Nr. 5 Saison 24/25 – Orgelsinfonie

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ORGELSINFONIE

22 . 1 . 2025

19. 30 UHR

STADTCASINO

PROGRAMM-MAGAZIN NR. 5

SAISON 24/25

Sinfonieorchester Basel

Christian Schmitt, Orgel

Nils Mönkemeyer, Viola

Fabien Gabel, Leitung

ÜBERSICHT DER SYMBOLE

Diese Institution verfügt über eine Höranlage

Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich

Das Sinfonieorchester Basel verwendet geschlechtergerechte Formulierungen und weist Autor*innen bei der Vergabe von Textaufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte individuell zu gestalten.

KUNST, MUSIK & LEBENSFREUDE –

ORGELSINFONIE

Liebes Konzertpublikum

Dieter Ammann ist der international wohl bekannteste Schweizer Komponist unserer Zeit. Die Uraufführung seines Bratschenkonzerts mit dem Sinfonieorchester Basel erfüllt uns mit Stolz. Sie wird umrahmt von Werken zweier französischer Komponisten, die bahnbrechende kompositorische Standards gesetzt haben.

Claude Debussys Prélude à l’aprèsmidi d’un faune ist ein Schlüsselwerk des musikalischen Impressionismus. Inspiriert von einem Gedicht Stéphane Mallarmés, entführt uns die Komposition in die Traumwelt eines Fauns, der von Nymphen und fernen Landschaften fantasiert. Mit flirrenden Flötenklängen und zarter Harmonik schafft Debussy eine schwebende Atmosphäre, die Zeit und Raum auflöst – ein Meilenstein der modernen Musik.

Gesellschaftliche Veränderungen und persönliche Erfahrungen, wie das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit, sind, wie Dieter Ammann schreibt, prägende Einflüsse in seinem Bratschenkonzert. Im Vergleich zu früheren Werken wie dem Orchesterstück glut oder dem Klavierkonzert von 2019, in denen Spektralharmonik verwendet wird, arbeitet Ammann hier mit temperierter Stimmung und bewegt sich so in Richtung einer, wie er sagt, «unverstellten Tonalität». Einer Tonalität, die dennoch reflektiert bleibt, in verschiedene klangliche Atmosphären geschickt wird und durch Zustände von (In)Stabilität ergänzt wird.

Das musikalische Frankreich des 19. Jahrhunderts, die Zeit Camille SaintSaëns’, favorisierte Opern und virtuose Solokonzerte gegenüber der Sinfonie. Sinfonien zu schreiben war in jener Zeit ein dem gängigen Geschmack zu widerlaufendes ‹trotzdem›. Saint­Saëns selbst war Organist an der Pariser Église de la Madeleine. In seiner 3. Sinfonie verschmilzt der Komponist mit dem Organisten. Die Orgel wird hier als Teil des Orchesters in den Gesamtklang eingebunden.

Mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer und dem Organisten Christian Schmitt kehren zwei gefeierte Solisten zum Sinfonieorchester Basel zurück. Mönkemeyer spielte im September 2022 in Basel die Schottische Fantasie von Walter Braunfels. Christian Schmitt konzertierte letztmals im Rahmen des Orgelfestivals 2023 mit dem Sinfonieorchester Basel. Fabien Gabel, bekannt für seine vielfältige Repertoireauswahl, ist Chefdirigent beim Tonkünstlerverein Niederösterreich und wird für seine dynamische Interpretation und sein sorgfältiges Arbeiten mit der Partitur weitherum hochgeschätzt.

Wir freuen uns, mit Ihnen einen höchst abwechslungsreichen und spannenden Konzertabend geniessen zu dürfen.

Bratschist Nils Mönkemeyer: «Das Wichtigste ist, Publikum und Umfeld von einem neuen Stück zu begeistern.»

VORVERKAUF, PREISE UND INFOS

VORVERKAUF

Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch

Sinfonieorchester Basel +41 (0)61 272 25 25 ticket@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch

ZUGÄNGLICHKEIT

Das Stadtcasino Basel ist rollstuhlgängig und mit einer Induktionsschleife versehen. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.

PREISE

CHF 110/90/75/55/35

ERMÄSSIGUNGEN

• Junge Menschen in Ausbildung: 50 %

• AHV/IV: CHF 5

• KulturLegi: 50 %

• Mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5

• Begleitpersonen von Menschen, die für den Konzertbesuch eine Begleitung beanspruchen, haben freien Eintritt. Die Anmeldung erfolgt über das Orchesterbüro.

GEHÖRSCHUTZ

Gehörschutz ist an der Abendkasse sowie am Welcome Desk im Foyer des Stadtcasinos Basel erhältlich.

© Irène Zandel

ORGELSINFONIE

Mi, 22. Januar 2025, 19.30 Uhr

Stadtcasino Basel, Musiksaal

18.30 Uhr, Musiksaal: Konzerteinführung mit Benjamin Herzog

Das Konzert wird von Radio SRF2 Kultur aufgezeichnet. Sendetermin 6. Februar 2025, 20 Uhr, in der Sendung ‹Im Konzertsaal›.

Claude Debussy (1862 – 1918)

Prélude à l’après-midi d’un faune, L. 86 (1894)

Dieter Ammann (*1962)

Konzert für Viola und Orchester (2025), Uraufführung

PAUSE

Camille Saint-Saëns (1835 – 1921)

Sinfonie Nr. 3 c­Moll, Orgelsinfonie , op. 78 (1886)

I. Adagio – Allegro moderato –Poco adagio

II. Allegro moderato – Presto –Maestoso – Allegro

ca. 12’

ca. 20’

Sinfonieorchester Basel

Christian Schmitt, Orgel

Nils Mönkemeyer, Viola

Fabien Gabel, Leitung

ca. 38’

Konzertende: ca. 21.15 Uhr

Kompositionsauftrag vom Sinfonie orchester Basel, Lucerne Festival, Münchner Kammerorchester, Tongyeong International Music Festival und Esprit Orchestra Toronto gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung.

CLAUDE DEBUSSY

Prélude à l’après-midi d’un faune

WENDEPUNKT UND MEILENSTEIN

VON JOHANN BUDDECKE

Mehrere Anläufe brauchte

Claude Debussy für die Komposition seines Prélude à l’après-midi d’un faune . Mit dem Werk gelang ihm der internationale Durchbruch.

