Organisation und Taktiken des Wasserrettungsdienstes

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Organisation und Taktiken des

Wasserrettungsdienstes

Beitrag zu einer „Dienstvorschrift 3“ für

Wasserretter (WR-DV 3)

Manuel Döhla

Organisation und Taktiken des Wasserrettungsdienstes

Beitrag zu einer „Dienstvorschrift 3“ für Wasserretter (WR-DV 3)

Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2023

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Organisation und Taktiken des Wasserrettungsdienstes

Manuel Döhla

© Copyright Verlagsgesellschaft

Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2023

Satz: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht

Umschlagbild: Carsten Fuhrmann, Oldenburg

Abbildungsnachweis: Alle Abbildungen wurden vom Autor selbst oder nach dessen Vorgaben vom Verlag erstellt.

Druck: Tolek Sp. z o.o., 43­190 Mikolów (Polen)

ISBN 978­3­96461­057­7

3 ▶ Inhalt Inhalt Abkürzungsverzeichnis 6 „Ertrinken – Ländersache?“ 11 1 Mensch und Wasser 13 2 Wasserrettung als Begriff 16 2.1 Wasserrettung als Tätigkeit 16 2.2 Wasserrettung als Fachdienst im Katastrophenschutz 18 2.3 Wasserrettung als (Wasser-)Rettungsdienst 19 3 Taktische Einheiten in der Wasserrettung 22 3.1 Wasserrettungszug 23 3.1.1 Führungseinheiten 23 3.1.2 Fachdienst-Teileinheiten 23 3.1.3 Unterstützungseinheiten 24 3.2 Taktische Verbände in der Wasserrettung 24 3.3 Schnelleinsatzgruppe Wasserrettung 25 3.3.1 Bootstrupp 25 3.3.2 Bootsgruppe 28 3.3.3 Tauchtrupp 30 3.3.4 Tauchgruppe 32 3.3.5 Wasserrettungsgruppe 33 3.3.6 Wasserrettertrupp, -staffel, -gruppe 37 3.4 Spezialeinheiten in der Wasserrettung 39 3.4.1 Rettungshunde 39 3.4.2 Rettungsroboter / Drohnen 40 3.4.3 Luftretter 40 3.4.4 Strömungsretter / Fließwasserretter 41 4 Truppführung und Grundaufgaben von Trupps 42 4.1 Gefahren erkennen 43 4.2 Allgemeine Raumordnung 44 4.2.1 Hot Zone / Gefahrenbereich 45 4.2.2 Warm Zone / Übergangszone 46 4.2.3 Cold Zone / Absperrbereich 47 4.3 Maßnahmen durchführen 47 4.3.1 Suche 48 4.3.2 Technische Rettung 54 4.3.3 Medizinische Rettung 61 4.3.4 Transport 62
▶ Inhalt 4 4.3.5 Erstversorgung 64 4.3.6 Übergabe an den boden- / luftgebundenen Rettungsdienst 66 4.4 Situation berichten 67 5 Gruppenführung und Einsatztaktik im Rettungsdienst 69 5.1 Revierkunde, spezielle Gefahren an der Einsatzstelle und spezielle Raumordnung 69 5.1.1 Umschlossene Gewässer 69 5.1.2 Fließende Gewässer 70 5.1.3 Eis 71 5.2 Ordnung der Zeit 72 5.2.1 Gefahr im Verzug 73 5.2.2 Einsatz mit Bereitstellung 75 5.2.3 Einsatzende und Einsatzabbruch 77 5.3 Ordnung der Kräfte 78 5.3.1 Gliederung taktischer Einheiten 78 5.3.2 Gliederung von Einsatzabschnitten 82 5.4 Zusammenarbeit mit bzw. Unterstützung für andere Fachdienste 83 5.4.1 Allgemeine Führungsunterstützung Stufe A 83 5.4.2 Einrichten und Betreiben von Bereitstellungsräumen 83 5.4.3 Unterstützung der Polizei 84 5.4.4 Unterstützung des Sanitäts- / Rettungsdienstes 84 5.4.5 Allgemeine Unterstützung für Fachdienste, Behörden oder Dritte 86 6 Der Gruppenführer im hochwasserbezogenen Katastrophenschutz 87 6.1 Gefahrenanalyse 88 6.1.1 Spezielle Gefahren im Hochwassereinsatz 89 6.1.2 Risikoanalyse Hochwasser 89 6.2 Angepasste Raumordnung über die Zeit 93 6.2.1 Boiling Zone / zukünftiger Gefahrenbereich 93 6.2.2 Thawing Zone / zukünftige Übergangszone 94 6.3 Maßnahmen der Wassergefahrenabwehr 94 6.3.1 Absicherung 94 6.3.2 Versorgung 95 6.3.3 (Wasserseitige) Deichverteidigung 96 6.3.4 Evakuierung 97 6.4 Spezialisten 98 7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen 99 7.1 Aufstellung 99 7.2 Alarmierung 100 7.3 Anfahrt 100 7.4 Bereitstellung 101
5 ▶ Inhalt 7.5 Dokumentation 102 7.6 Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft 102 8 Aspekte des Gesundheits- und Umweltschutzes 103 8.1 Persönliche Hygiene vor und in Einsätzen 104 8.1.1 Ernährung und Bewegung 105 8.1.2 Körperreinigung und -pflege 105 8.1.3 Kleidung 106 8.1.4 Immun- und Chemoprophylaxe 106 8.1.5 Gesundheitsverhalten 107 8.1.6 Psychohygiene 108 8.2 Hygiene im Einsatz 108 8.2.1 Hygiene im Stützpunkt und Bereitstellungsraum 108 8.2.2 Marschhygiene 109 8.2.3 Einsatzstellenhygiene 110 8.3 Nach dem Einsatz 110 8.4 Umweltschutz 111 Anhang 113 Literaturverzeichnis 113 Über den Autor 120 Stichwortverzeichnis 121

