SOCRATES Magazin | Leseprobe #12

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SÓCRATES UWE SEELER JENS LEHMANN RAÍ NBA-SAISON 2017/18 AYRTON SENNA FLORIAN FRITSCH UND VIELE ANDERE

# 12 10/2017



EIN VERSPRECHEN Ich hatte keine Ahnung, wie gut oder wie schlecht sich Sportmagazine in Deutschland verkaufen. Ich hatte keine Ahnung, ob irgendjemand Lust hätte auf ein Sportmagazin, das von sich behauptet, es denkt. Ich hatte keine Ahnung, ob das Konzept, das in der Türkei so wunderbar klappt, in Deutschland überhaupt ziehen würde. Ich war mir dennoch sicher. Das würde funktionieren. (…) Ich könnte an dieser Stelle viele schöne Anekdoten erzählen, viele tolle und aufregende Momente beschreiben. Aber das ist nur unser erster Geburtstag und es ist nicht Zeit, zurückzublicken, sondern nach vorne zu schauen. Ich weiß, dass die Entwicklung des Magazins längst noch nicht abgeschlossen ist und wir noch viel Luft nach oben haben. Respektvolle Grüße Fatih Demireli EIN AUSZUG AUS DEM EDITORIAL ZUR Z WÖ L F T E N A U S G A B E VO N S O C R AT E S .


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N B A - S P E C I A L


DER MYTHOS


2010 flog ich nach São Paulo, um den legendären Brasilianer zu treffen. Er willigte zu diesem Treffen nur unter der Bedingung ein, mir während unseres Gesprächs in die Augen schauen zu können. Ein einfach zu erfüllender Wunsch, hätte er in Manchester gewohnt und nicht auf der anderen Seite des Atlantiks. Allerdings sind einige Menschen es wert, solch eine Reise auf sich zu nehmen. Und Sócrates gehörte zu diesem Kreis. Als ich im Restaurant seiner Wahl saß und auf Sócrates wartete, eine Churrascaria im Herzen São Paulos, war ich umgeben von Industriemagnaten, die mit langbeinigen Schönheiten an ihrer Seite, halb so alt wie sie, zu Mittag aßen. Die Legende der brasilianischen Nationalmannschaft von 1982 erschien schlussendlich und setzte sich mir gegenüber auf den Stuhl. Innerhalb von Minuten stellte er klar: „Ich habe drei Idole: Che Guevara, Fidel Castro und John Lennon.“ Ob wir in unserem Gespräch viele Ansichten teilen würden oder nicht, eines wurde mir sofort klar – dies war kein normales Interview mit einem Fußballer. SÓCRATES WAR NICHT NUR EIN ÜBERRAGENDER FUSSBALLER. ER VERÄNDERTE AUCH EINE WELT UND WURDE ZUM VATER VON 150 MILLIONEN MENSCHEN. ANDY MITTEN TRAF IHN VOR SEINEM TOD.


Sehen Sie es auch als Verantwortung der heutigen Spieler, sich Gedanken zu machen, wie sie mit ihrer Popularität auch über den Fußball hinaus Gutes tun können? Ich finde es schön, wenn sich Spieler sozial engagieren. Es gibt ja einige Spieler, die ebenfalls eine Stiftung haben. Mir gefällt es, dass der Spanier Juan Mata öffentlich kundgetan hat, in Zukunft ein Prozent seines Gehalts für wohltätige Zwecke zu spenden. Er hat damit einen Impuls gesetzt, der in der Gesellschaft gut ankommt. Sie sprechen von der Initiative ‚Common Goal‘, an der sich auch Mats Hummels beteiligt. Ich würde es begrüßen, wenn sich auch weitere Spieler anschließen würden. Mats Hummels verkörpert für mich so einen Fußballer, der auch vom Kopf her weiß, was er neben dem Platz macht. Der einen Blick über den Tellerrand hinaus hat. Vielleicht ist er in Ansätzen daher so eine Art moderner, deutscher Sócrates. U W E S E E L E R H AT T E A L L E S , U M G L Ü C K L I C H Z U W E R D E N . D E N F U S S B A L L , S E I N E FA M I L I E UND EIN NORMALES LEBEN. EINE LEGENDE O H N E S K A N DA L E ? W I E DA S F U N K T I O N I E R T, E R Z Ä H LT E R F E L I X S E I D E L I M I N T E R V I E W.


