Basler Münster
AUFERSTEHUNG
Programm-Magazin Nr. 7 | Saison 19/20
22 . April 19.30 Uhr
M i r ja M G i n s b e r G • f i n e a rT j ew e l l e ry aG
« IT’S MORE THAN A PROFESSION – IT’S A PASSION » G e r b e r G ä s s l e i n 1 6 • 4 0 5 1 ba s e l Telefon 061 261 51 10 w w w. g i n s b e r g j ew e l . c h
InsSOB_Maerz2020.indd 1
3.3.2020 14:40:18 Uhr
Liebes Konzertpublikum In seiner 1000-jährigen Geschichte erlebte das Basler Münster einige brisante Konzertaufführungen. Brahms dirigierte hier 1874 sein Triumphlied. Nietzsche hörte begeistert zu und empfahl es Richard Wagner zur Eröffnung von Bayreuth. Dieser lehnte beleidigt ab, und vermutlich begann in diesem Moment das Ende einer intensiven Freundschaft. Ein grosser Erfolg hingegen war die Aufführung von Mahlers Auferstehungssinfonie knapp dreissig Jahre später. Auf Einladung von Richard Strauss dirigierte Mahler am 15. Juni 1903 seine 2. Sinfonie im Münster. Im Unterschied zu manch heutigem Zeitgenossen zeigte sich Mahler begeistert vom Kirchenraum und seinem Klang. Auch mit dem Orchester war er zufrieden. Allein Alma Mahler war nicht besonders glücklich. Sie musste bei der Generalprobe feststellen, dass ihre Empfehlungen, den Orchesterpart etwas dünner zu instrumentieren, von ihrem frisch angetrauten Ehemann nicht umgesetzt worden waren. Ob sie tatsächlich unter Tränen das Münster verlassen hat, wissen wir nicht. Dafür spricht ein Foto, das am Rheinsprung gemacht wurde (siehe Seite 23). Beide schauen nicht gerade glücklich. Aber wir sind glücklich, dass wir in letzter Sekunde mit Mirga Gražinytė-Tyla eine aussergewöhnliche Dirigentin gefunden haben, die für den indisponierten Ivor Bolton einspringen konnte. Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der neuen Ausgabe unseres Programm-Magazins viel Vergnügen und freue mich auf Ihren Konzertbesuch
SINFONIEKONZERT
Auferstehung 5 Konzertprogramm 6 Mirga Gražinytė-Tyla im Gespräch 11 Giovanni Gabrieli / Bruno Maderna Canzone a tre cori 14 Mahlers Auferstehungs sinfonie in fünf Minuten 16 Kurzporträts MDR-Rundfunkchor Christina Landshamer Catriona Morison 18 Arnold Schönberg Friede auf Erden 22 Gustav Mahler Auferstehungssinfonie 27 Gesangstexte Auferstehungssinfonie 28 Ortsgeschichten, Teil 7 30 Impressionen Auf Prometheus-Tournee 32 Verein ‹Freunde SOB› 35 Kolumne von Elke Heidenreich 36 In English Resurrection Vorschau 37 Im Fokus 38 Demnächst
Hans-Georg Hofmann Künstlerischer Direktor
4
VORVERKAUF, PREISE UND INFOS Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel Aeschenvorstadt 2, 4010 Basel +41 (0)61 206 99 96 ticket@biderundtanner.ch oder auf www.sinfonieorchesterbasel.ch Zugänglichkeit Das Basler Münster ist rollstuhlgängig. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
Preise CHF 70/50/30/20 Ermässigungen Studierende, Schüler, Lehrlinge und mit der KulturLegi: 50% AHV/IV: CHF 5 mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5 Assistenzpersonen von Menschen mit Behinderungen erhalten Freikarten. Rollstuhl-Plätze sind über das Orchesterbüro oder an der Abendkasse erhältlich (ticket@sinfonieorchesterbasel.ch).
Bild: Ben Ealovega
Auferstehung Mittwoch, 22. April 2020 19.30 Uhr BASLER MÜNSTER
18.30 Uhr: Konzerteinführung mit Hans-Georg Hofmann in der Allgemeinen Lesegesellschaft Basel
Sinfonieorchester Basel Christina Landshamer, Sopran Catriona Morison, Mezzosopran MDR-Rundfunkchor Mirga Gražinytė-Tyla, Leitung ca. 5’ ca. 10’
Arnold Schönberg (1874 – 1951): Friede auf Erden für gemischten Chor a cappella, op. 13 (1907)
ca. 80’
Gustav Mahler (1860 – 1911): Sinfonie Nr. 2 c-Moll, Auferstehungssinfonie (1894) 1. Allegro maestoso. Mit durchaus ernstem und feierlichem Ausdruck 2. Andante comodo. Sehr gemächlich. Nie eilen 3. In ruhig fliessender Bewegung 4. Urlicht – Sehr feierlich, aber schlicht. Nicht schleppen 5. Im Tempo des Scherzos. Wild herausfahrend – Wieder zurückhaltend – Langsam. Misterioso Konzertende: ca. 21.30 Uhr Das Konzert findet ohne Pause statt.
5
Giovanni Gabrieli (1557 – 1612) / Bruno Maderna (1920 – 1973): Canzone a tre cori (1972)
Mirga Gražinytė-Tyla im Gespräch
Jung. Weiblich. Stardirigentin.
6
von Michael Merz
Birmingham. Symphony Hall. Das Zuhause des City of Birmingham Symphony Orchestra. Aussen: wie die Stadt – inkonsequent unauffällig. Innen: ein akustischer Traum. Hier hatte Stardirigent Simon Rattle das Orchester an die Weltspitze geführt. Inzwischen leitet Mirga Gražinytė-Tyla das Orchester im vierten Jahr. Die erst 33-jährige Litauerin ist die erste Chefdirigentin eines ‹Majors›, jener wenigen Orchester von Weltrang. Vor einem Jahr hat sie einen Sohn geboren. Bei den Proben ist er oft dabei. Michael Merz: Frau Gražinytė-Tyla, eigentlich wollten Sie Chorleiterin werden. Was nicht erstaunt. Die Menschen in den baltischen Staaten singen ja nicht nur gerne, sie haben damit sogar Revolutionen ausgelöst. Mirga Gražinytė-Tyla: Singen kommt direkt aus dem Kern des Menschen. Singen Menschen zusammen, entwickeln sie eine unglaubliche Kraft. Die verbindet – und hat auch die Geschichte meines Landes verändert. Tausende Menschen haben sich in den Städten Litauens versammelt und gesungen. Bis es zur Revolution kam. Das tönt fast unmöglich. Es war sogar zwei Mal möglich. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts und 1998. Und: Wir haben damit beide Male die Unabhängigkeit erwirkt.
Vielleicht sollten wir dann nicht miteinander sprechen, sondern zusammen singen? Das wäre mit Sicherheit gescheiter, als über die Frauenfrage und über weibliche Dirigentinnen zu reden. Ich verspreche, dass wir jetzt nicht darüber sprechen. Viel lieber würde ich auf Sie und das Singen zurückkommen: Ihre Eltern sind beide Musiker. Ihr Vater ist Chorleiter, Ihre Mutter Pianistin. Ich war einen Monat alt, als mich meine Eltern aus der Kinderkrippe nahmen, weil ich dauernd weinte. Von da an bestand mein Alltag aus Chorproben, Reisen und Konzerten. Und das war gut so. Frühkindliche Erfahrungen sollen ja für das Gehirn die prägendsten sein. Auch deshalb nehme ich meinen Sohn mit auf Proben. Gerade haben wir das 1. Klavierkonzert von Schostakowitsch geübt. Als die Trompete zum ersten Mal einsetzte, jauchzte er vor Freude. Hat es gestört? Im Gegenteil: Unser Solo-Cellist meinte, dass mehr Kinder bei den Proben dabei sein müssten. Und wenn wir schon dauernd vom Singen reden: Was ist Jauchzen anderes als eine Vorstufe davon.
