SOCRATES Magazin | Leseprobe #9

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M A RT I N KAYME R HO LG ER B ADSTUB E R RAT I O P HA R M ULM L A N C E ST R OLL TO UR D E F RA N C E C HR I S CO R N E LL E DE R UN D V IE L E A NDE R E

GLÃœCK

LESEPROBE

#9 07/2017


Ob bewusst oder unbewusst, wir arbeiten alle in unserem Leben auf ein Ziel hin. Ein Ziel, das uns das Glück verschaffen soll, das wir uns so sehr wünschen. Das kann bei einem die große Liebe sein, bei dem anderen die Reise ins All oder das berufliche Glück. Haben Sie schon mal überlegt, was für Sie Glück bedeutet? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen und haben uns gefragt, was für Sportler Glück bedeutet. Wie definiert ein Martin Kaymer, der eine beispiellose Karriere als Golfer hingelegt hat, sein Glück? Wie haben sich die Werte eines Holger Badstuber verschoben, der seit Jahren nicht immer vom Glück verfolgt wurde? Und kann man als Lance Stroll glücklich sein, wenn man mit 18 Jahren in einem Formel-1-Auto sitzt, dir aber alle nachsagen, der reiche Papa habe nachgeholfen? Wir sind froh, dass unsere Gesprächspartner und Autoren in unserem Centre Court das Thema vertieft haben und wir ein paar Antworten fanden. Vielleicht ist da ja auch etwas für Sie dabei... Finden Sie Ihr Glück. EIN AUSZUG AUS DEM EDITORIAL ZUR N E U N T E N A U S G A B E V O N S O C R AT E S .


SIND SIE GLÜCKLICH?


S AY HELLO 2 H E AV E N


Ty Cobb war einer der größten und umstrittensten Spieler in der Geschichte des amerikanischen Baseballs. Er war der erste Spieler, der in die Hall auf Fame aufgenommen wurde, er halt immer noch Dutzende Rekorde. Auf der anderen Seite wird ihm nachgesagt, dass er ein aggressiver, selbstverliebter, sogar ein rassistischer Mann gewesen sein soll. Hätte ich das Lied Ty Cobb der Band Soundgarden nicht gekannt, hätte ich nicht um diese Legende gewusst. Die Zeilen, die Chris Cornell verfasst hat, haben keineswegs etwas mit Baseball zu tun. Eher wird die Geschichte von jemandem erzählt, den jeder hasst, der alles, was seinen Weg kreuzt, demütigt. Cornell sagte: „Eigentlich habe ich gar kein Lied über Ty Cobb geschrieben – ich weiß gar nichts über ihn. Ich habe lediglich versucht, einen Charakter zu kreieren, der die Summe aller Menschen ist, die ich nicht mag.“ Als der Bassist der Band, Ben Shepherd, den Songtext hörte, sagte er, „das erinnert mich an Ty Cobb“, und Chris dachte sich „das ist aber mal ein protziger Name“. EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON ÇETİN CEM YILMAZ ÜBER DIE GRUNGELEGENDE, CHRIS CORNELL.


Welche Erinnerungen bleiben von Ihrem Treffer im EM-Finale? Es gibt einige Anekdoten, die ich nie vergessen werde. Es war wie in einem Märchen. Bis zum Finale habe ich keine große Rolle gespielt, ich saß meistens auf der Ersatzbank und ich habe auf meine Chance mit viel Geduld gewartet. Als mir Fernando Santos vor meiner Einwechslung im Finale ein paar Anweisungen gab, habe ich ernsthaft zu ihm gemeint: ‚Trainer, machen Sie sich keine Sorgen, ich werde treffen.‘ Das ist kein Witz. Ich war fest davon überzeugt, dass mir etwas Fantastisches gelingen würde. Ich hatte das Gefühl, dass mir nichts Negatives passieren würde. Ich war auf dieses Spiel und insbesondere auf diese Schlussphase komplett fokussiert. Ich sage es Ihnen: Vor meiner Einwechslung hatte ich noch zu keinem meiner Trainer gesagt, dass ich gleich treffen würde. Aber diese Kühnheit war kein Zeichen von Arroganz, sondern einzig und allein von purer Überzeugung. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Abend meiner werden würde. E D E R S C H O S S VO R E I N E M JA H R P O R T U G A L Z U M E M -T I T E L . E I N T O R , D A S A L L E S V E R Ä N D E R T H AT. A L E X I S M E N U G E S P R I C H T MIT IHM ÜBER EIN BEWEGTES LEBEN UND E I N E N A N R U F A U S D E M G E FÄ N G N I S .