„STINKNORMAL BIN ICH AM LIEBSTEN“


I M S C H AT T E N DES EIGENEN IDOLS


Welche Erinnerungen haben Sie an Sócrates und wie wollen Sie, dass er erinnert wird? Er war ein genialer Athlet, der seinen Höhepunkt bei der Weltmeisterschaft 1982 hatte, mit einer der besten Nationalmannschaften Brasiliens aller Zeiten, und er war einer der Anführer; und als politischer Aktivist einer der Verantwortlichen für die Redemokratisierung des Landes. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr nehmen die Leute seine Bedeutung wahr. Er hat sich mit Ideen und Positionen in einen Mythos verwandelt, der Land und Leute inspiriert, die ein gerechteres und freieres Brasilien wollen. Und als Bruder? Als Bruder auch ein Idol (lacht). Mein ältester Bruder, der eine sehr rare Persönlichkeit war und eine hohe Intelligenz besaß; er war Arzt und Athlet, etwas, das sehr schwierig ist. Also eine Person, deren Intelligenz sehr weit über dem Durschnitt lag und es wird ein Privileg bleiben, Bruder einer solch raren Persönlichkeit gewesen zu sein. ST E L L E N S I E S I C H VO R , S I E W E R D E N A L S K A P I TÄ N W E LT M E I S T E R U N D DENNOCH SPRICHT JEDER ÜBER IHREN Ä LT E R E N B R U D E R . R A Í E R Z Ä H LT M A R T I N A FA R M B A U E R , W I E E S S I C H A N F Ü H LT.


Sie sind in der Vergangenheit mit Kritik an der heutigen Generation der jungen Fußballer aufgefallen. Stichwort: unbändiger Siegeswille. Ja, es ist eine andere Zeit: Diese Spieler werden früher in die erste Mannschaft eines Teams hochgezogen. Dort tragen sie rasch Verantwortung und es gibt wenige Spieler, die ihnen von den Erfahrungswerten her helfen können, sich zurechtzufinden oder gar Demut vorzuleben. Die Teams waren vor einigen Jahren noch anders strukturiert. Aber diese Spieler sind dank der Nachwuchsleistungszentren technisch und taktisch besser ausgebildet, oder? Das würde ich im Gesamtpaket so nicht unterschreiben. Einzelne Komponenten wie etwa Technik helfen nicht immer langfristig. Es gibt viele junge Spieler, auch prominente Beispiele, die gute bis sehr gute Leistungen erbracht haben, aber langfristig Probleme bekommen haben, sich zu etablieren. Teilweise geschieht das durch Verletzungen, teilweise aber auch, weil die letzten paar Prozent nach dem ersten guten Vertrag fehlen. JENS LEHMANN SPRICHT MIT JANNIK SCHNEIDER ÜBER SEIN NEUES LEBEN UND D I E H E U T I G E G E N E R AT I O N .


„ D E R A L LTAG DER PROFIS WIRD Ü B E R S C H ÄT Z T “


DER PROTEGÉ


Sie waren etwas jünger als Sócrates, die symbolische Figur der ‚Democracia Corinthiana‘, und sind sein engster Wegbegleiter geworden. Wie würden Sie Ihr Verhältnis in der Zeit der Democracia beschreiben? In jener Zeit war es wunderbar, auch weil ich vieles von Sócrates gelernt habe. Ich war ein komplett rebellischer Jugendlicher und er schon ein reiferer Typ. Wenn er mich anschaute, sah er sich. Er projizierte auf mich das Bild von ihm als Jugendlichen. Er sagte das diverse Male zu mir, wenn wir ausgingen, uns in der Bar unterhalten, getrunken haben. Er beobachtete mich viel, mein Verhalten, mein Wesen, und vielleicht hat das in ihm eine gewisse Nostalgie nach seiner Jugend erzeugt. Vielleicht wäre er gerne ein Jugendlicher mit meinem Verhalten gewesen. Der physische Typ, das lockige Haar, er hat viele Ähnlichkeiten in mir gesehen. Er wiederum war mein Idol und plötzlich wird man Freund seines Idols, spielt zusammen. Ich habe das Beste von ihm mitgenommen. Viel von meinem Verhalten heute hat damit zu tun. ERST WAR SÓCRATES SEIN VORBILD, DANN SEIN MITSPIELER UND ENGER FREUND. WALTER CASAGRANDE JÚNIOR SPRICHT MIT MARTINA FARMBAUER ÜBER DIE ‚DEMOCRACIA CORINTHIANA‘ UND SEINE ERINNERUNGEN AN SÓCRATES.


Wie bewerten Sie das deutsche Bildungssystem? Als rückständig. Bundesweit fehlen aktuell 25.000 Lehrstellen, wir haben zum Teil noch Zustände wie im alten Preußen, da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie gar nichts getan. Im internationalen Vergleich hinken wir hinterher, ich finde das beschämend, gerade für ein Land, das so reich ist und so viele Möglichkeiten hätte, die Bildung zu verbessern. Mich erinnert das an den deutschen Fußball zur Jahrtausendwende, als die Nationalmannschaft bei der EM 2000 in der Vorrunde rausflog und plötzlich jeder sah, wie schlimm es um die Ausbildung der Talente stand. Dann wurde Geld und Zeit investiert und heute stehen Jogi Löw fünfzig bis sechzig unglaublich gut ausgebildete Kicker zur Verfügung. Eine ähnliche Entwicklung wünsche ich mir auch für unser Bildungssystem. Wenn auch mit deutlich mehr Weitsicht als beim Fußball. K N U T R E I N H A R DT WÄ H LT E N AC H S E I N E R KA R R I E R E E I N E N U N G E WÖ H N L I C H E N W E G . I M I N T E RV I E W S P R I C H T E R M I T A L E X R A AC K Ü B E R DA S LO C H N AC H D E M L E T Z T E N S P I E L UND SCHULSTUNDEN MIT PROBLEMKINDERN.