Bild: Peter Rigaud
INTERVIEW
7
8
Und damit wären wir wieder bei Ihnen, denn irgendwann hatten Sie den Wunsch, selbst Musik zu machen. So einfach war das nicht, denn Papa hat nicht nur meine besondere Begabung für Musik erkannt. Er hat es auch gesagt. Und da schrillten bei mir die Alarmglocken. Ich steckte in der Pubertät und wollte alles andere, als irgendwohin gelenkt zu werden. Kommt hinzu, dass Talent allein nicht reicht, um eine gute Musikerin zu werden. Man muss auch hart an sich arbeiten können. Es gibt bei dieser Arbeit tatsächlich viele schwere Momente, wenn man sich hohe Ziele gesteckt hat: Man wird an grossen Leistungen aus der Vergangenheit gemessen. Wenn ich zum Beispiel heute Strawinskys Feuervogel einstudiere, dann bedeutet das erst einmal harte Arbeit. Erst danach kann es jene selbstverständliche Leichtigkeit erreichen, die es braucht. Sie müssen frei werden. Das dauert. Es ist immer das Gleiche: Ich zweifle, ob mir dieses Freiwerden gelingt. Dann ist die Arbeit getan. Und plötzlich ist Leichtigkeit da.
«Und plötzlich ist Leichtigkeit da.» Gedauert hat auch Ihr Weg nach Birmingham. Da gibt es Jahre in Graz, den Bachelor im Dirigat von Chor und Orchester, und Zürich … ... das Studium bei Johannes Schlaefli. Der war – hatte ich mich einmal für das
Orchester entschieden – die logische Adresse. So kam ich nach Zürich. Was für eine Stadt! Der See – selbst an trüben Tagen bin ich da hin. Ich erinnere mich auch ganz genau, wie ich vor der Prüfung auf der grossen Wiese in der Sommersonne lag und die Partitur von Die Fledermaus von Johann Strauss studierte. Woran erinnern Sie sich sonst noch, wenn Sie an diese Zeit zurückdenken? An den Blick von Johannes Schlaefli. Es ist der eines Adlers. Und dass er uns junge Dirigenten machen lässt, sich während unserer Arbeit kaum einmischt. Wenn man mit einer Gruppe arbeitet, ist nichts tödlicher als jemand, der vor allen sagt: Das machst du falsch! Aber sein Urteil danach hat Kraft. Es ist genau und fair. Was ist davon geblieben? Die Anstrengung, die es braucht, damit aus diesem Zusammen dieser unglaubliche Freundschaftsgeist entsteht, der ein grosses Orchester ausmacht. Genau das Gleiche, was mich auch David Zinman in einem seiner Meisterkurse lehrte. Es war Zinman, der mir vor vielen Jahren sagte: «Wie kann man erwarten, dass Frauen dirigieren, wenn man sie nicht ans Pult lässt? Frauen müssen dirigieren. Nur so ändert sich etwas.» Damit ist eigentlich alles gesagt. Und doch: Wie schwierig ist es, wenn man als Frau anfängt?
Bild: Peter Rigaud
Wie war dies bei Ihrem ersten Dirigat? Als ich begann, dirigierte ich erst Chor und Orchester. Um richtig reinzugehen, hatte ich damals noch keinen Weg gefunden. Man wechselt. Probiert. Macht Erfahrungen. Das ist für Mann und Frau gleich. Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie ‹es› können? Und sagen Sie bitte nicht, dass es Ihnen noch heute nicht klar ist!
«Es gibt Momente, in denen ich denke: Ich könnte es tatsächlich schaffen.» Ist dieses ‹Schaffen› schwieriger, seit Sie Mutter sind?
Ich würde schätzen, genauso schwierig, wie wenn man als Mann anfängt. Wer auch immer vor einem Orchester steht, hat Schiss? Das wäre möglich ...
Ich habe glücklicherweise einen Musiker zum Mann. Es ist also eine gemeinsame Suche nach dem besten Weg. Verständnis kann man nur durch Kommunikation erreichen. Es gilt, die erlebten Dinge zu ordnen, zu verdauen und sie irgendwie mit der Gegenwelt, dem Mann, der Familie, zu vereinbaren. Sie denken weit voraus. Lassen Sie uns einmal annehmen, Sie seien nach vielen erfolgreichen Jahren eine etwas ältere Frau …
9
Doch. Jeden Morgen ist es mir nicht klar. Wobei es allerdings auch Momente gibt, in denen ich denke: Es könnte sein, dass ich es tatsächlich schaffe.
Die alte Frau Gražinytė? Ich hoffe schon, dass ich das einmal sein werde. Und dass ich dann die Verbindung zu dem, was ich ‹den Kern› nenne, immer noch besitze. Ich will nicht nur für den heutigen Tag arbeiten. Ich will langfristig bauen.
«Ich will langfristig bauen.» Dazu müssen Sie aber oft Nein sagen!
10
Ich sage tatsächlich oft Nein. Vor allem zu jenen Dingen, die einem guten Leben und einer seriösen Karriere nicht dienlich sind. Vor allem aber auf beruflicher Ebene. Was wollen Sie wirklich erreichen? Erreichen? Das ist für mich das falsche Wort. Aber gerne möchte ich glücklich sein. Was ist Glück für Sie? Manchmal, wie etwa bei einer Geburt, ist das Glück mit Schmerzen verbunden. Und wenn nicht mit Schmerzen, doch wohl mit Schwierigkeiten – und den Anstrengungen, die es braucht, um diese zu überwinden. Das Allerwichtigste aber scheint mir: Man muss den Draht zum eigenen Kern, zu dem, was unveränderlich ist, behalten. Sagen wir einmal: Sie haben hart gearbeitet, sich angestrengt. Der Abend ist vorüber. Sie legen den Taktstock zur Seite. Es hat sich gelohnt. Was ist das für ein Gefühl? An Gefühlen ist dann alles möglich. Das Schönste aber ist, wenn ich denke: Vielleicht sollte ich wirklich Dirigentin bleiben. g
Im Eilschritt an die Weltspitze Mirga Gražinytė-Tyla wurde 1986 in Litauen geboren. Nach Dirigierstudien in Graz und Zürich war sie Assistentin von Kurt Masur. Zwischenstationen in Heidelberg und Bern, dann Assistentin beim Los Angeles Philharmonic, dann 1. Gastdirigentin. Seit 2016 ist sie Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra. Das hier abgedruckte Gespräch erschien 2019 im Magazin des Sonntags Blick.
Giovanni Gabrieli / Bruno Maderna Canzone a tre cori
«Eine Musik, so alt wie die Wahrheit» von Angela Ida De Benedictis Übersetzung: Sophia Simon
Er ist ein aufmerksamer Kenner des musikalischen Werks früherer Epochen sowie seiner historisch-sozialen Entstehungsgeschichte und pflegt den Dialog mit dem Überlieferten durch kontinuierliches Überdenken von dessen Klang. Vielmehr als Interpret denn als Komponist hegt Maderna den Wunsch, die Meisterwerke der Vergangenheit in eine Gegenwart zu überführen, in der die Musik ohne Unterscheidung von Epochen oder Alter widerhallt: «Ich möchte die Musik unserer Alten möglichst in ihrer spirituellen Qualität wieder aufleben lassen, um zu zeigen, dass sie eben alles andere als alt ist; und dass sie, wenn überhaupt, so alt wie die Wahrheit selbst ist; dass also etwas Neues zu machen, nichts anderes ist, als das Alte zu machen – nur, dass man es besser macht.» Das Genre der musikalischen Bearbeitung bildet somit das Herzstück
Bruno Maderna
der gesamten künstlerischen Biografie Madernas. Es zieht sich durch sein gesamtes Schaffen, beginnend mit den ersten Orchestrierungen der Basadonna von Giovanni Legrenzi und der Sinfonie musicali von Tommaso Lodovico da Viadana bis hin zu den letzten Überarbeitungen von Werken der Vergangenheit, die in den Jahren vor seinem Tod vollendet wurden und aus denen L’Orfeo und L’incoronazione di Poppea von Monteverdi besonders hervorstechen. Bereits in seinen allerersten Bearbeitungen lassen sich bestimmte typische Elemente von Madernas Orchestrierungen herauskristallisieren, die in den bedeutenden Bearbeitungen seiner Reifephase zu einer bewundernswerten Synthese gelangen sollten. Man denke beispielsweise an die präzise Herausarbeitung der kontrapunktistischen Essenz; an die Verwendung von neuen melodischen Linien; an die Verflechtung der klanglichen mit der dynamischen Ebene, durch die die Form ‹herausgemeisselt› und für das Gehör völlig transparent gemacht wird; oder auch an das besondere Augenmerk, das er auf die räumliche Dimension der Musik legt, die durch das Wechselspiel ganzer Instrumentenfamilien (Chöre) oder einzelner, einander im Orchester gegenübergestellter und oft in ungewöhnlicher Weise angeordneter Instrumente charakterisiert ist. Exemplarisch ist in dieser Hinsicht die Canzone a tre cori (12 Stimmen), eine Orchestrierung der Canzone XVI aus der Sammlung Canzoni et Sonate von
11
«Ich habe immer gedacht», schreibt Maderna im Jahre 1973, kurz vor seinem Tod, «dass die Musik bereits existiert, dass sie immer existiert hat. Auch die, die ich schreibe. Es braucht nur den festen Glauben daran, und schon kann man sie um sich herum und in sich drinnen wahrnehmen, um sie dann in Form von Noten aufs Papier zu bringen.» Kein anderes Zitat könnte den Komponisten und Arrangeur Bruno Maderna, der in seiner Arbeit als Musikbearbeiter diese beiden Tätigkeiten untrennbar miteinander vereinte, treffender umschreiben.