Als der französische Schriftsteller Stéphane Mallarmé im Jahr 1876 sein elf Jahre zuvor entstandenes Gedicht L’après-midi d’un faune veröffentlichte, fand es so gut wie keine Beachtung. Claude Debussy wurde auf das in kunstvoll­musikalischer Sprache verfasste Lyrikwerk durch eine Rezension von Theodor de Wyzewas in der symbolistischen Zeitschrift La Vogue aufmerksam und war sofort von der Ausdruckskraft und der verwendeten Symbolik hingerissen. Trotzdem kam ihm zunächst nicht der Gedanke, das Gedicht zu vertonen. Erst die Ankündigung einer Lesung mit Werken Mallarmés am 27. Februar 1891 brachte ihn auf die Idee, eine passende Begleitmusik zu komponieren. Am Ende dieser Arbeit stand sein berühmtes Prélude à l’aprèsmidi d’un faune . Zu einer Vollendung der Komposition sollte es jedoch zunächst nicht kommen. Denn nachdem Debussy sich an die Arbeit gemacht und Ende 1890 sogar erste Skizzen des Werks fertiggestellt hatte, wurde die Lesung abgesagt, was bedeutete, dass er mangels Kompositionsanlass die Arbeit an der Musik einstellte. Erst ein Jahr später entschied er sich, die Arbeit wieder aufzunehmen, plante dann aber, sein Vorhaben deutlich zu erweitern. So sollte aus der ursprünglich angedachten Begleitmusik schliesslich eine dreiteilige Suite mit dem Titel Prélude ,

Interlude et Paraphrase finale sur l’Après- midi d’un faune entstehen. Doch auch dieses Vorhaben gab Debussy wieder auf, seine Gründe dafür liegen im Dunkeln.

Doch noch bevor er den Plan mit der dreiteiligen Suite aufgab, hatte Debussy bereits eine vorläufige Version des ersten Teils komponiert, die er zwischen 1893 und 1894 zunächst im Freundeskreis und später Stéphane Mallarmé vorspielte, der sich begeistert zeigte. Noch bis zur Uraufführung des Werks, die für den 22. Dezember 1894 in der Société Nationale de Musique in Paris geplant war, arbeitete Debussy akribisch daran und nahm noch während der Proben Veränderungen vor. Zeit für eine Namensänderung blieb da anscheinend nicht mehr, sodass die Komposition schlicht den Titel des ersten Teils der Suite behielt.

Was die begeisterten Zuschauer schliesslich an jenem Dezembertag in Paris zu hören bekamen, sollte sich als Meilenstein des musikalischen Impressionismus erweisen, als Wendepunkt der Musikgeschichte hin zur Moderne. Auch Mallarmé war hingerissen. Er schrieb in einem Brief an Debussy: «Ihre Illustrierung des ‹Après­midi d’un Faune› bildet keine Dissonanz zu meinem Text, sie übertrifft ihn wahrlich eher an Sehnsucht, und an Licht, mit ihrer Feinheit, ihrer Schwermut, ihrem Reichtum.» Die anwesenden Vertreter der Presse und die Komponistenkollegen hingegen reagierten zunächst verhalten. So urteilte Camille SaintSaëns, dass Debussy keinen neuen Stil erschaffen, sondern lediglich das Fehlen von Stil und Logik kultiviert habe. Doch seinem Erfolg sollte die Kritik keinen Abbruch tun. Das Prélude à l’après- midi d’un faune bescherte Debussy seinen internationalen Durchbruch als Komponist.

Insgesamt ist das Instrumentalwerk, von dem Debussy zunächst selbst behauptete, es wäre lediglich von der Literaturvorlage inspiriert und würde

keinesfalls narrativen Charakter aufweisen, nur 110 Takte lang und mit einer Aufführungsdauer von knapp zehn Minuten relativ kurz. «Die Musik dieses Préludes verbildlicht auf eine sehr freie Weise Mallarmés Gedicht; sie will es eigentlich gar nicht nacherzählen», erklärte Debussy später. Dass sich die moderne Tonsprache der Komposition jedoch ideal als narrative Basis für Tanztheaterproduktionen eignet, bemerkte auch der russische Ballett tänzer und Choreograf Vaslav Nijinsky, dessen gleichnamiges Ballett ebenfalls als Meilenstein der künstlerischen Moderne gilt.

Am 29. Mai 1912 wurde am Pariser Théâtre du Châtelet diese Ballettversion uraufgeführt. Das Ballett entstand ohne Beteiligung Debussys. Ausführende war Sergei Djagilews Kompagnie Ballets Russes , die damals progressivste Ballettgruppe der Welt. Diese Aufführung sprengte die Grenzen des klassischen Balletts, indem die Tänzer barfuss tanzten und auf jede Attitüde des

Claude Debussy. Fotografie von Gaspard­Félix Tournachon alias Nadar, 1905

klassischen Balletts verzichteten. Die Choreografie, die hauptsächlich vom Startänzer Vaslav Nijinsky stammte, war inspiriert von antiker griechischer Vasenmalerei und sparte auch die erotischen Momente der Vorlage nicht aus – was zu teils heftigen ablehnenden Reaktionen der Kritik und des Publikums führte.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Vaslav Nijinsky, der Star der Ballets Russes, in Claude Debussys Prélude à l'après-midi d'un faune , 1912

Prélude à l’après-midi d’un faune

BESETZUNG

3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Harfen, 2 Cymbales antiques oder Crotales, Streicher

ENTSTEHUNG

1890 – 1894

URAUFFÜHRUNG

Am 22. Dezember 1894 in der Société Nationale de Musique in Paris unter Leitung von Gustave Doret

DAUER

ca. 12 Minuten

© Lebrecht Music & Arts / Alamy Stock Foto

ÄLTESTE BISCUIT MANUFAKTUR DER SCHWEIZ

DYNAMISCH BEI ALLER SORGFALT

Fabien Gabel wuchs in einer Musikerfamilie in Paris auf. Er begann im Alter von sechs Jahren mit dem Trompetenspiel und studierte am Conservatoire National

Supérieur de Musique de Paris und an der Hochschule für Musik Karlsruhe.

Bevor er seine Karriere als Dirigent begann, spielte er bei verschiedenen

Pariser Orchestern unter namhaften Dirigenten wie Pierre Boulez, Sir Colin Davis, Riccardo Muti, Seiji Ozawa, Sir Simon Rattle oder Bernard Haitink.

Nachdem Fabien Gabel 2004 als Gewinner des Donatella Flick­Dirigierwettbewerbs internationale Aufmerksamkeit erregt hatte, arbeitete er als Assistenzdirigent beim London Symphony Orchestra. An­

schliessend war er Musikdirektor des Orchestre symphonique de Québec und des Orchestre Français des Jeunes. Gabel ist designierter Chefdirigent des Tonkünstler­Orchesters Niederösterreich, eine Position, die er mit der Saison 2025/26 antreten wird. Internationale Engagements haben ihn zu Spitzenorchestern auf der ganzen Welt geführt, darunter das Orchestre de Paris, das NDR Elbphilharmonie Orchester, das Oslo Philharmonic, das London Philharmonic oder das Cleveland Orchestra. Fabien Gabel wird für seinen dynamischen Stil sowie seinen sorgfältigen Umgang mit der Partitur gelobt und ist für seine eklektische Repertoireauswahl bekannt, die vom sinfonischen Kernrepertoire über Neue Musik bis hin zu Werken weniger bekannter Komponist*innen des 19. und 20. Jahrhunderts reicht.

