hatte aber immer den Wunsch, wenn ich mal in Rente gehe, wieder vermehrt Klavier zu spielen. Dann kam die Pandemie, und ich habe die Freude am Klavierspielen wieder entdeckt. Keine Kollegen, keine Dirigenten. Man ist ganz alleine für die Musik verantwortlich. Nur mit der Qualität hapert es leider. Ich bin aber
trotzdem stolz, dass ich die erste Hälfte der Goldberg-Variationen spielen kann. Die Freude an der Musik, das Üben und die Suche nach einer eigenen Interpretation, das ist für mich so wichtig wie die Luft zum Atmen.
BH Was war Dein prägendstes Erlebnis mit Chefdirigent Ivor Bolton?
MB Eines meiner schönsten Erlebnisse mit Ivor Bolton war ein Konzert 2017 mit der 2. Sinfonie von Anton Bruckner im Basler Münster. Wegen des CasinoUmbaus war man damals ja auf der Suche nach alternativen Konzertorten. Die Musik des zutiefst religiösen Bruckner kam in dieser sakralen Umgebung noch intensiver und berührender zur Geltung. Ich wünschte, dass diese Konzerte im Münster weitergeführt würden. Und weil das eines meiner ersten Konzerte mit Ivor war, denke ich immer mit Freude daran zurück.
BH Welche Musik hörst Du beim Kochen oder beim Sport?
MB Schon hauptsächlich klassische Musik, etwa auf SRF2. Aber ich bin eigentlich offen für alle Stilrichtungen. Gerne habe ich auch mal keine Musik und dafür Ruhe. Allergisch bin ich nur auf belanglose Hintergrundmusik.
KONZERT
1.12 . 2024 11 UHR
Werke von Prokofjew, Mozart, Rachmaninow, Britten u.a.
Eine wertvolle Violine? Schnell geht der Wert eines solchen Instruments in die Hunderttausende. Auch Bratschen oder seltene alte Violoncelli sind, wenn es sich um sogenannte Meisterinstrumente handelt, teuer. Und begehrt. Von Musiker*innen. Aber auch von Kriminellen. Immer wieder kommt es zu Verlusten, Diebstählen, Einbrüchen sogar. Der Schweizer Verband der Geigenbauer und Bogenmacher listet mit Datum Juli 2024 auf seiner Internetseite eine «verlorene» Geige von Giovanni Grancino, Mailand 1735, auf. Ein «an Privatadresse in Zürich entwendetes» TestoreCello. Beides Instrumente von hohem Wert. Die Namen Grancino und Testore jedenfalls gehören zur geigenbauerischen ‹upper class›. Ähnliche Register führen die deutsche Musik und Orchestervereinigung oder etwa das britische OnlinePortal musical chairs. Oftmals im Zug liegen gelassene, dort verlorene oder gestohlene Instrumente, nicht nur Streich, auch Blasinstrumente, sind dort aufgelistet. International. Neben Zügen sind Hotels beliebte Orte solcher Diebstähle, sowie Theater und Konzertsäle. Theoretisch trifft das alle Orchestermusiker*innen, die reisen, in Hotels übernachten oder am Stammort zwischen zwei Proben ihre Instrumente nicht mit nach Hause nehmen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: In
ihrem Orchester seien ihnen keine Diebstähle bekannt, lauten die Antworten auf eine Anfrage bei Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel. Ihr Probeort und auch die Hauptspielstätte, das Stadtcasino, sind gesichert und nur mit Zugangscode zugänglich. Es scheint jedoch, dass Basel für Orchestermusiker*innen einfach ein sicherer Ort ist. Selbst als die Musiker*innenGarderobe des Stadtcasinos bis zum Umbau (2016 – 2020) über eine ungesicherte Seitentür noch frei betreten werden konnte. Ein Instrument hat oft nicht nur materiell und emotional einen hohen Wert. Es ist dabei auch ein Gebrauchsgegenstand und somit potenziell der Gefahr einer Beschädigung ausgesetzt. Das muss nicht die unter dem Hosenboden krachend zersplitternde Violine sein wie in einer Zirkusnummer. Schon kleinere Unachtsamkeiten können Lackschichten auf Violinen zum Absplittern bringen, wohlgeformte Trompetenrohre zerdellen oder die feinen Mechanikteile einer Oboe abbrechen lassen. Gegen solche Schäden, wie auch bei Diebstahl, sind die Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel versichert. Die Prämien dieser Versicherung übernehmen hälftig der Arbeitgeber, also das Orchester, hälftig die Musiker*innen selbst. Im Falle eines teuren Streichinstruments kann eine solche Versicherungsprämie in die Tausende gehen.