Bild: Wikimedia Commons
ZUM WERK
Bild: Wikimedia Commons
12
Abb. 1.: Bruno Maderna, Canzone a tre cori (Erste Fassung: Canzon Ă 12); Stimme des Englischhorns; Manuskript (Paul Sacher Stiftung, Bruno Maderna Sammlung)
13
Abb. 2.: Seite von Giovanni Gabrieli, Dreichörige Kanzone (1615) zu zwölf Stimmen, hrsg. von H. Mönkemeyer, Heinrichshofen’s Verlag, Wilhelmshaven 1965, mit handschriftlichen Eintragungen von B. Maderna (Paul Sacher Stiftung, Bruno Maderna Sammlung)
Giovanni Gabrieli (1615) für grosse Besetzung. Auch wenn die Reinschrift (heute aufbewahrt in den Archiven des Verlags Ricordi in Mailand) das Datum 1972 trägt, muss die Orchestrierung von Maderna schon in den vorhergehenden Jahren besorgt worden sein, wie deren Verwendung im Hörspiel Ritratto di Erasmo (1969) bezeugt. In der Paul Sacher Stiftung sind drei Exemplare dieser früheren Bearbeitung verwahrt, die, unter Betonung auf die ‹Stimmen› und nicht auf die ‹Chöre›, mit Canzon à 12 bezeichnet ist (vgl. Abb 1.). Wie aus anderen in der Sammlung Maderna verwahrten Materialien hervorgeht, lehnt sich dieser erste Titel eng an den in der Druckfassung der Canzoni von Gabrieli vorhandenen an, die von Maderna verwendet wurde, um die Orchestrierung des Originals zu «überdenken» (vgl. Abb. 2.). So wie schon in anderen Bearbeitungen aus der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre (man denke an das Magnificat quarti toni nach Josquin Després aus dem Jahr 1967), hat auch in der Canzone eine bestimmte Raumauffassung der Musik besondere Relevanz; in diesem Fall verweist sie auf die majestätische Akustik des Markusdoms in Venedig, wo Gabrieli als Organist und Komponist tätig war. Durch die Verteilung der Klangfarben und der Register leben in Madernas Orchestrierung die Klangräume der Markus-Basilika im ‹presente d’ascolto›, der Klanggegenwart, förmlich wieder auf, und zwar dank der Anordnung des Klangkörpers und der gewählten Orchestrierung für eigenständige Instrumentalgruppen, die eine sich ständig verändernde Verarbeitung der musikalischen Motive erlaubt. g
Der 1. Satz knüpft an die 1. Sinfonie an: «Wir stehen am Sarge eines geliebten Menschen, unserem Helden aus der 1. Sinfonie. […] Warum hast du gelebt? Warum hast du gelitten? Ist das alles nur ein grosser, furchtbarer Spass?»
Der 2. Satz führt in eine völlig andere Welt: «Seliger Augenblick aus dem Leben des Toten, wehmütige Erinnerungen.»
Im 3. Satz zitiert Mahler die Melodie des von ihm verfassten Wunderhorn-Liedes Die Fischpredigt des Hl. Antonius von Padua (Der Heilige ist verärgert, dass
1
2
3
14
KURZ GEFASST Trotz seines ambivalenten Verhältnisses zu musikalischen Programmen verfasste Mahler zu seiner 2. Sinfonie Erklärungen. Sie geben zwar nicht den musikalischen Ablauf wieder, können aber bei der Annäherung an das Werk hilfreich sein.
Auch im 4. Satz greift Mahler auf einen Text aus Des Knaben Wunderhorn zurück: «Rührende Stimme des ‹naiven› Glaubens. Volksliedtext Urlicht.»
Im 5. Satz drängen sich die Fragen des ersten Satzes erneut auf: «Apokalyptische Visionen: der grosse Appell; schliesslich der Ausblick auf Erlösung.»
4
5
niemand seiner Predigt zuhören will und entschliesst sich daher, den Fischen zu predigen). «Die Welt erscheint ihm als sinnloses Treiben. Aufschrei der Verzweiflung.»
15
KURZPORTRÄTS
Christina Landshamer
16
Bild: Andreas Lander
MDR-Rundfunkchor
Der MDR-Rundfunkchor ist nicht nur der grösste und traditionsreichste Chor des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern gilt weltweit auch als eines der gefragtesten Ensembles seiner Art. Dirigenten wie Herbert von Karajan, Kurt Masur, Colin Davis, Claudio Abbado, Simon Rattle, Neville Marriner, Seiji Ozawa, Lorin Maazel, Bernard Haitink, Riccardo Muti, Georges Prêtre oder Roger Norrington haben dem MDR-Rundfunkchor ihre Reverenz erwiesen. Dass das Ensemble nicht nur exzellenter Partner der bedeutendsten Orchester ist, beweist es mit viel beachteten A-cappella-Interpretationen. Weltliche und geistliche Musik, Ensemblegesang sowie Chorsinfonik gehören gleichermassen zum Repertoire, das beinahe ein Jahrtausend Musikgeschichte umspannt. 2016 eröffnete der Chor mit dem Sinfonieorchester Basel die Reihe ‹Bruckner+› im Basler Münster. g (Einstudierung: Nicolas Fink)
Mit Christina Landshamer konnte das Sinfonieorchester Basel eine erfahrene Interpretin der Gesangspartien in Mahlers Sinfonien gewinnen. Die aus München stammende Sopranistin stand wiederholt mit dem Solopart in Mahlers 4. Sinfonie auf der Bühne, so zum Beispiel mit dem New York Philharmonic Orchestra unter Alan Gilbert oder dem Gewandhausorchester Leipzig unter Riccardo Chailly. In der Auferstehungssinfonie sang Landshamer unter anderem mit dem Konzerthausorchester Berlin und mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Hier beeindruckte sie durch ihren brillanten Klang sowie durch ihre schlicht gehaltene Interpretation. In der romantischen und spätromantischen Musik zeigt sich die Sopranistin nicht nur aufgrund ihrer Mahler-Interpretationen bewandert. An der Bayerischen Staatsoper München sang sie 2018 die Woglinde in Wagners Rheingold. Mit Christian Thielemann am Pult debütierte sie 2011 bei den Salzburger Festspielen in
Bild: Claudia Scheer van Erp
Bild: Marco Borggreve
Strauss’ Frau ohne Schatten und sang 2012 die Najade in Ariadne auf Naxos. 2016 gab sie an der Lyric Opera in Chicago die Sophie im Rosenkavalier. Für das Sinfonieorchester Basel ist die Sopranistin keine Unbekannte, da beide gemeinsam im letzten Jahr das Deutsche Requiem von Brahms mit dem MDR-Rundfunkchor unter Marek Janowski zur Aufführung brachten. g
Catriona Morison 17
Morisons reiche Mezzo-Stimme zeichnet sich aus durch ein dunkles und warmes Timbre sowie ein ausgeglichenes Vibrato. In den tiefen Lagen ist ihr Klang kräftig und resonanzreich. Besonders beeindrucken die intelligente Agogik und Klanggestaltung sowohl in barocken Arien als auch in Liedern und Opern des 19. und 20. Jahrhunderts sowie ihre Bühnenpräsenz und starke Ausstrahlung. Bei ihrem Debüt bei den BBC Proms 2019 als Konzertsängerin wurde ihre unprätentiöse und schlichte, aber gerade deshalb berührende Interpretation von Elgars Sea Pictures vielfach gelobt. Ab der Spielzeit 2016/17 war die Mezzo-Sopranistin ein Jahr lang festes Ensemblemitglied der Oper Wuppertal. Sie sang dort eine Vielzahl von Rollen, insbesondere aus Opern des 19. und 20. Jahrhunderts wie Nicklausse (Les contes d’Hoffmann), Maddalena (Rigoletto) oder Prinzessin Clarice (Die Liebe zu den drei Orangen). In der Aufführung von Massenets Werther an der Bergen
