Theater Basel
SOMMERNACHTSTRAUM Programm-Magazin Nr. 4 | Saison 19/20
4.
Dezember 19.30 Uhr
M i r ja M G i n s b e r G • f i n e a rT j ew e l l e ry aG
«
SPARKLING TEMPTATIONS G e r b e r G ä s s l e i n 1 6 • 4 0 5 1 ba s e l Telefon 061 261 51 10 w w w. g i n s b e r g j ew e l . c h
»
Liebes Konzertpublikum
SINFONIEKONZERT
Ein Sommernachtstraum im Winter? Shakespeare macht es möglich. Die Romantik entdeckte seine Werke neu, und unter den Künsten zeigte sich die Musik besonders empfänglich für Shakespeares Dichtung. Rossini und Verdi komponieren Opern, Beethoven – etwa mit seiner Klaviersonate Der Sturm – oder Berlioz mit Romeo et Juliette gehen dagegen in der Instrumentalmusik ganz eigene Wege. Mendelssohns Bühnenmusik steht irgendwo dazwischen. Die Ouvertüre schreibt er mit siebzehn Jahren, vierzehn Jahre später erteilt ihm der preussische König Friedrich Wilhelm IV. den Auftrag, eine komplette Bühnenmusik zu komponieren. Seiner Musik ist es zu verdanken, dass Shakespeares Sommernachtstraum an den deutschen Bühnen zu einem Hit wurde. Unsere Aufführung kombiniert den Originaltext von Schlegel und Tieck mit einer Neudeutung des österreichischen Dichters Franzobel. Die Schauspielerin Johanna Wokalek wird in verschiedene Rollen schlüpfen. Beethoven neben Shakespeare zu stellen, war noch für Friedrich Nietzsche «der kühnste, wahnsinnigste Gedanke». Wir sind gespannt, was sich musikalisch ereignet, wenn Frank Peter Zimmermann vor dem Sommernachtstraum Beethovens Violinkonzert spielt. Mehr über das Programm erfahren Sie in unserem Programm-Magazin. Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen.
4 Konzertprogramm
Sommernachtstraum 6 Frank Peter Zimmermann im Gespräch 10 Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester D-Dur 14 Einblicke Stimmen aus dem Orchester 16 Johanna Wokalek Im Gespräch 18 Kurzporträts 20 Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum 22 Franzobel: Melodram 23 Kolumne von Elke Heidenreich 24 Ortsgeschichten, Teil 4 26 Vorgestellt George Monch 31 ‹Verein Freunde SOB› 32 In English Three prodigies and a genius Vorschau 33 Im Fokus
Hans-Georg Hofmann Künstlerischer Direktor
34 Demnächst
Sommernachtstraum Mittwoch, 4. Dezember 2019 19.30 Uhr
4
THEATER BASEL
18.30 Uhr: Konzerteinführung mit Hans-Georg Hofmann im Foyer des Theater Basel
Sinfonieorchester Basel Frank Peter Zimmermann, Violine Katja Stuber, Sopran Anne Bierwirth, Alt Johanna Wokalek, Sprecherin Damen des La Cetra Vokalensembles Katrin Hammerl, Regie Ivor Bolton, Leitung
VORVERKAUF, PREISE UND INFOS Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch Zugänglichkeit Das Theater Basel ist rollstuhlgängig. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
Preise CHF 90/70/50 Ermässigungen Studierende, Schüler, Lehrlinge und mit der KulturLegi: 50% AHV/IV: CHF 5 mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5 Assistenzpersonen von Menschen mit Behinderungen erhalten Freikarten. Rollstuhl-Plätze sind über das Orchesterbüro oder an der Abendkasse erhältlich (ticket@sinfonieorchesterbasel.ch).
Programm ca. 45’
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827): Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 61 (1806) 1. Allegro ma non troppo 2. Larghetto 3. Rondo PAU S E
ca. 55’
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847): Ein Sommernachtstraum, Ouvertüre, op. 21 (1826) und Schauspielmusik, op. 61 (1842), mit Schauspiel-Intermezzi auf der Textgrundlage von A. W. Schlegel, L. Tieck (1825/26) und Franzobel (2006)
Konzertende: ca. 21.40 Uhr
Dieses Werk wird zum Teil auf historischen Instrumenten gespielt.
5
Ouvertüre 1. Scherzo 2. L’ istesso tempo Allegro vivace 3. Lied mit Chor 4. Andante 5. Allegro appassionato 6. Allegro 11. Ein Tanz von Rüpeln 7. Andante tranquillo 8. Andante 9. Hochzeitsmarsch 10. Allegro comodo Marcia funebre 12. Allegro vivace Finale
Frank Peter Zimmermann im Gespräch
«Sinfonie mit Petersilie» von Christoph Vratz
6
Für Frank Peter Zimmermann bildet Beethovens Violinkonzert den Gipfel der gesamten Konzertliteratur. Bevor das grosse Beethoven-Jubiläumsjahr 2020 eingeläutet wird, hat sich der in Köln lebende Geiger nun auch den Zyklus der zehn Violinsonaten mit dem Pianisten Martin Helmchen erschlossen. Warum das BeethovenKonzert für ihn ein Monolith ist, erklärt er im Interview. Christoph Vratz: Was ist für Sie das Besondere an Beethovens Violinkonzert? Frank Peter Zimmermann: Es ist nicht nur als Stück, als Form ganz neu und besonders, es ist ein Kosmos, eine Sinfonie mit Petersilie drüber, und die Petersilie ist die Geige. Dabei ist der Geigenpart sehr schwer, also es ist eine Sinfonie mit obligater Geige. Woran lässt sich das Besondere an diesem Werk festmachen? Allein schon der Beginn mit der Pauke ist genial. So etwas hat es vorher nie gegeben. Dann folgt direkt das erste Thema, das über siebzig Mal in diesem 1. Satz vorkommt. Die Bläser spielen dolce. Erstaunlicherweise lautet die Vortragsbezeichnung sehr oft dolce, das ist selten bei Beethoven. Auch lässt er alle Themen im Orchester spielen, schliesslich kommt das erste Solo der Geige wie aus dem Nichts. Das ist einzigartig.
Wie ist das Konzert historisch zu verorten? Beethoven stand sicher unter Zeitdruck, weil er 1806 schon unglaublich viel komponiert hatte, unter anderem die 4. Sinfonie, das 4. Klavierkonzert, die drei Rasumowsky-Quartette und anderes mehr. Dann schreibt er gegen Ende des Jahres das Violinkonzert für einen Freund, Franz Clement, den Konzertmeister am Theater an der Wien. Beethoven kannte sicher die Violinkonzerte von Bach und Mozart und vor allem die Konzerte der damals führenden Geiger, Creutzer, Viotti et cetera.