Zu den jüngsten Höhepunkten seiner Karriere zählt die Aufnahme einer neuen Filmmusik für Abel Gances Film Napoléon aus dem Jahr 1927 mit dem Orchestre National de France und dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Nach sechzehn Jahren Restaurierungsarbeit wurde der erste Teil des Films 2024 am Filmfestival von Cannes präsentiert. 2020 wurde Fabien Gabel von der französischen Regierung zum Chevalier des Arts et des Lettres ernannt.

© Lyodoh Kaneko

DIETER AMMANN

Konzert für Viola und Orchester

KONFRONTIERTE MUSIK

VON FLORIAN HAUSER

In Dieter Ammanns Brust wohnt zum einen die Seele des freien Improvisators und Jazzers, die aus dem Moment heraus schnelle Entscheidungen trifft. Wie zum Ausgleich gönnt sich seine andere Seele, die des Komponisten, eine Gründlichkeit, die ein extrem verwinkeltes Labyrinth Schritt für Schritt erforscht.

Der komponierende Dieter Ammann muss nicht nur aus Hunderten von Ideen aussieben, sondern jede einzelne prüfen und in jeder Dimension, also vom einzelnen Ton über ganze Passagen bis hin zur Grossform, auf ihre Substanz befragen. Indem er so die Zeit quasi anhält, wird die komponierte Musik zu einer Art eingefrorener Improvisation. Als ob er das Flüchtige der Improvisation einfangen wollte, um mit der Lupe zu betrachten, was da eigentlich so alles passiert.

Treffen so die improvisierende Seele, die nach vorn stürmt, und die komponierend­reflektierende Seite Am manns aufeinander, entfaltet sich ein Netz von Kräften, die in verschiedene Richtungen zerren und die Musik bis zum Zerreissen spannen. Leerlauf kennt sie nicht, diese schnelle, vitale Musik. Dagegen kennt sie die ständige Bewegung und das Unerwartete, und ständig kann sie implodieren oder explodieren. «Vielleicht ist es genau das: dieses UnsicherSein und dieses permanente Suchen, was mich am Komponieren wirklich reizt: den Widerstand auszuhalten, als Suchender in einer Welt unterwegs zu sein, deren eigener Schöpfer ich gleichzeitig bin.»

Ammann hat den Anspruch, dass sowohl in der Horizontalen, also im zeitlichen Verlauf, als auch in der Vertikalen, also im Harmonischen, jeder

gesetzte Ton zu jedem anderen in einer sinnvollen Beziehung steht. Dass das, gerade in einer Textur für Orchester, zu äusserst langwierigen Entscheidungsprozessen führt, liegt auf der Hand: Dieter Ammann, der Komponist, der sich intuitiv vortastet, ist ein ausgesprochener Langsamschreiber. Das war beim neuen Violakonzert nicht anders. Ende 2020 begann er mit der Komposition und stürzte schnell in den berüchtigten kreativen Strudel hinein, der sich so oft während der Arbeit einstellt und im fertigen Werk deutlich nachwirkt. Diesmal war der Strudel geradezu ein Furor – mit allem, was dazugehört, also mit hohem Tempo und extremer Interaktion zwischen Orchester und einem Soloinstrument, das in einen musikalischen Kampf verwickelt wird.

Im darauffolgenden Jahr verlangsamte sich Ammanns Arbeitstempo deutlich, ja es kam fast zum Stillstand. Denn 2022 war er sehr von all den internationalen Konzerten zu seinem 60. Geburtstag absorbiert. Die Kompositionspause hinterliess aber, wie sich zeigen sollte, ihre Spuren im Konzert: Man spürt die Reflexion der eigenen Endlichkeit des Komponisten. Als 2022 der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann, engagierten sich Ammann und seine Frau persönlich für einige ukrainische Studierende, und so sickerte ein weiterer ‹Impuls von aussen› in die Kompositionsarbeit ein, der beim Komponisten das Bedürfnis entstehen liess, tonal­melancholische Felder in die Musik einzubauen: lange Flächen, in denen ein Akkord auskomponiert ist (in der extremen Dichte von Ammanns Musik bisher undenkbar), oder ein Zitat aus Schuberts Der Tod und das Mädchen – was gleichzeitig wiederum als schmerzliche Erinnerung an Wolfgang Rihm gelesen werden kann, des engen Komponistenfreunds, der im Sommer 2024 starb. «Ich habe noch nie so viel gewagt, auf die quasi andere Seite zu gehen, zur unverstellten Tonalität.»

Anders als etwa im Klavierkonzert (2019), in dem Spektralharmonik und mikrotonale Färbungen eine grosse Rolle spielen, gibt es im Bratschenkonzert Akkorde, die zwar ähnlich aufgebaut sind, aber in der temperierten Stimmung verbleiben. Dabei wird allerdings diese «unverstellte Tonalität» ständig reflektiert, also verschiedenen Zuständen von Instabilität ausgesetzt und mit anderen klanglichen Atmosphären kombiniert.

Zum ersten Mal konfrontiert Ammann seine Musik in ihrer Formwerdung auch mit Ereignissen ausserhalb ihrer selbst, ja mehr noch: Er selbst spricht nicht nur von «konfrontieren» oder «imprägnieren», sondern von «kontaminieren». Das hat etwas Giftiges, und Dieter Ammann sagt dazu: «Ja, das hat es. Aber wenn ich als Mensch mit vielen anderen Erlebnissen emotional verknüpft bin, können sich meine musikalischen Vorstellungen nicht mehr einfach so ungehindert, sagen wir: im geschützten Raum bewegen, wo es nur um Klangforschung, also um genuin musikalische Fragen geht.»

Konzert für Viola und Orchester

BESETZUNG

Solo­Viola, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, Trompete, Posaune, Schlagzeug, Harfe, Streicher

ENTSTEHUNG

2020 – 2024

URAUFFÜHRUNG

Am 22. Januar 2025 in Basel mit dem Solisten Nils Mönkemeyer und dem Sinfonieorchester Basel unter Leitung von Fabien Gabel

DAUER

ca. 20 Minuten

Kammermusik mit Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel

IM WECHSELSPIEL DER ENERGIEN

Damit ein erstmals aufgeführtes Stück auch weiterhin gespielt wird, sei das Wichtigste, sein Publikum und Um feld von diesem Stück zu begeistern. So der Bratschist Nils Mönkemeyer. Das in Basel uraufgeführte Violakonzert von Dieter Ammann sei für ihn wie ein enger Dialog zwischen Orchester und Solostimme.