Nasjonale Opera 2019 sang Morison die Rolle der Charlotte und zeigte schauspielerisch deren Entwicklung mit bewundernswert feinen Schattierungen und einer grossen Vielfalt an Emotionen. Gastengagements führten sie an das Edinburgh International Festival, ans Theater Erfurt und an die Oper Köln. 2015 debütierte sie bei den Salzburger Festspielen in Richard Strauss’ Rosenkavalier. Am Banff Centre for Arts and Creativity in Canada sang sie die Dorabella aus Mozarts Così fan tutte. g
ZUM WERK Arnold Schönberg Friede auf Erden, op. 13
Von der angeblichen Illusion des Friedens
18
von Lukas Nussbaumer werden die seither bestrittenen Kriege beklagt, bevor in den Strophen 3 und 4 überzeitliche Moralvorstellungen und eine Vision einer friedlichen Zukunft entwickelt werden. Schönberg geht bei seiner Vertonung äusserst illustrativ vor – er selbst sprach dabei von einer «Congruenz von Dichtung und Musik». Zunächst zur Harmonik: Das Werk zeichnet sich durch mehrfaches Wechseln zwischen d-Moll und D-Dur aus, womit Schönberg die Unterscheidung zwischen Erdreich (d-Moll mit stellenweise modalem Charakter) und Himmelreich (D-Dur) an verschiedenen Textstellen symbolisiert. In der Regel werden diese zwei Sphären verbunden mit Krieg (Erde) und Frieden (Himmel), wobei Ersterer meist dissonant, Letzter meist konsonant umgesetzt wird. Schaut man in die Partitur, sind diese Teile relativ einfach durch die Häufigkeit der Als Gesangstext verwendete Schönberg Akzidenzien auszumachen. So wimmelt es im Mittelteil des Werks nur so von ein Gedicht des Zürcher Schriftstellers Versetzungszeichen – Schönberg Conrad Ferdinand Meyer. Dieser fühlte sich verbunden mit der frühen Friedens- nähert sich an der Stelle «O wie viele blut’ge Taten» sogar bereits der Zwölfbewegung, und so wurde sein Text tonreihe –, während im Schlussteil fast 1892 – sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung – von der späteren nur noch tonarteneigene Noten gesetzt Friedensnobelpreisträgerin Bertha von sind. Kontraste schafft Schönberg auch Suttner in ihrer Monatszeitschrift Die durch dynamische und satztechnische Diversität. Das dynamische Spektrum Waffen nieder! abgedruckt. Das Gedicht reicht von einem kaum noch vernehmumfasst vier Strophen, in denen eine zweitausendjährige Geschichte des baren «ppp» hin zu eindrücklichem Friedens auf der Erde erzählt wird – «fff», während der Satz von einfachwobei es eher ‹des Unfriedens› heissen homofonen bis hin zu komplex-polyfonen Passagen wechselt. Ein weiterer müsste, da von Frieden leider nicht allzu viel die Rede ist. Am Anfang steht wichtiger Parameter bildet die Rhythmik. Die friedlichen Passagen werden die Friedensverkündung der Engel bei der Geburt Jesu. In der 2. Strophe vorwiegend in halben Noten gesungen, Arnold Schönberg ist heute vor allem als Erfinder der Zwölftonmusik bekannt. Dass er auch anders konnte, beweist das 1906/07 entstandene Chorwerk Friede auf Erden, op. 13. Es ist eine der letzten tonalen Kompositionen Schönbergs, der darin die spätromantische Tonsprache noch einmal so richtig ausreizt. Wer nun aber meint, das Werk sei deshalb einfach aufzuführen, irrt sich gewaltig. Die 1908 vom Wiener Singverein unter Franz Schalk vorgesehene Uraufführung musste aufgrund zu grosser Schwierigkeiten der Intonation abgesagt werden. Erst 1911 gelang es Franz Schreker, die Komposition mit dem Philharmonischen Chor Wien zum ersten Mal zufriedenstellend erklingen zu lassen – notabene mit einer Besetzung von 200 Sängerinnen und Sängern sowie Orchesterbegleitung.
Bild: Wikimedia Commons
19
Arnold Schönberg: Blaues Selbstporträt (1910)
20
die kriegerischen meist in Vierteln oder Achteln. Grundsätzlich gilt: je mehr Schlachten, desto mehr Noten. In dieser Hinsicht erinnert die Kompositionsweise durchaus an barocke Werke – man denke etwa an Claudio Monteverdis Il combattimento di Tancredi e Chlorinda und das darin umgesetzte ‹genere rappresentativo›. Kontraste – so weit, so gut. Welche spezifisch tonalen Mittel aber kommen noch vor? Motiv-thematische Arbeit natürlich! Das Hauptmotiv, welches Siglind Bruhn treffend als «die wiegende Figur» bezeichnet, erklingt fast ausschliesslich an den titelgebenden Textstellen «Friede [auf der Erde]». Es handelt sich dabei um eine alterierende, in halben Noten gesungene Abwärtsbewegung in Terz- und Quint-Intervallen – in der ersten Verwendung am Ende der 1. Strophe kann man darin mit etwas Fantasie sogar das In-den-SchlafWiegen des neugeborenen Christus hören. Dieses Motiv wird an den friedlichen Textstellen immer wieder wiederholt, transponiert und als Krebsumkehrung vorgetragen – Letzteres womöglich als die symbolische Umkehrung der friedlichen Verhältnisse auf Erden. 1923 meinte Schönberg zu seiner Komposition in einem Brief, sie sei «[...] eine Illusion für gemischten Chor, eine Illusion, wie ich heute weiss, der ich 1906 [...] diese reine Harmonie unter Menschen für denkbar hielt. [...] Seither habe ich [...] gelernt, dass Friede auf Erden nur möglich ist unter schärfster Bewachung der Harmonie, mit einem Wort: nicht ohne Begleitung.» Zu bedenken gilt es, dass Schönberg in der Zwischenzeit Zeitzeuge des Ersten Weltkriegs geworden war und alleine dadurch sein pazifistischer Optimismus arg geschrumpft sein dürfte. Heute können wir aber wieder zuversicht-
licher in die Zukunft schauen: Die Aufführung des Chorwerks gelingt nämlich mittlerweile a cappella. Nehmen wir dies doch als gutes Omen dafür, dass uns diese Harmonie ‹ohne schärfste Bewachung› auch im gesellschaftlichen Zusammenleben gelingen kann. Obwohl Friede auf Erden nur knappe zehn Minuten dauert, weist es eine enorme Fülle an Gegensätzen und eine zuweilen beinahe erdrückende Intensität auf. In dieser Hinsicht ist es an musikalischer Dichte nur schwer zu überbieten und demnach auch nicht ganz ohne Anstrengung erfahrbar. Dieser Aufwand wird aber zum Ende mehr als belohnt: Freuen Sie sich auf eine eindrückliche Auflösung der chromatischen Kadenz in Form eines himmlisch-friedlichen Schlussklangs! g
Friede auf Erden, op. 13 Besetzung Chor (Sopran, Alt, Tenor, Bass) Entstehung 1906/07 Uraufführung 1911 in Wien durch den Philharmonischen Chor Dauer ca. 10 Minuten
Zuhause in Basel. Daheim in der Welt. F E n td Ăź r ec baz.c ker: h
21
Ab sofort im Abo: die ganze digitale Welt der BaZ.
