Basler Münster
DIE KONZ ERTE WER DEN AUFG E ZE I CHNE T
BRUCKNER+ BACH UND GABRIELI 17. 18. Programm-Magazin Nr. 9 | Saison 19/20
Juni 19.30 Uhr
Liebes Konzertpublikum
Ich wünsche Ihnen ein einmaliges Konzerterlebnis und freue mich, Sie auch in der kommenden Saison wieder begrüssen dürfen.
Hans-Georg Hofmann Künstlerischer Direktor
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Turbulente Zeiten liegen hinter uns: tägliche Planungsänderungen auf der einen Seite, das Produzieren neuer digitaler Konzertformate ‹at home› und aus dem ‹Salon Picasso› auf der anderen. Vor gut einem Monat hätte niemand daran geglaubt, dass wir unsere Konzertsaison mit Ihnen, liebes Publikum, gemeinsam zu Ende bringen können. Nun ist es soweit, dass wir unseren Brucknerzyklus dank Schutzkonzept, zwar limitiert und unvollendet – wie auch Bruckners letzte Sinfonie –, abschliessen können. Unsere Blechbläser starten mit der Bearbeitung einer Sonata aus den Sacrae Symphoniae von Giovanni Gabrieli. Dieses zentrale Sammelwerk der venezianischen Mehrchörigkeit um 1600 verbreitete sich damals in Windeseile in ganz Europa. Der junge Aargauer Geiger Sebastian Bohren sollte eigentlich mit Sofia Gubaidulinas Offertorium bei uns debütieren. Das Schutzkonzept lässt die Grösse der dafür vorgesehenen Orchesterbesetzung nicht zu. Stattdessen können Sie erleben, wie sich Bachs berühmte Chaconne aus der d-Moll-Partita für Solovioline im Münster entfalten wird. Zum Abschluss unseres Bruckner-Zyklus gibt es eine ganz besondere Fassung einer Sinfonie des Komponisten. Die Schönberg-Schüler Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl haben für den Wiener Verein für musikalische Privataufführung Bruckners 7. Sinfonie für ein Kammerensemble bearbeitet. Wir freuen uns nicht nur, dass Ivor Bolton nach mehrmonatiger Pause wieder am Pult des Sinfonieorchesters Basel steht. Wir freuen uns ebenfalls, dass wir für den vierhändigen Klavierpart das virtuose Geschwisterpaar Ferhan und Ferzan Önder gewinnen konnten.
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Zugänglichkeit Das Basler Münster ist rollstuhlgängig; bitte benutzen Sie den Eingang rechts neben dem Hauptportal. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
Bild: Benno Hunziker
Bruckner+ Bach und Gabrieli Mittwoch, 17. Juni 2020 Donnerstag, 18. Juni 2020 19.30 Uhr 18.30 Uhr: Konzerteinführung mit Hans-Georg Hofmann im Basler Münster
Sinfonieorchester Basel Sebastian Bohren, Violine Ferhan & Ferzan Önder, Klavier Ivor Bolton, Leitung ca. 4’
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Giovanni Gabrieli (1557–1612): Sonata Octavi Toni aus Sacrae Symphoniae (1597) (Bearbeitung für Blechbläserensemble von Roger Harvey)
ca. 15’
ca. 66’
Johann Sebastian Bach (1685–1750): Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo, BWV 1004 5. Ciaccona
Anton Bruckner (1824–1896): Sinfonie Nr. 7 E-Dur, WAB 107 (1883) (Bearbeitung für Kammerorchester von Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl) 1. Allegro moderato 2. Adagio: Sehr feierlich und sehr langsam 3. Scherzo: Sehr schnell 4. Finale: Bewegt, doch nicht schnell Konzertende: ca. 21.00 Uhr Das Konzert findet ohne Pause statt.
Die Konzerte werden aufgezeichnet. Ausstrahlung ab 29. Juni 2020 auf www.sinfonieorchesterbasel.ch (Video) und am 2. Juli 2020 um 20.00 Uhr in der Sendung «Im Konzertsaal» (Radio SRF 2 Kultur).
