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INTERVIEW

LUCAS & ARTHUR JUSSEN im Gespräch

«WIR SIND IM TEAM STÄRKER»

VON ELISABETH BAUREITHEL Zwillinge sind sie nicht, Lucas (27) und Arthur Jussen (24). Obwohl sie sich sehr ähnlich sehen und beim Klavierspielen blindlings verstehen. Zwar werden die Brüder auch als Solisten gefeiert, aber zu zweit musiziert es sich doch am besten. Früher galten sie als Wunderkinder, traten vor der niederländischen Königin Beatrix auf und erspielten Preise bei Wettbewerben. Heute sind sie international als Klavierduo unterwegs.

EB Lucas und Arthur Jussen, was haben Sport und Musik gemeinsam? LJ Vieles, zum Beispiel Disziplin. Man muss im Sport und in der Musik viel geben, aber bekommt noch viel mehr zurück. Gute Sportler können ihr Publikum genauso begeistern wie Musiker. Das Ziel ist im Sport und in der Musik also dasselbe.

Und man muss ein guter Teamplayer sein – im Mannschaftssport und auch wenn man, wie Sie, zu zweit spielt. Was ist dabei die grösste Herausforderung? AJ Man darf nicht egoistisch sein. Der eine freut sich für den anderen und gönnt ihm seinen Erfolg. Unser Ziel ist es, wie eine Person zu spielen, eins zu werden in der Musik. Das ist wie in einem Fussballteam: Wenn 11 Spieler zusammenspielent, dann sind die manchmal besser als ein Team, in dem nur einer gut ist und die anderen nicht. Bei uns ist das auch so, wir sind im Team stärker.

Und können sich immer aufeinander verlassen … AJ Das gegenseitige Vertrauen ist gross! Weil wir schon so lange zu zweit spielen, wissen wir genau, was der andere fühlt, meint und will. Wir versuchen immer, aufeinander zu hören. Das ist wichtig.

Kommen Sie sich nie in die Quere? LJ Nein, wir sind daran gewöhnt, dass wir nahe beieinandersitzen und unsere Hände sich oft berühren. Ich merke das bei Arthur gar nicht mehr. Das ist wohl die Übung.

Und wie gehen Sie als Team an ein

Stück heran, wie üben Sie? Auch zusammen? AJ Nein, wir machen das meiste allein, jeder übt für sich. Das gemeinsame Üben macht höchstens fünf Prozent der gesamten Arbeit aus. Wir proben wenig gemeinsam, erst ganz zum Schluss. Und dann sprechen wir auch nicht viel, wir spielen einfach. Manchmal diskutieren wir über einzelne Stellen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, aber das ist selten!

«Das gemeinsame Üben macht höchstens fünf Prozent aus.»

Aber Hand aufs Herz: Gerade unter

Brüdern muss man sich doch auch mal streiten!? AJ Ja klar! Wenn wir Tennis spielen, streiten wir immer! Aber beim Klavierspielen versuchen wir professionell zu bleiben. Wir wollen das Beste aus der Musik herausholen und nehmen Kritik darum auch nicht persönlich. Wir können uns alles sagen. LJ Aber auch gut aus dem Weg gehen beim Üben. In der Wohnung unserer Eltern stehen zwei Flügel, dort können wir vierhändig spielen. Und dann haben wir in unseren eigenen Wohnungen (die übrigens im gleichen Haus sind) jeder noch ein Instrument. Wir haben insgesamt also vier Instrumente.

Das sind aber viele … LJ Ja, das stimmt schon! (lacht) Aber um Duostücke zu üben, brauchen wir zwei Flügel beieinander. Und wenn man mal für sich proben will, und wir üben fünf bis sechs Stunden am Tag, dann braucht man ein drittes Klavier. Man will sich ja jederzeit ans Klavier setzen können.

Und das vierte Instrument? LJ Das ist tatsächlich eine gute Frage! Sagen wir es so: Wenn mal eines kaputt gehen sollte, haben wir noch eines in Reserve …

Wann und warum haben Sie sich eigentlich in das Klavier verliebt? LJ Ich war fünf, als die Niederlande bei der Fussball-WM 1998 bis ins Halbfinale aufstieg. Unsere Hymne Het Wilhelmus wollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen,

INTERVIEW und so begann ich, sie auf dem Klavier zu üben. Damit fing alles an. Und danach habe ich nicht mehr aufgehört mit dem Klavier.