ZUM WERK Gustav Mahler Sinfonie Nr. 2 c-Moll, Auferstehungssinfonie
Totenfeier, wirres Getriebe und ein Himmels-Chor
22
von Jürgen Ostmann
Diese inhaltlichen Hintergründe seiner Sinfonik teilte er seinen Hörern nicht immer mit, im Fall der 2. jedoch in Programmnotizen für einzelne Aufführungen sowie in Briefen. Ganz verheimlichen konnte er sie ohnehin nicht, da das Werk im 4. und 5. Satz Vokalpartien, und damit Text enthält. Zudem wollte Mahler fehlgeleitete Spekulationen vermeiden und dem Publikum den Zugang zu seinen recht neuartigen Klängen erleichtern. «Der Mensch muss eben an etwas Bekanntes anknüpfen, sonst verliert er sich», schrieb er an Marschalk. Verbunden mit dem ‹Inhalt› der Zweiten ist ihre ungewöhnlich lange Entstehungsgeschichte. Sie begann 1887, also noch vor Vollendung der Ersten. Der Kopfsatz des neuen Werks lag im Oktober 1888, als Mahler die Leitung der Budapester Oper übernahm, fertig vor. Doch dann liessen ihm seine Diese Stelle aus einem Brief, den Gustav Verpflichtungen als Dirigent – bis März 1891 in Budapest, danach in Hamburg Mahler im März 1896 an den Kritiker – kaum noch Zeit zum Komponieren. Max Marschalk schrieb, bringt die Den ersten Satz betrachtete Mahler zwiespältige, ja widersprüchliche Einstellung des Komponisten zum deshalb zeitweise als abgeschlossenes Konzept der ‹Programmmusik› auf Werk, und er bot ihn sogar einem Verlag an – als Sinfonische Dichtung unter den Punkt. Einerseits empfand er es dem Titel «Totenfeier». Die Arbeit an als sinnlos, Aussermusikalisches mit musikalischen Mitteln nacherzählen zu der Sinfonie nahm er erst im Sommer wollen. Andererseits war er literarisch 1893 wieder auf. Nun entstanden in sehr gebildet, beschäftigte sich zeitkurzer Zeit Scherzo und Andante; für das Finale allerdings, das nach dem Vorbild lebens mit existenziellen Themen wie von Beethovens Neunter einen Chor dem Sinn des Daseins, dem Tod, der enthalten sollte, suchte er noch einen Liebe und zog aus diesem geistigen Erleben seine musikalischen Ideen. geeigneten Text. Mahler fand ihn, als er
«Ich weiss für mich, dass ich, solange ich mein Erlebnis in Worten zusammenfassen kann, gewiss keine Musik hierüber machen würde. Mein Bedürfnis, mich musikalisch-sinfonisch auszusprechen, beginnt erst da, wo die dunkeln Empfindungen walten, an der Pforte, die in die ‹andere Welt› hineinführt; die Welt, in der die Dinge nicht mehr durch Zeit und Ort auseinanderfallen. – Ebenso, wie ich es als Plattheit empfinde, zu einem Programm Musik zu erfinden, so sehe ich es als unbefriedigend und unfruchtbar an, zu einem Musikwerk ein Programm geben zu wollen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Veranlassung zu einem musikalischen Gebilde gewiss ein Erlebnis des Autors ist, also ein Tatsächliches, welches noch immer konkret genug wäre, um in Worte gekleidet werden zu können.»
Bild: Ă–sterreichische Nationalbibliothek, Wien
23
Alma und Gustav Mahler am Basler Rheinsprung (1903)
24
im März 1894 an einer Trauerfeier für den Dirigenten Hans von Bülow teilnahm. Dabei sang ein Knabenchor eine Vertonung von Friedrich Gottlieb Klopstocks Gedicht Die Auferstehung. Mahler begann noch am gleichen Tag mit seinem Chorfinale. Jetzt fehlte nur noch ein Übergang zwischen Scherzo und Finale. Mahler entschied sich für das Wunderhorn-Lied Urlicht, das er ebenfalls im ertragreichen Sommer 1893 komponiert hatte. «Ich habe den ersten Satz ‹Totenfeier› genannt», heisst es im Brief an Marschalk, «und wenn Sie es wissen wollen, so ist es der Held meiner D-Dur-Sinfonie [Nr. 1], den ich da zu Grabe trage.» Schwere Fragen werden im Kopfsatz erörtert: «Warum hast du gelebt? Warum hast du gelitten? Ist alles nur ein grosser, furchtbarer Spass?» Die Musik hat insgesamt den Charakter eines Trauermarschs, doch innerhalb dieses Rahmens reicht das Ausdrucksspektrum von den zerklüfteten, ruppigen Bass-Fragmenten zu Beginn und dem daraus entwickelten Hauptthema (zuerst in Oboe und Englischhorn) über eine tröstliche Geigenmelodie, die das ‹Auferstehungs›-Thema des Finales vorwegnimmt, bis zum feierlichen Choral mit Anklängen an das ‹Dies irae› der gregorianischen Totenmesse – auch dieser Gedanke wird im Schlusssatz weiter ausgeführt. Seine Themen organisierte Mahler nach dem traditionellen Modell des Sonatenhauptsatzes, doch er behandelte es so frei, dass über die Abgrenzung der Formteile unter den Kommentatoren keine Einigkeit herrscht. Auf das Drama des 1. Satzes sollte nach Mahlers Vorstellungen eine «Pause von mindestens fünf Minuten» folgen – sie wird allerdings in der Praxis so gut wie nie eingehalten.
Die drei folgenden Sätze stellte sich der Komponist als «Intermezzi», als Zwischenspiele vor: «Der zweite Satz, eine Erinnerung! Ein Sonnenblick, rein und ungetrübt, aus dem Leben dieses Helden.» Nun ja, vielleicht nicht völlig ungetrübt: Denn die ruhige Anmut eines Ländlers im graziösen Dreiachteltakt scheint zunächst kurz, dann noch einmal länger durch unruhigere Triolenbewegung und Mollharmonien gefährdet. Doch letztlich setzen sich die sanften Ländlerklänge immer wieder durch. Das Verhältnis der beiden ersten Sätze zueinander – es begründete vermutlich Mahlers Forderung nach einer überlangen Satzpause – sah der Komponist später kritisch. Seine Vertraute, die Bratscherin Natalie Bauer-Lechner, zeichnete dazu die folgende Bemerkung Mahlers auf: «Ein Fehler, den die c-Moll-Sinfonie hat, ist der zu scharfe (unkünstlerische) Gegensatz, den das Andante mit seinem heiteren Tanzrhythmus zum ersten Satz bildet. Das kommt daher, dass ich beide Sätze unabhängig voneinander und ohne den Gedanken, den einen an den anderen zu fügen, entwarf.» Der Idylle des 2. Satzes stellte Mahler im 3. eine Groteske gegenüber. Dieses Scherzo ist eine erweiterte, aber textlose Fassung des etwa gleichzeitig entstandenen Wunderhorn-Lieds Des Antonius von Padua Fischpredigt. Bereits 1888 hatte Mahler mit der Vertonung von 9 Gedichten aus der Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn begonnen, und zwischen 1892 und 1901 folgten weitere 15 Lieder, sowohl mit Klavier- als auch mit Orchesterbegleitung. Die Sinfonien Nr. 2, 3 und 4, die er in der gleichen Zeitspanne schrieb, enthalten so viel Material aus den Liedkompositionen, dass sie zu Recht
25
‹Wunderhorn-Sinfonien› genannt Umfang von etwa vierzig Minuten werden – so wie man umgekehrt die ausdehnt. Schon in der Einleitung (und Orchesterlieder als sinfonische Miniaspäter mit gesteigerter Wirkung) ist die turen bezeichnen kann. Sein Lied über «Stimme des Rufers» zu hören, von den die Fischversammlung, die, «da die Hörnern aus der Ferne gespielt. Bald Predigt aus ist, nach allen Seiten davon darauf formt Mahler aus dem bereits im schwimmt [...] und nicht um ein Jota Kopfsatz zitierten ‹Dies irae›-Motiv das klüger geworden ist, obwohl der Heilige Hauptthema des Finales; es steht für den ihnen aufgespielt hat», verstand Mahler Jüngsten Tag. Gegen Ende singt der als «Satire auf das Menschenvolk». Chor leise die erwähnte Klopstock-Ode Dagegen ist in der rein instrumentalen Die Auferstehung, die Mahler allerdings Fassung der Sinfonie «das wirre Leben» entscheidend abwandelte. Der gesamte dargestellt, «dieses unaufhörlich zweite Teil des Texts, ab dem Alt-Solo bewegte, nie ruhende, nie verständliche «O glaube, mein Herz», stammt von ihm Getriebe des Lebens». Vom unschuldig selbst. In einer grandiosen Steigerung, scheinenden Beginn steigert sich der unter Aufbietung aller vokalen und Satz bis zum «Aufschrei der Verzweifinstrumentalen Kräfte, feiert das lung» am Ende. Sinfonie-Finale nun den Triumph der Einen Ruhepol zwischen dem Auferstehung. Das Publikum der Scherzo und dem stürmischen Finale Uraufführung am 13. Dezember 1895 bildet der knapp gehaltene choralartige in Berlin war, so erinnerte sich Mahlers 4. Satz. Während Mahler seine FischAssistent Bruno Walter, davon so predigt für die Sinfonie stark bearbeitet überwältigt, «dass man von diesem Tag hatte, übernahm er hier das Wunderan seinen Aufstieg als Komponist horn-Lied Urlicht unverändert, also mit datieren kann». g Gesangsstimme. «Die rührende Stimme des naiven Glaubens dringt an unser Auferstehungssinfonie Ohr», merkte er dazu an. Der 5. Satz beginnt allerdings erneut Besetzung mit dem «Aufschrei der Verzweiflung» Sopran- und Alt-Solo, gemischter Chor, aus dem Scherzo. «Wir stehen wieder vor 4 Flöten (alle auch Piccolo), 4 Oboen, allen furchtbaren Fragen – und der 5 Klarinetten, 4 Fagotte, 6 Hörner, Stimmung am Ende des ersten Satzes. 6 Trompeten, 4 Posaunen, Tuba, Es ertönt die Stimme des Rufers: Das Orgel, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Ende alles Lebendigen ist gekommen, Streicher und Fernorchester das jüngste Gericht kündigt sich an, und der ganze Schrecken des Tages aller Entstehung Tage ist hereingebrochen. [...] Leise 1888 – 1894 erklingt ein Chor der Heiligen und Himmlischen: ‹Auferstehen, ja auferUraufführung steh’n wirst du.› Da erscheint die Am 13. Dezember 1895 in Berlin unter Herrlichkeit Gottes! Ein wundervolles, der Leitung des Komponisten mildes Licht durchdringt uns bis an das Herz – alles ist stille und selig!» Mahler Dauer gestaltet den Satz in einer komplexen ca. 80 Minuten Form, die sich auf den monumentalen
bis 24.05.20 kunstmuseumbasel.ch
Alexej von Jawlensky Abstrakter Kopf: Mysterium, 1925, Stiftung Im Obersteg, Depositum im Kunstmuseum Basel
GESANGSTEXTE Auferstehungssinfonie
4. Satz: Urlicht (frei nach Des Knaben Wunderhorn*)
O Röschen roth! Der Mensch liegt in grösster Noth! Der Mensch liegt in grösster Pein! Je lieber möcht’ ich im Himmel sein, je lieber möcht’ ich im Himmel sein! Da kam ich auf einen breiten Weg; da kam ein Engelein und wollt’ mich abweisen. Ach nein! Ich liess mich nicht abweisen! Ach nein! Ich liess mich nicht abweisen: Ich bin von Gott und will wieder zu Gott! Der liebe Gott, der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben, wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben!