Nils Mönkemeyer sagt, das Schöne daran, Bratschist zu sein, sei, aufgrund des etwas knappen Repertoires stets gezwungen zu sein, sich mit allen Epochen zu beschäftigen. «Das erfordert für mich als Künstler eine grosse stilistische Bandbreite.» Daran könne man nur wachsen. Ob Musik von Marin Marais oder Antonio Vivaldi oder Giacinto Scelsi – Der Umfang von Mönkemeyers Repertoire als Solist und Kammer musiker ist in der Tat erstaunlich. Er holt unbekannte Konzerte der Spätromantik aus der Versenkung – so führte Mönkemeyer im September 2022 in Basel Walter Braunfels’ selten gespielte Schottische Fantasie für Viola und Orchester auf. Oder er vergibt Kompositionsaufträge – etwa an die Komponistin Isabel Mundry oder den Komponisten Peter Ruzicka.

In Basel spielt Mönkemeyer die Uraufführung von Dieter Ammanns Violakonzert. Das Zusammenspiel von Solostimme und Orchester beschreibt er so: «Bratsche und Orchester treten in einen eng umschlungenen Dialog, wobei das Orchester oft so etwas wie ein Schatten der Solostimme ist, und es zu einem Wechselspiel der Energien kommt.» Damit es bei solch einem neuen Werk nicht bei der Uraufführung und ein paar Folgeterminen bleibt, müsse man mehr als gut spielen, sagt Mönkemeyer, und so sein Publikum

und Umfeld für das Stück begeistern. Doch mehr als das könne man eigentlich nicht tun. Wichtig scheint ihm aber auch die Verantwortung der Komponist*innen. Sie sollen so schreiben, «dass ein Stück nach der Uraufführung auch weiter gespielt werden kann».

Mönkemeyer dürfte es leichtfallen, die Zuhörer zu begeistern, denn er ist, nach eigener Aussage, einer, der «mit, im und vom Enthusiasmus lebt». Enthusiasmus als jenen Zustand der Begeisterung begriffen, in dem man getragen ist von dem unstillbaren Bedürfnis, «die Lust an der Erkenntnis und die Erkenntnis der Lust» weiterzugeben. Dann, so Mönkemeyer, müsse man sich gar nicht motivieren, sondern die Motivation «ist dann ein Teil von dem, was man tut». Und so gehe ihm das mit Musik – «jeden Tag».

© Irène Zandel

Sinfonie Nr. 3, Orgelsinfonie

DIE LIEBE DES EKLEKTIKERS

VON WOLFGANG STÄHR

«Macht Beethovensche Sinfonien, und ich werde sie spielen!» Mit dieser lapidaren Auskunft pflegte der Dirigent Jules Étienne Pasdeloup in den 1860erJahren junge französische Komponisten abzufertigen, die es wagten, ihm, dem Gründer und Leiter der erfolgreichen Pariser Concerts populaires, ihre neuen Werke anzudienen. Gewiss, Pasdeloup hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mit seinen volkstümlichen Konzerten eine zukunftsträchtige Alternative zum elitären und überteuerten Angebot der ehrwürdigen Société des Concerts zu entwickeln. Aber das Repertoire, das er präsentierte, war mindestens so konservativ wie die Programme der Konkurrenz: Beethoven, Mendelssohn und Weber hiessen Pasdeloups Favoriten. Keiner von ihnen ein Franzose. Allesamt deutsch und tot. Die Empfehlung, sich doch besser als Beethoven­Epigonen zu versuchen, musste auf die nachrückende Komponistengeneration wie blanker Hohn wirken und lebensfern zugleich, denn wer hätte von sich schon behaupten wollen, ein zweiter Beethoven zu sein?

Seit der Restauration, nach der Abdankung Napoleon Bonapartes im Jahr 1815, war in Frankreich die Komposition von Sinfonien fast vollständig zum Erliegen gekommen. Das Pariser Musikleben stand ganz im Zeichen des

Theaters, der Oper und des Balletts: Spektakuläre Massenszenen, prachtvolle Dekorationen, gefeierte Tenöre und bewunderte Primadonnen begeisterten das Publikum, das nach immer neuen Sensationen und nach glamouröser Unterhaltung verlangte. Auch auf den Konzertpodien ging es eher zu wie im Zirkus, wenn die grossen Virtuosen – ob Franz Liszt, Sigismund Thalberg, Niccolò Paganini oder Henri Vieuxtemps – als Hexenmeister an die Rampe traten, ihre Kunst zur Schau stellten und die Hörer mit Bravour­Variationen über Themen aus italienischen Opern um den Verstand brachten. «Man gab sich dem Götzenkult der Melodie hin – oder vielmehr kurzer Motive, die man als ‹Melodien› etikettierte: Motive, die sich leicht ins Gedächtnis einprägten und auf Anhieb zu verstehen waren», schilderte Camille Saint­Saëns die fatale Situation. «Ein französischer Komponist, der die Kühnheit hatte, sich auf das Gebiet der Instrumentalmusik zu wagen, konnte seine Werke lediglich in einem selbst veranstalteten Konzert zur Aufführung bringen, zu dem er seine Freunde und die Presse einlud. An das Publikum, das eigentliche Publikum, war nicht zu denken; der blosse Name eines französischen Komponisten –noch dazu eines lebenden! – genügte, um alle Welt in die Flucht zu schlagen.» Freilich mochte sich Saint­Saëns mit

Camille Saint­Saëns an der Orgel der Pariser Salle Gaveau, ca. 1910

diesem Lamento nicht begnügen – er ging vielmehr in die Offensive und gründete gemeinsam mit Romain Bussine, Henri Duparc, Édouard Lalo, Jules Massenet und Gabriel Fauré 1871 die Société Nationale de Musique, die sich unter dem Motto ‹Ars gallica› exklusiv der zeitgenössischen französischen Musik verschrieb. «In der Literatur gibt es das Theater, und es gibt auch das Buch. Auf jenes kommt man immer wieder zurück, welcher Art die mächtigen Verlockungen der Bühne auch immer sein mögen. In der Tonkunst sind es Kammermusik und Konzert, die dem Buche gleichkommen, mit ihrer Bedeutsamkeit, ihrer Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit», begründete Saint­Saëns den Leitgedanken der neuen Gesellschaft.