«Das Werk ist heute der Mount Everest unter den Geigenkonzerten.» Ein grosser, vor allem nachhaltiger Erfolg zu Lebzeiten war das Konzert aber nicht. Warum? Der Durchbruch kam tatsächlich erst dank einer Aufführung im Jahr 1844 mit dem dreizehnjährigen Joseph Joachim unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy in London. Damit begann die Erfolgsgeschichte des heute meistgespielten Violinkonzerts. Die zeitgenössische Kritik hat sich nach der Uraufführung daran gestossen, dass gerade im 1. Satz der Zusammenhang fehlen und viele Wiederholungen
Bild: Irène Zandel
INTERVIEW
7
ermüdend wirken würden. Aber dieses Werk wurde zum Modell für die nachfolgenden Komponisten-Generationen und ist heute der Mount Everest unter den Geigenkonzerten.
8
Die Frage der Kadenz gilt für Geiger immer als zentrales Problem. Beethoven hat leider keine eigene Kadenz komponiert. Es gibt eine Kadenz für die Klavierfassung dieses Konzerts – nicht unbedingt Beethovens beste Kadenz. Ich kam vor vielen Jahren mit dem Komponisten Luciano Berio zusammen und habe gewagt zu fragen, ob er mir etwas dazu schreiben wolle, aber er hat gesagt: «Das kann ich nicht, dieses Werk ist so ein Fixstern – was soll ich da schreiben?» Viele bedeutende Geiger haben Kadenzen geschrieben, Fritz Kreisler vor allem, obwohl seine Kadenzen stilistisch nicht unbedingt Beethoven pur sind; aber zwei Themen des 1. Satzes so zu kombinieren, dass die Geige das tatsächlich spielen kann, ist schon ein grossartiger Einfall. Der 2. Satz ist Lyrik pur? Der Beginn dieses Larghetto muss so klingen, als würde ein Streichquartett im Zimmer nebenan spielen – bei geschlossener Tür. Anschliessend fängt die Geige an zu improvisieren. Im ersten Teil sind es eigentlich nur Girlanden, die Geige umspielt die wunderbaren Themen. Alles ist mit den einfachsten Mitteln geschrieben, aber ungemein betörend, wie von einem anderen Stern.
Sind die Girlanden ein bisschen wie ein roter Faden in diesem Konzert? Die Girlanden der Geige sind tatsächlich wie Petersilie, bildlich gesprochen. Auch im Rondo gibt es diesen wunderschönen g-Moll-Teil, ein bisschen zur Erinnerung an den 1. Satz, wo die Geige das Fagott mit Girlanden begleitet. Die Geige spielt auch später waghalsige Sechzehntel-Passagen, oft pianissimo. Das ist nie vordergründig virtuos, aber sehr schwer zu spielen. Was wiederum dem Bild vom grimmigtitanischen Beethoven, ohnehin ein Klischee, nachhaltig widerspricht. Dazu muss man sich nur den Schluss des Konzerts anschauen. Es gibt vier Takte, die ich in letzter Zeit breiter gespielt habe als früher, wie ein letzter humorvoller Gedanke. Ich glaube, es war letztendlich Beethovens Wunsch, dass die Solistin oder der Solist manches ganz spontan macht. Man soll das Publikum nicht beweihräuchern, sondern den lebendigen Charakter dieser Musik wahren. Haben Sie eigentlich mal gezählt, wie oft Sie dieses Konzert gespielt haben? Über 250 mal. Und ich kann wirklich behaupten, dass dies das einzige Stück ist, das ich jeden Abend spielen könnte. Es gibt viele Werke, die einen hohen Stellenwert für mich haben. Doch muss man aufpassen, sich nicht zu übersättigen. Aber das geschieht bei diesem Stück komischerweise nie. Ich kann wirklich behaupten, dass ich fast zehn Partituren verschlissen und immer wieder neu gekauft und überdacht habe – ohne jede Ermüdungserscheinung. g
Entdecken Sie unsere grosse Auswahl an Classics und Neuwagen auf kestenholzgruppe.com
Kestenholz Automobil AG 4052 Basel, St. Jakobs-Strasse 399, Telefon 061 377 93 77 4133 Pratteln, Güterstrasse 90, Telefon 061 827 22 22 4104 Oberwil, Mühlemattstrasse 17, Telefon 061 406 44 44
9
Für Liebhaber der Klassik bis hin zur Moderne.
ZUM WERK Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester D-Dur
«Mannigfaltige schöne Stellen»
10
von Tilman Fischer
Beethovens Violinkonzert war ein Auftragswerk. Der Komponist, Dirigent und Geiger Franz Clement – seinerzeit als grösstes Wunderkind seit Mozart gehandelt – hatte ein Konzert für Violine bei Beethoven bestellt. Erhalten hat er es erst unmittelbar vor dem Aufführungstermin am 23. Dezember 1806: «Concerto par Clemenza pour Clement» schrieb Beethoven, um Nachsicht bittend, aufs Titelblatt. Einen Mann wie Clement schreckte dies indes nicht − einmal Gehörtes konnte er mühelos in Noten fassen. Die Anekdote, Clement habe bei der Uraufführung vom Blatt gespielt, mag übertrieben sein. Mehr als ein oder zwei Proben dürfte er aber dennoch kaum gebraucht haben. Das ungewöhnlich lyrisch anmutende Konzert verdankt seinen Charakter sicher auch der Spielweise seines Auftraggebers. «Es ist nicht das markige, kühne, kräftige Spiel, das ergreifende, eindringende Adagio, die Gewalt des Bogens und Tones», schrieb die Allgemeine Musikalische Zeitung im April 1805 über Clement. «Aber eine unbeschreibliche Zierlichkeit, Nettigkeit und Eleganz; eine äusserst liebliche Zartheit und Reinheit des Spiels, die Klement unstreitig unter die vollendetsten Violinspieler stellt.» So verwundert es nicht, dass Beethovens einziger Beitrag zur Gattung dem zeitgenössisch verbreiteten hochvirtuosen und vorwiegend unterhaltsamen Konzerttypus nicht sehr nahekommt. Was uns heute nicht
zuletzt wegen seiner Balance und Harmonie als ein Gipfelwerk der klassischen Epoche gilt, vermochte die Kritiker der Uraufführung wenig zu begeistern. Man «bekennt, daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine», schrieb der Kritiker der Wiener Theater-Zeitung. «Die Musik könne sobald dahin kommen, daß jeder, der nicht genau mit den Regeln und Schwierigkeiten der Kunst vertraut ist, durch eine Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen und einen fortwährenden Tumult einiger Instrumente zu Boden gedrückt, nur mit einem unangenehmen Gefühl der Ermattung das Koncert verlasse.»