(frei nach Friedrich Gottlieb Klopstock**)
Sopran-Solo und Chor Aufersteh’n, ja aufersteh’n wirst du, mein Staub, nach kurzer Ruh’! Unsterblich’ Leben! Unsterblich’ Leben wird der dich rief, dich rief, dir geben! Wieder aufzublüh’n, wirst du gesä’t! Wieder aufzublüh’n, wirst du gesä’t! Der Herr der Ernte, der Herr der Ernte geht und sammelt Garben uns ein, die starben! Alt-Solo O glaube! Mein Herz, o glaube: Es geht dir nichts verloren! Dein ist, Dein ja Dein, was du gesehnt! Dein, was du geliebt, was du gestritten! Sopran-Solo O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren! Hast nicht umsonst gelebt, gelitten!
Alt-Solo und Sopran-Solo O Schmerz! Du Alldurchdringer! Dir bin ich entrungen! O Tod! Du Allbezwinger! Nun bist du bezwungen! Mit Flügeln, die ich mir errungen, in heissem Liebesstreben werd’ ich entschweben zum Licht, zu dem kein Aug’ gedrungen! Chor Mit Flügeln, die ich mir errungen, werde ich entschweben! Mit Flügeln, die ich mir errungen, werde ich entschweben! (noch mehrmals wiederholt)
Sterben werd’ ich, um zu leben! Sterben werd’ ich, um zu leben!
Aufersteh’n, ja aufersteh’n wirst du, mein Herz, in einem Nu! Was du geschlagen, was du geschlagen, zu Gott, zu Gott, zu Gott wird es dich tragen! *Des Knaben Wunderhorn, Alte deutsche Lieder gesammelt von Ludwig Achim von Arnim und Clemens Brentano, Heidelberg 1806 ff. **Friedrich Gottlieb Klopstock, Geistliche Lieder. Erster Theil, Kopenhagen / Leipzig 1758
27
5. Satz: Aufersteh’n
Alt-Solo und Chor Was entstanden ist, das muss vergehen! Was vergangen, auferstehen! Hör’ auf zu beben! Hör’ auf zu beben! Bereite dich! Bereite dich zu leben!
ORTSGESCHICHTEN Teil 7
Dicker Doge im Dom
28
von Sigfried Schibli Untrennbar ist die Musik von Giovanni Gabrieli und seinem Onkel Andrea Gabrieli mit Venedig verbunden. Venedig war die Stadt, in welcher Giovanni Gabrieli geboren wurde und auch starb. Später hatten Antonio Vivaldi und andere Barockmeister ihre Wirkungsstätte in Venedig, wo es zeitweise nicht weniger als zwanzig Opernhäuser gab. Im späten 16. Jahrhundert befand sich der Stadtstaat auf der Höhe seiner wirtschaftlichen Macht, wovon nicht zuletzt die Kunst profitierte – auch die Kirchenmusik, die mit den Namen Monteverdi, de Rore, Willaert und Gabrieli verbunden ist. Der junge Giovanni Gabrieli hatte bei Orlando di Lasso in München studiert und trat am Ende seiner Lehrund Wanderjahre 1585 sein Amt als Organist an San Marco zu Venedig an. Zu seinen Aufgaben gehörte es, den Kirchen- und Staatsfesten mit Prachtkompositionen einheimischer Meister ein festliches Gepräge zu verleihen. Mit dieser Kirche eng verbunden ist die Praxis des ‹mehrchörigen› Musizierens; man spricht daher auch von der ‹venezianischen Mehrchörigkeit›. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Musik nicht wie in einem klassischen Konzertsaal von einem einzigen Ort (zum Beispiel von der Bühne) ausgeht, sondern gleichzeitig von mehreren Orten in der Kirche. Die Zahl der Musikergruppen konnte sich von zwei bis zu acht Chören bewegen, wobei diese vokal oder instrumental besetzt sein konnten. Das ermöglichte ein dialogisches Musizieren und ein stereo- oder quadrofones Musikhören.
Diese Musikpraxis in getrennten Aufstellungen wurde durch die ‹byzantinische› Architektur des Markusdoms begünstigt. Als im Jahr 1529 Jacopo Sansovino als oberster Baumeister an San Marco eingesetzt wurde, ergab sich die Chance zu einer noch nie dagewesenen Interaktion zwischen Architektur und Musik. Die Idee der Kirchenmusiker, den Klangkörper in ‹Cori spezzati› aufzuteilen, war die musikalische Entsprechung zu Sansovinos neuartigem Raumkonzept. Aber da gibt es noch die seltsame Rolle des Zufalls, oder genauer gesagt des Körperumfangs des Dogen. Der Doge Andrea Gritti (1455–1538) hatte eine bedeutende militärische und diplomatische Karriere hinter sich, als er 1523 zum Dogen von Venedig ernannt wurde. Im Markusdom hatte er seinen angestammten Platz auf der Kanzel, von welcher aus er am Hochamt teilzunehmen pflegte. Doch seine zunehmende Leibesfülle – heute spräche man wohl von Adipositas – machte es ihm unmöglich, die Kanzel zu besteigen. Daher wurde der Dogenthron 1530 in die Apsis der Kirche verlegt. Wenige Jahre später wurden der südliche und der nördliche Balkon angebaut. Die Folge war, dass die Sänger und Instrumentalisten neu positioniert wurden. Alles war jetzt auf die Zentralfigur des Dogen ausgerichtet, was die Entfaltung der Mehrchörigkeit zumindest unterstützte. In gewissem Sinn hat der Markusdom also die mehrchörigen Werke von Andrea und Giovanni Gabrieli mitkomponiert; zumindest hat die bis aufs 11. Jahrhundert zurückgehende und 1530
Bild: Wikimedia Commons
29
Porträt des Dogen Andrea Gritti von Vincenzo Catena (zwischen 1523 und 1531)
modifizierte Architektur der Basilika wird die Frage nie beantworten können, die Musikschöpfer zu ihren innovativen ob die beiden Gabrielis und ihre mehrchörigen Kompositionen angeregt. Komponistenschule, zu der auch der Bis 1807 diente die ‹Chiesa d’oro›, wie Deutsche Heinrich Schütz zählte, genaudie Basilika auch genannt wird, dem so ‹mehrchörig› komponiert hätten, Dogen von Venedig als Kapelle; erst wenn sie den Markusdom von Venedig dann wurde sie zum Sitz des Erzbischofs nicht gekannt hätten. Nie aber ervon Venedig und zur Kathedrale der scheint einem das Goethe-Wort, Stadt. Heute ist sie eine HauptattraktiArchitektur sei «gefrorene Musik», so on der an Sehenswürdigkeiten reichen einleuchtend wie hier. g norditalienischen Stadt. Die Motivation von Musikschöpfern – warum komponieren sie so und nicht anders? – gehört zu den grössten Geheimnissen der Kreativität. Man
IMPRESSIONEN Das Sinfonieorchester Basel auf Prometheus-Tournee
«Grandios von Lars Vogt und dem Orchester gespielt!»