Die glücklichste Zeit seines Lebens, so gestand der 78­jährige Camille SaintSaëns im Rückblick, habe er an der Pariser Église de la Madeleine verbracht, wo er fast zwei Jahrzehnte lang, von 1858 bis 1877, das angesehene und hochdotierte Amt des Organisten innehatte. Die grosse Orgel von Aristide CavailléColl war sein Reich, in dem er sich wohlfühlte «wie ein Fisch im Wasser». Dass es jedoch in dem überaus umfangreichen Œuvre von Camille Saint­Saëns, das mehr als 300 Werke quer durch alle Gattungen umfasst, nur vergleichsweise wenige Kompositionen für Orgel gibt, mag mit seiner Vorliebe für die Kunst der Improvisation zusammenhängen, die es ihm erlaubte, die verschiedensten Einflüsse und Ideen aufzugreifen und seinem Spiel anzuverwandeln. «Im Grunde sind es weder Bach noch Beethoven, noch Wagner, die ich liebe – es ist die Kunst allein. Ich bin ein Eklektiker», bekannte er und fügte hinzu: «Leidenschaftlich liebe ich die Freiheit.» Diese Liebe führte ihn 1885/86 schliesslich doch noch dazu, ein Werk für die Orgel zu schaffen, das dieses Instrument denkbar unkonventionell zur Geltung bringt: die Sinfonie Nr. 3 c­Moll op. 78, die das Instrument nicht konzertant

einsetzt, sondern es (ebenso wie das gleichfalls vorgesehene Klavier zu zwei und vier Händen) als Teil der Orchesterbesetzung begreift. Entsprechend sind es nicht in erster Linie solistische Qualitäten, die der Orgel abverlangt werden – Saint­Saëns führt sie über weite Strecken akkordisch und grundiert mit ihr den brillant instrumentierten Orchestersatz. Der Klangcharakter, gewissermassen die Persönlichkeit der Sinfonie, zielt auf majestätische Grösse, sakrale Aura und royale Autorität.

Als Memorial ist die Orgelsinfonie Franz Liszt gewidmet, der am 31. Juli 1886 verstarb. Gleichwohl mag dies nur der äussere Anlass für die Zueignung gewesen sein, denn die Sinfonie orientiert sich auch gestalterisch eng an Liszt, genauer gesagt, an dessen h­MollSonate für Klavier. Hier wie dort entfalten sich die thematischen Metamorphosen aus einer einzigen Keimzelle: Im Falle von Saint­Saëns ist es die gregorianische Dies Irae ­Sequenz, die den Nukleus bildet, aus dem immer neue Ableitungen und Variationen gewonnen werden. Das Prinzip des ‹alles aus einem› spiegelt sich überdies im formalen Aufbau, denn ähnlich wie Liszt, der seine Sonate in einen einzigen durchkomponierten Satz fügte, fasst Saint­Saëns die traditionellen vier Sinfoniesätze zu einem Zweierpaar zusammen und hebt so die Verklammerung hervor: «Obwohl diese Sinfonie in zwei Sätze unterteilt ist, behält sie im Grunde die traditionelle Viersätzigkeit bei», erklärte Saint­Saëns. «So dient der erste Satz, der in der Durchführung abbricht, als Einleitung zum Adagio, und auf dieselbe Weise ist das Scherzo mit dem Finale verknüpft.» Camille SaintSaëns wusste selbst sehr gut, dass ihm ein bedeutendes Werk in der Geschichte der französischen Sinfonie gelungen war: «Hier habe ich alles gegeben, was ich geben konnte [...] so etwas wie dieses Werk werde ich nie wieder schreiben.»

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Die Église de la Madeleine in Paris. Fotografie, ca. 1900

Sinfonie Nr. 3 c-Moll, Orgelsinfonie

BESETZUNG

3 Flöten inkl. Piccolo, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Klavier (vierhändig), Orgel, Streicher

ENTSTEHUNG

1885/1886

URAUFFÜHRUNG

Am 19. Mai 1886 in einem Konzert der Royal Philharmonic Society in der Londoner St James’s Hall unter der Leitung des Komponisten

DAUER

ca. 38 Minuten

© Penta Springs Limited / Alamy Stock
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Im Gespräch

HEILIGER MOMENT, STRAHELNDER JUBEL

Der Organist aus dem Saarland mit Jahrgang 1976 spielt gerne mit Orchestern zusammen, schätzt die Orgel aber ebenso als Kammermusik­Instrument und als Begleitung im Liedgesang. Den Orgelpart in der 3. Sinfonie von Saint­Saëns hat Christian Schmitt schon vierzig Mal im Konzert interpretiert.

FK Auf einer Skala von 1 bis 10 in der Kategorie ‹Werk für Orgel und Orchester› – wo würden Sie da die Orgelsinfonie von SaintSaëns einordnen?

CS Da das Werk etwas ganz Besonderes ist, würde ich es relativ hoch einstufen, zwischen 8 und 9. Die Orgel hat zwar wenig zu spielen, übernimmt aber eine ganz spezielle Rolle. Die Orgelsinfonie enthält tolle Harmonien, und ich mag sie insgesamt sehr. Im vergangenen Jahr habe ich das Stück schon zum vierzigsten Mal gespielt.

FK Können Sie den Orgelpart näher charakterisieren?

CS Die Orgel kommt zwei Mal über längere Strecken vor. Als ‹Sinfonie› ist Saint­Saëns’ Werk ungewöhnlich, weil es nur zwei Teile hat statt der üblichen vier. Wenn die Orgel zum ersten Mal erscheint, ist das ein heiliger Moment: ein einziger Ton, der dann gedoppelt wird, die Tonart Des­Dur stellt sich ein, dann setzen die Streicher ein. Das Publikum erfährt hier eine grosse Ruhe. Der samtige Schmelz der Streicher drückt etwas ganz Besonderes aus. Im Gegensatz dazu ist im zweiten Teil der Orgeleinsatz in C­Dur: strahlender Jubel gegen diese ‹katholische Heiligkeit› in Teil eins.

FK Welche Stellung hat das Werk im Schaffen von Saint-Saëns?

INTERVIEW

CS Camille Saint­Saëns hat siebzehn Jahre lang keine Sinfonie geschrieben. Für ihn als Organisten stellt sich jetzt die Frage: Wie setze ich die Orgel ein? Saint­Saëns äusserte später: «Ich habe in diesem Werk alles gegeben, was ich geben konnte. [...] Was ich hier gemacht habe, werde ich nie wieder machen.» Es ist interessant, dass ein Komponist sagt, dass so ein Werk sein Limit sei.

FK Beim Blick in die Partitur fällt auf, dass der Orgelpart technisch nicht anspruchsvoll ist. Stimmt dieser Eindruck?