„SCHÖNER ALS JEDER T I T E LG E W I N N “


(…) Gerade in Brasilien sind es aber nicht nur die großen sportlichen Erfolge, die Sennas Vermächtnis darstellen. Es ist vor allem seine soziale, seine menschliche Seite, die immer größere Wirkung zeigt. Das „Instituto Ayrton Senna“ im Stadtteil Pinheiros von São Paulo, die „Senna Foundation“, so der international bekanntere Name, ist das wohl wichtigste Vermächtnis, das der dreimalige Weltmeister hinterlassen hat. Den Traum, mit seinen Erfolgen und durch sein Engagement auch seinem Land Brasilien zu helfen, hatte er immer schon gehabt. Zunächst eher im Verborgenen – die Angst, ihm würden nur PR-Gründe unterstellt, schwang immer mit. Erst im Winter 1993/94, als er mit dem Comic Senninha herauskam, dessen Erlöse für hilfsbedürftige Kinder bestimmt waren, ging er mit seinen Plänen an die Öffentlichkeit, mit Plänen, „die ein Traum sind, die ich wachsen, Fortschritte machen sehe, die einmal viele Menschen glücklich machen werden“. EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON K A R I N S T U R M Ü B E R AY R T O N S E N N A , DER ÜBERALL SPUREN HINTERLASSEN H AT U N D S E I N E W I R K U N G A U C H H E U T E N O C H N I C H T V E R L O R E N H AT.


„ DA S H AT MICH ÜBER JAHRE VERFOLGT“

DA S V E R M ÄC H T N I S



„ICH BRAUCHE K E I N E S C H U T Z WA N D “ F I Eetwas G Emüde ND G E DA NArt K und EN SieL sind undE enttäuscht von der Weise der Kommunikation im deutschen Fußball? Nicht nur31-jährige im deutschen Fußball. Esdas gibtgerne, Trainer, diedas diese Sprach(…) Der Fritsch macht sich Hirn zerlosigkeit, diese NichtKommunikation gefördert haben durch martern über spezielle Trainingsformen, mögliche Auswegeeine aus Pseudo-Verwissenschaftlichung derdie Sprache. So sehr, dass ich mir dem Dasein als Profigolfer, auch Verbindung des Kategodachte: Ich mache das nun schonals soLeistungssportler lange, ich wusste gar rischen Imperativs zum Leben hatnicht, er bewie kompliziert das ist. Im aber Ernst:dreht Das ist eine ganz, ganz schlechte reits gezogen. Manchmal sich das Gedanken-KarusEntwicklung. normale kann diese Art, wie über den Fußsell zu schnellDer – was dazu Fan führt, dass Fritsch in dieser Saison ball gesprochen wird, so nicht mehr gänzlich nachvollziehen. eines mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder nicht tun wird: in ein Flugzeug steigen. Fritsch Angst vor Überspitzt formuliert: Sie mögen das Worthat „Matchplan“ dem Im Sport, dessen Turnierserien keine Grenzen nichtFliegen. sonderlich? kennen, galt das lange als Berufsverbot. Bis Fritsch kam. Das ist hohles Wortgeklingel. Ich kann all diese Begriffe wie „Halbräume“, „abkippende Sechser“ und derlei Dinge übersetzen. Ich F L Osie R IinAmeinen N F RÜbertragungen I T S C H I S Tstets W versucht, E LT W E T habe zuI vermeiden. E IN E R mir D EistRdas B überwiegend E K A N N T gelungen. ESTEN DEUTSCHEN Ich hoffe, G O L F E R . W E I L E R A N D E R S I S T. U N D T R OAUSZUG T Z D E M AUS E R F DEM OLGR E I C H . E R VON S P R JANNIK ICHT EIN INTERVIEW M IT FRIEDE R PMARCEL F E I F F E REIF, R ÜBE R S EDAS I N E NOTSCHNEIDER MIT ÜBER F L U G A N GEGO S T UEINES N D VKOMMENTATORS. IELE ANDERE. WENDIGE



LIEBE, MEER UND E I N B A S E B A L L- S P I E L (…) Linklater, der während seiner Highschool-Zeit mit seinem Baseball-Talent glänzte, erhielt ein Sportstipendium für sein Studium. Allerdings entwickelte sich die Geschichte nicht wie erwartet. In einem Interview mit The New Yorker sagt er über jene Zeit: „Ich erinnere mich noch, dass ich auf dem Spielfeld träumte und mir selbst sagte: ‚Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit, dann könnte ich Die Brüder Karamasow lesen‘.“ Aus diesem Dilemma ging Dostojewski als Sieger hervor. Linklaters Baseball-Karriere endete, nachdem die Ärzte bei ihm einen Herzfehler festgestellt hatten. Er schlug nun einen anderen Weg ein und erlangte einen Platz in Austins Kunstszene…

EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON İNAN ÖZDEMİR ÜBER DEN TEXANISCHEN FILMEMACHER RICHARD LINKLATER UND SEINE LEIDENSCHAFT FÜR DOSTOJEWSKI UND BASEBALL.



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