DER EXOT




GEGEN DIE ZEIT Warum lieben Ihrer Meinung nach die Schriftsteller das Radrennen, vor allem die Tour de France? Weil dieses Rennen wie ein Reisekoffer ist. Schauen Sie sich die anderen Sportarten an; egal bei welcher, Sie haben immer ein begrenztes Feld. Beim FuĂ&#x;ball, Boxen, Volleyball, Fechten... Alle werden auf kleinen Feldern ausgetragen. Zum Beispiel beim


Schwimmen, das Schwimmbecken ist immer ein Schwimmbecken. Egal, ob Sie in New York oder Buenos Aires sind – Sie werden jedes Mal das gleiche olympische Schwimmbecken vorfinden. Und beim Boxen ist der Ring, egal wo auf der Welt, immer ein Ring. Beim Radrennen ist es aber anders. Die Landschaft, die Bäume, die Schlösser sind immer andere. Außerdem fahren Sie manchmal durch einen Ort, in dem ein Schriftsteller geboren wurde, und Sie denken an ihn. Manchmal fahren Sie auf den Mont Ventoux und Ihnen fällt die Geschichte Tom Simpsons ein. Manchmal fahren Sie durch den Col de Menté und Sie erinnern sich an Luis Ocaña. Das sind in gewissem Sinne heilige Orte. Aus diesem Grund haben diejenigen, die über Radrennen schreiben, immer Vorteile gegenüber ihren Kollegen, die über andere Sportarten schreiben. Auch die Dauer der Rennen hilft uns dabei. Sie haben ein zweihundert Kilometer langes Rennen; wenn Sie aufmerksam sind, finden Sie Sachen, auf die Sie sich fokussieren, die Sie entdecken und näher kennenlernen können. Das sind schöne Beschäftigungen für einen Schriftsteller. E I N AU SZ U G AU S D E M I N T E RV I E W VO N İNAN ÖZDEMİR MIT DER TOUR-LEGENDE GIANNI MURA ÜBER SEINE ERINNERUNGEN UND BERÜHMTE SCHREIBMASCHINE.




DAS GLĂœCKSKIND Welche Hilfen gibt es, diese so wichtige Ruhe auf dem Platz zu finden? Sehr viel kann ich aus dem Erfahrenen lernen. Jedoch nur, wenn ich auch gut reflektiere. Fast jede Woche muss ich mir die ehrlichen Fragen stellen, die manchmal auch hart sind. Es geht um Eingeständnisse, die sich niemand gerne macht.


Haben Sie Beispiele? Jeder Mensch hat das doch schon erlebt. Wenn du irgendwo und irgendwann besonders gut bist, wirst du schnell arrogant im Austausch mit dir selber. Es ist dann immer interessant zu sehen, wann der Schlag kommt, der dir sagt: Du bist nicht so gut wie du denkst. Das ist extrem wichtig, weil du weißt: Ich habe meinen Faden verloren. Und je früher dieser Reminder kommt, desto besser. Andererseits muss es nicht immer der Misserfolg sein, der dich weiterbringt. Ich meine, das ist doch fünzig fünfzig. Bei meinem US-Open-Sieg 2014 habe ich Schläge gemacht, da dachte ich, die kann ich gar nicht. Ich habe mich selbst überrascht und dabei so viel gelernt – mindestens so viel wie 2016 in Abu Dhabi, als ich neun Schläge Vorsprung verspielt habe. Dieses intensive, nicht immer schöne Aufarbeiten gibt bei der Wiederholung die Ruhe, die es braucht. FRIEDER PFEIFFER SPRICHT MIT EINER D E R B E S T E N G O L F E R D E R W E LT, M A R T I N K AY M E R . E I N G E S P R Ä C H Ü B E R F R E I H E I T, PERFEKTION UND EINE GOLFRUNDE MIT ANGELA MERKEL.


DAS S TA R T- U P


Zu ergründen, warum ratiopharm ulm eine Erfolgssaison gespielt hat, bedeutet nicht, ein Wunder zu definieren. Dies impliziert Außergewöhnliches, mehr noch Einzigartiges. Und was einzigartig ist, kann nicht repliziert werden. Was dem Projekt Ulmer Basketball Unrecht tun und es in den Bereich des Zufalls einordnen würde. In Wahrheit ist der Erfolg lang geplant. „Überraschend in dem Ausmaß aber trotzdem“, bekräftigt Thorsten Leibenath. „Ein Prozess“ und „Mut, etwas zu versuchen“, fällt häufig. ratiopharm ulm konnte zu Beginn der abgelaufenen Saison einen Großteil der Mannschaft halten. In der aktuellen Landschaft des deutschen Basketballs ist Kontinuität ein Luxus, den sich die Spitzenteams aus Bamberg und München leisten. Ulms Erfolg beginnt genau dort. Gewissermaßen früher, als das Fundament gelegt wurde, um die Amerikaner und Deutschen zum Verbleib anzuregen bzw. namhafte Verstärkungen zu holen. Trotz eines verkorksten Starts in der Saison 2015/16 erreichte Ulm das Finale. Die Mannschaft erkannte das Potenzial und entschied sich für einen weiteren Anlauf.