ZUM WERK
Giovanni Gabrieli, Sonata Octavi Toni, Ch. 184 aus Sacrae Symphoniae
Alle Wege führen nach Venedig
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von Robin Keller
Sein Studium führt ihn in den 1570erJahren zu Orlando di Lasso nach München. 1580 kehrt Gabrieli nach Venedig zurück, wo er 1585 zweiter Organist am Markusdom wird. Nur ein Jahr später übernimmt er die Stelle des Hauptorganisten. Diese Position hält er bis zu seinem Tod und wird von keinem geringeren als Claudio Monteverdi beerbt. Bereits vor der Zeit Gabrielis geniesst der Markusdom zu Venedig einen ausgezeichneten musikalischen Ruf, der vor allem auf den Komponisten flämischer Herkunft Adrian Willaert zurückgeht. Gabrieli baut das hohe musikalische Niveau und die regen künstlerischen Tätigkeiten weiter aus und wird so zu einem der bekanntesten Komponisten Europas. Aus dem ganzen Kontinent kommen Komponisten nach Venedig, um bei Gabrieli Musik zu studieren, der bekannteste Name darunter: Heinrich Schütz. Die baulichen Gegebenheiten des Doms – zwei einander gegenüberliegend
Bild: Wikimedia Commons
Das genaue Geburtsdatum von Giovanni Gabrieli ist unbekannt. Vermutungen schwanken zwischen 1554 und 1557. Was jedoch überliefert ist, sind der Geburtsort – Venedig, das damalige musikalische Zentrum Europas – und die Umstände seiner Jugend, nämlich dass er bei seinem Onkel Andrea Gabrieli, seines Zeichens Komponist und Kirchenmusiker, aufwächst. So wächst Giovanni Gabrieli seit seiner frühen Kindheit in einem durch und durch musikalischen Umfeld auf – geografisch wie familiär. Da erstaunt es nicht, dass er ebenfalls eine musikalische Laufbahn einschlägt.
Giovanni Gabrieli (Kupferstich von Agostino Carracci, 1599)
Sonata Octavi Toni, Ch. 184 aus Sacrae Symphoniae (Bearbeitung von Roger Harvey) Besetzung Original: 12 nicht weiter spezifizierte Stimmen Bearbeitung: 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba Entstehung Der Sammelband Sacrae Symphoniae wurde 1597 erstmals gedruckt. Die insgesamt 63 Einzelsätze entstanden in den Jahren davor in Venedig. Dauer ca. 4 Minuten
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installierte Orgeln – fliessen deutlich in Gabrielis musikalisches Schaffen ein. In den meisten seiner Werke teilt er die Aufführenden in zwei Abteilungen ein, die sowohl simultan wie auch antifonisch eingesetzt werden können. Die sogenannte venezianische Mehrchörigkeit wird nach und nach von der Chormusik auf die Instrumentalmusik übertragen und entwickelt sich unter Gabrieli deutlich weiter: Wurden zuvor keine expliziten Besetzungen vorgeschrieben, so notiert er immer wieder genaue Klangfarben und Instrumentationen in die Stimmen. In der Stücksammlung Sacrae Symphoniae ist dies selten der Fall, jedoch ist die Unterteilung der jeweiligen Ensembles durchweg vorhanden. Die Sammlung besteht aus 45 Motetten, 16 Kanzonen und 2 Sonaten für insgesamt sechs bis sechzehn Stimmen. Diese extensive Mehrstimmigkeit und die Tatsache, dass Besetzungen eher selten vorgeschrieben sind, machen die Stücksammlung für allerlei Ensembles zugänglich. So auch für eine reine Blechbläserbesetzung. Die Sonata Octavi Toni ist ein Musterbeispiel für Gabrielis Schaffen. Die zwölf Stimmen werden in zwei kleinere, sechsstimmige Ensembles eingeteilt und werden erst antifonisch, dann simultan eingesetzt. So wie es die venezianische Tradition vorschreibt. g