«Eine äusserst liebliche Zartheit und Reinheit des Spiels» In der Tat arbeitet Beethoven im Kopfsatz nicht mit zwei kontrastierenden Themen, sondern präsentiert hintereinander sechs verschiedene Gedanken, die in ihrer Stimmung noch dazu sehr eng benachbart sind. Als Klammer des musikalischen Geschehens fungieren fünf Paukenschläge. Sie kehren rund siebzig Mal wieder und funktionieren gleichsam als mahnende Zügel des zum Fantasieren anhebenden Solisten. Das Larghetto ist ein Variationensatz. Das Instrumentarium ist deutlich reduziert, die Streicher haben mit Dämpfer zu spielen. Die Melodie erscheint
Bild: Klaus Pichler
11
Beethoven Museum, Wien
12
zunächst in den Streichern, dann in den Hörnern und Klarinetten, schliesslich im Fagott. Anders präsentiert sich das übermütige Rondo-Finale. Hier präsentiert die Solovioline das Thema, dann ein zweites Mal um zwei Oktaven erhöht, bis schliesslich das Orchester an der Reihe ist. Mit seinem raschen Wechsel zwischen Solo und Tutti sowie den zahlreichen virtuosen Phrasen und Läufen der Geige entsprach dieser Satz wohl noch am ehesten den Erwartungen des Publikums. Doch auch hier nimmt sich Beethoven die Freiheit, der Geige in der Satzmitte eine kurze, berührende Episode zu schenken, die wie eine Insel aus dem übrigen Geschehen herausragt. Wie schon im 1. Satz ist es im Rondo eine wunderbare Moll-Melodie, während im 2. Satz in ähnlicher Weise ein lyrisches Cantabile nach der vierten Variation gesetzt ist.
«Der gebildeten Welt fiel auf, wie Klement sich zu manchen Schnacken und Possen herabwürdigen konnte.» Solche «mannigfaltigen schönen Stellen» registrierte auch schon ein Kritiker der Uraufführung und führte darauf den «ausnehmenden Beyfall» des Publikums zurück. Mehr noch aber auf den Solisten: «Man empfieng besonders Klements bewährte Kunst und Anmuth, seine Stärke und Sicher-
heit auf der Violin, die sein Sclave ist, mit lärmendem Bravo. Der gebildeten Welt fiel es auf, wie Klement sich zu manchen Schnacken und Possen herabwürdigen konnte, um etwa den Pöbel zu ergötzen, da er doch in jeder ersteren Produktion Schönheit und Erhabenheit auszudrücken vermöge.» Was damit gemeint ist? Nun, Clement wusste, was eine gute Show braucht, denn der Ankündigungszettel verhiess, dass er «auf der Violine phantasiren und auch eine Sonate auf einer einzigen Saite mit umgekehrter Violin spielen» werde. g
Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 61 Besetzung Violine solo, Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher Uraufführung 23. Dezember 1806 am Theater an der Wien Widmung Stephan von Breuning Dauer ca. 45 Minuten
Zuhause in Basel. Daheim in der Welt. F E n td Ăź r ec baz.c ker: h
13
Ab sofort im Abo: die ganze digitale Welt der BaZ.
EINBLICKE Stimmen aus dem Orchester zu Beethovens Violinkonzert, eingefangen von Frank Engelhaupt
Andrés Gabetta Beste Interpretation: Mit der Solistin Isabelle Faust habe ich eine sehr überzeugende an der historischen Aufführungspraxis geschulte Interpretation gehört. Lieblingsstelle: Vielleicht das Thema, so klar und kristallin … Aber nein, ich kann keine einzelne Passage benennen. Das Konzert ist als Ganzes fantastisch.
14
Birgit Müller Beste Interpretation: Ich habe das Konzert als Siebenjährige zum ersten Mal mit Itzhak Perlman gehört. Ein Erlebnis, das mich in eine mystische Stimmung versetzt hat. Lieblingsstelle: Wenn die Geige mit einer innigen Kantilene aus dem Orchesterklang hervorblüht. Das sind meine Lieblingsmomente.
Teodora Dimitrova Beste Interpretation: Ich habe das Konzert mit Christian Tetzlaff aufgeführt. Das war – was Phrasierung und Klang angeht – für mich stilistisch am stimmigsten. 1
Lieblingsstelle: Der Moment, wenn die Solo-Violine zum ersten Mal erscheint. So simpel. Und so enorm schwer.
Die Lieblingsmomente im Konzertablauf: 1. Allegro ma non troppo
1
Richard Westphalen Beste Interpretation: Vor etwa fünfzehn Jahren habe ich das Konzert schon einmal mit Frank Peter Zimmermann gespielt. Es war atemberaubend, ich habe es live nie besser gehört. Lieblingsstelle: Ich betrachte das Konzert als Einheit. Ich liebe es vom ersten bis zum letzten Ton.
Hiroko Suzuki Beste Interpretation: Ich möchte nicht eine einzelne Interpretation herausstellen. Aber grundsätzlich mag ich die alten Aufnahmen lieber als die neueren. Lieblingsstelle: Im 2. Satz, wenn die Violine nach der Streichereinleitung einsetzt. Das ist ein besonderer Moment für mich.
Vincent Brunel Beste Interpretation: Menuhin und Furtwängler. 3
Lieblingsstelle: 3. Satz: das zweite Thema in g-Moll.
2
2. Larghetto
3
3. Rondo
15
2
Johanna Wokalek im Gespräch
«Ich suche die Begegnungen zwischen Dichtung und Musik.» von Hans-Georg Hofmann
16
Hans-Georg Hofmann: Im Sommernachtstraum wechseln Sie in Windeseile in verschiedene Rollen? Das stelle ich mir nicht einfach vor.
Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Musik und Sprache?
Johanna Wokalek: In verschiedene Rollen zu springen ist ja die Essenz der Schauspielerei. Im Sommernachtstraum kommt hinzu, dass man viele Wechsel innerhalb eines engen Zeitraums bewältigen muss. Das einzige, was einem dabei hilft, ist eine im besten Sinne ‹ausdrucksstarke› Fantasie.
Unbedingt! Sprache ist immer auch Rhythmus. Dennoch kann ich als Sprecherin unabhängiger gestalten. Ich bestimme den Rhythmus. Das ist anders als in der Musik, wo der Rhythmus bereits vorgegeben ist. Umso grösser die Herausforderung, eine Sprache zu finden, die sich sowohl Mendelssohns Rhythmus fügt und dennoch für sich steht.
Hilft Ihnen Mendelssohns Musik, sich in die entsprechenden Stimmungen und Rollen hineinzuversetzen?
«Eine Dirigentin würde ich gerne mal spielen.»
Ja sehr! Deshalb suche ich solche Begegnungen zwischen Dichtung und Musik immer wieder. Wenn sich Musik und Sprache verschränken oder im besten Falle überschneiden, können beide nur gewinnen. Bereits die Ouvertüre erzählt Handlung nur durch Musik. Sie erfindet den Wald mit Feen, Trollen und Geistern. Wir brauchen also gar kein Bühnenbild.
Im Film Nordwand spielen Sie die Rolle der Fotoreporterin Luise Fellner. Auch im Theater überschreiten Sie oft die Grenzen des Normalen. Haben Sie manchmal Angst vor der Fallhöhe?