2 Wasserrettung als Begriff

Der Begriff „Wasserrettung“ wird in mindestens drei Bedeutungen verwendet. Zu unterscheiden sind: Wasserrettung als Tätigkeit, der Fachdienst Wasserrettung des Katastrophenschutzes und der sich hieraus entwickelte mobile Wasserrettungsdienst als Teil des Rettungsdienstes.

MERKE:

Die Wasserrettungsorganisationen (v. a. Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, DRKWasserwacht und ASB Wasserrettung) haben je nach Satzung weitere Aufgaben, die unter „Wasserrettung“ zusammengefasst sind. Dazu gehören vor allem die Wachdienste in Schwimmbädern, an Flüssen und Seen oder an der Küste. Diese können taktisch als Variante der Absicherung (Kap. 6.3.1) verstanden werden, die durchgeführt werden, bevor es zu einem Einsatz kommt, um diesen ggf. zu verhindern (Prävention) oder schneller und damit erfolgreicher durchzuführen (Bereitstellung).

Weitere Aufgaben der Wasserrettungsorganisationen können Breiten- und Fachausbildung in z. B. Rettungsschwimmen, Erster Hilfe, Tauchen, Bootsführung sein, genauso wie der Natur- und Umweltschutz und die Mitwirkung in Forschung und Entwicklung von Techniken und Taktiken. Diese Aufgaben dienen auch der Wasserrettung, sind jedoch aus taktischer Sicht nachgeordnet.

2.1 Wasserrettung als Tätigkeit

Wasserrettung bezeichnet in diesem Sinne „das Schützen von Menschen, Tieren, der Umwelt und Sachwerten vor Wasser­ und Eisgefahren durch technische und/oder medizinische Maßnahmen an, auf und in Gewässern“ (Döhla 2020, S. 135). Diese umfassende Definition beinhaltet im Begriff „Schützen“ drei taktische Grundsätze (Abb. 1):

• in Sicherheit bringen (Das bedrohte Objekt wird entfernt.)