CS Technisch ist er in der Tat nicht schwer. Das Problem ist: Wir als Organisten sind es nicht gewohnt, mit einem Orchester zusammenzuspielen, Takte zu zählen oder auf die Einsätze eines Dirigenten zu schauen. Ich muss sehr wachsam sein und meinen Part auswendig können. Dazu kommt: Man darf das Orchester mit der Orgel nicht übertönen, sondern muss es unterstützen .

FK Sie arbeiten schon seit über zehn Jahren mit Musiker*innen von Spitzenrang zusammen. Ein Beispiel dafür ist Ihr Debütkonzert mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle im August 2013. Wie ist es dazu gekommen?

CS Als ich mit Magdalena Kožena 2012 an den Salzburger Festspielen auftrat, sass Rattle im Publikum und fragte mich anschliessend, ob ich in seiner Aufführung der Glagolitischen Messe von Leoš Janáček mitspielen wolle. Darin gibt es ein dreiminütiges reines OrgelSolo und zwei bis drei solistische Einschübe. Ich habe dieses Stück damals zum ersten Mal gespielt. Und dann gleich mit den Berliner Philharmonikern und diesem hervorragenden Dirigenten, und das mit nur zwei Tagen Probe!

FK Sie haben mit der tschechischen Mezzosopranistin Magdalena

Kožena 2013 das Album Prayer eingespielt. Deutet dieses Projekt auf Ihre besondere Vorliebe für das Liedrepertoire hin?

CS Mein Herz schlägt stark für die französische Romantik. Ich schätze aber auch die Zusammenarbeit mit Sänger*innen sehr. Toll finde ich die Orgel zudem als Kammermusik­Instrument und im Lied­Repertoire. Ich liebe auch die ‹klassische› Orgel­Literatur –von Bach bis Messiaen – sowie das Zusammenspiel mit einem Orchester.

FK Die Metzler-Klahre-Orgel im Basler Stadtcasino ist Ihnen bereits von früheren Auftritten vertraut. Wie beurteilen Sie das Instrument?

CS Diese Orgel ist ein Top­Instrument, das zur Spitze der europäischen Konzertsaal­Orgeln zählt: Sie verfügt über das erforderliche Durchsetzungsvermögen gegenüber dem Orchester, bietet aber auch zarte Stimmen, die sich für die Verschmelzung mit solistischen Bläsern gut eignen. Die Idee der Sachverständigen war damals, in die Basler Orgel den englischen Konzertsaal­Stil einfliessen zu lassen. Eine Orgel wie jene in der Royal Albert Hall in London mit ihren 9’999 Pfeifen war in Basel natürlich nicht möglich, aber die Orgelbauer haben eine gute Balance gefunden.

FK Können Sie noch etwas zu Ihrer Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Basel für dieses Konzert sagen?

CS Mit dem Dirigenten Fabien Gabel habe ich schon zusammengearbeitet. Das ist eine gute Basis für ein Werk, das für das Orchester kein Repertoirestück ist. Da ist es hilfreich, wenn man sich mit dem Dirigenten nicht erst am Vortag trifft. Dem Orchester hört man die Nähe der Stadt Basel zu Frankreich an: Es fällt nicht jedem Orchester so leicht, diesen französischen Esprit von Saint­Saëns in die Interpretation reinzubringen.

Sinfoniekonzert ‹Viol(a)ence in Heaven› vom 21. September 2022 mit Nils Mönkemeyer, dem Sinfonieorchester Basel und dessen designiertem Chefdirigenten Markus Poschner

GÄNSEHAUT MIT BEETHOVEN

VON BENJAMIN HERZOG

Katarzyna Nawrotek wurde in Polen in der Nähe von Katowice geboren und hat dort auch studiert. Sie lebt in Basel und spielt seit über dreissig Jahren im Sinfonieorchester Basel.

BH Welcher ist Dein Lieblingsort in Basel?

KN Ich habe das Glück, direkt am Rhein zu wohnen, und das ist auch mein Lieblingsort: die Rheinpromenade mit all den Fähren, Weidlingen und Rheinschwimmer*innen. Ich kann mich da nicht sattsehen, dafür aber herrlich entspannen.

BH Wer ist Dein*e Lieblingskomponist*in oder Dein*e Lieblingsinterpret*in?

KN Ich habe viele musikalische Vorlieben oder auch gar keine – sie verändern sich jedenfalls immer wieder. Eine Konstante bei den Interpret*innen bleiben vielleicht Glenn Gould oder Tom Waits. Bei den Werken sind es die späten Streichquartette von Beethoven. Vor allem die langsamen Sätze, die ich mir oft auf Dauerschleife anhöre, am besten von dem wunderbar zerbrechlichen und altmodischen Quartetto Italiano gespielt: Gänsehaut oder (m)ein Traum vom Glück.

BH Was hörst Du beim Kochen oder beim Sport?

KN Im Allgemeinen bevorzuge ich Stille. Nur beim Kochen höre ich manchmal Podcasts. Beim Sport schaue ich Sendungen an, so wird die Mühe erträglicher. Mein Programm dabei ist recht bunt. Von Comedy­Sachen wie

© Pia Clodi, Peaches & Mint

Willkommen Österreich über unnützes Wissen in Was wäre wenn bis zu Wir müssen reden oder Jung und Naiv , beides gelungene gesellschaftspolitische Formate.

BH Was war Dein prägendstes Erlebnis mit Chefdirigent Ivor Bolton?

KN Mein prägendstes Erlebnis mit Ivor ... es fällt schwer, mich auf eines zu beschränken. Es wurden in den letzten Jahren so viele. Vielleicht die Premiere von Herzog Blaubarts Burg und Der wunderbare Mandarin von Béla Bartók am Theater Basel, die bislang einzige Opernproduktion unter Ivors Leitung. Das ist mir tief in Erinnerung geblieben. Wir haben viel für diese Produktion geprobt und konnten wirklich bis an das Fundament dieser fantastisch farbenreichen Werke gehen. In der Premiere entstand dann diese besondere Stimmung, in der man alle Virtuosität vergisst und zusammen eine Geschichte mit voller Hingabe erzählt. Mich berührt immer wieder aufs neue Ivors fast kindliche Begeisterung für die Musik. Er öffnet die Partitur immer noch so, als würde er sie zum ersten Mal aufschlagen.

BH Hast Du schon einmal von Musik geträumt?

KN Ja, ich träume von Musik. Es sind aber eher Albträume, die in Erinnerung bleiben. Im Traum bin ich schon als Solistin ohne Kleid aufgetreten, oder ich begann ein Konzert vor grossem Publikum zu spielen, obwohl ich wusste, dass ich nur die ersten acht Takte gelernt hatte. Anscheinend bin ich da nicht alleine. Viele von uns verarbeiten die Nervosität und den Druck der Bühne auf diese Weise. So erkläre ich es mir zumindest.