Könnten Sie sich auch die OriginalTextfassung von Schlegel vorstellen.
Eigentlich ist genau diese Fallhöhe das faszinierende an der Schauspielerei. Ein Grat, auf dem man wandelt, zu beiden Seiten fällt es steil ab. Dort zu balancieren, immer mit dem Gefühl im Nacken, jeden Moment abstürzen zu können, das macht das Kribbeln aus.
Schlegel hat für seine Übersetzung Gibt es die Rolle einer Musikerin diese romantische Sprache gefunden, oder Komponistin, die Sie gerne die sich wunderbar in Mendelssohns einmal spielen würden? Musik einfügt. Für Basel verwenden wir unter anderem eine ‹Überschreibung› Eine Dirigentin möchte ich gerne mal des Wiener Dichters Franzobel. Dabei spielen. Wenigstens einmal so tun gehe ich sehr sensibel mit dem Text um. dürfen, als würde man dort vorne Mendelssohn muss sich unbedingt voll ‹wedeln› und es erklingt die zauberhafentfalten können. teste Musik. Das fände ich absolut hinreissend. g
Bild: Irina Gavrich
INTERVIEW
17 Bild: Brigitte Fässler
Katrin Hammerl, Regie Katrin Hammerl studierte Theater-, Film und Medienwissenschaft in Wien und Pisa und arbeitete als Regieassistentin am Schauspielhaus Wien and am Theater Basel. Während dieser Zeit entstand u.a. die Inszenierung Esther. Eine Geschichte vom Bruderholz in eigener Bühnenfassung, die seit der Saison 2017/2018 im Theater Basel auf dem Spielplan steht. 2018/2019 folgte die Oper Der Kaiser von Atlantis für das Foyer Grosse Bühne, für das Schauspiel führt sie 2019/2020 Regie bei der Uraufführung von Wiederauferstehung der Vögel. Nach dem Familienkonzert Háry János mit Florian von Manteuffel im Rahmen des Lucerne Festival 2017 ist Ein Sommernachtstraum die zweite Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester Basel. g
KURZPORTRÄTS von Frank Engelhaupt
Katja Stuber, Sopran Katja Stubers Repertoire umfasst geistliche Musik von Bach, Händel und Mozart ebenso wie Klavierlieder des 19. und 20. Jahrhunderts. Aus ihren verschiedenen Opernrollen ist die hochgelobte Interpretation des jungen Hirten in Wagners Tannhäuser bei den Bayreuther Festspielen 2011 hervorzuheben. Auf ihrer ersten Solo-CD Lachen und Weinen mit Liedern von Schubert, Hindemith und Weill begeistert die Sopranistin durch Schlichtheit und Natürlichkeit des Zugriffs. g Bild: Maria Conradi
Anne Bierwirth, Alt 18
Die Altistin Anne Bierwirth ist eine gefragte Konzertund Oratoriensängerin. Ihr Repertoire reicht von Werken der Renaissance über Klassik und Romantik bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen. Konzertengagements führten sie in zahlreiche Städte Deutschlands und Europas sowie auf Konzertreisen nach Brasilien, China, Russland und Südafrika. Dabei arbeitete sie u. a. mit Marcus Creed, Thomas Hengelbrock und Winfried Toll zusammen. g
Bild: XpRess
La Cetra Vokalensemble Den Part des Elfenchors in Mendelssohns Sommernachtstraum übernehmen die Damen des La Cetra Vokalensembles. Das 2012 in Basel gegründete Ensemble unter der Leitung des Dirigenten Carlos Federico Sepúlveda steht dem bereits 1999 gegründeten Barockorchester gleichen Namens zur Seite. Der Chor verwirklicht aber auch eigene Projekte, wobei das breite Repertoire von gregorianischen Chorälen bis hin zu grossen Oratorien und Opern reicht. g Bild: Martin Chiang
Bild: Benno Hunziker
ZUM WERK Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum, Ouvertüre op. 21 und Schauspielmusik op. 61
Natur und Geisterwelten
20
von Egbert Hiller
Künstler und Künstlerinnen aller Gattungen, von der Musik über Malerei und Bildhauerei bis zur Literatur, wurden und werden immer wieder von der Natur inspiriert – von ihren Klängen, Farben und Erscheinungen samt der mit ihr verbundenen magischen Dimensionen. Auch William Shakespeare spürte den Geheimnissen der Natur nach. Er tat sich zwar in erster Linie als Meister der Tragödie hervor, doch in seinem Lustspiel A Midsummer Night’s Dream rückte er mit hintersinnigem Humor die Natur und ihre Geisterwelten in den Mittelpunkt. Die erste verbriefte Aufführung in Deutschland fand im Oktober 1843, fast 250 Jahre nach der Uraufführung, statt. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, dass das Werk zuvor schon auf einer der zahlreichen Wanderbühnen dargeboten worden war. 1843 waren die Umstände jedenfalls hochoffiziell. Der Preussische König Friedrich Wilhelm IV. – der ‹Romantiker auf dem Thron› – ordnete die Aufführung an und betraute Ludwig Tieck mit der Einrichtung des Textes für die Bühne. Den Auftrag für die Bühnenmusik erhielt Felix Mendelssohn Bartholdy. Für diesen war der Sommernachtstraum kein Neuland, denn er hatte als Jugendlicher an Lesungen von Shakespeares Stücken – in der deutschen Übersetzung von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck – teilgenommen. In kunstsinnigen Kreisen war diese Art der Auseinandersetzung mit
Literatur beliebt; genauso beliebt wie die Hausmusik, die bei den Mendelssohns unter Mitwirkung von Felix und seiner älteren Schwester Fanny ebenfalls intensiv gepflegt wurde. Schwer beeindruckt vom Sommernachtstraum schrieb Felix bereits als 17-Jähriger eine Ouvertüre, die er in seiner späteren Bühnenmusik verwendete. «Sein erster höchster Flug» «Die Blüte der Jugend liegt über sie ausgegossen, wie kaum ein anderes Werk des Komponisten, der fertige Meister tat in glücklichster Minute seinen ersten höchsten Flug», so urteilte kein Geringerer als Mendelssohns Zeitgenosse und Freund Robert Schumann im Rückblick über diese Ouvertüre. Mehrfach brachte Schumann seine Begeisterung über Mendelssohn zum Ausdruck. 1839 charakterisierte er ihn gar als den «hellsten Musiker, der die Widersprüche der Zeit am klarsten durchschaut und zuerst versöhnt». Den Kern dieser Widersprüche bildete dabei die wachsende Kluft zwischen den formalen und satztechnischen Errungenschaften der Wiener Klassik und deren schleichender Aushöhlung im Zuge eines romantischen Musikempfindens. Genau in diesem Spannungsfeld bewegte sich Mendelssohn auch in der siebzehn Jahre nach der Ouvertüre komponierten Bühnenmusik. «Besoffen ist die Luft» Ironisch-satirische Bezüge zur Gegenwart schaffen die Zwischentexte