Sebastian Bohren im Gespräch
«Ich fühle mich ständig wie in einem Sturm» von Silvan Moosmüller
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Sebastian Bohren ist Geigensolist, Kammermusiker und Konzertveranstalter. Der 32-jährige Schweizer lebt in Zürich und ist Mitglied des Stradivari Quartetts. In seinem Heimatkanton Aargau gründete er vor zehn Jahren die Konzertreihe ‹Stretta Concerts›. Seit 2020 kuratiert er zusätzlich das Musikfestival ‹Worte und Klänge› in Adelboden. Trotz Rampenlicht sieht sich Bohren als Solist in der tieferen Bedeutung eines Menschen, der gerne allein ist. Silvan Moosmüller: Sebastian Bohren, die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Sie als «ernsthaften und geradlinigen Musiker». Sind Sie auch ein ernsthafter, geradliniger Mensch? Sebastian Bohren: (lacht.) Das müssen Sie die Menschen fragen, die seit Jahren mit mir zu tun haben. Ich würde sagen, ja und nein. Vielleicht bin ich auf dem Weg dahin, ernsthafter zu werden. Aber eigentlich weiss ich gar nicht so viel über mich selber – obwohl ich oft über mich nachdenke. «Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch», dieser Ausspruch von Conrad Ferdinand Meyer passt ganz gut zu mir. Auch in Bezug auf die Musik bin ich nicht nur geradlinig. Ich fühle mich eher ständig wie in einem Sturm – immer unterwegs zu dem, was mich innerlich bewegt.
Als freischaffender Musiker müssen Sie sehr diszipliniert sein. Gibt es manchmal Momente, in denen Sie sich wünschen, einfach nur Dienst nach Vorschrift machen zu dürfen? Nein, nie! Das Höchste, was man als Musiker erreichen kann, ist, möglichst viel selbst zu bestimmen: welche Stücke man spielt, mit wem, wie oft und wo. An diesem Punkt bin ich als junger Geiger zwar noch nicht. Aber die absolute Selbstbestimmung ist für mich das höchste Gut, dem ich mich immer weiter annähern möchte.
«Ich gehe gerne weg, komme aber auch gerne wieder zurück.» Wann stand denn für Sie fest, dass Sie eine Karriere als Solist wagen wollen? Eigentlich schon als ich elf war. Aber natürlich sagten mir alle, das geht nicht, du bist schon zu alt und nicht gut genug. Realistischer wurde dieses Ziel, als ich während des Studiums das Angebot erhielt, im Stradivari Quartett mitzuspielen. Ich erhielt eine gute Geige. Mit meinem Lohn mietete ich eine Einzimmerwohnung und versuchte, möglichst wenig Geld auszugeben. Manche Schritte zur solistischen Karriere ergaben sich dann ganz natürlich, andere waren mit meinem Ehrgeiz gepaart.
Bild: Marco Borggreve
INTERVIEW
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Bislang haben Sie der Schweiz die Treue gehalten. Warum? Weil ich hier verwurzelt bin. Ich bin Schweizer, mir gefällt es in der Schweiz, und ich werde vermutlich immer in Zürich wohnen. Auch als ich in München studierte, bin ich in Zürich geblieben. Ich gehe sehr gerne weg, komme aber auch sehr gerne wieder zurück.
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Sie spielen im Moment ein Instrument von Giovanni Battista Guadagnini, die ‹Ex-Wanamaker-Hart›, Parma 1776. Was mögen Sie an ihr? Diese Guadagnini-Geige hat einen fantastisch ‹gesunden› Grundton. Zuerst gab mir die Geige weniger Fantasie als die Stradivari, auf der ich vorher spielte. Dafür lässt sie mich nie im Stich. Sie ist vollkommen ausgeglichen. Und wenn ich den Ton ideal treffe, horchen alle auf und sagen: Wow, das ist ja die perfekte Geige!