• Verteidigung (Die Gefahrenquelle kann auf das bedrohte Objekt nicht wirken.)

• Angriff (Die Gefahrenquelle wird ausgeschaltet.) (Schröder 2011, S. 10, 70).

Menschen, Tiere und Sachwerte werden vor Wasser­ oder Eisgefahren geschützt, indem sie in Sicherheit gebracht werden. Hierbei muss jedoch nicht erst ein (Un­)Fall ins Wasser passieren, denn Rettung beginnt bereits mit den präventiven Ansätzen der Absicherung (Kap 6.3.1) oder Evakuierung (Kap. 6.3.4). Als reaktive Taktik werden Menschen und Tiere gerettet, Sachwerte werden geborgen (Kap. 4.3).

Verteidigung ist eine Strategie, die vorrangig zum Schutz der taktischen Umwelt (Döhla 2022b) (Kap. 8.4) bzw. von Menschen, Tieren oder Sachwerten angewandt wird, die aufgrund ihrer Anzahl oder aus anderen Gründen (Verweigerung einer Evakuierung, fehlende Zugangsmöglichkeit) nicht in Sicherheit gebracht werden können. Wasserrettungseinhei­

16 ▶ 2 Wasserrettung als Begriff

Abb. 1 ▶ Gefährdung entsteht beim Vorhandensein einer Gefahrenquelle (Q), die eine Wirkung (W) auf ein bedrohtes Objekt (O) hat (oben links). Beim Angriff (oben rechts) wird die Gefahrenquelle ausgeschaltet, bei der Verteidigung (unten links) wird die Wirkung der Gefahrenquelle verhindert, beim In-Sicherheit-Bringen (unten rechts) wird das bedrohte Objekt entfernt.

ten können die Verteidigungsmaßnahmen anderer Fachdienste am Wasser unterstützen, indem sie neben der Absicherung anderer Einsatzkräfte (Kap. 6.3.1) die wasserseitige Zuführung von Menschen und Sachwerten (Versorgung, Kap. 6.3.2) durchführen. Die fachliche Führung von Verteidigungseinsätzen liegt zumeist bei den zuständigen (Wasserwirtschafts­, Umwelt­ oder Katastrophenschutz­)Behörden, sodass Wasserrettungseinheiten bei der eigentlichen Verteidigung lediglich unterstützend (Kap. 6.3.3) oder im Rahmen der technischen Hilfeleistung (THL, Kap. 5.4.5) eingesetzt werden können.

MERKE:

Deichverteidigung ist eine originäre Aufgabe der Wasserwirtschafts- oder Umweltbehörden. Bei Gefahr des Deichbruches können die Katastrophenschutzbehörden zuständig sein. Wasserrettungseinheiten sind Hochwertkräfte zur Absicherung und wasserseitigen Versorgung von Deichverteidigungskräften sowie für wasserseitige Verteidigungsmaßnahmen und sollten daher nicht zum Füllen oder der (landseitigen) Verlegung von Sandsäcken verbraucht werden.

Angriff ist eine Taktik, die im normalen Wasserrettungseinsatz keine Relevanz hat. Eine Besonderheit stellen jedoch die Einsätze dar, bei denen Dächer von Schnee entlastet werden. Schneelast ist im weitesten Sinne eine Wasser­ und Eisgefahr (Döhla 2022b), da es sich bei Schnee um einen Zustand von Wasser handelt, und zumindest Kräfte der Strömungsrettung (Kap. 3.4.4) sind konzeptionell und materiell in der Lage, durch einen Angriff die Gefahr zu entfernen.