Anfang von Nr. 9, Hochzeitsmarsch (Autograf der Partitur, Biblioteka Jagiellońska, Krakau)
des österreichischen Schriftstellers Franzobel (* 1967), der in den Wäldern um Athen auch auf Retsina-Flaschen und Joghurtbecher stösst. «Besoffen ist die Luft», so Franzobel, «von so viel Tun und Wollen. Und bevor sich alles auflöst, verwickelt sich’s, treiben Zauberwesen, Kobolde, Hirngespinste ihren Schabernack. Stimmt es wirklich? Hört, seht ihr es auch?» Die Antwort darauf gibt ein pochendes Scherzo, das die Irrungen und Wirrungen, denen Menschen und Fabelwesen gleichermassen unterliegen, verdeutlicht. Und wenn dann in Franzobels Worten einzelne Figuren – so wie Puck nach dem Scherzo – aus der Traumwelt heraustreten und wirklichkeitsnahe Züge annehmen, eröffnen sich weite Spannungsfelder, die der Musik neue Aspekte hinzufügen und Shakespeares Vorlage behutsam aktualisieren. g
Ein Sommernachtstraum Besetzung 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Ophikleide, Pauken, Streicher Entstehung 1826 (Ouvertüre) und 1842 (Schauspielmusik) Uraufführung 1843 in Berlin Dauer ca. 55 Minuten
MELODRAM
All die Elfenkinder
22
von Franzobel
Ha, ich hab gespürt, dass ihr mich gesehen habt, obwohl ich nicht zu sehen bin. Nur Einbildung. Wollt ihr wissen, wer ich bin? Der Puck, ha, wer? Der Puck. Alles Eingefahrene wird von mir aus seiner Spur gebracht, alles Verkrustete, ich breche es, ich bin der Geist, der die Gewohnheit rempelt, ich bumse alle an und meine Streiche necken, ich bin es, der die Gelsen auf euch hetzt, ich bin das Reissen, wenn ihr einschlaft, die Versuchung, das Begehren, wovon ihr träumt sind meine Pflanzereien, der Zweifel mein Verbündeter, der Geist, der alles wandelt, bin ich. Der Puck, ha, wer? Der Puck, der das grösste Glück euch kurzerhand zuschanden reitet und Unselige erfreut mit einem Happen Glück, bin der, der ängstigt, wenn es finster ist, der all eure Prinzipien vernichtet, ich bin der Feind der Sicherheit, der alles, was ihr aufbaut, schnell vernichtet, der euch übers Schicksal, dieses Irrwitzding nur höhnisch lachen lässt, ha, der Puck, Puck ist mein Name, Kobold aus Profession, ein Poltergeist, steh ich im Dienste meines Meisters Oberon, des Königs aller Elfen, Geister, dem es gefällt, wenn ich der Mädchen Milchtöpfe benasche, ihre Schmalzlippen schmiere und den Butterkipferlwesen, Trampeltieren flüstere von der heissen, wilden Leidenschaft. Doch Pst, da kommt er schon, der Oberon. Pst. Er schwitzt vor Zorn, und seine Stimme ist verbranntes Gras. Und wer ist schuld daran? Die Bundesbahn? Mitnichten, mehr ein Sarottimohr, ein Edelknabe aus dem Orient, den der Oberon als rauer Frost durchziehen will, ein süsses
Puck auf dem Dach des Red Rose Chain Theatre in Ipswich (GB)
indisches Fürstenkind, von Titania, der Elfenkönigin geraubt, die dieses Bürscherl, diesen Edelknaben, selber für sich haben will, ihn meinem König nicht vergönnt. Jetzt hat der Oberon so eine Wut, dass er ihr die Haut abziehen und sie durchfaschieren will. O weh, was höre ich da, nicht nur der Oberon kommt an, nein auch die Feenkönigin, Titania. Das gibt ein Gezeter. Da klingt ja schon der Elfenmarsch. Jetzt reitens ein die ätherischen Grispindeln, die geflügelten, fragilen Luftiküsserwesen, all die Elfenkinder. g
Bild: Bettina Flitner
KOLUMNE
Texte und Töne 4 von Elke Heidenreich
«Laue, stille Sommernacht, Rings ein feierliches Schweigen, Und am mondbeglänzten See Tanzen Elfen ihren Reigen.»
«… und denk, wie leicht die Phantasie bei Nacht Aus Angst sich jeden Busch zum Bären macht!»
Am Ende: Verzweiflung, Tränen, Unordnung, Trauer, gar: Tod. Und dann? Dann kommt der Geist Puck, grinst und sagt: War doch alles nur ein Traum, ein Sommernachtstraum, ist doch nix passiert. Und uns fällt der Dichter der Winterreise ein, Wilhelm Müller, der auch über den Sommer Wichtiges wusste, nämlich:
«Sollst nicht murren, sollst nicht schelten, wenn die Sommerzeit vergeht; Denn es ist das Los der Welten, alles kommt und alles geht.» g
23
So beginnt ein Gedicht von Ludwig Thoma, das allerdings ironisch endet und davon handelt, dass es die Liebe in den Sommernächten schwer hat, weil man einfach so entsetzlich schwitzt. Aber hier, am Beginn, da tanzen noch die Elfen, und der Mond glänzt, und es sieht alles schwer nach Romantik aus. Wir sind in Deutschland. Haben wir da überhaupt die Möglichkeit zu Liebesfantasien in lauen Sommernächten, oder ist es noch immer so, wie Heinrich Heine in seinen Reisebildern schrieb: «Unser Sommer ist nur ein grün angestrichener Winter, sogar die Sonne muss bei uns eine Jacke von Flanell tragen, wenn sie sich nicht erkälten will.» Vielleicht sorgt der Klimawandel ja für Abhilfe, und wir erleben bald das, was vor 500 Jahren schon durch Shakespeares Sommernachtstraum tobte – wilde Feste, leidenschaftliches Begehren, erschütternde Irrtümer, alle Abgründe des Liebeswahns! Mendelssohn, der glücklich Verheiratete, hat all das in Musik gesetzt, aber nicht gelebt. Bei ihm ist alles leicht, heiter, charmant. Wenn Mozart – wie in Così fan tutte – über Liebeswirren schreibt, lächelt immer auch Traurigkeit mit. Und Shakespeare? Hat er solche Leidenschaften gelebt oder nur erzählt?
Es ist ein Märchen, dieser Sommernachtstraum. Das Märchen dauert bei ihm drei Tage und drei Nächte. Es geht um ein hohes Paar, das eigentlich heiraten will, aber da gibt es noch zwei andere Ebenen: die raue, ruppige Welt der Handwerker und Arbeiter, die die Hochzeit ausrichten, und das Reich der Elfen, Feen, Dämonen. Wenn das alles durcheinandergerät, entsteht das schönste Chaos. Und irgendwann weiss man nicht mehr: Was ist echt, was ist gespielt, und was ist – doppelt verwirrend – Spiel im Spiel? Und was tut die laue Sommernacht von sich aus noch dazu?