BESUCH BEIM NEUEN

CHEFDIRIGENTEN

EINE MUSIKA LISCHE

ENTDECKUNGS REISE

NACH LINZ

Linz, die Landeshauptstadt Oberösterreichs, liegt auf halbem Weg zwischen Salzburg und Wien und ist die Wirkungsstätte zweier grossartiger Musikerpersönlichkeiten mit einem Altersunterschied von beachtlichen 147 Jahren, welche wir beide auf dieser ganz besonderen Reise kennenlernen möchten.

Anton Bruckner, nur wenige Kilometer vor den Toren von Linz in Ansfelden geboren, wirkte in Linz und Umgebung viele Jahre lang. Nie mit grossem Selbstbewusstsein ausgestattet und von seinen Zeitgenossen jahrzehntelang verkannt und missverstanden, entwickelte sich Anton Bruckner vom Sängerknaben, einfachen Schullehrer und Organisten zu einem der wichtigsten und innovativsten Tonschöpfer seiner Zeit und übte durch seine Werke bis weit in das 20. Jahrhundert hinein einen grossen Einfluss auf die Musikgeschichte aus.

Seine fast schon epischen Sinfonien –geprägt durch tiefe Religiosität und den Geist der Spätromantik – haben auf allen

Konzertpodien rund um den Globus –und völlig zu Recht – Furore gemacht. Kein Wunder, dass unser scheidender Chefdirigent Ivor Bolton das komplette sinfonische Werk Bruckners zusammen mit unserem Sinfonieorchester Basel während seiner Amtszeit zelebrierte. Diese Ära geht nun zu Ende, was uns zu der zweiten Musikerpersönlichkeit führt.

Linz ist nämlich auch die Wirkungsstätte unseres zukünftigen Chefdirigenten Markus Poschner, der ab der Saison 2025/26 diese Position beim Sinfonieorchester Basel übernehmen wird. Grund genug für uns, eine Reise an die Donau zu unternehmen, um beide näher kennenzulernen.

Gehören Sie zu den Ersten, die die Möglichkeit haben, unseren neuen Chefdirigenten bei persönlichen Gesprächen und Begegnungen, bei einem Probenbesuch, einem fulminanten Konzert mit dem Bruckner Orchester Linz und einer Opernpremiere im Landestheater kennenzulernen.

Wandeln Sie aber auch auf den Spuren des Papstes der spätromantischen Sinfonie und entdecken Sie ganz nebenbei die Schönheiten der Musikstadt an der Donau. Erleben Sie die Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart.

Willkommen bei Bruckner in Linz mit Markus Poschner!

Ihr Vorstand des Freundeskreis Sinfonieorchester Basel

EXKLUSIVE MUSIKREISE NACH LINZ

ENTDECKEN SIE

BRUCKNER IN LINZ MIT

MARKUS POSCHNER

REISEDAUER

4 Tage / 3 Nächte

REISEDATUM

15. – 18. Mai 2025

(Donnerstag – Sonntag)

HOTEL

Hotel Schwarzer Bär ****

FLUG

Basel – Wien mit Austrian Airlines und Bustransfer nach Linz

REISELEITUNG

Urs Baumann

AUSKUNFTS- UND ANSPRECHPERSON BEIM SINFONIEORCHESTER BASEL

Greta Backhaus

061 205 00 98

g.backhaus@sinfonie orchesterbasel.ch

W WIE WERK -

VER ZEICHNIS

VON BENJAMIN HERZOG

«Das war ein Stück Arbeit» entfährt es dem Mörder Jack the Ripper in Alban Bergs Oper Lulu . Seine «Arbeit»: die Prostituierte Lulu umzubringen. Normalerweise verbirgt die Regie solche Szenen. Alban Bergs Musik aber ist auch so erschütternd genug. Zur «Arbeit» erklingen alle zwölf Töne der Tonleiter auf ein Mal. Mit einem solchen Cluster hebt übrigens ein anderer Musiker 200 Jahre vor Berg eine noch viel grössere zu bewerkstelligende Arbeit musikalisch hervor: der französische Barockkomponist Jean­Féry Rebel in seiner Suite Les éléments . Das solcherart bei ihm dargestellte Chaos markiert den Anfang der Schöpfung, also das Werk Gottes.

Auch wenn sich heute der sogenannte Werkbegriff in Auflösung befindet, haben ihn doch die meisten Komponist*innen seit etwa 1700 für ihre Kompositionen oder Werke verwendet. Sei es auf Deutsch oder auf Lateinisch. ‹Opus› heisst ursprünglich ‹Arbeit, Beschäftigung, Handlung› oder eben ‹Werk›. Ab etwa 1800 setzt sich das Wort ‹Opus› durch, um, in Verbindung mit einer Zahl, die chronologische Reihenfolge von Werken der Musik darzustellen. Aber auch in anderen Künsten spricht man von ‹Werk› oder ‹Opus›. In der Literatur etwa oder der Malerei. Ebenso werden wissenschaftliche Arbeiten als ‹Werk› bezeichnet. Selten jedoch mit einer Nummer.

Das Wort steckt überdies in den Begriffen Lebenswerk , in Haupt- und Nebenwerk , in Auftragswerk etc.

In Zusammenhang mit musikalischen Schöpfungen wurden und werden Werke in einem Werkverzeichnis zusammengefasst. Manche Komponist*innen haben selbst ein solches geführt. Am berühmtesten Wolfgang Amadé Mozart, der in den sieben letzten Jahren seines Lebens in einem Notizbuch ein «Verzeichnüss aller meiner Werke» führte. Darin enthalten waren alle Kompositionen, die er selbst für vollständig hielt. Nicht darin enthalten: das Frühwerk und Mozarts letzte Werke, zum Beispiel das Requiem . Ernst Ludwig Alois Friedrich Ritter von Köchel, neun Jahre nach Mozarts Tod in Wien geboren, Jurist, Historiker und Naturforscher, erstellte 1862 ein «Umfangreiches Chronologisch­thematisches Verzeichniss sämmtlicher Tonwerke Wolfgang Amade Mozart’s. Nebst Angabe der verloren gegangenen, angefangenen, übertragenen, zweifelhaften und unterschobenen Compositionen desselben»: das Köchelverzeichnis. Die zu KV abgekürzte Werknummer 1 trägt darin ein Menuett in G­Dur, die letzte Nummer, KV 626, das Requiem . Schon Köchel selbst war sich der Problematik eines solchen Werkverzeichnisses bewusst. «Angefangene, übertragene, zweifelhafte» Kompositionen

Mozarts sind seither mit steter Regelmässigkeit aufgetaucht und wurden jedes Mal zur Sensation hochgejubelt. Erst jüngst wurde eine Serenade in C­Dur in einer Abschrift in der Stadtbibliothek Leipzig aufgefunden, die sogenannte Ganz kleine Nachtmusik . Das für authentisch befundene Jugendwerk trägt die Köchelverzeichnis­Nummer 648. Die ‹Uraufführung› dieser Serenade begleitete die Publikation der jüngsten Überarbeitung des 160 Jahre alten ersten Köchelverzeichnisses. Knapp hundert Neu­Einträge sind darin enthalten und die Zeitfolge als Ordnungsprinzip wurde aufgegeben. Niemand sollte sich künftig also wundern, wenn ‹nach› dem Requiem Stücke auftauchen, wie etwa ein Lied mit dem anregenden Titel Prüfung des Küssens . Es trägt die KV­Nummer 721.