«Ein Klang ist wie ein Planet.» Haben Sie ein Klangideal auf Ihrer Geige? Ich bin nie zufrieden mit dem Klang und probiere immer wieder andere Techniken aus. Für mich ist ein Klang wie ein Planet. Er braucht ein Zentrum, einen ganz starken Kern. Er braucht aber auch eine Atmosphäre rundherum. Wenn er nur einen Kern hat, ist er zu klein, zu abgeschlossen. Er braucht eine gewisse Bandbreite: unten einen Bodensatz wie ein guter Wein, oben brillant und reich aufgefächert. Letztlich ist der Klang ein Spiegel der eigenen Sorgfalt. Er sagt aus, wie nahe man dem Instrument gerade ist.
Wie viel hängt denn überhaupt vom Instrument ab und wie viel vom Geiger, damit sich ein Klang formen kann? Vor allem für einen jungen Geiger ist es sehr wertvoll, ein paar Jahre auf einer ‹alten› Geige zu spielen. Alte Geigen sind wunderbare Lehrmeister, weil man immer genau den richtigen Ort treffen muss. Später kann man einen solchen Klang auch aus einer modernen Geige herausholen. Worauf freuen Sie sich am meisten beim Basler Konzert? Zum Basler Münster habe ich eine emotionale Beziehung. 2018 spielte ich dort Bachs Chaconne mit den Basler Madrigalisten. Es war das zweitletzte Konzert, in dem mich mein Lehrer Hansheinz Schneeberger spielen hörte, bevor er im Oktober 2019 verstarb. g
Sebastian Bohren wurde 1987 in Winterthur geboren. Sein Geigenstudium führte ihn an die Musikhochschule Zürich, nach Luzern und nach München. Er wirkt regelmässig als Solist und Kammermusiker im In- und Ausland und ist Mitglied des international renommierten Stradivari Quartetts. Ausserdem leitet er in seinem Heimatkanton Aargau die Konzertreihe ‹Stretta Concerts›.
ZUM WERK
Johann Sebastian Bach, Ciaccona aus der Partita Nr. 2 d-Moll für Violine solo, BWV 1004
«Eine der grössten Errungenschaften eines Menschen» von Robin Keller
Bild: Wikimedia Commons
Ende der Allemanda oder im Mittelteil der Ciaccona. Ebendiese Ciaccona bildet das Kernstück der Komposition. Sie dauert so lange wie alle vorangegangenen Sätze zusammen und sprengt somit den bisher bekannten Rahmen der Partita. Eine viertaktige Basslinie wird zigmal wiederholt und variiert, unterteilt in drei grosse Abschnitte. Jeder dieser Abschnitte beginnt ruhig und gehalten, um sich danach in überlegter Steigerung immer fantastischer zu gebärden, bis das Stück mit einer Reminiszenz an das initiale Thema in einem gehaltenen Moll-Duktus endet. Die Partita Nr. 2 d-Moll gehört wohl zum Tiefgründigsten, was Johann
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Drei Sonaten und drei Partiten schreibt Bach 1720 ins Reine. Der vierte Teil der Stücksammlung mit dem Titel Sei Solo a Violino senza Basso accompagnato [sic!] ist die Partita d-Moll, BWV 1004. Bei dieser Partita folgt Bach dem Prinzip der barocken Suite – einer Aneinanderreihung von stimmungsvollen Tanzsätzen; im vorliegenden Fall: Allemanda, Corrente, Sarabanda, Giga und Ciaccona. Das Spezielle daran: Nicht wie bei anderen Moll-Partiten, bei denen einzelne Sätze in Dur-Tonarten notiert sind, stehen hier alle Sätze in d-Moll. Zusammen mit den aufreibenden harmonischen Verläufen verleiht dies dem Stück eine durchweg spürbare Gravitas. Nur vereinzelt schimmert die Tonart D-Dur und damit Fröhlichkeit durch – etwa am
Bachs Manuskript der Ciaccona aus der Partita d-Moll, BWV 1004
Ciaccona aus der Partita Nr. 2 d-Moll, BWV 1004 Besetzung Violine solo Entstehung Skizzen entstanden vermutlich bereits zwischen 1708 und 1717 in Weimar. Die definitive Komposition schuf Bach zwischen 1717 und 1720 in Köthen (Sachsen-Anhalt). Uraufführung Datum und Interpret unbekannt. Spekulationen reichen von den damaligen Violinvirtuosen Johann Georg Pisendel und Jean-Baptiste Volumier bis hin zum Komponisten selbst. Dauer ca. 15 Minuten