17 ▶ 2 Wasserrettung als Begriff
Q O O O O W W W W Angriff Q Q Q in Sicherheit bringen Verteidigung

4 Truppführung und Grundaufgaben von

Trupps

Taktische Grundaufgaben werden von Trupps ausgeführt. Trupps haben eine taktische Stärke zwischen 1/1/2 bzw. 0/2/2 und 1/5/6 bzw. 0/6/6 Einsatzkräften, je nachdem ob sie selbstständig oder nicht­selbstständig sind (Tab. 11). Sie werden stets von einem Truppführer geführt.

Tab. 11: Unterscheidungsmerkmale zwischen taktisch selbstständigen und nicht-selbstständigen Trupps

Selbstständiger Trupp Nicht-selbstständiger Trupp

Truppführer in Führungsstufe A

Truppführer ist administrativ und taktisch personalverantwortlich

Truppführer ist administrativ und taktisch materialverantwortlich

Trupp kann einen taktischen Auftrag mit eigenem Personal und Material ausführen

Trupp kann unter Zustimmung des Truppführers verstärkt oder vermindert werden

Truppführer ohne Führungsstufe, vorgesetzter Staffel- oder Gruppenführer in Führungsstufe A

Truppführer ist taktisch personalverantwortlich, Staffel- oder Gruppenführer ist administrativ personalverantwortlich

Truppführer ist taktisch materialverantwortlich, Staffel- oder Gruppenführer ist administrativ materialverantwortlich

Trupp benötigt zur Durchführung eines taktischen Auftrages regelhaft Personal und Material der Staffel oder Gruppe

Trupp kann ohne Zustimmung des Truppführers verstärkt, vermindert oder aufgelöst werden

Schreibweise der taktischen Stärke 1/x/x+1 Schreibweise der taktischen Stärke 0/x/x

MERKE:

Die taktische Grundeinheit der Wasserrettung ist die Gruppe, die klassisch in Gruppenführung, Tauchtrupp und Bootstrupp untergliedert ist (Abb. 4). Auch eine Gliederung in vier Wasserrettungstrupps ist möglich (Abb. 5). Allen genannten Trupps ist gemeinsam, dass sie nicht-selbstständig sind, das heißt, nur im gemeinsamen Einsatz der Gruppe unter Anweisung des Gruppenführers eingesetzt sind.

Bootstrupps, Tauchtrupps oder Wasserrettertrupps können jedoch als selbstständige Trupps aufgestellt und eingesetzt werden. In diesen Fällen muss der Truppführer sowohl die in diesem Kapitel vorgestellten Aufgaben als auch die Aufgaben eines Gruppenführers (Kap. 5) bedienen, daher ist für den Truppführer eines selbstständigen Trupps zwingend eine Gruppenführerqualifikation notwendig.

Der Truppführer eines nicht­selbstständigen Trupps hat zwei Verpflichtungen:

1. durchgehende Gewährleistung der größtmöglichen Sicherheit für die Einsatzkräfte des Trupps

2. erfolgreiche Durchführung des vom Gruppenführer erhaltenen Einsatzauftrages.

42 ▶ 4 Truppführung und Grundaufgaben von Trupps

Abb. 13 ▶ Gliederung der Einheit für eine Rettung aus mittelstark strömenden Gewässern vom Ufer

Beim Einsatz vom Boot werden der Rettungs­ sowie Sicherheitstrupp (je nach Bootstyp und ­größe) mit einem Rudergänger als Bootstrupp tätig, wobei der Truppführer des Bootstrupps zugleich Leinenführer ist. Unterstützungs­ und Gerätetrupp werden landseitig tätig (Abb. 14).

Die Rettung aus dem Eis erfordert mindestens einen Trupp in Stärke 0/3/3. Bei der Taktik „Go“ setzt der Retter keinerlei Eisrettungsgerät ein. Er bewegt sich lediglich bäuchlings auf dem Eis zu der verunfallten Person. Der Retter wird mit einer Leine gesichert, die von einem Leinenführer geführt wird. Der Truppführer wird als zweiter Leinenführer tätig, um den Retter und die gerettete Person zurückzuziehen.