Eine millionenteure Stradivari zu versichern, das geht sogar in die Zehntausende. Es wird erzählt, dass aus diesem Grund Musiker*innen ih nen angebotene Meisterinstrumente ausgeschlagen hätten. Weil ihnen die finanzielle Belastung durch die Prämie zu hoch war.
Spitzeninstrumente werden auch in Orchestern gespielt. Meistens aber erklingen sie unter den Händen berühmter Solist*innen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der französischen Cellistin Ophélie Gaillard ein GoffrillerVioloncello von 1737 aus ihrem Haus in Savoyen gestohlen wurde. Schon einmal, 2018, hatten Diebe das 1,3 Millionen Euro teure Instrument entwendet. Damals fand es Gaillard wieder: in einem Auto, das vor ihrer Pariser Wohnung geparkt worden war. Wie bekannte Kunstwerke lassen sich auch solche Spitzeninstrumente über offizielle Kanäle nicht verkaufen . Sie sind katalogisiert und würden von einem Kenner sofort wiedererkannt.
Das dachte sich vermutlich auch der Dieb, der 1936 in die Garderobe des Geigers Bronisław Huberman in der New Yorker Carnegie Hall eindrang. Huberman gab im Saal ein Konzert auf seiner GuarneriGeige. Seine Stradivari wurde währenddessen in einer extra dafür eingenähten Manteltasche nach draussen abtransportiert. Fast fünfzig Jahre lang blieb das Instrument ver
schollen. Bis ein gewisser Julian Altman, angeblich auf dem Totenbett, seiner Frau etwas von einer Geige erzählte, die er einst für 100 Dollar gekauft habe. Besagte Witwe, Marcelle Hall, vermutete, dass Altman die Geige sogar selbst gestohlen habe. Jedenfalls musste er sich über deren Wert im Klaren gewesen sein, denn er kaschierte ‹seine› Geige mittels Schuhcreme. Jahrelang spielte Altman das Instrument, unter anderem als Konzertmeister des National Symphony Orchestra in New York. Seine Witwe übergab es 1987 an die Versicherungsgesellschaft Lloyd’s und erhielt dafür einen ‹Finderlohn› von 263’000 Dollar. Lloyd’s liess die Stradivari restaurieren und verkaufte sie für über eine Million Dollar. Der aktuelle Besitzer, der Geiger Joshua Bell, soll 2001 sogar das Vierfache dieses Preises bezahlt haben. Und Bronisław Huberman? Der Geiger, soeben informiert über den Verlust, habe damals kühl gesagt: «Sie ist versichert, machen Sie sich keine Sorgen.» Sein Versicherer, die Gesellschaft Lloyd’s, zahlte Huberman 30’000 Dollar. Sein Instrument sah der 1947 im waadtländischen Vevey verstorbene Huberman nie wieder.
Das nächste Mal: W wie Werkverzeichnis
MUSIK
‹ FREUNDESKREIS
SINFONIEORCHESTER
BASEL ›
MUSIK VERBINDET –FREUNDSCHAFT AUCH
Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.
Wir unterstützen die Arbeit der Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel auf vielfältige Weise. Wir tragen dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grundgestimmtheit für das Orchester und das Musikleben zu schaffen. Unser Verein stellt für seine Mitglieder ein reichhaltiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel zusammen. Dabei bietet sich die besondere Möglichkeit des direkten Kontakts zu den Musiker*innen. Auch in der aktuellen Spielzeit können wir wieder zu einer Kammermusikreihe einladen – eine aktuelle Vorschau finden Sie auf unserer Website. Als Mitglied erhalten Sie jeweils per Mail Informationen zu den bevorstehenden Anlässen und Angeboten.
Wir heissen Sie sehr herzlich will kommen! Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis
200 Jahre wird sie alt und ist doch ewig jung geblieben: Wer von der Neunten spricht, bezieht sich meist immer noch auf Beethovens imposantes letztes sinfonisches Werk. Der letzte Satz mit dem Chor Ode an die Freude hat längst Kult status erreicht. So monumental ist dieses Werk, dass sich Komponist*innen nach Beethoven damit schwertaten, sich überhaupt an ihre eigene Nummer neun zu wagen. Unter der Leitung von Ivor Bolton führt das Sinfonieorchester Basel mit Solist*innen des Theater Basel die klanggewaltige Neunte zum feierlichen Jahreswechsel im Stadtcasino Basel und im Theater Basel auf.