30
Badische Zeitung
«Das Orchester musiziert erstklassig.» Süddeutsche Zeitung
«Der impulsive Chef am Pult, Ivor Bolton, animiert als Vollblutmusiker». Volksblatt Liechtenstein
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
«Wie gewohnt modellierte Bolton einen plastischen Klang, liess den solistischen Holzbläsern an Flöte und Oboe Raum, sich wunderbar zu entfalten.» Münchner Merkur
31
«Das Publikum feierte mit grossem Applaus».
FREUNDE SINFONIEORCHESTER BASEL
Mit Freundinnen und Freunden ist Musik noch schöner
Manchen Institutionen bleibt man ein Leben lang verbunden. Etwa dem Zolli, dem Joggeli und dem FCB oder eben dem Sinfonieorchester Basel. Das Orchester ist das Flaggschiff der Musikstadt Basel – und das bereits seit einer sehr langen Zeit. Um dieses Erbe zu bewahren, haben Musikbegeisterte aus Stadt und Region den Verein ‹Freunde Sinfonieorchester Basel›
gegründet. Der Verein unterstützt ausgesuchte Formate wie ‹Ivor & Friends› oder die Münsterkonzerte in der Museumsnacht. Zudem ermöglicht er seinen Mitgliedern im Rahmen von ausgesuchten Anlässen interessante Begegnungen mit Musikerinnen und Musikern. Sie möchten mehr über die ‹Freunde Sinfonieorchester Basel› erfahren? Präsident Raphael Blechschmidt freut sich über Ihre Kontaktaufnahme unter freunde@sinfonieorchesterbasel.ch oder T. 061 271 25 26.
Raphael Blechschmidt im Gespräch mit Hans-Georg Hofmann beim Konzert ‹Ivor & Friends› am 5. Februar 2020 im Musical Theater Basel
& achenreis m t i M k ndes Freu rössern! verg
Bild: Benno Hunziker
32
Der Verein ‹Freunde Sinfonieorchester Basel› unterstützt das künstlerische Programm, die Realisierung ausgesuchter Konzertformate wie ‹Ivor & Friends› und bietet seinen Mitgliedern zahlreiche Extras rund ums Orchester.
«Sophia Burgos bestätigt ihren exzellenten Ruf.»
★★★★★ ioco
33
«Appl ist ein Bariton der Sonderklasse.»
★★★★ Online Merker
N MIT DE
SE L T A BE S NELG SO , LE MICH E TO RID TICKET ERDAY & YEST
www.sinfonieorchesterbasel.ch
Die neue Einspielung des Sinfonieorchesters Basel. Ab sofort bei Bider & Tanner erhältlich.
Überzeugend. In jeder Rolle. Mit seinem markanten Gesicht ist der neue GLB gleichzeitig der vielseitigste Kompakt-SUV, den Mercedes-Benz je gebaut hat. Durch seinen unbändigen Charme, individuellen Komfort und vorausschauende Technologie erlebt man ihn tagtäglich in seiner Paraderolle.
Kestenholz Automobil AG 4052 Basel, St. Jakobs-Strasse 399, Telefon 061 377 93 77 4133 Pratteln, Güterstrasse 90, Telefon 061 827 22 22 4104 Oberwil, Mühlemattstrasse 17, Telefon 061 406 44 44 www.kestenholzgruppe.com MER1682_Anz_Sinfonieorchester_GLB_Golden Hollywood_150x220_250220.indd 1
25.02.20 09:32
Bild: Bettina Flitner
KOLUMNE
Texte und Töne 7 von Elke Heidenreich
35
Gustav Mahler soll mal gesagt haben, «aber sie wird die der Glückseligkeit der Held, der zu Beginn der 2. Sinfonie näherbringen, die auf diesem Wege zu Grabe getragen würde, sei genau der, gehen.» der am Ende der 1. Sinfonie stirbt. Und Das ist die Antwort auf den Sinn der gab es da noch die Siegesfanfaren im ‹schönen Stellen›, der schönen Kunst ruhmreichen Tod, so ist hier Stille, überhaupt: Glück. Ruhe, der Frieden. ‹Totenfeier› nannte Arnold Schönberg hatte es, nachdem Mahler den 1. Satz dieser 2. Sinfonie, er auf die Idee mit der Zwölftonmusik und es dauerte lange, bis die anderen gekommen war, nicht mehr so mit den Sätze dazukamen. Insgesamt schrieb ‹schönen Stellen› … er wollte unbedingt Mahler rund sechs Jahre an diesem revolutionär sein, die alte Romantik sei Werk, von 1888 bis 1894, und dann tot, er sei jetzt die neue – aber immermuss es gleich ein gigantischer Erfolg hin doch: Romantik. Friede auf Erden gewesen sein – der Mahler-Biograf heisst sein Chorwerk, 1911 unter Jens Malte Fischer erzählt von weinenLeitung des Komponisten Frank den Männern unter den Zuhörern und Schreker in Wien uraufgeführt und von jungen Leuten, die sich tränenüber- Schönbergs letztes tonales Werk. Für strömt in die Arme fielen. Glücklich der ein Preisausschreiben soll es kompoUmstand, dass das Konzert schlecht niert worden sein, und zugrunde liegt verkauft war und man viele Karten an ihm ein Weihnachtsgedicht von Conrad Studenten des Konservatoriums und an Ferdinand Meyer (bei dem schon junge Musiker verschenkt hatte, um Konstantin Wecker sein Genug ist nicht den Saal voll zu kriegen: Hier sass kein genug! geklaut hatte). Meyers Gedicht Wiener Abonnementspublikum, das handelt vom Frieden (des Glaubens) sich mit Neuem immer erst mal schwer- und vom Krieg: tat, hier sassen Kenner, die erkannten, was sie da Grossartiges hörten. Brahms «Etwas wie Gerechtigkeit hat Mahler wegen dieser 2. Sinfonie webt und wirkt in Mord und Grauen, sogar als «König der Revolutionäre» und ein Reich will sich erbauen, bezeichnet. Nur Adorno, der ewige das den Frieden sucht auf Erden.» Mäkler, aber doch Mahlerianer, Adorno fand den 1. Satz zu redselig, kam aber Man muss vielleicht, hatte Schönberg dann nicht umhin, dem Pianissimo des gesagt, religiös sein, wenn man Chors «Aufersteh’n, ja, aufersteh’n» Kirchenmusik, und verliebt, wenn man eine suggestive Kraft zuzugestehen. Liebeslieder schreibt, aber es wäre doch Ach, Adorno. Der nie wollte, dass wir «gewiss möglich, eine Friedenshymne ‹schöne Stellen› lieben … tun wir aber zu komponieren, ohne dass man an den doch. Weil wir Schönheit brauchen. ewigen Frieden glaubt.» g «Die Schönheit wird die Welt nicht erretten», schreibt der rumänische Philosoph Emile M. Cioran in seinem Buch Auf den Gipfeln der Verzweiflung,
IN ENGLISH
Resurrection
36
by Bart de Vries For the penultimate concert in the Basler Münster, before the return to the Stadtcasino, the SOB honors the Italian composer Bruno Maderna (1920–1973) for the second time this season. On the programm is his transcription for orchestra of Gabrieli’s Canzone a tre cori. The concert will take place, appropriately, just one day after Maderna’s hundredth birthday. The original piece by Gabrieli (born between 1554 and 1557, died in 1612) was a song for three choirs, making it a fitting appetizer for the remainder of the concert. The main course, Mahler’s second symphony, features a choir in the last movement and Arnold Schönberg’s Friede auf Erde (Peace on Earth), the entremets if you wish, is a composition for a cappella choir based on the Swiss poet Conrad Ferdinand Meyer’s eponymous poem. The concert more or less coincides with Easter when the Christian world celebrates the resurrection of Jesus. Resurrection (or ‹Auferstehung›) is also the title of Mahler’s second symphony. The name refers mostly to the approximately 35-minute long last movement, in which the Last Judgement is announced. The graves open up, the earth shakes, people – rich and poor – arise without any discrimination, and finally we hear a beautiful fifth in the horns echoed by a second group of horns (reminding us of the tattoo that marks the end of the day or in this case perhaps the end of time), until from out of nowhere the bird-like flute and piccolo introduce the choir that sings: «Auferstehen». Four other movements precede the final movement. The first movement, composed in 1888, was originally a stand-alone ‹Totenfeier› or funeral ceremony, which leads the listener to
inevitably reflect on matters of life and death. The atmosphere in the second movement forms the antithesis to the first: using the rhythm and melody of a simple dance tune (a ‹Ländler›), the composer depicts an utterly optimistic moment in the deceased’s life, when death seems to be non-existent. The third movement captures the gloomy notion of life being hollow and inconsequential, after which in the fourth movement – a hauntingly beautiful and meditative song for alto and orchestra from the Wunderhorn cycle – a lonely naïve soul dreams of how God gives her a little light that will lead her back to the blessed eternal life. In his symphony Mahler (1860– 1911) addresses some of the major questions of life. Their sheer extent and impact is reflected in the large number of musicians involved, including several offstage. By introducing a choir and soloists, Mahler’s second symphony was evidently inspired by Beethoven’s revolutionary ninth, the first symphony that incorporated vocal elements. Although we don’t know of any link between Schönberg’s piece and Beethoven’s ninth symphony, both composers were groundbreaking in their days, and Peace on Earth and the Ode to Joy (‹Alle Menschen werden Brüder›) seem to be messages in the same vein. And so, again in this concert, we come back to Beethoven, the composer who loomed large over following generations of composers and whose 250th birthday we celebrate this year. However, in this concert we are commemorating Bruno Maderna in the first place. g
Bild: Lorenzo Gato
Bild: Marco Borggreve
IM FOKUS
Promenade: Picknickkonzert: ‹A primo ad extremum› ‹Passion› Wenn die Tage milder werden, beginnt wieder die Zeit der Picknickkonzerte im Museum der Kulturen Basel. Passend zum Wonnemonat Mai präsentieren der Teufelsgeiger Andrés Gabetta, der Bandeonist Mario Stefano Pietrodarchi sowie Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel ein leidenschaftliches Programm mit Werken von Haydn und Piazzolla – ein ideales Ambiente für den sonntäglichen Picknickausflug mit der ganzen Familie.