ORTSGESCHICHTEN Teil 4
Ein Haus für Beethoven von Sigfried Schibli
24
Musik in Wien – unwillkürlich denkt man an den Musikverein und den Goldenen Saal. An das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. An die erste Wiener Schule, die Wiener Klassik und an die zweite Wiener Schule um Arnold Schönberg. Und an die Staatsoper, die frühere Hofoper. Wien rühmt sich, dass in keiner anderen Stadt der Erde so viele bedeutende Musikschöpfer gelebt und gewirkt haben, und wahrscheinlich stimmt das. Namhafte Werke des klassischen Repertoires wurden allerdings nicht im Musikverein oder in der Staatsoper erstaufgeführt, sondern in einem weniger repräsentativen Haus in dezentraler Lage. Gemeint ist das Theater an der Wien in der Wiener Vorstadt, an der Linken Wienzeile, in unmittelbarer Nähe zum populären Naschmarkt. Kein Ort der elitären Hochkultur, eher eine Stätte der Volksbelustigung. In diesem Theater wurde Beethovens einziges Violinkonzert im Dezember 1806 vom Geiger Franz Clement, der mit dem Komponisten befreundet war, zur Uraufführung gebracht. Das Theater an der Wien geht bis auf das früheste 19. Jahrhundert zurück und ist im Ursprung mit dem Namen Emanuel Schikaneder verbunden. Der Textdichter von Mozarts Zauberflöte eröffnete sein Haus 1801 mit der heute vergessenen heroischen Oper Alexander von Franz Teyber. Von Anfang an standen neben musikalischen Bühnenwerken immer wieder Orchesterkon-
zerte auf dem Spielplan. So konnte man hier schon 1803 Beethovens 2. und 1805 seine 3. Sinfonie hören. Neben dem Violinkonzert erklangen hier die Oper Fidelio und die Chorfantasie sowie seine 5. und 6. Sinfonie, meist zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Zeitweise wohnte Beethoven sogar in einem hinteren Trakt des Theatergebäudes. Das Theater an der Wien, ein Haus mit gut 1100 Sitzplätzen und 50 Stehplätzen, hat im Lauf der Zeiten viel erlebt. Bald wurde es in National-Theater an der Wien umbenannt, dann ging es trotz (oder wegen) des Engagements von Gesangsstars wie Jenny Lind in Konkurs. Im späteren 19. Jahrhundert blühte es als Operettentheater wieder auf, und im Zweiten Weltkrieg diente es als Ersatzspielstätte für die zerbombte Staatsoper. In den letzten Jahrzehnten wurde und wird das Haus häufig für die Wiener Festwochen genutzt, hat sich aber auch als herausragende MusicalSpielstätte bewährt. Sowohl Cats als auch Das Phantom der Oper und Elisabeth erfuhren hier ihre deutschsprachigen Erstaufführungen und blieben lange im Repertoire. Im Theater an der Wien lagen Hochkultur und populäre Kultur lange Zeit eng beieinander. Als Opernhaus bewährt sich das Theater an der Wien bis heute – und dies trotz der starken Konkurrenz durch die Wiener Staatsoper und die Wiener Volksoper. Es fährt einen eher innovativen Kurs, bringt häufig Barockopern und Novitäten aus dem 20. und 21. Jahrhundert auf die Bühne und arbeitet gern mit Regisseurinnen und Regisseuren zusammen, für welche die
Bild: Wikimedia Commons
25
Theater an der Wien (anonyme Zeichnung, um 1800)
Gattung Oper nichts Museales hat, sondern mit szenischen Experimenten vereinbar ist. Dafür spricht auch die Person des künftigen Intendanten Stefan Herheim, einer der interessantesten Opernregisseure der Gegenwart. Im Unterschied zu den meisten Opernhäusern verfügt das Theater an der Wien weder über ein eigenes Ensemble noch über ein hauseigenes Orchester. Die musikalischen Kräfte werden jeweils für eine Produktion angeheuert, ebenso die Orchester, und das Theater ist nicht nach dem Repertoiresystem organisiert, sondern als Stagionebetrieb. Eine Produktion wird
also einige Male gespielt, dann verschwinden die Bühnenbilder im Fundus, und das singende Personal wird in alle Richtungen verstreut. Pech gehabt, wenn man eine Produktion verpasst hat! g
George Monch, Solo-Tuba und Ophikleide im Sinfonieorchester Basel
«Als Musiker hast du immer Albträume» von Frank Engelhaupt
26
Frank Engelhaupt: Lieber George, vielen Dank, dass du dir für meine Fragen Zeit nimmst. Im Sinfonieorchester Basel spielst du meistens die moderne Ventiltuba. Mendelssohn hat für seinen Sommernachtstraum allerdings ein anderes Instrument vorgesehen: die Ophikleide. George Monch: Genau. Mendelssohn selbst bezeichnete die Ophikleide übrigens als «Corno Inglese di Basso». In einem Brief an seine Schwester hat er eine Skizze gekritzelt und dazugeschrieben: «So sieht ein Englisches Basshorn aus.» (s. rechte Seite unten) Bei meiner Recherche bin ich immer wieder auf das Ophikleiden-Solo im Dies irae aus Berlioz’ Symphonie fantastique gestossen. Ein wunderbares Stück. Das haben wir in der letzten Spielzeit gemacht. Dort verstehe ich, warum Berlioz die Ophikleide einsetzt. Dieser fremdartige, raue Klang passt, wenn das Instrument das Jüngste Gericht ankündigen soll. Aber welche Motivation steckt bei Mendelssohn dahinter? Was bringt die Ophikleide dem Sommernachtstraum? Mendelssohn hat seine Musik sehr durchsichtig instrumentiert. Deshalb habe ich das Stück immer mit der kleinsten Basstuba gespielt. Aber das moderne Instrument erzeugt zu viel
Klang. Die Ophikleide klingt hingegen leichter. Damit bekommst du dieses schlanke, transparente Klangbild, das Mendelssohn liebte.
«Das moderne Instrument erzeugt zu viel Klang.» Das Stück ist ursprünglich als Bühnenmusik zu Shakespeares gleichnamiger Komödie gedacht. Für mich passt die Ophikleide gut in diese Welt der Faune, Feen und Elfen. Diese Gestalten sind definitiv nicht in die Musikhochschule gegangen. Deshalb darf die Blaskapelle im Athener Wald auch ein bisschen grobschlächtig klingen. Wie hörst du das? In der Ouvertüre spiele ich beispielsweise mit den Fagotten und Hörnern. Dort muss ich zu diesen Instrumenten passen – auch von der Lautstärke her. Im Hochzeitsmarsch bin ich einfach die tiefste Stimme im Blech, die übrigens ziemlich sperrig geschrieben ist. Der Hochzeitsmarsch macht definitiv mehr Arbeit als die Ouvertüre. Wie äussert sich das? In dieser tiefen Lage ist die Eingabe schwieriger. Aber ich habe herausgefunden, dass ich mit der obersten Klappe Feinkorrekturen machen kann. So helfe ich mir bei der Intonation.