Die taucherische Rettung in Wasser und Eis erfordert mindestens einen Tauchtrupp. In leicht strömenden Gewässern hat dieser mindestens die Stärke 0/3/3 (0/4/4 von Booten), in mittelstark strömenden Gewässern mindestens die Stärke 0/4/4 (0/5/5 von Booten), im Eiseinsatz mindestens die Stärke 0/4/4. Eine zusätzliche Einsatzkraft als Signalmann entlastet den Taucheinsatzführer und wird daher dringend empfohlen. Taucheinsätze unter Eis sind bereits bei leichter Strömung nicht zulässig (Bundesverband der Unfallkassen 2017, S. 18, 22).

59 ▶ 4 Truppführung und Grundaufgaben von Trupps
GrFü
FüAss 1. Trupp Rettungstrupp = 1. WR = 3. WR = 2. WR 2. Trupp Unterstützungstrupp 3. Trupp Gerätetrupp 4. Trupp Sicherheitstrupp 1 / 9 / 10

GrFü

Truppführer/

Leinenführer

Rudergänger

Leinenführer

Abb. 14 ▶ Gliederung der Einheit für eine Rettung aus mittelstark strömenden Gewässern vom Boot

Tab. 15: Mindeststärken für Taucheinsätze zur Rettung in Wasser und Eis (Strömung nach Tab. 14)

Keine oder leichte Strömung

Mittelstarke Strömung

Vom Ufer Vom Boot

Taucheinsatzführer/Signalmann Einsatztaucher Sicherheitstaucher

Taucheinsatzführer/2. Signalmann Einsatztaucher

1. Signalmann Sicherheitstaucher

Taucheinsatzführer/Signalmann Einsatztaucher

Sicherheitstaucher

Bootsführer

Taucheinsatzführer/2. Signalmann Einsatztaucher

1. Signalmann Sicherheitstaucher Bootsführer

Eis

Taucheinsatzführer/2. Signalmann Einsatztaucher

1. Signalmann Sicherheitstaucher

60 ▶ 4 Truppführung und Grundaufgaben von Trupps
1. Trupp Bootstrupp 1. WR 2. WR = 3. WR 2. Trupp Unterstützungstrupp 3. Trupp Gerätetrupp 1 / 9 / 10

7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen

Viele Gruppenführer sind außerhalb ihrer taktischen Funktion als technische oder taktische Leiter oder Referenten für den Einsatzdienst oder Katastrophenschutz in ihrer jeweiligen Wasserrettungsorganisation tätig. In dieser Funktion spielen die einsatzvorbereitenden und einsatznachbereitenden Maßnahmen eine Rolle. Daher sollen diese nachfolgend in dem Umfang skizziert werden, in dem sie taktische Aspekte der Einsatzführung beeinflussen bzw. rechtlich relevant sind.

Die vorbereitenden Maßnahmen unterteilen sich in

• Aufstellung,

• Alarmierung,

• Anfahrt und Bereitstellung taktischer Einheiten.

Die nachbereitenden Maßnahmen umfassen

• die Dokumentation und

• die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit.

7.1 Aufstellung

Taktische Einheiten können geschlossen oder disloziert aufgestellt werden. Geschlossen bedeutet, dass alle Einsatzmittel an einem Stützpunkt für den Einsatz bereitstehen (Abb. 29). Dies ist bei Trupps der Regelfall, bei Gruppen eine häufige Variante.

Disloziert bedeutet, dass die Einsatzmittel getrennt auf mehreren Stützpunkten für den Einsatz bereitstehen (Abb. 30). Dies ist der Regelfall bei Zügen und eine ebenfalls bei Gruppen vorkommende Variante.