Bild: Nancy Horowitz
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Sebastian Bach je geschrieben hat. Und dies obwohl die zentrale Idee eine sehr simple ist. Eine einzige Akkordfolge liegt allen fünf Sätzen zugrunde, am reinsten hörbar zu Beginn des 3. Satzes, der Sarabanda. Diese spannungsgeladene d-Moll-Kadenz bildet das Grundgerüst der gesamten Partita und wird in den einzelnen Sätzen lediglich rhythmisch und melodisch variiert. Die variantenreiche Kompositionstechnik Bachs stellt hohe Ansprüche an die Fertigkeiten des Musikers oder der Musikerin. In den schnelleren Sätzen sind vor allem unterschiedliche Phrasierungstechniken gefragt, während in den stark polyfonen Abschnitten vertrackte Griffe vonnöten sind. Tatsächlich entrollt Bach mit diesem Werk einen derart vielseitigen Katalog an Techniken und präsentiert eine so vollkommene Interpretation einer Partita, dass das Stück über lange Zeit nach seinesgleichen sucht. Bis heute gehört es zu den zentralen Werken der Geigenliteratur und wird mit Superlativen nur so überhäuft – auch hier allen voran die Ciaccona. Yehudi Menuhin nannte sie «die grossartigste Struktur für Solovioline, die existiert», und für Joshua Bell ist sie gar «eine der grössten Errungenschaften eines Menschen überhaupt.» g
PORTRÄT
Ferhan & Ferzan Önder, Klavierduo Ferhan & Ferzan Önder wurden in der türkischen Stadt Tokat geboren. Sie begannen zwar erst im Alter von zehn Jahren Klavier zu spielen, doch schon vier Jahre später erhielten sie den Jury Special Award beim ‹Concorso Pianistico Internazionale Alessandro Casagrande› im italienischen Terni, dem zahlreiche weitere Preise folgten. Ihre grosse Begabung, gepaart mit einem hohen Mass an Disziplin und Förderung durch die Familie, trug bald Früchte. Nach einem Auftritt Ferhan Önders in Wien, den sie als
Ferhan & Ferzan Önder leben mit ihren Familien in Österreich. Seit 2003 sind die Schwestern UNICEF-Botschafterinnen und engagieren sich für Kinderprojekte.
Ferhan und Ferzan Önder
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1. Preis bei einem Wettbewerb in Istanbul gewonnen hatte, beschlossen die Schwestern 1985, nach Österreich überzusiedeln. An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien wurden sie Schülerinnen von Noel Flores und Paul Badura-Skoda. Kurz vor Ende des Studiums lernten sie auch Alfons Kontarsky kennen, der für die Schwestern ein wichtiger Freund und Mentor wurde. Ferhan & Ferzan Önder gastierten bei international renommierten Orchestern und arbeiteten mit namhaften Dirigenten wie John Axelrod, Hans Graf, Howard Griffiths, Markus Poschner, Max Pommer, Hubert Soudant, Stefan Vladar und Hugh Wolff zusammen. 2016 erlebte das neueste Projekt der Schwestern seine Uraufführung: ‹Anonymous Was a Woman›, ein literarischmusikalisches Konzertprogramm, in dem Frauenrechte thematisiert werden. Sechs Komponistinnen, darunter Rachel Grimes, Anna Drubich und Amritha Vaz steuerten Kompositionen bei, die im Wechsel mit Texten von Schriftstellerinnen vorgetragen werden. g
ZUM WERK
Anton Bruckner, 7. Sinfonie in der Kammerfassung von H. Eisler, E. Stein und K. Rankl
«Eine erlesene Bearbeitung» von Michael Preis
Am 31. März 1913 dirigiert Arnold Schönberg im Musikvereinssaal in Wien eigene Werke und Kompositionen von Berg, Webern und Zemlinsky. Publikum und Presse reagieren entsetzt. Es kommt zu Tumulten, auf der Galerie fängt man an sich zu prügeln. Das Konzert ist als ‹Watschenkonzert› von 1913 in die Musikgeschichte eingegangen.