Bild: Dominik Ostertag
VORGESTELLT
27
In seinem Brief vom 24. Juli 1824 an Rebecka, Fanny und Lea Mendelssohn Bartholdy erwähnt Felix neben seiner Liebe «zu Hoboen» und Trompeten (wenn sie piano blasen natürlich)» auch die Ophikleide:
So sieht ein Englisches Basshorn aus. Leb wohl, liebe Fanny. Dein Felix.
Aus: Felix Mendelssohn Bartholdy – Sämtliche Briefe – Band 1: 1816 bis Juni 1830 – Herausgegeben und kommentiert von Juliette Appold und Regina Beck – © 2008 Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel
Es gab einmal ein grosses Fragezeichen, was meine Karriere betrifft. Wegen eines Zahnunfalls hatte sich die Drucksituation zum Mundstück vollkommen verändert. Plötzlich konnte ich in einer Lage nicht mehr spielen. Es hat damals viel Geduld, Nerven und vor allem viel Lippentraining gebraucht, bis ich wieder eine natürliche Position gefunden hatte. Ein hartes Jahr.
28
In solchen Krisenzeiten kommen Versagensängste auf. Und man träumt schlecht: Du hast Verdi geübt, aber im Orchestergraben spielen alle Wagner. Als Musiker hast du immer Albträume. Mein Albtraum war, dass ich auf die Bühne gedrückt werde und Mendelssohns Violinkonzert spielen muss. Meistens bin ich schweissgebadet aufgewacht. Noch vor deinem Solo-Einsatz? Naja. Wir Musiker sind teilweise auch über-selbstbewusst. Manchmal habe ich im Traum tatsächlich das Violinkonzert von Mendelssohn gespielt. Und? Hat’s geklappt? Gelegentlich hat es ganz wunderbar geklappt. Ich weiss jetzt zwar nicht, was da die Freud’sche Traumdeutung dazu sagt, aber ... Und dieser Traum hat einfach so aufgehört. Ich weiss auch noch, wann das war. Bei einem Probespiel in
München musste ich in der ersten Runde auch Kontrabass spielen. Ich hatte Null Erfahrung mit dem Bass. Trotzdem bin ich raus und habe mein Bestes gegeben. Seit diesem Tag sind die Albträume weg. Im Programm ‹Sommernachtstraum› spielt ihr nicht nur Mendelssohn, sondern auch Beethovens Violinkonzert. Nun hat Beethoven die Ophikleide nicht gekannt. Was denkst du? Hätte er etwas mit diesem Instrument anzufangen gewusst? Die meisten Komponisten waren unzufrieden damit. Wagner beispielsweise. Sobald er die Basstuba gehört hatte, wurde die Ophikleide im Rienzi gestrichen und durch das Ventilinstrument ersetzt. Ich glaube, bei Beethoven wäre es ähnlich gewesen. Für seine Klangvisionen ist die Ophikleide nicht leistungsstark genug. Jetzt kommt noch die Presto-Runde. Einfache Entweder-oder-Fragen, die du möglichst spontan beantworten sollst. USA oder Europa? Ich bin schon lange eingebürgert und überglücklich hier. Verdi oder Wagner? Oh! Jetzt zerreisst du mein Herz. Das ist doch eine schöne Antwort. Ouvertüre oder Hochzeitsmarsch? Ouvertüre. Da darf ich überall mitmischen. Lieber George, vielen Dank für das Gespräch. g
Bild: Dominik Ostertag
Stichwort Tonerzeugung: Du spielst seit über fünfzig Jahren mehrere Stunden täglich. Dies bedeutet doch eine ziemliche Belastung für Lippen, Kiefer und Zähne.
29
Wir
Allegro
WIR MACHEN MEDIEN, DIE DU LIEBST
www.medienmacher.com
vivace
FREUNDE SINFONIEORCHESTER BASEL
Friends with Benefits
Die ‹Freunde Sinfonieorchester Basel› haben eine Mission: Mit unserem Engagement wollen wir die Wahrnehmung unseres musikalischen Aushängeschilds in Stadt und Region verbessern. Darüber hinaus unterstützen wir das innovative Konzertformat ‹Ivor & Friends› und möchten unseren Mitglie-
Wir würden uns freuen, wenn wir auch Sie in unserem Freundeskreis willkommen heissen dürften. Präsident Raphael Blechschmidt freut sich über Ihre Kontaktaufnahme unter freunde@sinfonieorchesterbasel.ch oder T. 061 271 25 26.
Chefdirigent Ivor Bolton im Gespräch mit dem Künstlerischen Direktor Hans-Georg Hofmann beim Konzert ‹Ivor & Friends› im Goetheanum Dornach
31
& achenreis m t i M k ndes Freu rössern! verg
dern im Rahmen von ausgesuchten Anlässen interessante Begegnungen mit Musikerinnen und Musikern ermöglichen. Unsere Tätigkeit trägt Früchte, was sich an einer stetig wachsenden Mitgliederzahl ablesen lässt.
Bild: Benno Hunziker
Der Verein ‹Freunde Sinfonieorchester Basel› unterstützt das EinsteigerFormat ‹Ivor & Friends› und ermöglicht seinen Mitgliedern zahlreiche Extras rund ums Orchester.