Belcea Quartet
So, 3. Mai 2020 11.00 Uhr
Ludwig van Beethoven: Streichquartett Nr. 2 G-Dur, op. 18/2 Streichquartett Nr. 14 cis-Moll, op. 131
So, 26. April 2020 11.00 Uhr GARE DU NORD
(nur bei schönem Wetter)
MUSEUM DER KULTUREN BASEL
37
Beethovens erste Streichquartette stehen noch ganz in der Tradition der grossen Vorbilder Haydn und Mozart, der Finalsatz des G-Dur-Quartetts op. 18/2 ist eine direkte ‹Hommage à Haydn›. In der Reihe der späten Quartette nimmt das cis-Moll-Quartett op. 131 eine Sonderrolle ein. Beethoven lässt das klassische Formschema weit hinter sich und verbindet die sieben Sätze des Werks zu einem grossen Ganzen.
DEMNÄCHST DO 02.04.20 Concert & Cinema: ‹Casino Royale› 19.30 Sinfonieorchester Basel, Kevin Griffiths
MUSICAL THEATER BASEL
SO 05.04.20 Spezialkonzert: ‹Swiss made› 11.00 Werke von Calame, Holliger, Honegger und Martin Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Solistinnen und Solisten des Opernensembles des Theater Basel, Stephen Delaney
THEATER BASEL
FR 10.04.20 17.00
Karfreitagskonzert mit dem Basler Gesangsverein MARTINSKIRCHE Werke von Haydn und Beethoven
DO 16.04.20 Cocktailkonzert: ‹Schubertiade 2› Werke von Schubert 18.00 & Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, 20.00 Hans-Georg Hofmann
38
MI 22.04.20 19.30
A7 Sinfoniekonzert: ‹Auferstehung› BASLER MÜNSTER Werke von Gabrieli/Maderna, Schönberg und Mahler Sinfonieorchester Basel, Christina Landshamer, Catriona Morison, MDR-Rundfunkchor, Mirga Gražinytė-Tyla
SO 26.04.20 Promenade: ‹A primo ad extremum› Werke von Beethoven | Belcea Quartet 11.00 SO 03.05.20 11.00
VVK
GRAND HOTEL LES TROIS ROIS
Picknickkonzert: ‹Passion› Werke von Haydn und Piazzolla Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Andrés Gabetta, Mario Stefano Pietrodarchi
Vorverkauf (falls nicht anders angegeben): Kulturhaus Bider & Tanner Aeschenvorstadt 2 4010 Basel 061 206 99 96 Detaillierte Informationen und Online-Verkauf: www.sinfonieorchesterbasel.ch
IMPRESSUM Sinfonieorchester Basel Steinenberg 19 4051 Basel +41 (0)61 205 00 95 info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch Möchten Sie das Programm-Magazin abbestellen? Schreiben Sie eine E-Mail an marketing@sinfonieorchesterbasel.ch
GARE DU NORD MUSEUM DER KULTUREN BASEL
Partner:
Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat Künstlerischer Direktor: Hans-Georg Hofmann Konzeption und Redaktion Programm-Magazin: Frank Engelhaupt Korrektorat: Ulrich Hechtfischer
Gestaltung: eyeloveyou.ch, Basel Druck: Steudler Press AG Auflage: 5100 Exemplare
Erfreuliches wiederholt: In zwei Jahren beide Bäder saniert Die Schaub AG Muttenz baut in Hofstetten ein Badezimmer um. Es ist bereits das zweite in demselben Haushalt. Die Auftraggeber erzählen, wie es dazu kam. Hatten Sie eine Vorstellung davon, wie Ihr künftiges Badezimmer aussehen würde? In beiden Fällen bekamen wir noch vor den Offerten Frau Bachofners 3D-Visualisierungen. Das hat uns bei den weiteren Entscheidungen sehr geholfen.
WÄHREND DES UMBAUS
Wilma und Mario Merz im zweiten ihrer umgebauten Badezimmer. Das erste hatte die Schaub AG Muttenz zwei Jahre zuvor schon modernisiert.
VOR DEM UMBAU Warum haben Sie innerhalb von zwei Jahren Ihre beiden Badezimmer umgebaut? Es war an der Zeit, das alte Bad und nun auch den Duschenraum (Bad mit Dusche, aber ohne Badewanne) zu erneuern. Wir wollten moderne Nasszellen. Wie waren Sie damals auf die Schaub AG aufmerksam geworden? Wir hatten im Internet recherchiert. Dabei kam die Schaub AG in die engere Auswahl, weil uns die Website ansprach. Was war ausschlaggebend für die Vergabe an die Schaub AG? Wir fühlten uns sofort sehr gut beraten. Es wurde aufgezeigt, was machbar und sinnvoll ist und was sich als Stolperstein erweisen könnte. Es wurde offen und kompetent kommuniziert. Was waren Ihre Ansprüche an die Schaub AG? Uns war wichtig, jemanden zu haben, der sich von A bis Z um alles kümmert.
Wie lange dauerte der Umbau? Sowohl beim Badezimmer als auch beim Duschenraum wurden die Terminpläne genau eingehalten: jeweils zehn Arbeitstage.
«Man spürte, dass hier ein eingespieltes Team am Werk war.»
Ein Umbau bedeutet meistens auch viel Staub und Schmutz. Wie war das in Ihrem Fall? Der Boden und die Zimmertüren wurden sauber abgeklebt. Damals beim Umbau des Badezimmers im ersten Stock war zusätzlich noch der offene Wohnbereich mit einer Staubwand von der Treppe abgetrennt worden.
transparent und seriös. Alle Handwerker vor Ort waren sehr höflich. Die Arbeiten wurden ruhig und sauber ausgeführt – alle haben mitgedacht und sehr gut zusammengearbeitet.
NACH DEM UMBAU Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem neuen Badezimmer? Die Regenbrause und die Toilette. Möchten Sie etwas besonders erwähnen? Sämtliche vereinbarten Termine wurden eingehalten. Der ganze Ablauf, vom ersten Telefonanruf bis zur Schlussabrechnung, war freundlich,
SCHAUB AG MUTTENZ Birsstrasse 15 4132 Muttenz Telefon 061 377 97 79 www.schaub-muttenz.ch
Ihr Vermögensverwalter im Gellert. Es geht um Verlässlichkeit.
Trafina Privatbank AG, Rennweg 50, CH-4020 Basel, Telefon +41 61 317 17 17, www.trafina.ch