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TEXTE UND TÖNE

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KURZPORTRÄT

KURZPORTRÄT

VON ELKE HEIDENREICH Es gibt Komponisten, von denen man manchmal nur ein einziges Stück wirklich kennt: Paul Dukas ist der mit der Vertonung von Goethes Zauberlehrling, und diese Musik ist nicht zuletzt so berühmt geworden, weil Walt Disney sie für seinen Zeichentrickfilm Fantasia verwendet hat. Aber Paul Dukas hat noch viel mehr geschrieben – nicht nur Musik, sondern auch um die 400 Musikkritiken für den Figaro und die Revue musicale. Er war hochgebildet, verstand nicht nur von Musik sehr viel und war seinen eigenen Kompositionen gegenüber so kritisch, dass er alles, was seinen Ansprüchen nicht entsprach, vernichtete. Die Sinfonie in C-Dur gehört zum Glück nicht dazu, obwohl sie 1897 mit nur sehr mässigem Erfolg in Paris uraufgeführt wurde. Nicht nur das Publikum, sogar die Orchestermusiker murrten, einer der zweiten Geiger, ein Herr Inghelbrecht, soll gesagt haben: «In den Proben war um mich immer Hohngelächter zu hören.» Man traute der französischen Musik ausserhalb der Opernbühne einfach nichts Rechtes zu. Später erlebte das Werk grosse Erfolge und ist doch fast vergessen – höchste Zeit, es sich heute Abend einmal anzuhören!

Ich habe eine CD, auf der Dukas’ Zauberlehrling und Ravels Boléro zusammen sind, und da gehört auch etwas zusammen, trotz aller Verschiedenheit – denn Dukas hätte nie, wie der leicht verrückte Ravel es im Boléro tut, 169 Mal dasselbe rhythmische Modell wiederholt! Aber es funktioniert! Nur schade, dass, wie Ravel sagt, dieses sein Meisterwerk «leider keine Musik» enthalte. Als diese Musik, als Ballett für die Tänzerin Ida Rubinstein geschrieben, im November 1928 in der Pariser Oper uraufgeführt wurde, schockierte sie das Publikum, und eine Zuschauerin soll gerufen haben: «Hilfe, ein Verrückter!» «Die hat’s kapiert», soll Ravel gesagt haben.

In die beiden jungen Holländer, die Bohuslav Martinůs Klavierkonzert spielen, bin ich seit Langem aus der Ferne total verliebt. Was für ein hinreissendes Brüderpaar! Nicht nur, dass sie beeindruckend, kraftvoll und sensibel höchst schwierige Stücke spielen (ein Dirigent sagte mal: «Es ist, als würde man zwei BMWs gleichzeitig fahren!») – sie sind beide gleichermassen souverän und virtuos, dabei auch als Brüder beste Freunde, keine Konkurrenten, und in Interviews entwickeln sie einen solchen Charme und so viel Glanz, dass man bewundernd und dankbar ist.

Und so fügt es sich doch für Sie, liebes Publikum, zu einem Abend der Superlative. Dukas lernen Sie vielleicht erst kennen, und die beiden anderen Werke streifen das Unmögliche, das über Grenzen Hinausgehende: verrückt-genialer Ravel und Klavier spielende BMWs mit einem Konzert, in dem Martinů laut seinem Biografen James Rybka seine Flucht vor den Nationalsozialisten aus seiner böhmischen Heimat nach Amerika verarbeitet. «Er setzt die Klaviere wie einander bekämpfende KampÆugzeuge ein, um im Finale einen Wirbelsturm der Aufregung zu erzeugen.»

Kann man nach langer Corona-Stille einen tolleren Abend erleben? Kann man nicht!

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