IN ENGLISH
Three prodigies and a genius
32
by Bart de Vries This month’s program is a continuation of Ludwig van Beethoven’s 250th anniversary, this time featuring his violin concerto. It took the efforts of three prodigies to establish its fame. The concerto was composed for the Austrian violin virtuoso Franz Joseph Clement. Tall stories had it that he could memorize the score of the concerto after having had just a brief glance at it. That seems to be an exaggeration. Although Beethoven (1770 – 1827) composed the concerto in barely five weeks, he worked in close cooperation with the violinist who must have had quite detailed insights into the structure of the piece right from the start. Clement, Beethoven’s junior by a decade, was a child prodigy who already had a high-flying career when he commissioned the concerto in 1806 at the age of 26. As the concertmaster of the orchestra of the Theater an der Wien, he had played a pivotal role in the premiering of several of Beethoven’s works. Clement was a typical conservative Viennese musician who wasn’t keeping up with the latest developments of his musical instrument, in his case, the violin. Around 1800 the violin and the bow were going through a number of changes, for example a higher comb and a slightly concave instead of a convex bow, that allowed for a more even sound and a more splendid playing style. But Clement stuck to his old violin and Beethoven wasn’t able to capitalize on the new possibilities of the modern instrument. Instead the composer designed the concerto in such a way that the orchestra is less of an accompanying body for the soloist
and rather an equal partner in the musical discourse. The reception of the piece, after its premiere in December 1806, was lukewarm and Beethoven, not fully content either, kept on working on the score until the following summer. Despite the improvements, the concerto led an obscure life until 1844 when two other child prodigies –Felix Mendelssohn Bartholdy and Joseph Joachim, a violinist– championed the work. Joachim, not yet 13 years old, and Mendelssohn, conducting, had scheduled Beethoven’s masterpiece for a concert in London. The success of the performance was the beginning of the rise of what some now consider to be the most important piece of its genre. Although Mendelssohn (1809 –1847) was also instrumental in the rediscovery of Bach’s Saint Matthew Passion, he was a composer first and foremost. A Midsummer Night’s Dream, incidental music for Shakespeare’s play, is one of his bestknown works. When Friedrich Wilhelm IV of Prussia asked him in the 1840s to write music for theatre productions, Mendelssohn efficiently dusted off his overture from 1826 to the same play and expanded it with twelve movements and a finale. Shakespeare’s play is a complicated, comic love story full of magical elements like fairies – vividly portrayed in the violins at the beginning of the overture –, love potions, an Indian prince and a fairy queen falling in love with an ass-headed craftsman whose braying is hard to miss in Mendelssohn’s brilliant music. Beethoven may be the only protagonist in tonight’s program not to have been a child prodigy, he certainly was a genius. g
Illustrationen: Carola Schatzmann
IM FOKUS
mini.musik: ‹In der Luft›
Engelbert Humperdinck schuf mit Hänsel und Gretel die erfolgreichste Märchenoper aller Zeiten. Das Sinfonieorchester Basel bringt eine gekürzte und für Kammerensemble arrangierte Fassung zur Aufführung. Und keine Angst: Die Hexe ist nicht ganz so böse wie im Märchen.
Abheben zum Traumstart. Trompete und Posaune liefern einen perfekten Düsenantrieb, der Kontrabass bietet einen grossen Frachtraum. Und mit dem Konzertflügel fliegen wir durch die Wolken.
Mit Mitgliedern des Sinfonieorchesters Basel, Sängerinnen und Sängern von OperAvenir, der Mädchenkantorei Basel, Marina Niedel (Regie & Leitung), Vincent Leittersdorf (Erzähler)
Sa, 14. Dezember 2019 16.00 Uhr SCALA BASEL
Mit Mitgliedern des Sinfonieorchesters Basel, Irena Müller-Brozovic (Konzept & Moderation) und Norbert Steinwarz (Choreografie & Tanz). Die Kinder sind aktiv ins Geschehen eingebunden.
Sa, 18. Januar 2020 16.00 Uhr
SCALA BASEL
Tickets erhältlich im Kulturhaus Bider & Tanner, +41 (0)61 206 99 96, ticket@biderundtanner.ch oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch, +41 (0)61 205 00 95
33
Familienkonzert: ‹Hänsel und Gretel›
34
DEMNÄCHST SA 16.11.19 16.00
Atriumkonzert Wolfgang Amadé Mozart: Streichquintett C-Dur Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
BASLER WIRRGARTEN
DO 21.11.19 19.30
SOB@Culturescapes Werke von Weinberg und Chopin Sinfonieorchester Basel, Yulianna Avdeeva, Rossana Rossignoli, Michał Nesterowicz
MARTINSKIRCHE BASEL
SO 24.11.19 11.00
Promenade: ‹Nátschibinìtschibi› Ludwig van Beethoven: Streichquartett f-Moll Wolfgang Amadé Mozart: Klarinettenquintett A-Dur Belcea Quartet, Rossana Rossignoli
GARE DU NORD
MI 04.12.19 19.30
A4 Sinfoniekonzert: ‹Sommernachtstraum› Werke von Beethoven und Mendelssohn Bartholdy Sinfonieorchester Basel, Frank Peter Zimmermann, Katja Stuber, Anne Bierwirth, Johanna Wokalek, Damen des La Cetra Vokalensembles, Ivor Bolton
THEATER BASEL
SCALA BASEL SO 15.12.19 Weihnachtskonzert: ‹BaZ hilft› 11.00 / 15.00 Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Sängerinnen und Sänger von OperAvenir, Mädchenkantorei Basel, Marina Niedel, Vincent Leittersdorf MI 01.01.20 17.00
Neujahrskonzert: ‹Die ganze Welt ist himmelblau› THEATER BASEL Sinfonieorchester Basel, Chor des Theater Basel, Solistinnen und Solisten des Opernensembles, Kristiina Poska, Hans-Georg Hofmann, Pavel B. Jiracek
DO 09.01.20 Cocktailkonzert: ‹Sérénade nocturne› 18.00 / 20.00 Werke von Cras, de Falla, Fauré und Hahn Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, María Cristina Kiehr, Hans-Georg Hofmann
VVK IMPRESSUM Sinfonieorchester Basel Steinenberg 19 4051 Basel +41 (0)61 205 00 95 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch Möchten Sie das Programm-Magazin abbestellen? Schreiben Sie eine E-Mail an marketing@sinfonieorchesterbasel.ch
GRAND HOTEL LES TROIS ROIS
Vorverkauf (falls nicht anders angegeben): Kulturhaus Bider & Tanner, Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel, 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf: www.sinfonieorchesterbasel.ch
Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat Künstlerischer Direktor: Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin: Frank Engelhaupt Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung: eyeloveyou.ch, Basel
Druck: Die Medienmacher AG, Muttenz Auflage: 5100 Exemplare Partner:
Das Traumbad für jede Jahreszeit
Dank des eingespielten Teams bleibt das Traumbad kein Sommernachtstraum, sondern ist in nur 14 Tagen realisiert. VOR DEM UMBAU Alles basiert auf Ihren Wünschen und Ideen. Wir erstellen eine 3D-Visualisierung und den Zeitplan für die Arbeiten. Wir begleiten Sie in die Badausstellung und beraten Sie dort. WÄHREND DES UMBAUS Zusätzlich zur Sanitärarbeit koordinieren wir die Einsätze der anderen beteiligten Handwerker. Alle sind langjährige und bewährte Partner von uns. Wir schützen den Wohnbereich bestmöglich gegen Staub und putzen die Baustelle täglich. NACH DEM UMBAU
FRIEDLIN AG RIEHEN Rössligasse 40 4125 Riehen Telefon 061 641 15 71
Sie freuen sich über Ihr rundum erneuertes Bad – und wir freuen uns über eine weitere gute Referenz.
www.friedlin.ch
Ihr Vermögensverwalter im Gellert. Es geht um Verlässlichkeit.
Trafina Privatbank AG, Rennweg 50, CH-4020 Basel, Telefon +41 61 317 17 17, www.trafina.ch