Hat sich der Begriff ‹Köchelverzeichnis› aus der Umgangssprache eingebürgert, so tragen andere Werkverzeichnisse von vornherein den Namen ihrer Schöpfer. Für die Kompositionen Carl Philipp Emanuel Bachs zeichnet ein gewisser Alfred Wotquenne verantwortlich, für Luigi Boccherini der französische Musikwissenschaftler Yves Gérard, und bei Antonio Vivaldi heisst der Ersteller des Verzeichnisses Peter Ryom. Die Vier Jahreszeiten tragen im Ryom­Verzeichnis (RV) die Nummer 315. Wiederum andere Verzeichnisse

tragen die Namen der Komponist*innen selbst, so das Bach­Werke­Verzeichnis (BWV), das Händel­Werke­Verzeichnis (HWV) oder das der Werke Georg Philipp Telemanns (TWV).

Nicht nur Mozart, sondern auch viele andere Komponist*innen haben ein eigenes Verzeichnis ihrer Opera geführt. Was als Werk bezeichnet werden sollte, darüber entschieden sie somit selbst. Und das oft verbunden mit starken Skrupeln. Johannes Brahms etwa, der als Sinfoniker im belastenden Schatten Beethovens stand, tat sich auch mit der Kammermusik schwer. Er vernichtete mehr als zwanzig Streichquartette, bevor er unter der OpusNummer 51 mit gleich zwei Quartetten an die Öffentlichkeit trat. Wennschon, dennschon! Aber: ein Opus, zwei Werke? Kein Problem. Denn der OpusBegriff ist dehnbar und kann ganze Gruppen von Stücken umfassen: sechs Concerti grossi (Händel op. 3), zwölf Klavieretüden (Chopin op. 10) oder 24 Capricci für Solovioline (Paganini op. 1). Die erwähnten Brahms­Quartette waren übrigens, so Brahms, eine «Zangengeburt». Als ‹Geburtshelfer› stand ihm sein Freund Theodor Billroth bei, weltberühmter Wiener Kammermusikfreund und Chirurg. Brahms widmete ihm sein op. 51. Das nächste Mal: X wie Generation X

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MUSIK VERBINDET –FREUNDSCHAFT AUCH

Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.

Wir unterstützen die Arbeit der Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel auf vielfältige Weise. Wir tragen dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grundgestimmtheit für das Orchester und das Musikleben zu schaffen. Unser Verein stellt für seine Mitglieder ein reichhaltiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel zusammen. Dabei bietet sich die besondere Möglichkeit des direkten Kontakts zu den Musiker*innen. Auch in der aktuellen Spielzeit können wir wieder zu einer Kammermusikreihe einladen – eine aktuelle Vorschau finden Sie auf unserer Website. Als Mitglied erhalten Sie jeweils per Mail Informationen zu den bevorstehenden Anlässen und Angeboten.

Wir heissen Sie sehr herzlich will kommen! Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis

© Benno Hunziker

KRABBELKONZERT

2. KRABBELKONZERT

Di, 4. Februar 2025, 10 Uhr

Probezentrum Picassoplatz

Picassoplatz 2, 4052 Basel

PREISE

Erwachsene CHF 20

Babys und Kinder bis 2 Jahre kostenlos

Keine Ermässigung anwendbar

Bitte beachten Sie: Begrenzte Platzzahl

Nur Online­Ticket möglich unter www.sinfonieorchesterbasel.ch

In einer liebevoll gestalteten Atmosphäre werden die Allerkleinsten in Begleitung ihrer Eltern zum Zuhören und Mitmachen eingeladen. Es darf gekrabbelt und gestaunt, gelacht, gesungen und geklatscht werden. Die Sinne werden dabei sanft mit Klängen und verschiedenen Materialien angeregt. Eine einzigartige musikalische Erfahrung für Babys und Kleinkinder bis 2 Jahre.

KAMMERMUSIK MUSEUMSNACHT

Fr, 17.1.2025, 18 bis ca. 2 Uhr

Basler Münster

Mitglieder des Sinfonieorchesters

Basel

VERMITTLUNGSPROJEKT

YOGA WITH LIVE MUSIC

So, 2.2.2025, 11 Uhr

Probezentrum Picassoplatz

Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Nathalie Bont

MUSIKVERMITTLUNG KRABBELKONZERT

Di, 4.2.2025, 10 Uhr

Probezentrum Picassoplatz

Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Lana Zickgraf

WEITERES KONZERT

3. KONZERTGESELL -

SCHAFTS- UND VOLKSSINFONIE KONZERT

Mi, 12./Do, 13.2.2025, 19.30 Uhr

Stadtcasino Basel

Sinfonieorchester Basel, Henri­Michel Garzia, Andreas Ottensamer

KAMMERMUSIK ATRIUMKONZERT

Sa, 15.2.2025, 16 Uhr

Probezentrum Picassoplatz

Friederike Starkloff, Valentina

Jacomella Rösti, Harold Hirtz, Darija Kozlitina, Benjamin Gregor­Smith, Payam Taghadossi

SINFONIEKONZERT HAPPY BIRTHDAY RAVEL

Mi, 19./Do. 20.2.2025, 19.30 Uhr

Stadtcasino Basel

Sinfonieorchester Basel, Bertrand Chamayou, Pierre Bleuse

VORVERKAUF

(falls nicht anders angegeben)

Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel

Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel

+41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch www.biderundtanner.ch

Detaillierte Informationen und Online­Verkauf: www.sinfonieorchesterbasel.ch

IMPRESSUM

Sinfonieorchester Basel

Picassoplatz 2 4052 Basel

+41 (0)61 205 00 95 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch

Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat

Redaktion: Benjamin Herzog Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung: Atelier Nord, Basel

Illustrationen: Janine Wiget

Druck: Druckerei Lutz AG

Auflage: 1500 Exemplare

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