Abb. 29 ▶ Aufstellung geschlossen, Anfahrt geschlossen, Einsatz geschlossen

99 ▶ 7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen
MTW GW WR Stützpunkt RTB 2 Anh

7.2 Alarmierung

Im rettungsdienstlichen Einsatz ist die Alarmierung von Trupps oder Gruppen über analoge oder digitale Fernmeldeempfänger der Standardfall. Je nach örtlicher Alarm­ und Ausrückeordnung und landesrechtlich festgelegter Hilfsfrist (DIN 13050) kann die Anfahrt zum Einsatz binnen 10 bis 30 Minuten nach Alarm beginnen. Hieraus ergibt sich je nach Tageszeit, Wochentag und Jahreszeit eine taktisch relevante Schwankung in der Ausrückstärke; die in Kapitel 3.3 genannten Mindeststärken der Einheiten sollen jedoch nicht unterschritten werden, um überhaupt einen einsatztaktischen Wert zu haben. Eine Lösung stellen Einsatzmittelketten dar, bei der die erstalarmierten Einheiten schnell, aber ggf. unvollständig ausrücken. Parallel dazu werden weitere Einsatzkräfte und Einheiten über Funkmeldeempfänger, SMS, E­Mail, Telefon oder Social Media alarmiert, die dann – mit deutlich längeren Ausrückzeiten – als Verstärkungskräfte nachfolgen.

Im Katastrophenschutzeinsatz werden konzeptionell Vorlaufzeiten von 24 Stunden oder mehr in der Alarmierungsplanung berücksichtigt. Je nach Bundesland gibt es Alarmierungsstufen wie Vorinformation, Voralarm und Alarm, die meist per Fax, E­Mail oder Telefon ausgelöst werden. Diese Alarmierungsstufen dienen dazu, die Züge mit Einsatzkräften zu besetzen und alle Einsatzmittel vorzubereiten, damit sie gemäß Konzeption (Kap. 3.1) in den (über­)örtlichen Einsatz gesendet werden können. Daran hängt für die aufnehmenden Einsatzbereiche die Planung von Bereitstellungsräumen (Kap. 5.4.2) sowie von Logistik und Taktik der meist länger andauernden Einsatzlagen. Dennoch können auch Züge oder deren Teileinheiten, soweit entsprechend geplant, als Ad­hoc­Züge oder SEG WR über Fernmeldeempfänger alarmiert und binnen Minuten in Marsch gesetzt werden – die Einsatzzeiten solcher Ad­hoc­Einheiten betragen oft jedoch nur 24 Stunden, danach werden sie im Sinne einer Einsatzmittelkette von regulären Einheiten abgelöst.

7.3 Anfahrt

Die Anfahrt von alarmierten Einheiten kann getrennt oder geschlossen erfolgen. Bei einer dislozierten Aufstellung oder beim getrennten Einsatz ist die getrennte Anfahrt (Abb. 30)

100 ▶ 7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen
MTW GW WR Stützpunkt A Stützpunkt B RTB 2 Anh
Abb. 30 ▶ Aufstellung disloziert, Anfahrt getrennt, Einsatz geschlossen

der Regelfall, in der jedes Fahrzeug nach den Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) –soweit zutreffend mit Sonder­ (§ 35 StVO) und Wegerechten (§38 StVO) – eigenständig die Einsatzstelle anfährt.

Die geschlossene Anfahrt (Abb. 29) kann erfolgen, wenn Einheiten geschlossen aufgestellt und geschlossen in den Einsatz alarmiert werden oder nachdem disloziert aufgestellte Einheiten sich in einem Sammelraum (DIN 13050) getroffen haben (RendezvousSystem) (Bräutigam und Cimolino 2010, S. 160 ff.). Zwei Fahrzeuge (auch mit Anhängern) gelten dabei straßenverkehrsrechtlich noch als Einzelfahrzeuge, ab drei Fahrzeugen kann die Anfahrt als Marschkolonne (Verband nach § 27 StVO) erfolgen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Fall sollte ein (schriftlicher) Marschbefehl erstellt werden (FwDV 100 1999, S. 56 f.).