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Verein für musikalische Privataufführungen Es war der wohl einprägsamste Skandal um die Komponisten der Zweiten Wiener Schule, nicht aber der einzige. Schönberg war davon überzeugt, dass sich moderne Musik nicht an den Bedürfnissen der breiten Öffentlichkeit orientieren sollte. Deshalb gründete er im November 1918 den Verein für musikalische Privataufführungen. Die Presse war dort nicht zugelassen, Gäste nur ausnahmsweise. Applaus, Missfallen oder Dank sollten nicht geäussert werden. Es ging allein darum, hochwertig arrangierte, gut geprobte Musik aufzuführen, um sie den zahlenden Vereinsmitgliedern näherzubringen, als dies im normalen Konzertleben möglich war.
Das Arrangement von Bruckners Siebter Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl erstellten für diesen Verein ein Arrangement von Anton Bruckners 7. Sinfonie, das am 18. Dezember 1921 hätte uraufgeführt werden sollen. Die Hyperinflation der 1920er-Jahre aber zeigte zu dem Zeitpunkt längst Wirkung: Man fuhr das Geld in Waschkörben durch die Strassen. Kaufen konnte man davon immer weniger. Im Zuge dessen musste der Wiener Verein für musikalische Privataufführungen am 5. Dezember 1921 seinen Betrieb einstellen. Der Editionsbericht zum Arrangement von Bruckners Siebter vermerkt weiter: «Die Bruckner-Bearbeitung kam nicht mehr zur Aufführung – sie war zuvor nicht ein einziges Mal geprobt worden – und verschwand in der Schublade.»
Bild: Wikimedia Commons
Sinfonie Nr. 7 E-Dur, WAB 107 (Bearbeitung für Kammerorchester von Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl) Besetzung Original: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 4 Wagnertuben, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Streicher Bearbeitung: Klarinette, Horn, Pauken (ad libitum), Harmonium, Klavier (vierhändig), 2 Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabass
Heutige Aufführungen Dass die vollständige Bearbeitung in den letzten fünfundzwanzig Jahren hin und wieder in den Konzertsälen zu hören ist, ist ein Glücksfall. Bruckners monumentale 7. Sinfonie ist bis heute eines seiner populärsten Werke. Dass sie vor knapp hundert Jahren bereits für eine Aufführung in Schönbergs Verein auserkoren wurde, unterstreicht den Stellenwert dieser Komposition. Eisler, Stein und Rankl waren um 1920 Schönbergs Schüler. In der modernen Musikszene zählten sie damit zu den herausragenden Vertretern ihrer Generation. Ein erfolgreiches Werk, erlesen bearbeitet und in dieser Form selten gespielt: Diese Siebte ist eine durch mehrere Qualitätskontrollen gegangene Sinfonie, die unerwartbar gut passt in unsere aus den Fugen geratene Zeit. g
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Anton Bruckner (1868)
Entstehung Original: 1881 bis 1883 Bearbeitung: 1921 Uraufführung Original: 30. Dezember 1884 im Leipziger Stadttheater mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Arthur Nikisch 1. und 3. Satz der Bearbeitung: 15. Januar 1988, resp. 8. April 1988, in der Alice Tully Hall in New York mit dem New York Chamber Ensemble unter der Leitung von Stephen Rodgers Radcliffe Komplette Bearbeitung: 22. Februar 1994 im Connecticut College in New London (Connecticut, USA) mit Mitgliedern des Eastern Connecticut Symphony Orchestra unter der Leitung von Paul Clifford Phillips Widmung König Ludwig II. von Bayern Dauer ca. 66 Minuten
ORCHESTERBESETZUNG
