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Erfahrungsbericht Schwangerschaft und Alkohol

Regina Vinke arbeitet als RehabilitationsPädagogin am Sozialpädiatrischen Zentrum des Mindener Johann Wesling Klinikums und warnt eindringlich vor dem Genuss von Alkohol während der Schwangerschaft

„Jeder Schluck ist einer zu viel“

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Alkohol führt zu Schädigungen beim ungeborenen Kind

Inniger kann eine Beziehung nicht sein als während einer Schwangerschaft: Neun Monate lang wächst in einer Frau ein Kind heran – zwei engstens miteinander verbundene Kreisläufe des Lebens. Vor diesem Hintergrund müsste eigentlich klar sein, dass Frauen in dieser Zeit auf Alkohol verzichten sollten. Trotzdem ist das „Fetale Alkoholsyndrom“ (FAS) in der Welt.

Regina Vinke arbeitet als Rehabilitations-Pädagogin am Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) des Johann Wesling Klinikums in Minden. Dort hat sie unter anderem mit Kindern zu tun, die unter FAS leiden. „Dieses Syndrom entsteht, wenn die Mutter in der Schwangerschaft Alkohol trinkt“, sagt sie.

Alkohol gehört zu den toxischen Stoffen. Das „Gift“, das der Mutter einen Genuss bereitet, gibt sie über die Nabelschnur an den Embryo beziehungsweise Fötus weiter. Im Gegensatz zu einem erwachsenen Menschen, dessen Leber Alkohol wenigstens zum Teil abbauen kann, sind Embryo oder Fötus dem „Gift“ jedoch schutzlos ausgeliefert. Vor allem in den ersten beiden Dritteln der Schwangerschaft, in denen die Anlagen herausgebildet werden, die das Kind und den Erwachsenen ausmachen werden, kann es verheerende Folgen haben, wenn Schwangere Bier, Wein oder sogar Schnaps trinken. Mediziner möchten keine Grenze festlegen, unterhalb welcher ein Alkoholgenuss vielleicht unschädlich sein könnte. „Deswegen muss in der Schwangerschaft die Null-Promille-Regel gelten“, macht Regina Vinke deutlich. „Jeder Schluck ist ein Schluck zu viel.“

Die Schäden, die das „Fetale Alkoholsyndrom“ anrichtet, sind oft massiv. Das gilt gleichermaßen für das Fühlen, das Denken und den Körper des Neugeborenen. „Von FAS betroffene Kinder können ihre Handlungen nicht gut planen und haben Probleme, ihre Gefühle zu steuern“, sagt die Reha-Pädagogin. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass beides zu sozialen Problemen führen kann, die nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern stark belasten. Typisch für FAS-Kinder sind auch äußere Erscheinungen wie ein kleiner Kopf, ein flaches Gesicht, eine schmale Oberlippe und ein fliehendes Kinn.

Selbst für Spezialisten ist es nicht einfach, FAS eindeutig zu diagnostizieren, weil es viele Auslöser für soziale Auffälligkeit bei Kindern gibt. Diese können bei der Diagnose nicht helfen – und viele Eltern wollen es nicht, weil sie sich und anderen dann eingestehen müssten, in der Schwangerschaft wenig verantwortungsbewusst gehandelt zu haben. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass bei jeder 350. Geburt das Fetale Alkoholsyndrom Ursache für eine geistige Behinderung ist: Das sind doppelt so viele Fälle wie jene, die mit dem Down-Syndrom in Verbindung gebracht werden.

Entdeckt wurde der Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss in der Schwangerschaft und behinderten Kindern Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. „Es ist schwer, mit dieser Krankheit umzugehen“, sagt Regina Vinke. Operationen oder Medikamente, die helfen, gebe es nicht. „Der einzige Weg, um Kindern und Eltern den Umgang mit dem Syndrom zu erleichtern, sind aufwändige und lang andauernde Therapien. Weil es keine Heilung gibt, ist Alkohol in der Schwangerschaft tabu.“ ■

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