MERKE:

Drei (bis 30) Fahrzeuge ergeben einen verkehrsrechtlichen Verband. Dazu müssen alle Fahrzeuge einheitlich gekennzeichnet sein:

• „Corporate Design“ der Wasserrettungsorganisation,

• Abblendlicht, auch am Tag,

• Blaulicht (mind. erstes und letztes Fahrzeug), ohne Frontblitzer und Sirene,

• Beflaggung/Beschilderung: alle Fahrzeuge blau, letztes Fahrzeug grün,

• letztes Fahrzeug mit Warntafel am Heck („Achtung Kolonne bzw. Ende der Kolonne“).

Ein Verband gilt verkehrsrechtlich als ein Fahrzeug. Wenn also das erste Fahrzeug bei Grün über die Ampel fährt, fahren alle Fahrzeuge des Verbandes über die Ampel.

Im Rettungsdiensteinsatz, in dem es mehr auf Geschwindigkeit als auf gleichzeitiges Eintreffen ankommt, wird der Verband auch bei drei oder mehr Fahrzeugen die Ausnahme sein; im Katastrophenschutzeinsatz ist er der Regelfall.

7.4 Bereitstellung

Die Bereitstellung von alarmierten Einheiten kann als primäre oder sekundäre Bereitstellung erfolgen (Bräutigam und Cimolino 2010, S. 171 ff.). Primäre Bereitstellung bedeutet, dass rettungsdienstlich alarmierte Einheiten, vor allem nachrückende Einheiten, nicht direkt die Einsatzstelle anfahren. Sie halten mit einigem Abstand zu dieser (außerhalb der Cold Zone, d. h. mindestens 50 m und so, dass ohne Rangieren auch eine andere Einsatzstelle angefahren werden kann) und nehmen Kontakt zum Einsatzleiter oder der alarmierenden Leitstelle auf, die dann den Einsatzauftrag erteilt oder an einen Bereitstellungsraum verweist.

Sekundäre Bereitstellung ist die Bereitstellung von Einheiten in einem Bereitstellungsraum, der durch die Einsatzleitung festgelegt und je nach Anzahl bereitgestellter Einheiten und Dauer der Bereitstellung eingerichtet und betrieben wird (Mitschke et al. 2002).

Sekundäre Bereitstellung ist der Regelfall im Katastrophenschutzeinsatz, wird aber auch bei größeren rettungsdienstlichen Lagen notwendig.

101 ▶ 7 Vor- und nachbereitende Maßnahmen

Da sich Ertrinken für Personen in Wassergefahr immer gleich anfühlt –egal, ob sie in einem Badesee in Bayern oder im Rhein bei Mainz in Not geraten –, sollte auch Wasserrettung überall einheitlich geregelt ablaufen und funktionieren. Im Gegensatz zu den Vorgaben der Feuerwehr für Brandeinsätze über die FwDV 100 gibt es bislang keine allgemeingültige Dienstvorschrift für den Wasserrettungsdienst.

Dazu möchte dieses Buch einen Beitrag leisten, indem es umfangreiche Ansatzpunkte für eine „Dienstvorschrift 3“ zur Organisation und zu Taktiken der Wasserrettung bietet:

Ausgehend vom Ertrinken zieht sich der rote Faden über die Organisation der vorhandenen Einheiten der Wasserrettung in Deutschland, um sich dann den verschiedenen taktischen Ebenen zu widmen – von klein nach groß, von einfach zu komplex. Kapitel zur organisatorischen Vor- und Nachbereitung von Einsätzen sowie zum Gesundheits- und Umweltschutz, immer mit Fokus auf die taktischen Belange der Wasserrettung, runden das Buch ab.

Dabei sind die Beschreibungen der Einheiten und Aufgaben organisationsunabhängig und -übergreifend umgesetzt.

ISBN 978-3-96461-057-7
www.skverlag.de
Organisation
Beitrag zu einer „Dienstvorschrift 3“ für Wasserretter (WR-DV 3)
Manuel Döhla
und Taktiken des Wasserrettungsdienstes

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