Wie war das bei Ihnen, Arthur? Sie sind drei Jahre jünger. Wollten Sie

Ihrem älteren Bruder einfach alles nachmachen? AJ Genau! Ich wollte erst Geige spielen, habe mich dann doch für das Klavier entschieden.

Sie sind in einer musikalischen Familie aufgewachsen: Die Mutter ist

Flötistin, der Vater Paukist. Früher galten Sie als Wunderkinder, traten vor der niederländischen Königin

Beatrix auf. Wussten Sie schon immer, dass Sie Musiker werden wollen? AJ Eigentlich nicht. Musik war zu Hause einfach immer da. Das hat uns wahrscheinlich inspiriert. Wir sind da eher so reingerutscht über die Jahre. Erst spielt man kleinere Konzerte, dann grössere, und plötzlich ist man Pianist. Wir haben immer gerne Musik gemacht und tun das bis heute – ho¤entlich bleibt das noch lange so.

Was lieben Sie am meisten an Ihrem

Instrument? LJ Man hat zwei Hände und zehn Finger und kann damit unheimlich viel machen mit dem Klavier. Mit wenigen Harmonien kann man eine herrliche Atmosphäre aufbauen. Das Klavier bleibt ein Mysterium: Ist es ein Schlaginstrument, ein Saiteninstrument? Das kann man nicht sagen. Und dann sieht es auch noch richtig gut aus mit seinen schönen weiblichen Rundungen. Auch wenn das natürlich nichts mit der Musik im Allgemeinen zu tun hat.

«Wenn am Konzert etwas passiert, können wir damit umgehen.»

An Ihrem Konzert mit dem Sinfonieorchester Basel spielen Sie Bohuslav

Martinůs Konzert für zwei Klaviere und Orchester, H 292. Was ist das für ein Stück? LJ Das ist ein Konzert voller Energie, rhythmisch interessant und zackig, die

LUCAS & ARTHUR JUSSEN 12 Kontraste sind gross. Es kostet viel Kraft – uns und das Orchester. Wir haben noch nicht viel Musik von Martinů gespielt, und dieses Klavierkonzert spielen wir jetzt in Basel das allererste Mal.

Haben Sie ein Ritual vor jedem Konzert? AJ Unser Ritual ist, dass wir kein Ritual haben. Und das ist auch gut so. Wir haben als Kinder mal einen Glücksbringer geschenkt bekommen, und unsere Eltern haben ihn uns sofort weggenommen. Weil sie nicht wollten, dass wir uns darauf verlassen. Denn was würde passieren, wenn wir unseren Glücksbringer mal vergessen? Spielt man dann automatisch schlechter? Man muss immer flexibel bleiben. Wenn während des Konzerts etwas passiert, können wir damit umgehen.

Sie haben ja Ihren Bruder auch immer mit dabei, das ist doch sicher ein viel besseres Mittel gegen Lampenfieber? AJ Das ist wirklich toll, ja. Wir sind eigentlich selten nervös. Aber wenn der Druck hoch ist oder bei wichtigen Konzerten können wir uns gegenseitig beruhigen. Wenn ich mal zweifle und Lucas dann sagt: «Wir sind gut vorbereitet, lass uns das einfach geniessen!» – dann ist der ganze Stress wie weggeblasen.

Im April haben Sie auf Facebook ein

Video hochgeladen: Da spielen Sie

I Wanna Dance With Somebody von

Whitney Houston – Ihr Vater spielt

Schlagzeug. Was wurde aus dem Projekt ‹Coverband›? LJ Ach, normalerweise würden wir solche Sachen nicht posten, aber das war so eine komische Zeit mit Corona im Frühling. Und wir mögen Popmusik: Whitney Houston, Michael Jackson, Bruno Mars. Manchmal spielen wir ihre Songs an Familienfesten oder so. Aber das FacebookVideo war natürlich nur Spass. Und ausserdem fehlt uns sowieso noch eine Sängerin! Aber vielleicht können Sie ja singen? (lacht)

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