Bruckner+ Gabrieli und Bach Violine 1 Nitzan Bartana Violine 2 Katarzyna Nawrotek Viola Harold Hirtz
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Cello David Delacroix Kontrabass Michael Sandronov Klarinette Rossana Rossignoli
Horn Jean-François Taillard Megan McBride Eda Pacaci Diane Eaton Lars Magnus Trompete Huw Morgan Immanuel Richter Marcel Fischer Lukasz Gothszalk Tuba George Monch Pauke Taijiro Miyazaki Tasteninstrumente Riccardo Bovino, Harmonium Ferhan Önder, Piano Ferzan Önder, Piano
Bild: Marco Borggreve
IM FOKUS
Extrakonzert: ‹Neue Welt›
Sinfonieorchester Basel Christina Landshamer, Sopran Ivor Bolton, Leitung
Mi, 26. August 2020 19.30 Uhr Stadtcasino Basel
Ludwig van Beethoven: Ouvertüre aus Die Weihe des Hauses, op. 124 Erik Satie/Claude Debussy: III. Lent et douloureux aus Trois Gymnopédies Richard Strauss: IV. Morgen! aus Vier Lieder, op. 27 Felix Mendelssohn Bartholdy: Infelice für Sopran und Solovioline Antonín Leopold Dvořák: Sinfonie Nr. 9 e-Moll, Aus der neuen Welt, op. 95
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Eigentlich hatten wir geplant, mit Mahlers Auferstehungssinfonie die ‹Auferstehung› des Stadtcasinos in grosser Besetzung zu feiern. Doch die Schutzmassnahmen setzen Grenzen. Unsere Freude über die Rückkehr wird dies keinesfalls trüben. Beethovens Weihe des Hauses und Dvořáks Sinfonie Aus der neuen Welt stehen symbolisch für diesen besonderen Start in die neue Saison. Zudem präsentiert sich unsere ‹Artist in Residence› Christina Landshamer mit Werken von Mendelssohn Bartholdy und Richard Strauss.
DEMNÄCHST
Durchführung der aufgeführten Veranstaltungen derzeit ohne Gewähr MI 26.08.20 19.30
STADTCASINO BASEL Extrakonzert: ‹Neue Welt› Werke von Beethoven, Satie/Debussy, R. Strauss, Mendelssohn Bartholdy und Dvořák Sinfonieorchester Basel, Christina Landshamer, Ivor Bolton
SO 30.08.20 16.00
Arc-en-ciel in Allschwil Werke von Mozart, Schubert und Borodin Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
MÜHLESTALL ALLSCHWIL
MI 02.09.20 19.00
Arc-en-ciel in Reinach Werke von Mendelssohn Bartholdy und Prokofjew Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
ISB REINACH
SO 06.09.20 11.00
Picknickkonzert: ‹Brass Connection› Blechbläser des Sinfonieorchesters Basel
MUSEUM DER KULTUREN BASEL
EINTRITT FREI
EINTRITT FREI
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EINTRITT FREI
SO 06.09.20 19.30
Orgelfestival Werke von Connesson und Saint-Saëns Sinfonieorchester Basel, Vincent Dubois, Thomas Trotter, Ivor Bolton
STADTCASINO BASEL
MI 09.09.20 DO 10.09.20 19.30
Sinfoniekonzert: ‹Duell› Werke von Liebermann, Winkelman und Brahms Sinfonieorchester Basel, Patricia Kopatchinskaja, Pekka Kuusisto, Ivor Bolton
STADTCASINO BASEL
VVK Vorverkauf (falls nicht anders angegeben): Kulturhaus Bider & Tanner Aeschenvorstadt 2 4010 Basel 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf: www.sinfonieorchesterbasel.ch
Partner:
IMPRESSUM Sinfonieorchester Basel Picassoplatz 2 4052 Basel +41 (0)61 205 16 80 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch
Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat Künstlerischer Direktor: Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin: Frank Engelhaupt Korrektorat: Ulrich Hechtfischer Gestaltung: eyeloveyou.ch, Basel
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Extrakonzert ‚Neue Welt›
Mi, 26. August 2020 19.30 Uhr Stadtcasino Basel
Sinfonieorchester Basel Christina Landshamer, Sopran Ivor Bolton, Leitung www.sinfonieorchesterbasel.ch