WAR DIE SAISON VON RATIOPHARM ULM EIN ZUFALLSPRODUKT? ODER KANN SIE EIN WEGWEISER FÜR EINE INNOVATIVE ERFOLGSKULTUR SEIN? ROBERT JERZY BESUCHTE DIE HELDEN VON DER ORANGE-STADT.


SEGEN IN DER BOX Agassi selbst hat großen Respekt vor seinem neuen Schützling und der Aufgabe. „Am Anfang geht es darum, wie Novak sich und sein Spiel selbst sieht. Warum er denkt, dass er so gut war und ist. Es geht um Inspiration, Information und Hilfestellungen“, erklärte er CNN und gab zu, zunächst unentgeltlich und ausschließlich bei den Grand Slams mit dem Serben zu arbeiten. Rein inhaltlich geht es in dieser Zeit darum, Djokovićs Spiel ergonomischer zu gestalten. Agassi hatte eine lange Karriere, Erfolge noch weit in seinen Dreißigern gefeiert. Von dieser Expertise will Djoković, mit Agassi wohl der beständigste Grundlinienspieler aller Zeiten, profitieren: Noch bessere Returns, schnellere Punktgewinne lautet wohl die Zauberformel. E I N AU S Z U G AU S D E R G E S C H I C H T E VO N JANNIK SCHNEIDER ÜBER DIE TENNISS U P E R COAC H E S .



„ICH STEHE HIER“


Jetzt gehen Sie eine neue Aufgabe an. Es ist wieder ein neues Gefühl. Aber eines, das ich ganz bewusst möchte. Ich freue mich auf das, was kommt. Ich bin von meiner Einstellung und Entwicklung so weit, ein neues Kapitel zu beginnen, hinter die vergangenen Jahre einen Haken zu machen und nach vorne zu blicken. Da habe ich riesige Lust drauf. Ich bin mir sicher, dass da etwas sehr Gutes auf mich zukommt. Am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison kam von den Bayern-Fans aus der Südkurve ein Transparent mit der Aufschrift: So verabschiedet man keinen verdienten Spieler. Drei Seiten für einen Sponsor, drei Zeilen für Holger. Hätten Sie sich mehr vom FC Bayern gewünscht? Ich habe nichts erwartet. Für mich ist das Wichtigste, dass die Fans mich genauso wahrnehmen, wie ich bin. Und wenn sie das tun, freut mich das am meisten. Der Fußball hat sich verändert, ist wirklich ein absolutes Tagesgeschäft. Wenn da heute etwas wegfällt, ist es morgen Geschichte. Dann geht es weiter, immer weiter. Für mich ist das in Ordnung. EIN AUSZUG AUS DEM INTERVIEW VON FELIX SEIDEL MIT HOLGER BADSTUBER, ÜBER GLÜCK UND KONSOLENSPIELE MIT SCHWEINSTEIGER.


„BEI MIR FINDET MAN DAS N E G AT I V E “


Anders herum: Sind Sie dankbar für Ihren Weg, der bisher ohne große Rückschläge nach oben ging? Auf jeden Fall. Aber ich habe mir diesen Weg nicht erkauft. Andere Fahrer sind auf andere Weise gefördert worden, durch Nachwuchsprogramme großer Teams, durch Sponsorengelder. Irgendwo kommt das Geld heute immer her. Ich habe hart gearbeitet, meine Meisterschaften gewonnen. Mehr lasse ich nicht an mich herankommen. Ich weiß, was ich geleistet habe, und darauf bin ich stolz. (…) Kein Zweifel, dass ich noch sehr viel zu lernen habe, aber ich werde es schaffen und auch hier nach vorne kommen. Man muss an sich selbst glauben, hart arbeiten. Das versuche ich jeden Tag zu tun. Im Auto, wenn wir alle den Helm auf haben, dann sind wir irgendwie alle gleich. Dann geht es nicht mehr darum, wer von woher kommt, dann geht es darum, was man auf der Strecke macht. Ich genieße, was ich dort tue... KARIN STURM SPRICHT MIT DEM JÜNGSTEN FORMEL-1-FAHRER, LANCE STROLL. EIN INTERVIEW ÜBER DIE SICHTWEISE DER MENSCHEN UND DIE ERWARTUNGEN EINES MANNES, DER VERSUCHT, SICH ALLEN ZU BEWEISEN.



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